Wir sind Nationalmannschaft Analyse der Entwicklung und gesellschaftlichen Bedeutung der Fußball-Nationalelf

ISBS Research Series – Issue 7 Vorbemerkung Dabei ist der Fußball für erfolgreiche Nationen Um die DNA der aktuellen Fußball-National- noch brutaler als die Wirtschafts­praxis, denn mannschaft ergründen und systematisch Während Leistung systematisch gefördert hier zählt am Ende nur der Sieg bei einer EM zukünftige Entwicklungspotentiale identifi- werden kann, sind Siege und Titel nicht oder WM; der zweite Platz gilt bereits als Ent- zieren zu können, erscheint die Analyse der planmäßig organisierbar. Erfolg bedeutet im täuschung. In der Wirtschaftswelt hingegen Vergangenheit aus wissenschaftlicher Sicht internationalen Fußball genauso wie in der können zeitgleich auch mehrere Unterneh- unumgänglich. Denn der Status quo der Na- Wirtschaftswelt, besser zu sein als die Kon- men weltweit Spitze sein und sich feiern. tionalmannschaft ist immer auch das Ergeb- kurrenz. Dauerhafte Erfolge sind allerdings nis eines langjährigen Entwicklungsprozesses nur denjenigen Teams vorbehalten, die in der Mit ihrer Weltranglistenplatzierung (Platz 2 mit diversen Pfadabhängigkeiten (Schreyögg/ Lage sind, nicht nur ihre Leistungen kontinu- zwischen Juli 2012 und August 2013) und den Sydow, 2010). ierlich weiter zu steigern, sondern auch Wett- erfrischenden Auftritten in der Qualifikation bewerbsvorteile unter sich stets ändernden zu und an EM- und WM-Turnieren durchlebt In der vorliegenden Studie wird die Entwick- Rahmenbedingungen zu erringen, zu halten die deutsche Fußball-Nationalmannschaft lung der letzten 14 Jahre (1998-2012) der Na- und auszubauen. eine der konstantesten und erfolgreichsten tionalmannschaft analysiert und mit Wandel- Phasen in ihrer Geschichte. Die vorbildliche bzw. Entwicklungsprozessen in Unternehmen Um die Leistungsfähigkeit zu erhöhen, un- Nachwuchsarbeit und der Fußball »Made in verglichen. Selbstverständlich sind Wirtschaft terziehen sich Hochleistungsorganisationen Germany« werden international anerkannt und Fußball nicht denselben Gesetzmäßigkei- sowohl Phasen des »evolutionären« als auch und als Vergleichsmaßstab verwendet. Nur ten ausgesetzt. Der Fußball ist für erfolgreiche des »revolutionären« Wandels (Tushman et der Titel bei einem großen Turnier fehlt der Nationen noch brutaler als die Wirtschaftspra- al., 1986). Dabei zeigt sich nicht nur in der Nationalmannschaftsgeneration um Khedira, xis, denn hier zählt am Ende nur der Sieg bei Unternehmenspraxis, sondern auch in der Özil, Lahm und Schweinsteiger noch; die Er- einer EM oder WM und der zweite Platz gilt Fußballwelt, dass die größte Kunst darin be- wartungshaltung ist dementsprechend hoch. bereits als Enttäuschung. In der Wirtschafts- steht, sich auch und gerade im Erfolg eine welt hingegen, können zeitgleich auch mehre- grundlegende Veränderungsbereitschaft zu re Unternehmen weltweit spitze sein und sich bewahren. »feiern« lassen. Trotzdem lassen sich interes- sante Ähnlichkeiten entdecken und zumindest Vorbemerkung 3

Oliver Kahn: »Es ist wie in der Wirtschaft, wer nicht permanent bereit ist, sich weiterzuentwickeln, wird ganz schnell überholt.«

Anregungen aus der Unternehmenspraxis für bislang detaillierte empirische Grundlagen zu Die Durchführung unserer Studie »Wir sind die Nationalmannschaft ableiten. So werden ihrer sportlichen Entwicklung und der damit ver- Nationalmannschaft« wäre ohne die Unter- die jeweiligen Amtszeiten der Bundestrainer bundenen gesellschaftlichen und ökonomischen stützung des DFB und der Nationalmannschaft beleuchtet und daraufhin untersucht, wel- Wirkung. Fragen, wen die Nationalmannschaft selbst nicht möglich gewesen. Wir bedanken chen Beitrag sie zur längerfristigen Entwick- innerhalb der Gesellschaft erreicht, welche Iden- uns insbesondere bei Wolfgang Niersbach, Oli- lung und zum Erfolg der Nationalmannschaft tifikationswirkung sie auslöst, wo sozialer Mehr- ver Bierhoff, Georg Behlau und seinem Team, geleistet haben. Wohl wissend, dass die Natio- wert für die Gesellschaft geschaffen wird und Jens Grittner, Ulrich Voigt und allen befragten nalmannschaft natürlich untrennbar mit dem welche Verantwortung und Herausforderungen Experten für die gute Zusammenarbeit sowie DFB (Deutscher Fußball-Bund) verbunden ist hiermit für die Spieler und das Team National­ bei Prof. Dr. Benno Torgler von der Queens- und sportliche wie wirtschaftliche Erfolge im- mannschaft einhergehen, sind bisher kaum land University of Technology, Brisbane, für mer auch das Ergebnis eines Ineinandergrei- erforscht worden. Mit der vorliegenden Studie die methodische Begleitung der Studie. fens aller Verbandsstellen bedeuten, liegt der beabsichtigen wir, Antworten auf diese Fragen Fokus der wissenschaftlichen Untersuchung zu finden. Darüber hinaus möchten wir Erfah- Prof. Dr. Sascha L. Schmidt und auf der Nationalmannschaft als Teil des DFB rungen aus der Wirtschaftspraxis nutzen, um Andreas Bergmann und betrachtet nicht alle Aktivitäten des DFB Anregungen und Impulse zur Fortsetzung der Er- im Detail. folgsgeschichte der Nationalmannschaft bis zur WM 2014 und darüber hinaus leisten zu können. Mit dem sportlichen Erfolg sind aufgrund der Die Grundlage unserer Studie bilden neben außerordentlichen öffentlichen Beachtung und einer umfangreichen Sekundärdatenanalyse Wertschätzung der Nationalmannschaft natür- sowie einer Mehrfachbefragung von knapp lich auch immer enorme gesellschaftliche und 3.000 Teilnehmern zu drei Zeitpunkten 52 wirtschaftliche Abstrahleffekte verbunden. Gespräche mit aktuellen und ehemaligen Sicherlich besteht weitgehend Konsens darüber, Nationalspielern und -trainern, DFB-Verant- dass die Nationalmannschaft als Vorbild und wortlichen, Sport-Journalisten und Meinungs- Vermittler von Werten agiert und von ihr eine führern aus den Bereichen Politik, Kirche, Wis- integrierende Wirkung ausgeht. Dennoch fehlen senschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. 4 Inhaltsverzeichnis 5

Inhaltsverzeichnis

Zentrale Thesen der Studie...... 6

1. Die aktuelle Stärke der Nationalmannschaft ist das Ergebnis eines langjährigen Wandelprozesses...... 9 1.1. Auftauphase: Verzicht auf radikale Veränderungen und überwiegend evolutionäre Impulse unter Ribbeck und Völler‌...... 10 1.2. Wandelphase: Revolutionäre Veränderungen unter Klinsmann, dem richtigen Mann zur richtigen Zeit...... 12 1.3. Verstetigung der Leistung in der evolutionären Stabilisierungsphase: Der Glücksfall Löw...... 14

2. Die systematische Talentförderung ist Auslöser höherer fußballerischer Qualität und Homogenität der Nationalmannschaft...... 17

3. Die Nationalmannschaft als sinnstiftende Quelle einer Volks-Identifikation...... 21

4. Vierte Macht im Staat? Die Nationalmannschaft erreicht jeden Winkel der Gesellschaft...... 25

5. Die »Magie« der Nationalmannschaft generiert sozialen Mehrwert für die Gesellschaft...... 31 5.1. Die Nationalspieler besitzen Vorbildfunktion: Das Team als Mittler von Werten...... 32 5.2. Die »Inter-Nationalmannschaft« steht für Integration innerhalb der Gesellschaft...... 34 5.3. Die Nationalmannschaft als Quelle individuellen und kollektiven Wohlbefindens...... 34

6. Durch hohe mediale Reichweite und positives Image generiert die Nationalmannschaft ökonomischen Mehrwert für den deutschen Fußball...... 37

7. Dauerhafte Wettbewerbsvorteile der Nationalmannschaft sind nur durch rechtzeitige Anpassung der Erfolgsrezepte möglich...... 41 7.1. Beherrschung von »Ambidextrie«...... 43 7.2. Bewusstes Management der Homogenität/Heterogenität innerhalb der Mannschaft...... 44 7.3. Bewusster Umgang mit gestiegener wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Verantwortung...... 46

Ausblick...... 49

Anhang...... 51

8. Studiendesign und Methodik...... 52 8.1. Primärdatenerhebung: Onlineumfragen...... 52 8.2. Primärdatenerhebung: Semi-strukturierte Experteninterviews...... 53 8.3. Sekundärdatenanalyse...... 54 8.4. Verwendete statistische Verfahren...... 54

9. Weitere Auswertungen...... 55 9.1. Zusatzinformationen zur Auftauphase unter Erich Ribbeck (1998-2000)...... 55 9.2. Zusatzinformationen zur Auftauphase unter Rudi Völler (2000-2004)...... 55 9.3. Zusatzinformationen zur Wandelphase unter Jürgen Klinsmann (2004-2006)...... 56 9.4. Zusatzinformationen zur Stabilisierungsphase unter Löw (2006-2012)...... 58 9.5. Einführung eines flächendeckenden Fördersystems in Deutschland...... 60 9.6. Statistische Auswertungen zur Identifikationswirkung der Nationalmannschaft...... 61

Literaturverzeichnis...... 65 Über das Institute for Sports, Business & Society...... 70 ISBS Research Series...... 71 6 Zentrale Thesen der Studie

1. Die aktuelle Stärke der Nationalmannschaft ist das Zentrale Thesen Ergebnis eines langjährigen der Studie Wandelprozesses Die Entwicklung der Nationalmann- schaft in den letzten 14 Jahren ist mit typischen Wandelprozessen von Unter- nehmen zur nachhaltigen Steigerung der Organisationsleistung vergleichbar. Analog hierzu kann die Ära Ribbeck/ Völler als Auftauphase, die Zeit unter Klinsmann als radikale Wandelphase und die Ära Löw als Stabilisierungspha- se gesehen werden.

2. Die systematische Talentförderung ist Auslöser höherer fußballerischer Qualität und Homogenität der Nationalmannschaft

Das hohe Leistungsniveau der National- mannschaft ist im Wesentlichen der flä- chendeckenden Nachwuchsförderung durch das 2000 lancierte DFB-Talentpro- gramm sowie der Einführung der Bun- desliga-Nachwuchsleistungszentren im Jahr 2002 zu verdanken. Neben der Steigerung der fußballerischen Qualität trägt diese einheitliche Ausbildungs- praxis zu einem Anstieg der Homogeni- tät der Nationalmannschaft bei. Zentrale Thesen der Studie 7

3. Die Nationalmannschaft als 5. Die »Magie« der Nationalmannschaft 7. Dauerhafte Wettbewerbsvorteile sinnstiftende Quelle einer generiert sozialen Mehrwert für der Nationalmannschaft sind nur Volks-Identifikation die Gesellschaft durch rechtzeitige Anpassung der Erfolgs­rezepte möglich Während tradierte gesellschaftliche, Die Nationalmannschaft schafft ei- politische und soziale Institutio- nen sozialen Mehrwert für die Gesell- Um die Erfolgsgeschichte innerhalb nen in der breiten Bevölkerung als schaft, indem sie integrierende Wir- und über die Ära Löw hinaus fort- Identitätsstifter zunehmend an Be- kung entfacht und für verbindende schreiben zu können, erscheinen deutung verlieren, erweist sich der Gemeinschaftserlebnisse der Nation gezielte Maßnahmen notwendig. Im Fußball als Fels in der Brandung. Der sorgt. Zudem nehmen die National- Zentrum stehen hierbei die gleich- wahrgenommene Erfolg der Fußball- spieler eine persönliche und gesell- zeitige Ausnutzung vorhandener und National­mannschaft gepaart mit ho- schaftliche Vorbildfunktion ein. die Entwicklung neuer strategischer hen Sympathiewerten ermöglicht ihr Ressourcen. Zudem kommt dem eine außergewöhnliche Identifikati- bewussten Management der Homo- onswirkung in der Gesellschaft. 6. Durch hohe Reichweite und genität/Heterogenität innerhalb der positives Image generiert Mannschaft sowie der zunehmenden die Nationalmannschaft wirtschaftlichen und gesellschaftli- ökonomischen Mehrwert für chen Verantwortung außerhalb des 4. Vierte Macht im Staat? Platzes besondere Bedeutung zu. Die Nationalmannschaft erreicht den deutschen Fußball jeden Winkel der Gesellschaft Die Nationalmannschaft erzeugt Egal ob Männer oder Frauen, Berufs- durch ihre positiv wahrgenommene tätige oder Arbeitslose, Groß- oder Markenpersönlichkeit ein einzigarti- Geringverdiener, Ein- oder Mehrper- ges öffentliches Interesse über alle sonenhaushalte, Eltern oder Kinder- Medien hinweg. Durch Turnierteil- lose, Groß- oder Kleinstädter, sozial nahmen und die Vermarktung der engagiert oder nicht – alle identifizie- Länderspiele trägt die Nationalmann- ren sich gleichermaßen mit ihrer Fuß- schaft zur finanziellen Stabilität des ball-Nationalmannschaft. Gemeinsam DFB bei. mit Singles weisen Personen mit niedrigerem Bildungsniveau sowie ausländische Staatsbürger mit kur- zer Verweildauer in Deutschland die höchsten Identifikationswerte auf. 8 1. Die aktuelle Stärke der Nationalmannschaft ist das Ergebnis eines langjährigen Wandelprozesses 9

1. Die aktuelle Stärke der Nationalmannschaft ist das Ergebnis eines langjährigen Wandelprozesses 10

1. Die aktuelle Stärke der 1.1. Auftauphase: Verzicht auf Nationalmannschaft ist das Ergebnis radikale Veränderungen und eines langjährigen Wandelprozesses überwiegend evolutionäre Impulse unter Ribbeck und Völler Erich Ribbeck: »Während meiner Zeit verliefen Seit dem Jahr 1998 wurde die deutsche Fuß- die Entwicklungen in der Nationalmannschaft ball-Nationalmannschaft von vier Trainern Die Zeit, in der Erich Ribbeck (1998-2000) und eher peu à peu. Ich musste mehr auf die bzw. Teamchefs geleitet: Erich Ribbeck, Rudi Rudi Völler (2000-2004) die Nationalmannschaft Fortführung des Bestehenden setzen.« Völler, Jürgen Klinsmann und Joachim Löw. als Bundestrainer bzw. Teamchef führten, er- Mit dem Wechsel der Bundestrainer sind je- scheint aus heutiger Sicht als eine vor allem Rudi Völler: »Betrachtet man die Anzahl und weils unterschiedliche Entwicklungsphasen evolutionär geprägte Auftauphase innerhalb Qualität der Spieler, ist die Situation von der Nationalmannschaft mit unterschiedli- der langjährigen Entwicklung der Fußball-Natio- damals mit der heutigen überhaupt nicht mehr chen Leistungsniveaus zu beobachten. Die nalmannschaft (siehe 9.1 und 9.2). Eine solche vergleichbar. Aufgrund der Nachwuchsarbeit Analyse der Leistungsentwicklung der Na- Auftauphase, in der die Bereitschaft für grund- des DFB und der Leistungszentren der Vereine tionalmannschaft über die letzten 14 Jahre legende Veränderungen des Organisationssys- steht dem Bundestrainer, im Vergleich zu (1998-2012) zeigt gewisse Parallelen zu typi- tems geschaffen wird, ist Voraussetzung dafür, meiner Zeit, heute eine viel breitere Basis an schen Organisationsentwicklungs­verläufen dass eine Organisation durch radikalen Wandel potentiellen Nationalspielern zur Verfügung.« in der Wirtschaftspraxis. Diese erscheinen auf ein höheres Leistungsniveau gebracht wer- plausibel, obwohl im Fußball immer nur eine den kann (Lewin, 1958). Matthias Brügelmann (Chefredakteur, Sport Nation alle zwei Jahre den EM- oder WM-Titel Bild): »Erich Ribbeck hat den nationalen gewinnen kann, Unternehmen aber unab- Die Amtszeiten von Ribbeck und Völler Fußball verwaltet statt gestaltet, so haben hängig voneinander jedes Jahr Rekordergeb- begannen und endeten jeweils mit einem wir dann auch gespielt.« nisse erzielen können. Erfolgreiche Wan- enttäuschenden Abschneiden der National- delprozesse in Unternehmen folgen einem mannschaft bei einer WM bzw. EM. Den- Jens Mende (Sportjournalist, dpa und Buchautor): idealtypischen Schema (Lewin, 1958) von noch waren offenbar die Bereitschaft und »Rudi Völler hat von seiner Popularität evolutionären, revolutionären und erneut der Druck für tiefgreifende Veränderungen gelebt, viele seiner Entscheidungen sind evolutionären Phasen. Dabei dient die vor- im Kreise der Nationalmannschaft nicht aus dem Bauch heraus entstanden.« ausgehende Auftauphase (unfreezing) zur ausreichend, um die grundlegende Verän- Vorbereitung einer radikalen Wandelphase derung von Prozessen und Strukturen im Michael Horeni (Sportjournalist, FAZ und (change), welcher eine Stabilisierungsphase bestehenden »System Nationalmannschaft« Buchautor): »Die Bereitschaft zum Wandel (refreezing) der Organisation auf einem er- in Angriff zu nehmen (siehe 9.1 und 9.2). war in der Phase Völler relativ schwach höhten Leistungsniveau folgt. Zwar wurden vom DFB im Jahr 2000 mit der ausgeprägt. Mayer-Vorfelder wollte zwar wieder Aufstockung des jährlichen Nachwuchsetats den sportlichen Anschluss finden und die Analog hierzu kann die Zeit unter Ribbeck und und der flächendeckenden Einrichtung von Jugendarbeit systematisch fördern, aber alles Völler (1998-2004) als Phase des evolutionä- Förderstützpunkten wegweisende Verände- andere, wie etwa grundsätzliche Fragen zu ren Wandels, die Zeit unter Klinsmann (2004- rungen in der Nachwuchsarbeit vorgenom- adressieren und der Mut zu Strukturreformen, 2006) als Phase eines revolutionären Wandels men (siehe 9.5). Diese hatten zunächst aber waren sehr schwach ausgeprägt. In der Phase und die Entwicklung unter Joachim Löw (2006- keinen unmittelbaren Einfluss auf die Natio- Völler hieß es deshalb: ’einfach weiter so’.« 2012) wiederum als evolutionäre Phase ange- nalmannschaft, sondern machten sich erst sehen werden (siehe Abb. 1). später mit dem Heranwachsen einer neuen Spielergeneration innerhalb der Mannschaft bemerkbar. 1. Die aktuelle Stärke der Nationalmannschaft ist das Ergebnis eines langjährigen Wandelprozesses 11

Abb. 1: Das 3-Phasen-Modell des organisatorischen Wandels nach Lewin und Platzierungen Deutschlands in der FIFA-Weltrangliste 1 2 3 4 σ 1,44 ø 3,84 5 6 7 ø 7,25 3,05 8 σ 9 10 11 12 130% 13 14 120% 15 16 σ 3,43 ø 16,17 110% 17 18 100% 19 20 90% 21 22 80% 23 24 70% 25

Vorrunden-Aus, 2. Platz, Vorrunden-Aus 3. Platz, 3. Platz, 2. Platz, 3. Platz, Halbfinal-Aus, EM 2000 in Belgien WM 2002 in Japan EM 2004 Confed Cup 2005 WM 2006 in EM 2008 in Österreich WM 2010 in EM 2012 in Polen und Niederlande und Südkorea in Portugal in Deutschland Deutschland und Schweiz Südafrika und Ukraine

1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012

ERICH RIBBECK RUDI VÖLLER JÜRGEN KLINSMANN JOACHIM LÖW

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft Aus der Managementlehre ist bekannt, dass Wolfgang Niersbach: »Das Vorrunden-Aus erreichte in dieser Auftauphase unter Rib- Organisationen das vorherrschende Gleich- bei der EM 2004 war schlimm. Der sportliche beck und unter Völler eine Durchschnitts- gewicht erst verlassen und längerfristig eine Misserfolg, gepaart mit dem Blick auf die platzierung von 7,2 in der Fifa-Weltrangliste höhere Leistungsebene erreichen können, bevorstehende Heim-WM 2006, zwang uns und bewegte sich dabei zwischen Platz 3 wenn die Notwendigkeit erkannt wird und zwar, aber ermöglichte uns auch erst, neue im November 1998 und Platz 13 im August sich die Bereitschaft zu einer grundlegenden und teilweise riskante Wege zu gehen.« 2004. Die Leistungsvolatilität in dieser Pha- Veränderung des Systems herausgebildet se (siehe Standardabweichung von 3,05 in hat. Erst diese Erkenntnisse erlauben es, Rudi Völler: »Nach dem Ausscheiden bei Abb. 1) ist niedriger als die unter Jürgen dass existierende Beharrungskräfte aufge- der EM 2004 wollte ich ganz bewusst den Klinsmann und deutlich höher als diejeni- brochen und vorherrschende Gewohnheiten Weg für einen Neuanfang zur Vorbereitung ge in der Löw-Ära. Mit der Vergabe der WM hinterfragt werden, damit neuartige Ideen der Mannschaft auf die Weltmeisterschaft 2006 an Deutschland und dem desaströ- umgesetzt werden können. Zumeist fun- im eigenen Land frei machen.« sen Abschneiden der Nationalmannschaft gieren externe Schocks als Auslöser für er- bei der EM 2004 wurde zwei Jahre vor der forderliche nachhaltige Veränderungen. Mit Horst R. Schmidt: »Die traditionellen Kräfte WM im eigenen Land die Notwendigkeit für dem EM-Aus und dem Rücktritt von Rudi waren stets in der Übermacht, doch das nachhaltige, tiefgreifende Veränderungen Völler wurde im Hinblick auf die Weltmeis- Abschneiden bei der EM 2004 sollte ein der Nationalmannschaft erkannt. terschaft 2006 dieser Punkt in der National- Umdenken in den Köpfen bewirken und öffnete mannschaftsentwicklung endgültig erreicht schlussendlich das Tor für neue Wege.« und damit der Weg zu grundlegenden Ver- änderungen im Kompetenzbereich National- mannschaft eingeleitet. 12

Abb. 2: Trainerbilanzen 1998 – 2012

ERICH RIBBECK RUDI VÖLLER 09.07.1998 – 21.06.2000 02.07.2000 – 24.06.2004 24 Spiele 10 Siege 53 Spiele 29 Siege 6 Unentschieden 8 Niederlagen 11 Unentschieden 13 Niederlagen

1.2. Wandelphase: Revolutionäre bis zur Heim-WM und mit einer neuen Vision Veränderungen unter Klinsmann, dem das »Projekt WM 2006« leiten, notwendige richtigen Mann zur richtigen Zeit Reformen durchsetzen sowie Hindernisse und Widerstände überwinden, die der erfolgreichen Weiterentwicklung der Nationalmannschaft im Christoph Metzelder: »Klinsmann hatte 2006 Im Jahr 2004 eröffnete sich nach dem Aus- scheiden bei der EM in Portugal und dem Blick Wege standen. Mit der Heim-WM im Rücken eine unglaubliche Macht, da die Spieler unter auf die anstehende Heim-WM ein Zeitfenster, hatte er für seine Mission natürlich besonders keinen Umständen auf die Heim-WM verzichten in welchem die Chance für einen nachhalti günstige Rahmenbedingungen. wollten. Da haben sich sogar etablierte Spieler - eingereiht, was unter anderen Umständen gen, strukturellen Wandel des Systems Nati- onalmannschaft bestand und genutzt wurde. oder im Verein undenkbar gewesen wäre.« Auch wenn Klinsmann häufig als Galionsfigur Mit der Berufung Jürgen Klinsmanns (2004- des Wandels gesehen wird, sind die tatsäch- 2006) begann eine Phase von Veränderungen. lichen Veränderungen natürlich nicht allein Jürgen Klinsmann: »Es gab keine vorab Klinsmann schaffte es mit seinem Team, das sein Werk, sondern das Ergebnis kollektiver festgeschriebene Grundkonstellation mehr. Selbstverständnis der Organisation zu ver- Anstrengungen innerhalb des Teams Natio- Es sollte ein klarer Wettbewerb auf allen ändern sowie Innovationen im organisato- nalmannschaft und des DFB. Er legte von Tag Positionen geschaffen werden.« risch-strukturellen Bereich anzustoßen. Hierzu eins an großen Wert auf ein funktionierendes zählten das Engagement von Spezialisten im Team. Ihm war bewusst, dass er zwar von au- Erich Ribbeck: »Jürgen Klinsmann konnte Betreuerstab und der Aufbau des »Teams Na ßen Impulse setzen, aber keine Veränderun- in seinen zwei Jahren vieles ohne Risiko - gen erzwingen konnte. ausprobieren, denn die Mannschaft war tionalmannschaft« mit Einrichtung der Stelle des »Managers der Nationalmannschaft« (sie- als Gastgeber bereits für die Weltmeister­- he 9.3.1). Mit dem eingeleiteten Wandel gelang es, eine schaft­­ qualifiziert.« deutliche Verhaltensänderung (siehe 9.3.2) D und die Basis für eine nachhaltige Leistungs- Georg Behlau: »Mit Jürgen Klinsmann a sich solch grundlegende Umgestaltungen steigerung der Spieler zu legen (siehe 9.3.4). kam ein Bundestrainer, der sich neben nicht über Nacht vollziehen, sondern sich viel- mehr als dynamischer Prozess über die Zeit Allerdings führten die Umbaumaßnahmen den sportlichen Dingen auch um die entfalten, ist ein strukturiertes Projekt- nicht unmittelbar zu sportlichem Erfolg. Nach- organisatorische Ausrichtung der Einheit und Change-Management erforderlich, welches im dem Klinsmann das Nationalteam im Juli Nationalmannschaft Gedanken machte.« Idealfall durch einen sogenannten ​»Change- 2004 auf Platz 12 bzw. 13 der Weltrangliste Agent« angeführt wird. Klinsmann sollte als übernommen hatte, stürzte die Mannschaft solcher in einem eng umrissenen Zeitrahmen zunächst innerhalb der ersten zwölf Monate bis auf Rang 21 (Juni 2005) und damit unver- 1. Die aktuelle Stärke der Nationalmannschaft ist das Ergebnis eines langjährigen Wandelprozesses 13

JÜRGEN KLINSMANN JOACHIM LÖW 26.07.2004 – 11.07.2006 seit dem 12.07.2006* 34 Spiele 20 Siege 89 Spiele 61 Siege 8 Unentschieden 6 Niederlagen 15 Unentschieden 13 Niederlagen

