Plenarprotokoll 8/26

Deutscher Stenographischer Bericht

26. Sitzung

Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977

Inhalt:

Eintritt der Abg. Frau Dr. Riede (Oeffingen) Zweite und dritte Beratung des von der und des Abg. Thüsing in den Deutschen Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Bundestag 1817 A eines Gesetzes zur Zwanzigsten Rentenan- passung und zur Verbesserung der Finanz- grundlagen der gesetzlichen Rentenversi- Abwicklung der Tagesordnung . . . . 1817 B cherung (Zwanzigstes Rentenanpassungsge - setz) Absetzung der Punkte 6, 7 und 8 von der — Drucksache 8/165 — Tagesordnung 1817 B Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 1817 C — Drucksache 8/351 —

Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . . 1817 D Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Sozialordnung Begrüßung des Präsidenten der Kommission — Drucksache 8/337 — der Europäischen Gemeinschaften . . . . 1819 A in Verbindung mit

Abgabe einer Erklärung der Bundesregie- Zweite und dritte Beratung des von der rung zu den Londoner Gipfeltreffen Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Dämpfung der Ausga- Schmidt, Bundeskanzler ...... 1819 A benentwicklung und zur Strukturverbesse- Strauß CDU/CSU ...... 1825 A rung in der gesetzlichen Krankenversiche- rung (Krankenversicherungs-Kostendämp- Wehner SPD 1832 C fungsgesetz) Dr. Graf Lambsdorff FDP ...... 1838 C — Drucksachen 8/166, 8/173 — II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode -- 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977

Bericht des Haushaltsausschusses gemäß Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . . 1862 A § 96 der Geschäftsordnung Schmidt (Kempten) FDP ...... 1865 B, — Drucksache 8/352 — 1912C, 1919 D Dr. Blüm CDU/CSU 1873 A Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Sozialordnung Glombig SPD 1876 A — Drucksache 8/338 — Cronenberg FDP 1880 C, 1905 A Schedl CDU/CSU 1884 D in Verbindung mit Urbaniak SPD 1887 D Zweite und Dritte Beratung des von der Hölscher FDP 1890 A, 1896 C Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes über die Anpas- Frau Dr. Neumeister CDU/CSU 1891 D sung der Leistungen des Bundesversor- Kratz SPD - 1894 C gungsgesetzes (Neuntes Anpassungsgesetz KOV) Dr. Becker (Frankfu rt) CDU/CSU . . . 1899 B — Drucksache 8/167 — Kuhlwein SPD 1902 B Höpfinger CDU/CSU 1907 B Bericht des Haushaltsausschusses gemäß Jaunich SPD 1909 D § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/353 — Burger CDU/CSU 1914 D Gansel SPD 1917 C Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- Nächste Sitzung 1920 C schusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/339 — Franke CDU/CSU 1842 C, 1864 D Anlage Egert SPD 1853 C Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 1921* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1817

26. Sitzung

Bonn, den 12. Mai 1977

Beginn: 9.01 Uhr

Präsident Carstens: Meine Damen und Herren, die Schließlich liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen Sitzung ist eröffnet. — Stand: 3. Mai 1977, 15 Uhr — vor, die keiner Ich darf dem Hause zunächst mitteilen, daß für Beschlußfassung bedürfen und die gemäß § 76 den verstorbenen Abgeordneten Dr. Erhard mit Wir- Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Aus- kung vom 9. Mai 1977 die Abgeordnete Frau schüssen überwiesen werden sollen: Dr. Riede (Oeffingen) in den Bundestag eingetre- Betr.: Bericht der Bundesregierung über die Integration in den Europäischen Gemeinschaften (Drucksache ten ist. 8/274) (Beifall) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Haushaltsausschuß Für den verstorbenen Abgeordneten Spillecke ist Betr.: Bericht der Bundesregierung über Umweltradioak- tivität und Strahlenbelastung im Jahre 1975" (Druck- mit Wirkung vom 9. Mai 1977 der Abgeordnete sache 8/311) Thüsing in den Bundestag eingetreten. Bezug: Beschluß des Deutschen Bundestages vom 14. März 1975 (Beifall) zuständig: Innenausschuß (federführend) Ausschuß für Forschung und Technologie Ich begrüße die neuen Kollegen sehr herzlich- und Betr.: Über- und außerplanmäßige Ausgaben im 4. Viertel wünsche ihnen eine erfolgreiche Mitarbeit im Deut- jahr des Haushaltsjahres 1976 (Drucksache 8/330) schen Bundestag. Bezug: § 37 Abs. 4 BHO zuständig: Haushaltsausschuß Über den Ablauf der heutigen Plenarsitzung ist die folgende interfraktionelle Vereinbarung getrof- Erhebt sich gegen die vorgeschlagene Überwei- fen worden: Von 9 Uhr bis etwa 11 Uhr Abgabe sung Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Dann einer Regierungserklärung mit Aussprache, von hat das Haus auch dem zugestimmt. 11 Uhr bis 14 Uhr Beginn der zweiten Beratung Folgende Amtliche Mitteilungen werden ohne über das Rentenpaket ohne Abstimmung, von 14 Uhr Verlesung in den Stenographischen Bericht aufge- bis 17 Uhr Unterbrechung der Plenarsitzung wegen nommen: der Beisetzungsfeierlichkeiten für den verstorbenen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 6. Mai 1977 den nach- früheren Bundeskanzler Professor Dr. , stehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Arti- ab 17 Uhr Fortsetzung der zweiten Beratung über kel 77 Abs. 3 GG nicht gestellt: Gesetz zur Änderung des Ersten Gesetzes zur Überleitung das Rentenpaket. von Lasten und Deckungsmitteln auf den Bund Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Investitionszu- Die Tagesordnungspunkte 6, 7 und 8, die Europa- schüsse für Mietwohnungen, Genossenschaftswohnungen und vorlagen, sollen abgesetzt werden. Wohnheime im sozialen Wohnungsbau Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mit Schrei- ben vom 4. Mai 1977 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die Ich sehe und höre keinen Widerspruch. — Ich nachfolgenden, bereits verkündeten Vorlagen keine Bedenken stelle fest, daß das Haus damit einverstanden ist. erhoben hat: Verordnungen (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung Die für heute vorgesehene Fragestunde soll er- und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für satzlos ausfallen. Da hiermit von der Geschäftsord- Grège, weder gedreht noch gezwirnt, der Tarifnummer 50.02 nung abgewichen wird, muß dies vom Bundestag des Gemeinsamen Zolltarifs, für 1977 Garne, ganz aus Seide, nicht in Aufmachungen für den Ein- nach § 127 der Geschäftsordnung mit Zweidrittel- zelverkauf, der Tarifnummer ex 50.04 des Gemeinsamen mehrheit der anwesenden Mitglieder beschlossen Zolltarifs, für 1977 werden. Ich bitte diejenigen, die mit dem Vor- Garne, ganz aus Schappeseide, nicht in Aufmachungen für den Einzelverkauf, der Tarifnummer ex 50.05 des Gemein- schlag einverstanden sind, um ihr Handzeichen. — samen Zolltarifs, für 1977 (Drucksache 7/5912) Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ist mit der Verordnung (EWG) des Rates über die Einfuhrregelung für bestimmte Textilerzeugnisse mit Ursprung in Macao (Druck- erforderlichen Mehrheit so beschlossen. sache 7/5913) Mitteilung der Kommission an den Rat über die Verhand- Die eingereichten Fragen werden schriftlich be- lungen zwischen der Gemeinschaft und Papua-Neuguinea im antwortet werden, soweit sie nicht bis heute 14 Uhr Hinblick auf deren Beitritt zum AKP-EWG-Abkommen von Lomé zurückgezogen werden. Die Antworten werden als Verordnung (EWG) des Rates über die vorzeitige Anwen Anlagen abgedruckt. dung einiger den Warenhandel betreffenden Bestimmungen 1818 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Präsident Carstens des AKP-EWG-Abkommens von Lomé gegenüber einigen Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mit Schrei- Staaten, die Abkommen über den Beitritt zum Lomé-Abkom- ben vom 6. Mai 1977 mitgeteilt, daß die nachstehende Vorlage men unterzeichnet haben (Drucksache 7/5942) von der EG-Kommission zurückgezogen wurde und sich deshalb eine Berichterstattung an das Plenum erübrigt: Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2632/76 vom 19. Oktober 1976 über die Eröffnung, Verordnung des Rates zur vollständigen und zeitweiligen Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontin- Aussetzung des autonomen Zollsatzes des Gemeinsamen Zoll- gents für bestimmte handgearbeitete Waren (Drucksache tarifs für getrocknete Zwiebeln der Tarifstelle 07.04 A (Druck- 7/5945) sache 8/21) Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2633/76 vom 19. Oktober 1976 über die Eröffnung, Überweisung von EG-Vorlagen Aufteilung und Verwaltung der Gemeinschaftszollkontingente für bestimmte Gewebe und bestimmten Samt und Plüsch, der Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Be- Tarifnummern ex 50.09, ex 50.10, ex 55.07, ex 55.09 und schluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden ex 58.04 des Gemeinsamen Zolltarifs (Drucksache 7/5946) Vorlagen überwiesen: Verordnung (EWG) des Rates zum Abschluß des Abkommens Verordnung (EWG) des Rates über einige gegenüber be- in Form eines Briefwechsels betreffend Artikel 3 des Proto- stimmten Drittländern anzuwendende vorläufige Maßnahmen kolls Nr. 8 des Abkommens zwischen der Europäischen Wirt- zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischbestände in der schaftsgemeinschaft und der Portugiesischen Republik (Druck- Fischereizone vor der Küste des Departements Guayana sache 8/9) (Drucksache 8/314) Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung der mengen- überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und mäßigen Ausfuhrkontingente der Gemeinschaft für bestimmte Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor Asdien und Rückstände von Kupfer sowie für bestimmte Be- der endgültigen Beschlußfassung im Rat arbeitungsabfälle und bestimmten Schrott aus Kupfer, Alumi- Verordnung (Euratom, EGKS, EWG) des Rates zur Anpas- nium und Blei für das Jahr 1977 (Drucksache 8/17) sung der Berichtigungskoeffizienten, die auf die Dienst- und Verordnung (EWG) des Rates Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bedienste- ten der Europäischen Gemeinschaften angewandt werden über den Abschluß des Abkommens in Form eines Brief- (Drucksache 8/315) wechsels betreffend Artikel 20 des Kooperationsabkommens und Artikel 13 des Interimsabkommens zwischen der Euro- überwiesen an den Innenausschuß mit der Bitte um rechtzeitige päischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Ma- Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschlußfassung im rokko hinsichtlich der Einfuhr von Fruchtsalaten mit Ursprung Rat in Marokko in die Gemeinschaft Verordnung (EWG, EGKS, Euratom) des Rates über den Abschluß des Abkommens in Form eines Brief- wechsels betreffend Artikel 19 des Kooperationsabkommens zur Einführung der Europäischen Rechnungseinheit (ERE) in und Artikel 12 des Interimsabkommens zwischen der Euro- das Statut_ der Beamten der EG und die Beschäftigungsbedin- päischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Demokratischen gungen für die sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften Volksrepublik Algerien hinsichtlich der Einfuhr von Frucht- sowie in sonstige Verordnungen des Rates für die Beamten, salaten mit Ursprung in Algerien in die Gemeinschaft ehemaligen Beamten und die sonstigen Bediensteten der Ge- meinschaften über den Abschluß des Abkommens in Form eines Brief- zur Einführung der Europäischen Rechnungseinheit (ERE) in wechsels betreffend Artikel 19 des Kooperationsabkommens die Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 260/68 zur Fest- und Artikel 12 des Interimsabkommens zwischen der Euro- legung der Bestimmungen und des Verfahrens für die Er- päischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Tunesischen Repu- hebung der Steuer zugunsten der Europäischen Gemein- blik hinsichtlich der Einfuhr von Fruchtsalaten mit Ursprung schaften in Tunesien in die Gemeinschaft zur entsprechenden Anpassung der Berichtigungskoeffizien- ten, die auf die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beam- über den Abschluß des Abkommens in Form eines Brief- ten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemein- wechsels betreffend Artikel 9 des Protokolls Nr. 1 des Ab- schaften angewandt werden, im Anschluß an die Einführung kommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft der Europäischen Rechnungseinheit in das Statut der Beam- und dem Staat Israel hinsichtlich der Einfuhr von Frucht- ten der Europäischen Gemeinschaften und die Beschäfti- salaten mit Ursprung in Israel in die Gemeinschaft gungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser über den Abschluß des Abkommens in Form eines Brief- Gemeinschaften (Drucksache 8/316) wechsels betreffend Artikel 9 des Protokolls Nr.- 1 des Ab- überwiesen an den Innenausschuß (federführend), Haushaltsaus- kommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft schuß mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der und dem Staat Israel hinsichtlich der Einfuhr von Tomaten- endgültigen Beschlußfassung im Rat konzentraten mit Ursprung in Israel in die Gemeinschaft Verordnung (EWG) des Rates zur Aufrechterhaltung der in über den Abschluß des Abkommens in Form eines Brief- der Gemeinschaft getroffenen Einfuhrmaßnahmen für Hem- wechsels zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft den und Blusen mit Ursprung in der Republik Indien und der Demokratischen Volksrepublik Algerien über die (Drucksache 8/317) Einfuhr in die Gemeinschaft von Tomatenkonzentraten mit überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Ursprung in Algerien (Drucksache 8/19) rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschluß- Verordnung (EWG) des Rates über die Anwendung eines fassung im Rat Antidumpingzolls für Rollenketten für Fahrräder mit Ur- Verordnung (EWG) des Rates zur Anwendung des Protokolls sprung in Taiwan (Drucksache 8/105) Nr. 1 zu den Kooperationsabkommen mit Algerien, Marokko Verordnung (EWG) des Rates über den Abschluß eines Ab- und Tunesien (Drucksache 8/318) kommens in Form eines Briefwechsels zwischen der Euro- überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um päischen Wirtschaftsgemeins chaft und dem Königreich Ma- rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschluß- rokko hinsichtlich bestimmter Weine mit Ursprung in Ma- fassung im Rat rokko, die eine Ursprungsbezeichnung tragen (Drucksache Verordnung des Rates zur Verlängerung des vorläufigen 8/114) Antidumpingzolls für Kugellager, Kegelrollenlager und de Entwurf eines Beschlusses (EWG) des Rates über den Ab- ren Teile mit Ursprung in Japan (Drucksache 8/327) schluß zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um und der portugiesischen Republik über die Ausfuhr bestimm- rechtzeitige Vorlage des Berichts vor der endgültigen Beschluß- ter Textilwaren nach dem britischen Markt sowie fassung im Rat Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zum Abschluß Verordnung (EWG) des Rates zur vierten Änderung der Ver- des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsge- ordnung (EWG) Nr. 1163/76 über die Gewährung einer Um- meinschaft und der Portugiesischen Republik über Zollkon- stellungsprämie im Weinbau (Drucksache 8/333) tingente für bestimmte Papierwaren (Drucksache 8/117) überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor Verordnung (EWG) des Rates zur vollständigen und zeitwei- der endgültigen Beschlußfassung im Rat ligen Aussetzung der autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für Kartoffeln der Tarifstellen 07.01 A II a) und Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verord- III b) (Drucksache 8/121) nung (EWG) Nr. 2727/75 über die gemeinsame Marktorga- nisation für Getreide (Drucksache 8/334) Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1631/76 zur Aufrechterhaltung der Genehmigungs- überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und pflicht für die Einfuhr in das Vereinigte Königreich von Forsten mit der Bitte um rechtzeitige Vorlage des Berichts vor Säcken und Beuteln aus Polyolefin-Geweben mit Ursprung der endgültigen Beschlußfassung im Rat in der Republik Korea (Drucksache 8/143) Verordnug (EWG) Nr. 745/77 des Rates vom 5. April 1977 zur Verordnung (EWG) des Rates zur Aufhebung der Verord- Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung (EWG) nung (EWG) Nr. 1823/76 des Rates über die Genehmigungs- Nr. 194/77 zur Festlegung bestimmter Übergangsmaßnahmen pflicht für die Einfuhr von Baumwollgarnen, nicht in Auf- zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen machungen für den Einzelverkauf, mit Ursprung in Mexiko, gegenüber Schiffen, die die Flagge Polens, der DDR und der in die Länder der Benelux (Drucksache 8/159) UdSSR führen und Verordnung des Rates zur Aufrechterhaltung der Einfuhrrege Verordnung (EWG) Nr. 746/77 des Rates vom 5. April 1977 lung für bestimmte Textilerzeugnisse mit Ursprung in der zur Spanien, Finnland und Portugal betreffenden Verlänge- Republik Korea in die Länder des Benelux (Drucksache 8/160) rung der Geltungsdauer einiger Bestimmungen der Verord- nung (EWG) Nr. 373/77 zur Festlegung von Übergangsmaß- Verordnung des Rates über die Einfuhrregelung für be- nahmen zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischerei- stimmte Juteerzeugnisse mit Ursprung in der Republik Indien ressourcen gegenüber Schiffen, die die Flagge bestimmter (Drucksache 8/180) Drittländer führen und Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1819 Präsident Carstens Verordnung (EWG) Nr. 747/77 des Rates vom 5. April 1977 zur Schweden betreffenden Verlängerung der Geltungs- Dieser dritte Weltwirtschaftsgipfel hat vor allem dauer einiger Bestimmungen der Verordnung (EWG) das Bewußtsein aller Teilnehmer gestärkt und ver- Nr. 373/77 zur Festlegung von Übergangsmaßnahmen zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen ge- tieft, daß die wirtschaftlichen Probleme nur gemein- genüber Schiffen, die die Flagge bestimmter Drittländer führen sam gelöst werden können, daß wir nicht im Gegen- überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und einander, sondern nur im Miteinander, indem wir Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag er- am selben Ende des Stranges ziehen, die Weltwirt- hoben werden schaft vollends aus der Strukturkrise herausführen können. Dies zeigt, daß die Botschaft von Downing- Meine Damen und Herren, auf der Diplomaten Street zu Recht eine „Botschaft des Vertrauens" ge- tribüne hat soeben der Präsident der Kommission nannt worden ist. der Europäischen Gemeinschaften, The Rt. Hon. Roy Jenkins, Platz genommen. Ich möchte für die Bundesregierung zu den Ergeb- nissen dieses Downing-Street-Gipfels die folgenden (Beifall) Feststellungen treffen. Die intensiven und dichten Ich habe die Ehre, Sie, Herr Präsident, zu begrüßen. Beratungen bestätigten die Politik, die die Bundes- Es ist für den Deutschen Bundestag eine besondere regierung zur Überwindung der Weltwirtschafts- Freude, den Präsidenten der Kommission der Euro- rezession von Anfang an geführt hat. Diese Politik päischen Gemeinschaften willkommen zu heißen. beruht darauf, daß erfolgversprechende nationale Meine Damen und Herren, wir kommen dann zu Maßnahmen nur im Rahmen enger internationaler Punkt 2 der Tagesordnung: Abstimmung und Zusammenarbeit Sinn machen und daß sie nur mit ineinandergreifenden Politiken in Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung allen Ländern getroffen werden konnten und zu den Londoner Gipfeltreffen. können. Das Wort hat der Herr Bundeskanzler. Nur durch diese seit 1974 sehr stark intensivierte internationale Zusammenarbeit ist es gelungen zu Schmidt, Bundeskanzler (von der SPD und der verhindern, daß sich einzelne Länder mittels Protek- FDP mit Beifall begrüßt) : Herr Präsident! Meine tionismus auf dem Felde des Welthandels, mittels Damen und Herren! Ich begrüße die Gelegenheit, nationaler Schritte auf dem Felde der Währungs- unmittelbar nach Rückkehr aus London, dem Bun- politik zwecks kurzlebigen eigenen Vorteils ab- destag über die Ergebnisse der internationalen Kon- schnürten und insgesamt dadurch die Krise erst ferenzen und Besprechungen berichten zu können, richtig vertieften. Daß dies durch das außerordent- die am vergangenen Wochenende und auch Anfang lich intensive Ausmaß der Gespräche im Laufe der dieser Woche stattgefunden haben. - letzten zwei, drei Jahre auf vielen Konferenzen, auch Diese Konferenzen haben zusätzliche Bedeutung auf den drei weltwirtschaftlichen Gipfelkonferenzen, gewonnen durch die erstmalige Teilnahme der vermieden worden ist, das halte ich für den ganz neuen Regierungen in den Vereinigten Staaten von entscheidenden Unterschied in der Bewältigung die- Amerika und in Japan, an ihrer Spitze Präsident ser gegenwärtig noch nicht voll überwundenen Carter und Ministerpräsident Fukuda. Neben den Weltwirtschaftskrise, wenn wir etwa Vergleiche Erörterungen im multilateralen Rahmen bot sich ziehen zu dem eigensüchtigen Handeln vieler wich Gelegenheit zu zahlreichen bilateralen Gesprächen, tiger Staaten der Welt Anfang der 30er Jahre und so mit Präsident Carter, mit Präsident Giscard, mit den damals daraus erwachsenen wirtschaftlichen, Ministerpräsident Fukuda, mit dem türkischen Mini- sozialen und dann in vielen Ländern leider Gottes sterpräsidenten Demirel, dem griechischen Minister- schrecklichen politischen Konsequenzen. präsidenten Karamanlis und mit dem portugiesi- Das Bekenntnis zu einem offenen Welthandels- schen Staatspräsidenten Eanes. system, das in London erneut bekräftigt worden ist, Mein Gespräch mit Präsident Carter vor Beginn kann nicht hoch genug veranschlagt werden. Die der Beratungen im Kreis der Sieben hat in einer für Aufrechterhaltung eines offenen Welthandels- mich eindrucksvollen Weise das enge, freundschaft- systems durch die Rezessionsjahre 1974 und 1975 liche und vertrauensvolle Verhältnis zwischen un- hindurch gehört zu den wichtigsten und positivsten seren beiden Ländern und deren Regierungen bestä- Unterschieden dieser Phase im Vergleich mit derje- tigt. Vielleicht darf ich persönlich hinzufügen: Die nigen vor viereinhalb Jahrzehnten, Anfang der 30er Vereinigten Staaten haben mit Jimmy Carter einen Jahre. neuen Präsidenten, der mit Tatkraft und Energie an Dieser Unterschied, die sehr viel glücklichere die Probleme seines Landes und an die Probleme der Konstellation der Welt heute — nach Weltinflation, westlichen Welt herangeht. nach Zusammenbruch des Weltwährungssystems, (Beifall) nach der Ölkrise —, ist aber der Welt eben nicht in den Schoß gefallen, sondern es hat dazu auf allen Das Gespräch mit dem neuen Ministerpräsidenten Seiten großer Anstrengungen bedurft. Ich darf wohl von Japan, Fukuda, hat erneut gezeigt, daß zwi- hervorheben, daß wir Deutschen dabei unseren in- schen unseren beiden Ländern und ihren beiden ternationalen Beitrag geleistet haben: erstens mit Regierungen — vor allem im Bereich der Wirt- unserer internen Stabilitätspolitik, die uns eine Auf- schafts- und Energiepolitik — eine weitgehende wertung der Deutschen Mark ermöglicht hat, eine Übereinstimmung und der Wille zu enger Zusam- Aufwertung, die die Deutsche Mark immer wertvol- menarbeit bestehen. Das wird in Zukunft auch nach ler gemacht hat, allein von Anfang 1976 bis heute — außen noch deutlicher sichtbar werden. nicht ganz 18 Monate — erneut um 17 %, zweitens 1820 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977

