Laboratorium Institut Für Aktuelle Kunst

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Laboratorium Institut Für Aktuelle Kunst Laboratorium Kunstlexikon Saar Institut für Kunstort aktuelle Kunst Stadtbaukunst des späten 19. Jahrhunderts: im Saarland Rathaus und Rathausplatz in Saarbrücken 1 Laboratorium Institut für aktuelle Kunst im Saarland Kunstlexikon Saar Kunstort Stadtbaukunst des späten 19. Jahrhunderts: Rathaus und Rathausplatz in Saarbrücken Vorwort Erik Schrader Dezernent für Bildung, Kultur und Wissenschaft Als sich im Jahr 1909 die drei bis dahin selbstständigen Städte (Alt-)Saarbrücken, St. Johann und Malstatt-Burbach zur Großstadt Saarbrücken vereinigten, wurde als fortan gemeinsames Ratsgebäude das Rathaus von St. Johann gewählt. Erst wenige Jahre zuvor nach einem Plan des Münchner Architekten Georg Hauberrisser vollendet, war es nicht nur das geräumigste sondern auch als das jüngste der drei Rathäuser stilistisch aktuell und stach seine beiden Konkurrenten aus: Das Rathaus Saarbrücken, einen Mitte des 18. Jahrhunderts vom fürstlichen Baumeister Friedrich Joachim Stengel errichteten Barock- bau am Schlossplatz, und das 1875 erbaute, spätklassizistische Rathaus Malstatt. St. Johann, die seinerzeit aufstre- bende Kaufmannsstadt, hatte im Zuge einer notwendig gewordenen Stadterweiterung nördlich des 4 historischen Stadtzentrums einen der Bebauung der einmündenden neuen Platz anlegen lassen, der Straßen ein unverwechselbares nach den von Camillo Sitte in seinem Ganzes, innerhalb dessen sich das Buch „Der Städte-Bau nach seinen Rathaus St. Johann als herausra- künstlerischen Grundsätzen“ vor- gender Ort eines Gemeinwesens gestellten Prinzipien des „male- besonders behauptet. rischen Städtebaus“ ausgestaltet worden war: Bis heute fügen sich Die vorliegende Broschüre beschreibt die evangelische Johanneskirche, in gebotener Kürze die städtebau- das Rathaus, die Sparkasse und liche Bedeutung des Rathausplatzes, die zahlreichen von privater Hand das Charakteristische der Architektur errichteten Wohn- und Geschäfts- der rahmenden Profangebäude, häuser zu einem repräsentativen, insbesondere des Rathauses, sowie nach künstlerischen Gesichtspunkten die in über 100 Jahren eingetretenen komponierten Stadtraum zusammen. Veränderungen und verweist auf die Denn trotz späterer Eingriffe – hier reichhaltige baugebundene Ausstat- sind in erster Linie die Zerstörun- tung des Kunstorts. Im Anhang sind gen im Zweiten Weltkrieg und ein erstmals Kurzbiografien der beteilig- teilweise veränderter Wiederaufbau ten Architekten und Künstler versam- zu nennen sowie Veränderungen melt. Eine ausführliche Darstellung auf dem Platz, die den gewandelten der Kunstwerke des „Kunstorts Rat- Verkehrsbedingungen geschuldet haus Saarbrücken“, zu denen auch sind – ist die ursprüngliche Konzepti- die reichhaltige Sammlung „mobiler“, on weitgehend erhalten und sichtbar zumeist zeitgenössischer Kunst in geblieben. den Fluren, Treppenhäusern, Sälen und Zimmern und vor allem Städteplaner, Architekten und die der Festsaal des Rathauses gehört, Künstler der baugebundenen Kunst- muss einer späteren, umfangreiche- werke wie Skulpturen, Plastiken, ren Publikation vorbehalten bleiben. Fensterbilder und Wandgemälde schufen mit dem