*Stand 31.12.2012

hältnismässig deutlich im Vergleich zu den Mit dem Umbau der Organisation und dem Gastgebern anderer großer Turniere ab (siehe Hinzuziehen externer Experten (siehe 9.3.1), Abb. 1). Nach dem dritten Platz im Confedera- mit der Reformierung der Nationalmann- tions Cup und einem kurzen Zwischenhoch schaftskultur (siehe 9.3.2) sowie der Umstel- (Rang 11) fiel Deutschland bis zu Beginn der lung grundlegender Trainingsmethoden (siehe Jürgen Klinsmann: »Du musst die Leute einfach WM 2006 sogar auf Rang 22 zurück und ver- 9.3.3) wurde zunächst Verunsicherung ausge- dafür gewinnen, auch mal mit Risiko etwas buchte damit seine schlechteste Platzierung löst und ein Leistungsabfall bewirkt. Mit der Neues zu probieren, weil du sonst ewig in deiner seit Bestehen der Fifa-Weltrangliste. Die Öf- Zeit aber fingen Klinsmanns Maßnahmen an, alten Struktur festhängst. Die Veränderung von fentlichkeit, Medien, Politik und DFB-Verant- zu greifen und die gewünschte Leistungsstei- Strukturen ist immer ein gemeinschaftliches wortlichen waren verunsichert und Zweifel an gerung der Nationalmannschaft auszulösen. Werk. Ich habe zwar den Kopf für das Ganze Klinsmanns Strategie kamen auf. Beim Neuaufbau der Mannschaft kam Klins- hingehalten, aber so eine Umstrukturierung kann mann natürlich entgegen, dass die im Jahr nur funktionieren, wenn alle Leute mitziehen Die Leistungsschwankungen der Mannschaft 2000 angestoßenen Maßnahmen der DFB-Ta- und das von innen heraus leben. Der Wandel während der Amtszeit von Jürgen Klinsmann lentförderung sowie die Einrichtung der Nach- muss vom Zentrum heraus stattfinden und kann sind im Vergleich zur vorausgegangenen Auf- wuchsleistungszentren der Bundesligaclubs nicht einfach von außen aufgedrückt werden.« tauphase und nachfolgenden Stabiliserungs- in 2002 bereits erste Früchte trugen. phase erwartungesgemäß am höchsten (sie- : »Jürgen war in der Tat derjenige, he Standardabweichung von 3,43 Abb. 1). Der WM-Erfolg am Ende der Klinsmann-Ära der seine Vorstellungen kompromisslos Dies ist für radikale Wandelphasen typisch, und die damit verbundene Rückkehr des durchgesetzt hat. Wenn er in dieser Sache da sich grundlegende strukturelle Verände- Teams in die Top-10 der Weltrangliste im nicht so konsequent gewesen wäre, hätten die rungen nicht unmittelbar, sondern erst über Juli 2006 (Rang 9) bildeten sodann die Basis Veränderungen wohl nicht so schnell gegriffen.« die Zeit auf das Leistungsniveau auswirken. eines steilen Aufstiegs der Nationalmann- Auch Unternehmen verlieren in revolutionä- schaft (siehe Abb. 1). Jürgen Klinsmann: »Der Wandel hat nur ren Umstrukturierungsphasen oftmals vorrü- deswegen funktioniert, weil der deutsche Fußball bergehend Marktanteile oder an Börsenwert so viele neue Talente mit frischem Schwung durch (siehe Bollinger 2010; Yukl, 2009, Connor die Leistungszentren geschleust hat. Man kann 1995), was jedoch für eine nachhaltige Neu- ja nicht sagen, man mache jetzt alles neu, aber aufstellung der Organisation in der Regel habe die Qualität von Leuten nicht. Du kannst unvermeidlich ist. So war es auch für die nur neue Strukturen und Dinge angehen, wenn Entwicklung der Nationalmannschaft wich- du qualitativ das Fundament dafür hast.« tig, dass sich Klinsmann von aller Kritik nicht entmutigen ließ und seinen eingeschlagenen Weg rigoros fortsetzte. 14

ERFOLGSQUOTEN DER BUNDESTRERFOLGSQUOAINER TEN DER BUNDESTRAINER Abb. 3: Erfolgsquoten der Bundestrainer ERFOLGSQUOTEN DER BUNDESTRAINER ERFOLGSQUOERFOLGSQUOERFOLGSQUOTETEN DENTE DERN BUNRDE BUNRDES BUNDESTRDESTRAINERAINERTRAINER

GEGEN ALLE MANNSCHAFTEN GEGEN TOP 10-MANNSCHAFTEN GEGEN ALLE MANNSCHAFTEN GEGENGEGENGEGEN ALLEGEGEN ALLE ALLEMAN MANALLENSCH NS MANAFTENCHAFTENNSCHNSAFTENCHAFTEN GEGEN TOPGEGGEGEN TOPEN1GEG0-M TOP 10-MEN 1 0-MTOPANNSCHAFTENANNSCHAFTENANNSCHAFTEN 10-MANNSCHAFTEN GEGEN TOP 10-MANNSCHAFTEN ERFOLGSQUOTEN DER BUNDESTRAINER Siegquote 42 55 59 69 SiegSiqueginotequ %Sioteegquote 40 14 30 71 4242 42 555555 59 59 59 69 69 69 in %in % in % 404040 14 14 14 3030 30 7171 71 GEGEN ALLE MANNSCHAFTEN GEGEN TOP 10-MANNSCHAFTEN Siegquote Siegquote in % in % 42 55 59 69 42 55 5940Si 69egquote 14 30 71 40 14 30 71 1,4421,41,4 1,41,9551,91,91,9 1,9 1,9 59 1,9 1,9 2,6 69 2,6 2,6 TorqTToruoorqqteinuoT orte%quote 0,80,80,8400,8 0,5 0,5 0,5 0,5 14 1,31,3 1,31,3301,81,8 1,81,871

1,51,41,51,5 1,51,81,91,81,81,8 2,0 2,0 1,9 2,0 2,0 2,2 2,6 2,2 2,2 PunPuPuktnepuotenktTktorPuepuoteepuoteqnuoktteepuote 1,61,61,60,81,6 0,60,60,60,6 0,5 1,51,5 1,51,51,32,22,2 2,22,21,8 1,4 1,9 1,9 2,6 1,4 1,9Torquote 1,90,8 2,6 0,5 Torquo1,3te 1,8 0,8 0,5 1,3 1,8

1,5 1,8 2,0 2,21.3. Verstetigung derPun ktLeistungepuote in der 1,6lich 25 Jahren0,6 ins WM-Rennen.1,5 2012 waren die2,2 evolutionären Stabilisierungsphase: deutschen Nationalspieler im Schnitt vier Jahre Der Glücksfall Löw jünger als zur Jahrtausendwende und stellten damit sogar den jüngsten Kader des gesamten Lars Wallrodt (Fußballchef, Die Welt): Mit dem Rückzug von Jürgen Klinsmann Turniers. Zur Integration der Nachwuchsspieler »Das Erreichen dieses hohen, evolutionären endete auch eine revolutionäre Phase der in den A-Kader wurden Positionsbeschreibun- Plateaus, auf dem wirPu unsn aktuellktepuote befinden, Nationalmannschaftsentwicklung. Die Beru- gen im SinnePu dernkt Löw‘schenepuote Spielphilosophie 1,5 1,8 2,0 2,2 1,5 war nur aufgrund 1,8der Vorarbeiten, die unter 2,0fung von Joachim1,6 Löw 2,2 zum Bundestrainer 0,6mit klaren Vorgaben 1,5 und Leistungskriterien 2,2 1,6 0,6 1,5 2,2 Ribbeck, Völler und vor allem Klinsmann leitete dann eine Phase der Verstetigung an die zu spielende Position erstellt (siehe stattgefunden haben, möglich.« und kontinuierlichen Verbesserungen ein 9.4.2). Löw hielt zudem am zentral gesteuer- (siehe 9.4). Löw war als ehemaliger Co-Trai- ten, ansonsten aber stark individualisierten Oliver Kahn: »Nach einem euphorisierenden ner von Jürgen Klinsmann mit den einge- Trainingsprozess, unterstützt von zahlrei- Sommermärchen und einem emotionalen leiteten Reformen vertraut und daher wie chen Spezialisten für Fitness, Technik, Taktik Leader kam der gewiefte, sachlich-nüchterne kein anderer in der Lage, die erfolgreich und Spielanalyse, fest (siehe 9.4.2). Zudem Taktiker, der Begriffe wie Führungsspieler eingeführten strukturellen und personellen wurden technologiegestützte Methoden zur eher meidet. Das war dann sozusagen erst Neuerungen fortzuführen und weiterzuent- Spielanalyse und Trainingsgestaltung erweitert, einmal die Ruhe nach dem Sturm.« wickeln. Trotz einer bewussten inhaltlichen die Spielbeobachtung ausgedehnt sowie das Weiterführung der Klinsmann-Philosophie, datengestützte Coaching intensiviert. Weiterbil- Per Mertesacker: »Der DFB ist mit Jürgen änderte sich unter Löw die Art und Weise dungsangebote und kulturelle Veranstaltungen Klinsmann einen mutigen, neuen Weg gegangen, der Führung: Anstelle des emotional-cha- wurden weiter in die Nationalmannschaftsau- der sich ausgezahlt hat. Die neuen Strukturen rismatischen Leaders übernahm mit dem fenthalte integriert sowie eine inspirierende und eingeführten Systeme werden nun auch von »Projekt-Vollender« Joachim Löw ein »nüch- Teamatmosphäre im Kreise der Nationalmann- Joachim Löw konsequent fortgeführt. Der neue, terner Analytiker und gewiefter Taktiker« schaft gepflegt (siehe 9.4.2). frische Wind von damals, das Außergewöhnliche (Günter Netzer) das Zepter. von 2004 ist heutzutage eigentlich alltäglich.« Löw steht wie kein Bundestrainer zuvor für Löw verjüngte die Mannschaft kontinuierlich die kontinuierliche Verbesserung und Ver- (siehe 9.4.2). So nominierte er für die EM 2008 stetigung der Leistung auf hohem Niveau. fünf Spieler ohne Turniererfahrung und für die Die Erfolgsquoten und Leistungswerte der WM 2010 sogar elf Feldspieler und drei neue Mannschaft konnten in Offensive und De- Torhüter ohne vorherige EM- oder WM-Erfah- fensive (wie z.B. Passquoten, Erfolgsquoten rung. Als Folge nahm das Durchschnittsalter bei Angriffen, gelaufene Distanzen) deutlich der Spieler im Kader – nach einem kurzen An- gesteigert werden (siehe 9.4.3). Im Vergleich stieg 2008 – deutlich ab. Lag das durchschnitt- zu seinen Vorgängern ist die Leistungsvo- liche Alter des EM-Kaders 2000 noch bei knapp latilität innerhalb der Amtszeit von Joachim 29 Jahren, schickte Deutschland zehn Jahre Löw zudem erheblich gesunken (siehe Stan- später das drittjüngste Team mit durchschnitt- dardabweichung von 1,44 in Abb. 1). 1. Die aktuelle Stärke der Nationalmannschaft ist das Ergebnis eines langjährigen Wandelprozesses 15

Abb. 4: Erzielte Platzierungen der Bundestrainer

2 2 3 4 ø 3,84 6 ø 7,25 8 9 8 10 12 14 14 16 ø 16,17 18 20 22 22 24 26

beste Platzierung schlechteste Platzierung durchschnittliche Platzierung Standardabweichung

Unter seiner Ägide konnte die Nationalmann- Andreas Köpke: »Über die Zeit hat sich : »Mit den deutschen Tugenden schaft mehr als zwei Drittel ihrer absolvier- einiges geändert. Ab 2004 wurde begonnen, allein erreichst du heute gar nichts mehr, denn ten Spiele gewinnen. Dies entspricht einer einen anderen Stil reinzubringen und auch professionelle Arbeit stützt sich immer auf Siegquote von 69%. Analog hierzu konnten offensiver zu spielen. Jürgen Klinsmann hat Daten und Fakten. Wir nutzen dabei gezielt die Tor- und Punktequoten in Spielen der das angestoßen und mit Joachim Löw ist die technischen Möglichkeiten der Spiel- und deutschen Mannschaft auf Rekordniveau ge- dies immer weiter perfektioniert worden.« Spieleranalyse. Zahlen lügen nicht.« steigert werden. Löw weist mit 71% gewonn- ener Spiele zudem die höchste Siegquote Günter Netzer: »Joachim Löw war und ist Manuel Neuer: »Mit der Nationalmannschaft gegen Top-10 Mannschaften der letzten 14 ein Glücksfall für den deutschen Fußball. ist es in den letzten Jahren, vor allem seit Jahre auf. Damit konnte Löw über die letz- Er hat dafür gesorgt, dass die Mannschaft der WM 2006 stetig bergauf gegangen. ten acht Jahre hinweg eine durchschnittliche wieder internationale Akzeptanz erfährt. Bereits 2006 haben wir das Halbfinale Platzierung von Rang 3,8 in der Weltrangliste Neben der Physis und Charakterstärke wird erreicht und waren seitdem immer unter erreichen. Dies bedeutet den besten Schnitt sie heute vor allem für ihre taktischen und den letzten Vier. Zwar hat es für den ganz aller Bundestrainer im Betrachtungszeitraum spielerischen Fähigkeiten gefürchtet.« großen Coup noch nicht gereicht, aber das und liegt oberhalb des deutschen Gesamt- ist das klare Ziel für die nächsten Jahre.« durchschnitts aller Platzierungen (Platz 5,95) : »Joachim Löw hat die seit Einführung der Weltrangliste im Jahre National­mannschaft in eine Feinmechanik- Günter Netzer: »So hoch wie das fußballerische 1993. Werkstatt verwandelt, in der er mit der Niveau unter Jogi Löw heutzutage ist, war es Mannschaft ständig an den kleinen Dingen wahrscheinlich noch nie in Deutschland.« Seit Juli 2006 befindet sich die deutsche Na- feilt und winzige Stellschrauben justiert.« tionalmannschaft zudem ununterbrochen in den Top-10 des Fifa-Rankings, seit Juli 2010 Joachim Löw: »Die Basis unseres Handelns ist stets unter den besten vier, seit Juni 2011 eine ausformulierte Spielphilosophie. Darin durchgehend unter den besten drei und von stehen unsere Grundprinzipien, wofür wir stehen Juli 2012 bis August 2013 konnte sich die und natürlich sehr detailliert, wie wir spielen Mannschaft sogar ununterbrochen auf Rang wollen. Nur dies ist für uns entscheidend bei der zwei der Tabelle behaupten (siehe Abb. 1). gezielten Auswahl der Spieler, nichts anderes.«

Oliver Bierhoff: »Für ein zeitgemäßes Coaching sind moderne Spielanalysetools unerlässlich. Die Kombination von Videos, Animationen und Statistiken bieten den Trainern eine optimale Grundlage zur Identifizierung von Verbes­ serungs­potentialen der einzelnen Spieler und gesamten Mannschaft.« 16 2. Die systematische Talentförderung ist Auslöser höherer fußballerischer Qualität und Homogenität der Nationalmannschaft 17

2. Die systematische Talentförderung ist Auslöser höherer fußballerischer Qualität und Homogenität der Nationalmannschaft 18

2. Die systematische Talentförderung der Nachwuchskohorten in den Altersklassen ist Auslöser höherer fußballerischer U11 bis U15 von 3% (im Mittelwert Gesamtscore) Qualität und Homogenität der zu verzeichnen ist (siehe Abb. 6). Dieser Wert National­mannschaft erscheint sogar eher konservativ, da hochtalen- tierte Spieler heute wesentlich früher als noch Abb. 5: Sterneverteilung der Leistungszentren Innerhalb der Strategielehre bietet die ressour- vor wenigen Jahren aus der DFB-Stützpunktför- cenorientierte Denkschule interessante Anre- derung in die Leistungszentren der Bundesli- gungen. Sie verweist im Blick auf die Entwick- gaclubs wechseln und somit in den Leistungs- 24% lung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile eines tests nicht mehr berücksichtigt werden. 34% Unternehmens auf die Existenz und Nutzung einzigartiger unternehmensspezifischer Res- Großen Anteil an den ressourcenbeding- 24% sourcenbündel (Rühli, 1995; Amit/Schoemaker, ten Wettbewerbsvorteilen haben neben den 18% 1993; Barney, 1991; Dierickx/Cool, 1989). In DFB-Stützpunkten sicherlich die 2002 einge- Anlehnung an eine solche ressourcenorientier- führten Nachwuchsleistungszentren der Bun- Saison te Sicht kann auch eine Nationalmannschaft desligaclubs. Die Nachwuchsleistungszentren 2007/08 39% 39% durch (im Vergleich zur Konkurrenz) wertvol- werden einmal pro Jahr extern evaluiert. lere Humanressourcen (Spieler) und einen von der Konkurrenz nicht erwarteten Einsatz dieser Bei Betrachtung der Evaluationsergebnisse ≈ 3 Sterne 13% 9% ihre Wettbewerbsposition erheblich verbes- über die Zeit wird deutlich, dass innerhalb der ≈ 2 Sterne sern. Leistungszentren eine deutliche Qualitätsstei- ≈ 1 Stern gerung stattgefunden hat. So erhielten in der ≈ im Aufbau Saison 2012/13 Die heutige Generation der Nationalspieler Saison 2007/08 neun der 38 zertifizierten Zent- verdankt ihre Erfolge nicht zuletzt der einheit- ren (24%) die Höchstbewertung von 3 Sternen. lichen, systematischen Nachwuchsförderung In der Saison 2012/13 sind dies mit 18 von 46 durch den DFB (seit 2000) sowie der Einführung Zentren doppelt so viele mit höchster Bewer- Ulf Schott: »Ziel des breit angelegten Ausbildungs­ der -Nachwuchsleistungszentren im tungsstufe. Dies entspricht einem Anstieg um programms ist es, eine bestmögliche Entwicklung Jahr 2002. 63% in der höchsten Qualitätskategorie. von jungen Talenten nachhaltig zu gewährleisten, so dass sich die Nationalmannschaft auch in Die flächendeckende Sichtung und Auswahl Nachdem die nicht vorhandene Qualität der in Zukunft in der Weltspitze behaupten kann.« der vielversprechendsten Talente sowie die Deutschland vorherrschenden Talentförderung kontinuierliche Verbesserung der Trainingsar- in der Vergangenheit oftmals für das schlech- Christian Seifert: »Die Liga leistet einen beit zeigt positive Wirkung auf die sportliche te Abschneiden der Nationalmannschaft bei wesent­lichen Beitrag für die Erfolge der Leistungsfähigkeit der Nachwuchsspieler. Mit Turnieren verantwortlich gemacht wurde, wird Nationalmannschaft. Durch die hervorragende der einheitlichen Ausbildungspraxis gehen eine darin mittlerweile ein bedeutender Erfolgsfak- Arbeit in den Leistungszentren gibt es heute durchschnittliche Erhöhung der athletischen Fä- tor für die Nationalelf gesehen. Offenbar ist es einen systematischen Zufluss von mehr und higkeiten (Schnelligkeit, Gewandtheit, etc.) und gelungen, ressourcenbedingte Wettbewerbs- besser ausgebildeten Spielern als je zuvor. Von der fußballspezifischen Fertigkeiten (Dribbling, vorteile aufzubauen, die zumindest kurzfristig dieser Basis profitiert auch der Bundestrainer.« Ballkontrolle, Torschuss, etc.) einher. Diese Ent- nur schwer imitierbar erscheinen. wicklung wird durch die messbare Steigerung Oliver Kahn: »Inwieweit in den Leistungszentren der jährlich ermittelten technisch-motorischen Die sukzessive Verbesserung der Ausbildung vom Typus her ähnliche Charaktere heran­ Leistungswerte der Nachwuchsspieler verdeut- der Nachwuchskicker seit der Jahrtausendwen- gezogen werden, kann ich aus der Distanz licht. Die Auswertung der Testdaten zeigt, dass de kann mit Qualitätsverbesserungen innerhalb schwer beurteilen. Es besteht natürlich die im Zeitraum von 2004 bis 2013 über alle Mess- von Produktionsprozessen in der Wirtschaft Gefahr, eher gleichförmige hochtalentierte dimensionen hinweg eine Leistungssteigerung verglichen werden. Mit der Verbesserung der Fußballspieler heranzuziehen, die ähnliche Verhaltensweisen entwickeln. Frühere Generationen haben das Fußballspielen auf Abb. 6: Kontinuierlicher Anstieg der Gesamtscores (Mittelwert) unterschiedliche Weise gelernt und wurden der sportmotorischen Testung im Zeitraum 2004–2013 dadurch unterschiedlich geprägt.« 48 47,15 47 46,14 46 45,71 Durchschnittliche 45 44,75 Leistungssteigerung 44,80 44 über alle Jahrgänge 43,64 3 % 43,50 43 42,42 42,69 42 41,29 41

40 Frühjahr 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2. Die systematische Talentförderung ist Auslöser höherer fußballerischer Qualität und Homogenität der Nationalmannschaft 19

Produktionsabläufe ist z.B. eine Abnahme Abb. 8: Kumulierte A-Turniererfahrung des Ausschusses und der Streuung der durch- schnittlichen Endproduktqualität verbunden. Analog hierzu ist anzunehmen, dass auch in den DFB-Stützpunkten und Leistungszentren 30 »Ausreißer« frühzeitig ausgesondert und die 20 + 50 % Unterschiede in der Leistungsentwicklung der Geförderten über die Zeit gesenkt wurden. Da- mit erscheint es plausibel, dass eine systemati- 2000 2012 sche Optimierung der Nachwuchsarbeit sowohl zu höherer fußballerischer Qualität als auch zu 2012, wird deutlich, dass der Erfahrungsschatz Philipp Lahm: »Heute kann es nicht mehr einer Annäherung der Leistungsfähigkeit der von aggregiert 20 gespielten Turnieren aller nur einen Einzelnen geben, der vorne Nachwuchskicker um ein gemeinsames Mittel Spieler im Jahr 2000 (bei ähnlicher Streuung) weg geht. Es müssen immer mehrere führt. Für eine steigende Uniformität in der Per- um 50% auf insgesamt 30 im Jahr 2012 anstieg gleichzeitig diese Aufgabe übernehmen.« sönlichkeitsausprägung der Nachwuchstalente (siehe Abb. 8). spricht zudem, dass die Ausbildung im Talent- Bastian Schweinsteiger: »Eine flachere programm des DFB und den Nachwuchslei­ Schließlich lässt sich auch anhand der allge- Hierarchie bedeutet eine Annäherung stungszentren der Bundesligaclubs vermehrt meinen Personenmerkmale (wie z.B. Alter) der der Spieler. Es gibt nicht mehr Einzelne, in vergleichbaren Umfeldern stattfindet. in den letzten 14 Jahren eingesetzten National- die sich Besonderheiten herausnehmen spieler ein Trend zur Homogenität erkennen. So können. Das stärkt den Zusammenhalt Auffallend ist zudem, dass in den letzten 14 war z.B. die Streuung (Standardabweichung) und die Zufriedenheit im Team.« Jahren immer mehr Nationalspieler bereits zu- des Alters der Nationalspieler bei der EM 2012 vor in den U-Mannschaften des DFB im Einsatz so niedrig wie nie zuvor im Betrachtungszeit- Mario Götze: »Was die Hierarchie betrifft, 15(3)15waren (3)von (siehe von 22 Abb.22 7). Während 22in den(10)22 Aufgebo(10) von von- 23 raum.23 Insbesondere seit der WM 2006 gleichen sind da natürlich erfahrene Spieler manchmal sich die Nationalspieler hinsichtlich des Alters mehr in der Verantwortung als andere. immer mehr an (siehe Abb. 9). Aber Fußball ist ein Mannschaftssport, die Abb. 7: Spieler mit U-Erfahrung im Kader Verantwortung in der Nationalelf ist auf 15(3) von 22 22 (10) von 23 15(3) von 22 22 (10) von 23 Abb. 9: Angleichung des mehreren Schultern verteilt und lastet nicht Alters der Spieler (in Jahren) auf einem einzigen Führungsspieler.«

Matthias Brügelmann (Chefredakteur, Sport 4,93 4,68 Bild): »Die Hierarchie hat sich verändert. 4,18 4,01 3,46 3,93 Früher gab es einen Capitano, heute gibt es 3,22 einen Primus inter pares. Viele Nationalspieler sind Leistungsträger in ihren Vereinen; so kommen ganz viele Führungsspieler zusammen.

Standardabweichung des Alters Dadurch wird die Hierarchie flacher und die EMEM 200 200 0 0 EM EM 2012 2012 EM 2000 EM 2012 EM EM EM EM Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt.« EM 2000 EM 2012 2000 2004 2008 2012 (28,98) WM (27,46) WM (27,22) WM (24,98) 2002 2006 2010 gesamtergesamtergesamter Kade rKade Kaderr SpielereSpiel mitr mit zusätzliche rzusätzlich mit ezusätzlichr er er U21-Turniererfahrung (28,15) (26,84) (25,35) gesamterSpieler mit Kade U-Erfahrunr g SpielU21-eTurniererU21- mit zusätzlichTurniererfahrungerrfa hrung SpielerSpieler mit U-Erfahrun mit U-Erfahrung g U21-Turniererfahrung Spieler mit U-Erfahrung Durchschnittsalter des Kaders in Jahren

ten der Jahre 2000 und 2002 nur 15 Spieler den Durch die gemeinsame Sozialisation im deut- gemeinsamen Erfahrungsschatz aus U-Mann- schen Fördersystem wird der Entwicklungs- schaften aufwiesen, durchliefen im Kader der hintergrund des Teams hinsichtlicht dieser EM 2012 mit einer Ausnahme (Miroslav Klose) Merkmale immer homogener, und auch die alle Spieler mindestens eine der U-Mannschaf- Beziehungsdichte (Kohäsion) erhöht sich. Hoch ten (U15-U21). Zudem stieg der Anteil der Spie- kohäsive Gruppen weisen eine größere Bereit- ler mit einer U21-Turniererfahrung im Team von schaft zu gemeinschaftlichen Leistungen auf drei Spielern im Aufgebot zur EM 2000 auf zehn als schwach kohäsive Gruppen. Sie erzielen Spieler im Kader der EM 2012 an. bei hoher Leistungsorientierung eine höhere Produktivität und Zufriedenheit (Likert, 1961). Ein weiterer Einflussfaktor auf die Homogenität Schließlich hat in den letzten Jahren den Beob- der Mannschaft ist die gemeinsame Erfahrung achtungen und Interviews zufolge eine eben- in der A-Nationalmannschaft. Insbesondere ein falls homogenitätsfördernde Verschiebung des gemeinsam absolviertes EM- oder WM-Turnier Teamgefüges hin zu einer flacheren Hierarchie inklusive intensiver Vorbereitungsphase spielt innerhalb des Nationalteams stattgefunden, in diesem Zusammenhang eine wichtige Rol- was die interne Kommunikation erleichtert und le. Vergleicht man die Teamzusammensetzung dadurch die Wahrscheinlichkeit von Missver- zum Zeitpunkt der EM 2000 mit der der WM ständnissen und Konflikten senkt. 20 3. Die Nationalmannschaft als sinnstiftende Quelle einer Volks-Identifikation 21

3. Die Nationalmannschaft als sinnstiftende Quelle einer Volks-Identifikation 22

Abb. 10: Entwicklung der Mitgliederzahlen Abb. 11: Kirchenbesucher in gesellschaftlicher Institutionen in Deutschland Sonntagsgottesdiensten (Mitgliederzahl im Jahr 1998 als 100% Indexwert) (ev. + kath.)