Bundeskanzler Schmidt dadurch, daß wir, teils auf Grund dieser Aufwertung, — Wissen Sie, lieber Freund, wenn Sie auf solche teils auf Grund einer frühzeitig eingeleiteten Rezes- Konferenzen gingen, würden Sie über das Lob, das sionsbekämpfung, teils auf Grund der von uns her- die 13- undesrepublik Deutschland dort erfahren hat, beigeführten Stärkung der inländischen Nachfrage mit stolzgeschwellter Brust nach Hause kommen. eine starke Importsteigerung für die Bundesrepublik (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Jen Deutschland ausgelöst haben, die natürlich für un- ninger [CDU/CSU] : Sie haben es auch drin sere Partner eine Exportsteigerung und damit für sie gend! nötig gehabt!) eine Beschäftigungsstimulierung war; drittens haben wir international dazu beigetragen durch unsere Kre- Die Fortschritte, die seit Rambouillet und Puerto dite, genauer gesagt, unsere Währungskredite, un- Rico bei der Überwindung der Rezession von Pro- sere Zahlungsbilanzhilfen, durch die wir solchen duktion in der Welt und Welthandel gemacht wor- unserer Partner und Handelspartner, die von Defi- den sind und die die Weltwirtschaft auf den Weg ziten in ihrer Leistungsbilanz, in ihrer Handels- und der Expansion zurückgeführt haben, können uns Zahlungsbilanz bedroht waren, gemeinsam mit eini- hier in Deutschland nicht aus der Pflicht entlassen, gen anderen Staaten geholfen und sie in den Stand die Arbeitslosigkeit weiterhin unermüdlich anzu- gesetzt haben, weiterhin international zu funktionie- gehen. Es bedarf und bedurfte dazu keiner beson- ren, was auch heißt, weiterhin unsere eigenen Ex- deren Hinweise durch andere. porte kaufen und bezahlen zu können. Die Bundesregierung hat zusammen mit anderen So konnte es gelingen, zu verhindern, daß in vie- Regierungen in London erklärt — Sie finden das in len Staaten Zahlungsbilanzdefizite von bisher in der der gemeinsamen Erklärung —, daß sie zu ihrem Weltwirtschaftsgeschichte nicht dagewesenem Um- Wachstumsziel für die Fortsetzung des Erholungs- fange den freien Welthandel gefährdeten. Es konn- prozesses einsteht und daß sie ein etwaiges spür- ten die Gefährdungen des freien Welthandels und bares Abfallen der Entwicklung von diesem Kurs damit zusätzliche Gefährdungen der Arbeitsplätze nicht untätig hinnehmen würde. Dies ist nicht nur überall vermieden werden. Wir setzen uns deshalb ein Lippenbekenntnis. Wir zeigen das durch das gemeinsam mit unseren Partnern auch zukünftig da 16-Milliarden-Programm für Zukunftsinvestitionen. für ein, daß die Möglichkeiten des Internationalen Zusammenhang damit — das Programm hat Ihn Währungsfonds, des IMF, zur Finanzierung von Zah- natürlich bei den Diskussionen in London eine Rolle lungsbilanzdefiziten weiter ausgebaut werden. Ich gespielt — möchte ich hervorheben: Es kommt füge gleich hinzu, daß dies nicht erfolgen wird, ohne jetzt für uns alle darauf an, die Chancen dieses Pro- dem Währungsfonds seine große Autorität zu er- gramms "schnell und voll zu nutzen. Es war — auf halten, durch die der IMF hilft, die Wirtschaftspoli- Grund der nicht ganz einfachen Zusammenarbeit tik von Defizitländern auf einen gesunden- Weg zu- von Bund und Ländern — kein einfacher und kein rückzugeleiten. kurzer Weg bis zur Verabschiedung dieses Pro- Ich kann die Bedeutung der Verhinderung von gramms. Am Nachmittag des 6. Mai — des Tages, Handelsrestriktionen auch unmittelbar für uns an dem abends in London die Beratungen began- Deutsche, für die Sicherheit gerade unserer Arbeits- nen — haben die Ministerpräsidenten der Länder — plätze nicht hoch genug veranschlagen. Wir sind wenn auch unter gewissen Vorbehalten des einen die zweitgrößte Handelsnation der Welt und sind hier und des anderen dort — dem gemeinsamen deswegen auch in unserer Beschäftigung an der Programm ohne Einschränkungen zugestimmt. außenwirtschaftlichen Flanke nun einmal ganz be- sonders verwundbar. Ich appelliere an alle, die in den Städten, in den Gemeinden, bei den Ländern und in den Verwaltun- Die Bundesregierung sieht sich durch London gen des Bundes durch dieses Programm zusätzliche auch in ihrem Standpunkt bestärkt — Sie finden Mittel und Aufgaben bekommen, diese Mittel jetzt das in den Eingangspassagen der Erklärung von schnell in zusätzliche effektive Nachfrage umzu- London —: Die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen münzen. schaftspolitische Aufgabe Nr. 1. Das ist die wirt (Beifall bei der SPD und der FPD) Kommuniqué sagt hierzu in lapidarem Klartext: Inflation ist kein Heilmittel gegen Arbeitslosig- Die Gespräche in London zur Energiepolitik ha- keit, sondern eine ihrer Hauptursachen. ben sicher in besonderem Maß zum besseren Ver- ständnis der wechselseitigen, ja keineswegs überall (Beifall bei der SPD und der FDP) übereinstimmenden Interessen und Meinungen auf Sie wissen, daß das vor vier oder acht Wochen im diesem sehr komplexen Gebiet beigetragen. Ein- internationalen Konzert noch ein wenig anders mütig ist die Auffassung — auch dies finden Sie in klang. der Erklärung —, daß Kernenergie zunehmend zur (Unruhe bei der CDU/CSU) Deckung des Weltenergiebedarfs erforderlich ist — — Ich verstehe die Unruhe auf seiten der Oppo- trotz aller Möglichkeiten zur Energieeinsparung im sition nicht. Sie sollten froh sein, daß das endlich allgemeinen und in den Vereinigten Staaten von durchgesetzt werden konnte! Amerika im besonderen, die in die Wirklichkeit umgesetzt werden sollen und müssen. (Beifall bei der SPD und der FDP —Redde mann [CDU/CSU]; Ausgerechnet Sie! — Unmittelbar im Zusammenhang damit steht mit Franke [CDU/CSU] : „Lieber 5 % Infla ähnlichem Gewicht die Notwendigkeit, die Inter- tion ..." ! — Weitere Zurufe von der nationale Zusammenarbeit zur Vermeidung der Ge- CDU/CSU) fahr einer Ausbreitung von Atomwaffen und einer Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1821 Bundeskanzler Schmidt Ausbreitung der Fähigkeit, Atomwaffen herzustel- Die Bedeutung des Nord-Süd-Dialogs für den len, fortzuentwickeln. Frieden in der Welt und für die Funktionstüchtig- Fachleute der sieben in London beteiligten Län- keit der Weltwirtschaft ist unbestritten. Das Wohl der werden in den nächsten zwei Monaten eine vor- der Entwicklungsländer und das Wohl der Industrie- läufige Studie über die denkbaren Wege zu diesen länder sind eng miteinander verknüpft. Die Entwick- beiden Zielen anfertigen und vorlegen. Sodann wer- lungsländer sind gleichberechtigte Pa rtner der Indu- den die Probleme in größerem Kreis erörtert wer- strieländer, und beide können ihre Interessen nur den. Freilich ist bei der Schwierigkeit der Materien im Ausgleich miteinander befriedigen. Dabei kom- nicht mit schnellen Ergebnissen zu rechnen. Ich er- men die wirtschaftlichen Fortschritte der Entwick- innere daran, wie lange seinerzeit gearbeitet und lungsländer später uns in den Industrieländern zu- verhandelt worden ist, ehe es zum Nonprolifera- gute. Die Entwicklungsländer tragen damit auch tionsvertrag kam. zur Sicherung unserer Arbeitsplätze bei. Sie haben Anspruch auf unsere Solidarität, was auch in dem Diese Diskussionen werden nicht von den Indu- zum Ausdruck kommt, was bisher ebenso auf dem strieländern unter sich geführt werden können. Län- Gebiete der bilateralen Entwicklungshilfe wie auf der der Dritten Welt, insbesondere die sogenannten dem der multilateralen Entwicklungshilfe geleistet Schwellenländer, müssen nach unserer festen Über- worden ist. zeugung möglichst bald einbezogen werden. Im An- hang zur Londoner Erklärung wird bestätigt, daß die Die in London gemeinsam erklärte Bereitschaft, Nichtverbreitungsmaßnahmen gleichermaßen für die einzelne Rohstoffabkommen unter dem Dach eines Industrieländer und die Entwicklungsländer an- gemeinsamen Fonds ins Auge zu fassen, und das nehmbar sein müssen. Übrigens haben wir natürlich Angebot, die Exporterlöse der Entwicklungsländer die multilateralen, aber auch die bilateralen Ge- — nicht aller Rohstoffländer, sondern die Export- spräche genutzt, um auf den dringenden Bedarf an erlöse der Entwicklungsländer — zu stabilisieren, Kernbrennstoffen von Ländern, zu denen auch wir sind ebenfalls Ausdruck dieser Solidarität. Dabei gehören, Ländern mit nur unzureichenden Vorräten unterstützen wir Deutschen — eben im Interesse an fossilen Primärenergieträgern — Öl, Kohle, der Funktionstüchtigkeit der Weltwirtschaft, auf die Braunkohle, Erdgas — hinzuweisen, den diese Län- wir alle gemeinsam angewiesen sind — mit Nach- der für die Sicherung ihrer Energieversorgung druck dieses Konzept der Erlösstabilisierung für die haben. Exporte der Entwicklungsländer nicht erst seit dem Europäischen Rat in Rom oder seit London, sondern Wie Sie wissen, hat Präsident Carter unmittel- schon seit dem Wirtschaftsgipfel von Rambouillet bar vor seiner Abreise nach London die Zustimmung heute vor zwei Jahren. zu schon seit langer Zeit beantragten Lieferungen- angereicherten Urans gegeben; eine Entscheidung, Ich möchte an dieser Stelle hervorheben, daß die die zugleich Verständnis für die Partner und Reali- Bundesregierung schon seit langem die Auffassung tätssinn beweist. vertritt, das Verhältnis zu den Entwicklungsländern Ich habe den Eindruck — und es waren sehr offen- betreffe nicht nur die westlichen Industrieländer, herzig geführte, drei Stunden dauernde Gespräche sondern auch die östlichen, die Staaten des zu diesem Punkt —, daß durch diese Gespräche Comecon. einerseits auf nordamerikanischer Seite — ich be- (Beifall bei der SPD und der FDP) ziehe Kanada und die kanadische Regierung hier Die östlichen Industrieländer ziehen im steigenden ein — das Verständnis für die Lage der europä- Umfang Vorteile aus der weltwirtschaftlichen Ar- ischen Partner und Japans weiter gewachsen ist. beitsteilung. Sie sollten sich daher nicht entziehen, Aber ich will auch genauso gern einräumen, daß wenn es um gesteigerte Hilfe und um Ressourcen wir — ich nehme an, wohl alle Sieben — aus diesen transfer zugunsten der Entwicklungsländer geht. Gesprächen zusätzliche Erkenntnisse und Denk- (Zuruf des Abg. Strauß [CDU/CSU]) ansätze gewonnen haben. Gerade weil hier keine Lösungen fix und fertig auf dem Tisch liegen — Wir sind in London übereingekommen, die Come- niemand kann sie auf den Tisch legen —, gerade con-Staaten zur Beachtung dieser Verpflichtung deswegen waren die Offenherzigkeit und die Rück- einzuladen. haltlosigkeit, mit der diese Gespräche geführt wur- (Beifall bei der SPD und der FDP) den, politisch besonders ermutigend. Ein letzter Hinweis zum Nord-Süd-Verhältnis. Im Einen Markstein hat die Konferenz schließlich Sinne eines konstruktiven Dialogs, im Sinne der auch gesetzt auf dem Weg zum für uns alle wich- Erzielung eines Ergebnisses am Schluß dieses Dia- tigen Erfolg des Nord-Süd-Dialogs in der sogenann- logs in diesem Sommer, das wir doch suchen, kann ten KIWZ, der Konferenz über internationale wirt- es auf seiten der Ölländer, der OPEC-Länder, wie schaftliche Zusammenarbeit, die ja die Industrie- auf seiten der Entwicklungsländer nicht um ein länder gemeinsam mit den Erdöl- und den Entwick- einseitiges Nehmen gehen, sondern diese Gruppen lungsländern in Paris durchführen. Auf dem Weg von Staaten müssen auch etwas geben, wenn die zu diesem Dialog befinden sich die sieben Teil- weltwirtschaftlichen Beziehungen neu stabilisiert nehmerstaaten von London und die Europäische und verbessert werden sollen. Hierzu sollen die Gemeinschaft gegenwärtig. Wir werden alles in Entwicklungs- und Ölländer durch die Gewähr- unseren Kräften Stehende tun, um einen erfolgrei- leistung der Sicherheit von ausländischen Pri- chen Abschluß dieser Konferenz in der Pariser vatinvestitionen auf ihrem Boden, in ihrer Wirt- Avenue Foch zu erreichen. schaft, beitragen; denn auch sie brauchen die Privat- 1822 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Bundeskanzler Schmidt investitionen. Wenn es in Zukunft keine mehr gäbe, innert, daß die Entspannung ernsthaft beeinträchtigt könnten wir mit staatlichen Entwicklungshilfen würde, wenn die im Viermächteabkommen eingegan- allein die Entwicklung der Entwicklungsländer ganz genen Verpflichtungen nicht eingehalten werden gewiß nicht finanzieren. sollten. Diese Erklärung ist später von allen Part- (Beifall bei der SPD und der FDP) nern des Nordatlantischen Bündnisses bekräftigt worden, und ich denke, daß sie in West und Ost Ich sage es noch einmal: Die Entwicklungs- und die Öl- verstanden worden ist. länder sollen durch Gewährleistung der Sicherheit ausländischer Privatinvestitionen in ihren Staaten Ich stimme mit Generalsekretär Honecker überein, beitragen. Die Ölländer sollen außerdem durch die wenn er sagt, wie wir es heute in den Nachrichten- Zusicherung eines ausreichenden und kontinuierli- diensten lesen können, daß das Abkommen für den chen Erdölangebots dazu beitragen. westlichen Teil Berlins Zukunftschancen eröffnet hat. Ich kann allerdings nicht beipflichten, daß es im Die Bundesregierung hat es übrigens als positiv Viermächteabkommen nur um West-Berlin, nur um empfunden, das erstmals auch der Präsident der Berlin (West) gehe. Kommission der Europäischen Gemeinschaft am Lon- (Beifall) doner Gipfeltreffen teilnahm. Es heißt im Viermächteabkommen im Text, daß die (Beifall bei der SPD, der FDP und Abgeord Vier-Mächte-Rechte und -Verantwortlichkeiten aus neten der CDU/CSU) der Kriegs- und Nachkriegszeit für Berlin von die- Es ist ja bekannt, daß wir uns beim letzten Euro- sem Abkommen nicht berührt werden. Wir wollen päischen Rat in Rom sehr dafür eingesetzt hatten. nicht mehr, als das Abkommen tatsächlich gegeben Ich denke, daß die Kombination von angelsächsi- hat; aber an dem, was es gegeben hat, wollen wir schem Pragmatismus, der Roy Jenkins auszeichnet, festhalten. mit dem Gewicht der Kommission in Zukunft dazu (Beifall) führen wird, daß der gegenwärtige Anfang auch aus- Das Treffen der Staats- und Regierungschefs des gebaut wird. Bündnisses, das sich an dieses Vierer-Gespräch an- (Beifall bei der SPD, der FDP und Abgeord schloß, gehört zu den bedeutsamen Ereignissen in neten der CDU/CSU) der Geschichte der Allianz. Nachdem sich in Portu- Lassen Sie mich nun zu der Konferenz des Nord- gal ein Demokratisierungsprozeß vollzogen hat, wa- atlantischen Bündnisses übergehen. Wie schon seit ren in diesem Frühjahr zum ersten Mal in der vielen Jahren üblich, war dieser Konferenz eine Be- Geschichte des Bündnisses alle 15 Partnerstaaten durch demokratisch gewählte Repräsentanten ver- gegnung zwischen den drei Westmächten und der Bundesrepublik Deutschland vorgeschaltet,- der Drei treten. Mächte, die besondere Verantwortung für Berlin (Beifall bei der SPD und der FDP) und Deutschland tragen. Bei dieser Gelegenheit ha- Auf diese Gemeinsamkeit der geistigen und poli- ben die Staats- und Regierungschefs eine Berlin-Er- tischen Grundlagen hat der Staatspräsident Portu- klärung verabschiedet, die sich klar und entschieden gals in seiner Eröffnungsansprache mit Recht hinge- zu den Voraussetzungen äußert, die für die Lebens- wiesen. Hierbei dürfen wir Deutschen daran denken, fähigkeit und für die Sicherheit der Stadt unabding- daß wir der jungen portugiesischen Demokratie in bar sind und bleiben. Ich freue mich, daß auch die kritischer Stunde, als die Freiheit dort keineswegs Opposition bereits die hohe Qualität dieser Erklä- gesichert war, nicht nur gedanklich und mit Worten, rung, die ja schon vor einigen Tagen veröffentlicht sondern auch mit Taten geholfen haben. Wir dürfen, worden ist, wenn ich es richtig sehe, ohne Einschrän- ohne unbescheiden zu sein, feststellen, daß wir kung anerkannt hat. einen erheblichen Beitrag zur Stabilisierung in Por- Gleichwohl möchte ich die leitenden Gedanken tugal geleistet haben, der ein Stück europäische noch einmal hervorheben: Strikte Einhaltung und Solidarität war. Wir werden diesen Beitrag auch in volle Anwendung des Viermächteabkommens sind Zukunft noch ausweiten. wesentlich für die Vertiefung der Entspannung, für (Beifall bei der SPD und der FDP) die Aufrechterhaltung der Sicherheit und für die Ein ganz klein bißchen dürfen wir auf diesen Teil Entwicklung der Zusammenarbeit in ganz Europa. aktiver deutscher Außenpolitik in den letzten Jah- Zum anderen weisen die Drei Mächte Versuche ent- ren auch stolz sein. schieden zurück, die Rechte und Verantwortlichkeiten der Drei Mächte und der Sowjetunion in bezug auf Die Teilnahme von Präsident Carter hat die enge Berlin und Deutschland als Ganzes in Frage zu stel- Verbundenheit zwischen Nordamerika und Europa len. Zum dritten wird die hohe Bedeutung der Bin- auf diesem Treffen des Rates des Nordatlantischen dungen zwischen Berlin und dem Bund hervorgeho- Bündnisses eindrucksvoll bestätigt. Carter hat er- ben, insbesondere das Recht der Bundesrepublik klärt, daß dieses Bündnis das Kernstück der ameri- Deutschland zur Vertretung Berlins nach außen. kanischen Außen- und Sicherheitspolitik sei und Zum vierten wird der enge Zusammenhang hervor- bleibe. Er hat sich mit Nachdruck für rechtzeitige gehoben, der zwischen der politischen Lage Berlins und eingehende Konsultationen in allen wichtigen und seiner wirtschaftlichen Entwicklung besteht. politischen, militärischen und wirtschaftlichen Fra- Und schließlich haben die Drei Mächte ihre Ver- gen ausgesprochen, und er hat die Bedeutung der pflichtung bekräftigt, die Sicherheit Berlins weiter- europäischen Einigung für diese Allianz gewürdigt. hin zu garantieren. Die Sowjetunion wird daran er- In meiner Rede vor dem Rat — sie wird wohl mor- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1823 Bundeskanzler Schmidt gen hier veröffentlicht werden — habe ich gesagt: wirtschaft insgesamt genauso unerläßlich wie die Der Konsensus über die militärische Strategie ist zuvor genannten Komponenten. Dies war sowohl für den europäisch-amerikanischen Zusammenhalt auf dem Weltwirtschaftsgipfel als auch in der Rats- von entscheidender Bedeutung. Ich habe hinzuge- tagung des Nordatlantischen Bündnisses gleicher- fügt, daß die militärische Strategie nur ein Teil der maßen klar, und es wurde gleichermaßen von vie- Gesamtstrategie ist, die das Bündnis insgesamt und len so ausgesprochen. Die Überwindung der Welt- gemeinsam verfolgen muß. Die Zusicherung Präsi- wirtschaftskrise ist für die Erhaltung der westlichen dent Carters, daß Amerika zum geltenden Kon- Gemeinschaft genauso wichtig wie deren Fähigkeit, zept, zum geltenden militärstrategischen, verteidi- sich zu verteidigen. Genauso wichtig ist und bleibt gungsstrategischen Konzept der flexible response die Verringerung der Reibungsflächen zwischen steht und daß Amerika am Prinzip der Vornevertei- West und Ost, um den Frieden zu sichern. digung festhält, ist für uns in diesem Zusammen- (Beifall bei der SPD und der FDP) hang von besonderem Gewicht. Darüber gab es keine Meinungsverschiedenheit. Das Bündnis hat Beschlüsse gefaßt, die darauf abzielen, die politische Zusammenarbeit zu stärken Ich selbst habe in meiner Rede im Rat des Bünd- und die Verteidigungsbereitschaft zu erhöhen. nisses, für die Menschen unseres Staates und für diejenigen Deutschen sprechend, die ihre Stimme Der Rat wird die langfristigen Tendenzen des Ost nicht offen erheben können, weil sie auf der anderen West-Verhältnisses untersuchen und ihre Auswir- Seite der Linie leben, die Europa teilt, gesagt, daß es kungen auf das Bündnis und die etwa daraus zu für unsere deutsche Nation, für diese geteilte Nation, ziehenden Konsequenzen bewerten. wo die eine — größere — Hälfte hier und die klei- Die Verteidigungsminister sind beauftragt, ein nere Hälfte drüben leben und wo es schwierig ist, langfristiges Programm zu entwickeln, um die Ver- zueinander zu kommen, miteinander zu sein, von teidigungsbedürfnisse der 80er Jahre zu untersuchen ganz besonderer Bedeutung ist, daß der Prozeß der und um die Verteidigungsanstrengungen des Bünd- Entspannung fortgesetzt werde, weil unsere Men- nisses wirksamer zu gestalten. schen die Teilung, die Trennung ganz besonders empfinden — physisch, geistig und tief in ihrer Wir begrüßen ferner,, daß der amerikanische Prä- Seele — und weil nur in einem spannungsfreien sident erklärt hat, die Rüstungszusammenarbeit zwi- Europa dieser Zustand, dieser besondere Zustand, schen den Verbündeten, insbesondere zwischen in dem die deutsche Nation leben muß, gemildert Europa und Nordamerika, solle keine Einbahnstraße werden kann. Ich bin sicher, daß diese Schilderung sein — wir haben das sehr unterstrichen und ange- der Gefühle der Deutschen im NATO-Rat, die dort - nagelt —, er habe für den Waffenkauf, für den Kauf Eindruck hinterlassen hat, nicht nur die Gefühle von Ausrüstungsgegenständen in Europa Weisungen der Deutschen, die in diesem Staat leben, sondern erteilt, und daß er konkrete Vorschläge für besser auch die Gefühle aller Deutschen zutreffend wieder- ausgeglichene Zusammenarbeit gemacht hat. Dies gegeben hat. entspricht den Vorstellungen, die viele europäische Regierungen und auch die Bundesregierung seit Jah- (Beifall bei der SPD und der FDP und bei ren vertreten haben. Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, wir sagen unseren Meine Damen und Herren, eine Ratssitzung des eigenen Bürgern, die übrigen 14 Regierungschefs Bündnisses beschäftigt sich mit vielen Gegenstän- sagen ihren Bürgern und wir sagen zu insgesamt den, dabei auch mit dem Ungleichgewicht im klas- 15 Ländern der Welt nichts Neues, wenn wir gleich- sischen militärischen, d. h. im sogenannten konven- wohl hervorheben wollen und abermals betonen tionellen, Bereich, mit einer Reihe von Tatsachen, wollen: Das Bündnis dient der Strategie des Friedens. die niemand übersehen oder bagatellisieren darf. Wir haben das in unserem Beitrag gegenüber den in Neben der militärischen Komponente — der Ab- London versammelten Staats- und Regierungschefs schreckung eines eventuellen Angreifers und der Er- der Allianz gesagt, und die Sorge, die uns dieses haltung der Fähigkeit, sich selbst zu verteidigen — Ungleichgewicht bereitet, wird im Kommuniqué des steht die politische Zielsetzung, die schließlich doch Bündnisses auch beim Namen genannt. alles überwölben muß. Aus ihr entsteht die konse- Vielleicht darf ich hier einfügen, daß wichtige po- quente Bemühung um den Abbau bestehender Span- nungen und um die Verkleinerung aller den Frieden litische Texte eigentlich gelesen werden sollten, be- vor jemand gegen sie polemisiert und sich über sie gefährdenden Reibungsflächen. öffentlich abfällig äußert. Es ist ganz klar, daß Entspannungspolitik keine s (Beifall bei der SPD und der FDP) -wegs eine mit leichter Hand unternommene, keine zur Aufweichung wirksamer Verteidigung unter- Ich halte es nicht für gut — und das habe ich im Rat nommene Operation ist. Im Gegenteil, nur Vertei- auch gesagt —, wenn einzelne Generale des Bünd- digungsfähigkeit, Gleichgewicht und Entspannung nisses, einzelne Journalisten in unseren Staaten und zusammen können uns dem Ziel, den Frieden noch ebenso einzelne Politiker in unseren Staaten von sicherer zu machen, näherbringen. Zeit zu Zeit dieses bestehende Ungleichgewicht dra- matisieren. Dabei ist die Komponente des engen Zusammen- wirkens zur Festigung der wirtschaftlichen Stabili- (Strauß [CDU/CSU] : Maulkorb?) tat und damit der sozialen Stabilität innerhalb der Wir haben keinen Grund, Angst zu verbreiten. Im Staaten unseres Bündnisses und innerhalb der Welt- Gegenteil, wir haben allen Grund, Zuversicht zu 1824 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Bundeskanzler Schmidt verbreiten; wir stehen nämlich in unserer Sicher- wieder getan. Meine Ausführungen dazu, deren heit gut dal Text morgen hier veröffentlicht werden wird, haben (Beifall bei der SPD und der FDP) dort Zustimmung gefunden. Ohne daß ich auf die Polemiken eingehen will, die Die Teilnehmer der Londoner Gipfeltreffen waren mir aus den letzten Tagen seitens einzelner Opposi- sich auch darin einig, daß entschiedenes Eintreten tionspolitiker schriftlich vorliegen: Ich kann Ihnen für die Rechte und die Würde des einzelnen, der nur sagen, das, was hier einige von Ihnen schreiben, Person innerhalb und außerhalb der eigenen Staats- würde, vorgetragen im Rat des Nordatlantischen grenzen Grundelement ihrer Politik ist und bleiben Bündnisses oder in der Siebener-Konferenz in wird. Es gab gar keinen Zweifel daran, daß es dar- Downing Street 10, manche der Herren, die so schrei- auf ankommt, den Menschen nicht durch polemische ben und so reden, in dieselbe Lage bringen, in der Rhetorik, sondern praktisch zu helfen, daß sie ihre sie seit Beginn der Entspannungspolitik immer ge- Rechte erhalten und in Anspruch nehmen können. wesen sind,' nämlich in die Isolation. Präsident Carter hat in diesem Zusammenhang in (Beifall bei der SPD und der FDP) London klar gesagt: Die Vereinigten Staaten gehen im konstruktiven Geiste der Kooperation und nicht Meine Damen und Herren, zurück zu dem beste- im Geiste der Konfrontation nach Belgrad. henden Ungleichgewicht auf dem Felde der klassi- (Beifall bei der SPD und der FDP) schen Bewaffnung, der konventionellen Waffen: Man muß das im Zusammenhang mit dem großen An die Adresse eines Kollegen gewendet, der strategischen Gespräch zwischen der Sowjetunion sich in erstaunlicher Weise und in erstaunlicher und den Vereinigten Staaten sehen. Die amerikani- Sprache schriftlich zu diesem Teil der Londoner sche Regierung bemüht sich darum, durch ein neues Beratungen geäußert hat, kann ich nur dies sagen: Abkommen mit der Sowjetunion, SALT II genannt, Es haben ja auch schon frühere Regierungen und ein die strategischen atomaren Waffen, nämlich die, die früherer Außenminister, der mit ihm gemeinsam von Kontinent zu Kontinent reichen, in ein stabiles der Union angehört, Erfahrungen gemacht, was des- Gleichgewicht, in Parität zu bringen. Wir hoffen sen Versuche von Tritten in die Kniekehlen der sehr, daß die beiden Weltmächte dabei Erfolg haben Regierungen angeht. Ich will hier nicht darauf ein- werden. Dieser Wunsch, daß die beiden Weltmächte gehen. Ich kann dem Abgeordneten, der sich in die- darin Erfolg haben mögen, wird von allen Partnern ser erstaunlichen Sprache geäußert hat, nur sagen, im Westen geteilt. daß der amerikanische Präsident und die Regierung Wenn es nun aber gelingt, die großen strategi- des United Kingdom und die Regierung Frankreichs schen Nuklearwaffen, die von Kontinent zu Konti- und die Regierung Japans und die Regierung Ita- nent reichen, mit ihrer ungeheuren Zerstörungs- liens und die Regierung Kanadas und die deutsche kraft tatsächlich und auch formell — vertraglich — Bundesregierung in dieser Frage alle ganz gleich in ein Gleichgewicht zu bringen, dann wird es um denken. Unterlassen Sie den Versuch, hier Spal- so mehr darauf ankommen, daß nicht auf niedrigerer tungen in das westliche Bündnis hineintreiben zu Ebene, nämlich bei den konventionellen Waffen, bei wollen! den Bodentruppen, den Panzern, der Artillerie, den (Lebhafter Beifall bei der SPD und der unterstützenden Luftstreitkräften, ein Übergewicht FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Herr einer Seite bestehenbleibt. Benneter!) Es gibt, ganz theoretisch gesprochen, zwei Mög- Ich möchte von dieser Stelle aus allen Konferenz- lichkeiten, auch hier, auf dieser konventionellen teilnehmern in London für die offenen, für die kon- Ebene, zu einem Gleichgewicht, zur Parität zu kom- struktiven und für die von gegenseitigem Verständ- men. Man könnte auf der einen Seite aufrüsten, ins- nis getragenen Gespräche in Downing Street dan- besondere zunächst auf westlicher Seite, um das ken. Die hervorragende Atmosphäre und das posi- Gleichgewicht zu erreichen; dann würde allerdings tive Ergebnis dieser Gespräche verdanken wir nicht die andere Seite nachziehen, dann wieder der We- zuletzt dem meisterhaften Vorsitz des Gastgebers, sten, und damit hätten wir jene Rüstungsspirale, des britischen Prime Minister Jim Callaghan. wie man sie aus der Vergangenheit kennt. (Beifall bei der SPD und der FDP) Theoretisch könnte man sich auf der anderen Sei- Es ist in den letzten Jahrzehnten ein bisher einmali- te auch durch Abschmelzung, durch Verringerung ger Vorgang, daß die Staats- und Regierungschefs nach unten hin auf ein gleichmäßiges niedrigeres zu derart eingehenden und die ganze Breite der Niveau einigen, auf eine auf beiden Seiten der internationalen Probleme umfassenden Beratungen Gleichung — ich sage: Gleichung — kollektive Ge- zusammengetreten sind. samtstärke. Dies ist das Ziel der von den beteiligten Bündnispartnern gemeinsam erarbeiteten Haltung Herr Präsident, ich bin aus London mit dieser für die Wiener Verhandlungen, die unter dem Stich- Überzeugung zurückgekehrt: wort MBFR geführt werden. Seit neun Jahren, seit 1968 treten die 'Bundesregierungen — dies gilt für Erstens. Die Länder der westlichen Gemeinschaft diese Bundesregierung ebenso wie für deren Vor- — und dazu gehört Japan - haben ihren Zusam- gängerinnen — für eine beiderseitige Verminderung menhalt und ihre Fähigkeit zu gemeinsamem Han- der Streitkräfte ein, die zu einem ausgewogenen, deln bewiesen. Sie werden die drängenden Pro- balancierten Ergebnis, zu einer ausgewogenen Glei- bleme in gemeinsamer Anstrengung lösen. chung führen soll. Wir haben das auch in London (Beifall bei der SPD und der FDP) Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1825 Bundeskanzler Schmidt Zweitens. Die Politik der Bundesregierung ist in Es ist hier nicht die Zeit, auf diese Vorgänge im die Haltung der Gemeinschaft der westlichen Staa- einzelnen einzugehen, aber jeder weiß, was damit ten eingebettet. Die Ergebnisse der drei Londoner gemeint ist. Wenn man immer wieder feststellt, daß Gipfeltreffen entsprechen voll der von der Bundes- die Lebensfähigkeit Berlins gestärkt werden muß, regierung vertretenen Politik. wenn man nach privaten Investitionen ruft — Sie wissen ja, daß die Investitionen in Berlin im Jahre (Beifall bei der SPD und der FDP) 1976 gegenüber früheren Jahren erheblich zurückge- Drittens. Wir Deutschen haben zu einem unserer gangen sind —, dann sollte die Bundesregierung hier Bedeutung angemessenen Teil dazu beigetragen, mit gutem Beispiel vorangehen. diese gemeinsame Position mitzugestalten. All dies (Sehr richtig! bei der CDU/CSU) stärkt mein und unser Vertrauen in die Zukunft. Es ist nicht Feigheit, und es nicht eine Ausrede, (Beifall bei der SPD und der FDP) wenn namhafte und zahlungsfähige Vertreter der Die Bundesregierung wird diesen Weg, der in Lon- deutschen Wirtschaft sagen: Wenn schon die Bun- don gemeinsam so deutlich, so besonders deutlich desregierung nicht den Mut hat, den Sitz der Natio- bezeichnet wurde, konsequent fortsetzen, und sie bit- nalstiftung in Berlin festzulegen, wie kann man dann tet dafür um die Unterstüzung dieses Hauses. von uns verlangen, daß wir von Jahr zu Jahr grö- (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD ßere Investitionen in Berlin tätigen sollen? und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU) Hier folgt der Handel der Flagge und nicht um- Präsident Carstens: Meine Damen und Herren, gekehrt. ich eröffne die Aussprache über die Regierungserklä- rung. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Strauß. Ich darf ferner unsere Zustimmung zu dem Fünf- punkteprogramm des amerikanischen Präsidenten auf dem NATO-Treffen bekunden, ohne im einzel- Strauß (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Damen nen auf alle Punkte eingehen zu können. Aber wenn und Herren! Nach der Regierungserklärung des der amerikanische Präsident einen zusätzlichen Bei- Herrn Bundeskanzlers, die allerdings einige für den trag der USA, also eine Stärkung der konventionel- Stil von Regierungserklärungen merkwürdige Ein- len Streitkräfte durch die USA, unter der Bedin lagen aufweist, gung, daß die Verbündeten desgleichen tun, in Aus- (Beifall bei der CDU/CSU) sicht stellt, dann muß doch für eine Vermehrung darf ich im Namen der Fraktion der CDU/CSU- Stel- des Rüstungsstandes der NATO in Europa durch die lung nehmen. Für uns ist es selbstverständlich, daß Amerikaner und — nach dem Gesetz der kommuni- wir, wie wir es auch schon zu Beginn dieser Woche zierenden Röhren — durch die Verbündeten eine getan haben, uneingeschränkt unsere Zustimmung Notwendigkeit bestehen. Warum diese Notwendig- keit besteht, braucht hier nicht noch einmal eigens zu dieser Berlin-Erklärung bekunden und ihre hohe Qualität unterstreichen. ausführlich dargelegt zu werden. (Beifall bei der CDU/CSU) In diesem Zusammenhang, Herr Bundeskanzler, Sie trägt offensichtlich die Handschrift des neuen haben Sie das Thema gefälscht, wenn Sie den Kol- amerikanischen Präsidenten, legen Jaeger angreifen. Der Angriff des Kollegen Jaeger richtete sich doch nicht gegen die Bundes- (Dr. Marx [CDU/CSU]: Eindeutig!) wehr. Das ist eine Ihrer üblichen Verdrehungen, und das ist gut so. den Akzent ganz anders zu legen, als er ursprüng- (Beifall bei der CDU/CSU) lich gesetzt worden ist. Wenn der Kollege Jaeger Ihre Warnung, man solle das militärische Über- Ich weiß noch, wie höhnisch oder polemisch damals, gewicht der Sowjetunion auf konventionellem Ge- als das Berlin-Abkommen ausgehandelt wurde, biet in Europa nicht dramatisieren, kritisch würdigt, meine Kritik vermerkt wurde, es wäre gut, in die- so ist es das gute Recht eines jeden Abgeordneten, sem Abkommen keine Unklarheiten zu ermöglichen; eine solche Würdigung vorzunehmen. Wohin kämen denn mit Recht berufen sich die drei Westmächte wir denn, wenn ein Abgeordneter nicht mehr das und die Bundesrepublik darauf, daß das Berlin-Ab- Verhalten oder eine Äußerung des Regierungschefs kommen für Berlin als Ganzes gilt. Aber hat man einer kritischen Würdigung unterziehen dürfte! das auch dem Verhandlungspartner am Konferenz- tisch gesagt und in kodifizierter Form mit seiner (Beifall bei der CDU/CSU) Unterschrift festgehalten? Ich möchte nur diese kri- Hören Sie doch auf mit dieser Maulkorb-Politik, tische Erinnerung ins Gedächtnis zurückrufen. die Sie hier ständig durch Verfälschung des Themas Erlauben Sie mir gerade in diesem Zusammenhang betreiben wollen! nur noch ein kurzes Wort zu Berlin. Wir danken (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU) unseren Bundesgenossen, gerade den drei westlichen Garantiemächten, für ihre klare Haltung. Aber diese Im übrigen steht doch in dem Schlußkommuniqué klare Haltung sollte auch durch eine Politik in Berlin der Londoner NATO-Konferenz — ich zitiere wört belohnt werden, die nicht darin besteht, diese Stadt lich —. ständig mehr und mehr herunterzuwirtschaften. Besonders besorgniserregend ist das ständig (Beifall bei der CDU/CSU) anhaltende 1826 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Strauß — man hätte sogar ruhig formulieren dürfen: „das Man muß dem amerikanischen Präsidenten zu- ständig ansteigende" ; aber das ist mein Zusatz — stimmen, wenn er eine verstärkte Zusammenarbeit Offensivpotential der Streitkräfte des War- in der Rüstung fordert, vor allen Dingen wenn er — in der deutschen Übersetzung kommt das nicht schauer Paktes. für alle ganz verständlich zum Ausdruck — vor Das ist es doch, was uns alle beunruhigen muß. Doppelarbeit warnt. Dieses Thema gibt es, solange (Zustimmung bei der CDU/CSU) es das Atlantische Bündnis gibt. Die Reden, Be- schlüsse, Kommuniqués, die zur Standardisierung Wir rufen doch nicht zu einem panikartigen Ver- der Waffen, zu einer sinnvollen Arbeitsteilung bei halten auf. Wir sind nicht die Väter der Formel der Waffenentwicklung und Waffenerzeugung auf- „Lieber rot als tot". Das sind andere. Die müssen rufen, füllen schon ganze Bibliotheken. Deshalb muß Sie zum Teil bei Ihren Freunden suchen, nicht bei man gerade bei diesem Punkt sagen — und das tue uns. ich in genauer Erinnerung, in fast wehmütiger Er (Beifall bei der CDU/CSU) innerung an die vielen, vielen Jahre nutzloser Ent- Daß das Offensivpotential des Warschauer Paktes schließungen, tönender Reden, hochtrabender Kom- ständig zunimmt, ist doch die Ursache dafür, daß muniqués —, daß wir an den Ergebnissen messen Präsident Carter einen zusätzlichen amerikanischen werden. Dazu gehört auch, daß ein einwandfrei bes- Beitrag und vermehrte Anstrengungen der europäi- seres Waffensystem, das in Europa entwickelt wird, schen Bündnispartner für notwendig hält. Eine an- von unseren amerikanischen Freunden ohne Be- dere Erklärung kann es doch für den, der lesen, rücksichtigung lobbyistischer Interessen dann auch schreiben und denken kann, nicht geben. Darum ist für die amerikanischen Streitkräfte vorgesehen wird. es eine Verfälschung des Themas, wenn Sie dem Ich meine damit das Waffensystem des Leopard II. Kollegen Jaeger unterstellen, sein Angriff richte (Beifall bei der CDU/CSU) sich gegen die Bundeswehr. Ich möchte den Vorschlag des amerikanischen Ich bin wahrlich ein überzeugter Anhänger der Präsidenten, ein Two-Way-System über den Atlan- Bundeswehr und habe das oft genug bewiesen. Aber tik hinüber und herüber einzuführen, mit allem sind wir denn schon wieder so weit, in den deutsch- Nachdruck begrüßen, aber bitten, dann diesen Wor- nationalen Größenwahnvorstellungen zu denken, ten auch die entsprechenden Taten folgen zu lassen. daß die deutsche Bundeswehr allein ausreiche, die- Herr Bundeskanzler, bei der Gelegenheit — und ser Bedrohung Herr zu werden, daß die Feststel- es handelt sich ja hier um Steuergelder — darf ich lung, es bestehe ein Übergewicht, schon als eine darum bitten, daß in einer Frage von großer finan- Herabsetzung der Bundeswehr bezeichnet wird? zieller Tragweite, in der dieses Haus immer ge- Solche Kritik haben wir ja im „Dritten Reich"- ge- schlossen war, nämlich beim Bau eines europäischen hört. Großraumflugzeuges ein transatlantisches Hindernis (Zurufe von der SPD: Na, na!) beseitigt wird. Die Europäer haben Zollfreiheit für Wenn sich jemand ein kritisches Wort gegenüber amerikanisches Fluggerät eingeführt. Die Ameri- der deutschen Wehrmacht erlaubte, waren solche kaner verlangen für europäisches Fluggerät immer Töne zu hören. Wir sind überzeugte Freunde und noch einen bei dieser Größenordnung recht schmerz- Anhänger der Bundeswehr. Wer aber den Kampf- lichen Zoll. Auch der muß abgebaut werden, wenn geist und die Kampfkraft der Bundeswehr schwächt, freier Wettbewerb und vernünftige Lösungen in der das sind diejenigen, die die Lage falsch darstellen, Bewältigung des Luftverkehrsbedarfs gefunden wer- die die Gefahr verharmlosen, die von einer sinn- den sollen. losen Dramatisierung der Gefahr reden, und nicht (Beifall bei der CDU/CSU) zuletzt diejenigen, die die Bundeswehr parteipoli- Vielleicht gab es auch Geheimgespräche bei die- tisch polarisieren. ser Konferenz. Ich würde das nicht kritisch vermer- (Beifall bei der CDU/CSU) ken, oder etwa negativ bewerten. Da wir aber nichts davon wissen, möchte ich nur einmal die Frage stel- Ich möchte auf dieses Thema hier nicht näher len: Wann wird innerhalb der NATO einmal die eingehen, Frage aufgeworfen, wie der Verteidigungsauftrag definiert werden muß angesichts der Änderung der (Friedrich [Würzburg] [SPD] : Zu London Bedrohung? Ich bin nicht für überseeische Aben- haben Sie nichts zu sagen!) teuer — damit Sie mich nicht falsch verstehen —, aber es wird in diesem Hause noch zur Sprache weder nach der Ostrichtung noch nach der Südrich- kommen, und zwar sowohl im Verteidigungsaus- tung. Daß aber heute die europäische Sicherheit schuß wie auch hier im Plenum dieses Hauses. durch die Vorgänge im Mittelmeerraum und südlich (Friedrich [SPD] : Zum Thema!) des Mittelmeerraumes von Nordafrika bis zum Kap entscheidend beeinträchtigt wird, kann in dem Zeit- Wenn der amerikanische Präsident zusätzliche alter, in dem es für Nachrichtentechnik, Verkehrs- . Beiträge der Amerikaner und der Europäer für not- technik und Zerstörungstechnik keine Grenzen mehr wendig hält, möchte ich fragen: Wie vereinbart sich gibt, doch hoffentlich kein Zweifel bestehen. Ent- das mit den merkwürdigen Vorschlägen des Kolle- spannung ist im Gegensatz zu Ihrer mehrmals ge- gen Brandt zur Lösung der MBFR-Problematik in äußerten Meinung, Herr Bundeskanzler, auch geo- Wien? graphisch unteilbar. (Dr. Marx [CDU/CSU]: Sehr gut!) . (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1827 Strauß Ich danke dem Herrn Außenminister dafür, daß er Bundeskanzler, geben Sie doch lieber zu, daß Sie das seinerzeit — im Gegensatz zu einer sehr törich- hier — völlig überflüssig und auch unklug, für uns ten Äußerung des Bundeskanzlers — jedenfalls für schädlich und gefährlich — Kritik an der Haltung seine Person in aller Form klargestellt hat. des amerikanischen Präsidenten in der Bürgerrechts- frage geäußert haben. Es wäre auch sehr aufschlußreich, zu wissen, war- um man eigentlich gegenüber der französischen (Beifall bei der CDU/CSU) Hilfe für ein strategisch und wirtschaftlich bedeut- Es ist nicht die Aufgabe einer Konferenz, solche sames afrikanisches Land — ich meine damit Zaire Gegensätze hochzuspielen, sondern Lösungen zu — eine so gegensätzliche und kontroverse Haltung finden. Aber hier ist nur eine verbale Lösung ge- innerhalb des Bündnisbereichs eingenommen hat. Ich funden worden. Man sagt, man setze sich gemein- nehme nicht zur Entscheidung des französischen sam für die Bürgerrechte — stellen Sie sich einmal Staatspräsidenten Stellung. Daß aber hier eine ernst- vor, man sagte das Gegenteil, man setze sich für hafte Gefährdung vorlag und daß sie wie üblich Unrecht an den Bürgern ein; es gibt doch nur eine durch stellvertretende Truppen auf stellvertreten- einzige idealistische, theoretische Begründung —, dem Kriegsschauplatz betrieben worden ist, darüber darüber bestehe Übereinstimmung. Das bestreitet gibt es nach Meinung nicht nur der NATO-Stäbe niemand. Aber Sie haben den amerikanischen Präsi- und aller Nachrichtendienste wohl keinen Zweifel, denten in Ihrer schulmeisterlichen Art hart gerüffelt, auch wenn sich die Kubaner nach Eintreffen der weil er sich öffentlich für die Bürgerrechtsbewegung marokkanischen Truppen, ursprünglich aus dem in den kommunistisch regierten Ländern eingesetzt Hintergrund instruierend und operierend, dann sehr hat. schnell hinter die Grenze zurückgezogen haben. Die riesigen Beutebestände an Waffen und Munition, an Ich habe mich zu dieser Frage, glaube ich, auch Verpflegung und anderen Ausrüstungsgegenständen, schon von dieser Stelle aus geäußert. Ich habe ge- die alle aus Beständen der sowjetrussischen Armee sagt: Man muß natürlich bei jeder Stellungnahme stammen, machen deutlich, woher diese Offensive zu dieser Frage prüfen, wer was sagen soll. Ich bin gesteuert worden ist. der Meinung, daß es auch hier innerhalb des Bünd- nisses eine gute Arbeitsteilung geben kann. Aber (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU] : Sehr man darf dann den amerikanischen Präsidenten nicht richtig!) allein lassen. Die Problematik ist, daß es, wenn der Ich nehme hier nicht zu den Verhältnissen in die- amerikanische Präsident die Stimme erhebt, nicht sem Lande, das ich zufälligerweise einigermaßen nur um die Frage der Menschenrechte herüben und kennengelernt habe, sondern nur zu der strategi- drüben geht, sondern daß bei einer solchen Diskus- schen Frage Stellung. Wenn ein europäisches- Land sion dann natürlich auch machtpolitische Größenord- wie Frankreich im Verbund mit einem finanzkräfti- nungen automatisch zum Tragen kommen. Gerade gen Land und einem afrikanischen Land dabei hilft, deshalb bin ich der Meinung, es wäre besser, wenn dieser Bedrohung entgegenzuwirken, dann sollte sich die militärisch schwachen Europäer für die Bür- das nicht Anlaß sein, dieses Land sozusagen bloß- gerrechtsbewegung eingesetzt hätten und das mili- zustellen, sondern dann sollten solche Probleme im tärisch starke Amerika dadurch in den Stand gesetzt Bündnisgeiste besprochen und so schnell wie mög- hätten, sich hier etwas zurückhaltender in der Öf- lich durch gemeinsame Planung gelöst werden. fentlichkeit äußern zu können. (Beifall bei der CDU/CSU) Trotzdem sagen wir dem amerikanischen Präsi- denten Dank, daß er sich, obwohl besonders von Erlauben Sie mir, Herr Bundeskanzler, auch ein Bonn — dem zweitwichtigsten Bundesgenossen, wie Wort zu Ihrer Kritik an einem Abgeordneten, des- es immer heißt — im Stich gelassen, zu dieser Frage sen Namen Sie nicht nennen wollten — darum tue so klar und eindeutig geäußert hat. ich es mit Ihrer Erlaubnis an Ihrer Stelle —, zur Kri- tik des Grafen Huyn. Auch hier haben Sie mit der- (Beifall bei der CDU/CSU) selben Methode, wie es bei Ihrem Angriff gegen den Wenn der Bundeskanzler auch in seiner Regie- Kollegen Jaeger geschehen ist, glatt das Thema ver- rungserklärung das Eintreten für die Bürgerrechte fälscht. Graf Huyn hat mit keiner einzigen Silbe in der Öffentlichkeit als „rhetorische Polemik" ab- Zwietracht in das Bündnis hineintragen wollen, son- getan hat, dann meint er doch damit in erster Linie dern er hat sich auf Ihr Interview, vor nicht allzu lan- den amerikanischen Präsidenten, mit dem er sich in ger Zeit der „Stampa" gegeben, berufen. Die „Stam- London — „Sag doch Jimmy zu mir." — „Ja, wenn pa" ist ja überhaupt ein Veröffentlichungsorgan für Du zu mir Helmut sagst" — in dieser Frage doch so sozialdemokratische Politiker. Ich denke an das Inter- schön geeinigt hat. view mit Herrn Ehmke. Es soll deswegen ja einigen Ärger gegeben haben. In der „Stampa" hieß es: (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU) „Die Menschenrechte trennen Bonn und das Weiße Hier gibt es eine Grenze des auf diesem Gebiet Zu- Haus." Es hieß dort weiter, der deutsche Bundes- mutbaren. kanzler habe sich nicht gescheut, seinen ganzen Zorn — „furore" heißt es hier — über die neue (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Auch für Sie, Außenpolitik Carters preiszugeben, deren Schuld es weil Sie dummes Zeug reden! — Weitere sei, die Deutschen nicht gefragt zu haben, bevor sie Zurufe von der SPD) mit eingelegter Lanze für die Menschenrechte der — Ihre Reaktion, genauso wie die Rede des Bundes sowjetischen Dissidenten ins Feld ritten, usw. Herr kanzlers, beweisen doch nur eines: die ungeheure 1828 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1973 Strauß und zunehmende Nervosität in Ihren eigenen Rei- tion, bei der alle, zum Teil auch schwerwiegenden hen. politischen Gegensätze ausgeklammert wurden. (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der Ebenfalls wie früher gab es auf dem Londoner Gipfel SPD) heilige Gelübde, die von den einzelnen Teilnehmer- Ich möchte hier ausdrücklich, auch im Namen der staaten genauso wie frühere Gelübde bei Anlässen ähnlicher Art bestimmt nicht so ernst genommen gesamten Fraktion der CDU/CSU, — — werden, wie sie verbal beschworen worden sind. (Zuruf von der SPD: Das muß man immer dazusagen!) Im übrigen, Herr Bundeskanzler: Was ist aus der Absichtserklärung von Rambouillet geworden, die — Sonst würde ich sagen: es ist meine private Mei- Wechselkurspolitik enger aufeinander abzustim- nung. men? Das gehört doch auch zu diesen Gelübden, (Dr. Hammans [CDU/CSU] : Sonst würde er die nie gehalten worden sind. es sagen! — Reddemann [CDU/CSU]: Schä (Dr. Graf Lambsdorff [FDP]: Doch!) fer kann nicht mal zuhören!) Was ist aus den Antiinflations-Fanfaren von Puerto Hier sage ich im Namen der Fraktion der CDU/CSU, Rico geworden? Unmittelbar nach dem letzten Gip- daß wir in zwei gewichtigen Problembereichen un- fel im Jahre 1976 — um den schönen Ausdruck sere Zustimmung zur Haltung der Bundesregierung „Gipfel" beizubehalten; es ist ja die Eigenart von bekunden. Ich sage es jeweils nur in einem Satz. Gipfelkonferenzen, daß sie auf Talsohlen stattfin- Erstens. Die Bundesregierung konnte — wenn sie den und ihre Höhen sich in Nebel hüllen —, nicht ihr Ansehen verspielen, vertragsbrüchig wer- (Heiterkeit bei der CDU/CSU) den und deutsche Interessen schädigen wollte — nicht anders handeln, als den Vertrag mit Brasilien haben Sie am 30. Juni hier erklärt — ich zitiere Sie einzuhalten und sich durch nichts von diesem Ver- wörtlich mit einem Satz —: „Ich stelle mit Genug- trag abbringen zu lassen. tuung fest, daß nach allgemeiner Überzeugung in Puerto Rico die Rezession der führenden Industrie- (Beifall bei der CDU/CSU) länder nunmehr überwunden ist." Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU und ge- (Heiterkeit bei der CDU/CSU) nauso ich haben das bei der letzten Kernenergie- Sie haben sich ein knappes Jahr später mit genau besprechung im Hause des Bundeskanzlers im klei- denselben Problemen, deren Lösung Sie in Puerto nen Kreise gesagt. Ich stehe nicht an, das auch hier Rico als bereits erfolgt angedeutet haben, in Lon- in der Öffentlichkeit zu sagen. don wieder beschäftigen müssen. Zweitens. Wir bekunden unsere Zustimmung da- Doch jetzt, zehn Monate später, stellen wir fest: zu, daß ein uns ursprünglich zugemutetes- großes Wir haben weniger Hoffnungen, und wir haben inflationär wirkendes Programm zur Wirtschaftsbe- noch mehr Risiken. Zaghaftes Wachstum wird durch lebung, praktisch ein Programm der Geldvermehrung, nationale und internationale Verteilungskämpfe be- abgelehnt worden ist. Hier bekunden wir ausdrück- droht. Die ungelösten Zahlungsbilanzprobleme vie- lich unsere Zustimmung; ler Industrie- und Entwicklungsländer haben sich lei- (Beifall bei der CDU/CSU) der verstärkt. Ein erneutes Aufflammen der Infla- denn das Problem ist nicht mehr die Frage der Geld- tion bei manchen Partnern und nicht zuletzt die menge. Geld ist genug da. Es ist nur nicht immer an Gefahr, daß der Welthandel trotz der schönen Worte der richtigen Stelle, von London durch restriktive Maßnahmen einge- schränkt wird, sind schwerwiegende Hypotheken für (Lachen bei der SPD — Heiterkeit bei der unsere Zukunft. Die gegenwärtige wirtschaftliche CDU/CSU) Lage ist unsicherer geworden, als sie zur Zeit der und es besteht kein Vertrauen, es richtig auszu- Gipfeltreffen von Rambouillet im November 1975 geben. Wir haben gar nichts davon, wenn sich in den und von Puerto Rico im Juni 1976 war. Man konnte Tresoren der Bundesbank große Schätze häufen. Wir damals noch der Öffentlichkeit weismachen, die Re- haben gar nichts davon, wenn in den Großbanken zession 1975 und ihre Folgen könnten durch eine gewaltige Mengen für Kredite zur Verfügung ste- Politik der Nachfrageankurbelung überwunden wer- hen, die nur zaghaft in Anspruch genommen wer- den. Es zeigt sich heute, daß viele Regierungen den — aus den Gründen, die Sie kennen. Darum der Inflation und der Arbeitslosigkeit hilflos gegen- sagte ich: Geld ist genug da. Es ist nur nicht an der überstehen. richtigen Stelle, und es wird nicht richtig ausge- Der Aberglaube, man könnte durch Inflation die geben. Arbeitslosigkeit vermeiden oder verhindern, mußte Reden und Kommuniqués — und das gilt auch für endlich aufgegeben werden. Das ist der teuerste London — sagen aus, was geschehen oder erreicht Lernprozeß, den es in der Weltgeschichte jemals werden müßte. Sie sagen aber leider nicht aus, was gegeben hat, bis man diesen Aberglauben abge- wiklich geschieht und erreicht wird. Uns interessie- wickelt hat. ren weniger die Erkenntnisse, sondern uns interessie- (Beifall bei der CDU/CSU) ren die Ergebnisse, die dann dabei herauskommen. Herr Bundeskanzler, wir kennen Sie, und deshalb Ähnlich wie die Gipfelkonferenzen von Ram- sind wir auf manches gefaßt. Aber ich muß sagen: bouillet und Puerto Rico endete auch der Londoner Ich bewundere Sie, Weltwirtschaftsgipfel mit einer Harmoniedemonstra- (Beifall bei der SPD und der FPD) Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1829 Strauß wie Sie hier diese Weisheit vertreten haben, man Wenn das Geld, das wegen dieses Aberglaubens, könne durch Inflation doch nicht die Arbeitslosigkeit von höchster Stelle vertreten, verschwendet worden abbauen oder aufheben. ist, für die Schaffung von Ausbildungsplätzen für Jugendliche verwendet worden wäre, dann gäbe es Wie viele Helmut Schmidts gibt es eigentlich? das Problem überhaupt nicht. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU) Da gab es doch einmal einen Doppelgänger von Das Kernübel, Herr Bundeskanzler — mangelndes Ihnen, der gesagt hat: „Wir Deutschen vertragen Vertrauen in die wirtschaftspolitische Zukunft —, 5 % Inflation leichter als 5 % Arbeitslosigkeit" und ist in London zwar angesprochen worden. Doch die- der damit als Praeceptor Germaniae vorgetäuscht ser Vertrauensverlust ist durch ein internationales hat oder vortäuschen wollte, man könnte die Ar- Politshowgeschäft nicht zu beseitigen. Tatsache ist, beitslosigkeit durch eine in Kauf genommene Infla- daß inzwischen auch die breite Weltöffentlichkeit tion von 5 % verhindern. die Hilf- und Bewegungslosigkeit mancher Regie- rungen sowie die Verantwortungslosigkeit gewisser Dann gab es einen anderen Doppelgänger. Auch Gruppen der Gesellschaft gegenüber den Problemen der hieß . der Inflation und der Arbeitslosigkeit erkannt hat. (Heiterkeit bei der CDU/CSU — Zuruf von Bei uns hat der Bundeskanzler immer wieder den der CDU/CSU: Dreifachgänger!) Eindruck zu erwecken versucht, alle unsere wirt- — Ja, „Dreifachgänger" muß man schon sagen. Der schaftlichen Schwierigkeiten — früher die Inflation, sagte: Stabilität, das ist so ein Modewort; das küm- heute die Arbeitslosigkeit — hätten ihren Grund in mert mich viel weniger, als es anscheinend andere der internationalen Wirtschaftlage. Das ist falsch kümmert. Waren auch das Sie? und aus dem Munde eines Kundigen eine bewußte Unwahrheit. (Heiterkeit bei der CDU/CSU) (Zustimmung bei der CDU/CSU — Zuruf Oder ist bei Ihnen schon eine Seelenwanderung ein- von der SPD) getreten? (Erneute Heiterkeit bei der CDU/CSU) — Da gibt es nur die Alternative: Entweder nicht kundig, dann ist es falsch; wenn kundig, dann ist Haben Sie da Bewußtseinsorgane verpflanzt? es eine bewußte Unwahrheit. (Andauernde Heiterkeit bei der CDU/CSU) Niemand bestreitet die Wechselwirkungen zwi- Hat bei Ihnen ein psychologischer Barnard gewirkt,- schen Inland und Ausland. Aber seit Jahren leben (Wiederholte Heiterkeit bei der CDU/CSU wir immer stärker vom Export. Die Rezession be- — Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Der Bun gann bei uns im zweiten Halbjahr 1973, als unser destag ist doch kein Kabarett!) Export und der Welthandel noch Hochkonjunktur hatten. Als bei uns im Jahre 1974 das Wachstum der Teile Ihrer Verstandesmaschine ausgewechselt erstmals zum Stillstand kam und die Arbeitslosig- hat? keit langsam, aber sicher anstieg, ging das Wachs (Fortgesetzte Heiterkeit bei der CDU/CSU) tum des Welthandels zurück. Aber genau in diesem Denn Sie haben mit Nachdruck immer die These Jahr 1974 hatten wir den höchsten Außenhandels- vertreten, daß man durch so eine Politik der leichten überschuß in der Geschichte der Bundesrepublik, Hand und des leichten Geldes diese Probleme lösen nämlich 51 Milliarden DM. An diesen Tatsachen könne. kann man sich doch nicht durch magische Beschwö- rungen der Unwahrheit und falscher Kausalitäten (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Sind Sie un einfach vorbeidrücken. ter die Kabarettisten gegangen?) Herr Kollege Brandt — — Daran, daß es bei uns zu einer Million Arbeitsloser als einer Dauererscheinung gekommen ist, ist nicht (Zuruf von der CDU/CSU: Er ist weg!) das Ausland schuld. Der Schuldige sitzt hier. Er — Bei dem Nachbarn ist es immer so schwierig, län- heißt Helmut Schmidt. ger auszuhalten. (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU) (Zuruf des Abg. Dr. Graf Lambsdorff [FDP]) Ich möchte keine Selbstverständlichkeiten wie- — Nein, da habe ich gesagt: Jetzt sucht er einen Ge- derholen. Aber sämtliche Mitglieder dieses Hauses sprächspartner. Sie müssen Ihr Gedächtnis aufpolie- wissen doch, daß wir, die CDU/CSU — ich darf ren. Wenn Sie nicht so giftig wären, Graf Lambs- mich als häufiger Redner zu diesem Thema auf dorff, würde Ihre Erinnerung besser funktionieren. diesem Platze selbstverständlich einschließen —, Hat nicht der erste Bundeskanzler dieser Koali- unzählige Male vor dem Aberglauben gewarnt ha- tion seit 1969 von diesem Platz aus verkündet, daß ben, man könne die Vollbeschäftigung durch Infla- der hohe Exportüberschuß, wie er in den Jahren tion garantieren. Herr Bundeskanzler, Sie haben 1968/69 eingetreten sei, eine schwerwiegende Be- jetzt offensichtlich Ihren zweiten Bildungsweg abge- lastung unserer Wirtschaft sei, einer Vernachlässi- schlossen. Aber Sie sind der kostspieligste Student gung im Aufbau der Bundesrepublik Deutschland der Bundesrepublik, Sie sind der teuerste Lehrling gleichkomme und jetzt Auslandsnachfrage zügig der deutschen Wirtschaft. durch Inlandsnachfrage ersetzt werden müsse? Da- (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU) mals hatten wir einen Anteil des Exportes am Brut- 1830 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Strauß tosozialprodukt — immer real gemessen — von einer Überforderung des Bruttosozialprodukts ge- etwa 22 %. Heute haben wir einen Anteil von 30 % führt. Deshalb ist das Schreien nach Inflationspro- erreicht. Wären wir nur bei den damals verdammten grammen anderer Länder zwecks Verbesserung der 22 % geblieben und hätten wir nicht die in den eigenen Exportchancen — früher der Ruf nach er- Augen der seit 1969 im Amt befindlichen Regierun- leichterten Kreditmöglichkeiten — kein Rezept zur gen noch verdammenswertere Quote von 30 °/o er- Lösung der Probleme, sondern nur eine Folge der reicht, dann hätte es die Million Arbeitsloser schon eigentlichen Ursachen, die auch in London weit- früher gegeben und wir wären heute beim Aufbau gehend in dem wohltätigen Dunkel der Konferenz- des Sockels einer zweiten Million Arbeitsloser. Der gefälligkeiten verborgen blieben. Wenn die starken Export hat doch bei uns keine Arbeitsplätze vernich- Industrieländer zusätzlich Inflationsprogramme tet. Wir haben Waren exportiert und Arbeitsplätze machten und zusätzliche Inlandsnachfrage auch auf importiert. Das ist die Wahrheit. Darum bitte ich Importe von Fertigerzeugnissen durchschlagen Sie, endlich mit dieser ständigen Beschwörung, die würde, könnten davon nur jene Länder profitieren, Sie bei einem ungeeigneten Anlaß wieder vorge- die international wettbewerbsfähig sind. Die Chan- nommen haben, aufzuhören, daß der wirtschaftliche cen der wirtschaftsschwachen Industrieländer wären Rückschlag eine Folge der internationalen Verflech- auch hier relativ gering. tung sei. Wir haben durch unseren Export mehr Ar- Ein Beispiel: Die Einfuhr der Bundesrepublik aus beitsplätze halten können, weil wir die Export- den starken Ländern — USA, Schweiz und Oster- quote haben steigern können. Sagen Sie aber ja reich — wuchs im Jahre 1976 um 25 %, die aus den nicht, das sei die Leistung der Bundesregierung. wirtschaftsschwachen Industrieländern stieg im glei- Wenn man hier überhaupt die Politik für so etwas chen Zeitraum nur um knapp 15 %. verantwortlich machen könnte, dann müßte hier ein Solche Scheinlösungen — wie Belebung der Welt- Name genannt werden: Ludwig Erhard. Denn ohne wirtschaft durch Inflationsprogramme — wären die soziale Marktwirtschaft wäre diese ungeheure keine Heilung der Krankheit, sondern nur eine kurz- Mobilität, Flexibilität, Elastizität, Anpassungs- und fristige Morphiumspritze zur Linderung der Schmer- Verkraftungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nie- zen. mals eingetreten. (Dr. Graf Lambsdorff [FDP] : Wer will denn (Beifall bei der CDU/CSU) das) Hier müssen wir dem Arbeiter, dem Unternehmer, — Das ist uns oft genug als Rezept zur Milderung dem Facharbeiter, dem Ingenieur und dem Kauf- oder Verhinderung der Arbeitslosigkeit hier ange- mann einen Dank sagen. Diese tüchtigen und fleißi- boten worden, Graf Lambsdorff. Wie gesagt, Sie gen Menschen haben das Schlimmste verhindert, müssen Ihr Gedächtnis in Ordnung bringen, dann ist nämlich eine zweite Million Arbeitsloser zu be- auch sonst alles wieder in Ordnung. kommen. Gerade die Bundesrepublik mit ihrem hohen Ex- Wir haben den Export steigern können, als an- portanteil würde die Inflation exportieren, das Infla- dere ihren Export einschränken mußten. Das ist tionsniveau der Handelspartner erhöhen und dann die Wahrheit, nichts anderes. Wir wollen aus dem mit Sicherheit Inflation reimportieren. Wenn Sie, Munde eines Regierungschefs, den wir ja als solchen Herr Bundeskanzler, in London ankündigten, die respektieren wollen, nicht dauernd mit Unwahrhei- Bundesrepublik werde an dem Ziel eines Wachs- ten gefüttert werden. tums von 5 % festhalten und notfalls nachsteuern, bleibt die Frage, wie Sie dieses Ziel eigentlich errei- (Beifall bei der CDU/CSU) chen wollen. Denn die Auftragseingänge sind seit In wichtigen europäischen Industriestaaten — Bun- Monaten, wie Ihnen hoffentlich bekannt ist, unbe- desrepublik, Frankreich, Italien und Großbritannien, friedigend, ausgenommen bei der Automobilindu- aber auch Belgien und Dänemark — steht die Wirt- strie. Die zum Wochenanfang veröffentlichten Zah- schaftspolitik im Spannungsfeld schwacher Regie- len vom März sind geradezu bedrückend. Wir sind rungsmehrheiten, ungeheurer öffentlicher Defizite, der Auffassung, daß wir zwar erst Mitte des Jahres einer munter weiterblühenden Inflation unter- in etwa abschätzen können, wie stark das Wachstum schiedlicher Größenordnung und einer munter wei- in diesem Jahre voraussichtlich ausfallen wird, aber terblühenden Inflation der Ansprüche, dazu in eini- jetzt doch schon so viel sagen können: Wenn die gen Staaten auch aggressiv gewordener Gewerk- wirtschaftliche Lage — und nichts spricht dafür, schaften, riesiger Zahlungsbilanzlücken und gewal- daß sie sich ändert — sich so weiterentwickelt, wie tiger Auslandschulden. sich die Auftragseingänge in den ersten drei Mo- naten des Jahres entwickelt haben, werden Sie die Bezeichnend für die Gipfelkonferenz ist die Tat- in London zugesagten 5 % nicht erreichen. Auch sache, daß sie auf der Talsohle stattgefunden hat alle Ankurbelungsprogramme nützen nichts; denn und daß sich, wie ich vorher sagte, ihre Höhen Sie wissen ganz genau, daß zwischen dem Beschluß allerdings in Nebel hüllen. Die eigentliche Problem- solcher Maßnahmen und dem Eintritt ihrer Wirkung stellung der Wirtschaftslage ist in London nicht an- ein Zeitraum liegt, der nicht innerhalb eines Jahres geschnitten worden, jedenfalls nicht öffentlich. Die zu messen ist, sondern im Jahre 1977 mit Sicherheit Anspruchsinflation der modernen Industriegesell- nicht endet. Außerdem fehlt es, wie sogar öffentlich schaft, die zunehmende Unregierbarkeit einzelner erklärt worden ist, an vergabereifen Projekten. Länder, die offenkundige Schwäche vieler Regie- rungen und der sie tragenden — Kollege Wehner Sie können sich, Herr Bundeskanzler, auf die würde sagen: schaukelnden — Parteien haben zu Dauer nicht um die durch nichts zu bestreitende Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, . Donnerstag, den 12. Mai 1977 1831 Strauß Wahrheit herumdrücken, daß nur eine radikale Können denn Sozialisten nicht aufhören, die Men- Senkung der Kostenbelastung der Wirtschaft mit schen in unserem Lande ewig mit neuen Gefahren, Einschluß der Steuern eine Wende herbeiführen mit neuen Drohungen, mit neuen Lasten in Angst kann. Diese Wende können Sie aber nicht voll- und Schrecken zu jagen? Müssen sie denn immer in ziehen, weil Sie nicht mehr Macher, sondern Ge- geradezu politsadistischer Weise an dem Problem machter sind, herumbasteln, wie man die Bürger am meisten är- (Beifall bei der CDU/CSU) gern kann? Dabei kommt nichts heraus außer Ihrem Debakel, das eintreten muß, damit unser Land wie- weil Sie trotz Ihrer besseren, in der Zwischenzeit der gesund wird. erworbenen Einsichten an der ideologischen Ver- blendung Ihrer sozialistischen Freunde gescheitert (Beifall bei der CDU/CSU) sind und deshalb von Grashalm zu Grashalm hüpfen. In den letzten Minuten meiner Rede möchte ich Wir werden sehen, was aus der überlebensgroßen Sie, Herr Bundeskanzler, an das erinnern — ich hof- Figur des Weltwirtschaftskanzlers von London zu fe, daß Ihr Gedächtnis Sie sofort in den Stand setzt, Hause im Irrgarten der SPD und ihrer Koalition in sich das in Erinnerung zurückzurufen —, was Sie den nächsten Monaten übrig bleibt, was übrig bleibt bei der Konferenz der Sozialistischen Parteien in von dem praeceptor mundi, von dem doctor gentium, Oslo am 1. April gesagt haben. Da haben Sie den von dem Lehrer der Völker, von dem weisen Hirten Mangel an Vertrauen in die Zukunft als einen der der Welt. Im Ausland ist es leicht, hier Ziele zu Gründe für die Rezession angeführt. Sie haben ge- setzen; aber daheim wird es immer schwieriger. sagt, daß die derzeitige Rezession zu weniger als 49 % wirtschaftliche, quantitative Gründe und zu (Lachen bei der CDU/CSU — Wiefel [SPD] : mehr als 51 % psychologische und politische Gründe Da klatschen nicht einmal Ihre eigenen hat. Wie haben Ihre Freunde uns hier bespottet, Leute !) verlacht, verhöhnt und polemisch beschimpft, wenn wir genau dasselbe an dieser Stelle gesagt haben! Wenn von 1970 bis 1976 die Lohnquote von 66,7 auf 70,1 % angestiegen ist, wenn die Staatsein- (Beifall bei der CDU/CSU) nahmequote von 33,1 % auf 39,8 % des Bruttosozial- Aber das Vertrauen, das die Voraussetzung für In- produkts zunahm und wenn in der gleichen Zeit die vestitionen ist, wie Sie in Oslo ja selbst bekundet Investitionsquote von 26,4 % des Bruttosozialpro- haben, können Sie nicht durch Appelle zurückgewin- duktes auf 20,8 % abgesunken ist, dann besteht zwi- nen. Das Schreckliche ist, daß immer gesagt wird, schen diesen Zahlen ein unmittelbarer Zusammen- was erreicht werden muß, daß aber niemals gesagt hang von Ursache und Wirkung. Da muß angesetzt wird, wie es erreicht werden soll, und gar nichts ge- werden. tan wird, damit dieses Ziel erreicht wird. (Beifall bei der CDU/CSU) Sie haben, Herr Bundeskanzler, den Unternehmern Es gibt nur eine Möglichkeit, die Rezession lang- und ihren Verbänden am 1. Mai wieder pessimisti- fristig zu überwinden, nämlich sich selbst mehr an- sche Nörgelei, Krittelei und Investitionsunlust vor- zustrengen, sich selbst mehr abzuverlangen, im na- geworfen. Sie haben gesagt, jetzt müssen die Unter- tionalen Bereich die Wirtschaft in Ordnung zu brin- nehmer zeigen, daß sie Unternehmer sind, Unterneh- gen; denn stability and growth begin at home. Aber mer und nicht Unterlasser. Lassen Sie doch dieses der Bundeskanzler hat auch heute keine Antwort halbklassenkämpferische Geschwätz, das nur auf das auf die Frage gegeben, wie er die Arbeitslosigkeit jeweilige Auditorium abgestellt ist! in der Bundesrepublik nunmehr überwinden will. Vom Bundesarbeitsminister soll der Plan erwogen (Beifall bei der CDU/CSU) worden sein, ein neues Arbeitsbeschaffungspro - Es gibt keinen Unternehmer in der Bundesrepublik, gramm mit 500 Millionen DM in Gang zu bringen. der der Opposition zuliebe eine aussichtsreiche In- Schon das letzte mit 450 Millionen DM hat doch to- vestition unterlassen würde. tal versagt; es sind nur 112 Millionen DM überhaupt (So ist es! Sehr richtig! bei der CDU/CSU) abgerufen worden. In Ihrer Fraktion, Herr Bundes- kanzler, hört man von neuen Plänen, eine Arbeits- Damit würden sich höchstens Ihre Parteikassen noch marktabgabe für Angestellte, Beamte, Freiberufler, mehr mit Spenden mehren als die unseren. Selbständige plus mithelfende Ehefrauen einzufüh- (Heiterkeit bei der CDU/CSU) ren. Diese Pläne zeigen, daß diese Ihre Partei- freunde — heute haben wir den 114. Gründungstag Aber es sind ja nicht nur die privaten Unterneh- der SPD, die 1863 in Hannover gegründet wurde -- mer, die nicht investieren, auch die öffentlichen seit der Zeit nichts dazugelernt haben. Unternehmer investieren weitgehend nicht genug, nicht so viel, wie sie investieren sollten. Zwischen (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD] Ihrer Rede in Oslo am 1. April, in der Sie auch den Schämen Sie sich nicht, Herr Strauß, daß Tarifpartnern, und zwar beiden, die Leviten gelesen das so billig ist?) haben, und zwar ganz gewaltig - sie dürften durch Auch der Vorschlag des Bundesarbeitsministers Eh- ihr Verhalten nicht zu der Krise beitragen; das sei renberg, eine Abgabe für Oberstunden einzuführen, verantwortungslos —, und Ihrer Rede einen Monat ist blühender Blödsinn. später, am 1. Mai, muß eine Operation stattgefunden haben. (Beifall bei der CDU/CSU) (Heiterkeit bei der CDU/CSU) 1832 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Strauß Denn der Helmut Schmidt von Oslo und der Helmut Geschicklichkeit sind bei Ihnen nicht neu. Deshalb Schmidt von Düsseldorf sind zwei miteinander nur sind Sie in der Hinsicht konservativ. durch äußere Ähnlichkeit vergleichbare Figuren. (Heiterkeit bei der CDU/CSU) (Erneute Heiterkeit und Beifall bei der Sie haben auch die Möglichkeit gehabt, Ihre harten CDU/CSU) Angriffe im Zusammenhang mit der Bürgerrechts- Sie hätten eigentlich das — das sage ich nicht einmal frage in London zu relativieren. All das ist schön boshaft —, was Sie in Oslo gesagt haben, in Düssel- und gut. Ich sage aber abschließend eines: Uns dorf sagen müssen. Dann hätten Sie in Oslo ruhig interessieren zwar die schönen Absichtserklärun- das sagen können, was Sie in Düsseldorf wirklich gen, aber noch mehr interessieren uns die Erkennt- gesagt haben. nisse, die jetzt zu Tage getreten sind. Noch mehr aber werden uns die Ergebnisse interessieren, die (Erneute Heiterkeit bei der CDU/CSU) als Folge der Schwüre von London in absehbarer Aber bezeichnend ist natürlich, was Sie in Oslo noch Zeit auf dem Tisch der öffentlichen Politik liegen dazu gesagt haben: „Ich bin überzeugt davon, daß müssen. Und dann kann ich Ihnen, Herr Bundes- es kein Vertrauen in die Zukunft geben kann, wenn kanzler, nur sagen: Bei Philippi sehen wir uns wie- man nicht die Wahrheit sagt. Sagt man dagegen die der, und dann wird es nicht der Geist Caesars, son- Wahrheit, sind die Leute überzeugt, daß man auf- dern der Geist Jimmy Carters sein, der Ihnen das richtig ist. Dann kann man Vertrauen schaffen." entgegenhält. (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU] : Siehe (Beifall bei der CDU/CSU) Renten!) Diesen Selbstappell, Herr Bundeskanzler, den Sie an Präsident Carstens: Das Wort hat der Abgeord- sich gerichtet haben, möchte ich hier im Namen der nete Wehner. ganzen Fraktion übernehmen. Sie haben doch in der Rentenfrage und in anderen wirtschaftlichen und sozialen Fragen einfach nicht die Wahrheit gesagt! Wehner (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regierungserklärung, die Bundeskanzler (Beifall bei der CDU/CSU) Helmut Schmidt heute hier dargelegt hat, verdient sowohl Dank für ihre Freimütigkeit als auch auf- Sie haben in Oslo eine interessante Wahrheit ge- merksame und gründliche politische Verwertung. sagt. Sie sagten, eine Wahrheit ist beispielsweise, Das sage ich im Namen der ganzen sozialdemokrati- daß man nicht alle diese Schwierigkeiten überwin- schen Bundestagsfraktion. den und gleichzeitig alle in der Zeit von 1973 an die Volkswirtschaft gestellten hohen Anforderungen (Beifall bei der SPD und der FDP) aufrechterhalten kann. Die Bundestagsfraktion der SPD dankt dem Bundes- (Dr. Marx [CDU/CSU] : Hört! Hört! Kann kanzler und dankt der Bundesregierung, besonders man da nur sagen!) den unmittelbar beteiligten Herren, dem Vizekanzler Hans-Dietrich Genscher und dem Bundesminister der So Helmut Schmidt in Oslo. Erinnern Sie sich, wie Finanzen, , der Herr Bundesfinanzminister — wie der Herr, so's Gescherr, sagt man in Bayern —, aber auch der Bun- (Beifall bei der SPD und der FDP) deskanzler selbst mich hier behandelt hat, als ich für das Zusammenwirken, das einen gewichtigen sagte, daß die Grenzen des Sozial- und Bildungs- Anteil unserer Bundesrepublik Deutschland an der staates erreicht, zum Teil überschritten seien und Londoner Konferenz — ich muß sagen: an den Lon- daß deshalb in Zukunft sorgsam überlegt werden doner Konferenzen - möglich gemacht hat. Wenn müsse, Sachplanung und Finanzplanung deckungs- die Botschaft von Downing Street eine Botschaft des gleich zu machen? In Oslo sagen Sie es, aber hier Vertrauens genannt worden ist und wird, dürfen haben Sie nicht den Mut, es vor Ihren Genossen zu wir unsererseits denen, die den deutschen Beitrag vertreten und mit der Tat durchzusetzen. Sie sind dazu geleistet haben, unser Vertrauen dafür bekun- nämlich Kanzler und nicht Abkanzler! Diesen Unter- den, daß sie sich in schwierigen Wetterverhältnissen schied scheinen Sie manchmal nicht begriffen zu als vertrauenswürdig erwiesen haben. haben. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD und der FDP) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir Als ich gestern, am Tag vor der Regierungserklä- begrüßen es trotzdem, daß die Londoner Konferenz rung und der ihr folgenden Debatte, einiges darüber stattgefunden hat. nachzudenken hatte, wie dies wohl sein werde, habe ich geschrieben: Dem Bundestag ist zu wünschen, (Lachen und Beifall bei der SPD) daß sich alle Seiten der Bedeutung bewußt sind, die Sie hat dem Bundeskanzler die Möglichkeit gege- dieser Regierungserklärung und ihrer Aufnahme in ben, zerschlagenes Porzellan wenigstens wieder zu der Debatte zukommt. Und ich fuhr fort: Wenn im kitten. Sie hat ihm die Möglichkeit gegeben, Herrn Schatten der Trauer um das Hinscheiden Ludwig Carter zum Wahlsieg zu gratulieren, nachdem er Erhards, des ältesten Mitglieds des Deutschen Bun- sich während der amerikanischen Wahlperiode in destages, Verantwortungsbewußtsein und wechsel- einem Interview in „Newsweek" sehr heftig für seitiger Respekt der parlamentarischen Repräsen- den Wahlsieg von Herrn Ford eingesetzt hatte. tanten die unvermeidliche Auseinandersetzung prä- Aber solche Leistungen höherer staatsmännischer gen, wird das sowohl unserer demokratischen Le- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1833 Wehner bensform als auch den Notwendigkeiten der Bonner was ihm in der heute morgen erschienenen und nun- Politik entsprechen. mehr natürlich auch überall von vielen Leuten ge- (Beifall bei der SPD und der FDP) lesen werdenden Wochenzeitschrift zugeschrieben worden ist, nun heute hier darlegen wird. Er hat es Mein Vorredner, der Herr Vorsitzende der CSU, auf eine unnachahmliche Weise getan. hat heute im Namen der Opposition und ihrer Frak- (Beifall bei der SPD und der FDP — Heiter tion von einer Regierungserklärung mit einigen keit) „merkwürdigen- Einlagen" gesprochen, und er hat eigentlich nur einem Teil dessen, was aus London Er hat, was den Wirtschaftsgipfel betrifft, von einer berichtenswert war, wie er sich ausgedrückt hat, „Harmoniedemonstration" geredet und auch davon, die uneingeschränkte Zustimmung gegeben, näm- was eigentlich aus den Absichtserklärungen von lich der Berlin-Erklärung und, wie er sich ausdrückt, Rambouillet und von Puerto Rico geworden sei, aus ihren Konsequenzen. Er hat dabei daran erinnert, aus ihnen gemacht worden sei. Er sprach überhaupt daß beim Abschluß des Berlin-Abkommens er es generell von Wirtschaftsgipfeln, die sich „in Nebel gewesen sei, der höhnisch behandelt worden sei, hüllen". Herr Strauß, ich habe mir so dabei gedacht: weil er sie für ganz Berlin in Anspruch genommen Ein Glück, daß der Bundeskanzler Schmidt dort war habe. und nicht Sie. (Zuruf des Abg. Strauß [CDU/CSU]) (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP) Er hat nunmehr wohl die Genugtuung, daß er spät „recht bekommen" hat. Er hat dies aber gleich noch Ich muß gestehen — ich betone dies daß ich die damit geschmückt, daß er sagte, daß diese Stadt Regierungserklärung nicht nur voll und ganz, son- heruntergewirtschaftet werde. Das ist wörtlich von dern auch in ihren Details ohne Einschränkung un- ihm so gesagt worden. terstütze. (Beifall bei der SPD und der FDP) (Zurufe von der CDU/CSU: Stimmt ja auch! — Leider wahr!) Das ist nicht irgendein bloßes Bekenntnis, sondern das ist meine Überzeugung nach dem, was ich in die- Er hat dann als ein Mann, der auch der finanzpoli- ser Nacht - es war schon Morgen, unter uns ge- tische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion ist — und, sagt — schließlich in einem Rohentwurf sehen konn- wie wir alle wissen, nicht nur Sprecher, sondern te. Ich will hier nicht den Versuch machen, aus der auch Denker; er war ja eine ganze Reihe von Jah- Regierungserklärung das eine oder andere heraus- ren der Bundesminister der Finanzen —, plötzlich zuheben und hervorzuheben. Das käme mir nicht zu. diesen Vergleich eigentümlicher Art hineinge- Ich möchte aber besonders auch, aber nicht nur des- bracht: Wenn schon die Bundesregierung nicht- den halb, weil der Herr Dr. Strauß Mut habe, Berlin als Sitz der Nationalstiftung zu bestimmen, wie sollten denn dann die Unternehmer (Zuruf von der CDU/CSU: „h. c." !) dort investieren?! — Herr Strauß, ich weiß, daß Sie hier gesagt haben wollte, wie das denn eigentlich genau wissen, daß das zwei völlig unvergleichbare mit Krisenerscheinungen vor sich gegangen sei und Posten sind welchen Anteil unsere Regierungen daran hätten, (Beifall bei der SPD und der FDP) an dieser Stelle meinen Dank an die Ministerpräsi denten der Länder aussprechen, die zusammen mit und daß es sich dabei um Bezugnahmen handelt, der Bundesregierung in einer gemeinsamen Erklä- die — ich weiß nicht, warum — auf jeden Fall rung am 6. Mai — sie ist hier erwähnt worden einem anderen Zweck dienen als dem, zu zeigen, bekundet haben — ich zitiere —: daß die Stadt von denen, die dort parlamentarisch die Verantwortung tragen, „heruntergewirtschaftet" Bund und Länder werden ein gemeinsames wird. mehrjähriges Investitionsprogramm zur wachs- (Dr. Althammer [CDU/CSU]: Das kann ja tums- und umweltpolitischen Vorsorge, ein Pro- niemand bestreiten!) gramm für Zukunftsinvestitionen durchführen. — Ich verstehe, daß Sie Ihrem Sprecher Unterstüt- Dies wird von der Bundestagsfraktion von der SPD zung gewähren wollen und auch müssen. Das ist mit Dank an alle Beteiligten — gleichgültig welcher ganz in Ordnung. Aber Sie werden damit einige Parteizugehörigkeit — aufgenommen. meiner Feststellungen nicht völlig entkräften kön- (Beifall bei der SPD und der FDP) nen, meine sehr verehrten Damen und Herren. In der Verständigung zwischen Bundesregierung Ich habe mit einer gewissen Spannung auf den und Länderregierungen sehen wir, erkennen wir die heutigen Auftritt des Herrn Kollegen Dr. h. c. Franz Fähigkeit aller beteiligten Seiten, trotz vielfältiger Josef Strauß gewartet, weil ich heute morgen fol- parteipolitischer und auch Interessengegensätze gendes ihm wörtlich zugeschriebene Zitat gelesen schließlich doch für das Wohl unseres ganzen Vol- hatte: kes zusammenzuwirken. Der Wirtschaftsgipfel wird und kann nicht viel (Beifall bei der SPD und der FDP) bringen. Wahrscheinlich war es sogar ein Feh- ler, ihn einzuberufen. Das ist nicht nur anerkennenswert; es ist auch be- merkenswert. Der in der Erklärung der Länderre- (Hört! Hört! bei der SPD) gierungen und der Bundesregierung gemeinsam zum Ich habe mich gefragt: Ich bin gespannt, wie er das Ausdruck gebrachte Wille, mit diesem Programm — falls er es noch einmal in den Mund nimmt —, zur Verbesserung der Wachstumsbedingungen und 1834 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Wehner damit zur Wiedergewinnung und Sicherung eines eigenem Antrieb und mit der Aufforderung der Ge- hohen Beschäftigungsstandes beizutragen, wird von samtfraktion daran gemacht, einmal einiges an Ge- uns als die Voraussetzung für gemeinsame Bemü- danken zu diskutieren und es dann in den Arbeits- hungen, d. h. aufeinander abgestimmte Beiträge von kreisen auch tatsächlich, was die ökonomische Seite, Bund, Ländern und Gemeinden, angesehen. Wir ma- was die Arbeitsvermittlungsseite, was die öffentli- chen uns zu eigen, was in der gemeinsamen Erklä- che Finanzseite betrifft, nicht nur prüfen, sondern rung der Länderregierungschefs und der Bundes- durchkneten zu lassen. Wir haben übrigens am vor- regierung hervorgehoben worden ist — ich zitiere gestrigen Tage auch terminlich beschlossen, darüber sie wörtlich —: eine Klausurtagung der Fraktion abzuhalten. Das Von großer Bedeutung dafür ist, daß es gelingt, heißt, wir bedrängen niemanden; wir suchen nur durch das Programm die öffentliche Investitions- nach Möglichkeiten, soviel wie möglich z. B. von quote zu verbessern. Bund und Länder haben denen einzubeziehen, die unter der Gruppe „ältere die feste Absicht, die Zusätzlichkeit der im In- Angestellte" geführt werden, ferner von denen,, die vestitionsprogramm vorgesehenen Ausgaben zu in der Gruppe „jugendliche Arbeitslose" geführt sichern und Umfinanzierungen zu vermeiden. werden und zum großen Teil noch gar nie eine Berufsausbildung haben beginnen können, und wei- Ich nehme nicht an, Herr Strauß, daß Sie eine tere, die in anderen Gruppen geführt werden, die Vollmacht gehabt haben, hier einen Teil davon im durch zum Teil auch strukturell bedingte Verände- Namen etwa von Ländern zu dementieren. Daß sich rungen beschäftigungs- und arbeitslos sind. Diese alle dieser Erklärung hier anschließen, dessen bin Diskussion ist ja wohl in einem demokratischen ich sicher. Staat und in einer Fraktion des Parlaments dieses Dazu sage ich noch: Wenn Bund und Länder Staates erlaubt. wahrmachen, daß sie — wie sie betont haben — Diese Fragen müssen beantwortet werden, wenn gemeinsam der Auffassung sind, schon im Jahre es geht, wenn auch nur in einigen Punkten. Jeder 1977 sollen deutlich Anstöße für die Wirtschaft ge- von uns weiß: Es gibt keine Patentlösung. So ist geben werden, und deshalb ein beträchtlicher Teil eben die Wirtschaftswirklichkeit der Welt, in der dieses Programms bereits in diesem Jahr als Auf- wir leben, nicht daß es Patentlösungen für Krisen träge an die Wirtschaft vergeben wird, wird dies und Rezessionserscheinungen geben könnte, unser nächster wirksamer deutscher Beitrag dazu sein, die Botschaft des Vertrauens nach innen zu (Beifall bei der SPD und der FDP) tragen, d. h. in die Betriebe, in die Unternehmen, in wie sie mit hoher Sachkenntnis der Bundeskanzlei Handwerk und Handel, in die Familien. hier noch einmal charakterisiert hat, ohne dabei (Beifall bei der SPD und der FDP) zeitaufwendig zu werden. Er hat auch den berech- - tigten Hinweis darauf gegeben, daß wir bisher Glück Bund und Länder haben zum Ausdruck gebracht, haben und es wohl auch behalten werden. Herr sie knüpften an das Programm die Erwartungen, daß Strauß, Sie haben dieses Zusammenkommen von Re- mit einer verbesserten öffentlichen Infrastruktur präsentanten der Industriestaaten und ihre Erörte- und den Nachfrageeffekten, die vom Programm aus- rungen auch über das Verhältnis dieser Staaten und gehen, auch die Investitionsbereitschaft der priva- ihrer Wirtschaften zu den Ländern, die man mit ten Unternehmen zunehmen werde, was ja eine not- dem Namen „Entwicklungsländer" oder „unterent- wendige Voraussetzung für ein stetiges, stabiles und wickelte Länder" belegt, so geringschätzig behan- stabileres Wirtschaftswachstum ist. delt. Wir haben diesmal eine andere Situation als Dazu sage ich: Wenn viele durch ihren Beitrag zu der Zeit, in der der Ihnen heute ein wenig un- dazu helfen, dann helfen wir gemeinsam uns, d. h. glücklich in den Mund gekommene vorherige ame- unserem Volk, selbst, und die Bundesrepublik rikanische Präsident Ford seinem Volk beschwörend Deutschland fördert mit diesem Programm die in- gesagt hatte, als er damals sein Amt antreten muß- ternationalen Bemühungen um anhaltenden welt- te, daß die verheerende wirtschaftliche Krise der weiten Aufschwung, von denen wir gehört und von 30er Jahre nicht wieder kommen darf. denen wir in den Erklärungen des Gipfels gelesen Wir haben uns nicht anheischig gemacht, an ir- haben. Damit dienen wir auch uns selbst, meine gend jemanden ultimative Forderungen zu stellen, Damen und Herren. Das heißt, hier gibt es offenbar und wir werden das auch nicht tun. Wenn Sie einen auch jenes interessante Motto „Gemeinsam errei- Halt brauchen, dann sage ich Ihnen: Ich werde auch chen wir mehr". dafür sorgen, daß es keine ultimativen Forderungen (Beifall bei der SPD und der FDP) etwa an die Bundesregierung oder an unseren Koali- tionspartner gibt, der übrigens auch selbst Herr sei- Da Sie, Herr Kollege Strauß, sich haben einfallen nes Hutes ist, wie man in einem Sprichwort meiner lassen — sicher ohne tiefergehende Information zu zweiten Heimat — ich übersetze es ins Deutsche — haben; deswegen nehme ich Ihnen das auch nicht hier sagen würde. übel, daß Sie das gemacht haben —, in diese De- batte über eine Regierungserklärung über höchst (Vorsitz : Vizepräsident Dr. Schmitt wichtige Gipfeltreffen einiges über angebliche Vor- Vodcenhausen) gänge in der Bundestagsfraktion der SPD einströmen zu lassen — Herr Strauß, bei Ihnen strömt es ja —, Die Bundesregierung hat z. B. begonnen, parallel zu muß ich Ihnen folgendes sagen. In der Bundestags- London zu prüfen, was auf dem Gebiete der Arbeits fraktion der SPD hat sich eine Arbeitsgruppe aus marktpolitik weiter geschehen kann und muß. Da Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1835 Wehner gibt es, wie man weiß, kritische Überprüfungen je- Gipfel besprochen worden sind, und waren der Mei- nes 430-Millionen-Programms, bei dem es um Mo- nung, Sie müßten hier dem Bundeskanzler wider- bilität und ähnliches geht. Ich will das hier gar nicht sprechen. Ich fand es peinlich, Herr Strauß. Sie wer- ausbreiten. Bei diesem Programm denkt man nun den sich im nachhinein zwar nicht entschließen, die offenbar, nachdem man weiß, wie es einige Zeit ge- Stelle aus dem aufgenommenen Stenogrammtext zu wirkt und was davon noch nicht gewirkt hat, nicht streichen, aber diese Sache mit Bundeswehr und nur an Umbau, sondern man geht auch daran. Die „deutsch-national" und dann Schmidt war eine dum- Diskussion um diese Fragen ist es, die uns bewegt. me, wenn auch für mich verständliche, aber nicht Wir sind der Meinung, nach gründlicher Diskussion kluge und schon gar nicht belegbare Passage Ihrer werden wir auch in solchen Fragen alle zusammen so bedeutungsvollen Ausführungen. Sie müssen ja — und Sie werden sich dem dann auch nicht in den in irgendeiner Weise opponieren. Weg stellen wollen; dazu wird dann hoffentlich nicht der Herr Kollege Strauß sprechen, sondern Ich habe mir heute früh, ehe ich in den Saal kam, ein anderer Kollege von Ihnen —, wenn auch gra- (Strauß [CDU/CSU] : Erlauben Sie eine duelle Unterschiede sein werden, zu tragfähigen Frage?) Entscheidungen kommen. Das ist das, woran wir ar- beiten, und ich wäre froh, wenn Sie ähnlich arbei- eine Ablichtung von Ausführungen machen lassen, teten, wenn auch mit unterschiedlichen Vorzeichen. die der damalige Bundesverteidigungsminister Strauß und der Bundestagsabgeordnete Wehner vor (Beifall bei der SPD und der FDP) 17 Jahren, nämlich am 30. Juni 1960, miteinander Ich habe Ihnen aber keine Lehren zu geben. da ausgetauscht haben. Ich