Rathausplatz und 5 6 7 Das Rathaus St. Johann Die städtebauliche und der Rathausplatz Ausgangssituation in Saarbrücken – ein Beispiel für 1852 wurde der Bahnhof auf die Stadtbaukunst des späten St. Johanner Bann eröffnet und in 19. Jahrhunderts seiner Folge erlebte die Stadt einen ständig zunehmenden wirtschaft- Marlen Dittmann lichen Aufstieg. Damit verbunden war eine rege Bautätigkeit, bei der auch eine Reihe öffent- licher Bauten und Einrichtungen entstanden: Bergwerksdirektion, Eisenbahn direktion, Elektrizitäts- werk, Schlachthof, Hallenbad und Volksgarten. Um die Entwicklung in geordnete Bahnen zu lenken, beauftragte der Stadtrat den Mainzer Stadtplaner Eduard Kreyßig 1888 mit einem Bebauungsplan. Gefordert wurde u. a. die Begren- zung und optimale Erschließung des zentral gelegenen Rathausplatzes, für den man bereits 1861 eine Fläche ausgewiesen hatte. An eine Kirche wurde nicht gedacht. Obwohl noch kein Rathaus in Planung war, gab es dennoch eine genaue Vorstellung zur Baukörper- figur. Sie entsprach dem gängigen Typus eines breitgelagerten Reprä- sentationsbaus mit Mittelrisalit und symmetrischer Gliederung. 8 Plan der Stadt Saarbrücken, 1919 Kreyßig plante ihn auf der Südseite Nur reichte das Gelände nicht. So des Platzes, während genau gegen- einigte man sich darauf, den Boule- über in der Achse des Mittelrisalits vard auf 16 m zu verengen und nach ein 20 m breiter Boulevard einmün- Osten zu verschieben. Mit dem Er- den sollte. Damit wäre der Mittel- gebnis: Die Straßenachse führte nicht risalit der monumentale Blickpunkt mehr auf den Rathausmittelpunkt in der Gesamtanlage geworden. zu, sondern auf den seitlichen Flügel. Doch alles änderte sich, als 1891 die Die Stadtverordneten stimmten nach evangelische Kirche das unmittelbar einer ersten Ablehnung zu, da jetzt anschließende Gelände erwarb, vom Kirchenvorplatz eine „Sicht- um dort ein großes Gotteshaus mit verbindung auf den Mittelbau des einem repräsentativen Platz vor der neuen Rathauses gegeben war“. „An westlichen Turmfassade mit dem der Kreuzung der Dudweiler Straße Hauptportal zu errichten. Der Turm angekommen, würde das Rathaus sollte den point de vue der Kaiser- vollständig sichtbar werden und vom straße bilden. Rathaus aus hätte man eine sehr 9 Entwurf der Bebauung des Rathausplatzes, um 1900: Rathaus, Bürgerhäuser, Post, Johanneskirche schöne Ansicht auf den Chor der bezeugt 1899 ein Schreiben von Kirche“. (StASB SJ 635, Schreiben Stadtbaurat Wilhelm Franz auf die Friedrich Mertz, 16.10.1898) Anfrage der Kirchenleitung, um die Kirche herum einen Garten Damit konnte sich zwischen Rathaus anzulegen. „Die Projektierung der und Kirche eine einheitliche Platz- die Kirche unmittelbar umgebenden fläche erstrecken. Die Auffassung Anlagen wird am besten im Zusam- von einer einheitlichen, nur gemein- menhang mit dem ganzen großen sam zu gestaltenden Platzanlage Platzprojekt vorgenommen. 10 Rathausplatz, Luftbild aufgenommen am 14.8.1932 Da dieses Projekt voraussichtlich erst Nordwesten und den querrechtecki- in mehreren Jahren endgültig fertig gen Rathausplatz südöstlich davon. gestellt sein wird (…) ist eine Lösung Ausgangspunkt für die endgültige zu finden, die später (…) nicht Gestalt von Rathaus und Platz- hinderlich ist.