CAGR 115% +0,6 % 110% 109,4 %

105% +0,2 % 100 % 102,4 % 100% 100%

95%  64% 90% 60% 87,6 % -0,9 % 85% 1998 2012 80%

75% 74,0 % -2,1 % 71,9 % 70% -2,3 % 1998  2012 Abb. 12: Wahlbeteiligung Deutscher Fußball-Bund (DFB) Kirchen (ev. + kath.) Alle Parteien (Bundestag) bei Bundestagswahlen DOSB ohne DFB Deutscher Gewerkschafts Bund (DGB)

90% Abb. 13: Erfolgswahrnehmung der Nationalmannschaft über die Zeit

5 82% 2,42 3,78 2,42 4,25 4,17 4,48 4,38  71%

1 60% EM 2000 WM 2002 EM 2004 WM 2006 EM 2008 WM 2010 EM 2012 1998 2009

3. Die Nationalmannschaft als Mitgliedschaften erstaunlich. So konnte z.B. der sinnstiftende Quelle einer Branchenprimus FC Bayern München allein im Volks-Identifikation Laufe der letzten Saison 30.000 neue Mitglieder gewinnen. Dagegen verloren in Deutschland im Rainer Kalb (Sportjournalist, SID und Buchautor): Personen erhalten durch die Identifikation mit gesamten Betrachtungszeitraum Gewerkschaf- »Fußball ist sinnstiftend. Alles geschieht auf bestimmten Gruppen die Möglichkeit, Erfolge ten 26%, Parteien fast 30% und Kirchen 12% 70x120m; es gibt einen Gegner und ein klares zu feiern, die über ihre eigenen Grenzen hin- ihrer Mitglieder (siehe Abb. 10), was sich na- Ziel – wie im richtigen Leben, nur einfacher. Und ausgehen. Sie können dadurch am Erfolg die- türlich ebenfalls in einer deutlich verringerten es passiert in 90 Minuten, im Zeitraffer, nicht ser Gruppen persönlich teilhaben (Tajfel, 1978; Beteiligung an Bundestagswahlen sowie we- in Jahren. Daher fällt die Analyse leichter.« Taijfel/Tumer, 1985; Katz/Kahn, 1978; Cialdini et niger Besuchern von Sonntagsgottesdiensten al., 1976). niederschlägt (siehe Abb. 11, 12). Horst R. Schmidt: »Viele andere Organisationen Die Identifikation mit einer tatsächlich erfolg- spüren einen Mitgliederschwund und nutzen reichen bzw. erfolgreich wahrgenommenen Sport im Allgemeinen und der Fußball als Volks- daher oftmals den sogenannten Fußballeffekt. Gruppe kann dadurch zur Quelle der Steigerung sport Nummer eins im Besonderen, erscheint Sie integrieren fußballbezogene Ereignisse des individuellen Selbstwertgefühls werden als Sinnstifter in unserer zunehmend fragmen- in ihre eigenen Aktivitäten und nutzen die (Ashforth/Mael, 1989; Ashmore et al., 2004; Eis- tierten Gesellschaft. Hierbei nimmt die deut- Faszination des Fußballs für ihre Bewegung.« nestadt/Giesen, 1995; Turner et al., 1987). Wäh- sche Fußball-Nationalmannschaft im Vergleich rend tradierte gesellschaftliche, politische und zu anderen Organisationen und Mannschaften Hans-Joachim Watzke: »Sport und insbesondere soziale Institutionen in der breiten Bevölkerung sicherlich eine gewisse Sonderrolle ein. der Fußball haben heute in einer Gesellschaft, die als Identitätsstifter zunehmend an Bedeutung insgesamt von sehr vielen Fliehkräften bedroht verlieren, erweist sich der Sport als Fels in Zur Entfaltung der Identifikationseffekte ist ist und in der zum Beispiel Parteien und Kirchen der Brandung. So konnten die beiden größten neben dem tatsächlichen Erfolg vor allem der permanent Mitglieder verlieren, einen höheren Sportverbände in Deutschland, der Deutsche wahrgenommene Erfolg einer Mannschaft von Stellenwert als noch vor 25 Jahren. Heute gibt Olympische Sportbund (DOSB) und der DFB, Bedeutung. Die Erfolgswahrnehmung der Na- es kaum mehr sinnstiftende Elemente, und da innerhalb der letzten 14 Jahre (1998-2012) ihre tionalmannschaft befindet sich dabei auf sehr ist der Fußball in die Bresche gesprungen.« Mitgliederzahlen insgesamt um 2,4% bzw. 9,4% hohem Niveau. Während der EM 2012 wurde steigern. Dabei profitiert diese positive Entwick- sie hinsichtlich des Merkmals »erfolgreich« auf lung der DFB-Mitgliederzahlen sicherlich von einer fünfstufigen Skala (1=nicht erfolgreich, den rasanten Zuwächsen der Vereinsmitglie- 5=absolut erfolgreich) im Durchschnitt von den derzahlen der Bundesligaclubs, deren Mitglie- Umfrageteilnehmern mit 4,38 bewertet. Zwei der allerdings zumeist keine aktiven Fußballer weitere Erhebungen vor (03.09. – 07.09.2012) sind. Trotzdem ist das gestiegene Interesse an und nach (11.09. – 25.09.2012) den Pflichtspie- 3. Die Nationalmannschaft als sinnstiftende Quelle einer Volks-Identifikation 23

len gegen die Färöer-Inseln und Österreich Abb. 14: »Ich bin Fan der deutschen zeigen jedoch, dass die Erfolgswahrnehmung Fußballnationalmannschaft, weil…« der Nationalmannschaft zumindest kurzfristig durch einzelne Spielergebnisse tangiert wird. So ist es nicht erstaunlich, dass nach der bit- 72% % teren EM-Niederlage gegen Italien die Erfolgs- 80% 70 68% wahrnehmung (von 4,38) absinkt (auf 3,78) und dann nach den beiden Siegen gegen Österreich mir die Spiel- sie Werte verköpert, ich viele Erinnerungen es sich einfach gehört, und die Färöer-Inseln wieder ansteigt (auf 3,89). philosophie zusagt die ich gut finde mit ihr verbinde sie zu unterstützen Allerdings zeigen die Umfrageergebnisse auch, dass der wahrgenommene Erfolg (2000-2012) der deutschen WM/EM-Turniermannschaften 38% 67% 60% 47% 25% sich seit einem sprunghaften Anstieg nach der WM 2006 auf hohem Niveau gefestigt hat (siehe Abb. 13). Seitdem sind natürlich auch die Erwar- die Spiele für mich meine sie meine Freunde meine Eltern tungen an den Erfolg der Mannschaft entspre- ein gesellschaftl. Lieblingsspieler erfolgreich ebenfalls Fans ebenfalls Fans chend gestiegen. Erlebnis darstellen dort spielen ist sind sind Zustimmung

Neben der Erfolgswahrnehmung entfaltet die Stimme überhaupt nicht zu  Stimme vollkommen zu Nationalmannschaft ihre Identifikationswir- kung ebenso durch hohe Sympathiewerte und ein positives Erscheinungsbild in der Öffent- lichkeit. Bei einem nahezu hundertprozenti- Abb. 15: »Das Auftreten der gen Bekanntheitsgrad (Sport und Markt 2010, Nationalmannschaft sehe 2012) wird die Nationalmannschaft durchwegs ich als vorbildlich an« positiv von der Bevölkerung wahrgenommen und mit Attributen wie Teamgeist, Begeis- terung, Spielfreude, Erfolg, Sympathie und 55 % Zusammenhalt assoziiert (Sport und Markt % 2010, 2012). So gaben auch 94% der Umfra- 94 geteilnehmer an, dass sie das Auftreten der 39 % Nationalmannschaft als »vorbildlich« anse- 5 % hen (siehe Abb. 15). Über 90% der Befragten 0,8 % Prof. Dr. Wolfgang Huber: »In unserer Gesellschaft sehen sich selbst als großen bzw. sehr großen 0,2 % brechen immer mehr sinnstiftende Elemente weg. Fan der Nationalmannschaft (siehe Abb. 16). Zustimmung Doch über die Nationalmannschaft wird mehr denn je gesprochen – sie bedeutet Identifi­kation Trifft überhaupt nicht zu  Trifft vollkommen zu Ihr Fan-Dasein begründeten sie an erster und Orientierung.« Stelle mit der Übereinstimmung der Spiel- philosophie (80%) und danach mit einer Zu- Dr. Michael Vesper: »Mit der zunehmenden stimmung von 72% darin, dass die National­ Abb. 16: »Als wie großer Fan der Digitalisierung und Virtualisierung der Welt ist der mannschaft Werte verkörpert, die sie gut Nationalmannschaft sehen Sie sich?« Sport eine der letzten Inseln der Realität. Wichtig finden. Interessant hierbei ist, dass der rein ist nicht, was auf dem Bildschirm, sondern was sportliche Erfolg des Teams in dieser Rang- auf dem Platz passiert. Und da erfüllt der Sport in folge erst an siebter Stelle mit lediglich 47% gewisser Weise die Sehnsüchte der Menschen.« Zustimmung zu finden ist (siehe Abb. 14). 52 % Die Umfrageergebnisse dieser Studie konnten 90,5 % Rainer Kalb (Sportjournalist, SID und im Folgenden mit der Auswertung der Studie Buchautor): »Ländergrenzen verschwimmen Deutschland braucht den Superstar (Schmidt/ 38,5 % zunehmend – wir haben mittlerweile nur noch Högele, 2011) zum Fan-Verhalten bzgl. Bundesli- eine europäische Währung und die Politik gaclubs und -spieler verglichen werden. 8 % spielt sich auch immer mehr in Brüssel ab. Die 1% Nationalmannschaft verbleibt als letzter Träger Obwohl die Nationalmannschaft mit ihren Län- 0,5 % eines gemeinschaftlichen Nationalgefühls.« derspielen im Gegensatz zu Bundesligaclubs Zustimmung über das Jahr nur punktuell in Erscheinung Philipp Lahm: »Ich glaube, dass sich die tritt, löst sie eine mit dem Lieblingsverein Kein Fan  Sehr großer Fan Leute mit unserer Nationalmannschaft eines Bundesligafans vergleichbar hohe Iden- wirklich identifizieren können. Das ist das tifikationswirkung aus (vgl. Schmidt/Högele Schöne und das merkt man auch als Spieler. 2011). Unterschiede ergeben sich jeweils in Deswegen hat die Nationalmannschaft, die ja Abhängigkeit von bestimmten soziodemogra- den deutschen Fußball repräsentiert, einen fischen Merkmalen der Befragten. hohen gesellschaftlichen Stellenwert.« 24 4. Vierte Macht im Staat? Die Nationalmannschaft erreicht jeden Winkel der Gesellschaft 25

4. Vierte Macht im Staat? Die Nationalmannschaft erreicht jeden Winkel der Gesellschaft 26

4. Vierte Macht im Staat? Die Nationalmannschaft erreicht jeden Winkel der Gesellschaft

Die Umfrageergebnisse zeigen, dass mit zunehmendem Lebensalter die Identifikation mit der Nationalmannschaft sinkt. Kinder und Jugendliche UF- UND A unter 18 Jahren identifizieren sich am stärksten, Senioren über 50 Jahre EIT GK HLAND am schwächsten mit der Nationalmannschaft. Dagegen üben soziode- RI UTSC GE HÖ DE SCH E IN LE mographische Merkmale wie Geschlecht, Einkommen, Beschäftigungs- NG R usl. Staats- C A E s- a H S AU Staat ürgersch. T T D ausl. h. b männ status, Kinderstatus, Haushaltsgröße, Wohnort und gesellschaftliches A S gersc <= 1 J. in D. lich A T ats- bür D. T L . Sta J. in keinen signifikanten Einfluss auf das S A usl sch. <= 5 1 Engagement/Vereinsaktivität H a rger wei T - bü blic N ats h Ausmaß der Identifikation mit der Nationalmannschaft aus (sie- E ta h. . S rsc dt ge he 9.6). Eine Gegenüberstellung mit der Auswertung von Bun- bür

2

desliga-Fans (Schmidt/Högele, 2011) bringt zudem interes- o- m H sante Einsichten zu Tage. o n A Pr o ti 1 U U S A m H E u 3 i A V d Frauen identifizieren sich mit der National­ tu 2 L I S T N r S mannschaft im selben Ausmaß wie Männer S u it G G b

Die Ergebnisse zeigen, dass hinsichtlich der A 3 R N 4 Ö E U l. t D it S Identifikation mit der Nationalmannschaft D fe E m S I L ei R keine signifikanten Gruppenunterschiede H I - E ul 4 C B h S c l. s h zwischen männlichen und weiblichen Um- R c 5 pt s 5

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4. Vierte Macht im Staat? Die Nationalmannschaft erreicht jeden Winkel der Gesellschaft 27

Abb. 17: Identifikation mit der Die Nationalmannschaft erreicht Ein- genauso wie Mehrpersonenhaushalte Nationalmannschaft in Abhängigkeit von… Die Befragungsergebnisse zeigen, dass, hinsichtlich der Identifikation mit der Nationalmannschaft, zwischen Ein- und Mehrpersonenhaus- halten kein signifikanter Unterschied besteht. Die Nationalmannschaft erreicht Personen aus Einpersonenhaushalten genauso wie Personen UF- UND A EIT aus Haushalten mit zwei, drei, vier, fünf oder mehr Personen. Dage- GK HLAND RI UTSC GE gen beeinflusst die Haushaltsgröße die Identifikation der Fans mit ihren HÖ DE SCH E IN - LE NG R ausl. Staats C Lieblings-Bundesligaclubs deutlich. Fans aus Einpersonenhaushalten A E ats- H S AU l. Sta bürgersch. T T D aus h. männli A S s- gersc <= 5 J. in D. ch identifizieren sich signifikant mehr mit ihrem Lieblingsclub als Fans aus A T at bür D. T L . Sta J. in S A usl sch. <= 5 1 Mehrpersonenhaushalten. H a rger wei T - bü blic N ats h E ta h. . S rsc dt ge ür Die Nationalmannschaft erreicht Eltern und Kinderlose b 2

gleichermaßen

o- H m o n A Es bestehen keine Unterschiede hinsichtlich der Identi- Pr tio 1 U U S A fikation mit der Nationalmannschaft zwischen kinder- m H E iu 3 d A V losen Personen und Eltern. Dabei ergeben sich auch I tu 2 L S T N r S keine Identifikationsunterschiede der Eltern in Ab- S u it G G b

A 3 R hängigkeit von der Anzahl ihrer Kinder. N 4 Ö E U l. t D it S D fe E m S I L ei R H I - E Die Nationalmannschaft erreicht die ​Bevölkerung ul 4 C B h S c l. s h R c 5 unabhängig von der Größe des Wohnortes pt s 5 E u u T a ab n Die Identifikation mit der Nationalmann- H d N .

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28

Oliver Kahn: »Zu Spielen der National­mann-­ Singles identifizieren sich mehr mit der Ausländische Umfrageteilnehmer schaft gehen mittlerweile nicht nur mehr Nationalmannschaft als Personen in einer identifizieren sich stärker mit der Väter mit ihren Söhnen, sondern auch Mütter festen Beziehung Nationalmannschaft als deutsche mit ihren Töchtern.« Die Umfrageergebnisse zeigen, dass die Iden- Die Identifikation mit der Nationalmannschaft tifikation mit der Nationalmannschaft mit ist abhängig von der Staatsangehörigkeit der Rainer Kalb (Sportjournalist, SID und zunehmender Bindung an einen Partner ab- Befragten. So identifizieren sich ausländische Buchautor): »Fußball besitzt die Fähigkeit, nimmt. Alleinstehende weisen die höchste, Umfrageteilnehmer stärker mit der deutschen seine Anhänger zu begeistern. Doch die Verheiratete die geringste Identifikation mit Fußball-Nationalmannschaft als deutsche. Ihr Nationalmannschaft besitzt darüber hinaus der Nationalmannschaft auf. Die Identifika- Identifikationswert sinkt, je länger sie bereits das Potential, das ganze Land zu begeistern.« tionswerte von Unverheirateten, die aber in in Deutschland ansässig sind, und nähert sich einer Beziehung leben, liegen dazwischen. dem Wert von deutschen Staatsbürgern über Wolfgang Niersbach: »In der National­mann­- Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Zeit an. Dieser Zusammenhang wird we- schaft bündelt sich das Gesamtinteresse die Nationalmannschaft durchaus als »Bezie- der durch das Alter noch durch das Bildungs- aller Fußballfans.« hungsersatz« dienen kann. niveau der Befragten signifikant beeinflusst. Im Gegensatz zur Nationalmannschaft ist Prof. Dr. Wolfgang Huber: »Ich verwende Weniger Gebildete identifizieren sich hinsichtlich der Identifikationswirkung eines bei Predigten vor stark durchmischten stärker mit der Nationalmannschaft Bundesligaclubs zwischen deutschen Staats- Kirchengemeinden immer wieder einmal als Akademiker angehörigen und ausländischen Umfrageteil- die Nationalmannschaft für Vergleiche. Die Auswertung zeigt, dass mit steigendem nehmern kein Unterschied zu beobachten. Dabei kann ich mir sicher sein, dass Bildungsniveau die Identifikation mit der Na- Demnach erscheint die Nationalmannschaft alle Zuhörer, ob jung oder alt, ob Mann tionalmannschaft sinkt. Die höchsten Identi- aufgrund ihrer Breitenwahrnehmung in der oder Frau und egal aus welchem sozialen fikationswerte weisen Personen ohne Schul- Bevölkerung gerade für ausländische Mitbür- Milieu, wissen, wovon ich rede.« abschluss auf, die geringsten Werte dagegen ger als wichtiger Anknüpfungspunkt für ihre promovierte Umfrageteilnehmer. Es liegt nahe, gesellschaftliche Integration. dass mit zunehmender Bildung Themen au- ßerhalb des Fußballs an Bedeutung gewinnen. 4. Vierte Macht im Staat? Die Nationalmannschaft erreicht jeden Winkel der Gesellschaft 29

Aufgrund ihrer landesweiten Strahlkraft über Wolfgang Niersbach: »Der Frauenanteil der Jens Mende (Sportjournalist, dpa und Buchautor): alle gesellschaftlichen Schichten hinweg er- Zuschauer bei Länderspielen ist mittlerweile »Die Nationalmannschaft müsste noch mehr auf scheint der Vergleich mit den drei staatlichen auf 40% angestiegen. Dies liegt nicht nur an ihre Ausnahmestellung in der Gesellschaft auf- Gewalten: der Judikative, der Legislative und den modernen Stadien, sondern sicherlich auch merksam gemacht werden.« der Exekutive gar nicht so abwegig. Häufig am Auftreten und dem Erscheinungsbild der wird ja bereits von den öffentlichen Medien Nationalmannschaft in der Öffentlichkeit.« Oliver Kahn: »Ich hatte 2002 eine starke WM als vierte, virtuelle Macht im demokratischen gespielt und sowohl Schröder als auch Stoiber System der Gewaltenteilung gesprochen. Dr. Michael Vesper: »Es überrascht mich sind damals im Vorfeld der Bundestagswahl Ähnlich wie den Medien könnten der Natio- nicht, dass die Identifikationskraft der nach Yokohama gereist. Stoiber hat damals im nalmannschaft auch eine Sozialisations-, In- Fußball-Nationalmannschaft für Menschen Spaß zu mir gesagt, wenn du jetzt Bundeskanzler tegrations-, Rekreations-, Gratifikations- und mit Migrationshintergrund höher ist als werden wolltest, würdest du es locker schaffen.« soziale Orientierungsfunktion (siehe Burkart, für Deutsche. Als gemeinsames Gesprächs­- 2002; Ronneberger, 1971, 1985; Saxer, 1974) thema bietet sie barrierefreien Zugang zur und damit durchaus die Legitimität einer vier- Gesellschaft.« ten Macht im Staat zugesprochen werden. 30 5. Die »Magie« der Nationalmannschaft generiert sozialen Mehrwert für die Gesellschaft 31

5. Die »Magie« der Nationalmannschaft generiert sozialen Mehrwert für die Gesellschaft 32

Abb. 18: Persönliche Vorbildfunktion der 10 beliebtesten Spieler

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

5

1

Toni Mario Gerald Bastian Manuel Oliver Lothar Marco Miroslav Mario Kroos Götze Asamoah Schweinsteiger Neuer Kahn Matthäus Reus Klose Gomez (3,88) (3,48) (3,24) (3,18) (3,17) (3,14) (3,13) (3,13) (3,10) (3,08)

5. Die »Magie« der Nationalmannschaft Nach den Umfrageergebnissen sind die generiert sozialen Mehrwert für die Top-5 der beliebtesten (innerhalb der letz- Gesellschaft ten zwölf Jahre aktiven) Nationalspieler: 1. Miroslav Klose, 2. Bastian Schweinsteiger, Bastian Schweinsteiger: »Es ist ein unheimlicher Nicht nur für die einzelnen Spieler sondern 3. Oliver Kahn, 4. Manuel Neuer und 5. Lukas Stolz, für Deutschland zu spielen. Egal wo du auch für das gesamte Land scheint die Na- Podolski. Dagegen werden am ehesten Toni auf der Welt bist, es gibt deutsche Fans. Wenn tionalelf eine gewisse Magie zu besitzen. Kroos (Durchschnittswert = 3,88 von 5), Ma- man an die großen Spieler denkt, die in der Die Nationalmannschaft schafft einen sozi- rio Götze (3,48) und Gerald Asamoah (3,24) Vergangenheit für Deutschland gespielt haben, alen Mehrwert für die Gesellschaft, indem von ihren Fans als persönliches Vorbild ge- da möchte man auch einfach dazugehören.« sie eine persönliche und gesellschaftliche sehen (Abb. 18). Bei der Frage nach der ge- Vorbildfunktion einnimmt, integrierende Wir- sellschaftlichen Vorbildfunktion werden Ma- Mario Götze: »Der Traum eines jeden Fußballers kung entfacht und für Gemeinschaftserleb- nuel Neuer (4,14), Philipp Lahm (4,12) und ist es doch, einmal dort unten auf dem Feld zu nisse der Nation sorgt. Miroslav Klose (4,11) von den eigenen Fans stehen und die Nationalhymne zu singen.« am besten bewertet (siehe Abb. 20).

Axel Balkausky (Sportchef, ARD): »Da die National­ 5.1 Die Nationalspieler mannschaft nicht mit hoher Regelmäßigkeit, besitzen Vorbildfunktion: sondern nur sehr punktuell in Erscheinung tritt, Das Team als Mittler von Werten ist und bleibt sie etwas ganz Besonderes.« Die Nationalmannschaft als Ansammlung Abb. 19: »Ich sehe meinen Lieblingsspieler als Vorbild für mich an« Per Mertesacker: »Der Mehrwert einer von Stars besitzt Vorbildcharakter und dient erfolgreichen, sympathischen National­ als typischer Mittler von gesellschaftlichen mannschaft ist nicht nur für den Fußball, Werten, was durch die Auswertung der Um- 14% sondern auch für das gesamte Land sehr groß.« frage bestätigt wird. Fast 40% aller Teilneh- mer sehen in ihrem Lieblingsnationalspieler Christoph Metzelder: »Nationalspieler besitzen ein persönliches Vorbild (Abb. 19); über zwei 39 % 25% nicht nur eine sportliche Verantwortung auf dem Drittel (68%) sehen in ihm ein gutes Vorbild Fußballplatz, sondern auch eine gesellschaftliche für die Gesellschaft (Abb. 21). Verantwortung neben dem Platz.« Hierbei ist interessant zu beobachten, dass 26% Marco Reus: »Natürlich hat man als National­ die Befragten in ihrem Lieblingsspieler al- spieler auch eine gewisse Vorbild­funktion lerdings eher ein Vorbild für andere als für – für manche ist man ein fußballerisches sich selbst sehen. Dieses Phänomen konnte Vorbild – für andere in der Art und Weise, bereits in der Umfrage mit Bundesliga-Fans 17% wie man sich verhält. Das gehört dazu beobachtet werden (Schmidt/Högele, 2011). und dessen bin ich mir auch bewusst.« Beim Vergleich der Werte wird ein interes- santer Unterschied ersichtlich: Während die 18% Lieblingsspieler aus der Bundesliga zu 55% als gesellschaftliches Vorbild gesehen wer- den, stimmen dieser Aussage im Falle der Nationalspieler sogar zwei Drittel (68%) der Zustimmung Befragten zu (siehe Abb. 21). Stimme überhaupt nicht zu  Stimme vollkommen zu 5. Die »Magie« der Nationalmannschaft generiert sozialen Mehrwert für die Gesellschaft 33

Abb. 20: Gesellschaftliche Vorbildfunktion der 10 beliebtesten Spieler

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

5

1

Manuel Philipp Miroslav Gerald Toni Mario Mats Mario Marco Bastian Neuer Lahm Klose Asamoah Kroos Götze Hummels Gomez Reus Schweinsteiger (4,14) (4,12) (4,11) (4,10) (4,04) (4,03) (4,01) (3,92) (3,92) (3,86)

Eine detaillierte Analyse der Kriterien für die Thomas Müller: »Ich bin mir schon bewusst, Per Mertesacker: »2006 habe ich die Per- Auswahl des Lieblingsspielers zeigt das inte- dass vor allem viele Kinder und Jugendliche Mertesacker-Stiftung ins Leben gerufen. Zur ressante Ergebnis, dass dem Verhalten der zu mir aufschauen, und dementsprechend Förderung der Integration und sportlichen Nationalspieler neben dem Platz eine ebenso muss ich mich auch verhalten. Man sollte sich Ausbildung von sozial benachteiligten hohe Bedeutung wie dem Verhalten und der stets bewusst sein, dass man auch Vorbild für Jugendlichen sowie der Unterstützung Leistung des Spielers auf dem Platz beige- andere ist, aber das macht ja auch Spaß.« unverschuldet in Not geratener Menschen messen wird (siehe Abb. 22). versteigere ich regelmäßig Trikots und Helmut Sandrock: »Die Vorbildfunktion der veranstalte Benefizspiele mit Prominenten.« Fans eifern den Verhaltensweisen ihrer Idole Spieler ist für sie Segen und Fluch zugleich. nach, wodurch bestimmte Werte und Ansich- Einerseits ist es schön, im Mittelpunkt zu stehen, Manuel Neuer: »Mit der Manuel-Neuer-Kids- ten der Nationalmannschaft an ihre Anhän- hohe Anerkennung zu erfahren; andererseits Foundation möchte ich mein Glück teilen und ger vermittelt werden. Vor dem Hintergrund sind mit der öffentlichen Beachtung aber auch meiner sozialen Verantwortung gerecht werden. der enormen Popularität und Reichweite der eine weitreichende Verantwortung und ein Ich unterstütze insbesondere notleidende Nationalelf ist hiermit natürlich eine hohe immenser Erwartungsdruck verbunden.« Kinder in der Region Gelsenkirchen und will Verantwortung verbunden, die es für die Nati- einen Beitrag leisten, ihnen dadurch neue onalspieler auch außerhalb des Platzes wahr- Mario Götze: »Es ist schon ein Unterschied, Perspektiven fürs Leben zu eröffnen.« zunehmen gilt. ob man für einen Verein oder für das ganze Land spielt. Bei wichtigen Länderspielen fühlt Zahlreiche aktuelle und ehemalige Natio- man natürlich die hohe Erwartungshaltung Abb. 21: »Mein Lieblingsspieler nalspieler wie z.B. Christoph Metzelder, Per der ganzen Bevölkerung.« Mertesacker, Manuel Neuer oder Philipp ist ein gutes Vorbild für die Gesellschaft« Lahm unterhalten eigene Stiftungen und un- Miroslav Klose: »Mit dem Bundesadler auf der terstützen karitative Veranstaltungen. Die Brust lasten die ganze Verantwortung und National­mannschaft verpflichtet sich zudem all die Erwartungen und Sehnsüchte von zig 27% der gesellschaftlichen Verantwortung, einem Millionen Menschen auf deinen Schultern.« der Grundwerte des DFB. So unterstützt die 68 % National­mannschaft regelmäßig die DFL-Stif- : »Überall auf der Welt tung, die Kulturstiftung des DFB, die Sepp-Her- schauen Kinder und Jugendliche, wie sich ihre berger-Stiftung, die Robert-Enke-Stiftung so- Fußballidole verhalten, was sie so treiben, wie weitere gemeinnützige Einrichtungen mit auch wenn sie nicht auf dem Platz stehen. 41% Millionenbeträgen aus Benefizspielen. Diese Sie eifern ihnen nach und übernehmen sozialen Aktivitäten der Nationalmannschaft vieles, ohne groß darüber nachzudenken, wirken sich auch auf die Spendenbereitschaft Gutes und auch nicht so Gutes.« der befragten Fans aus. Die Umfrage ergab, dass mit steigender Identifikation der Befrag- Horst R. Schmidt: »Die Orientierungs­ 23% ten mit der Nationalmannschaft auch deren bereitschaft von jungen Leuten an Fußball, Spendenbereitschaft zunimmt. Zudem sind großen Sportereignissen und den Spielern Fans eher bereit, an wohltätige Organisationen ist in letzter Zeit stark gewachsen.« 7% zu spenden, wenn die Nationalmannschaft 2% dafür wirbt. Dies gilt erstaunlicherweise auch Christoph Metzelder: »Ich will meinem Land für Personen, die sich aktuell nicht aktiv für etwas zurückgeben; daher habe ich meine eigene Zustimmung eine gemeinnützige Organisation engagieren. Stiftung gegründet. Neben der Bekämpfung von Kinderarmut liegt dabei ein Schwerpunkt auf Stimme überhaupt nicht zu  Stimme vollkommen zu der Förderung von Projekten in den Bereichen Bildung, Ausbildung und Migration.« 34

5.2. Die »Inter-Nationalmannschaft« hoff in der Funktion des Managers der Nati- steht für Integration innerhalb der onalmannschaft als Schirmherr für den DFB Gesellschaft und Mercedes-Benz Integrationspreis.