weiß, daß Leute, die, wie habe ich nicht dieselbe Möglichkeit, wie Herr Strauß man heute sagt, zur jungen Generation gehören, dem Bundeskanzler und den Regierungschefs der dies nicht gern noch einmal hören wollen. Ich erspa- Industrieländer der ganzen Welt gegenüber zu tun re es Ihnen auch. Aber Herrn Strauß gebe ich es befugt ist, weil jeder draußen weiß, was für ein dann hinterher, und wenn er schon hinausgegangen kompetenter Herr unser liebenswerter Kollege ist. sein sollte, ehe ich schließe, was ich verstehen könn- te, werde ich es ihm persönlich schicken; denn es (Beifall bei der SPD und der FDP) war ja nachdenkenswert. Nun, auch das sei ihm überlassen. (Abg. Strauß [CDU/CSU] meldet sich zu Meine Damen und Herren, ich habe die Vorsicht einer Zwischenfrage) bemerkt, mit der der Bundeskanzler in seiner Er- — Ich will Ihnen einmal etwas sagen, der Sie mit klärung das Brasiliengeschäft, das schon vor der dem Finger zeigen. Ich bin noch nicht blind — das - Konferenz sehr hohe Wellen geschlagen hat und kommt wahrscheinlich noch —, aber Herrn Strauß das in die Nuklearenergiebranche gehört, entwickelt bemerke ich allemal, wenn nicht durch die Augen, hat. Natürlich muß hier auch mit anderen zusammen dann durch etwas anderes. etwas geregelt werden. Die Regierungserklärung (Heiterkeit und Beifall bei der SPD) enthält exakte Angaben über jene Kommission, die im Laufe einer bestimmten Zeit bestimmte Voraus- setzungen hinsichtlich der Gefährlichkeit etwa von Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Herr Ab- Exporten oder dem Gebrauch von Plutonium für geordneter Wehner, gestatten Sie eine Zwischen- andere Zwecke festlegt. frage des Abgeordneten Strauß? Wenn ich heute in einigen Zeitungen über einen Vorgang .innerhalb des Bundestages z. B. lese, da Strauß (CDU/CSU) : Herr Kollege Wehner, können hätten sich irgendwelche durchgesetzt und andere, Sie mir sagen, warum die Äußerung des Kollegen z. B. Minister Matthöfer, hätten klein beigegeben, Jaeger zu der Darstellung der militärischen Lage dann muß ich sagen: hier geht es um Fragen, in de- durch den Bundeskanzler, zu dessen Warnung vor nen niemand das Patentrezept in bezug auf Atom- einer Dramatisierung der militärischen Macht der energie hat. Ich verstehe, wenn ich das auch nicht Sowjetunion, warum die Bemerkung des Kollegen teile, daß es hier bei manchen Urängste gibt und Jaeger, der Bundeskanzler beschönige oder ver- daß andere das sogar politisch zum Anlaß nehmen, harmlose die militärische Lage, ein Angriff auf die solche virulent werden zu lassen. Es ist eine schwie- Bundeswehr gewesen sein soll? Können Sie mir das rige Sache. Ich gehöre zu jenen, die dazu auffordern erklären? und darum bitten, daraus keine Glaubenskriege zu machen oder werden zu lassen. (SPD) : Erstens, sehr verehrter Herr Kol- (Beifall bei der SPD und der FDP) Wehner lege Strauß, hat der Bundeskanzler nach meinem Da gibt es noch vieles auf dem Wege von der Mithören den Herrn Kollegen Jaeger nicht genannt. Kontrolle zur Sicherheit zu tun, wie man das einmal Aber Sie haben geahnt — formuliert hat. Das, was da auf dem Gipfel gemacht (Strauß [CDU/CSU] : Er steht aber im ver worden ist, wenn auch im Nebel, Herr Strauß, der teilten Manuskript!) sich aber immerhin gelichtet hat, ist in Erklärungen verpflichtend wiedergegeben, und insofern ist das — Immerhin, es gilt das gesprochene Wort, sehr auch angegangen worden. verehrter Herr Kollege, und das weiß ich auch bei Nun haben Sie, sehr verehrter Herr Kollege Vor Ihnen zu schätzen. redner, sich auf die Teile bezogen, die im NATO- (Beifall bei der SPD und der FDP) 1836 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Wehner Auch ich vergleiche das gesprochene und das vorge- — im Schatten der gemeinsamen Trauer um Ludwig stanzte Wort. Ich mache daraus niemandem einen Erhard schon bewiesen, daß Sie das können. Vorwurf. Nur sage ich hier: Der Bundeskanzler hat (Beifall bei der SPD — Zurufe von der Herrn Jaeger nicht genannt. Erster Punkt. CDU/CSU: Na, na!) (Zuruf des Abg. Strauß [CDU/CSU]) Meine Damen und Herren, wie gesagt, ich mache — Ich weiß, daß ich umständlich bin; ich wollte auf diese Fragen und Antworten und auch auf die Ihnen aber gewissenhaft antworten, falls Sie bei damals zwischen dem seinerzeitigen Verteidigungs- mir überhaupt ein Gewissen vermuten, sehr ge- minister Strauß und mir ausgetauschten Feststellun- ehrter Herr Kollege Strauß. gen — im Bundestagsprotokoll vom 30. Juni 1960 (Heiterkeit) erhältlich, auch in einem Buch, für das ich hier keine Reklame machen will und darf — das wäre ja noch Ich wollte Ihnen zweitens sagen, daß ich des Bun- 'schöner — aufmerksam. Da werden Sie einmal die deskanzlers Abwehr gegen diese Art wohl verstehe, grundlegend unterschiedlichen Positionen sehen von weil ich auch erlebt bzw. gelesen habe, wie er z. B. Sozialdemokraten, wenn sie die Opposition sind, die Behauptungen eines Generals in einem benach- gegenüber der CDU/CSU, wenn sie die Regierung barten Land nachdrücklich zurückgewiesen hat bzw. stellen, und umgekehrt. wie sie auch andere zurückgewiesen haben, jene nicht nur törichten, sondern schädlichen Veröffent- Da ist nicht nur ein Fragezeichen von mir, son- lichungen, daß die Russen binnen 48 Stunden am dern da muß ich sagen: Ich habe Sorge um einiges. Rhein sein würden, so wie die Verteidigungslage Ich habe übrigens gelesen, das Herr Kollege Dr. ist. Weil sich das gar nicht auseinanderfieseln läßt, Alois Mertes in einem Thesenpapier, das ich mir verstehe ich es, daß sich der Bundeskanzler gegen in der Nacht auch noch einmal durchgesehen habe, diese Art von Miesmacherei und Schlimmeres i n das auch in Zeitungen Eingang gefunden hat, im- bezug auf unsere Verteidigungsfähigkeit und unse- merhin in einem Pünktchen etwas nachdenklich — ren Verteidigungswillen wendet. nicht geworden ist; das muß man nicht feststellen — (Beifall bei der SPD und der FDP) eine Nuance über das Verhältnis von Opposition und jeweiliger Regierungsseite feststellt. Er hat ge- Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Herr Ab- sagt — so wird es dargestellt —, an die Adresse geordneter Wehner, gestatten Sie eine weitere Zwi- der eigenen Partei richte er schließlich die Auffor- schenfrage des Herrn Abgeordneten Strauß? derung, ihrerseits anzuerkennen, daß nach den Westverträgen nun auch die Ostverträge maßgeb- licher Bestandteil der deutschen Außenpolitik seien. Wehner (SPD) : Ja. - Dann kommt er zu der Sonderrolle, die sich die Op- position dabei zuschreibt bzw. der sie gerecht wer- Strauß (CDU/CSU) : Wissen Sie, Herr Kollege den will. Wehner, daß der Name des Kollegen Dr. Jaeger Meine Damen und Herren, die NATO wird es ausdrücklich in den zu Hunderten verteilten Exem- wert sein, daß man ernsthaft darüber redet. Es wird plaren steht? Zweitens: Sind Sie bereit, dafür zu wohl auch bald Gelegenheit dazu geben. wirken, daß der Name Dr. Jaeger gestrichen wird, wenn er nicht gemeint war? Drittens: Wenn er Ich sage Ihnen hier: Balance, d. h. Machtgleichge- nicht gemeint war, wer war denn gemeint? 1 wicht, war von uns immer als Voraussetzung jedwe (Lachen und Zurufe von der SPD) der Art von Entspannung — sofern man sie wirk- lich so nennen darf und will — angesehen worden. Wir unterstreichen, daß der Bundeskanzler in Lon- Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Herr don klare Worte denen gegenüber gefunden hat, die Kollege Strauß, das waren drei Zwischenfragen. unsere Bemühungen, das Machtgleichgewicht auf- rechtzuerhalten, gering schätzen — das knüpft an das an, Herr Strauß, weswegen Sie mich wegen (SPD) : Sehr verehrter Herr Fragesteller, Wehner Herrn Jaeger gefragt haben — und Panik verbrei- erstens erfahre ich soeben erst, daß es Hunderte von ten. Das sage ich Ihnen auch von mir aus. Exemplaren gewesen sein sollen. Zweitens: Wenn ich mich dafür einsetzen soll, daß der Name ge- Auf dem schwierigen Gebiet der Sicherheit nüt- strichen wird, überschätzen Sie meine Möglichkei- zen uns weder Tatarenmeldungen und Hysterie noch ten. Es mag in dem Bereich, in dem Sie umgehen, Beschönigungs- oder Beschwichtigungsversuche . so sein, Weil von Tatarenmeldungen die Rede ist, Hen (Strauß [CDU/CSU] : Pressemitteilung!) Strauß: Da Sie gelegentlich die Weitsicht in bezug daß ein Abgeordneter oder Fraktionsvorsitzender auf strategische Perspektiven noch etwas weiter öst eine Regierung zu etwas drängen kann, was sie, lich als Moskau richten — z. B. Peking und diese Be- auch wenn dort steht: „Es gilt das gesprochene reiche —, wird es wohl auch erlaubt sein, über nod Wort" — das wissen Sie doch — — etwas weiter östlich liegende Bereiche zu sprechen die Sie offenbar sehr beeindrucken, sei es mit ihren (Strauß [CDU/CSU] : Die Sperrfrist ist abge Vorstellungen, sei es mit ihren Ankündigungen, se : laufen!) esß mit ihren Beschuldigungen, daß es die Gro — Nun machen Sie doch keine Clownerei! Sie haben mächte in diesem Teil der Welt auf Krieg ansetz heute morgen — ich sage dies hier mit allem Ernst ten usw. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1837 Wehner Wir werden wohl bald einmal wirklich eine De- in die nächsten Etappen gehen, alles Gute und viel batte haben müssen, in der wir uns Zeit nehmen Glück. müssen, über Sinn und auch Zweck unserer Vertei (Beifall bei der SPD und der FDP) digungs- und gleichzeitig unserer Entspannungs- Ich erkläre hier für die Sozialdemokratische Frak- politik zu sprechen, auch deswegen, weil es immer tion: Was Berlin braucht, ist Solidarität. um Berlin geht. Berlin ist, wenn es um Entspannung geht, der Teil im getrennten Deutschland, den wir, (Beifall bei der SPD und der FDP) soweit wir dabei das, was man mit „Zuständigkeit" Solidarität ist etwas anderes als ein Wettbewerb, etwas prosaisch umschreibt, nach menschlichen wer am häufigsten und am schrillsten über Berlin Kräften zu tun vermögen, hüten sollten wie unsere spricht. Solidarität mit Berlin bedeutet, sich der be- Augäpfel. Wir sind dankbar für die aus den Worten sonderen Lage, der Lebensnotwendigkeiten und der des, amerikanischen Präsidenten und der in London Umstände der Berliner stets bewußt zu sein und versammelten Repräsentanten der verbündeten sich zu bemühen, sich ihrer bewußt zu bleiben, und Staaten für Berlin erkennbaren Absichten, ihre un- nicht durch Gestikulation, sondern durch die stetige verzichtbaren Beiträge dazu zu leisten. Die Londoner aufmerksame Förderung der Lebens- und Entwick- Erklärung hat zugleich den Erfolg einer Berlin-Po- lungsbedingungen der Stadt beizustehen, ohne daß litik unterstrichen, die über weite Strecken von der man sie sozusagen an irgendeinem Bändchen hält. Opposition bis in die letzten Stunden hinein leider nur negativ kritisiert worden ist. Ich erlaube mir nun ein paar Sätze zu ersten Stellungnahmen, Was Berlin betrifft, geht es nach unserer Auffas- die von der Spitze der DDR zu den sung darum, Festigkeit mit dem Willen der Ent- Londoner Erklärungen, soweit sie Berlin betreffen, öffentlich abgegeben worden sind. Ich halte diese spannung zu verbinden. Der Ausbau der Bindung zwischen der Bundesrepublik und Berlin muß mit ersten Stellungnahmen für Versuche, die geschicht- politischer Umsicht geschehen und mit ökonomischen liche Entwicklung im nachhinein zum eigenen Vor- Realitäten wirklich gemacht werden, nicht aber mit teil rechtlich zu rechtfertigen. Es ist meine Überzeu- Äußerungen wie der Frage, Herr Strauß, wie die gung, daß das, was Herr Honecker oder, etwas an- Wirtschaft in Berlin investieren soll, wenn die Na- ders, kurz vorher Herr Sindermann gesagt haben, tionalstiftung nicht dort ihren Sitz hat. eigentlich der Sinn ihrer Erklärungen ist. Um die eigene Position der DDR sozusagen als rechtmäßig Worum geht es? Wir haben ein Abkommen, das hinzustellen, wird das, was sich in den Jahren seit wir zwar nicht erschlossen und erwirkt haben, das Kriegsende im damals von Besatzungsmächten re- aber — was die vier Mächte, die dieses Abkommen gierten und auch verwalteten Deutschland und geschlossen haben, nicht bestritten haben —- ohne schließlich auf die besondere Weise in Berlin ent- unsere vorherigen Vertragsabschlüsse nicht hätte wickelt hat, nun insgesamt als etwas dargestellt, zustande kommen können. Berlin ist kein konstitu- das rechtmäßig sei, obwohl die Nachkriegsentwick- tiver Teil der Bundesrepublik. Es wird nicht von lungen im besetzten und aufgeteilten Deutschland Bonn regiert. Jedenfalls soll es nicht von Bonn re- nicht durch nachträgliche Rechtfertigungen glori- giert werden. fiziert oder auch, sagen wir einmal, humanisiert (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Eine werden könnten, ohne die Zukunftsaussichten so- ungenaue Zitierung!) wohl der getrennten Stadt und der Menschen als Hier ist ein kompliziertes Gleichgewicht erreicht auch des getrennten Deutschland und der Menschen worden, das mit Behutsamkeit, Vorsicht und Um- in beiden Teilen zu verdüstern. sicht behandelt werden muß. Worauf es für die Zukunft ankommt, ist: Verträge (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Eine einhalten, Verträge mit Leben erfüllen, ungenaue Zitierung!) (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Rich — Verehrter Herr Zwischenrufer, da ich leider nicht tig auslegen!) über geheime Möglichkeiten der Übertragung von dadurch sowohl den Frieden sichern als auch das Ereignissen verfüge, die zur gleichen Zeit an einem Gegeneinander allmählich zum Nebeneinander und fernen Ort stattfinden, weiß ich nicht, wie jetzt in zu einem Verhältnis loyaler Nachbarn werden zu Berlin die Abstimmungen über den neu zu bilden- lassen. Und weil Sie dazwischenrufen „Richtig aus- den Senat verlaufen. legen" : Das heißt, Herr Ausleger, unermüdlich zu Bei allen noch so großen parteipolitischen Ge- sein, beharrlich immer wieder auf die Auslegung gensätzen wäre es angesicht der besonders innigen zurückzukommen. Da allerdings sind Sie schlechter Verbindung, die Herr Strauß immer zu Berlin ge- dran als ich; denn ich bin für die Verträge, immer halten hat, wohl angebracht gewesen, mit etwas gewesen, weiß, daß sie das Himmelreich nicht er- mehr Respekt zu sprechen. Das betrifft sowohl den schließen, habe immer nur gedacht: aufpassen, daß Ausdruck „heruntergewirtschaftet" als auch das, damit nicht jemand das Heft von etwas in seine was die dort machen müssen, weil die Folgen eines Hände bekommt, um uns die Klinge in den Rücken Lebens in einer Stadt, die getrennt ist und — bild- oder in die Brust stoßen zu können. lich gesprochen — wie auf einer Insel existiert, mit Wenn Sie, die Sie damals gegen all das waren Ereignissen an anderen Stellen nicht vergleichbar und die Sie das Abkommen der Vier Mächte über sind. Berlin von vornherein herabgesetzt haben — das Ich wünsche denen, die jetzt als neuer Senat in ist ein Werturteil; ich habe Ihnen das nicht vorzu- Berlin mit dem Regierenden Bürgermeister Stobbe werfen, Sie haben geirrt —, heute dabeisein wollen, 1838 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Wehner wenn darauf geachtet wird, daß Verträge und Ab- Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Ich er kommen richtig ausgelegt werden, müssen Sie auch teile dem Herrn Abgeordneten Graf Lambsdorff die Grundeinstellung zu „Verträge sind Verträge" das Wort für die Fraktion der FDP. und zu „Abkommen sind Abkommen" einnehmen, von der Sie ja wissen, daß das unvermeidlich ist, Dr. Graf Lambsdorff (FDP) : Herr Präsident! Meine wenn Verträge Verträge sind. Das habe ich hier am sehr verehrten Damen! Meine Herren! Für die Frak- 30. Juni 1960 nach langem Ringen um die Westver- tion der Freien Demokraten begrüße ich das Ergeb- träge gesagt, und das war für uns verpflichtend. nis der Londoner Konferenzen, und zwar sowohl Nun, bitte, versuchen Sie doch auch, über Ihren unter außen- wie unter wirtschaftspolitischen Ge- Schatten zu springen, verehrte Herren. sichtspunkten. Wir beglückwünschen die Bundes- (Beifall bei der SPD und der FDP) regierung zu diesem politischen Erfolg und beglück- wünschen den Bundeskanzler zu diesem persön- Eine Bemerkung zu Menschenrechten. Herr Strauß lichen politischen Erfolg. hat sich da ziemlich ereifert. Ich weiß, daß der Bun- (Beifall bei der FDP und der SPD) deskanzler in London die Zahlen derer genannt hat — beeindruckend für die, die es gehört haben —, Meine Damen und Herren, wir behaupten nicht mit denen wir aber nicht etwa zu prahlen versuchen, etwa großspurig, London sei ein Erfolg der deut- die in diesen letzten Jahren aus der DDR, aus der schen Außenpolitik; aber es ist ein Erfolg für die UdSSR, aus der Volksrepublik Polen, aus anderen deutsche Außenpolitik, die unter ihrer maßgeblichen Ländern dieser Sphäre haben reisen können, zu uns Mitwirkung zustande gekommen ist. Die Londoner kommen können. Sie werden sich die Zahlen auch Erklärungen — insbesondere zur NATO — klingen noch einmal ansehen. anders als früher. Sie klingen entschlossener, we- niger halbherzig, und sie sind vor allem in der Ich will jetzt nicht noch länger reden, ich möchte Sache sehr konkret. Wir wollen dies nicht mit dem nur folgendes sagen. Herr Strauß, Sie suchen — Hinweis darauf abtun, daß Papier geduldig sei, weil leider auch mit dem, was Sie nun so plötzlich mit dies nach unserer Überzeugung weder der Ent- „Menschenrechten" versucht haben darzustellen — schlossenheit des amerikanischen Präsidenten noch Widersprüche, und Sie konstruieren sogar Gegen- dem guten Willen unserer Partner im Bündnis ge- sätze zwischen unserem Bundeskanzler und den recht werden könnte und würde. Verbündeten, z. B. mit dem, was Sie die Bürger- Es ist auch, wie wir alle wissen, keinesfalls bei rechtsfrage nennen. Ich rate Ihnen, Herr Strauß: Deklamationen geblieben. Ich sage nur einige Gucken Sie sich einmal die „Deutsche Zeitung" vom Stichworte: Absprachen über Standardisierung der 13. Mai 1977 an, die unter der Überschrift „Der Waffen und über Rüstungskäufe; Zusage des ame- Iran und die Menschenrechte, ein Gespräch- mit dem rikanischen Präsidenten, nicht nur die Zusammen- stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Alfred Dreg- arbeit zwischen den Vereinigten Staaten und der ger" veröffentlicht hat. NATO, sondern auch mit der Europäischen Gemein- (Beifall bei der SPD und der FDP) schaft zu pflegen; Zusage, eine gemeinsame Position Ich will Sie hier gar nicht in Schwierigkeiten für Belgrad zu erarbeiten; ein Hinweis auf die 80er bringen. Ich habe das bekommen. Es hat mir einer, Jahre und veränderte Verteidigungsbedürfnisse; während Sie Ihre glorreiche Rede gehalten haben, schließlich weiteres gemeinsames Bemühen um Rü- auch noch die Hilfe gewährt, einige Stellen anzu- stungsabbau, wobei uns insbesondere im Schluß- streichen. Sie würden in Streit mit Herrn Dregger kommuniqué der Hinweis befriedigt, daß die Part- kommen oder würden sagen: „Na, was der Wehner ner erneut ihr zentrales Ziel bekräftigen, nämlich sagt, ist sowieso schnurzpiepe." Laßt uns, Dregger die Herstellung eines ungefähren Gleichstandes der und Strauß, doch wenn schon nicht Freunde, so Landstreitkräfte in der Form einer übereinstimmen- doch Gleichgesinnte sein! — Nein, gucken Sie sich den kollektiven Gesamthöchststärke für den Per- das mal an, mit wieviel Zungen sie — nicht Sie; sonalbestand der Landstreitkräfte. Sie haben immer eine besondere, sondern diese Dies insgesamt scheint uns eine Stärkung der Unionschwestern — uns gegenüber, dem Bundes- Position der NATO zu sein, wobei wir selbstver- kanzlergegenüber „sprechen", wenn man das sagen ständlich wissen, daß viele ihrer Mitglieder Pro- kann. Heute sagt man ja gern „artikulieren". In bleme haben, nicht zuletzt auch wirtschaftliche diesem Fall will ich auch einmal dieses Wort über- Probleme, die sich auf ihre Verteidigungsanstren- nehmen, sowenig gern ich es nehme. gungen auswirken, und daß wir diese Probleme nicht alleine mit Resolutionen beseitigen können. Meine Damen und Herren, entschuldigen Sie, Aber für die Freien Demokraten wiederhole und daß ich Ihnen weniger über die Regierungserklä- bekräftige ich hier, daß es nach unserer Überzeu- rung gesagt habe; die haben Sie alle gehört, und gung erfolgreiche Entspannungspolitik auch für die haben Sie. Herr Strauß hat sie ja gezeigt. Es die Bundesrepublik nur im Rahmen der Veranke- sind einige hundert Exemplare, wie ich auf diese rung in Europa und in der Sicherheit des Atlan- Weise nun mit Sicherheit weiß, die verteilt wurden. tischen Bündnisses geben kann. Deshalb sind wir Dann beachten Sie, daß das gesprochene Wort gilt. befriedigt darüber, daß unsere Bündnispartner un- Im übrigen danke ich Ihnen auch für die Geduld verändert zur Entspannungspolitik stehen. dafür, daß ich mich mit dem Redner der Opposition Vor allem sind wir aber darüber in hohem Maße ein wenig befaßt habe. befriedigt, daß alle NATO-Partner die Berlin-Reso- (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP) lution der drei Mächte und der Bundesrepublik so Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1839 Dr. Graf Lambsdorff vollständig angenommen haben. Diese Berlin-Reso- Ich möchte in diesem Zusammenhang — erlauben lution — die Kollegen Kohl und Marx von der Op- Sie mir das bitte — zwei Namen nennen. In der position haben nach unserer Überzeugung recht — Vorbereitung des wirtschafts- und finanzpolitischen ist deutlicher als zu früheren Zeiten ausgefallen, Teils hat der Staatssekretär im Finanzministerium, und wir begrüßen das. Mein Fraktionskollege Hoppe Herr P o h 1, eine sehr erfreuliche und sehr wirk- hat gestern für die Freien Demokraten festgestellt: same Rolle gespielt. Der Besuch des Bundesaußen Die Konferenz von London führt mit wünschenswer- ministers — um den zweiten Namen zu nennen — ter Klarheit auf das Viermächteabkommen über Hans-Dietrich Genscher schon vor einigen Wo- Berlin zurück. Dem ist nichts hinzuzufügen außer der chen in Washington, die Art und Weise, wie er dort Feststellung, daß die Bundesregierung auf der Basis aufgetreten ist, nämlich Festigkeit gepaart mit Ver dieser Erklärung ihre konsequente Politik zur Siche- bindlichkeit, hat bei unserem Pa rtner auf der an- rung der Freiheit Berlins fortsetzen kann und fort- deren Seite des Atlantiks einen hervorragenden Ein- setzen wird. druck hinterlassen und ebenfalls dazu beigetragen, daß wir den Weg zur Londoner Konferenz reibungs- Wir sind in der. Beurteilung der Londoner Kon- loser zurücklegen konnten. ferenz mit der deutschen Öffentlichkeit einig. Selbst- verständlich ist kritische Würdigung das Recht der (Beifall bei der FDP und der SPD) Opposition, Herr Kollege Strauß, und in einem Ich finde gelegentlich in der deutschen Offentlich- Punkte sind wir eher sogar noch etwas kritischer keit und in der deutschen Presse Hinweise, man als Sie. Zwar begrüßen wir, daß in der Art und könne wohl das Amt eines Parteivorsitzenden und Weise, wie die Europäische Gemeinschaft an sol- das Amt eines Bundesaußenministers nicht mitein- chen europäischen Konferenzen beteiligt wird, nun ander verbinden. Mir ist es allerdings schon recht, langsam Fortschritte erzielt worden sind. Dennoch wenn beide Ämter so vorzüglich ausgefüllt wer- würde es uns, Herr Bundeskanzler, noch mehr zu- den, wie das hier der Fall ist. Dann soll es ruhig so friedenstellen, wenn der Präsident der Kommission bleiben. in die Aktivitäten solcher Gipfeltreffen noch voller (Beifall bei der FDP) einbezogen würde. Wir wissen uns mit diesem Wunsche mit Ihnen völlig einig. Herr Kollege Die London-Vorbereitung wurde natürlich auch Strauß, hier besteht für Sie eine Chance, aktiv an noch dadurch erschwert, daß sie in die deutsch- einem Ziel mitzuarbeiten, das auch Sie — so sagen amerikanischen bilateralen Beziehungen verwoben Sie jedenfalls — verfolgen, indem Sie Ihren neuen war und ist. Beidem, der weltweiten Zusammen- Freund oder Bruder im Geiste, den Bürgermeister arbeit und der Kooperation zwischen den Vereinig- von Paris, einmal auffordern, seinen Widerstand- ge- ten Staaten und der Bundesrepublik, hat der neue gen eine solche Politik und die Einbeziehung der amerikanische Präsident dankenswerterweise Auf- EG-Kommission in solche Arbeiten aufzugeben. trieb gegeben. Er hat die Führungsrolle der stärksten Macht des Westens deutlich gemacht. Seine Partner, (Beifall bei der FDP und der SPD) einschließlich übrigens — dies sollte nicht uner- Ich will mich hier nicht über den anlaufenden fran- wähnt bleiben — des französischen Staatspräsiden- zösischen Wahlkampf äußern; aber es gibt einige ten Giscard, haben den Auftrieb voll aufgenommen, Äußerungen Ihres Freundes, Herr Kollege Strauß, haben diese Impulse beantwortet und darauf rea- die schon Erstaunen bei uns ausgelöst haben. Ich giert. meine inbesondere Äußerungen über ein künftiges Dies heißt nicht, daß es etwa keine Meinungsver- direkt gewähltes Europäisches Parlament. schiedenheiten und gerade keine bilateralen Mei- nungsverschiedenheiten mehr gäbe, mehr geben Die Fraktion der FDP hat rechtzeitig, wie ich könnte, z. B. auf dem Gebiet der Energiepolitik. Die meine, vor übertriebenen Hoffnungen im Hinblick Vereinigten Staaten sind ein energiereiches Land, auf Ergebnisse der Londoner Konferenz gewarnt. Europa ist im wesentlichen energiearm. Aber es ist Wir wollten solche Hoffnungen nicht züchten, um völlig klargeworden und im Schlußdokument zum nicht die Gefahr von Enttäuschungen zu erleben. Ausdruck gebracht worden: Wir alle stehen zusam- Wer sich noch einmal die Probleme ins Gedächt- men für die Verwirklichung unserer Absichten, die nis zurückruft, der weiß, daß dieser Perlenkranz von Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern. Problemen die Aussicht auf einen Erfolg von vorn- Deswegen, meine Damen und Herren, halte ich dies herein sehr minderte: die Energie- und besonders die für wichtig, weil es gefährlich gewesen wäre, wenn Nuklearfrage, die Behandlung der Menschenrechte, wir der Versuchung erlegen wären, uns gegenseitig die Ankurbelung der Weltwirtschaft, Nord-Süd- falsche Motive für Beweggründe und für politische Probleme in Hülle und Fülle und sozusagen über- Aktionen zu unterstellen. Dies ist — auch mit Hilfe wölbende weltweite Beschäftigungsprobleme, Infla- der Bundesregierung, auch mit Hilfe einer sehr kla- tion in vielen Ländern und weitverbreitete Neigung ren Aussprache zwischen den Partnern — vermieden zu handelspolitischem Protektionismus. Unter sol- worden. chen Bedingungen können zwei Tage Konferenz nur erfolgreich verlaufen, wenn sie wirklich exzellent Das gilt auch für das Thema Menschen- oder Bür- vorbereitet sind. Dies war der Fall, und die Bundes- gerrechte. Es gibt doch keinen Unterschied in der regierung hat einen guten Anteil an dieser erfolg- qualitativen Bewertung von Menschenrechten zwi- reichen Vorbereitung. schen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepu- blik Deutschland! Wer wollte dies ernsthaft behaup- (Beifall bei der FDP und der SPD) ten! Ich halte es für schlichtweg unsinnig, wenn der 1840 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Dr. Graf Lambsdorff Kollege Graf Huyn behauptet, und zwar nicht erst in Dabei bleibt für uns wesentlich, daß das Ganze „La Stampa", sondern unter ausdrücklicher Bezug- inflationsfrei betrieben wird. Meine Damen und nahme auf das Treffen von London, der Herr Bun- Herren, in dem Kommuniqué von London findet sich deskanzler habe den amerikanischen Präsidenten in der Satz — der Bundeskanzler hat ihn zitiert —; In- dieser Frage belehren wollen. Meine Frage an den flation ist kein Heilmittel gegen Arbeitslosigkeit, Kollegen: War er denn überhaupt dabei? Allerdings sondern eine ihrer Hauptursachen. — Das steht eine kritische Bemerkung, Herr Bundeskanzler, an erstmalig in einem internationalen Dokument dieser Sie: Sie schätzen das westliche Bündnis zu schwach Güte, und dies ist ein Erfolg deutscher Politik, der ein, wenn Sie glauben, daß solche Bemerkungen des Politik der Bundesregierung. Abgeordneten Graf Huyn es spalten könnten, wie Sie vorhin mitgeteilt haben. Das kann er nicht. Aber Herr Kollege Strauß, es war schon eindrucksvoll es gibt selbstverständlich eine legitime Diskussion — ich darf Ihnen das berichten —, daß gestern über die Frage: Wie und mit welchen Mitteln errei- abend zu einem Essen zur Verabschiedung des deut- che ich ein von allen bejahtes Ziel am besten? Oder schen Notenbankpräsidenten zwölf Zentralbankprä- anders: Wie praktiziere ich Menschenrechte so wirk- sidenten aus mit uns befreundeten Ländern kamen sam, daß nicht Deklamationen herauskommen, son- und das der Präsident des Federal Reserve Board dern daß menschliche Schicksale erleichtert werden? der Vereinigten Staaten uns eine Stabilitätspolitik bescheinigte, die ein Vorbild und ein Maßstab für Diese Diskussion ist erlaubt und muß erlaubt sein. viele andere sei. Da hilft Ihre dauernde Entlastungs- Vor einigen Tagen sagte mir ein amerikanischer offensive mit dem berechtigten Vorwurf, daß durch Politiker: Wir wollen in erster Linie Betätigungs- die Verhinderung der Aufwertung im Jahre 1972/73 freiheit für Dissidenten, ihr wollt in erster Linie struktureller Schaden entstanden ist, überhaupt nicht Ausreisegenehmigungen. Solche simplifizierenden von den Tatsachen herunter. Feststellungen, meine Damen und Herren, verschie- ben natürlich immer etwas das Gesamtergebnis. (Beifall bei der FDP und der SPD) Denn auch z. B. das Jackson-Amendment zum Trade Es gibt eine ganze Reihe weiterer höchst erfreu- Bill — wir wissen das — zielte auf Ausreisegeneh- licher Ergebnisse: Handelsprotektionismus ist abge- migungen. Leider, wie ich meine, mit einem Miß- lehnt worden. Auch hier müssen wir unseren Re- erfolg. Aber es gilt vor allen Dingen: Die gegensei- spekt vor den nationalen Entscheidungen des Prä- tigen Positionen werden verstanden, und sie lassen sidenten Carter bekunden, der es abgelehnt hat, sich auch in Übereinstimmung bringen. Ich bin da- Importquoten für Farbfernseher und Schuhe einzu- von überzeugt: spätestens in Belgrad werden wir führen, und der damit das erste sichtbare Zeichen dies erleben. auch in seinem Lande gegeben hat, daß solche Maß- Vordringlich war in London — deswegen- ja auch nahmen nicht durchgeführt werden. — Die Gefahren, die Bezeichnung Weltwirtschaftsgipfel — die Wirt- Herr Strauß — darin bin ich mit Ihnen völlig schaftspolitik. Hier an dieser Stelle habe ich für die einig —, sind deswegen in diesem Bereich nicht vom Fraktion der FDP — ich glaube, es ist schon im März Tisch. Es wird immer wieder Partner geben, die aus gewesen — ausführen dürfen: Wir glaubten schon Schächeanfällen heraus den Versuch unternehmen, zu damals nicht mehr daran, daß die Aufforderung zur solchen Mitteln zu greifen. Aber wir haben erneut Ankurbelung der Weltwirtschaft mit Hilfe zusätz- eine Bekundung der Entschlossenheit aller mitein- licher Programme in London noch eine Rolle spielen ander, uns solchen Anfängen entgegenzustellen. würde. Nach der Korrektur, die Präsident Carter in den Vereinigten Staaten in seiner Konjunkturpolitik Ein weiteres erfreuliches Ergebnis bezüglich des vor wenigen Wochen vorgenommen hatte, war an- Nord-Süd-Dialogs: Übereinstimmung, die deutlich zunehmen, daß dieses Thema erledigt war. Richtig die Handschrift der Europäischen Gemeinschaft — ist, daß wir das von uns selber angestrebte und für der Kommission — trägt. Jeder hier im Hause weiß, möglich gehaltene Ziel, Herr Kollege Strauß, von daß dies nicht zuletzt auf den Einfluß und auf die 5 % realem Zuwachs des Bruttosozialprodukts schaf- Mitwirkung der Bundesregierung zurückzuführen ist. fen sollen. Wir werden uns bemühen. Ich bin der Und auch dies muß unterstrichen werden: Erstmals Überzeugung, wir werden das schaffen, wobei hat ein solches Dokument das Comecon aufgefordert, selbstverständlich jedermann wissen muß, daß eine sich dem realen Ressourcentransfer an die Entwick- Feinsteuerung einer Volkswirtschaft auf die Stellen lungsländer endlich einmal mit mehr Wirkung an hinter dem Komma absolute Illusion wäre. Dies ist anzuschließen. nicht erreichbar. Aber ich denke, die weltwirtschaft- (Beifall bei der FDP und der SPD) liche Entwicklung trägt dazu bei — im übrigen auch die Entwicklung in den Vereinigten Staaten selbst; Ich begrüße es, daß der Bundesgeschäftsführer der ich kann nur sagen: erfreulicherweise, amüsanter SPD gestern oder vorgestern dasselbe in einem Vor- weise —, unser Ziel zu erreichen. trag in Moskau — d. h. an Ort und Stelle, dort, wo die Adresse für solche Bitten ist — noch einmal Einige wichtige Voraussetzungen für unsere Ent- vorgebracht hat. wicklung hier: Wir müssen unserer Wirtschaft die (Beifall bei der FDP und der SPD) langfristigen Rahmenbedingungen schnell geben. Das heißt, wir müssen unsere steuerpolitischen, un- Und erstmals ist in einem solchen Dokument die sere energiepolitischen Entscheidungen treffen, und Initiative des Bundesaußenministers, die er in der wir müssen das 16-Milliarden-DM-Infrastrukturpro- 7. Sondergeneralversammlung der Vereinten Natio- gramm — Herr Bundeskanzler, ich stimme Ihnen nen im Jahre 1975 entwickelt hatte, aufgegriffen voll zu — schnell in Bewegung setzen. worden. Die Länder des Comecon sind aufgefordert Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1841 Dr. Graf Lambsdorff worden, auch ihre Märkte für die Produkte aus den Herr Bundeskanzler hat dies gestern an dieser Stelle Entwicklungsländern zu öffnen im Staatsakt für unseren verstorbenen Kollegen Pro- (Beifall bei der FDP und der SPD) fessor Dr. Ludwig Erhard dem Sinne nach so formu- liert, daß der bedeutendste außenpolitische Erfolg und nicht uns allein die Last dieser Politik tragen Ludwig Erhards seine erfolgreiche Wirtschaftspolitik zu lassen. gewesen ist. Wir haben es heute mit den Konsequen- Mit Recht, so meine ich, hat die deutsche Presse zen dieser Verbindung und dieser Erfolge, die paral- London als Erfolg der Bundesregierung und des lel wie in kommunizierenden Röhren verlaufen, zu Bundeskanzlers gewertet; mit Recht begrüßt die tun. deutsche Industrie in einer Stellungnahme einhellig Die Wahrnehmung dieser unserer gewachsenen die Ergebnisse von London. Aber ebenso richtig, politischen Verantwortung erfordert auch gegenüber Herr Bundeskanzler, ist Ihre Bemerkung, daß eine den USA enge und bessere persönliche Beziehungen. Rezession nicht mit Papier überwunden wird. Zwei Meine Damen und Herren, ich möchte hier an uns im Dinge scheinen mir im Verfolg von. London beson- Parlament appellieren: Wir brauchen bessere per- ders wichtig zu sein. sönliche Beziehungen zum Kongreß der Vereinigten Erstens. Im Rahmen der in London getroffenen Staaten. Entscheidungen sollten wir und sollte die Bundesre- (Beifall bei der FDP und der SPD) gierung Wert darauf legen, daß auch die so lange Wir wissen sehr genau, daß in dem dortigen System vernachlässigten — weniger politisch als wirtschaft- der Präsidialdemokratie der Kongreß über vieles lich und monetär vernachlässigten — Beziehungen entscheidet; man könnte auch sagen: Ohne ihn läuft zu Japan genauer in Augenschein genommen und nichts. genauer bearbeitet werden. Dies gilt auch — ich (Wehner [SPD] : Sehr richtig!) möchte das von dieser Stelle aus sagen — als Appell an die deutsche Wirtschaft, den japanischen Markt Es ist nicht damit getan — um es hier ganz deutlich nicht mehr so sträflich zu vernachlässigen, wie das zu sagen —, daß wir Delegationen austauschen. Es viele Jahre geschehen ist. — Ich freue mich übrigens ist vielmehr erforderlich, daß wir intensiv, hart- darüber, daß die Haushaltsberatungen die Möglich- näckig und systematisch Einzelkontakte erarbeiten. keit ergeben haben, der deutsch-japanischen Han- Ich glaube, daß dies eine Aufgabe ist, die den Bun- delskammer in Tokio etwas mehr unter die Arme zu destag — und zwar einschließlich der Oppositions- greifen, damit sie ihrerseits dieser Politik Hilfestel- fraktion; dies ist nicht etwa allein eine Aufgabe der lung geben kann. Koalitionsfraktionen — in der nächsten Zeit beschäf- - tigen sollte. Wir müssen diesbezüglich zu Beschlüs- Die zweite Aufforderung ist für mich und meine sen kommen. Freunde: die deutschamerikanischen Beziehungen weiter ausbauen. Meine Damen und Herren, es hat Ich fasse zusammen. Wir können das Ergebnis die- sich hier sicherlich einiges geändert, und wir sollten ser drei Konferenzen nicht besser ausdrücken, als es darüber ruhig offen sprechen. Diese Beziehungen im Schlußsatz des Kommuniqués über den Londoner sind in den vergangenen Jahren sachlich und persön Wirtschaftsgipfel formuliert wurde — ich bitte um lich besonders eng gewesen — einschließlich einer die Erlaubnis des Herrn Präsidenten, dies zitieren zu zwar risikoreichen, aber für uns immer positiven dürfen —: emotionalen Komponente. Wir konnten nicht erwar- Die Botschaft der Gipfelkonferenz in Downing ten, daß dies immer und ewig so bleiben wird. Wir Street ist somit eine Botschaft des Vertrauens sind jetzt wieder, so scheint mir, ein geschätzter Part — in die unverminderte Kraft unserer Gesell- ner der Vereinigten Staaten, aber einer unter ande- schaften und in die bewährten demokrati- ren. Die Vereinigten Staaten von Amerika wissen, schen Grundsätze, die sie mit Leben erfüllen, so glaube ich, daß die Zusammenarbeit mit der Bun- desrepublik für ihre politischen Ziele und deren Er- — daß wir die Maßnahmen ergreifen, die zur reichung unentbehrlich ist. Wir, so meine ich, wis- Lösung der Probleme und zur Sicherung ei- sen, daß die Zusammenarbeit mit den Vereinigten ner gedeihlicheren Zukunft erforderlich sind. Staaten das Element unserer Existenz in Freiheit ist. Meine Damen und Herren, die Bundesrepublik Aus diesen Formulierungen ergibt sich auch die un- Deutschland — dessen ist die Fraktion der FDP ge- terschiedliche Gewichtung der Beziehungen zwischen wiß — wird ihren Teil dazu beitragen, diese Bot- den beiden Staaten. Die Rolle eines wichtigen Part- schaft des Vertrauens Realität werden zu lassen. Die ners neben anderen zeigt, daß die Bundesregierung Bundesregierung kann sich dabei der Unterstützung in den vergangenen Jahren gut daran getan hat, dem durch die FDP-Fraktion dieses Hauses sicher sein. jahrelangen Drängen seitens der Vereinigten Staa- (Beifall bei der FDP und der SPD) ten, seitens unserer Freunde in den Vereinigten Staaten, doch eine Führungsposition in Europa ein- zunehmen, nicht zu folgen. Wir wollen und wir kön- Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Meine nen keine Prädominanz für uns in Europa beanspru- Damen und Herren, wir stehen damit am Ende der chen. Andererseits wissen wir aber auch, daß die Aussprache. Zeiten, in denen die Bundesrepublik einen wirt- schaftlichen Riesen und gleichzeitig einen politischen Ich rufe nunmehr die folgenden Tagesordnungs- punkte auf: Zwerg darstellte, vorbei sind. Dies ist die Konse- quenz einer jahrelangen Entwicklung in der Ver- 3. Zweite und dritte Beratung des von der bindung von Wirtschafts- und Außenpolitik. Der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs 1842 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen eines Gesetzes zur Zwanzigsten Rentenan- b) Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- passung und zur Verbesserung der Finanz- schusses für Arbeit und Sozialordnung (11. grundlagen der gesetzlichen Rentenversiche- Ausschuß) rung (Zwanzigstes Rentenanpassungsgesetz — Drucksache 8/339 — — 20. RAG) Berichterstatter:. — Drucksache 8/165 — Abgeordneter Franke Abgeordneter Glombig a) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus- Abgeordneter Schmidt (Kempten) schuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Erste Beratung 18. Sitzung) — Drucksache 8/351 — Der Ältestenrat schlägt vor, die Aussprache über Berichterstatter: diese Gesetzentwürfe zu verbinden. Wegen der Bei- Abgeordneter Prinz zu Sayn-Wittgenstein- setzung von Herrn Alterspräsidenten Professor Dr. Hohenstein Ludwig Erhard wird weiter vorgeschlagen, heute in b) Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- zweiter Beratung nur die allgemeine Aussprache schusses für Arbeit und Sozialordnung sowie die Einzelberatungen einschließlich der Be- (11. Ausschuß) gründung der Änderungsanträge und am Freitag die Abstimmungen sowie die dritten Beratungen vorzu- — Drucksache 8/337 — nehmen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Berichterstatter: Ich frage zunächst, ob einer der Herren Bericht- Abgeordneter Franke erstatter noch das Wort wünscht? — Das ist nicht Abgeordneter Glombig der Fall. Ich danke den Herren Berichterstattern für Abgeordneter Schmidt (Kempten) die umfangreiche Arbeit und eröffne die allgemeine (Erste Beratung 18. Sitzung) Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Franke. 4. Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Dämpfung der Ausgabenent- Franke (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns wicklung und zur Strukturverbesserung in eben darüber verständigt, daß wegen der vorge- der .gesetzlichen Krankenversicherung (Kran- rückten Zeit zum Bericht keine Ergänzung gegeben kenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz — werden soll. Ich habe die Kollegen davon verstän- KVKG) digt, daß ich die Bemerkungen, die ich zum Be- — Drucksachen 8/166, 8/173 — - richt machen wollte, an den Anfang meiner Ausfüh- a) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus- rungen setze. Ich erlaube mir daher mit Ihrer Ge- schuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung nehmigung ein paar kurze Bemerkungen hierzu. — Drucksache 8/352 — In der Drucksache 8/338 — Entwurf eines Kran- kenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes — heißt Berichterstatter: es auf dem Vorblatt unter Punkt D: Kosten: keine. Abgeordneter Prinz zu Sayn-Wittgenstein Meine Damen und Herren, ich halte das für eine Hohenstein Irreführung der Öffentlichkeit. Als Mitberichterstat- b) Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- ter habe ich das den Kollegen, die seinerzeit bei schusses für Arbeit und Sozialordnung der Beratung dabei waren, auch gesagt. Hier wird (11. Ausschuß) ein falscher Eindruck erweckt. Sicherlich, dem Bund — Drucksache 8/338 — entstehen hier direkt keine Kosten. Bei einer so gigantischen Kostenverlagerung auf die Beitrags- Berichterstatter: zahler, die Länder und die Gemeinden kann man Abgeordneter Franke doch wohl aber Wert auf die Feststellung legen, Abgeordneter Glombig Abgeordneter Schmidt (Kempten) daß zwar dem Bund keine Kosten entstehen, aber durch eben diese gigantische Verlagerung auf die (Erste Beratung 18. Sitzung) Versicherungs- und sonstigen Kostenträger enorme Milliardensummen beigebracht werden müssen. Ich 5. Zweite und dritte Beratung des von der Bun- wollte das an den Anfang meiner Ausführungen desregierung eingebrachten Entwurfs eines stellen, um damit auch zu dokumentieren, daß es Neunten Gesetzes über die Anpassung der im Bericht nicht so ganz gelungen ist, die reine Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes Wahrheit darzustellen. (Neuntes Anpassungsgesetz — KOV -KOV) —9. AnpG (Hört! Hört! bei der CDU/CSU) — Drucksache 8/167 — Eine zweite Vorbemerkung. Die Beratungen stan- den unter einem unerträglichen Zeitdruck, und das a) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus- ist ausschließlich Schuld der Koalition. Ich muß es schuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung noch einmal wiederholen: Bis zum 3. Oktober gab — Drucksache 8/353 — es für die Koalition und für den Bundeskanzler die- Berichterstatter: ses Problem überhaupt nicht. Die Finanzierung der