“ (StASB SJ 577) Die folge war also die Johanneskirche. damit entstandene Raumfolge sehen Ohne axiale Anordnung und ohne wir noch heute: Den Boulevard, Symmetrien zeigt sich eine „gegen- die heutige Johannisstraße, den einander verschobene und ineinan- trapezförmigen Kirchenvorplatz im der verschränkte“ Platzfolge. 11 12 Sie entsprach den aktuellsten Bürgerschaft konnte sich nur durch Forderungen nach einem maleri- den neuesten Stand der Entwick- schen Städtebau, den der Wiener lung repräsentiert sehen. Und das Architekt und Städtebautheoretiker war der malerische Städtebau. Camillo Sitte (1843-1903) propa- gierte. Dabei bekamen die Plätze Die Gegenüberstellung von Rathaus die Aufgabe, die monumentalen und Kirche an einem repräsenta- Bauwerke „wie ein Bühnenbild zur tiven Platz war im Mittelalter üblich, vollen Wirkung“ zu bringen. Sie im Historismus eine Ausnahme. In wurden dabei nicht als Neben- der Regel wurden Rathäuser mit einander einzelner Teile, sondern Bildungsbauten – Theater, Museum, als ein Ganzes angesehen, wie Schule – ergänzt, nicht so am hiesi- aufeinander bezogene Asymmetrien gen Rathausplatz. Anfangs wollte zwischen Kirche und Rathaus, die die Post an der Westseite ein einheitliche Stilwahl – Gotik – und zweistöckiges Gebäude errichten. das einheitliche Material – Sand- Die Stadt lehnte es ab, denn „das steinquader – beweisen. Der Giebel Gebäude könne in Rücksicht des der „Querschiff-Fassade und der großen Platzes, der monumentalen Festsaaltrakt des Rathauses sind Gebäude an und auf demselben, in einer weiten Diagonale formal der bedeutenden Opfer, welche auf einander bezogen. (…) Der die Stadt bereits gebracht, um reichsten baulichen Gruppierung würdige Bauten an der Umgebung der Kirche mit Chor und Querhaus, des Platzes zu erzielen, nur ein drei- dem Fassadenturm als vertikalem stöckiges sein.“ (StASB SJ 4112) Akzent im Hintergrund, antwortet Die Post wurde dann an der Ecke die asymmetrische Komposition Dudweiler- / Stephanstraße gebaut der beiden Rathausflügel mit dem und eine Woche später als das Rat- Rathausturm an der Gelenkstelle.“ haus, am 30. Juni 1900 eingeweiht. (Becker 2000, S. 10) Dass dies kein Zufall war, lässt sich nicht Evangelische Johanneskirche, 1895-98, erbaut nach Entwurf von Heinrich Güth belegen, doch die selbstbewusste S. 14/15: Rathaus und Bürgerhäuser, um 1910 13 14 15 Das Rathaus Bereits 1876 wurde ein Rathaus- Baufonds eingerichtet, aber der Bau erst 1896 beschlossen. Im Gegensatz zur Kirche verzichtete der Stadtrat auf einen Wettbewerb, sondern beauftragte den bekann- ten Rathaus-Baumeister Georg Joseph Hauberrisser direkt, wohl auf An raten des damaligen Stadtbau- meisters Wilhelm Franz. Hauberrisser projektierte eine Vier-Flügelanlage mit Innenhof als Blockrandbebauung von Rathaus- platz, Kaltenbach-, Gerber- und Betzenstraße. Gebaut wurde jedoch nur die Platzfront, die, leicht um die Georg von Hauberrisser (1841-1922) Ecke Betzenstraße geführt, hier an ein bestehendes Nachbargebäude anknüpfte. Das Gebäude mit seiner 57 m langen Front entspricht, wie alle Rathausbauten der Zeit, dem Typ „malerische deutsche Rathaus- anlage“. Charakteristisch dafür sind Turm, Saaltrakt mit Giebel und der Erker. In Saarbrücken steigt im Gelenk
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