Axel Balkausky (Sportchef, ARD): »Der Die Nationalmannschaft steht als Repräsen- Fußball ist der größte gesellschaftliche Kitt, tant Deutschlands im Mittelpunkt des öffent- 5.3. Die Nationalmannschaft als Quelle der momentan existiert. Es gibt sonst nichts lichen Interesses und wird häufig als S» piegel- individuellen und kollektiven Wohlbe- mehr, was in der Gesellschaft so verbindet und bild der Gesellschaft« (Bierhoff) und »Vorbild findens zusammenführt wie der Fußball und dabei für Integration« (Merkel) bezeichnet. insbesondere natürlich die Nationalmannschaft.« Im Vergleich zu anderen Sportarten oder Eine besondere gesellschaftliche Integrations- Mannschaftswettkämpfen steht gerade bei Cacau: »Deutschland ist ein buntes, weltoffenes wirkung, die von der Nationalmannschaft aus- Spielen der Fußball-Nationalmannschaft neben Land. Dafür steht unsere Nationalmannschaft, geht, wird durch die Ergebnisse der Umfrage dem sportlichen Ereignis das Gemeinschaft genauso wie viele Mannschaften und bestätigt. Eine deutliche Mehrheit der Befrag- stiftende Element im Mittelpunkt. So gaben Vereine in ganz Deutschland.« (dfb.de) ten ist der Ansicht, dass die Nationalmann- mehr als zwei Drittel der Befragten an, dass sie schaft hinsichtlich Personen unterschiedlicher Fan der Nationalmannschaft sind, weil die Spie- Mesut Özil: »Egal, welchen Hintergrund einer Herkunft oder Kulturen (88% Zustimmung) le der Nationalmannschaft für sie ein »gesell- hat, ob Türke oder Tunesier – wir bei der nicht nur integrationsfördernd wirkt, sondern schaftliches Erlebnis« darstellen (siehe Abb. Nationalmannschaft sind wie eine kleine Familie. auch zwischen unterschiedlichen Altersgrup- 14). Durch ein verbindendes, soziodemogra- So soll es auch überall in Deutschland sein.« pen (75% Zustimmung) und sozialen Schich- fisch übergreifendes Event wie das »Gemein- ten (70% Zustimmung) sowie über Glaubens- schaftserlebnis Nationalmannschaft« wird laut Bastian Schweinsteiger: »Beim FC Bayern haben richtungen (51% Zustimmung) hinweg als wissenschaftlichen Studien »sozialer Klebstoff« wir auch sehr viele Anhänger, aber polarisieren verbindendes Element dient (Abb. 23). erzeugt (Putnam, 1995), der die Mitglieder ei- natürlich. Bei der Nationalmannschaft ner Gesellschaft zusammenhält. Damit leis- vereinen wir alle Fußballfans.« Besonderen Einsatz in dieser Hinsicht zeigen tet die Nationalmannschaft einen Beitrag zur hierbei Nationalspieler mit Migrationshinter- Schaffung von sogenanntem »Sozialkapital« Wolfgang Niersbach: »Die Lebensläufe der grund wie z.B. Serdar Tasci und Cacau, wel- (Cox, 1995; Sutton et al., 1997). Nationalspieler sind ein Abbild der Gesellschaft che sich als DFB Integrationsbotschafter aktiv – sie zeigen was alles möglich ist.« für Integrationsbemühungen in Deutschland Die Nationalmannschaft ist offensichtlich in einsetzen. Ebenso engagiert sich Oliver Bier- der Lage, ein gesamtgesellschaftliches Mas- Horst R. Schmidt: »In der Integrations­debatte wird oftmals herausgestellt, dass es neben dem DFB kaum eine andere Einrichtung oder Abb. 22: Kriterien für die Auswahl des Lieblingsspielers (Cluster) Bewegung im Land gibt, die in ähnlicher Weise erfolgreich integrierend auf die Gesellschaft 3,45 wirkt.« 4,33 4,33 4,32 Helmut Sandrock: »Fußball besitzt eine 2,31 enorme integrative Kraft. Er zeigt anschaulich, wie soziale Barrieren überwunden werden können.« Persönlichkeit Talent/Leistung im Spiel Talent/Leistung Verhalten auf dem Platz Verhalten Verhalten neben dem Platz Verhalten

Zustimmung Bezug zu Lieblingsverein

Stimme überhaupt nicht zu  Stimme vollkommen zu

Abb. 23: »Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft trägt zur Integration bei, zwischen Menschen unterschiedlicher…«

88 % 75 % 70 % 51 %

Herkunft/Kulturen Altersgruppen sozialer Schichten Glaubensrichtungen Zustimmung

Stimme überhaupt nicht zu  Stimme vollkommen zu 5. Die »Magie« der Nationalmannschaft generiert sozialen Mehrwert für die Gesellschaft 35

senphänomen hervorzurufen. Sie erreicht Prof. Dr. Wolfgang Huber: »Die Umweltkomplexität Prof. Dr. Wolfgang Huber: »Wir erleben insbesondere während EM- und WM-Turnieren hat sich enorm erhöht – daher stirbt ein durch die Nationalmannschaft einen auch Personen, die sich ansonsten nicht für Gespräch über Politik in wenigen Sekunden. Fußballpatriotismus und keinen Fußball­ Fußball interessieren. Über ein Länderspiel können wir ewig reden. nationalismus, d.h. wir sind stolz auf die Die Nationalmannschaft dient als gemein­- eigene Leistung, zeigen aber gleichzeitig So wurde der Gefühlsrausch des »Sommer- samer Nenner für alle.« Respekt für die Leistung anderer Nationen.« märchens 2006« wohl nicht allein durch das Sportereignis an sich, sondern vor allem durch Wolfgang Niersbach: »Bei den Menschen besteht das Franz Beckenbauer: »Damals, im WM-Sommer die gemeinsamen Erfahrungen und Erlebnisse Bedürfnis nach einem Gemeinschaftserlebnis. Wenn 2006, blühte Deutschland regelrecht auf – ein in der Gruppe ausgelöst. Public Viewing ist es um die Nationalmannschaft geht, ist die Nation richtiges Gemeinschaftserlebnis im besten nach der WM 2006 in Deutschland auch auf voll und ganz geeint, denn sie polarisiert nicht.« Sinne. Auch Menschen, die sich sonst weniger andere Fußballwettbewerbe übertragen wor- für Fußball begeistern, ließen sich mitreißen. den. Das kollektive Fußballschauen wird mehr Walter Straten (Sportchef, Bild): »Die National­ Das ganze Land feierte ein großes Fest.« denn je zur sozialen Konvention und bildet so mannschaft ist eines der letzten Lagerfeuer den »sozialen Klebstoff«, der für den Bestand der Nation, um das man gemeinsam zusammen Axel Balkausky (Sportchef, ARD): »2006 der Gesellschaft unerlässlich ist. sitzt, welches wärmt und verbindet.« hat bewiesen, dass der Fußball ’viel Positives’ bewegen kann, dass wir wieder Dadurch, dass die Fußball-Nationalmann- Jan Christian Müller (Sportjournalist, Frankfurter eine nationale Identität erlebt haben, ohne schaft in Deutschland als Aushängeschild und Rundschau): »Während der Weltmeisterschaft dass es ins Nationalistische überschlägt Vertreter der gesamten Nation wahrgenom- verfolgen auch diejenigen, die sich sonst nicht und sowohl national als auch international men wird, erfolgt eine gefühlte Gleichsetzung für Fußball interessieren, die deutschen Länder­ positiv wahrgenommen wurde. Das Bild von des Teams mit dem ganzen Land. Aus der Auf- spiele. Das Gemeinschaftserlebnis steht für Deutschland hat sich seitdem verändert.« lösung der Grenzen zwischen Heimatland und sie im Mittelpunkt.« Nationalmannschaft ergeben sich Wechsel- Jens Mende (Sportjournalist, dpa und wirkungen zwischen der Team­identifikation Marco Reus: »Die Nationalmannschaft steht Buchautor): »Die WM 2006 war ein Wendepunkt (»Fan der Mannschaft«) und Patriotismus unter ständiger Beobachtung, nicht nur in der gesellschaftlichen Wahrnehmung. (»Fan des Landes«, siehe Abb. 25). Damit ruft unter der der Fans, sondern auch unter Die Nationalmannschaft hat es durch die die Nationalmannschaft insbesondere wäh- der Beobachtung aller Deutschen. Unsere WM geschafft, den deutschen Nationalstolz rend EM- und WM-Turnieren einen gesteiger- Länderspiele verfolgen auch Menschen, die wieder herzustellen. Das Verlangen war in ten Fußballpatriotismus in Deutschland her- normalerweise keine Fußball-Fans sind.« der Bevölkerung schon lange da, doch erst vor (Mutz, 2013; Schediwy, 2012). Klinsmann hat es wieder salonfähig gemacht.« Jan Christian Müller (Sportjournalist, Frankfurter Die Tragweite der gesellschaftlichen Wirkung Rundschau): »Meine Tochter mit 12 Jahren würde Franz Beckenbauer: »Es gibt Situationen, da der Nationalmannschaft wird durch die Um- niemals zu Hause allein ein Länderspiel verfolgen, beeinflusst das Auftreten unserer National­ frageergebnisse bestätigt. So geben 95% der aber mit ein paar Freundinnen auf der Fanmeile, mannschaft, ihre Spielweise und vor allem ihr Umfrageteilnehmer an, dass die Leistung der da wäre sie sofort dabei. Der Eventcharakter bei sportlicher Erfolg die Seele der ganzen Nation.« Nationalmannschaft die Stimmung im Land Weltmeisterschaften zieht auch die normalerweise beeinflussen kann (siehe Abb. 24). nicht fußballinteressierte Masse magisch an.« Jens Mende (Sportjournalist, dpa und Buchautor): »Wenn die Mannschaft erfolgreich ist, hebt das auch die Stimmung im Land.«

Abb. 24: Die Leistung der Nationalmannschaft Abb. 25: Zusammenhang Identifiaktion mit der kann die Stimmung im Land beeinflussen Nationalmannschaft - Patriotismus (Selbsteinschätzung)

4,13 5 62 % 3,91 3,46 3,71 3,06 95 % Ausprägung Patriotismus  33 %

4 %

0,8 % Zustimmung 0,2 % 1  Stimme überhaupt nicht zu Stimme vollkommen zu n i e d r i g e s I d e n t i f i k a t i o n s n i v e a u  hohes Identifikationsniveau 36 6. Durch hohe mediale Reichweite und positives Image generiert die Nationalmannschaft ökonomischen Mehrwert für den deutschen Fußball 37

6. Durch hohe mediale Reichweite und positives Image generiert die Nationalmannschaft ökonomischen Mehrwert für den deutschen Fußball 38

6. Durch hohe mediale Reichweite einen deutlichen Anstieg im Betrachtungs- und positives Image generiert die zeitraum. Zudem nehmen die Fans die Nati- Nationalmannschaft ökonomischen onalmannschaft zunehmend als geschlosse- Mehrwert für den deutschen Fußball nes, multikulturelles Team mit einer immer flacher werdenden Hierarchie wahr (siehe Michael Horeni (Sportjournalist, FAZ und Das mit der enormen Identifikationskraft Abb. 27). Buchautor): »Insbesondere seit 2006 gab es einher gehende öffentliche Interesse an der auf einmal eine veränderte Vorstellung von deutschen Fußball-Nationalmannschaft spie- Die sportlichen Leistungen und die positiv Fußball. Die Berichterstattung ging über den gelt sich in TV-Quoten und TV-Marktanteilen wahrgenommene Markenpersönlichkeit in Platz hinaus, denn die Leute interessieren wider. Während WM- und EM-Turnieren er- Verbindung mit der enormen Reichweite in heutzutage mehr Facetten, wodurch die Berichte reichen die Spiele der Nationalmannschaft klassischen und digitalen Medien bietet na- vielschichtiger geworden sind. Diese erweiterte regelmäßig 20 bis 30 Mio. TV-Zuschauer und türlich beste Voraussetzungen zur gezielten Strahlkraft des Fußballs wurde vor allem durch Marktanteile bis zu 90%; sie stellen damit Positionierung der Nationalmannschaft als den Beckham-Popstar-Effekt getrieben, das in der Regel die meistgesehenen TV-Übertra- exklusive Marke des DFB. Der erfolgreiche gewachsene Interesse an taktischen Fragen gungen des Jahres (siehe Abb. 26). Aufbau und die Vermarktung der National- und eine größere kulturelle Bandbreite durch Neben dem klassischen TV-Medium erfreut mannschaft als Premiummarke wirken sich Nationalspieler mit Migrationshintergrund.« sich die Nationalmannschaft auch in den insbesondere vorteilhaft auf die Einnahmen neuen sozialen Medien großer Verbreitung. aus Länderspieltagen, Merchandising und Axel Balkausky (Sportchef, ARD): »Ich erwarte Die Facebook-Seite der Nationalmannschaft Sponsoring aus. Hierbei ist zu berücksichti- auch in Zukunft, dass die Länderspiele und besitzt mit 1,8 Mio. Anhängern zehnmal so gen, dass in WM- und EM-Turnierjahren na- insbesondere Turnierspiele mit Abstand die viele Online-Fans wie die Facebook­-Seiten türlich wesentlich höhere Einnahmen als in besten Einschaltquoten des Jahres erzielen aller (in der letzten Legislaturperiode) im Jahren ohne Großanlass zu erzielen sind. werden. Die Lust auf die großen Events ist Bundestag vertretenen Parteien zusammen. ungebrochen. Auch Personen, die sich normaler­- Vergleicht man den (nach Facebook-Fans) Jährlich finden im Schnitt etwa fünf Heim- weise nicht für Fußball interessieren, können beliebtesten deutschen Nationalspieler Me- und fünf Auswärtsspiele der National- sich während großer Turniere kaum der breiten sut Özil mit der beliebtesten Politikerin An- mannschaft statt, die in einem Turnierjahr Berichterstattung und der emotionalen gela Merkel, ergibt sich ein Verhältnis von zu Länderspieleinnahmen von insgesamt Anziehungskraft der Nationalmannschaft 32:1. Zugleich verzeichnen die zehn belieb- ca. 60 Mio. EUR führen. Ein bedeutender entziehen.« testen Nationalspieler im August 2013 in Anteil dieser Einnahmen wird durch die Summe etwa 56-mal mehr Facebook-Fans als TV-Übertragungsrechte der Länderspiele Oliver Bierhoff: »Die Nationalmannschaft ist die, laut ZDF-Politbarometer (08/2013), zehn durch öffentlich-rechtliche Sender generiert. die Premiummarke des DFB, eine starke Marke wichtigsten Politiker des Landes (siehe Abb. Heimspieleinnahmen aus dem Verkauf von aus einem starken Kern. Unsere Nationalspieler 28). Mit ca. 460.000 Fans vereinen die Top- Eintrittskarten (mit einer Preisspanne von dienen als weltweite Botschafter dieser Marke.« Ten deutscher Bundespolitiker zu­sammen 20 EUR bis 100 EUR) tragen zusammen mit weniger Facebook-Fans als Philipp Lahm den Erlösen aus ca. 800 Hospitality-Paketen Stefan Hans: »Die Werbekraft unserer (1.175.000), der Platz 10 der beliebtesten Na- ebenfalls zu den Länderspieltagseinnahmen Nationalspieler schlägt sich natürlich positiv tionalspieler belegt. bei. Ein weiterer Teil stammt aus der Ver- auf der Einnahmenseite des DFB nieder.« mietung von Bandenwerbung über eine Ver- Die hohe Beliebtheit der Nationalmannschaft marktungsagentur. Bastian Schweinsteiger: »Nicht nur der hängt mit ihrer wahrgenommenen Marken- sportliche Erfolg der Nationalmannschaft persönlichkeit zusammen. In unserer Umfra- Von der Popularität der Nationalmannschaft zieht Sponsoren an.« ge zeigt sich, dass sich über die letzten zwölf profitiert auch das Sponsoring. So konnten Jahre die Wahrnehmung des Nationalteams in den letzten Jahren neben dem DFB-Gene- sehr positiv entwickelt hat. So verzeichnen ralsponsor Mercedes-Benz und dem DFB-Ge- die Messwerte der »Brand-Personality-Scale« neralausrüster adidas auch neue DFB-Premi- für »Vertrauen und Sicherheit« sowie »Tem- um-Partner und zahlreiche DFB-Partner für perament und Leidenschaft« in der Umfrage die Nationalmannschaft gewonnen und die

Abb. 26: TV-Reichweite der Fußball-Nationalmannschaft (Deutschland) ø 76% ø 23 Mio. 81 80 78 82 70 75 27 27 64 23 24 25 17 18

EM WM EM WM EM WM EM EM WM EM WM EM WM EM 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 Marktanteil bei Turnieren in % TV-Quoten bei Turnieren in Mio. 6. Durch hohe mediale Reichweite und positives Image generiert die Nationalmannschaft ökonomischen Mehrwert für den deutschen Fußball 39

Abb. 27: Positive Entwicklung der Marken­ schaften der Nationalmannschaftskasse zu Denni Strich: »Die Nationalmannschaft ist die persönlichkeit (retrospektive Betrachtung) Gute. Die in Abhängigkeit vom sportlichen finanzielle Lokomotive des DFB. Der größte Erfolg gezahlten Prämien lagen bei den letz- Teil der Überschüsse geht an die Basis und 1 „ 5 ten Turnieren im Schnitt bei etwa 12,5 Mio. kommt Jugendmannschaften, dem Amateur­ EUR. So resultierte bei der WM 2006 ein bereich und Frauenteams zu Gute.« Geschlossenes Team 2,70 Überschuss von ca. 7,0 Mio. EUR, bei der EM 4,60 2008 von 6,5 Mio. EUR, bei der WM 2010 von Wolfgang Niersbach: »Die Nationalmannschaft ist ca. 3,8 Mio. EUR und bei der EM 2012 von und war für den DFB auch immer wirtschaftlicher ca. 4,0 Mio. EUR für die Nationalmannschaft. Motor – nur dadurch ist eine deutschlandweite Multikultureller Hintergrund 1,95 Erzielte Netto-Turnierüberschüsse der Nati- Talentförderung ohne öffentliche Mittel möglich.« 4,30 onalmannschaft fließen laut Beschluss des DFB-Präsidiums jeweils zur Hälfte an den Horst R. Schmidt: »Die Nationalmannschaft DFB und an die DFL. Dies setzt jedoch vo- trägt einen enormen Teil zum Finanzhaushalt Vertrauen und Sicherheit (gebündelter Faktor) raus, dass die Nationalmannschaft vordere 2,97 des DFB bei. Mit den generierten Geldern Platzierungen bei den Endturnieren erreicht. 4,14 können vielfältige gemeinnützige Aktivitäten des Verbandes gefördert werden.« Aufgrund der begrenzten zeitlichen Verfüg- Temperament und Leidenschaft (gebündelter Faktor) barkeit der Nationalspieler, die durch viel- Denni Strich: »Die Vermarktung der National­ 2,59 fältige Verpflichtungen ihrer privaten und mannschaft ist nicht unendlich skalierbar. Wir 3,88 clubeigenen Sponsoren bereits stark ausge- haben die Spieler ja nicht ständig um uns herum, lastet sind, erscheint es allerdings äußerst sondern nur innerhalb ganz enger Zeitfenster, Steile Hierarchie schwierig, die Nationalmannschaftseinnah- und hier stehen natürlich die sportlichen Aspekte 3,45 men kontinuierlich zu steigern. Hinzu kom- im Vordergrund. Bei der Umsetzung von Marketing­- 2,55 men begrenzte zusätzliche Werbemöglich- Maßnahmen haben wir immer auch die 2000 2012 keiten, da bestehende Sponsorenverträge Interessen der Vereine sowie individuelle die verfügbaren Werbeplattformen bereits Werbeverträge der Spieler im Blick.« weitgehend beanspruchen. Steigerungsmög- Sponsoringerlöse des DFB über die letzten lichkeiten bestehen indes in der Ausschrei- zehn Jahre deutlich gesteigert werden. Dabei bung bei der Neuvergabe bestehender Wer- liegt die Vermutung nahe, dass die National­ berechte (wie z.B. für die derzeit laufende mannschaft einen großen Anteil an den Zu- Bandenvermarktung) für Nationalmann- Abb. 28: Vergleich der Facebook-Fans wächsen im Sponsoring hat. schaftsspiele. Die erzielten Überschüs- = 100.000 Fans Eine weitere, durch die hohe Reichweite se werden vom DFB mehrheitlich in die und das positive Image der Nationalmann- professionelle Nachwuchsförderung, 25,6 Mio. schaft direkt beeinflusste Einnahmenkate- zur Unterstützung von Landesverbän- gorie bildet das Merchandising. Neben den den, zur Errichtung neuer Infrastruk- Einnahmen aus verkauften Merchandising- tur, zur Förderung des Amateur- und produkten der Nationalmannschaft werden Frauenfußballs sowie zur Unterstüt- Lizenzen an Dritte vergeben und dadurch zung von sozialen und gesellschafts- ebenfalls finanzielle Rückflüsse generiert. politischen Aktivitäten verwendet. Aktuell vertreiben diese Lizenznehmer zu- Somit profitiert letztendlich auch der sammen über 300 zugelassene National- Hobbyfußballer vom positiven Image mannschafts-Produkte. und der professionellen Vermarktung Unabhängig von den Popularitätswerten der Nationalmannschaft. x 56 kommen schließlich Einnahmen aus den Teilnahmen an Welt- und Europameister- 10,8 Mio.

x 32 x 10

1,8 Mio. 180 Tsd. 336 Tsd. 460 Tsd. 40 7. Dauerhafte Wettbewerbsvorteile der Nationalmannschaft sind nur durch rechtzeitige Anpassung der Erfolgsrezepte möglich 41

7. Dauerhafte Wettbewerbsvorteile der Nationalmannschaft sind nur durch rechtzeitige Anpassung der Erfolgsrezepte möglich 42 7. Dauerhafte Wettbewerbsvorteile der Nationalmannschaft sind nur durch rechtzeitige Anpassung der Erfolgsrezepte möglich 43

7. Dauerhafte Wettbewerbsvorteile schaft immer aufwändiger, weitere Verbesse- der Nationalmannschaft sind nur rungen im System zu erzielen. Es geht darum, durch rechtzeitige Anpassung der die unter Löw eingeleiteten evolutionären Erfolgsrezepte möglich Verbesserungsaktivitäten mit revolutionären Ansätzen zu verbinden, um einen weiteren 7.1. Beherrschung von »Ambidextrie« Innovations- und Leistungssprung zu ermög- lichen. Um revolutionäre Impulse zu setzen, So positiv die sportliche Entwicklung der Na- könnten beispielsweise Experten mit den Ei- Helmut Sandrock: »Für Erfolg gibt es tionalmannschaft in den letzten Jahren auch genschaften eines Querdenkers wie z.B. Wolf- keinen Ersatz und das muss jeden Tag neu gewesen sein mag, so liegt der letzte Titelge- gang Holzhäuser, oder Jürgen erarbeitet werden. Nur wer sich ständig winn bei einer EM 17 Jahre und bei einer WM Klinsmann herangezogen und zumindest zeit- hinterfragt, wer Herausforderungen doch schon 23 Jahre zurück. Daher stellt sich lich begrenzt ins Team Nationalmannschaft konsequent als Chance zur Verbesserung die Frage, wie die für einen Titel »entschei- integriert werden. Unkonventionelles »out-of- ansieht, der bestimmt in der Regel seinen denden Prozentpunkte« (Bierhoff) noch aus the-box«-Denken könnte neue Impulse verlei- Weg selbst und ist nachhaltig erfolgreich.« der Mannschaft herausgeholt werden können. hen und einen Sprung auf die nächsthöhere Hier zeigt sich die Kehrseite der Stabilisierung Entwicklungskurve ermöglichen. Oliver Bierhoff: »Schlimm wäre ein Aus- der Leistungsfähigkeit nach den radikalen ruhen auf Erfolgswerten oder wenn jetzt Veränderungen unter Klinsmann. Analog zu Zudem könnte analog zur Wirtschaftspraxis ein Sicherheitsdenken à la ’wir machen Unternehmen, die lange Zeit in der Stabilisie- innerhalb des Führungsteams bewusst die jetzt erst einmal langsam und keinen rungsphase verharren, stellt sich auch für das Rolle eines »Advocatus Diaboli« (Anwalt des Schritt zu viel’ einsetzen würde. Die Team Nationalmannschaft die Frage, wie und Teufels) vergeben werden, um positive Span- Entwicklung darf nicht wieder einschlafen. welche Impulse für weitere Leistungssteige- nungen zu erzeugen und damit ein stärkeres Wir dürfen nicht selbstzufrieden sein.« rungen gesetzt werden können. Ein Blick in Hinterfragen von Entscheidungen mit dem die Unternehmenspraxis könnte hilfreiche An- Zweck der Qualitätssteigerung zu bewirken. Rainer Franzke (Chefredakteur, Kicker): regungen für eine weitere Leistungsoptimie- Eine solche Rolle wird häufig externen Exper- »Klinsmann und Löw profitierten haupt- rung innerhalb einer evolutio­nären Entwick- ten auf Zeit übertragen, da sie im Vergleich zu sächlich von früheren Entscheidungen. lungsphase liefern. Internen einen objektiveren Standpunkt ver- Denn viele Dinge wie das Talentförderpro- treten und losgelöst von politischen Zwängen gramm und die Leistungszentren wurden So ist aus der Wirtschaftspraxis bekannt, agieren können (Yukl, 2009; Bollinger, 2010). bereits nach dem Desaster von 2000 dass erfolgreiche Hochleistungsorganisatio- gesät und trugen erst später Früchte.« nen durchaus in der Lage sind, gleichzeitig Die Hinzunahme eines Querdenkers bezweckt evolutionäre und revolutionäre Prozesse natürlich nicht, die Nationalmannschaft wie- Dieter Gruschwitz (Sportchef, ZDF): »Dank auf unterschiedlichen Handlungsebenen zu der in eine Phase radikalen Wandels mit Löw läuft in der Nationalmannschaft managen. Die sogenannte Ambidextrie bzw. zumindest kurzfristigem Leistungseinbruch momentan alles sehr harmonisch. »Beidhändigkeit« ermöglicht Organisationen, zu überführen. Dies wäre mit Blick auf Es wird aber in naher Zukunft wieder die Ausnutzung vorhandener Ressourcen (Ex- das derzeitige Leistungsniveau und die im eine Phase notwendig sein, wo ge- ploitation ) mit der Entwicklung neuer Res- nächsten Jahr anstehende WM sicher nicht zielt Reize gesetzt werden müssen.« sourcen (Exploration) in Einklang zu bringen, zielführend. Vielmehr sollten analog zum um nachhaltig flexibel, anpassungsfähig und Innovationsmanagement (S-Kurven-Theorie, Andreas Rettig: »Bisher folgten Krisen im damit erfolgreich agieren zu können (Raisch/ Kaizen-Kaikaku-Konzept) Innovationssprün- deutschen Fußball oftmals auf voraus- Birkinshaw, 2008; O’Reilly/Tushman, 2008). ge in die Entwicklung eingebettet werden, gegangene Euphoriephasen. Deshalb Die grundlegende Herausforderung in diesem die einem Schumpertschen Verständnis von dürfen wir uns keinesfalls auf dem hohen Zusammenhang besteht darin, genügend »kreativer Zerstörung« bewährter Routinen Leistungsniveau der Nationalspieler und Ressourcen in die Bewältigung und Optimie- gleichen (Schumpeter, 2006). Diese Sprünge den aktuellen Erfolgen der Bundesliga- rung laufender Prozesse zu investieren, je- münden dann wiederum in einen evolutio- mannschaften ausruhen. Dies soll vielmehr doch gleichzeitig auch ausreichend Energie in nären Verbesserungsprozess. Eine solche Anlass zum Nachdenken sein, wie wir auch neuartige, zukunftsweisende Entwicklungs- Integration von evolutionären und revoluti- in den kommenden Jahren Maßstäbe in projekte zu stecken (Tushman/Smith, 2002; onären Maßnahmen setzt jedoch ein hohes der Talentförderung setzen können.« Benner/Tushman, 2003; Gibson/Birkinshaw, Maß an Offenheit und die Bereitschaft des 2004; Tushman et al., 2010). Insbesondere in Führungsteams voraus, sich ständig selbst Michael Horeni (Sportjournalist, FAZ und erfolgreichen Phasen ist es allerdings schwie- zu hinterfragen und teilweise auch neu zu Buchautor): »Zu Beginn der Ära Klinsmann rig, die Notwendigkeit radikaler Neuerungen erfinden. war der deutsche Fußball sehr konserva- zu begründen. tiv ausgerichtet. Die Veränderungen von Klinsmann sind mittlerweile angekommen Ungeachtet dessen spielt Ambidextrie auch und verstetigt worden. Unter Löw wird es für die Weiterentwicklung der Nationalmann- nun wieder konservativer; auch die Struk- schaft im derzeitigen Stadium eine maßge- turen und Personen sind noch identisch bende Rolle. Dem ökonomischen Gesetz des mit der aus der Phase Klinsmann, deshalb abnehmenden Grenznutzens zurfolge wird es bedarf es wieder frischer Impulse.« mit der Zeit auch für das Team Nationalmann- 44