Abgeordneter Prinz zu Sayn - Wittgenstein- Rentenversicherung war für den Bundeskanzler nur Hohenstein ein Problemchen. Nach der Wahl war dann dieses Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1843 Franke Problem das dickste Problem. Es i s t das dickste gewesen sei, eine Steigerung der Renteneinnahmen Problem, meine Damen und Herren! um 8,4 % herbeigeführt werden, um die tatsäch- Nur: Die CDU/CSU wußte das schon seit langem. lichen Verhältnisse in Einnahmen und Ausgaben mit Sie hat seit dem Januar 1975 auf die sich abzeich- den Annahmen der Bundesregierung in Übereinstim- nende Finanzmisere und das große Defizit in der mung zu bringen. Rentenversicherung hingewiesen. SPD und FDP ha- Die Zeit geht schnell weiter. Ich glaube, die Aus- ben den Bürger bis zum 3. Oktober an der Nase sagen von Herrn Hoffmann sind auch schon wieder herumgeführt. Dann kam nach dem 3. Oktober das überholt. Ich habe hier mit dem Datum vom 11. Mai Hin und Her in der Koalition. Es ist ganz natürlich, eine dpa-Meldung über die Kundgebung und Tagung daß es bei Sachfragen unterschiedliche Auffassun- des Verbandes der Deutschen Rentenversicherungs- gen gibt, die sowohl in einer Fraktion als auch in träger in Hamburg. Danach schreibt Gerd Muhr, einer Koalition auf einen Nenner gebracht werden der Verbandsvorsitzende, der — nebenbei gesagt, müssen. Aber da sich die Koalition vom 13. Dezem- um die Autorität der Aussage hier noch besonders ber des letzten Jahres bis zum 17. März des laufen- zu unterstreichen — im Hauptberuf stellvertreten- den Jahres nicht ganz einigen konnte und sich der Bundesvorsitzender des Deutschen Gewerk- immer weitere Schwierigkeiten auftürmten, die aus schaftsbundes ist, die Zahlen, die Herr Hoffmann auf dem Weg geräumt werden mußten, sind wir im den Tisch gelegt hat, weiter fort. Herr Muhr sagte Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung unter einen — er hatte inzwischen die vom 4. auf den 11. Mai unerträglichen Zeitdruck gekommen. Es hätte auch fortgeschriebenen Zahlen der Einnahmen bei den nichts geholfen, wenn man eine Stunde länger an- Rentenversicherungsträgern —: Wir müssen in den gesetzt hätte; es gab im Grunde genommen nur folgenden Monaten dieses Jahres sogar eine Steige- drei Beratungstage für die Einzelberatung des hier rung von 8,9 % erreichen, um die Annahmen der vorgelegten Komplexes. Es ist Schuld der Bundes- Bundesregierung Wirklichkeit werden zu lassen. regierung und Schuld von SPD und FDP, daß hier nicht sorgfältig beraten werden konnte. Das heißt, die Annahmen der Bundesregierung sind in der Tat auf Sand gebaut. Sie sind zu den Die Bundesregierung geht bei ihren Annahmen Zeitpunkten, da wir sie in zweiter und dritter Le- über die Finanzierung dieses — wie sie es nennt — sung verabschieden — heute und morgen —, längst Rentensanierungspakets davon aus, daß sich z. B. überholt. Sie treffen überhaupt nicht mehr zu. in bezug auf das Entgelt und die Beschäftigtenzahlen ganz bestimmten Zahlengrößen einstellen. So ist es (Beifall bei der CDU/CSU — Nordlohne jedenfalls im Zwanzigsten Rentenanpassungsgesetz [CDU/CSU]: Eine „solide" Politik ist das!) und im Zwanzigsten Rentenanpassungsbericht- zu Ich habe die Gegenäußerung des Bundesarbeits- lesen. Die Bundesregierung geht z. B. davon aus, ministers oder des Ministeriums — ich will mich da daß die Löhne und Gehälter 1977 um 7,5 % steigen, nicht festlegen. Ich glaube, er hat in Hamburg auf daß die Zahl der Arbeitslosen im Jahre 1977 auf diese Zahlen Bezug genommen. Ich nehme Sie jetzt 850 000 zurückgeht. Heute steht fest: Die Arbeits- nicht unmittelbar beim Wort, Herr Ehrenberg, aber losenzahl wird jahresdurchschnittlich etwa 950 000 Sie könnten es gesagt haben, und so unterstellen betragen. Leider ist das der Fall. wir einmal, daß Sie es auch gesagt haben. Das bedeutet einerseits Mehrausgaben in der Ar- (Heiterkeit) beitslosenversicherung, andererseits Minderausga- Zumindest das Bundesarbeitsministerium sagt: Die ben in der Rentenversicherung gegenüber den Regie- ersten drei Monate eines Jahres sind nicht repräsen- rungsvorstellungen von rund 1 Milliarde DM, wenn tativ für die Einnahmen des ganzen Jahres. Ich will sich die Zahl der Arbeitslosen jahresdurchschnitt- Ihnen da nicht widersprechen. Nur, für Sie ist das lich um 100 000 gegenüber den Regierungsvorstel- doch nur ein Strohhälmchen, um im Bild zu bleiben. lungen vergrößert. (Zuruf des Abg. Müller [Remscheid] [CDU/ (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Eine Seifenblase!) CSU]) Sie wissen ganz genau, daß diese gewaltigen Stei- Steigt die Arbeitslosenzahl über 950 000 hinaus, gerungen im Verlaufe des Jahres, die mit einem ver- wie viele Sachverständige befürchten, auf durch- stärkten Rückgang der Arbeitslosenzahlen verbun- schnittlich 1 Million im Jahre 1977, dann „wächst" den Wären, auf gar keinen Fall eintreffen. Sie kön- die jährliche Mindereinnahme bei den Rentenver- nen dies nicht wieder zum Problemchen herunter- sicherungsträgern schnell auf 2 Milliarden DM. spielen, Herr Ehrenberg, sondern das ist in der Tat Diese Zahl von 2 Milliarden DM habe ich mir vor ein riesengroßes Problem. Auch wenn die ersten einigen Tagen notiert, bevor Herr Hoffmann, der drei Monate nicht repräsentativ sind, die Gesamt- Präsident der Bundesversicherungsanstalt für Ange- tendenz ist so, daß die Fachleute, leider die Fach- stellte in Berlin, laut „Handelsblatt" vom 4. Mai leute, und nicht Sie recht behalten werden, daß die — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten Einnahmen in diesem Jahre auf gar keinen Fall mit zitieren — hier in Bonn eine Pressekonferenz gab. dem übereinstimmen, was Sie in diesem Gesetzent- Herr Hoffmann sagte folgendes. Wollte man die wurf angenommen haben. Renteneinnahmen bei den Rentenversicherungsträ- (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Blüm gern jahresdurchschnittlich um 6,5 % erhöhen, [CDU/CSU] : Der Arbeitslosenberg ist grö müßte für den Rest des Jahres unter Berücksichti- ßer als der Ehrenberg! — Müller [Rem gung der Tatsache, daß in den ersten drei Monaten scheid] [CDU/CSU] : Ehrenberg, der Wun eine Steigerung von lediglich 0,8 % zu verzeichnen dermann, schafft das!) 1844 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Franke Herr Ehrenberg, Sie haben an der Sachverständi- dien und Monaten gesagt haben, entspricht dieser genanhörung, die wir an drei Tagen Mitte April ab- Tendenz, entspricht dieser leider immer von Fehl- gehalten haben, nicht teilgenommen. Ich unterstelle, prognosen strotzenden Annahme der Sozialdemo- daß Sie alles das, was die Sachverständigen dort ge- kraten. sagt haben, nachgelesen haben. Da wird Ihnen zu- Die Risiken sind groß, natürlich, das weiß jeder, mindest die Passage über viele Seiten hinweg nicht der sich mit der Materie beschäftigt und haargenau unbekannt geblieben sein, wo alle Sachverständigen, voraussagen soll, wie die wirtschaftliche Entwick- die dort waren, Ihre wirtschaftlichen Grundannah- lung sein wird. Niemand kann genau sagen, .wie sich als im Grunde genommen überhaupt nicht seriös men in den nächsten Jahren die Konjunktur entwickeln bzw. als nicht gegeben ansehen. Schon am 20., 21. wird. Die fünf wirtschaftswissenschaftlichen Institu- und 22. April war klar, daß das, worüber wir dort te, die am 25. April ein Gutachten abgegeben haben, beraten haben, für die Sachverständigen überhaupt rechnen für das Jahr 1977 eher mit einer Abflachung keine seriöse und solide Grundlage für die wirt- des Anstiegs des Bruttosozialprodukts: statt 6,1 v. H. schaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik im letzten Jahr 5 v. H. für dieses Jahr. Dieser man- Deutschland ist. Damit werden die Einnahmen der gelnde Anstieg schlägt dann auf den Arbeitsmarkt Rentenversicherungsträger ein riesengroßes Loch durch und bewirkt höhere Arbeitslosigkeit. Das ist aufweisen. Es wird sich Ende dieses Jahres bei den die Ursache für jene Zahlen, die ich gerade genannt Rentenversicherungsträgern ein riesengroßes Loch habe. auftun. Meine Damen und Herren, was heißt das? Für den, Um Ihnen zu zeigen, daß erhebliche Zweifel daran der sich mit der Frage beschäftigt, heißt das, daß das, bestehen, daß Ihre Annahmen richtig sind, besteht was wir hier unter dem großen Namen Sanierung außerdem noch die Möglichkeit, das Gutachten des der Rentenversicherung betreiben, auf Sand gebaut Sozialbeirates zu erwähnen. Der Sozialbeirat kommt ist, daß wir uns in diesem und im nächsten Jahre in seiner Stellungnahme, die er im Februar abgege- schon wieder mit weiteren Sanierungsmaßnahmen — ben hat, im Grunde genommen zu dem gleichen Er- und was heißt hier „Sanierung" ? —, mit Rentenkür- gebnis. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsi- zungen und ähnlichen Dingen beschäftigen müssen, denten zitieren: denn es ist leider anzunehmen — ich wiederhole es, Besondere Aufmerksamkeit verdient in diesem Herr Ehrenberg —, daß die Sachverständigen recht Zusammenhang auch die Frage der inneren behalten und nicht Sie. Konsistenz der Annahmen. Mehrere Beiratsmit- Wenn man untermauern will, warum man glauben glieder bezweifeln, ob die Entgeltsteigerungs- muß, daß die Sachverständigen leider recht behalten annahme von 7,5 v. H. jährlich mit der Annah- und nicht Sie, dann darf ich nur einmal an -eine Pro- me über die Beschäftigungsentwicklung in der pagandaübersicht, diese berühmte Kiste, erinnern. gleichen Rechnung, d. h. mit dem wirtschafts- politischen Ziel vereinbar ist, (Zuruf von der CDU/CSU) (Hört! Hört! bei der CDU/CSU) — Ja, da ist noch ein anderes Foto drauf. durch eine Belebung der Investitionen die Be- (Reddemann [CDU/CSU] : Der ging so schäftigungslage zu verbessern und zugleich die schnell, wie der Ehrenberg bald gehen muß!) Preissteigerungen weiter zu reduzieren; ange- Da schreibt der inzwischen wegen dieser Schwierig- sichts der Erfahrungen der letzten Jahre spricht keiten zurückgetretene oder zurückgetreten wordene nach ihrer Meinung Bundesarbeitsminister : — der Meinung der Sachverständigen im Sozialbei- Die Politik der sozialliberalen Koalition ist dar- rat — auf ausgerichtet, mehr soziale Sicherheit und manches dafür, daß höhere Entgeltsteigerungen Gerechtigkeit zu schaffen. sowohl kürzer- wie längerfristig mit ungünsti- Und dann heißt es im letzten Satz: gerer Beschäftigungsentwicklung verbunden sein werden. Dies gilt insbesondere für den Diese Bilanz macht es deutlich: Unsere Politik über 1980 hinausgehenden Zeitraum, in dem die kennt keinen Stillstand. Fortsetzung des wirtschaftlichen Wachstums im Völlig richtig, nur geht es bei Ihnen nach unten, bisherigen Umfang unsicherer ist. (Beifall bei der CDU/CSU) Das heißt also, die kurzfristige Prognose Ist unsicher, bei Ihnen geht es abwärts. Die Politik, die Sie im die mittelfristige Prognose ist unsicher, und die Sozialbereich, im Wirtschaftsbereich betreiben, langfristige Perspektive ist düster, weil — dies füge kennt keinen Stillstand. Das ist völlig richtig, es ich hinzu; das können die Sachverständigen im So geht abwärts. Insoweit hat Walter Arendt recht zialbeirat nicht in ihr Gutachten schreiben — So- behalten: kein Stillstand, es geht abwärts. zialdemokraten mit Hilfe der Freien Demokraten am Ruder sind. Deshalb ist die Zukunft düster, mei- Herr Ehrenberg, ich habe mir von einigen Kolle- ne Damen und Herren. gen auch wieder etwas geben lassen, was Sie im Laufe der Zeit, auch in jüngster Zeit gesagt haben. (Beifall bei der CDU/CSU) Das liegt im Grunde genommen auf der gleichen Weitere Unsicherheiten ergeben sich auch nach Auf- Ebene wie das, was hier geschrieben steht. Das war fassung des Sozialbeirates über — ich zitiere — „die kurz vor der Wahl als Propagandaschrift herausge- Entwicklung der Rentenzugangshäufigkeit und der geben worden. Was Sie in den vergangenen Wo sich daraus ergebenden Beitragsnachentrichtungen" Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1845 Franke sowie der sich daraus wiederum ergebenden zusätz- Ihre Schuld in ganz erheblichem Maße erschüttert lichen Rentenausgaben. Das bedeutet für die Ren- worden. tenversicherung, um die Zahlen noch einmal zu nen- (Beifall bei der CDU/CSU) nen: 200 000 Arbeitslose zahlen 1 Milliarde DM we- Ich glaube, meine Damen und Herren, wir alle kön- niger in die Kasse der Rentenversicherung. nen über dieses Echo, das uns von draußen ent- Zur Bewältigung dieses Problems ist es auch kei- gegenschlug, nicht verwundert sein, da Diäten- ne große Hilfe, daß die Bundesanstalt für Arbeit erhöhung und Rentenkürzung - die Termine haben Beiträge an die Rentenversicherung für Ausfallzei- Sie gewählt — zur gleichen Zeit zur Debatte stan- ten von Arbeitslosen zahlt. Wird die Bundesanstalt den. Das ist ein Spiel, das man so nicht spielen infolge höherer Arbeitslosigkeit finanziell mehr be- kann, wie Sie in der SPD und der FDP es gespielt lastet, müssen eben dort die Beiträge erhöht wer- haben den. Hier kann man also nicht eine ohnehin leere (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Hammans Tasche noch mit zusätzlicher Geldentnahme belasten. [CDU/CSU] : Insbesondere der Bundeskanz ler war es!) Der Beweis für diese skeptischen Annahmen ist Ich darf hier mit Genehmigung des Präsidenten — Gott sei es geklagt — schon angetreten. Arbeits- ein Wort von Ludwig Erhard — und wir diskutie- losigkeit und niedrige Lohnentwicklung schlagen auf ren an dem Tage, an dem er beigesetzt wird — aus die Beitragsentwicklung in der Rentenversicherung der Rede zitieren, die er am 14. Dezember vergan- durch. Ich habe soeben schon gesagt, .daß die BfA genen Jahres als Alterspräsident dieses Hauses hier in den ersten Monaten für die Rentenversicherungs- gehalten hat. Es geht um das, was ich vorhin ge- träger insgesamt festgestellt hat, daß die Zahlen, sagt habe, daß die Glaubwürdigkeit und das Ver- die die Bundesregierung aufstellt, nicht stimmten. trauen in die Regierenden durch Ihre Handlungs- Gerd Muhr — ich wiederhole noch einmal — kommt weise erheblich erschüttert worden ist: zu noch düstereren Zahlen, als sie uns der Präsident der Bundesversicherungsanstalt in Berlin in den Wir rangen in diesem Hause um eine reifere letzten Tagen in Bonn auf den Tisch gelegt hat. politische und freiheitliche Wirtschafts- und So- zialordnung, und unsere Arbeit daran wird ge- (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Das ist wiß nicht aufhören. Aber wir wissen zugleich, kein CDU-Mann!) daß die Ordnung, die wir uns, auf dem Grund- — Was die Parteizugehörigkeit dieses sachverstän- gesetz aufbauend, gegeben haben, ein festge- digen Mannes, des stellvertretenden Bundesvorsit- fegtes Fundament unseres Staatswesens ist. zenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes und im Alle, Augenblick des Vorsitzenden des Verbandes- der Rentenversicherungsträger betrifft, ist er, wenn ich — so sagt Ludwig Erhard — midi richtig erinnere — ich will ihm nicht zu nahe die Verantwortung tragen, sollten sich aller- treten; vielleicht tue ich das bei der Stimmungslage, dings immer bewußt sein, daß nicht so sehr in der sich die Sozialdemokraten gegenwärtig be- fragwürdige Prognosen, sondern vielmehr die finden — Mitglied der sozialdemokratischen Partei. Wahrheit und Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen (Egert [SPD] : Reden Sie mal zur Sache! Sie die Gemütslage und das Tun eines Volkes be- reden hier immer nur über Parteizugehörig einflussen. keit!) Wie recht hat Ludwig Erhard gehabt, insbesondere vor dem Hintergrund dieses makaberen Vorgangs, Nach dem 20. Rentenanpassungsgesetz und dem über den ich gerade gesprochen habe. 9. Gesetz über die Erhöhung der Kriegsopferrenten Zuviel Staat, zuviel Skepsis kann zur Sepsis (Zuruf von der SPD) werden und lähmt uns, auch wenn sie in der — das stand nicht hier auf meinem Notizzettel; das Kutte eines grauen Realismus oder eines über- habe ich auf eine Zwischenfrage geantwortet — wer- zeugungsängstlichen Pragmatismus auftritt. den die Renten aus der Rentenversicherung und in (Zuruf des Abg. Lutz [SPD] — Gegenruf der Kriegsopferversorgung ab 1. Juli 1977 um 9,9 % von der CDU/CSU) erhöht. Daß wir jetzt über Beitragsbelastungen reden (Lutz [SPD] : Bravo! — Dr. Schäfer [Tübin müssen, ist ausschließlich Schuld von SPD und gen] [SPD] : Wir stimmen zu!) FDP. Die CDU/CSU ist froh, daß es ihr, zusammen mit (Lutz [SPD]: Er soll ja auch glaubwürdig den Bürgern unseres Landes, gelungen ist, den An- werden!) schlag, den die Regierung vorhatte, zu verhindern, Sie, SPD und FDP, haben jahrelang geleugnet, daß (Beifall bei der CDU/CSU) es im Bereich der Rentenversicherung und Kranken- versicherung finanzielle Schwierigkeiten gibt. Sie nämlich die versprochene Rentenanpassung zum haben alle Angebote der CDU/CSU-Fraktion, schon 1. Juli 1977 nicht vorzunehmen. Das hat zu einer frühzeitig Überlegungen anzustellen, als Schwarz- tiefen Vertrauenskrise zwischen den Bürgern unse- malerei abgetan. Hätten Sie, SPD und FDP, auf uns res Landes und der Bundesregierung geführt. Ich gehört, wären die Belastungen für unsere Bürger glaube sogar, das Vertrauen in die Glaubwürdig- nicht so hoch ausgefallen, wie sie jetzt ausfallen keit der Aussagen der politischen Parteien ist durch müssen. Der Sanierungszeitraum für die Sanierung 1846 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Franke der Renten- und Krankenversicherung hätte um andeutet, geht die Regierung in ihren Maßnahmen zwei Jahre länger sein können, und die Einzelbela- einen falschen Weg. Sie finanziert das riesengroße stung wäre wesentlich geringer gewesen. Loch in der Rentenversicherung unter anderem (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr!) durch eine gigantische Finanzverschiebung. Sie redu- ziert den Krankenversicherungskostenanteil der Ich wiederhole noch einmal: Bis zum 3. Oktober Rentenversicherung von 17 auf 11 % der Renten- haben Sie die Existenz dieser Probleme geleugnet. ausgaben. Wir haben vielfach darauf hingewiesen und ange- Die bloßen Zahlen sprechen für den Uninformier- boten, an der Lösung dieser Fragen mitzuarbeiten. ten vielleicht eine nicht ganz so deutliche Sprache. Sie haben sie geleugnet. Wenn jetzt diese Belastun- gen auf unsere Bürger zukommen, dann ist das aus- Diese Absicht der Bundesregierung bedeutet, daß schließlich Ihre Schuld, weil Sie den Mut vor dem die Träger der Krankenversicherung die Summe, 3. Oktober nicht gehabt haben. die hier verlagert wird, letztlich durch eine Erhö- hung ihrer Beiträge werden beitreiben müssen. (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Sehr wahr!) der SPD) Wir wollten auch unpopuläre Maßnahmen mittra- Warum nimmt die Bundesregierung diese Ver- gen, und wir tragen sie auch mit, obwohl die Regie- lagerung vor? Dazu bedarf es keiner gesetzlichen rung allein die Verantwortung für die Renten- Initiative. Denn die Selbstverwaltungsorgane sind misere trägt. Wir werden für das Mittragen oder für gezwungen, Einnahmen und Ausgaben in Überein- das Vorschlagen von Maßnahmen hin und wieder stimmung zu bringen. Das bedeutet: Diese Bundes- gescholten, auch in unseren eigenen Reihen. Wir regierung hat nicht einmal den Mut, einzugestehen, bitten die Bürger, die das tun, um Verständnis. Mit daß die Mittel zur Füllung dieses Lochs beigetrieben den Vorschlägen, die wir auf den Tisch gelegt ha- werden müssen, sondern sie verlagert das auf die ben, nachdem die Regierung jahrelang die Existenz Selbstverwaltungsorgane der Krankenkassen. Das dieser Probleme geleugnet hat, wollen wir verhin- ist unaufrichtig. dern, daß SPD und FDP ordnungspolitisch unsaubere (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der und die bruttolohnbezogene dynamische Rente än- CDU/CSU: Das versteht die Bundesregie dernde Vorstellungen verwirklichen. Das erfordert rung unter Stärkung der Selbstverwaltung! sozial ausgewogene Entwürfe. Wir haben sie im — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: März 1977 diesem Haus auf den Tisch gelegt. Ehrenbergs Verschiebebahnhof! — Zuruf Die Bundesregierung geht bei ihren Berechnungen des Abg. Cronenberg [FDP]) des Defizits bis 1980 von einer Summe von ca. — Ich habe Ihren Zwischenruf, verehrter neuer Kol- 83 Milliarden DM aus. Das heißt, nach einer- Unter- lege, nicht verstanden. Ich glaube, zu Ihren Gunsten stellung der Bundesregierung fehlen von heute bis ist es gut, daß ich ihn nicht verstanden habe. 1980 in der Renten- und Krankenversicherung fast (Zurufe von der FDP) 83 Milliarden DM. (Zuruf von der SPD: Nach einer Prognose!) Die Sachverständigen schätzen die Erhöhung, die durch die Verlagerung auf die Krankenversicherung In der finanziellen Ubersicht belegt sie diese entsteht, auf 1,2 bis 1,6 Beitragsprozentpunkte. Das Summe. Bei den gesetzlichen Maßnahmen verweist bedeutet eine Erhöhung des jetzigen Krankenver- sie auf eventuell notwendige Initiativen im 21. Ren- sicherungsbeitrags um etwa 12 bis 13 °/o, die je zur tenanpassungsgesetz. Hälfte von den Arbeitgebern und von den Arbeit- (Sehr richtig! bei der CDU/CSU) nehmern zu bezahlen ist. Auch hier findet wieder eine Täuschung der Bür- Weiter schlägt die Regierung vor, falls notwendig ger statt. Auf der einen Seite sagt die Bundesregie- — wie sie sagt — in den Jahren 1979 und 1980 und rung und weist in ihrem Zahlenspiel aus, daß 83 Mil- künftig die Renten an die Nettogehälter oder Ähn liarden DM fehlen; auf der anderen Seite sagt sie, liches anzupassen. Dabei geht sie, ohne Unter- da werde sie später die gesetzlichen Maßnahmen schiede zu machen, an hohe wie auch kleine Renten durchführen. Sogar — das erwähne ich nicht gern; ran. Auch die kleinen Renten der Witwen werden aber es muß einmal gesagt werden — der leitende hiervon betroffen. Beamte des Sozialministeriums, Ministerialdirektor Wir von der CDU/CSU gehen einen ganz anderen Schewe, leugnet, daß das überhaupt im Entwurf der Weg. Wir schlagen eine ganz andere Lösung vor. Regierung steht. Ich halte es für ungeheuerlich, daß Für uns sind die Renteneinkommen nicht gleich der leitende Beamte dieses Ministeriums das ent- Renteneinkommen. weder nicht weiß oder im Ausschuß nicht ganz die Wahrheit über das sagt, was in dem Entwurf steht. (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Sehr richtig!) (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der Ein großer Teil unserer Mitbürger hat geringe Al- SPD: Nehmen Sie das zurück!) terseinkommen. Andere — nicht wenige — Mit bürger haben höhere Alterseinkommen. Diese unter- Das ist nicht ganz aufrichtig. Aber das sind wir bei schiedlichen Auswirkungen sind in der Gesetzge- dieser Regierung gewohnt. bung zum Rentenrecht gewollt. Ich verweise auf das, Abgesehen davon, daß die Regierung hier Zahlen was ich zu diesem Punkt in der ersten Lesung gesagt entweder falsch oder nicht ganz deutlich angibt oder habe. Aber bei der finanziellen Belastung unserer daß sie zwar Zahlen nennt, aber keine Maßnahmen ältereren Bürger muß ich doch Unterschiede machen. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1843