7.2. Bewusstes Management der Allerdings hat sich in zahlreichen Studien Homogenität/Heterogenität gezeigt, dass sich insbesondere die Leistung innerhalb der Mannschaft von heterogenen Teams bei komplexen Auf- gabenstellungen erhöht (Higgs et al., 2005; Oliver Kahn: »Ich selbst habe ja keine Förder- Offensichtlich haben sich über die letzten 14 Jones, 2012; Stapelton, 2007; Watson et al., oder Ausbildungszentren durchlaufen, sondern Jahre die Nationalspieler hinsichtlich ihrer Fä- 1993). Sicherlich hat sich die Komplexität des Vieles beim Fußballspielen auf der Straße, auf higkeiten und Fertigkeiten sowie ihrer Persön- professionellen Fußballspiels in den letzten dem Schulhof und in Freizeitmannschaften mit lichkeitsmerkmale angeglichen und damit die Jahren stark erhöht: ein Spieler muss heute meinen Freunden gelernt. Heute haben junge Homogenität der Mannschaft erhöht. Die ana- in der Lage sein, sein Positionsspiel unmit- Spieler gar nicht mehr die Chance dazu, solche logen Ausbildungswege und die gemeinsame telbar wechselnden Spielsystemen anzupas- unterschiedlichen Erfahrungen zu machen.« Turniererfahrung der Nationalspieler lässt zu- sen und sowohl offensiv als auch defensiv dem eine gestiegene Homogenität in den Per- zu agieren, was mitunter hohe Anforderun- Michael Horeni (Sportjournalist, FAZ und sönlichkeitseigenschaften der Nationalspieler gen an die kognitiven Fähigkeiten der Spieler Buchautor): »Die systematische Ausbildung vermuten. Durch die gleichartige Sozialisation stellt. In einer heterogenen Teamzusammen- führt dazu, dass die Fußballer mit Ecken und in den Förderzentren und U-Mannschaften setzung kann daher das Risiko des »Grup- Kanten auf der Strecke bleiben, weil wir so viele liegt die Vermutung nahe, dass sich auch die pendenkens« vermindert und die individuel- gute Talente haben, die sich einfacher einfügen Persönlichkeitsentwicklung der Spieler ent- le Kreativität gesteigert werden. lassen, weniger Reibung erzeugen und am Ende sprechend angenähert hat. des Tages viel besser funktionieren. Als Parade­ Von daher erscheint es prüfenswert, in- beispiel gelten die Brüder Boateng: Kevin Boateng Wie die betriebswirtschaftliche Praxis zeigt, wieweit sich die Hinzunahme von Spielern, ist im deutschen Fußball gescheitert, weil er bringt jedoch ein hoher Grad an Homogenität die vom derzeitigen Team gerade in punk- Ecken und Kanten hatte, aber er verkörpert neben zahlreichen Vorteilen (u.a. hohe Be- to Persönlichkeitseigenschaften abweichen, eine Mentalität, die der deutschen Mannschaft in ziehungsdichte, geringere Belastungs-, Span- lohnen könnte. Bei der Entscheidung der schwierigen Situationen fehlt bzw. gut tun würde. nungs- und Angstgefühle, hohe Kommuni- Nachwuchstrainer, wer in den U-Mann- In schwierigen Situationen sind, um erfolgreich zu kationseffizienz) auch Nachteile mit sich. So schaften verbleibt bzw. hinzugenommen sein, oft auch unkonventionelle Ideen oder eine kann die zu stark ausgeprägte Homogenität oder verabschiedet wird, spielen trotz sys- andere Form von Persönlichkeit gefragt, z.B. die einer Gruppe zwar eine harmonisierende tematischer Kriterien natürlich immer auch Durchsetzungsfähigkeit gegen alle Widerstände.« Identitätsbildung fördern, aber zugleich ins- subjektive Empfindungen der Entscheider besondere die Kreativität, Wachsamkeit und eine Rolle. Wie aus der Psychologie be- Jens Mende (Sportjournalist, dpa und Buchautor): Informationsverarbeitung eines Teams ein- kannt ist, tendieren Entscheider gemäß »Die Fähigkeit, sich in brenzligen Situationen schränken (Lehmann, 2003; Wegge, 2001). dem »Similar-to-me-Effekt« häufig dazu, wehren zu können, geht der Nationalmannschaft Leute auszuwählen, die ihnen selbst in der zu oft ab.« Darüber hinaus kann ein hohes Maß an Ho- Persönlichkeitsstruktur oder vergangenen mogenität die Teamdynamik reduzieren und Erfolgsprofilen gleichen (Howard/Ferris, Walter Straten (Sportchef, Bild): »Das ist eine das »Gruppendenken« fördern (Janis, 1982), 1996). Zudem werden gemäß dem »Status Super-Generation aber es fehlt irgendwas. was sich in bestimmten Fällen negativ auf quo bias« (Kahneman et al., 1991) Spieler, Das Spiel gegen Schweden war zum Beispiel die Leistungsfähigkeit auswirken kann (Tho- so ein symbolhaftes Erlebnis. Bis 4:2 haben mas, 1999). Als Folge werden neue Impulse wir uns keine Sorgen gemacht, aber dann verhindert und vorherrschende Denkmuster hätte der Impuls kommen und das Spiel so sowie verwendete Methoden nicht mehr richtig abgezockt über die Bühne gebracht ausreichend hinterfragt. Zwar ist der Zusam- werden müssen.« menhang zwischen Homogenität/Heterogeni- tät eines Teams und seiner Leistung in der empirischen Forschung nicht eindeutig be- legt, sondern jeweils von der Komplexität der untersuchten Aufgabenstellung abhängig. 7. Dauerhafte Wettbewerbsvorteile der Nationalmannschaft sind nur durch rechtzeitige Anpassung der Erfolgsrezepte möglich 45

die von einem bestimmten Trainer einmal scheidungen in Unternehmen könnten z.B. als förderfähig bewertet wurden, zu einem Persönlichkeitstests wie etwa der BIP-6F späteren Zeitpunkt tendenziell weniger kri- zur Ermittlung der Persönlichkeitsmerkma- tisch beurteilt. Im Endeffekt fördert beides le Engagement, Disziplin, Dominanz, Sta- natürlich wieder die Auswahl gleichförmiger bilität, Kooperation und Sozialkompetenz Oliver Kahn: »Die Nationalmannschaft spielt auf Spieler in den Förder- und Leistungszentren. (Hossiep/Krüger, 2012) an die spezifischen einem extrem hohen Niveau. Auch wenn sich alle Im Blick auf diese Entwicklung sollte da- Bedürfnisse des Fußballs angepasst und Nationalspieler im Qualitätsniveau angenähert her bedacht werden, dass Diversität in den eingesetzt werden. haben, braucht es trotzdem immer noch den Persönlichkeitseigenschaften der Spieler die ganz besonderen Spieler wie einen Messi, Robben Kreativität, Wachsamkeit sowie Informa­ Neue Instrumente wie der »Footbonaut« oder Ribéry, der durch einen Geniestreich den tions­verarbeitung im Team steigern kann. ermöglichen es zudem, die kognitive Leis- Weg zu einem Titelgewinn ebnen kann.« Dieser Einfluss hat sich bei der National- tungsfähigkeit eines Spielers systematisch mannschaft bereits durch Einbezug von zu messen und zu trainieren. Neben einer Christoph Metzelder: »Es wäre schade, wenn Spielern mit Migrationshintergrund bestä- breiteren Abstützung und Verbesserung die Instinktfußballer in Zukunft aus den tigt. Während der EM-Kader von 2000 mit der Qualität von Auswahlentscheidungen Leistungszentren verschwinden. Die Spieler, , Darius Wosz und Paolo Rink würden solche Erhebungen im Längsschnitt die den Unterschied machen, bauen auf lediglich drei Spieler mit Migrationshinter- schließlich ermöglichen, den Zusammen- Ihr Bauchgefühl. Im normalen Leben grund aufwies, fuhr Joachim Löw mit elf hang zwischen psychologischen Kriterien scheitern sie damit aber auch häufig.« Spielern mit Migrationshintergrund zur WM und sportlichem Erfolg zu ergründen. Auf 2010 nach Südafrika. Von dieser Diversität dieser Basis ließe sich, sofern eine ver- Günter Netzer: »Natürlich beeinflusst die innerhalb der Mannschaft hat das Spiel der gleichbare sportliche Qualität der Spieler Homogenität die Leistungsfähigkeit ab einem Deutschen sicherlich profitiert. vorhanden ist, dann auch eine gewünschte gewissen Grad negativ. Die Fußballwelt ist Diversität in den Persönlichkeitsprofilen der einmal nicht rosarot. Reibereien in der Gruppe Um die Heterogenität der Nationalmann- Elitekicker durch Vorgaben an die Förder- sind, wenn sie intern geführt werden, durchaus schaft gerade in Bezug auf die Persönlich- zentren herstellen. wünschenswert.« keitseigenschaften der Spieler gezielt zu erhöhen, könnte es sinnvoll sein, verstärkt Zudem könnte die Erkenntnis aus dem Inno- Helmut Sandrock: »Die systematische Erhebung, psychologische Kriterien in die Auswah- vationsmanagement helfen, dass Entschei- Auswertung und Entwicklung von Persönl­ lentscheidungen der Förderzentren einzu- dungsgremien mit unvoreingenommenen ichkeitsmerkmalen der Spieler wird neben der beziehen. Analog zu Personalauswahlent- Personen helfen, subjektive Perspektiven zu sportlichen Ausbildung immer wichtiger.« hinterfragen und die Qualität der Entschei- dungen zu verbessern. Best-Practice-Firmen Dieter Gruschwitz (Sportchef, ZDF): beteiligen an ihren Rekrutierungs- bzw. »Der DFB sollte bis zum Schluss, bewusst und Personalent­wicklungsprozessen Personen mit systematisch, unterschiedliche Charaktere diversen fachlichen Hintergründen und bezie- fördern. In der Spitze können dann zwar hen gezielt externe Experten in ihre Entschei- aufgrund der individuellen Vorstellungen dungsgremien mit ein. Dementsprechend des jeweiligen Bundestrainers gewisse Typen könnten unabhängige Personalexperten, Sozi- rausfallen, aber bis dahin sollte der DFB alpädagogen oder auch Trainer, die die Nach- im Sinne einer gewissen Flexibilität und wuchskicker nicht aus dem Trainingsbetrieb breiten Auswahl nicht nur eindimensional kennen, in die Beurteilung und Nominierung denken, sondern Vielfalt fördern.« von Kandidaten in die U-Mannschaften einbe- zogen werden. Axel Balkausky (Sportchef, ARD): »Es ist denkbar, dass sich ergänzend auch Psychologen die Spieler und eine Mannschaft anschauen und bei der Bewertung unterstützen. Die Auswahlteams könnten dadurch erweitert werden; und zwar nicht nur punktuell sondern durch flächendeckendende Integration solcher Experten in den Auswahlprozess.« 46

Lars Wallrodt (Fußballchef, Die Welt): »Weil es in der digitalen Welt keine Platz­ begrenzung mehr gibt, ist die Berichterstattung deutlich differenzierter und quantitativ umfang­- reicher geworden. Früher gab es für ein Länderspiel eine Seite mit Aufmacher, Randnotiz und Einzelkritik, dann war diese voll. Heutzutage gibt es im Internet keine Begrenzung mehr, jede Geschichte findet ihren Platz.«

Jens Grittner: »Das Interesse der Medien an Themen rund um die Nationalmannschaft ist in den letzten Jahren enorm angestiegen. Um diese Nachfrage an sehr wenigen Terminen professionell bedienen zu können, ist eine systematische Planung der Pressearbeit unerlässlich.«

Dr. Michael Ilgner: »Die enorme Reichweite des Fußballs und insbesondere der National­ mannschaft bringt aufgrund der breiten Massenwirksamkeit auch eine immer größere gesellschaftspolitische Verantwortung mit sich.«

Uli Voigt: »Nicht nur in den klassischen Medien wie Print oder TV, sondern vor allem im Online­ bereich beobachten wir ein zunehmendes Interesse an der Berichterstattung über die Fußball-Nationalmannschaft.«

Bernd Daubenmerkl: »Heute sind Personenkult und Selbstvermarktung bei den Spielern sehr ausgeprägt. Es ist ein Hauen und Stechen um Aufmerksamkeit. Hierzu tragen die neuen Medien natürlich maßgeblich bei.«

Stefan Merx (Sportbusiness Journalist, 7.3. Bewusster Umgang mit Da sich eine Mehrheit der Deutschen am Ver- Handelsblatt, WStJ): »Das Medieninteresse wird gestiegener wirtschaftlicher und halten und Auftreten der Nationalmannschaft immer größer. Bei der WM 2010 fand ich es schon gesellschaftlicher Verantwortung orientiert, vorgelebte Werte übernimmt und erstaunlich, dass sogar einzelne Wortfetzen Verhaltensweisen nachahmt, tragen die Na- von Reservespielern wie eine Sensation verkauft Unter Jürgen Klinsmann wurde der Posten tionalspieler eine große gesellschaftliche wurden.« des Managers der Nationalmannschaft ge- Verantwortung. Dies erfordert sowohl das schaffen sowie die Ausgliederung der zen- Bewusstsein der enormen Tragweite des Wolfgang Niersbach: »Man darf den Fußball nicht tralen Einheit »Team Nationalmannschaft« eigenen Verhaltens als auch einen verant- überfordern – er ist kein Allheilmittel, kann auch vorgenommen. In dieser Konstellation agiert wortungsvollen Umgang damit. Die neuen keine Probleme lösen, die die Politik nicht löst.« das Team um Oliver Bierhoff (Manager der Medien führen zu einer nie da gewesenen Nationalmannschaft) und Georg Behlau (Lei- individuellen medialen Reichweite der Natio- Dr. Michael Vesper: »Wie auch viele andere ter des »Büro National­mannschaft«) seit- nalspieler. Dies birgt auch zahlreiche Risiken Gruppierungen sucht die Politik die Bühne dem mit zwei weiteren festen Mitarbeitern. in sich, die aktiv gemanagt werden müssen. des Sports. Der Fußball muss dabei nur Diese Einheit koordiniert und managt mit aufpassen, dass er nicht missbraucht wird.« Rückgriff auf DFB-Direktionen alle organisa- Allerdings ist dieses Risikomanagement ohne torischen, finanziellen und vermarktungs­ Durchgriffsrecht auf die Nationalspieler, die Helmut Sandrock: »Fußball kann zwar Vieles technischen Angelegenheiten inklusive kein Arbeitsverhältnis mit dem DFB haben, erreichen, aber wir sind auch nicht der TV-Verträgen, Sponsorenbeziehungen und nur begrenzt möglich und stellt hohe Anfor- universelle Reparaturbetrieb der Gesellschaft.« Turnierreisen für die Nationalmannschaft. derungen an die Kommunikation. Zudem er- Daneben sorgt sich das Team zusammen mit scheint es sinnvoll, bewusst die Grenzen der der Direktion Kommunikation um das exter- Positionierung der Nationalmannschaft zu ne Stakeholder-Management. setzen und lediglich Themen zu vertreten, die glaubwürdig im Zusammenhang mit Fuß- ball stehen wie z.B. Fairplay, Toleranz oder Integration. 7. Dauerhafte Wettbewerbsvorteile der Nationalmannschaft sind nur durch rechtzeitige Anpassung der Erfolgsrezepte möglich 47

Die organisatorische Aufstellung des Teams Nationalmannschaft und deren Ressourcen- ausstattung wurde seit 2006 nicht struktu- rell an die gestiegenen Anforderungen in der Vermarktung und an die professionelle Kommunikation nach außen angepasst. In Anbetracht des herausragenden Stellenwerts der Einheit Nationalmannschaft innerhalb des DFB stellt der Ausbau dieser Einheit bzw. die Stärkung der in Anspruch genommenen DFB-Direktionen einen gangbaren Weg zur Übernahme vermehrter gesellschaftlicher Verantwortung sowie zur weiteren Steige- rung der Einnahmen durch die National- mannschaft dar, von welcher in erster Linie der DFB mit all seinen Aktivitäten (und damit der Amateursport) profitieren würde. 48 Ausblick Ausblick 49

Ausblick Ein sinnvoller Schritt könnte z.B. in der viel diskutierten Errichtung eines nationalen Leis- Die vorliegende Untersuchung konnte die Be- tungszentrums bestehen. Um damit allerdings Helmut Sandrock: »Der Beschluss zum Bau deutung von inkrementellen und radikalen einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen und eines nationalen Leistungszentrums wäre Veränderungen für den Erfolg der National- nicht nur dem Beispiel anderer Nationen wie eine strategisch weitreichende Entscheidung mannschaft aufzeigen. Da die Nationalmann- Frankreich (Clairefontaine), Holland (KNVB für den DFB und muss daher wohl abgewogen schaft untrennbar mit dem DFB verbunden ist, Academy), Italien (Coverciano) oder England sein. Grundsätzlich stehe ich dem Projekt positiv bestehen natürlich vielfältige Wechselwirkun- (St. Patrick) zu folgen, müsste neues Terrain gegenüber.« gen. Einerseits ist die Nationalmannschaft ab- betreten werden. Vor diesem Hintergrund hängig von der Nachwuchsförderung des DFB, erscheint die Idee plausibel, ein nationales Christian Seifert: »Das Kompetenzzentrum läuft andererseits profitiert der Mutterverband von Leistungszentrum zu errichten und als zent- auf eine weitere Verzahnung der National­ den sportlichen und ökonomischen Erfolgen rale Plattform für einen vermehrten Austausch mannschaft und der Bundesliga hinaus. Das der Nationalmannschaft. zwischen allen DFB-Auswahlmannschaften, muss das Leistungszentrum des deutschen Trainern, Medizinern, Wissenschaftlern unter- Fußballs werden.« Der letzte radikale Strukturwandel des DFB schiedlicher Disziplinen und Scouts zu nutzen. liegt bereits über eine Dekade zurück. Seit der Diese Plattform könnte dann einerseits zum Günter Netzer: »Ein nationales Leistungs­- einschneidenden Reform des Nachwuchsbe- Transfer von Wissen in die Vereine an der Ba- zentrum ist absolut zeitgemäß und entspricht reichs nach der WM 1998 und der Einführung sis dienen, andererseits aber auch zum inter- den aktuellen internationalen Anforderungen. des bundesweiten Talentprogramms nach nationalen Erfahrungsaustausch mit weltweit Man muss sich dann weniger Angst um die der EM 2000 ist es zu keiner vergleichbaren erfolgreichen Mannschaften (auch anderer Zukunft machen, denn es macht die Arbeit Veränderung mehr innerhalb des DFB gekom- Disziplinen) genutzt werden. In einem neu er- berechenbarer, wenn Kompetenzen zentral men. In der Zwischenzeit haben andere Na- richteten Zentrum könnten zudem Labore und gebündelt werden. Nie vergessen darf man, tionen längst begonnen, die Erfolgsrezepte Messstationen zur Persönlichkeitsdiagnostik dass wir in Deutschland eine einzigartige der Deutschen in der Nachwuchsförderung zu der Spieler beheimatet sein und damit wichti- Konstruktion der Sportschulen haben.« kopieren und weiterzuentwickeln. Mit Blick ge Leistungs- und Persönlichkeitsdaten regel- auf das jüngste Ausscheiden der U21-National­ mäßig und einheitlich erhoben, aggregiert und Rainer Franzke (Chefredakteur, Kicker): »Ein mannschaft bei der EM in Israel, sowie das ausgewertet werden. Erfolgskritisch erscheint nationales Leistungszentrum macht nur Sinn, mehrmalige Scheitern der U19 in vergangenen für den Aufbau eines solchen nationalen Leis- wenn dort dann auch alle Bereiche und verant­- EM-Qualifikationen, drohen andere Nationen tungszentrums allerdings die enge Verzah- wortlichen Personen zusammengezogen werden. wieder an Deutschland vorbeizuziehen. So gilt nung mit den Nachwuchsleistungszentren der Dies muss die Zentrale der Nationalmannschaft es auch für den DFB als »Talentlieferant« der Bundesligaclubs, wo die Nachwuchsfußballer werden.« Nationalmannschaft, Herausforderungen der zeitlich einen Großteil ihrer Förderung erfah- Ambidextrie zu bewältigen und gleichzeitiges ren. Nur wenn es gelingt, das Zusammenspiel »Säen« und »Ernten« zu realisieren. zwischen nationaler Förderung der U-Mann- schaften und lokaler Ausbildung durch die Erste Anzeichen in diese Richtung sind bereits Bundesligaclubs synergetisch zu gestalten zu vernehmen. So wird 2014 z.B. die Anzahl und übergreifende Aufgaben (Datenerfassung, der Honorartrainer von 1.000 auf 1.300 auf- Analyse, Benchmarking, etc.) zu zentralisie- gestockt; gleichzeitig werden freiwillige Nach- ren, die für ein einzelnes Nachwuchsleistungs- wuchsleistungszentren der 3. und 4. Liga ver- zentrum zu aufwendig oder isoliert nicht sinn- stärkt finanziell unterstützt (7,6 Mio. EUR bis voll erscheinen, kann ein Wettbewerbsvorteil 2016). Solche Maßnahmen entsprechen aller- gegenüber anderen Nationen erzielt werden. dings eher Verbesserungen des bestehenden Systems. Deshalb stellt sich die Frage, ob der Ferner könnte die Errichtung eines solchen na- DFB nicht auch strukturelle Schritte einleiten tionalen Leistungszentrums mit einer Struktur- sollte, um die zukünftige internationale Wett- reform des DFB verbunden werden. Sie könnte bewerbsfähigkeit seines Nachwuchses sicher- zum Anlass genommen werden, bestehende zustellen, ohne eine vorausgegangene Krise Organisationsstrukturen, Prozesse und Verant- bewältigen zu müssen. wortlichkeiten zwischen Nationalmannschaft und DFB-Direktionen, zwischen Sportdirektor und Bundestrainer und ggf. sogar zwischen DFB und DFL zu hinterfragen und nach dem Prinzip »Wir sind Nationalmannschaft« neu auszurichten. 50 Anhang 51

Anhang 8. Studiendesign und Methodik (S.52–54) 9. Weitere Auswertungen (S.55–63) 52

8. Studiendesign und Methodik 8.1.1. Definition und empirische Zur Messung der Identifikation mit der Nati- Erfassung von Identifikation onalmannschaft wurden in der Onlinebefra- 8.1. Primärdatenerhebung: gung auf Basis der Sport Spectator Identifi- Onlineumfragen Für die Entwicklung der sozialen Identität cation Scale von Wann/Branscombe (1993), spielt insbesondere die Identifikation bzw. der Team Identification Scale von Mael/ Bei der Primärdatenerhebung handelt es sich das Gefühl der Zugehörigkeit zu bestimmten Ashforth (1992) und des Fragebogendesigns um eine explorative Onlineumfrage, die über Gruppen eine zentrale Rolle (Ashforth/Mael, von Kwon/Trail (2001) und Ngan et al. (2011) verschiedene Internetseiten verbreitet (darun- 1989; Ashmore et al., 2004, Eisenstadt/Giesen, sechs Aussagen wie z.B. »Wenn jemand mei- ter www.team.dfb.de, www.facebook.com/dfb- 1995; Turner et al., 1987). Menschen besitzen nen Lieblingsclub kritisiert, dann fühle ich team, www.kirche-und-sport.de, www.ebs.edu, das intrinsische Bedürfnis nach positiver mich persönlich beleidigt« oder »Die Erfolge www.ebs.edu/isbs) und über einen Email-Ver- Selbstbewertung und streben danach, eine der Nationalmannschaft sind meine Erfolge« teiler versandt wurde. Sie war von Beginn der positive soziale Identität zu erlangen oder vorgegeben. Diese Aussagen mussten von Europameisterschaft 2012 (07. Juni 2012) bis we- diese stets zu verbessern. Die subjektive Zu- den Befragten auf einer Skala von 1 (trifft nige Tage nach dem Finale des Turniers (06. Juli gehörigkeit zu bestimmten Gruppen und die überhaupt nicht zu) bis 5 (trifft vollkommen 2012) online erreichbar. Zur Sicherstellung der Grenzziehung zu anderen Kollektiven ermög- zu) bewertet werden. Datenqualität wurden die Umfrageergebnisse licht aufgrund einer gesellschaftlich positiven der ca. 3.000 befragten Personen um unvoll- Bewertung der eigenen Identifikationsgruppe ständige Datenreihen (bis max. fünf nicht-be- die Ableitung positiver Effekte für die indivi- 8.1.2. Definition und empirische antworteter Fragen) bereinigt und schlussend- duelle Selbstwahrnehmung (Tajfel, 1978, Taj- Erfassung von Vorbildern lich 2.106 Teilnehmer berücksichtigt. fel/Tumer, 1985). Personen erhalten durch die Identifikation mit bestimmten Gruppen die Die zweifache Funktion von Vorbildern leitet Das Durchschnittsalter der Umfrageteilnehmer Möglichkeit, Erfolge zu feiern, die über ihre sich in der einschlägigen wissenschaftlichen innerhalb der Stichprobe ist mit 29,9 Jahren rela- eigenen Grenzen hinausgehen, und können Literatur aus dem englischen Begriff »role mo- tiv niedrig, und liegt in der Größenordnung ver- dadurch am Erfolg dieser Gruppen persönlich del« her. Auf der einen Seite sind Vorbilder Mo- gleichbarer Studien (z.B. 29,2 Jahre - Schmidt/ teilhaben (Katz/Kahn, 1978). Dieser Prozess delle, die beim Erlernen neuer Fähigkeiten oder Högele, 2011). Die Altersgruppe »18-24 Jahre« wird in der Wissenschaft als basking-in-reflec- sozialer Normen hilfreich sein können (Bandu- macht mit 32% den größten Anteil der Teilneh- ted-glory (BIRGing)-Effekt bezeichnet (Cialdini ra, 1977; Miller/Dollard, 1941). Auf der anderen mer aus. Über 50-jährige Umfrageteilnehmer et al., 1976). Die Identifikation mit einer er- Seite fungieren sie aufgrund ihrer exponierten bilden mit 7% die Minderheit. Die Quote der folgreich wahrgenommenen Gruppe kann das sozialen Rolle als Identifikationsfiguren, wel- weiblichen Umfrageteilnehmer betrug 40%. individuelle Selbstwertgefühl steigern und che für die eigene Selbstdefinition herangezo- damit einen Mehrwert für das individuelle gen und als Motivator wahrgenommen werden Darüber hinaus wurden nach der Europameis- Wohlbefinden von Personen erzeugen. (Erikson, 1950; Foote, 1951). Siegmund Freud terschaft 2012 zwei weitere Erhebungen zur Zeit- (1921) spricht in diesem Zusammenhang von reihenanalyse vor (03.09. – 07.09.2012) und nach Besonders häufig treten BIRGing-Effekte im der partiellen Identifikation mit einer Führungs- (11.09. – 25.09.2012) den ersten Pflichtspielen Sport auf, da hier die emotionalen Bezie- figur, mit der man Gemeinsamkeiten teilt und der Nationalmannschaft gegen die Färöer-Inseln hungen sowie die Identifikation mit einer deren Qualitäten man als ideal und somit als und Österreich mit den zuvor befragten ​Perso- bestimmten Mannschaft vergleichsweise maßgeblich für das eigene Verhalten ansieht. nen durchgeführt. Insgesamt antworteten 442 stark ausgeprägt sind (Sutton et al., 1997). In Beide Aspekte des Vorbildbegriffs sind für die Personen auf alle drei Befragungen vollständig. diesem Kontext spricht man von »Teamiden- vorliegende Studie relevant. Zum einen können Im Zentrum der Befragung standen die Kons- tifikation«. Der Fußball stellt einen nahezu Fußballstars aufgrund ihrer hohen Präsenz in trukte Identifikation, Vorbild und Markenper- idealtypischen Generator für Identifikations- der Öffentlichkeit vor allem von Kindern und sönlichkeit. Es ging darum, herauszufinden, prozesse dar. Je höher die Teamidentifikation Jugendlichen als Verhaltensmodelle angesehen welche Identifikationswirkung von der National- einer Person ist, desto mehr beschäftigt sie werden und damit einen Beitrag zur Erlernung mannschaft ausgeht, welche Vorbildfunktion sie sich mental mit der Lieblingsmannschaft und von sozialen Normen leisten. Sie können aller- in Deutschland einnimmt und welche Marken- desto stärker fühlt sie sich auch zu ihr hinge- dings auch als negative bzw. abschreckende persönlichkeit ihr von den Umfrageteilnehmern zogen (Wann/Branscombe, 1993). Vorbilder wahrgenommen werden, wenn sie zugeschrieben wird. Darüber hinaus wurden Kri- selbst kein gesellschaftskonformes Verhalten terien für die Auswahl der Lieblingsspieler der Verschiedene Studien haben gezeigt, dass an den Tag legen (Gibson, 2004). Zum anderen Befragten aus der Literatur hergeleitet. eine hohe Teamidentifikation einerseits posi- gehen wir davon aus, dass sich viele Fans mit tive Effekte auf das allgemeine und psycho- ihrem Fußballstar persönlich identifizieren und logische Wohlbefinden des Einzelnen (Wann/ sich von ihm motivieren lassen – nicht nur in Pierce, 2005), andererseits aber auch einen Bezug auf Fußball. Zur Messung der Vorbild- Beitrag zur Schaffung von sogenanntem »So- funktion wurden auf Basis von Rich (1997) und zialkapital« in der Gesellschaft leisten kann Dix et al. (2010) Aussagen zur Vorbildfunktion (Sutton et al., 1997). Letzteres wird in der wie z.B. »Ich sehe meinen Lieblingsspieler als wissenschaftlichen Literatur auch als »sozi- Vorbild an«, »Mein Lieblingsspieler ist ein gu- aler Klebstoff« bezeichnet, der die Mitglie- tes Vorbild für die Gesellschaft« vorgegeben, der einer Gesellschaft zusammenhält (Cox, die die Umfrageteilnehmer auf einer Skala von 1995). 1 (trifft überhaupt nicht zu) bis 5 (trifft voll- kommen zu) bewerten mussten. 8. Studiendesign und Methodik 53

INDIKATOREN NACH INDIKATOREN 8.2. Primärdatenerhebung: HIERONIMUS (2003) THEMENSPEZIFISCH Semi-strukturierte Experteninterviews VERTRAUEN & TEMPERAMENT & SICHERHEIT LEIDENSCHAFT • Grad der Insgesamt wurden im Rahmen der Studie • Zuverlässig • Temperamentvoll Multikulturalität 40 explorative und 12 diskursive Interviews • Unverfälscht • Leidenschaftlich • Hierarchiestruktur durchgeführt und ausgewertet. Ziel war es, • Ehrlich • Phantasievoll mit Hilfe der Interviews implizit vorhandenes • Bodenständig • Fröhlich • Grad der Expertenwissen zu gewinnen, welches mit- Geschlossenheit • Erfolgreich • Wagemutig tels quantitativer Methoden nicht zugänglich ist. Um das größtmögliche Detailwissen aus den Experteninterviews (Meuser/Nagel, 2002, 8.1.3. Definition und empirische 8.1.4. Kriterien für die Auswahl 2009) herauszuholen, wurden diese in Form se- Erfassung der Markenpersönlichkeit des Lieblingsspielers mi-strukturierter Leitfadeninterviews persön- lich durchgeführt (Groeben, 1990; Flick, 2009). Kotler (1989) definiert Marke als »Name, Jeder Teilnehmer der Online-Umfrage wurde Fragen zu spezifischen Themengruppen wur- Begriff, Zeichen, Symbol, Gestaltungsform nach der Auswahl seines Lieblingsspielers um den dazu vorab formuliert und anhand eines oder eine Kombination aus diesen Bestand- eine Bewertung von hierfür ausschlaggeben- Gesprächsleitfadens mit den Gesprächspart- teilen zum Zwecke der Kennzeichnung der den Kriterien gebeten. Die Befragten wurden nern durchgegangen. Die gewählte Interview- Produkte oder Dienstleistungen eines An- aufgefordert, auf einer Skala von 1 (trifft über- form erlaubte den Befragten weitestgehende bieters oder einer Anbietergruppe und zu haupt nicht zu) bis 5 (trifft vollkommen zu) Freiheit in der Äußerung eigener Ansichten und ihrer Differenzierung gegenüber Konkurren- anzugeben, welche Bedeutung die einzelnen Erfahrungen. Sofern im Verlauf des Gesprächs zangeboten« (S. 379). Eine Marke regt Per- Kriterien für die Auswahl ihres Lieblingsspie- neue Aspekte auftauchten, war der Interviewer sonen zur Inanspruchnahme oder zum Kauf lers hatten. Der zugrunde liegende Kriterien- stets in der Lage, diese gezielt anzusprechen an, die sich mit dem Angebot identifizieren katalog ist angelehnt an Lockwood/Kunda und detaillierte Nachfragen zu stellen. Schlus- können. Durch die Beschreibung mittels Per- (1997) und Lines (2001) und umfasst fünf sendlich erleichterte die Teil-Strukturierung der sönlichkeitsmerkmalen und der Zuordnung adaptierte Dimensionen, denen insgesamt 18 Gespräche die Vergleichbarkeit und Bewertung von Charaktereigenschaften wird der Marke Kriterien für die Auswahl des Lieblingsspielers getätigter Aussagen. eine Identität verliehen. Zur Bestimmung zugeordnet sind: der Markenpersönlichkeit entwickelte Aaker In diskursiven Interviews (Hopf, 1995) konn- (1997) auf Basis des Big Five-Konstrukts der Talent/Leistung: ten gewonnene Erkenntnisse auf ihre Plausi- menschlichen Persönlichkeit die fünffakto- 1) besitzt/besaß außergewöhnliche Fähigkei- bilität, Stichhaltigkeit und die subjektiv wahr- rielle Struktur der Brand Personality Scale. ten und Talent, 2) zeigt(e) auf dem Fußball- genommene Adäquatheit hin überprüft und Hieronimus (2003) reduzierte diese Skala platz herausragende Leistungen, 3) hat(te) angepasst bzw. erweitert werden. Für die In- für den deutschen Sprachraum auf zwei eine spektakuläre Spielweise 4) trägt/trug terviews konnten ausgewiesene Experten wie Faktoren: »Vertrauen & Sicherheit« sowie durch seine Leistung maßgeblich zum Erfolg DFB-Entscheidungsträger, aktuelle/ehemalige »Temperament & Leidenschaft«, die sich je- der Nationalmannschaft bei Nationalspieler und -trainer, Vertreter der weils in fünf Indikatoren aufgliedern lassen. DFL (Deutsche Fußball Liga) sowie Sport- und Im Rahmen der Studie wurde das Modell Verhalten auf dem Platz: Fußballexperten, Journalisten und namhafte von Hieronimus (2003) verwendet, um die 5) ist/war ein Führungsspieler, 6) verhält sich gesellschaftliche Vertreter gewonnen werden wahrgenommene Markenpersönlichkeit der auf dem Fußballplatz vorbildlich, 7) stellt(e) (siehe Tabelle 1). Nationalmannschaft zu erfassen. Zur Spezi- sich in den Dienst der Mannschaft und fizierung der Markenpersönlichkeit der Nati- spielt(e) nicht egoistisch, 8) zeigt(e) vollen onalmannschaft wurden zudem drei weitere Einsatz auf dem Fußballplatz Indikatoren, die sich in ersten Expertenge- sprächen als zentrale Beschreibungsmerk- Verhalten neben dem Platz: male der Nationalmannschaft herauskristalli- 9) verhält sich abseits des Fußballplatzes vor- sierten, in die Bewertung mit aufgenommen. bildlich

Persönlichkeit/Auftreten/Aussehen: 10) pflegt(e) einen glamourösen und spekta- kulären Lebensstil, 11) hat(te) eine charismati- sche Ausstrahlung, 12) hat(te) eine coole und lockere Art, 13) sympathisches Auftreten, 14) faires Auftreten, 15) ist/war bodenständig und nahbar, 16) sieht/sah gut aus

Club: 17) spielt für meinen Lieblingsclub oder hat für ihn gespielt, 18) kommt/kam aus der Ju- gendabteilung meines Lieblingsclubs 54 8. Studiendesign und Methodik

8.3. Sekundärdatenanalyse Tabelle 1: Liste der Interviewpartner In die Sekundärdatenanalyse floss umfas- Verantwortliche DFB/Team Nationalmannschaft sendes Datenmaterial aus dem DFB-Archiv Wolfgang Niersbach DFB-Präsident sowie den DFB-Direktionen und Abteilungen Helmut Sandrock DFB-Generalsekretär ein. Zudem wurden Studien, wissenschaftli- Horst R. Schmidt DFB-Schatzmeister che Forschungsarbeiten, Bücher und Medi- Ulf Schott DFB-Direktor, Talent- und Nachwuchsförderung enberichte zum Thema Nationalmannschaft Stefan Hans DFB-Direktor, Recht, Sport­gerichtsbarkeit, Finanzen und Personal berücksichtigt. Insgesamt konnten im Rah- Denni Strich DFB-Direktor, Marketing men der Studie ca. 10.000 Seiten an Infor- Oliver Bierhoff Sportliche Leitung – Manager der Nationalmannschaft mationen in digitaler und gedruckter Form Hansi Flick Sportliche Leitung – Assistenz-Trainer der Nationalmannschaft analysiert und verarbeitet werden. Diese Andreas Köpke Sportliche Leitung – Torwart-Trainer der Nationalmannschaft umfangreiche Datenmenge ermöglichte eine Dr. Hans-Dieter Hermann Sportpsychologe der Nationalmannschaft sogenannte Triangulation (Denzin, 1989; Jens Grittner Pressesprecher der Nationalmannschaft Flick, 2007, 2009; Mayring, 2002). Hierbei Uli Voigt Medienverantwortlicher der Nationalmannschaft Harald Stenger Pressesprecher der Nationalmannschaft a. D. werden Informationen aus unterschiedlichen Bernd Pfaff DFB-Direktor, Sportl. Koordinator d. Nationalmannschaft a.D. Datenquellen, von unterschiedlichen Autoren Jörg Daniel Sportlicher Leiter DFB-Talentförder­programm und unterschiedlichen Erfassungszeitpunk- Jürgen Eißmann DFB-Projektleiter, Fan Club Nationalmannschaft ten verglichen, um in der Gesamtheit sub- jektive Verzerrungen einzelner Datenquellen Bundestrainer/Teamchefs auszugleichen und die Validität der Ergebnis- Joachim Löw Bundestrainer se zu erhöhen (Brown, 2001). Jürgen Klinsmann Bundestrainer a.D. Rudi Völler Teamchef a.D. Erich Ribbeck Bundestrainer a.D. 8.4. Verwendete statistische Verfahren Franz Beckenbauer Teamchef a.D. Nationalmannschaft Im Rahmen der statistischen Auswertung wurden primär bivariate Analysemethoden Julian Draxler Aktueller Nationalspieler (FC Schalke 04) Mario Götze Aktueller Nationalspieler (FC Bayern München) verwendet. So wurden für verschiedene Oliver Kahn Ehemaliger Nationalspieler (FC Bayern München) Gruppen innerhalb der Stichprobe Mittel- Miroslav Klose Aktueller Nationalspieler (Lazio Rom) wertvergleiche anhand von t-Tests durchge- Philipp Lahm Aktueller Nationalspieler (FC Bayern München) führt. Darüber hinaus kamen zur Analyse der Per Mertesacker Aktueller Nationalspieler (Arsenal London) Identifikationswirkung multiple Paarverglei- Christoph Metzelder Ehemaliger Nationalspieler (FC Schalke 04) che nach dem Bonferroni-Verfahren, welches Thomas Müller Aktueller Nationalspieler (FC Bayern München) eine potenzielle Alphafehler-Kumulierung Manuel Neuer Aktueller Nationalspieler (FC Bayern München) neutralisiert, zum Einsatz. Auffallend an Mesut Özil Aktueller Nationalspieler (Arsenal London) den statistischen Ergebnissen ist, dass trotz Marco Reus Aktueller Nationalspieler () der großen Stichprobe (n = 2.106) zahlreiche Bastian Schweinsteiger Aktueller Nationalspieler (FC Bayern München) Mittelwertvergleiche keine statistisch signifi- DFL Deutsche Fußball Liga kanten Unterschiede aufzeigen. Christian Seifert Vorsitzender der Geschäftsführung, DFL Deutsche Fußball Liga Andreas Rettig Geschäftsführer, DFL Deutsche Fußball Liga Zur Überprüfung und Verifizierung der Ergeb- nisse aus den bivariaten Vergleichen wurden Fußballexperten/Journalisten multivariate Regressionsmodelle erstellt und Axel Balkausky Sportchef, ARD ausgewertet. Um eine stabile Schätzung des Matthias Brügelmann Chefredakteur, Sport Bild Regressionskoeffizienten und eine adäqua- Bernd Daubenmerkl Geschäftsführer, Eurosport Media te Modellinterpretation der Varianzanalyse Rainer Franzke Chefredakteur, Kicker gewährleisten zu können, wurden die un- Dieter Gruschwitz Sportchef, ZDF abhängigen Variablen auf Multikolinearität Michael Horeni Sportjournalist, FAZ und Buchautor getestet. Dabei konnte eine starke Korrela- Rainer Kalb Sportjournalist, SID und Buchautor tion der erklärenden Variablen aufgrund der Jens Mende Sportjournalist, dpa und Buchautor durchgehend niedrigen Varianzinflations- Stefan Merx Sportbusiness Journalist, u.a. Handelsblatt, WStJ Jan Christian Müller Sportjournalist, Frankfurter Rundschau faktoren ausgeschlossen werden. Sämtliche Günter Netzer Fußballkritiker und ehem. Fußballexperte, ARD Werte liegen unter 2.13 und damit deutlich Walter Straten Sportchef, Bild unter dem Richtwert (von 10) für Multikoli- Lars Wallrodt Fußballchef, Die Welt nearität laut Baum (2006). Hans-Joachim Watzke Vorsitzender der Geschäftsführung, Borussia Dortmund Sport und Gesellschaft Prof. Dr. Wolfgang Huber Ehemaliger Bischof und Ratspräsident, EKD Dr. Michael Ilgner Vorstandsvorsitzender, Deutsche Sporthilfe Dr. Michael Vesper Generaldirektor, Deutscher Olympischer Sportbund 9. Weitere Auswertungen 55

9. Weitere Auswertungen Neben diesen personellen Veränderungen Miroslav Klose: »Rudi war natürlich ein folgte 2000 unmittelbar nach der EM die ganz anderer Typ als Erich Ribbeck. Er 9.1. Zusatzinformationen zur Gründung der sogenannten Task Force zur war eine Art Kumpeltyp von nebenan und Auftauphase unter Erich Ribbeck »Rettung des deutschen Fußballs« beste- viele Nationalspieler duzten ihn auch. (1998-2000) hend aus einflussreichen Vertretern der Bun- Wer mochte den Rudi denn nicht?« desligaclubs. Diese »schnelle Eingreiftrup- Im September 1998 übernahm Erich Ribbeck pe« sollte konkrete Empfehlungen für das Jan Christian Müller (Sportjournalist, die Nationalmannschaft als Europameister zukünftige Trainingskonzept der National- Frankfurter Rundschau): »Der Rudi klopfte von 1996 mit der Aufgabe, sie auf den Con- mannschaft sowie die Verbesserung der Ta- einem schon mal in seiner unveränderlichen federations Cup 1999 in Mexiko und auf die lentförderung und Nachwuchsarbeit geben Art im Vorbeigehen auf die Schulter. Den Europameisterschaft 2000 vorzubereiten. (Schulze-Marmeling, 2008). Rudi mochten wir Journalisten doch alle Nachdem die Nationalmannschaft beim Con- gern. Wie übrigens auch Joachim Löw.« federations Cup in der Vorrunde ausschied, Deutschland erreichte in der Ära Ribbeck konnte sie sich aber für die Endrunde der (von 09.07.1998 bis 21.06.2000) eine Durch- Mit seiner Erfahrung als 90-facher National- kommenden Europameisterschaft qualifizie- schnittsplatzierung von 4,7 in der Fifa-Welt- spieler, Weltmeister und dreimaliger WM-Teil- ren und zur EM 2000 nach Holland und Bel- rangliste und bewegte sich dabei zwischen nehmer schaffte Völler mit der National- gien fahren. Platz 3 im November 1998 und Platz 6 im mannschaft, wenn auch über die Relegation, Juni 2000. Bezieht man allerdings die Leis- die Qualifikation für die Weltmeisterschaft Erich Ribbeck: »In meiner Amtszeit tung während der Turniermonate, in denen 2002 in Japan und Südkorea. Völler konnte in ging es ums reine Überleben.« die Weltrangliste nicht laufend erneuert der Mannschaft einen neuen Teamgeist ent- wird, in die Betrachtung mit ein, hatte das fachen und so den unverhofften Finaleinzug Die deutsche Auswahl schied dann mit einem von Ribbeck verantwortete Vorrunden-Aus realisieren. Mit etwas Losglück musste das 1:1 Unentschieden gegen Rumänien, einer 0:1 bei der EM 2000 einen Absturz auf Platz 11 Nationalteam bis zum Einzug ins Finale keine Niederlage gegen England und einer 0:3 Pleite im August 2000 zur Folge. Er ist bis heute Top-10-Mannschaft besiegen. gegen Portugal als Gruppenletzter vorzeitig der einzige Bundestrainer, der die Mehrzahl aus dem Turnier aus. seiner Länderspiele nicht gewinnen konnte Matthias Brügelmann (Chefredakteur, (10 Siege in 24 Spielen). Sport Bild): »Mit seiner speziellen Art Franz Beckenbauer: «Die deutsche Mann­ schaffte es Rudi Völler innerhalb von zwei schaft bot bei der EM 2000 – wenn man Jahren, einer total niedergeschlagenen ehrlich ist – müden Rumpel-Fußball, der 9.2. Zusatzinformationen zur Mannschaft wieder frischen Teamgeist und streckenweise in Misshandlung des Balles Auftauphase unter Rudi Völler neues Selbstbewusstsein einzuhauchen.« ausartete. Man konnte fast denken, (2000-2004) Deutschland spielte bei einer B-Europa­- Mit einem überraschenden Erreichen des meisterschaft, während die A-Europa- Rudi Völler erhielt den Auftrag, die National- 2. Platzes wurde ein Fußballrausch im gan- meisterschaft woanders stattfand.« mannschaft zur Weltmeisterschaft 2002 und zen Land entfacht. Die Lobeshymnen auf die die Europameisterschaft 2004 zu führen so- Person des Teamchefs gipfelten in den Fan- Bereits 18 Stunden nach dem Turnier-Aus wie auf die Heim-WM 2006 vorzubereiten. gesängen »Es gibt nur ein‘ Rudi Völler« nach trat Erich Ribbeck als Bundestrainer zurück. Die Ära Völler (02.07.2000 bis 24.06.2004) der Rückkehr des Teams aus Asien. Insge- Nachdem sich herausgestellt hatte, dass bildet den zweiten Teil der Auftauphase. samt ist die sportliche Bilanz der National- der mittlerweile als zukünftiger Bundestrai- mannschaft innerhalb der Amtszeit von Rudi ner vorgesehene erst nach Laut eigenem Bekunden trat Völler an, Völler mit einer Durchschnittsplatzierung Ablauf der Bundesligasaison 2000/2001 aus um »den Menschen den Glauben an den von Rang 8,4 in der Fifa Weltrangliste jedoch seinem Vertrag bei aus- deutschen Fußball und an »ihre« National- eher durchwachsen. steigen konnte, musste eine Interimslösung mannschaft zurückzugeben« (Völler in Köt- für den Posten des Bundestrainers gefunden ter, 2000). Dies sollte ihm in der ersten Zeit Völler übernahm das Team im August 2000 werden. Dies geschah bei einem Treffen von auch recht gut gelingen. Mit seinem Amtsan- auf Platz 11. Dem Höhepunkt mit der Vize­ Clubvertretern und des DFB am 2. Juli in Fre- tritt war eine deutliche Veränderung in der weltmeisterschaft und Platz 4 in der Fi- chen-Königsdorf bei Köln, als Rudi Völler zu- Führung des Teams zu spüren. Als »Kultfi- fa-Weltrangliste folgte eine sportliche Tal- nächst als Übergangs- und (nach Christoph gur« genoss er mit seiner authentischen fahrt. So konnte die Nationalmannschaft Daums Kokainaffäre) schließlich als Dauerlö- Art und natürlichen Ausstrahlung sowohl unter Völler kein Spiel mehr gegen eine Top- sung auserkoren wurde. bei den Spielern als «Idol der vergangenen 10 Mannschaft gewinnen. Das Ausscheiden Epoche« (Mayer-Vorfelder), als auch in der in der Vorrunde der EM 2004 läutete eine Öffentlichkeit hohes Ansehen. Zudem konn- weitere Abwärtsbewegung in der Weltrang- te er bei den Medienvertretern durch seine liste bis auf Rang 13 ein und bewegte Völler Persönlichkeit zahlreiche Sympathiepunkte zum Rücktritt. sammeln. Unterstützend kam hinzu, dass sowohl das erste Spiel unter seiner Leitung gegen Spanien als auch die darauffolgenden WM-Qualifikationsspiele gegen Griechenland und England gewonnen werden konnten. 56

Rudi Völler: »Ich habe bis 2006 nicht 9.3.1. Strukturveränderungen beim Mit der Ausgliederung des Büros National- mehr den Kredit, etwas auszuprobieren DFB: Das Büro Nationalmannschaft und mannschaft wurde die Funktion des Sport- und auch Spiele zu verlieren; das kann der Manager der Nationalmannschaft lichen Koordinators aufgegeben und die nur einer, der unbefleckt ist, der nicht neue Position des »Managers der National- persönlich den Rucksack mit dem EM- Mit seiner Berufung zum Bundestrainer ließ mannschaft« geschaffen. Dieser gibt die Vorrunden-Aus schleppen muss (…). Für sich Jürgen Klinsmann weitreichende Entschei- strategische Ausrichtung der Einheit Natio- die Weltmeisterschaft im eigenen Land dungsbefugnisse bezüglich der Personalwahl nalmannschaft vor, welche durch das Büro braucht es jemand, der volles Vertrauen und Ausgestaltung seines Führungsteams zu- Nationalmannschaft umgesetzt wird. Die genießt und das habe ich nicht mehr.« sichern. Mit dieser Handlungsfreiheit konnte sportlichen Entscheidungen hinsichtlich der (Rücktrittspressekonferenz, 24.6.2004) Klinsmann einschneidende Veränderungen Nationalmannschaft oblag und obliegt wei- und Umstrukturierungen weitgehend durch- terhin allein dem Bundestrainer und seinen Das EM-Aus und der Rücktritt von Rudi Völ- setzen (Jenewein, 2008). Im Zentrum der Assistenten. ler erzeugten im Hinblick auf die Weltmeis- Reformen im administrativen Bereich stand terschaft 2006 letztendlich auch die Bereit- die Neustrukturierung der organisatorischen Andreas Köpke: »In den USA war die schaft zu grundlegenden Veränderungen im Nationalmannschaftsbelange in bestimm- Begleitung von professionellen Teams durch Kompetenzbereich Nationalmannschaft. te Kompetenzbereiche sowie die Bündelung Sportpsychologen seit Jahren üblich, in aller Verantwortlichkeiten rund um die Nati- Deutschland dauerte es jedoch sehr lange, onalmannschaft. Ein Eingriff in die Aufbau- bis sich dieser Standard etablierte.« 9.3. Zusatzinformationen zur organisation erfolgte durch Gründung und Wandelphase unter Jürgen Klinsmann Ausgliederung der Stabsstelle »Büro National- Klinsmann erweiterte die Organisation um (2004-2006) mannschaft«. Das Büro Nationalmannschaft einen Betreuerstab mit zusätzlichen Spezia- übernahm zentral die Administration, Organisa- listen. Als Vorbild dienten ihm Vereine der Nachdem bereits über mögliche Nachfolger von tion, Planung, Logistik sowie die Vertretung der amerikanischen Football- und der Basket- Rudi Völler spekuliert und neben Interessen der Nationalmannschaft nach außen ball-Liga, die bereits seit etlichen Jahren mit vor allem eine Favoritenrolle gegenüber Fans, Medien, Vereinen und Sponso- Fitness- und Schnelligkeitstrainern zusam- zugesagt worden war, rief der neue DFB-Prä- ren. Es wurde direkt dem Generalsekretär zuge- menarbeiteten und auch psychologische Be- sident Gerhard Mayer-Vorfelder die sogenann- ordnet und mit eigener Budgetverantwortung treuung für die Sportler anboten. Klinsmann te »Trainerfindungskommission« ins Leben. ausgestattet, so dass es unter anderem eigen- berief den amerikanischen Fitnesstrainer Ihr gehörten neben ihm Franz Beckenbauer, ständig Verträge mit Exklusivsponsoren für die Mark Verstegen und seine Partner sowie den Ligapräsident Werner Hackmann und DFB-Ge- Nationalmannschaft abschließen konnte. Dabei Sportpsychologen Hans-Dieter Hermann in neralsekretär Horst R. Schmidt an. Schließlich arbeitete das Büro Nationalmannschaft eng mit seinen Betreuerstab und richtete die Stelle konnte Jürgen Klinsmann als neuer Bundestrai- einzelnen DFB-Direktionen und -Abteilungen eines Chefscouts ein, welche er mit dem ner vorgestellt werden. zusammen und konnte deren Dienstleistungen Schweizer Urs Siegenthaler besetzte. Zudem in Anspruch nehmen. Dem neuen Team wur- baute er die Medienabteilung der National- Die Ära Klinsmann (26.07.2004 – 11.07.2006) den in der DFB-Zentrale im Hermann Neuber- mannschaft aus. So wurde z.B. der ehemali- steht idealtypisch für eine radikale Wandelpha- ger-Komplex in Frankfurt Büroräumlichkeiten ge Fußballchef von RTL, Ulrich Voigt, in das se (Lewin 1958; Jenewein, 2008). Durch seine zur Verfügung gestellt. Medienteam berufen; er verantwortete fort- Verpflichtung wurde die Bereitschaft offen- an alle Angelegenheiten im TV-Bereich. sichtlich, sowohl den Status quo der National­ Zwar war der Gedanke einer professionell or- mannschaft grundlegend zu hinterfragen, als ganisierten Unterstützung der Nationalmann- Jürgen Klinsmann: »Es ist wichtig, dass auch tiefgreifende Strukturveränderungen ini- schaft nicht grundlegend neu, aber die klare du eine Überzeugung hast und dich tiieren und aktiv umsetzen zu wollen. Bis zur Trennung zwischen sportlichen und administ- unermüdlich für diese einsetzt. Dabei WM im eigenen Land waren noch zwei Jahre rativen Belangen und die neue Teilautonomie ist in so einer Phase klar, dass du auch Zeit, um die geplanten Veränderungen von waren geradezu revolutionär. Unter Franz Be- ein paar Wellen überstehen musst.« existierenden Verhaltensweisen, Denkmustern, ckenbauer wurde erstmals ein kleines »Team Organisationsstrukturen, Prozessen und Res- hinter dem Team« fest installiert, wonach sich Mit der Einrichtung des »Büro Nationalmann- sourcen durchzuführen. Analog zu radikalen seit 1992 Bernd Pfaff in der Funktion als DFB-Di- schaft« waren allerdings nicht nur Verände- Wandelprozessen in Unternehmen (Staehle, rektor und Sportlicher Koordinator um die Nati- rungen der Aufbauorganisation verbunden, 1999) lassen sich auch in der Ära Klinsmann onalelf kümmerte. Dabei war das Teammanage- sondern es wurde gleichzeitig eine Neuaus- wesentliche Veränderungen (1) in der Aufbau- ment der Nationalmannschaft nur eine Aufgabe richtung der bestehenden Arbeitsprozesse im und Ablauforganisation (2) im Selbstverständ- von vielen in seiner Direktion. Bereich PR/Kommunikation und Marketing nis der Organisation sowie (3) in konkreten vorgenommen. Durch die Berufung Oliver Bier- Entwicklungsmaßnahmen zur Verhaltensän- Bernd Pfaff: »Mein Arbeitsbereich umfasste hoffs zum Manager der Nationalmannschaft derung und Leistungssteigerung des Einzelnen neben dem Teammanagement der National­- konnte die neu geschaffene Position mit ei- erkennen. mannschaft unter anderem die Talent­ nem bekannten Ex-Nationalspieler und diplo- förderung, den Bereich Schule, alle Ange­ mierten Betriebswirt besetzt werden. Bierhoff legen­heiten rund um die U-Mannschaften, vertritt die Interessen der Nationalmann- das Trainerwesen sowie die gesamte schaft aktiv nach außen und geht im Marke- Organisation des Jugendbereichs.« ting neue Wege. Zur gezielten Vermarktung der National­mannschaft wurde unter Feder- 9. Weitere Auswertungen 57