Franke Ich kann kleine Renteneinkommen doch nicht genau- die Zurücknahme jetzt wieder ein riesengroßes Loch so belasten wie ein hohes Renteneinkommen. Die aufzureißen. Mit unseren Vorschlägen weisen wir Bundesregierung schert alle über einen Kamm, die vielmehr einen anderen Weg in die Zukunft. Witwe, die noch ergänzend Sozialhilfe erhält, wie (Abg. Hölscher [FDP] meldet sich zu einer die Rentenbezieher mit hohem Renteneinkommen. Zwischenfrage) (Beifall bei der CDU/CSU) — Ich will Ihre Zwischenfrage gerne beantworten. Aber lassen Sie mich das vorher noch einmal dar- Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Herr Ab- legen. geordneter Franke, gestatten Sie eine Zwischen- Die Bundesregierung schert also alle Rentner über frage des Herrn Abgeordneten Hölscher? einen Kamm. Sie nimmt der Witwe mit z. B. 350 DM Monatsrente prozentual genausoviel weg wie dem Franke (CDU/CSU) : Bitte. Rentner, der 2 000 DM und mehr Alterseinkommen erhält. Wir stellen Rentner, die z. B. 1979 weniger Hölscher (FDP) : Herr Kollege Franke, wären Sie als 656 DM haben, vom Krankenversicherungsbei- so freundlich, uns einmal sachkundig zu machen, wo trag frei. Ich wiederhole: Diese Bundesregierung, in dem heute zur Verhandlung stehenden Gesetz- d. h. auch Sie, SPD und FDP, die die Beschlüsse im entwurf eine solche Anpassung, wie Sie sie darstel- Ausschuß gefaßt haben, scheren alle Rentner über len, niedergelegt ist, und wären Sie auch so freund- einen Kamm. Im Falle der Anwendung der Netto- lich zu bestätigen, daß die CDU/CSU nach Ihren Aus- anpassung muß die Witwe mit 350 DM ebenso mit führungen wohl nicht mehr für die Rückführung der weniger Renteneinkommen zufrieden sein wie der Zahlungen an die Krankenversicherung von 17% Rentner mit hohem Renteneinkommen. Das halten auf 11 % ist? wir für unsozial. Wir schlagen daher vor, einen Freibetrag vorzuse- Franke (CDU/CSU) : Herr Hölscher, Sie haben zwei hen. Der betrüge 1979 656 DM. Über diesen Zeitraum Fragen gestellt. Die erste Frage ist jene: Wo steht reden wir; denn die Bundesregierung will die Netto- das in dem Gesetzentwurf? Ich mußte Ihnen schon anpassung und Teilaktualisierung ab 1979 verwirk- während der Ausschußsitzungen unterstellen, daß lichen. Für diesen vergleichbaren Zeitraum würden Sie wahrscheinlich die finanzielle Übersicht der Re- wir die Rentner mit einem Alterseinkommen von gierungsvorlage auch nicht gelesen haben. Ich ver- bis zu 656 DM freistellen. Erst ab diesem Betrag weise auf die Drucksache 8/165. In der finanziellen würde der von uns vorgeschlagene Krankenversi- Übersicht ist angegeben, daß durch die Veränderung cherungsbeitrag der Rentner Platz greifen. der Bruttodynamik der Renteneinkommen bei den Rentenversicherungsträgern Minderausgaben von 20,3 Milliarden DM erzielt werden, damit die finan- Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Herr Ab- zielle Lage der Rentenversicherung entsprechend geordneter Franke, gestatten Sie eine Zwischen- verbessert wird. Können Sie mir eigentlich sagen, frage des Herrn Abgeordneten Schmidt? was das zu bedeuten hat? Wenn dieser Betrag in der finanziellen Übersicht der Regierungsvorlage aus- Franke (CDU/CSU) : Ich darf eben noch dieses gewiesen ist, muß ich doch von einer soliden und Kapitel abhandeln, Herr Kollege Schmidt. Dann bin seriösen Bundesregierung — die diese mit Sicher- ich bereit, Ihre und die Frage des Herrn Hölscher heit nicht ist, die Sie aber mit tragen — zu beantworten. (Zurufe von der SPD) (Zuruf des Abg. Schmidt [Kempten] [FDP]) erwarten, daß sie dann auch die erforderlichen ge- — Ich benutze das Instrument der Zwischenfrage setzlichen Maßnahmen ergreift. Die gesetzlichen auch sehr gerne, um die Gesamtdarstellung des Maßnahmen in diesem Zusammenhang hat die Bun- Redners zu unterbrechen. Dieses Instrument hat desregierung aber noch nicht einmal angekündigt; natürlich eine ganz bestimmte Wirkung. Nur, da sie hat nur gesagt, sie mache das im Rahmen des ich weiß, daß man diese Wirkung mit Zwischenfra- 21. Rentenanpassungsgesetzes. gen erzielen kann, lasse ich diese Unterbrechung jetzt nicht zu. (Beifall bei der CDU/CSU) (Lutz [SPD]: Sie zwingen einen ja geradezu Verehrter Herr Kollege Hölscher, durch die Nicht- dazu! — Weiterer Zuruf von der SPD: Er anwendung des § 393 a der Reichsversicherungsord- ist sehr unsicher!) nung, durch den Verzicht auf den Erlaß der in die- ser Vorschrift vorgesehenen Rechtsverordnung hat Zirka 2 Millionen Rentner werden nach unserer die Bundesregierung selbst die Schuld auf sich ge- Vorstellung überhaupt nicht belastet, werden von laden, daß in den vergangenen Jahren eine Über- der Zahlung eines Krankenversicherungsbeitrags zahlung der Rentenversicherungsträger an die Kran- freigestellt. Bei der Nettoanpassung nach den Ab- kenversicherung erfolgte. Jetzt bleibt das Geld do rt ; sichten der Bundesregierung und nach den Maßnah- es ist auch unsere Meinung, daß es dort bleiben soll. men, die SPD und FDP zu beschließen angekündigt Nur, künftig wollen wir einen ganz anderen Weg als haben, würden diese 2 Millionen ebenfalls negativ in den gehen, den die Bundesregierung jetzt plant. Wir ihrem Renteneinkommen getroffen. Ich wiederhole: verfallen nicht in den Fehler, den Sie gemacht ha- das ist unsozial. Wir wollen das nicht mitmachen. ben, dem gesetzlichen Befehl nicht nachzukommen. Die Vorschläge von SPD und FDP richten sich ohne Wir begehen allerdings auch nicht den Fehler, durch Rücksicht auf Verluste auch gegen Rentenbezieher — 1848 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Franke ich wiederhole das — mit kleinen Renteneinkom- frage, die entlarvend war, ergibt sich dies doch ein- men. deutig als Ihre Absicht. Nun, Herr Kollege Schmidt, bitte. (Beifall bei der CDU/CSU)

Schmidt (Kempten) (FDP) : Herr Kollege Franke, Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Herr Ab- würden Sie mir zustimmen, daß die Witwe mit 350 geordneter Franke, wollen Sie weitere Zwischenfra- DM, von der Sie soeben gesprochen haben, nur eine gen beantworten? Ich habe noch zwei Fragesteller, Witwenrente aus einem Rentenanspruch hat, dem den Herrn Abgeordneten Cronenberg und den Herrn nicht ein Leben mit 35 bis 45 Versicherungsjahren Abgeordneten Urbaniak. zugrunde liegt, so daß also nicht die Solidaritäts- grundlage vorhanden ist? Franke (CDU/CSU) : Ich möchte mich zunächst noch (Zuruf von der SPD: So ist das, Herr weiter mit der Zwischenfrage des Kollegen Schmidt, Franke! — Reddemann [CDU/CSU] : Also für die ich dankbar bin, auseinandersetzen. müssen diese hungern?!) (Zuruf von der SPD: Sie haben sie aber nicht beantwortet!) Franke (CDU/CSU) : Aber, verehrter Herr Kollege Schmidt, das begegnet Ihnen doch täglich. Sehen Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein Sie sich einmal die Rentnerstatistik an. Es gibt viele Weiteres sagen. Die Träger der Sozialhilfe — das Rentnerinnen bzw. Witwen, die ausschließlich von sind die Kommunen — haben bei der Sachverstän- Beträgen dieser Größenordnung leben müssen, ohne digenanhörung auf die Gefahr hingewiesen, die sich daneben zusätzliche Einkommen zu haben. Das ist ergibt, wenn wir in dieser Art Rentenkürzungen doch der entscheidende Punkt. vornehmen; sie haben darauf hingewiesen, daß sich (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von für die Träger der Sozialhilfe zusätzliche Belastun- der SPD) gen in Höhe von zwei bis vier Milliarden DM er- geben. Dies sind die nackten Zahlen. Aber, Herr Nach unserem Beispiel werden diese Witwen oder Kollege Schmidt, was verbindet sich denn außerdem Rentenbezieher nicht betroffen; denn wir knüpfen noch damit? Wir halten es für unerträglich, nach die Freigrenze von 656 DM an eine 25jährige Vor- einem erfüllten Arbeitsleben bei 40 Beitragsjahren versicherungszeit. Man kann also davon ausgehen, oder etwas weniger bei niedriger Rente einer Witwe daß das ausschließliche Alterseinkommen Renten- zuzumuten, den Rest ihres Lebensunterhalts in der einkommen als solches ist. Sozialhilfe zu suchen. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Herr Ab- geordneten Franke, gestatten Sie eine weitere Zwi- Das verträgt sich nicht mit unserer Philosophie und schenfrage des Abgeordneten Schmidt (Kempten)? — mit den sich aus dieser Philosophie ergebenden Bitte. Handlungen, wie wir sie 1956 und 1957 bei der Ren- tengesetzgebung vorgenommen haben. Wir wollten alle am Arbeitsleben Beteiligten, die über langjäh- Schmidt (Kempten) (FDP) : Herr Kollege, würden Sie zustimmen, daß in diesen Fällen, die Sie ange- rige Beitragszahlungen verfügen, in den Stand ver- sprochen haben und die zweifellos problematisch setzen, mit dem Erreichten einen würdigen Lebens- sind, der zugrundeliegende Rentenanspruch nicht ein abend zu verbringen, und wir wollen sie nicht vor solcher ist, der sich auf Beitragszeiten während den Sozialämtern Schlange stehen lassen, um sich eines vollen Arbeitslebens gründet, und daß diese den Rest ihres Lebensunterhalts dort zu holen oder Fälle auf Grund der Entscheidung des Deutschen holen zu lassen. Bundestages im Rahmen des Anspruchs auf Sozial- (Zurufe von der SPD) hilfe abgesichert sind und daß wir bei der Klärung der Rentenversicherungsfragen von demjenigen aus- Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Herr Ab- gehen müssen, der in der Solidargemeinschaft der geordneter Franke, wollen Sie noch die Zwischen- Rentenversicherung echt tätig war? fragen zulassen?