führung des »Büro Nationalmannschaft« z.B. Mit der Aufhebung der Stammplatzgarantie ex- 9.3.3. Individuelle Förderung der ein eigenes Logo, eine ausgegliederte Home- perimentierte und rotierte Klinsmann so inten- Spielerentwicklung page, ein Nationalmannschafts-Twitterkanal siv wie kein Bundestrainer zuvor und setzte in und eine nationalmann­schaftsspezifische Fa- seiner zweijährigen Vorbereitungszeit auf die Neben der strukturellen und kulturellen cebook-Fanpage erstellt. Zudem schnürte das WM in 27 Partien insgesamt 39 unterschiedli- Neuausrichtung strebte Klinsmann auch Team neue Pakete für Exklusivsponsoren. che Spieler ein. die Stärkung der individuellen Leistungsfä- higkeit aller Spieler an. Dieser Ansatz deckt Andreas Köpke: »Wir haben auch alte Die Neuausrichtung der Nationalmannschafts- sich mit Best Practices des Change Manage- Wege verlassen und über den Tellerrand kultur wurde zudem durch die Umstellung des ments, wo gezielte Entwicklungsmaßnah- hinausgeschaut. Dafür wurden wir anfangs Spielsystems und der damit verbundenen of- men zur Verhaltensänderung und Leistungs- oft belächelt, aber nur so konnten wir fensiven Spielweise der Mannschaft geprägt. steigerung des Einzelnen ergriffen werden, dazu­lernen und herausfinden, was man Um dem neuen Tempofußball mit aggressiv-of- um die ​Voraussetzungen für erfolgreichen alles verbessern kann.« fensiver Ausrichtung auch optisch Ausdruck zu Wandel zu schaffen (Rischar, 2005). Dabei verleihen, wurden die traditionellen Trikotfar- ging es Klinsmann insbesondere darum, je- ben Grau, Grün und Schwarz-Weiß durch ein den Spieler nicht nur sportlich sondern auch 9.3.2. Entwicklung einer neuen Trikot in auffälligem Rot ergänzt. Damit sollten persönlich voranzubringen. Nationalmannschaftskultur: auch optisch die Werte Dynamik, Feuer, Energie, Die Mannschaft im Mittelpunkt Leidenschaft und Aggressivität nach außen ver- Jürgen Klinsmann: »Zwei Dinge waren körpert werden (Mende, 2006). mir wichtig: Die Spieler sollten sich nicht Ein radikaler Wandelprozess erfordert neben Darüber hinaus war es ein erklärtes Ziel Klins- nur sportlich weiterentwickeln, sondern relativ schnell wirksamen strukturellen Maß- manns, den Mannschaftsgeist zu stärken. Ihm auch menschlich von der Zeit bei der nahmen auch nachhaltige Veränderungen im war im Umgang mit Spielern innerhalb des Be- Nationalmannschaft profitieren.« Bewusstsein und in den Verhaltensweisen treuerstabs gegenseitiger Respekt extrem wich- aller unmittelbar beteiligten Personen (Kost- tig, so dass er einen sehr kollegialen Umgang Für die sportliche Entwicklung der National- ka/Mönch, 2006). Um klare Zeichen des Auf- pflegte und die Mitglieder seines Führungs- spieler wurde das Training mit der Mann- bruchs zu setzen, wurde unter Klinsmann ein teams als Partner auf Augenhöhe behandelte. schaft individualisiert. Von Trainingseinhei- in diesem Ausmaß bisher nicht dagewesener ten, bei denen alle 23 Spieler gleichzeitig Konkurrenzkampf innerhalb der Mannschaft Helmut Sandrock: »Unter Klinsmann auf dem Platz agieren und dasselbe Training entfacht. Damit einher ging die Infragestel- wurden die Zuständigkeiten, die Organi­ absolvieren, wurde bewusst Abstand genom- lung von etablierten Spielern wie etwa des sation und das Personal rund um die men. So kümmerte sich Klinsmann häufig al- »Titans« Oliver Kahn als Stammtorwart und Nationalmannschaft gravierend verändert.« lein um die Stürmer, während Assistenztrai- Kapitän. Klinsmann setzte Kahn in direkten ner Joachim Löw mit der Abwehr arbeitete Konkurrenzkampf mit um die Die Mannschaftsquartiere wurden in Zonen und sich Mark Verstegen parallel mit den Torhüterposition und entzog ihm unmittelbar unterteilt, die je nach Zulassungsberech- verbleibenden Spielern im Fitnessbereich vor seinem ersten Länderspiel als Teamchef tigung dem Betreuerteam, Angehörigen, engagierte (Jenewein, 2008). Auf Basis von die Kapitänsbinde zugunsten des Feldspie- Sponsoren oder den DFB-Vertretern zu- Laktattests wurden spezifische Fitnesspro- lers . Jedem Spieler sollte da- gänglich waren. Ein innerer Zirkel war hier gramme individuell zusammengestellt und mit bewusst gemacht werden, dass aktuelle lediglich den Spielern und Betreuern vorent- unterstützend wurden auf den jeweiligen Leistung Vorrang vor Erfahrung haben würde. halten. Das Mannschaftsquartier sollte zur Spieler zugeschnittene Ernährungspläne »Wohlfühloase« für die Spieler werden und erstellt. Zudem führte Klinsmann individu- Jürgen Klinsmann: »Der Grundsatz war klar, zur guten Atmosphäre in der Mannschaft elle Trainingspläne mit Zusatzübungen ein, jeder Einzelne musste mitziehen. Wenn beitragen. Anstelle von abgeschiedenen die die Nationalspieler im Anschluss an ihr einer meinte, er hätte dies nicht nötig, Landhotels wurden moderne Innenstadt-Her- jeweiliges Club-Mannschaftstraining absol- dann waren wir gezwungen, zum Wohle bergen gewählt. Zudem wurden sogenannte vieren sollten. Diese Sonderschichten tru- der Mannschaft Konsequenzen zu ziehen.« Spielerlounges im Hotel eingerichtet. gen die Spieler jeweils in ihre persönlichen Trainingsbücher ein. Klinsmann akzeptierte Klinsmann änderte auch für die Spieler den nur Nationalspieler, die bereit waren, konse- seit Jahrzehnten etablierten organisatori- quent an sich zu arbeiten und identifizierte schen Ablauf der Länderspiel-Reisen. In der Defizite abzubauen. Nacht nach der Partie versammelte sich das Team im Hotel zur Spielauswertung, um die Hansi Flick: »Jürgen Klinsmann hat sehr wichtigsten Erkenntnisse unmittelbar nach viel Wert auf physische Perfektion gelegt. dem Spiel festzuhalten. Da hat er noch viel Potential gesehen.«

Bei der Neuaufstellung der Mannschaft kam Klinsmann natürlich entgegen, dass die im Jahr 2000 angestoßenen Maßnahmen der DFB-Talentförderung sowie die Einrichtung der Nachwuchsleistungszentren der Bundes- ligaclubs 2002 bereits erste Früchte trugen. 58

Zudem bot die 2002 geschaffene Perspektiv­ 9.3.4. Leistungsentwicklung Jedoch ließ sich Klinsmann von aller Kritik mannschaft »Team 2006« als Auswahlpool für innerhalb der Klinsmann-Ära nicht entmutigen und setzte seinen einge- den Bundestrainer Alternativen an. schlagenen Weg fort. Allen Unkenrufen zum Nachdem Klinsmann das Nationalteam im Trotz wurde das Auftreten der National­ Neben den üblichen Trainingseinheiten initi- Juli 2004 auf Platz 12 bzw. 13 der Weltrang- mannschaft bei der Heim-WM bekanntlich ierte Klinsmann erstmalig Kurse zur Förderung liste übernommen hatte, stürzte die Mann- zum »Sommermärchen« und endete mit dem der Persönlichkeitsentwicklung. Besonders schaft innerhalb der ersten zwölf Monate bis Erreichen des dritten Platzes. Der WM-Erfolg wichtig war es für ihn, dass sich die Spieler auf Rang 21 (Juni 2005) ab. Dieser Abstieg am Ende der Klinsmann Ära und die damit eigenverantwortlich mit ihrem Beruf auseinan- im Ranking war knapp ein Jahr vor der WM verbundene Rückkehr des Teams in die Top-10 dersetzen. Er bemängelte, dass den Profispie- natürlich ein herber Rückschlag und auch (Rang 9) der Weltrangliste im Juli 2006 bildete lern zuviel Verantwortung abseits des Platzes unverhältnismässig deutlich im Vergleich den Beginn eines steilen Aufstiegs der Natio- abgenommen werde und damit Eigeninitiative zu anderen Gastgebern von großen Turnie- nalmannschaft. Auch wenn Klinsmann der Ti- oder selbstständiges Denken zu kurz kom- ren. Da ein Gastgeberland keine Qualifika- tel im eigenen Land verwehrt blieb, konnte er men. Mit seinen eingeleiteten Maßnahmen tionsrunde spielt und alternative Test- und am Ende seiner Amtszeit neben einem gelun- wollte er dies zumindest für die »Elite des Freundschaftsspiele mit einem geringeren genen Wandelprozess auch auf eine sportlich deutschen Fußballs« ändern. Mit Hilfe von Punktefaktor für die Weltrangliste gewichtet respektable Zeit zurück blicken. Schulungen im Bereich EDV, Internet, Recht, werden, ist die Einbuße einiger Plätze im Steuern und Finanzen sollten Spieler unter- Ranking normal. Wenn man allerdings seit stützt werden, eigenverantwortlich ihre Kar- Einführung der Fifa-Weltrangliste im August 9.4. Zusatzinformationen zur riere voranzutreiben und weniger von ihren 1993 die Platzierungen der jeweiligen Gastge- Stabilisierungsphase unter Joachim Löw Spielerberatern abhängig zu sein. Abgerundet berländer in der Vorphase zur Weltmeister- (2006-2012) wurde das Schulungsangebot durch Vorträge schaft betrachtet, verloren diese im Schnitt über Hochleistung und Extrembelastungen lediglich 1,75 Plätze, Deutschland dagegen Nachdem Jürgen Klinsmann wenige Tage von Unternehmensvertretern wie Herbert im selben Zeitraum 8 Plätze. nach der WM 2006 seinen Rücktritt bekannt Henzler (McKinsey) oder von Spitzenathleten gegeben hatte, wurde der mit den eingelei- aus anderen Sportarten wie z.B. Bahnrad- Nach dem Erreichen des dritten Platzes im teten Reformen vertraute Joachim Löw am sportler Robert Bartko, Wasserballer Patrick Confederations-Cup im Juni 2005 konnte die 12.07.2006 als Nachfolger berufen. Insofern Weissinger, Hockeyspieler Tibor Weißenborn, Mannschaft ein Zwischenhoch mit Rang 11 endete mit dem Ausscheiden von Jürgen Extremkletterer Stefan Glowacz. Schließlich in der Weltrangiste erreichen, doch bis zur Klinsmann eine revolutionäre Phase der Nati- wurde den Nationalspielern auf gemeinsamen WM ging es fortan wieder nach unten, bis onalmannschaft. Mit Joachim Löw wurde der Reisen angeboten, Eindrücke außerhalb des schließlich im März 2006, also wenige Mo- Übergang zu einer, von evolutionären Ent- Fußballfelds (Bosporus-Rundfahrt, Museums- nate vor Beginn des Turniers, nach einer scheidungen geprägten, Entwicklungsphase besuche, etc.) zu sammeln. 4:1 Niederlage gegen Italien der Tiefpunkt eingeleitet. mit Platz 22 zu verbuchen war. Dies war die Mit der Zugehörigkeit zur Nationalmannschaft schlechteste Platzierung Deutschlands seit In der Wirtschaftspraxis ist es ein oft beob- sollte den Spielern bewusst werden, welche Bestehen der Fifa-Weltrangliste. achtetes Phänomen, dass mit dem Wech- Vorbildfunktion sie als »Aushängeschilder« sel innerhalb der Führungsspitze auch eine des deutschen Fußballs einnehmen. Für ein Die Öffentlichkeit, Medien, Politik und strategische Neuausrichtung verbunden ist professionelles Auftreten und einheitliches Er- DFB-Verantwortlichen waren verunsichert (Miller, 1993). Insbesondere extern berufene scheinungsbild wurden Regeln über den Um- und an Klinsmanns Strategie kamen Zweifel Unternehmensführer tendieren dazu, einen gang mit modernen Kommunikationsmitteln, auf. Es gab Pläne, Klinsmann vor den Sport­ eigenen Fußabdruck hinterlassen zu wollen Leitlinien zum Auftritt in der Öffentlichkeit ausschuss des Bundestages zu laden, um und unmittelbare Veränderungen anzusto- vereinbart. dort seinen Plan, wie er Weltmeister werden ßen. Für eine Stabilisierung der gesteiger- wollte, zu erläutern. Sein Konzept und seine ten Betriebsleistung nach einem radikalen Person standen stark in der Kritik, sogar eine Wandel ist das natürlich suboptimal. Die kurzfristige Ablösung Klinsmanns 100 Tage vor Stabilisierungsphase sollte dagegen solan- dem Turnier schien nicht mehr ausgeschlos- ge dauern, bis ein Rückfall des Systems in sen. In der Öffentlichkeit wurde breite Kritik vorherige Strukturen und Verhaltensweisen an seiner Arbeitsweise laut und auch in den unwahrscheinlich, die Leistung auf hohem Medien kippte die Stimmung gegen ihn. Auf Niveau abgesichert und weiter ausbaufähig Seiten des DFB-Präsidiums gab es zu dieser ist. Auch der Übergang in die Stabilisierungs- Zeit laut dem damaligen Präsidenten Theo phase wurde geprägt durch kontinuierliche Zwanziger bereits einen »Plan B«. Verbesserungen in kleinen Schritten in den Dimensionen Struktur, Kultur und Individu- Falls »sich bei der WM tatsächlich ein sport- um sowie auf Mannschaftsebene. liches Desaster abzeichnen sollte und Klins- mann nicht mehr zu halten wäre, so beschlos- sen wir, sollte kurzfristig das Ruder übernehmen« (Zwanziger, 2012). 9. Weitere Auswertungen 59

9.4.1. Verstetigung der Die frei werdende Position des Assistenz- Hansi Flick: »Wir sind aktuell in der Nationalmannschaftsstruktur trainers, die Löw vorher selbst bekleidete, komfortablen Lage, unsere Spieler aus und -kultur wurde mit Hansi Flick besetzt. Dieser sollte einem hochqualitativen Portfolio vor allem modernste Methoden zur Analyse auswählen zu können. Dies entfacht In Analogie zum Wandelmodell von Lewin und Trainingsgestaltung wie die im Jahr 2005 einen ständigen Konkurrenzkampf im (1958) erscheint die Ära Löw als idealtypi- eingeführte Datenbank zu aktuellen und po- Team und hält die Leistungsbereitschaft sche Stabilisierungsphase, in der die Ver- tenziellen Nationalspielern weiter ausbauen. des Einzelnen stets hoch.« ankerung und Verstetigung der durch Klins- Mittlerweile wurde diese auch auf die Spieler mann zuvor herbeigeführten Veränderungen der U21-Mannschaft ausgeweitet. Erich Ribbeck: »Im Vergleich zu allen im Mittelpunkt steht. Mit der Berufung von Trainern vor ihm hat Löw eine sehr große Joachim Löw, der bereits den Aufbau des Hansi Flick: »Die damalige Grundidee Auswahl an guten Spielern. Ihm ist es Teams Nationalmannschaft, den Einsatz ei- von Klinsmann, offensiv und aggressiv gelungen, daraus die besten auszuwählen nes Managers und das Engagement von Spe- zu spielen, hat sich nicht verändert, und den nachrückenden Spielern eine zialisten im Betreuerstab mitgetragen und aber die Art und Weise der Umsetzung Chance zu geben – vielleicht auch mal auf unterstützt hatte, wurde der eingeschlagene hat sich verändert. Joachim Löw hat das Kosten eines schlechteren Spiels. Wenn man Kurs Klinsmanns nahtlos weitergeführt. Für übernommene Konzept in akribischer sieht, wie viele gute, technisch begabte die Verstetigung der radikalen Veränderung Detailarbeit zunehmend verfeinert.« Spieler wir haben, ist das enorm.« des Systems Nationalmannschaft und die kontinuierliche Weiterentwicklung innerhalb Das öffentliche Auftreten der Nationalelf Um eine übergangslose Integration der des Systems kann Löw als Glücksfall betrach- wurde unter Löw und Bierhoff weiter pro- Nachwuchsspieler in den Kader der A-Natio- tet werden. fessionalisiert. Zudem entwickelte das Team nalmannschaft zu gewährleisten, sind klare Nationalmannschaft spezifische Verhaltens- Vorgaben und Erwartungen an die Neuen Günter Netzer: »Der Übergang von Jürgen regelungen bezüglich der Erstellung von zentral. So entwickelten Löw und sein Trai- Klinsmann zu Joachim Löw war nicht nur Twitter- und Facebook-Posts und baute die nerteam eine detaillierte Spielphilosophie ein personeller Wechsel, sondern bedeutete Öffentlichkeitsarbeit und Fanbetreuung über für die Mannschaft und legten diese schrift- auch eine spürbare Veränderung im Social-Media-Kanäle aus. Bei Werbeauftritten lich nieder. Jeder neue Spieler erhält seit- Füh­rung­s­stil der Mannschaft: vom wird zudem im Sinne des Mannschaftsgeis- dem eine Positionsbeschreibung mit klaren Motiva­tionskünstler zum sachlich- tes weiterhin großen Wert darauf gelegt, Anforderungen an die zu spielende Position kompetenten Fußballlehrer.« dass Spieler nie allein, sondern immer als und Kriterien, wie die individuelle Leistung Gruppe öffentlich auftreten. gemessen und bewertet wird. Löw hielt am zentral gesteuerten, ansonsten aber stark individualisierten Trainingspro- Hansi Flick: »Wenn das Kriterium zess fest. Er ließ sich weiterhin von zahl- 9.4.2. Integration von Nachwuchsspielern lautet, ein Innenverteidiger muss den reichen Spezialisten für Fitness, Technik, in der Nationalmannschaft und Ball immer flach und vertikal spielen, Taktik und Spielanalyse sowie von Experten Ausbau datengestützten Coachings einer die Bälle aber immer hoch und für Koordination, Reaktionsschnelligkeit und horizontal spielt, dann weiß ich eindeutig, Mental­training unterstützen. Unter Bun- Löw profitiert wie kein Bundestrainer zuvor dass er bei uns fehl am Platz ist.« destrainer Löw wird in der Trainingsarbeit von der Einführung von Nachwuchsleistungs- wesentlich mehr Wert auf die technische, zentren, DFB-Stützpunkttrainings und der Ju- Zudem spielt für die taktische Schulung der taktische und kognitive Weiterentwicklung nioren-Bundesliga, die einen systematischen Nationalspieler die Spielanalyse eine immer der Spieler gelegt als auf Athletik und Fit- Zustrom hochqualifizierter junger Spieler wichtigere Rolle. Zur zeitgemäßen Spielana- ness, die im Fokus von Klinsmanns Wirken gewährleisten. Folglich sind die mögliche lyse werden Animationen, Videobeispiele standen. Mit der Weiterbeschäftigung von Auswahl an Spielern und die Anzahl an Al- (mit Superzeitlupe) via Tablet-PC genutzt, Andreas Köpke als Torwarttrainer, den Fit- ternativen auf einzelnen Positionen deutlich um den Nationalspielern faktisch zu belegen, nesstrainern, dem Chefscout Urs Siegentha- angestiegen, die eine Verjüngungskur der wo der einzelne im Vergleich zu den Mann- ler und dem Sport-Psychologen Hans-Dieter Nationalmannschaft und die Heranführung schaftkollegen leistungsmäßig steht und wo Hermann setzte er Klinsmanns Personalpoli- bzw. Integration immer jüngerer Spieler er- individueller Verbesserungsbedarf besteht. tik in bewährter Weise fort. möglicht. Neben den Leistungsdaten werden externe Spielanalysedaten und Scouting-Auswertun- Joachim Löw: »Wir führen nicht nur Jens Mende (Sportjournalist, dpa und gen eines Teams der Sporthochschule Köln etablierte Prozesse und erfolgreiche Buchautor): »Löws größte Errungen- in eine zentrale Datenbank integriert, die via Innovationen von Jürgen fort, sondern schaft ist, dass er zeigen konnte, Intranet für alle Betreuer und Spieler zugänglich optimieren und implementieren auch dass Alter keine Rolle spielt.« ist. Diese Maßnahmen dienen u.a. auch einer stets weiterführende Konzepte.« weiteren Verbesserung der durch Klinsmann eingeleiteten systematischen, datenorientierten Matchvorbereitung der Nationalmannschaft. 60

Ähnlich wie in der Wirtschaftspraxis spielen • Die zurückgelegte Gesamtlaufstrecke 9.5. Einführung eines flächendeckenden sogenannte »Best Practices« eine wichtige in hoher Intensität pro Spiel und Spie- Fördersystems in Deutschland Rolle in der täglichen Trainingsarbeit der Na- ler liegt mittlerweile um 20% höher als tionalmannschaft unter Löw. Dabei geht es 2006/07. Dazu nahmen in der gleichen Ressourcenbedingte Wettbewerbsvorteile sind darum, von den Besten zu lernen. So wurde Zeit die Abstände zwischen den Läufen nur dann nachhaltig wirksam, wenn sie einzig- z.B. die Spielbeobachtung ausgedehnt, um in hoher Intensität erheblich ab (-17%), artig und nur schwer imitierbar sind. Ansons- Entwicklungen in führenden Fußball-Ligen wodurch ersichtlich wird, dass sich die ten werden sie schnell durch Nachahmung und Turnieren ohne deutsche Beteiligung Spieler mittlerweile länger und häufiger von Wettbewerbern erodiert (Prahalad/Hamel, (Afrika-Cup, Südamerika-Cup) zu analysieren im intensiven Bereich bewegen als noch 1990). Nachhaltige Wettbewerbsvorteile sind und die wichtigsten Erkenntnisse unmittelbar zu Beginn der Ära Löw. vor allem in Ressourcen begründet, die über in die Trainingsarbeit einfließen zu lassen. einen längeren Zeitraum aufgebaut werden. Schließlich wird unter Löw neben der Die kontinuierlichen Verbesserungsmaßnah­ Die heutige Nationalspielergeneration verdankt sportlichen auch großer Wert auf die persön- men von Joachim Löw und seinem Team ihre Erfolge nicht zuletzt der einheitlichen, sys- liche Weiterentwicklung der einzelnen Spieler spiegeln sich auch deutlich in der Entwick- tematischen Nachwuchsförderung, deren An- gelegt. So werden Weiterbildungsangebote, lung der sportlichen Leistungen der National­ fänge bereits auf die Amtszeit von Bundestrai- Knigge-Kurse, Medienschulungen sowie kul- mannschaft im relativen Vergleich zu ande- ner zurückgehen. Er gewann 1996 turelle Veranstaltungen in die Nationalmann- ren Nationen wider. Über die letzten acht die Europameisterschaft mit Nationalspielern, schaftsaufenthalte integriert. Jahre hinweg konnte die Nationalmannschaft die er bereits in den U16-, U18- oder U20-Mann- eine durchschnittliche Platzierung von Rang schaften trainierte. Doch trotz erheblichen per- 3,8 in der Weltrangliste erreichen, was den sönlichen Einsatzes gelang es Vogts letztlich 9.4.3. Leistungsentwicklung besten Durchschnittswert aller betrachteten nicht, ein flächendeckendes Talentprogramm innerhalb der Löw-Ära Phasen darstellt. Seit Juli 2006 befindet sich auf Vereins- und Landesverbandsebene zu eta- die deutsche Nationalmannschaft zudem blieren. Erst das schlechte Abschneiden bei der Die konsequente individuelle Förderung der ununterbrochen in den Top-10 des Fifa-Ran- WM 1998 und der EM 2000 führte zum bundes- Spieler und das datengestützte Coaching der kings, seit Juli 2010 ist sie stets unter den weiten Aufbau von Stützpunkten zur Förderung Mannschaft resultieren in der sichtbaren Ver- besten vier und seit Juni 2011 durchgehend der 13- bis 17-Jährigen. besserung von individuellen Leistungsdaten. unter den besten drei der Weltrangliste zu So verringerte sich z.B. die durchschnittliche finden. Von Juli 2012 bis August 2013 konn- Aktuell werden in Deutschland in einem Ballkontaktzeit pro Spieler (von Ballannahme te sich die Mannschaft sogar dauerhaft auf zweistufigen Verfahren aus den etwa zwei bis Abspiel) von 2,8 Sekunden in 2005 auf 1,1 Rang zwei der Tabelle festsetzen. Millionen Jugendlichen unter 18 Jahren, Sekunden in 2010. In den WM-Spielen 2010 die in ca. 26.000 Fußballvereinen organi- gegen England und Argentinien lag diese so- Die Dominanz und durchgehende Leistungs- siert sind, die jeweils Talentiertesten eines gar bei lediglich 0,9 Sekunden. konstanz des Teams zeigt sich in den Ergeb- Jahrgangs identifiziert. Das DFB-Förder- Auch zahlreiche weitere Auswertungen der nissen der EM- und WM-Qualifikations­runden programm bietet ein durchgehendes Trai- systematisch erfassten Spielanalysedaten zei- für die letzten Europa- und Weltmeister- ningsangebot ab dem elften Lebensjahr und gen, dass sich Leistungswerte in der Offensi- schaften. Mit acht Siegen, drei Unentschie- bezweckt, »jedem Talent die gleich guten ve und Defensive in weiten Bereichen positiv den und einer Niederlage konnte sich das Chancen zu geben, gesichtet und gefördert entwickelt haben (Nopp, 2013): deutsche Team als erste Nation nach den zu werden« (Ulf Schott) und damit auf einen Gastgeberländern Österreich und Schweiz für möglichen Einsatz in Bundesliga und Nati- • Die Erfolgsquote von Angriffen der Na- die Teilnahme an der Europameisterschaft onalelf bestmöglich vorbereitet zu werden tionalelf ins letzte Drittel des Gegners 2008 qualifizieren. Darauf folgte die erfolg- (DFB, 2007, 2009, 2010). Die Sichtung der konnte von 59% in der Länderspielsai- reiche Qualifikationsphase für die Endrunde talentiertesten 11- bis 14-Jährigen Spieler son 2005/06 auf mittlerweile 83% in der der WM 2010 in Südafrika, wo sich Deutsch- erfolgt momentan in 366 flächendeckend Saison 2012/2013 gesteigert werden. land mit acht Siegen, zwei Unentschieden über das Land verteilten Stützpunkten. und ohne Niederlage als Tabellenerster für • Die Quote von erfolgreichen, tief ge- das Turnier qualifizierte. Schließlich stellte Eine weiterführende Förderung der besten Ta- spielten Pässen zum eigenen Mann- die Nationalmannschaft mit einer makello- lente erfolgt in 46 zertifizierten Leistungszent- schaftskollegen, konnte von 66% in sen Bilanz von zehn Siegen in zehn Spielen ren (von 36 Bundesligaclubs und 10 Amateur- 2006 auf 89% in der Saison 2012/13 ge- einen neuen Rekord auf und konnte sich da- vereinen). Seit 2002 sind die am Spielbetrieb steigert werden. mit eindrucksvoll für die EM 2012 in Polen der Bundesliga teilnehmenden Vereine für eine und der Ukraine qualifizieren. Ein weiteres erfolgreiche Lizenzierung dazu verpflichtet, • Die durchschnittlichen Foulspiele pro Indiz für die Konstanz des Leistungsniveaus Leistungszentren für ihre Nachwuchsspieler Spiel konnten bei der WM 2010 und der Mannschaft sind die 15 Siege in 15 aufei- zu betreiben. Ziel der Leistungszentren ist es, EM 2012 im Vergleich zur WM 2006 um nanderfolgenden Pflichtspielen, welche das die bereits in den Stützpunkten erworbenen die Hälfte reduziert werden; die durch- Team zwischen dem 10. Juli 2010 (Spiel um sportlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten ge- schnittliche Anzahl von Fouls im eige- Platz 3 bei der WM 2010 gegen Uruguay) und zielt auszubauen und zu perfektionieren. Geht nen Abwehrdrittel sank dabei von 3,7 in dem 22. Juni 2012 (Viertelfinale der EM 2012 es in den frühen Jahren in den Stützpunkten 2006 auf einen aktuellen Wert von 0,6. gegen Griechenland) absolvierte und damit vermehrt um allgemeine bewegungstechni- eine neue internationale Bestmarke aufstel- sche und spielerische Vielseitigkeitsschulun- len konnte. gen, stehen mit zunehmendem Fortschritt in 9. Weitere Auswertungen 61

den Leistungszentren neben systematischer Christian Seifert: »Die Leistungszentren der schaftlichen Engagements/Vereinsaktivität Konditionsschulung und fußballspezifischem Bundesligaclubs sind die Talentschmieden keinen signifikanten Einfluss p( .05) auf die Grundlagentraining vor allem Gruppen- und des deutschen Fußballs. In ihnen wachsen Identifikationsstärke nehmen. mannschaftstaktische Übungen sowie indivi- die Fußballhelden von morgen heran.« duelles, positionsspezifisches Techniktraining Demgegenüber bestehen hochsignifikante im Vordergrund. Dazu wird ein Schwerpunkt Als Ergebnis der flächendeckenden Einfüh- (p <.001) Unterschiede hinsichtlich der Iden- auf das Einstudieren komplexer Spielformen rung des DFB-Talentförderprogramms und tifikation mit der Nationalmannschaft in Ab- sowie die Optimierung und Stabilisierung der der Leistungszentren der Bundesligaclubs hängigkeit vom Beziehungsstatus, Bildungs- erworbenen Fähigkeiten gelegt (DFB-Ausbil- gilt der Gewinn der U21-Europameisterschaft niveau und von der Nationalität der befragten dungskonzeption, 2010). Typischerweise un- neun Jahre später. Von dem 23-köpfigen Auf- Umfrageteilnehmer. Darüber hinaus zeigt terhalten die Bundesligaclubs sieben bis neun gebot der U21 EM Sieger in 2009 schafften sich in den Auswertungen ein Alterseffekt. Mannschaften in ihren Leistungszentren in mittlerweile zehn Spieler den Sprung in die Um ausschließen zu können, dass die Ergeb- den Altersklassen U12 bis U19 mit jeweils bis deutsche A-Nationalmannschaft und vier nisse durch diesen Effekt überlagert werden, zu 22 Spielern (Schmidt/Weiss, 2010). In der weitere Spieler entschieden sich für eine wurden zusätzlich altersbereinigte Analysen Saison 2011/2012 gaben die Bundesliga-Verei- ausländische Staatsbürgerschaft und kamen durchgeführt. Alle auf Basis der aus Mittel- ne zusammen 77 Mio. EUR für ihre Leistungs- im A-Team der USA, Tunesien, Iran und Polen wertvergleichen und t-Tests gewonnenen zentren aus; seit 2001 waren es insgesamt 713 zum Einsatz. Erkenntnisse konnten anhand eines multiva- Mio. EUR (DFL, 2013). Zudem investierte der riaten Regressionsmodells, welches die ge- DFB seit 2002 etwa 208 Mio. EUR in die Talent- Günter Netzer: »Die seit Jahren kontinuierlich genseitigen Wechselwirkungen der Variablen und Nachwuchsförderung. Von Anfangs ca. 10 stattfindenden Investitionen der Clubs berücksichtigt, bestätigt werden. Mio. EUR im Jahr 2002 steigerte sich der Etat und des DFB in eine systematische bis auf aktuell ca. 25 Mio. EUR im Jahr 2012. Nachwuchsarbeit haben sich ausgezahlt.« Die Ergebnisse wurden zudem auf Multiko- linearität hin überprüft. Die Spannweite der Wolfgang Niersbach: »Nur durch die Die von DFB und DFL seit 2002 in die Varianzinflationsfaktoren bewegt sich zwi- jährliche Investition von DFB und Liga in die Nachwuchs­förderung geleisteten Investio- schen 1.02 und 2.13 und liegt somit durch- Nachwuchsförderung können wir zukünftige nen zahlen sich offensichtlich aus. Während wegs unter dem kritischen Wert von 10 (vgl. Spitzenfußballer ausbilden und damit eine Deutschland zur Jahrtausendwende führen- Baum, 2006; Allison, 1999). Multikollinearität nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit der den Fußballnationen wie den Niederlanden kann für dieses Modell dementsprechend Nationalmannschaft auf Weltklasseniveau (»Ajax-Schule«) oder dem amtierenden ausgeschlossen werden. gewährleisten.« Welt- und Europameister Frankreich (Claire Schließlich wurden die Identifikationswerte von Fontaine), die bereits in den 90er Jahren ein- Nationalmannschaft und Bundesligaclubs Zwar endet die offizielle Stützpunktförde- heitliche Ausbildungskonzepte landesweit verglichen. Die Basis hierfür liefern die vom rung im Alter von 14 Jahren. Dennoch kön- umsetzten, hinterherhinkten, gilt die deut- Stichprobenumfang vergleichbaren Daten nen Spieler bis zum 17. Lebensjahr, die bis sche Nachwuchsförderung heute internatio- der Studie Deutschland braucht den Su- dahin noch nicht in einem Leistungszentrum nal als Benchmark. Demnach ist es in den perstar (Schmidt/Högele, 2011), in der die untergekommen sind, weiterhin in den Lan- letzten zwölf Jahren gelungen, ressourcenbe- Identifikation der Umfrageteilnehmer mit desverbänden trainieren. Dadurch wird ge- dingte Wettbewerbsvorteile aufzubauen, die ihrem jeweiligen Lieblings-Bundesligaclub währleistet, dass auch Spätentwickler nicht kurzfristig nur schwer imitierbar erscheinen. abgefragt wurde. Während die Identifi- durchs Netz fallen und den Sprung zu einem kationswirkung nahezu gleich ist, variiert Bundesligisten später noch schaffen können. der Einfluss unterschiedlicher soziodemo- Dies ist bei etwa 40% der aktuellen Bundesli- 9.6. Statistische Auswertungen grafischer Merkmale auf die Identifikation. gaspieler der Fall, welche als 15-Jährige noch zur Identifikationswirkung Insbesondere der Einfluss der Variablen Ge- nicht in einem Nachwuchsleistungszentrum der Nationalmannschaft schlecht, Einkommen, Haushaltsgröße und trainierten. Herkunft variiert hier mitunter zwischen Die Identifikation der Umfrageteilnehmer mit National­mannschaft und Bundesligaclubs Von diesem mittlerweile etablierten Nach- der Nationalmannschaft wurde anhand eines deutlich. wuchsprogramm und den Leistungszentren sechsgliedrigen Konstrukts, welches vorran- der Bundesligaclubs profitiert vor allem der gig auf der »Team Identification Scale« von Bundestrainer durch einen Auswahlpool an Ngan et al. (2011) basiert, gemessen. Ein gut ausgebildeten Spielern für den Einsatz Durchschnittswert von 5.00 stellt dabei die in der Nationalmannschaft. So durchliefen höchstmögliche Identifikationsstufe, 1.00 die aus dem aktuellen Kader der Nationalmann- niedrigste Identifikationsstufe dar. schaft alle Spieler die Leistungszentren eines Lizenzvereins und konnten damit den Sprung Die durchgeführten Analysen zeigen, dass in den Profifußball und schlussendlich in die überwiegende Anzahl soziodemogra- die Nationalelf schaffen. Mit Ausnahme von fischer Merkmalsausprägungen, darunter Miroslav Klose führte ihr Weg jeweils über die jeweiligen Ausprägungen der Variablen einen U-Kader des DFB, dem sie zu unter- Geschlecht, Beschäftigungsstatus, Einkom- schiedlichen Zeitpunkten angehörten. mensniveau, Haushaltsgröße, Kinderstatus, Größe des Wohnortes und Grad des gesell- 62

9.6.1. Alter 9.6.3 Beschäftigungsstatus 9.6.5. Haushaltsgröße

Um sicherstellen zu können, dass die Analy- Auch der mögliche Einfluss des Beschäf- Untersucht man den Einfluss der Haushalts- se des möglichen Einflusses weiterer sozio- tigungsstatus auf die Teamidentifikation größe auf die Teamidentifikation, zeigen sich demografischer und psychografischer Merk- erweist sich (mit Ausnahme junger, sich in ebenso keine signifikanten Effekte zwischen male auf die Teamidentifikation durch einen Ausbildung befindender Umfrageteilnehmer) Personen aus Haushalten mit ein (M = 3.04, Alterseffekt nicht überlagert wird, erfolgten als nicht signifikant. Die Identifikation der SD = .82), zwei (M = 3.03, SD = .82), drei (M = altersbereinigte Betrachtungen. Umfrage-Teilnehmer ohne Beschäftigung (M 3.02, SD = .84), vier (M = 3.09, SD = .84) oder Zunächst wurde der mögliche Einfluss des = 2.95, SD = .89) unterscheidet sich dabei fünf (oder mehr) Personen (M = 3.19, SD = Alters auf die Teamidentifikation untersucht. im Mittel nicht signifikant von jenen mit Be- .75), (F(4, 2.096) = 2.10, p = .0784). Die Ergebnisse zeigen einen hochsignifikanten schäftigung (M = 2.95, SD = .85), (t(1.143) = Effekt des Lebensalters auf die Identifikation -.2950, p = .7681). Während im Hinblick auf die Identifikation der Befragten mit der Nationalmannschaft, Im Hinblick auf einen möglichen Alterseffekt mit der Nationalmannschaft kein Einfluss der (F(4, 2.093) = 22.98, p = .0000). Mit zuneh - wurde zudem die Gruppe der ›25-Jährigen Haushaltsgröße ersichtlich wird, erweist sich mendem Lebensalter sinkt die Identifikation genauer betrachtet, für die – nach Schulaus- der Einfluss dieser Variable im Hinblick auf mit der Nationalmannschaft, (r = -.2050, p = bildung, Ausbildung oder Studium – erstmals die Identifikation mit dem Lieblingsverein .0000). Mit jedem zusätzlichen Lebensjahr auch der Beschäftigungsstatus ohne Be- innerhalb der Fußball-Bundesliga als hoch- verringert sich die Identifikation mit dem schäftigung relevant erscheint. Die Gruppen- signifikant. So identifizieren sich Umfrage- Team um durchschnittlich .014 Punkte. Dies unterschiede sind auch in diesem Fall nicht teilnehmer in Mehrpersonenhaushalten sig- ist ein bekannter Effekt, der in dieser Größen- signifikant, (t(1.024) = -.8632, p = .3883). nifikant mehr mit ihrem Lieblingsverein als ordnung, den Werten aus Vergleichsstudien jene in Einpersonenhaushalten (F(4, 2.096) = entspricht (vgl. Schmidt/Högele, 2011). Dem- 9.21, p = .0000). entsprechend zeigen Umfrageteilnehmer, die 9.6.4. Einkommensgruppe zum Zeitpunkt der Befragung jünger als 18 Jahre alt waren, die höchste Identifikation M( Analog zum Beschäftigungsstatus zeigt sich 9.6.6. Kinderstatus = 3.31, SD = .77), während die Identifikation auch im Rahmen der Untersuchung des mit dem Team in der Gruppe der über 50-Jäh- möglichen Einflusses des monatlichen Net- Zur Überprüfung des Einflusses der Anzahl rigen am geringsten ist (M = 2.70, SD = .86). toeinkommens auf die Teamidentifikation leiblicher Kinder auf die Identifikation mit kein signifikanter Effekt auf dem 5%-Niveau, der Nationalmannschaft wurden (um Ver- (F(5, 1.997) = 2.05, p = .0685). Diese Beob - zerrungen zu vermeiden) lediglich Personen 9.6.2. Geschlecht achtung wird durch multiple Paarvergleiche über 30 Jahre, dem durchschnittlichen Alter bestätigt, welche, nach Ausschluss eines einer Frau zum Zeitpunkt der Geburt ihres Zudem wurde der mögliche Einfluss des möglichen ­-Fehlers (nach der Methode von ersten Kindes in Deutschland (Statistisches Geschlechts auf die Teamidentifikation un- Bonferroni), ebenfalls ausnahmslos nicht Bundesamt, 2012), betrachtet. Die Identifika- tersucht. Die Ergebnisse zeigen keinen sig­ signifikante Identifikationsunterschiede auf- tion der Umfrageteilnehmer ohne (eigenes) nifikanten Effekt des Geschlechts auf die zeigen. Kind (M = 2.89, SD = .84) unterscheidet sich Identifikation mit der Nationalmannschaft, nicht signifikant von jener der Umfrageteil- (t(2.080) = .4935, p = .5912). Das Identifikati- Da das Erreichen einzelner Nettoeinkom- nehmer mit mindestens einem Kind (M = onsniveau weiblicher Umfrageteilnehmer (M mensgruppen insbesondere für junge Umfra- 2.86, SD = .86), (t(847) = .3984, p = .6905). = 3.05, SD = .81) unterschied sich nicht signi- geteilnehmer mit einem gemeinhin höheren fikant von dem der befragten Männer ( M = Identifikationsniveau unwahrscheinlich er- Frauen mit Kind (M = 2.78, SD = .83) identi- 3.07, SD = .82). scheint, wurde zudem die Gruppe der über fizieren sich ähnlich stark mit dem National­ 30-Jährigen genauer betrachtet. Dort lässt team wie Frauen ohne eigenes Kind (M = Betrachtet man den Einfluss des Geschlechts sich ebenfalls kein signifikanter Einfluss 2.84, SD = .87), ( t(256) = .5744, p = .5682). auf die Identifikationswerte von Fans hin- des monatlichen Nettoeinkommens auf die Schließlich weisen auch multiple Paarverglei- sichtlich ihres Lieblingsbundesligaclubs, Team­identifikation feststellen, F ( (5, 819) = che zwischen den einzelnen Gruppen (mit zeigt sich dort ein anderes Bild. Während 1.63, p = .1498). unterschiedlicher Kinderzahl) ausnahmslos es im Hinblick auf die Identifikation mit der nicht signifikante Identifikationsunterschie- Nationalmannschaft keine geschlechterspe- Im Gegensatz zur Nationalmannschaft zeigen de auf (F(4, 456) = .36, p = .8336). Dies be- zifischen Unterschiede gibt, identifizieren sich bei der Untersuchung des möglichen Ein- deutet, dass kein signifikanter Unterschied sich Männer (M = 3.40, SD = .86) mit ihrem flusses des monatlichen Nettoeinkommens zwischen der Identifikation von Kinderlosen Lieblingsbundesligaclub signifikant mehr auf die Teamidentifikation des Lieblingsfuß- und Eltern als auch keine signifikanten Un- als Frauen (M = 3.25, SD = .93), ( t(2.099) = ballvereins hochsignifikante Unterschiede terschiede zwischen den Eltern untereinan- 2.8311, p = .0047). zwischen den einzelnen Einkommensgrup- der (unabhängig von der Anzahl der Kinder) pen (F(5, 1.843) = 8.91, p = .000). Personen zu beobachten sind. aus den untersten Einkommensgruppen (<500 EUR Nettoverdienst pro Monat) identi- fizieren sich dabei signifikant mehr als Per- sonen aus höheren Einkommensgruppen mit ihrem Lieblingsclub. 9. Weitere Auswertungen 63

9.6.7. Größe des Wohnortes 9.6.10. Bildungsniveau 9.6.12. Spendenbereitschaft

Untersucht man den Einfluss der Größe des Auch mit steigendem Bildungsniveau sinkt Die Spendenbereitschaft für Projekte, für Wohnortes auf die Teamidentifikation, zeigt die Identifikation mit der Nationalmann- die die Nationalmannschaft wirbt, korreliert sich durchgehend ebenso kein signifikanter schaft in hoch signifikanter Weise. Während hochsignifikant positiv mit der Identifikation Effekt (F(8, 2.095) = .83, p = .5721). So liegen Personen ohne Schulabschluss die höchsten der Befragten (r = .2537, p = .000); je größer die Identifikationswerte dabei im ländlichen Identifikationswerte aufweisen (M = 3.28, SD die Identifikation mit der Nationalmannschaft Raum, d.h. bei Personen aus Heimatorten = .79), liegt die Teamidentifikation promo- ist, desto mehr steigt bei den Umfrageteil- mit weniger als 500 Einwohnern (M = 3.09, vierter Umfrageteilnehmer deutlich darun- nehmern die Bereitschaft, für wohltätige SD = .07), auf einem ähnlichen Niveau wie ter(M = 2.40, SD = .90), (F(5, 2.084) = 12.57,p Organisationen zu spenden, die von der Na- bei Personen aus Metropolen mit mehr als = .0000). Dieser Effekt zeigt sich auch in tionalmannschaft ideell unterstützt werden. 1.000.000 Einwohnern (M = 3.13, SD = .06). einer altersbereinigten Betrachtung für Um- Dies gilt auch für den Fall, dass die National­ frageteilnehmer über 25 Jahre (F(2, 1.171) = mannschaft selbst als Spender auftritt (r = 9.6.8. Gesellschaftliches Engagement 5.55, p = .0040). .2485, p = .000). Interessanterweise gilt dies auch für die Umfrageteilnehmer, die sich Die Auswertung der Umfragedaten belegt, bislang nicht in aktiver Weise sozial enga- dass zudem keine signifikanten Unterschie- 9.6.11. Nationalität gieren; je höher die Identifikation mit der de zwischen Befragten die sozial stärker ver- Nationalmannschaft innerhalb dieser Gruppe netzt sind, d.h. Mitglied in mindestens einem Schließlich zeigen sich auch beim möglichen ist, desto höher liegt auch hier die Bereit- Verein sind (M = 3.10, SD = .82), und solchen, Einfluss der Nationalität auf die Teamidentifi- schaft dieser Personen, sich für wohltätige die in keiner wohltätigen Organisation aktiv kation hochsignifikante Gruppenunterschie- Organisationen passiv (d.h. durch Spenden) sind (M = 3.05, SD = .84), bestehen (t(2.104) de. Vergleicht man die Identifikationswerte zu engagieren, die auch von der National- = 1.0071, p = .3140). Eine Ausnahme bilden deutscher Staatsangehöriger mit den Werten mannschaft in ideeller (r = .2343, p = .000) jedoch Mitglieder eines Fußballvereins; sie von ausländischen Staatsbürgern, zeigt sich, oder monetärer Weise (r = .2201, p = .000) identifizieren sich erwartungsgemäß hoch- dass sich ausländische Teilnehmer hochsigni- unterstützt werden. signifikant mehr mit der Nationalmannschaft fikant mehr mit der deutschen Fußball-Natio- (M = 3.20, SD = .78) als Personen, die aktuell nalmannschaft identifizieren M( = 3.48, SD = nicht Mitglied eines Fußballvereins sind (M = .92) als deutsche Teilnehmer der Umfrage (M = 3.03, SD = .82), (t(2.104) = -3.3365, p = .0009). 3.05, SD = .82), (t(2.093) = -3.7310, p = .0002). Der Identifikationswert sinkt dabei je länger die Person in Deutschland ansässig ist, ehe 9.6.9. Beziehungsstatus er sich langsam dem Identifikationswert deut- scher Staatsbürger annähert. Mögliche überla- Hochsignifikante Unterschiede zeigen sich gernde Einflüsse sowohl des Alters(t (2.086) = bei der Untersuchung des möglichen Ein- .4073, p = .6838) als auch des Bildungsniveaus flusses des Beziehungsstatus auf die Teami- (t(2.079) = -.5981, p = .5498) konnten durch dentifikation. Hier stehen die Identifikations- entsprechende Tests ausgeschlossen werden. werte in einem deutlichen Zusammenhang In beiden Fällen unterscheiden sich beide mit dem jeweiligen Beziehungsstatus des Gruppen nicht signifikant. Umfrageteilnehmers; je enger die Bindung an einen Partner ist, umso geringer ist die Vergleicht man dieses Ergebnis mit dem Ein- Identifikation mit der Nationalmannschaft. fluss der Nationalität auf die Identifikations- Alleinstehende weisen dabei die höchste (M werte eines Fans mit seinem Lieblingsverein = 3.15, SD = .86), Verheiratete die geringste innerhalb der Fußball-Bundesliga, zeigt sich Identifikation mit der Nationalmannschaft erneut ein anderes Bild (vgl. Schmidt/Hö- auf (M = 2.85, SD = .85). Unverheiratete, sich gele, 2011). Hier gibt es keine signifikanten in einer Beziehung befindende Umfrageteil- Unterschiede zwischen deutschen Staatsan- nehmer liegen dabei zwischen den beiden gehörigen (M = 3.38, SD = .86) und Befragten Extrempolen (M = 3.07, SD = .81), (F(2, 2.082) mit ausländischer Staatsbürgerschaft (M = = 21.99, p = .0000). Dieser Effekt zeigt sich 3.34, SD = .98), (t(2.099) = -.7354, p = .4622). auch in einer altersbereinigten Betrachtung für Personengruppen ab 25 Jahren, (F(2, 1.171) = 5.55, p = .0040). 64 Literaturverzeichnis 65

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Im Zentrum der ISBS-Forschungsagenda stehen die folgenden vier Schwerpunkte:

Sozialer Wandel durch Sport • Ermittlung der ökonomischen und sozialen Abstrahleffekte (Return to Society) durch Spitzensport, sportpolitische Maßnahmen, Das Institute for Sports, Business & Society Förderprogramme auf Städte, Regionen und (ISBS) der EBS Universität für Wirtschaft und Länder Recht untersucht die sozialen und ökonomi- • Entwicklung sportspezifischer Maßnahmen schen Wirkungen des Sports. zum systematischen Vergleich makroöko- nomischer und sozialer Auswirkungen des Neben wissenschaftlichen Studien mit hoher- Sports praktischer Relevanz und der Identifikation neuer Trends im Zusammenspiel von Sport, Humankapital im Sport Wirtschaft und Gesellschaft bietet das Institut • Analyse von Persönlichkeitseigenschaften eine Plattform für Unternehmensführer, Wis- und Potentialen von Spitzensportlern zur senschaftler, Sportler und den Führungsnach- Ermittlung von sportartspezifischen Fähig- wuchs. keitsprofilen für die Wirtschaft • Identifikation von Best Practices in den Be- Ziel des ISBS ist es, relevante und attraktive reichen Sourcing, Rekrutierung, Platzierung Themen anhand wissenschaftlicher Methoden und Weiterbildung von Spitzesportlern zu analysieren und für den Dialog mit Mei- nungsführern in Sport, Wirtschaft und Gesell- Strategisches Sportmarketing und -sponsoring schaft aufzubereiten. • Weiterentwicklung bestehender Methoden und Instrumente zur Messung des ökono- mischen und sozialen Sponsoringerfolgs Kontakt • Analyse von Fanverhalten und -bedürfnis- Prof. Dr. Sascha L. Schmidt sen zur Identifikation von Erfolgsfaktoren Institutsleiter in der Club- und Sportlervermarktung Institute for Sports, Business & Society • Ermittlung neuer Geschäftsmodelle für EBS Business School Randsportarten EBS Universität für Wirtschaft und Recht Rheingaustr. 1 Sports Consumer Behaviour 65375 Oestrich-Winkel • Analyse von Fanverhalten/-bedürfnissen zur Telefon +49 611 7102 2064 Identifikation von Erfolgsfaktoren in der pro- [email protected] fessionellen Club- und Sportlervermarktung www.ebs.edu/isbs • Weiterentwicklung bestehender Methoden und Instrumente zur Messung des ökono- mischen und sozialen Sponsoring-Erfolgs ISBS Research Series 71

ISBS Research Series ISBS Research Series ISBS Research Series Issue 1, 12 ∂ 2010 Issue 2, 12 ∂ 2011 Issue 3, 11 ∂ 2011 Integration durch In the Line of Fire Adler sind keine Profifußball Verweildauer von Fliegengewichte mehr Eine Analyse der Bundesligatrainern Skispringen im Leistungszentren und CEOs in Wandel der Zeit der Bundesliga Deutschland Autoren: Prof. Dr. Autoren: Prof. Dr. Autoren: Prof. Dr. Sascha L. Schmidt Sascha L. Schmidt Sascha L. Schmidt und Verena Jung und Christian Weiss und Dominik Schreyer

ISBS Research Series ISBS Research Series ISBS Research Series Issue 4, 12 ∂ 2011 Issue 5, 11 ∂ 2012 Issue 6, 01 ∂ 2013 Deutschland braucht Die Stadt und Kollege Spitzensportler den Superstar ihr Profifußball Chancen für Wirtschaft Die gesellschaftliche Eine ganz normale und Athleten Bedeutung von Beziehung Autoren: Prof. Dr. Vorbildern im Profifußball Autoren: Prof. Dr. Sascha L. Schmidt Autoren: Prof. Dr. Sascha L. Schmidt und Thomas Saller Sascha L. Schmidt und Florian Bünning und Daniel Högele

ISBS Research Series Issue 7, 11 ∂ 2013 Wir sind Nationalmannschaft Analyse der Entwicklung und gesellschaftlichen Bedeutung der Fußball-Nationalelf Autoren: Prof. Dr. Sascha L. Schmidt und Andreas Bergmann Kontakt Prof. Dr. Sascha L. Schmidt Andreas Bergmann Institute for Sports, Business & Society EBS Business School gGmbH Universität für Wirtschaft und Recht Rheingaustraße 1 65375 Oestrich-Winkel Telefon +49 611 7102 2064 [email protected] [email protected] www.ebs.edu/isbs Design bdax, Düsseldorf Grafiken Sebastian Struch Grafik Design, München Bildnachweise Mit freundlicher Unterstützung der Getty Images Deutschland GmbH © Institute for Sports, Business & Society Oestrich-Winkel 11/2013