Herr Kol- Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Franke (CDU/CSU) : Ich bin immer noch bei der lege Schmidt, die Zwischenfrage war sehr lang. Beantwortung der Zwischenfrage des Kollegen Schmidt, die er mir dankenswerterweise gestellt hat. Franke (CDU/CSU) : Herr Kollege Schmidt, Sie liefern mir das nächste Stichwort. Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Dann (Sehr gut! bei der CDU/CSU) werden wir möglicherweise mit der Zeit in Schwie- Ich kann es gar nicht verstehen, daß Sie so unklug rigkeit kommen. sind. Wir haben uns in der ersten Lesung und in der Beratung im Ausschuß und auch bei der Sach- Franke (CDU/CSU) : Herr Präsident, ich hoffe auf verständigenanhörung doch wirklich den Kopf dar- Ihre Großzügigkeit, daß mir ein Teil der Zeit, die über zerbrochen, wie die Verlagerung auf die So- ich für die Beantwortung der Zwischenfrage ver- zialhilfe zu verhindern ist. Sie haben immer geleug- braucht habe, bei meiner Gesamtredezeit angerech- net, daß das Ihre Absicht sei. Aus Ihrer Zwischen- net wird. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1849

Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Herr Kol- Franke (CDU/CSU) : Herr Kollege Cronenberg, zu- lege Franke, soweit das bisher der Fall gewesen nächst hat Herr Kollege Hölscher geleugnet, daß ist, wird das geschehen; aber im Hinblick auf den überhaupt die Absicht besteht, eine solche Initiative Gesamtzeitablauf sollten Sie es sich überlegen, ob zu ergreifen. Sie sagen: Sie wird eintreffen, und es Sie noch weitere Zwischenfragen zulassen. wird ein geringerer Abschlag sein. (Zuruf von der SPD: Das hat er gar nicht Franke (CDU/CSU) : Herr Präsident, ich nehme die gesagt! — Weitere Zurufe von der SPD) Mahnung gerne an. Ich möchte mir nur nicht vor- Wer hat von euch nun die Wahrheit gesagt? Die werfen lassen, wie das einer der Kollegen von der Wahrheit habe ausschließlich ich hier gesagt, linken Seite soeben getan hat, als ich die Zwi- schenfrage etwas aufschob, ich hätte Angst vor Zwi- (Beifall bei der CDU/CSU) schenfragen und könnte sie insbesondere nicht be- indem ich euch unterstellt habe: Ihr habt das vor, antworten. Ich bin dankbar für Zwischenfragen. Ich nur seid ihr nicht so ehrlich, das jetzt auch in den wiederhole es noch einmal: Manchmal lebe ich ge- Gesetzentwurf hineinzubringen. Herr Kollege Cro- radezu davon. nenberg, ich muß Ihnen persönlich gestehen, daß Sie, (Lachen bei der SPD) auch bei der Ausschußberatung, den Mut zur Wahr- — Aber natürlich, das ist doch eine Debatte. heit haben, und das ist sehr wohltuend. Warum haben wir die Zwischenfragen eingeführt? Ich komme zur Beantwortung Ihrer Frage. Die Sie halten wahrscheinlich nichts von einer Debatte. Bundesregierung, SPD und FDP haben gar nicht Ich bin für eine lebendige Debatte, und Sie halten genau gesagt, welche Abschläge sie geplant haben. davon anscheinend nichts. Wollen Sie Abschläge von den Bruttobeträgen ma- (Zurufe von der SPD: Wir wollen eine De chen, also Steuern und Sozialabgaben abziehen? Aus batte mit Hintergrund! — Weitere Zurufe den bislang vorliegenden Äußerungen muß man un- von der SPD) terstellen, daß Steuern und Sozialabgaben vom Fragen Sie die Kollegen, mit denen wir immer disku- Bruttoeinkommen abgerechnet werden und damit tieren! Sie werden Ihnen bestätigen, daß ich immer die Veränderung der Bemessungsgrundlage eine bereit bin, auch mit meinen eigenen Kollegen, wenn ganz bestimmte Größe erhält. Herr Kollege Cronen- nötig, auch kontrovers, zu diskutieren. Aber ich will berg, es kann nicht in Ihrem und in meinem, es jetzt nicht weiter ablenken. kann nicht in unserem Sinne sein, z. B. Beitrags- zahler mit hohem Einkommen gegenüber den Bei- (Zuruf von der SPD) tragszahlern und Arbeitnehmern mit geringerem Herr Kollege Schmidt, wir wissen, daß die- Zah- Einkommen besserzustellen. Es würde sozial viel len stimmen: Bei einem 40jährigen Arbeitsleben mit mehr Negatives auf die Beitragszahler mit geringe- durchschnittlichem Einkommen und durchschnitt- rem Einkommen und mit tendenziell geringerer Rente zukommen als gegenüber den Beitragszahlern licher Beitragszahlung betrug die Rente im Jahre 1976 917 DM, und diese Rente wird im Jahre 1979 mit hohem Einkommen. Das heißt, genau umgekehrt 1069 DM betragen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß wird es der Fall sein: Aus Ihrer Veränderung der die Witwe nur 60 °/o davon erhält. Das sind Durch- Rentenformel ergeben sich größere soziale Ab- schläge insbesondere für die Bezieher von kleinen schnittszahlen; ein großer Teil der Rentner liegt unter dieser Zahl. Das sind die Fälle, über die wir Renteneinkommen. Das wollen wir nicht. Das halten gerade gesprochen haben. Um zu sehen, daß es wir für unsozial. Darum machen wir andere, unpopu- viele Rentnerinnen oder Witwen gibt, deren Rente läre, aber systemkonformere und mit einer Sozial- komponente versehene Vorschläge, die wir Ihnen unter diesem Betrag liegt, brauchen Sie nur eine Sprechstunde in Ihrem Wahlkreis zu veranstalten; hier und auch der Öffentlichkeit auf den Tisch ge- dann kommen sie zu Hauf zu Ihnen. Wir wollen legt haben. nicht, daß sie weiterhin sozial schlechtergestellt wer- den. Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Herr Kol- lege Franke, darf ich noch dem Kollegen Urbanik das Wort erteilen? Sie hatten, wenn ich das rich- Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Herr Kol- tig in Erinnerung habe, diese Zwischenfrage noch lege Franke, jetzt muß ich Sie fragen: Nehmen Sie zugelassen. — Bitte. die beiden Zwischenfragen an, die vorher von Herrn Kollegen Cronenberg und Herrn Kollegen Urbaniak gemeldet worden waren? Urbaniak (SPD) : Herr Kollege Franke, ist es nicht eigentlich so, daß Sie die Nettoanpassung wollen und dafür den Krankenversicherungsbeitrag für die Franke (CDU/CSU) : Ja. Rentner einführen, der eine ganz erhebliche Bela- stung für den Personenkreis sein wird, der nach Cronenberg (FDP).: Herr Kollege Franke, können einem erfüllten Arbeitsleben Rente bezieht? Sie mir zustimmen, daß die Differenz zwischen der nettolohn- und der bruttolohnbezogenen Erhöhung, (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Er hat es erfolgreiche Stabilitätspolitik vorausgesetzt, gerin- nicht kapiert!) ger als der von Ihnen angestrebte Beitrag von 4 °/o Können Sie mir darüber hinaus bestätigen, daß wir, für den Krankenversicherungsbeitrag der Rentner nachdem wir im Jahre 1976 ein Rentenniveau von sein kann? 71 % erreicht haben, in diesem Jahr mit der 20. An- 1850 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Urbaniak passung auf 74 °/o kommen, daß es also noch nie so wird, bekommt dann einen Zuschlag von 10 %. Bei hohe absolute Zahlen, noch nie ein vergleichbar der Diskussion, in der wir uns im Augenblick hohes Rentenniveau gegeben hat? befinden, ist das die Veränderung der Bruttoformel. Und wenn in der SPD-Fraktion Entrüstung über die (Beifall bei der SPD — Reddemann [CDU/ Auswirkung dieser Rentenformel besteht, dann emp- CSU] : Noch nie soviel Inflation gegeben fehle ich Ihnen dringend — vornehmlich den Kolle- hat!) gen, die den Kopf schütteln, die nicht im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung sind —, sich mit der Franke (CDU/CSU) : Herr Kollege Urbaniak, ich Mechanik der Änderung der Bruttodynamik zu be- bedanke mich, daß der Herr Präsident diese langen schäftigen. Sie hat dieses Ergebnis zur Folge. Das Fragen zugelassen hat. Dadurch sind sie vielleicht ist unsozial. Das machen wir, meine sehr verehrten etwas verständlicher geworden. Damen und Herren, nicht mit. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Herr Kol lege Franke, ich bin davon ausgegangen, daß das die Ich darf fortfahren. Wir machen einen weiteren letzte Zwischenfrage ist, die Sie in dieser Runde Vorschlag. Ich wiederhole mich aus der ersten Le- noch beantworten wollten. sung. Man kann nicht nur in den Kategorien den- ken: Hier 10 Millionen Rentner, dort 20 Millionen (Lutz [SPD] : Sie wollten das doch, Herr Beitragszahler. Die Personen, die aus einer Rente in Franke!) der Rentenversicherung einen Krankenversiche- rungsanspruch haben — und der ist ja dann ko- Franke (CDU/CSU) : Herr Präsident, ich habe an stenlos —, sollen mit ihren anderen Einkommen Ihrer Verhandlungsführung überhaupt nichts zu kri- wie Arbeitnehmer behandelt werden. Sie zahlen tisieren. Ich bedanke mich wirklich dafür, daß Sie nach unseren Vorstellungen zwar keine Steuern diese doch etwas langen Zwischenfragen zugelassen über den Ertragsanteil hinaus und natürlich keinen haben. Denn sonst wäre das, was der Herr Kollege Rentenversicherungsbeitrag, aber sie sollten im Urbaniak gesagt hat, nicht klargeworden. — Aus Wege des Solidarausgleichs einen Krankenversi- der ersten Frage ist klargeworden, daß er sich cherungsbeitrag zahlen, wie die Arbeitnehmer ihn über die Absichten der Bundesregierung selbst auch heute auch zahlen müssen. Denn sonst hat die Phi- noch nicht im klaren ist. Oder ich muß ihm unter- losophie „Lohnersatzfunktion" überhaupt keinen stellen, daß er nicht zur Kenntnis nimmt, daß die Zweck; sonst halten wir den Generationenvertrag Bundesregierung von jeder Rente — von kleinen von Arbeitnehmern und Nicht-mehr-Arbeitnehmern wie von größeren Renten — durch die Veränderung finanziell nicht mehr durch. Bis zu einer Beitrags- der Rentenformel Abschläge in einer ganz bestimm-- bemessungsgrundlage von heute 2 550 DM sollten ten prozentualen Größenordnung vornimmt und daß dann solche Beiträge gezahlt werden. die Bezieher von kleinen Einkommen insbesondere Ich wiederhole: Nur bei denjenigen, die Mehrfach- durch das Abrechnen von Steuern und Sozialabga- renten beziehen und kostenlos die Krankenversiche- ben negativer betroffen werden als jene, die ein rung der Rentner in Anspruch nehmen, wird das hohes Einkommen haben. andere Einkommen als Alterseinkommen gerechnet. (Zuruf von der SPD: Sie haben die Frage Wir würden hierdurch den Krankenversicherungs- nicht verstanden!) trägern etwa 15 Milliarden DM zusätzliche Einnah- nach einer anderen Lösung, die — Gut, das mag sein. — men verschaffen ; wir Ihnen als Alternative auf den Tisch gelegt ha- Herr Kollege Urbaniak, lassen Sie mich das an ben, hätten wir ab 1. Januar 1979 als Ersatz für die einem Beispiel darstellen. Da zahlt ein Bürger un- Nettoanpassung Mehreinnahmen in Höhe von zirka seres Landes von seinem Einkommen Einkommen- 10 Milliarden DM. steuer und Sozialabgaben in einer Größenordnung Unser Vorschlag ist systemgerecht. Er ändert die von 40 %. Und da gibt es die Masse unserer Bevöl- Rentenformel nicht. Er ist sozial gerechter und kerung, die Steuern und Abgaben in Höhe von 20 greift nicht so tief in die Taschen der Rentner wie oder 25 % zahlt. Die Ä nderung der Bruttodynamik die Lösung der Bundesregierung. Unser Vorschlag — alle Mathematiker haben festgestellt, daß das hat den Vorteil, auch über 1980 hinaus zu gelten. eindeutig das Ergebnis sein wird — Er verbaut keine Lösungen, die wir bis 1984 bei der (Zurufe von der SPD) Gleichstellung der Witwenrenten erreichen müssen. — Sie müssen das alles einmal nachlesen, was die Man muß wirklich versuchen, meine Damen und Bundesregierung von sich gegeben hat; darin steht Herren, im Sinne von Subsidiarität und Solidarität, das, zwar nicht so wörtlich, aber es ist nicht anders also nach einem antisozialistischen Prinzip, zu verstehen — bedeutet eindeutig, daß Sie die (Zurufe von der SPD) durchschnittliche Abgabenbelastung auf 30 % — ich nehme einmal willkürlich diese Zahl — festlegen soziale Gerechtigkeit ohne gleichmacherische Ten- müssen und daß derjenige, der nur 20 % Steuern denzen herzustellen. Wenn es also wahr ist — und und Abgabenbelastung hat, mit einem Abschlag in es ist wahr —, daß es viele Bürger mit mehreren Höhe von 30 % belastet wird. Das heißt: Tenden- Alterseinkommen gibt, die die Krankenversicherung ziell bekommt er bei seiner Rente 10 % weniger Zu- der Rentner in Anspruch nehmen, muß man doch rechnungszeit. Und derjenige, der 40 % Steuern und konsequenterweise dieses Mehrfachalterseinkom- Abgaben zahlt und mit 30 % pauschal veranlagt men als Einkommen im Sinne von Lohnersatz be- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1071 1851 Franke trachten. — Meine Damen und Herren, das waren unsere Auffassung. Sie müssen handeln, Sie haben unsere beiden Vorschläge als Ersatz für Ihre unso- die Mehrheit in diesem Hause! ziale Nettoanpassung, die auch weiterhin fortwirken (Beifall bei der CDU/CSU — Weitere Zu würde. rufe von der SPD) Wir haben uns angeboten, im Rahmen des Ren- Wir lehnen das Einfrieren des Kinderzuschusses tenversicherungsrechts eine Reihe von unpopulären in der gesetzlichen Rentenversicherung ab. Die Maßnahmen mitzutragen: erstens Verschiebung des CDU/CSU tritt für dynamische statt starrer Grenzen nächsten Rentenanpassungstermins auf den 1. Ja- ein, für dynamisierte Kinderzuschüsse, auch für nuar 1979, zweitens Beitragszahlung der Bundesan- Halbwaisen. Wir haben angeboten, diese Leistungen stalt für Arbeit zur Rentenversicherung für Arbeits- — wir wissen, daß das bei der derzeitigen Haus- lose ab 1. Januar 1979; auch das mitzutragen sind haltslage außergewöhnlich schwer ist — aus dem wir bereit. Bundeshaushalt zu bezahlen. Hier ergibt sich doch der kuriose Zustand, daß die Beitragszahler das Nicht bereit sind wir, die Ü bertragung der beruf- Kindergeld aus ihren Beiträgen zahlen, während lichen Rehabilitation von der gesetzlichen Renten- alle anderen Kindergeldleistungen aus allgemeinen versicherung auf die Bundesanstalt für Arbeit ab Steuermitteln gezahlt werden. 1. Januar 1979 mitzutragen. Alle Sachverständigen — bis auf die beamteten Vertreter der Bundesanstalt Die Regierung nennt den von ihr mit Drucksache für Arbeit — haben diese Lösung, die Sie hier vorge- 8/166 vorgelegten Entwurf den Entwurf eines Kran- schlagen haben, für unsinnig gehalten. Hier würde kenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes. Das ist es lediglich zu einer Finanzverschiebung mit Nach- ein falscher Name. Es muß heißen: Strukturände- teilen nach dem Prinzip „Rehabilitation vor Rente" rungs- und Beitragserhöhungsgesetz. kommen. Hier gibt es die Gewerkschaften, hier (Beifall bei der CDU/CSU) gibt es die Sozialversicherungsträger, die diese Überlegung der Bundesregierung für nicht gut hal- Was wird dort vorgeschlagen? Dort wird vorge- ten. schlagen, daß Kostenverlagerungen und Beitrags- erhöhungen vorgenommen werden. Das hat mit Die Abschmelzung der Dreimonatsrücklage auf Kostendämpfung doch überhaupt nichts zu tun. Hier einen Monat — hiermit wird sich gleich noch der wird alles auf den Bürger oder auf andere Träger Kollege Schedl beschäftigen — ist eine Angelegen- abgeschoben. Sie haben sich nicht einmal die heit, die wir in dieser Größenordnung nicht mit- Mühe gemacht, in die notwendigen Feinheiten ein- machen können. Wir haben die Befürchtung,- daß zusteigen. Deshalb verdient dieses Gesetz nicht die Rentenversicherung in den Sog des Bundeshaus- den Namen „Kostendämpfungsgesetz", sondern den halts kommt und daß damit die Einheitsversicherung Namen „Strukturänderungs- und Beitragserhö- durch die Hintertür eingeführt wird. Wir können hungsgesetz". nur sagen: wehret den Anfängen; wir wollen das Es steht außer Zweifel, daß wir den Kostenanstieg nicht mitmachen. im Gesundheitswesen eindämmen müssen. Die CDU/ (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der CSU war es, die den Mut besessen hat, auf diese SPD) Entwicklung in den vergangenen Jahren hinzuwei- sen. Die Regierung sowie die Fraktionen von SPD Dann, meine Damen und Herren, war in dem Re- und FDP blieben untätig. Sie wollten uns den gierungsentwurf eine Gesetzesinitiative zur Auf- Schwarzen Peter zuschieben oder, besser gesagt — stockung von Pflichtbeiträgen für Pflichtversicherte um im Bild von zu bleiben —, den — wie wir ' es 1972 für freiwillig Versicherte auch Rotstift in die Hand drücken, während sie selber eingeführt haben — enthalten. Wir haben uns an- mit Blaulicht und Mercedes durch das Land fahren. geboten, über diesen Vorschlag mit zu diskutieren Nein, es ist eine Aufgabe der Regierung und der und ihn gegebenenfalls auch mitzutragen, und zwar Regierungsparteien, dafür zu sorgen, daß ein Miß- vor dem Hintergrund der Herstellung der sozialen stand, der sich zeigt, auch abgestellt wird. Die Re- Symmetrie. Es gibt also eine Bevölkerungsgruppe, gierung hoffte auf einen wirtschaftlichen Auf- nämlich die freiwillig Versicherten, die diese Mög- schwung, der natürlich — „natürlich" ist im Sinne lichkeit der Aufstockung hat; die Pflichtversicher- von mangelnder Leistung dieser Regierung gemeint ten haben sie nicht. — nicht eintrat. Es mag sogar einige gegeben haben, die auf eine inflationäre Lohnentwicklung gehofft Wir haben uns auch angeboten, daran mitzuar- haben, um damit die vorhandenen Löcher zuzustop- beiten, z. B. die Kontinuität der Beitragszahlung zu fen. Den Mut, vor dem 3. Oktober selbst etwas zu gewährleisten. Aber aus den Beschlüssen von SPD unternehmen, hatten SPD und FDP nicht. Was dann und FDP ist die Aufstockung dann nicht mehr her- als Regierungsvorlage herauskam, verdiente nicht ausgekommen; irgendein Partner hat sich hier wohl den Namen, den man dieser Vorlage gegeben hat. durchgesetzt, dann allerdings zu Lasten der Symme- trie. Das ist eine Angelegenheit, mit der Sie, verehr- Auch die Mitglieder von SPD und FDP im Arbeits- te Kollegen von der SPD, fertig werden müssen. und Sozialausschuß zeigten sich nicht einsichtig, diese strukturverändernden Maßnahmen aus dem (Urbaniak [SPD] : Sie kennen doch die Ent Gesetz herauszuboxen. Nun kann man bei einigen schließung!) Maßnahmen verstehen, daß die SPD bestimmte - Ja, wissen Sie, Sie ersetzen politisches Handeln Dinge betreibt und verficht. Dies entspricht ihrer durch Papier, Herr Kollege Urbaniak. Das ist nicht sozialistischen oder sozialdemokratischen Wert- 1852 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Franke vorstellung. Die Sozialdemokraten sagen dann: Des- Es gibt erhebliche ordnungspolitische Bedenken wegen setzen wir dieses durch. Das kann man ver- gegen die Empfehlungsvereinbarung, wie sie in stehen, wenn auch nicht billigen. Daß aber die § 368 f des Regierungsentwurfs vorgelegt worden ist. FDP solche unliberalen Entscheidungen mit trägt, Sie ist im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung bleibt uns weithin unerfindlich. Lassen Sie mich auch nur unwesentlich verändert worden. Wir schla- einmal an ein paar Beispielen deutlich machen, was gen an Stelle der §§ 368 f und folgende eine kon- hier gemeint ist. zertierte Aktion aller am Gesundheitswesen Betei- ligten vor. Wir sind davon überzeugt, daß die Ver- Ich komme zunächst auf die Anhebung der Bei- treter der Selbstverwaltungsorgane größere Erfolge tragsbemessungsgrenze zu sprechen. Neben der Tat- bei der Eindämmung der Kostenexplosion erzielen sache, daß durch die Rentnerkrankenkostenver- können, als das durch gesetzliche Maßnahmen mög- schiebung ohnehin eine Beitragsanhebung von lich ist. Hierfür gibt es auch einen Beweis. Von 1975 1,2 bis 1,6 Beitragsprozentpunkten vorprogrammiert auf 1976 ist der Kostenanstieg durch Selbstverwal- ist, werden in der Krankenversicherung durch die tungsmaßnahmen, durch Maßnahmen der Selbstver- Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze insbe- waltungspartner um 50 % gedämpft worden. Gerade sondere die Bezieher mittlerer Einkommen erheb- in den letzten Tagen haben wir eine freiwillige Ver- lich belastet. Im schriftlich vorgelegten Bericht heißt einbarung der Ersatzkassen mit den Kassenärzten es dazu u. a.: auf unseren Tisch bekommen. Mit unserem Vor- Zur Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze schlag — wir hatten beantragt, eine entsprechende wiesen die Vertreter der SPD darauf hin, daß Regelung gesetzlich zu. verankern —, setzen wir die es sich um eine Maßnahme der Beitragsgerech- Partner unter Erfolgs- und Beweiszwang, Kosten ein- tigkeit handle. Die höherverdienenden Ver- zudämmen. Nach unseren ordnungspolitischen Vor- sicherten müßten verstärkt in die Solidarität stellungen dürfen staatliche Maßnahmen erst dann aller Versicherten einbezogen werden. einsetzen, wenn die Erstverantwortlichen nicht die erwartete Lösung erbringen. Unsere Kollegin Dr. (Zuruf von der SPD) Neumeister und unser Kollege Dr. Becker werden — So steht es im Bericht; darauf habt ihr bestan- nachher noch auf die Einzelheiten eingehen. den. Ich kann auch verstehen, daß das eure Auf- fassung ist. Unsere freiheitliche, unsere liberale Lösung wird von der SPD natürlich abgelehnt. Das ist doch völ- Der Kollege von der FDP hat darauf gedrungen, lig klar. Wir haben in der SPD hier niemals einen daß der Name „FDP" in diesem Zusammenhang Partner gesucht. Wir wissen, daß die SPD alles Heil gestrichen wird. Das ist wiederum eine Täuschung von staatlichen Maßnahmen erwartet. Die FDP lehnt der Öffentlichkeit. Meine Damen und Herren, die diese liberale, freiheitliche Lösung aber auch ab. Sie Maßnahme tragen sie von der FDP mit. Sie wollen hat die Schuld, wenn es hier zu staatlichen, zu so- nur nicht im Schriftlichen Bericht erwähnt werden. genannten dirigistischen Maßnahmen kommt. Ich kann nur sagen: Liebe FDP, so billig kommst du in der politischen Auseinandersetzung nicht (Beifall bei der CDU/CSU) davon! Lieber Hansheinrich Schmidt,. geben Sie Ohne die FDP hätte die SPD im Ausschuß und hier doch dem Kollegen, der vor Ihnen sitzt, einmal den im Bundestag auch für diese Fragen keine Mehrheit. Schriftlichen Bericht, damit er das auch nachlesen Die FDP hat nicht einmal den Versuch gemacht, die kann und nicht immer den Kopf schütteln muß. SPD von diesem falschen Weg abzubringen. Wenn er allerdings über Sie den Kopf geschüttelt hat, würde ich mich diesem Kopfschütteln an- Ich wiederhole noch einmal: Erst wenn die Erst- schließen. verantwortlichen die Aufgabe, die ihnen gestellt ist, (Heiterkeit bei der CDU/CSU) nicht meistern, dürfen staatliche Maßnahmen ein- setzen. Durch die Anhebung der Beitragsbemessungs- grenze sollen also insbesondere mittlere und höhere Ein drittes Beispiel: vorstationäre Diagnostik und Einkommen einbezogen werden. Im Bericht sind nachstationäre Behandlung. Meine Damen und Her- nur die Vertreter der SPD genannt. Die SPD will ren, hier wird von „Kostendämpfung" gesprochen. dies auch; sie will Facharbeiter und Angestellte zur Es ist erwiesenermaßen klar, daß die Kosten pro Ader lassen. Die CDU/CSU ist geschlossen dage- Leistungsfall im Krankenhaus höher sind als in der gen. Die SPD konnte sich aber nur behaupten, weil ambulanten Behandlung draußen bei den Ärzten. sie die eine Stimme, die im Ausschuß für Arbeit Nach unserer Auffassung wird unter dem schönen und Sozialordnung zur Mehrheit führte, von der Wort „vorstationäre Diagnostik und nachstationäre FDP bekommen hat. Alle drei Vertreter der FDP Behandlung" staatlicher Gesundheitsdienst durch die haben sich im Ausschuß für Arbeit und Sozialord- Hintertür in das Gesetzgebungsverfahren einge- nung für die Anhebung der Beitragsbemessungs- schleust. Das entspricht dem Selbstverständnis, dem grenze und damit für mehr Beiträge der Bezieher politischen Verständnis der SPD. von mittleren und höheren Einkommen eingesetzt. Sie tragen die zusätzliche Belastung der Bürger (Burger [CDU/CSU]: So ist es!) durch diese verschleierte Beitragsanhebung mit. Die Das kann man verstehen, wenn auch nicht billigen. FDP trägt dafür ausschließlich die Verantwortung. Daß mußte hier noch einmal deutlich gesagt wer- Aber ich frage Sie, verehrte Kollegen von der den. FDP: Wo sind Sie denn mit diesen Ihren Vorstel- (Beifall bei der CDU/CSU) lungen gelandet? Sie haben sich hier zum Helfers- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1853 Franke helfer dafür gemacht, daß die SPD den staatlichen Egert (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und Gesundheitsdienst durch die Hintertür einführt. Herren! Herr Kollege Franke, der Beifall war andau- (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von ernd wie nach einem gelungenen Auftritt. Ein „Auf- tritt" war es tatsächlich. Er hat mir bewußt gemacht, der FDP) daß wir mit den Ausschußberatungen tatsächlich am Diese Auseinandersetzung kann Ihnen nicht erspart Ende sind und in der Plenardebatte; denn in der ver- bleiben. Sie warten nicht einmal die Modellversuche schlossenen Klause unserer nichtöffentlichen Aus- ab, die am 27. Februar 1976 durch die 37. Gesund- schußsitzungen war die Atmosphäre durchaus erheb- heitsministerkonferenz beschlossen wurden. Sie war- lich sachlicher, als wir es hier im Plenum bei Ihrem ten nicht einmal das Ergebnis dieser Versuche ab; Auftritt miterleben mußten. Sie sind hier zu einem eifrigen Helfershelfer soziali- (Beifall bei der SPD und der FDP — Burger stischer Vorstellungen geworden. Das, meine Damen [CDU/CSU] : Was war denn unsachlich?) und Herren, ist hier zu kritisieren. — Herr Burger, darauf komme ich noch, seien Sie (Gansel [SPD] : Sie machen mir den Mund geduldig; Ihr Auftritt zur Kriegsopferversorgung wässrig!) kommt mit Sicherheit. Ein viertes und letztes Beispiel. In § 11 a des Kran- kenhausfinanzierungsgesetzes — unser Kollege Höp- Ich kann die Versuchung für den Kollegen Franke finger wird sich nachher noch damit beschäftigen — verstehen, angesichts der Fernsehkameras nun zu war von der Regierung vorgesehen, daß freigemein- meinen, daß die Zeit des Argumentierens vorbei ist nützige und private Krankenhausträger — natürlich und daß man sich in der Kunst der Demagogie üben auch kommunale Träger von Krankenhäusern — müsse. Da wird für jeden und in jeder Richtung 10 % für Erstinvestitionen und 5 % für Reinvesti- etwas gesagt. Ich halte das für nicht redlich, Herr tionsleistungen aufbringen müssen. Was heißt das? Kollege Franke. Diese Maßnahme, würde sie durchgeführt, hätte die (Reddemann [CDU/CSU] : Herr Kollege, Sie Verdrängung der freien Träger vom Gesundheits- ärgern sich, daß Sie nicht Senator werden markt zur Folge. Die kommunalen Träger bringen sollen!) ihren Anteil über Steuern auf, die anderen gar nicht, Ich komme auf die Punkte noch zurück. Es wäre für oder sie würden die Kosten über den Pflegesatz ab- mich reizvoll — die Versuchung ist angesichts Ihres wälzen und damit wiederum zu einer Beitragserhö- Beitrags sehr groß —, mich an dem Bemühen zu be- hung beitragen. Ich habe eingangs meiner Rede da- teiligen. von gesprochen, daß im Bericht steht: „Kosten: keine". Sie haben das ernsthaft versucht, das einzige Kon- zept, das zur Konsolidierung unserer Rentenfinan- Meine Beispiele mögen genügen, um nachzuwei- zen und zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen sen, daß die Bundesregierung und die sie tragenden auf dem Tisch liegt, zu zerreden. Daran will ich mich Parteien hier die Öffentlichkeit nicht ganz richtig nicht beteiligen. Ich halte das nicht für einen gelun- über das aufklären, was hier beschlossen worden genen Versuch; aber ich will das nicht vertiefen. Wir ist. SPD und FDP machen solchen Unsinn hier im werden auf die Argumente, die Sie hinsichtlich des Bundestag fröhlich mit. Gottlob gibt es einige Län- Finanzierungskonzepts der Bundesregierung ange- der, die diesen Unsinn nicht mitmachen wollen. Sie srpochen haben, noch sehr ausführlich unter dem werden mit Sicherheit dafür sorgen, daß sich in die- Stichwort „finanzielle Solidität" zurückkommen, sem Zusammenhang wie auch in anderen Punkten wenn es um die Behandlung Ihrer Änderungsanträge eine Änderung durchsetzen kann. geht. Um was geht es da? Was heißt es denn im Klartext, den Rentnerkrankenversicherungsbeitrag Lassen Sie mich, meine sehr verehrten Damen und einzuführen? Das heißt im Klartext, daß Sie hinge- Herren, eine Schlußformulierung bringen; ich bin hen und sagen: Wir wollen eine Rentenkürzung auf durch die Zwischenfragen hier nicht ganz zu meinem Dauer. Nichts anderes heißt dies. Dies steht alter- Gesamtkonzept gekommen. Zum Neunten Anpas- nativ zum Konzept der Bundesregierung. sungsgesetz wird der Kollege Albe rt Burger spre- chen. Er wird unsere Änderungsanträge und unseren (Beifall bei der SPD — Abg. Franke [CDU/ Antrag zu § 56 begründen. Es werden also alle CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage) Schwerpunktkomplexe dessen, was wir im Ausschuß — Ich möchte angesichts der Debattenlage meine beraten haben, hier von uns im einzelnen erläutert Ausführungen wirklich im Zusammenhang machen werden. können. Sie haben eh die Zeit über Gebühr strapa- ziert, so daß ich es auch dem Kollegen von der FDP Wir stimmen nur für freiheitliche und liberale Lö- schuldig bin, daß er Gelegenheit bekommt, auf Ihre sungen. Wir stimmen nur für Lösungen, die ord- Ausführungen einzugehen. Sie werden im Laufe der nungspolitisch sauber sind und z. B. in der Renten- Debatte heute noch Gelegenheit haben, die Kunst versicherung das Prinzip der bruttolohnbezogenen der Zwischenfragen zu üben. Rente nicht verändern. (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU) Ich will Ihnen jetzt sagen, daß Ihre Alternative, die Sie vorsehen, bei weitem weniger sozial ausge- wogen ist als das, was die Bundesregierung hier als Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen . : Meine eine Absicht für die Zukunft vorsieht. Deswegen Damen und Herren, daß Wort hat der Herr Abge- steht aus gutem Grund im Gesetz nicht die Fest- ordnete Egert. schreibung, daß wir von der Bruttolohnbezogenheit 1854 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Egert abweichen. Dies ist eine Diskussion, die wir auf Ich will mich jetzt, weil ich die Zeit nicht vertun Grund der Kenntnis neuer Daten im Zusammenhang will, mit dem nicht weiter auseinandersetzen, was mit dem Einundzwanzigsten Rentenanpassungsge- der Kollege Franke mit der vordergründigen Ab- setz führen müssen. Ich weiß nicht, wo da die Un- sicht, ein Konzept zu zerreden, vorgetragen hat. Ich redlichkeit liegt. Es wäre unvernünftig, jetzt über will vielmehr ein paar Punkte nennen, die Über- Dinge, die uns in einem Jahr wieder beschäftigen legungshintergrund für die Vorschläge waren, die müssen, ein abschließendes Votum zu geben und hier heute in zweiter Lesung zur Beratung an- Entscheidungen zu treffen, mit der Unsicherheit, die stehen. in jeder monatlichen Prognose genauso wie in jeder (Franke [CDU/CSU] : Das ist eine schöne fünfzehnjährigen Prognose liegt. Ich werde auf einen Debatte, der geht nicht mal darauf ein!) Punkt, wo Sie uns ein Milliardending aufschwätzen wollen, noch zurückkommen, denn die Januarzahlen — Wissen Sie, Kollege Franke, „eine schöne De- für das Jahr hochzuschreiben, bringt auch keine red- batte" : Sie haben die Einleitung gegeben, und Sie liche Basis für Überlegungen, welche Löcher wir am bekommen die Antwort auf diese Einleitung, die Sie Ende des Jahres haben. Z. B. macht die Umstellung verdienen. der freiwilligen Beitragszahlungen einen Teil des (Beifall bei der SPD) Einnahmeausfalls im Januar aus. Da gibt es die Er- Ich will hier etwas über das Ergebnis berichten, fahrung, daß die Beiträge im Dezember bezahlt wor weil es wichtig ist, daß bei den Menschen draußen den sind und daß sich deshalb der negative Trend im nicht nur Ihre Verdrehungen ankommen, sondern Januar fortsetzen muß, weil der Anteil der sonst im daß .auch das ankommt, was Ergebnis der Beratungen Januar zu Buche schlagenden Dezemberzahlungen im Ausschuß war. nicht mehr berücksichtigt wird. (Abg. Franke meldet sich zu einer Zwi (Franke [CDU/CSU] : Egert, hol doch mal schenfrage) Luft!) Dort konnte sachlich unvergleichlich einvernehmli- Ich meine, all diese Punkte hätten Sie, wenn Sie cher beraten werden als hier bisher in der zweiten redlich mit uns darüber argumentieren wollen, hier Lesung. Wir haben erheblich veränderte Fassungen anführen können. Sie haben es nicht getan, also muß der Gesetzentwürfe vorgesehen. ich davon ausgehen, daß es Ihre Absicht ist, Un- (Franke [CDU/CSU] : Vielleicht hat er seine sicherheit zu weben. Ich halte es für unvertretbar in Gesinnung geändert!) • bezug auf die Bürger in diesem Lande, insbesondere in bezug auf die Rentner in diesem Lande, daß Sie Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — und hier eine Kampagne des Krisengeredes fortzusetzen da bin ich auch bei einem Vorhalt von Ihnen, Herr Kollege Franke — hat bei diesem Gesetzentwurf, versuchen, ohne daß Sie sich konkret auf- Zahlen haben festlegen lassen, auf Zahlenannahmen Ihres unterstützt von den mitberatenden Ausschüssen, Konzepts. sorgfältig gefeilt. Die Fraktion der SPD kann, ohne unbescheiden zu sein, für sich einen erheblichen (Zuruf des Abg. Nordlohne [CDU/CSU]) Anteil an den Ergebnissen der Ausschußarbeit rekla- Dies wird auch an dem Punkt deutlich, wo wir uns mieren. Wir haben in mehreren ganztägigen Klau- die Frage stellen müssen, warum Sie, wenn Sie alles surtagungen — dies war bei uns möglich — wäh- so gut wissen, wenn Sie alles besser wissen als diese rend der Osterpause gründlich beraten und außer- Regierung, sich dann nicht zu einem Gesetzgebungs- dem mit mehr als 20 Verbänden und Organisationen vorhaben verstanden haben zusätzlich zu der Ausschußanhörung Informationsge- spräche geführt. Das Ergebnis unserer Arbeit waren (Zurufe von der CDU/CSU) zahlreiche Änderungsanträge, die zum Teil auch mit und warum Sie nicht, statt nur mit Unpopularität zu der dankenswerten Unterstützung der Opposition in kokettieren, die Änderungsanträge hier auf den den Beschluß des Ausschusses eingegangen sind. Tisch des Bundestages legen. Ich betone dies, um noch einmal den Vorwurf (Zurufe von der CDU/CSU: Hier liegen sie zurückzuweisen, die Konsolidierungsgesetze seien doch! — Nordlohne [CDU/CSU] : Haben Sie hastig und unter Zeitdruck behandelt worden. die nicht gelesen? — Weitere Zurufe von (Lachen und Zurufe bei der CDU/CSU — der CDU/CSU) Burger [CDU/CSU] : Das sind sie!) Die sind doch nicht' da. Beim Rentnerkrankenversi- — Tatsache ist, Herr Kollege Burger, daß diese drei cherungsbeitrag dienen Sie uns unterschiedliche Al- Gesetzentwürfe zwar innerhalb einer kurzen Frist — ternativen an. /Dies sind unfertige Vorstellungen, dies geht nicht notwendigerweise zu Lasten der mit denen wir uns nicht auseinandersetzen können Sorgfalt —, aber sorgfältig und intensiv, wie es der Schwierigkeit der Materie angemessen ist, beraten (Zuruf von der CDU CSU: Sie reden wie ein wurden. Blinder von der Farbe!) (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein und die im Ergebnis genau die sozialschädliche Wir- [CDU/CSU] : Eine Stunde im Haushaltsaus kung haben, die ich aufgezeigt habe. schuß ist ausreichend bei einer Belastung (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Nord von 100 Milliarden? So was Dummes!) lohne [CDU/CSU] : 50 Anträge hat der — Herr Kollege Prinz zu Sayn-Wittgenstein, ich habe nicht gelesen!) Ihnen den Zeitrahmen für unsere Vorarbeiten dar- Deutscher Bundestag 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1855 Egert gestellt. Diese Möglichkeit war auch für die ande- ohne eine umfassende Neukonzeption des Leistungs- ren Fraktionen gegeben. rechts und ohne Überprüfung der finanziellen Lassen Sie mich zur Sache bemerken, wir stehen Grundlagen der Rentenversicherung nicht möglich vor der Aufgabe, unser System der sozialen Siche- ist. rung angesichts weltwirtschaftlicher Schwierigkeiten Die Kostendämpfung im Gesundheitswesen kann, und strukturell bedingter Kostensteigerungen im soweit sie die Leistungsanbieter berührt, nur durch Gesundheitswesen leistungsfähig zu halten. Dabei Verbesserung der gesetzlichen Grundlagen gesche- hat sich die Bundesregierung in ihrem Konsolidie- hen. Auf freiwillige Selbstbeschränkung allein kön- rungsprogramm für die Sozialversicherung an be- nen wir auch vor dem Hintergrund widersprüchli- stimmten Grundsätzen orientiert. cher öffentlicher Ankündigungen nicht vertrauen. Bei allen Konsolidierungsmaßnahmen muß die (Beifall bei der SPD — Müller [Remscheid] soziale Ausgewogenheit gewahrt werden. Arbeit- [CDU/CSU] : Hört! Hört!) nehmer, Arbeitgeber, Rentner und alle Leistungsan- Die Kostendämpfung soll nicht durch direkte bieter im Gesundheitswesen müssen gleichmäßig staatliche Eingriffe in den Prozeß der Erbringung gemäß ihrer Leistungskraft daran beteiligt werden. und Vergütung von Gesundheitsleistungen erfolgen, Zwischen der Sicherung der Renten und der Ko- sondern durch Stärkung der vorhandenen Institutio- stendämpfung im Gesundheitswesen besteht ein un- nen der Selbstverwaltung und durch Verbesserung trennbarer sachlicher und zeitlicher Zusammenhang ihres Instrumentariums zur Kostensteuerung. — auch dies ist für die finanziellen Erwägungen, Diese Grundsätze sind durch die von den Koa- die Sie hier angestellt haben, wichtig —, weil we- litionsfraktionen im Ausschuß beschlossenen Ände- gen der Verklammerung beider Versicherungssy- rungen nicht -angetastet, sondern im Gegenteil ge- steme durch die Rentnerkrankenversicherung die genüber der ursprünglichen Vorlage noch verstärkt derzeitigen Finanzprobleme in der Rentenversiche- zur Geltung gebracht worden. rung zu einem nicht unerheblichen Teil als Folge- wirkung der Kostenentwicklung im Gesundheitswe- (Lutz [SPD] : Noch verbessert worden!) sen anzusehen sind. Deshalb ist auch die Konsoli- Ein Abschwächen des Regierungsentwurfs, ein dierung an ein Gesetzespaket gebunden, das ins- Nachgeben gegenüber mächtigen Interessengrup- gesamt verabschiedet und in Kraft gesetzt werden pen hat es nicht gegeben. Die Änderungen der Koa- muß, wenn die finanzielle Überlegung und die so- litionsfraktionen im Ausschuß dienen der Verbes- ziale Ausgewogenheit der Gesamtüberlegung erhal- serung und Verdeutlichung der genannten Grund- ten bleiben sollen. sätze. Wer auf die Erpreßbarkeit des Staates ge- - (Nordlohne [CDU/CSU] : Soziale Ausgewo setzt hatte, hat sich verrechnet. genheit?) (Beifall' bei der SPD und der FDP) Das Konzept für die Konsolidierung muß auch an Auch diejenigen sind eines Besseren belehrt wor- -gesichts weniger günstiger Wirtschaftsaussichten den, die erwartet hatten, daß bei der Beratung dieser finanziell tragfähig sein. Es darf dabei keine Über- Gesetzentwürfe koalitionspolitischer Zündstoff reaktionen durch allzu rigorose Eingriffe in das hochgehen könnte. Herr Kollege Franke, Sie kön- Leistungsrecht oder durch später nicht mehr rück- nen noch so sehr versuchen, Salz in vermeintliche nehmbare Beitragserhöhungen geben. Dies gilt vor Wunden zu reiben; Sie werden die solidarische, die allem für die Konsolidierung der Rentenversiche- gute und faire Zusammenarbeit der Fraktionen von rung, wo wir zu lernen haben, daß schon einmal, FDP und SPD nicht stören können. Wir haben im nämlich unter dem Eindruck des Rezessionsjahres Gegenteil einmal mehr auf einem schwierigen ge- 1966/67, drastische Sanierungsmaßnahmen beschlos- sellschaftspolitischen Feld die Leistungsfähigkeit sen worden sind, die sich später als zu weitgehend der sozialliberalen Koalition unter Beweis gestellt. erwiesen haben. (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe (Urbaniak [SPD] : Zur Sanierung des Bun von der CDU/CSU) deshaushalts !) In dem Gesetzentwurf zur Zwanzigsten Renten- — Ja. Statt weniger plump wirkender Einschnitte anpassung und zur Verbesserung der Finanzgrund- mit großen Milliardeneffekten, aber mit erheblichen lagen der gesetzlichen Rentenversicherung bleiben sozialen Folgewirkungen, ist deshalb eine Vielzahl die Vorschläge der Bundesregierung in den wesent- differenzierter Maßnahmen vorzuziehen, die gezielt lichen Eckwerten unverände rt. Der Verlauf der Aus- dort einsetzen, wo Eingriffe nicht nur sozialpoli- schußberatungen, die Anhörung des Ausschusses für tisch vertretbar, sondern sogar im Interesse der so- Arbeit und Sozialordnung und die öffentliche Dis- zialen Gerechtigkeit auch geboten sind. kussion haben uns in der Auffassung bestärkt, daß (Beifall bei der SPD — Müller [Remscheid] wir mit dem Regierungsentwurf auf dem richtigen [CDU/CSU] : So was Dummes!) Wege sind. In der Rentenversicherung dürfen keine übereil- (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Ach, du ten und in ihren Auswirkungen noch nicht über- Allmächtiger! — Burger [CDU/CSU] : Auf sehbaren Weichenstellungen erfolgen, die die für dem Holzweg, aber nicht auf dem richtigen die nächste Legislaturperiode vorgesehene Reform Weg!) der Hinterbliebenenversorgung behindern. Dies er- — Die Anhörung im Ausschuß, Herr Kollege Mül gibt sich auch aus der Tatsache, daß diese Reform ler, hat von der überwiegenden Mehrzahl der Sach- 1856 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Egert verständigen in den folgenden drei zentralen Punk- einnahme geführt hat. Notwendigerweise folgt dar- ten eine volle Bestätigung gebracht. aus, daß im Januar, wo sonst die Vorleistungen aus (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Er hat die dem Dezember verrechnet worden wären, eine Min- dreitätige Sachverständigenanhörung nicht dereinnahme zu erwarten steht. Man wird also sehr mitgemacht!) sorgfältig beobachten müssen, wie sich die Beitrags- einnahmen entwickeln. Erst dann wird man Schluß- — Doch! Wir haben die ganzen dicken Protokolle folgerungen ziehen können. Man sollte hier tatsäch- auch gelesen. lich Kurzschlüsse vermeiden. Erstens. Es wurde nahezu übereinstimmend fest- gestellt, daß unser Konzept zur Konsolidierung der Drittens. In der Sachverständigenanhörung sind Rentenversicherung in Verbindung mit dem Kosten- die Auffassungen der Bundesregierung und der dämpfungsgesetz als sozial ausgewogen angesehen Koalition bestätigt worden, da nahezu alle Sachver- wird, und zwar der innere Zusammenhang der ge- ständigen dazu geraten haben, angesichts der für setzlichen Absicherung der Kostendämpfung —nicht die 80er Jahre bevorstehenden Reform der Witwen- der konzertierten Aktion — mit dem Rentengesetz. und Hinterbliebenenversorgung die Verbesserung Zweitens. Es wurde nicht ernsthaft bestritten — und der Finanzgrundlagen der Rentenversicherung vor- auch Sie haben es in dieser Debatte bisher nicht rangig mit solchen Maßnahmen zu versuchen, die tun können —, daß die geplanten Maßnahmen ge- im Rahmen des geltenden Rechts liegen, und dabei eignet sind, die Finanzierung der Renten mittel- die bereits bestehende Flexibilität des Rentenver- fristig sicherzustellen. sicherungssystems auszunutzen. Das heißt: es ist richtig, auf einen dauerhaften Einschritt im Renten- (Lachen bei der CDU/CSU) niveau und auf das Anziehen der Beitragsschraube Insbesondere wurde auch die Liquidität der Renten- zu verzichten und statt dessen vorübergehend z. B. versicherungsträger als gesichert angesehen. Rücklagen abzubauen und eventuell die rechtliche vorhandene Möglichkeit wahrzunehmen, den Ren- (Nordlohne [CDU/CSU] : Wo waren Sie tenanpassungssatz nach Maßgabe des finanziellen denn bei der Rede von Herrn Franke?) Spielraums frei zu wählen. Kein Sachverständiger — und das müssen Sie eben (Lutz [SPD]: Sehr gut!) auch nachlesen, meine Herren von der Opposition — fand sich bereit, die von der Bundesregierung Diese grundsätzlichen Ergebnisse der Sachverstän- den Vorausberechnungen zugrunde gelegten wirt- digenanhörung wiegen schwerer als — zugegeben — schaftlichen Annahmen als unrealistisch und damit zahlreiche kritische Stellungnahmen zu Einzelpunk- als nicht berechtigt zurückzuweisen und an deren ten des Gesetzes, Stelle - (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Die Bundesbank sieht (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Gab es das auch?) das aber anders! — Franke [CDU/CSU] : Sie die es natürlich auch gegeben hat, Herr Kollege müssen bei einer anderen Sachverständi Blüm, genanhörung gewesen sein !—Müller [Rem (Burger [CDU/CSU] : Tatsächlich?) scheid] [CDU/CSU] : Sie waren im falschen Saal!) und die, bei einem Gesetz unvermeidbar sind, das allen Beteiligten zumutet, einen Teil der Konsoli- — lassen Sie mich doch aussprechen — andere dierungslasten zu tragen. Wer will denn auf un- Annahmen zu setzen. Diese Beurteilung ist auch eingeschränkten Beifall hoffen, wenn er auf dem fi- auf dem Hintergrund öffentlicher Mitteilungen der nanziellen Hintergrund, auf dem diese Gesamtope- letzten Tage nach wie vor gültig. ration stattfindet, Lasten neu verteilen muß und da (Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU) — zugegeben — auch Vorteile abbauen muß? Wer — Ja, gerade wegen des Milliardenlochs. Darauf Vorteile abbaut, kann nicht den Beifall von allen komme ich noch einmal zurück. Seiten haben. Die Ausgewogenheit des Programms ist an dem unterschiedlichen Beifall sehr sinnfällig Wir wissen, daß mindestens 3/4 der Lücke, wahr- geworden. Deshalb haben die Koalitionsfraktionen scheinlich sogar mehr, auf Mindereinnahmen bei keinerlei Anlaß gehabt, vom Regierungsentwurf ab- der Freiwilligenversicherung zurückgehen. Dies hat zuweichen. mit den Umstellungsschwierigkeiten bei der zum (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Seit wann 1. Januar vorgenommenen Umstellung vom Verkauf wissen Sie das, Herr Egert, seit dem 3. Ok von Beitragsmarken durch die Post zur bargeld- tober?) losen Überweisung zu tun. Das ist ein Punkt, den man der Redlichkeit wegen in dieser Debatte mit — Wissen Sie, wir machen jetzt nicht Vergangen- berücksichtigen muß. heitsbewältigung, sondern wir versuchen Konsoli- dierung für die Zukunft. Der zweite Punkt ist — und ich hatte schon dar- (Nordlohne [CDU/CSU] : Sie wollen das un auf hingewiesen —, daß der andere Teil der Bei- ter den Teppich kehren!) tragsmindereinnahmen das Gegenstück zu den Bei- tragsmehreinnahmen im Dezember 1976 ist, wo im Das gilt zunächst und vor allem für die Anpassung letzten Jahr ein außergewöhnlich großer Anteil der der Renten aus der gesetzlichen Rentenversiche- im Dezember zu zahlenden Beiträge tatsächlich auch rung und aus der Kriegsopferversorgung zum 1. Juli im Dezember gezahlt worden ist und zu dieser Mehr- 1977. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1857 Egert Der Herr Kollege Franke hat hier gesagt, das ver- beachtliche Höhe erreicht haben. Allerdings haben dankten wir dem vereinten Druck der Unionshilfs- wir sichergestellt, daß das Einfrieren des Kinderzu- truppen. Ich sage Ihnen: Druck war ja schon; doch schusses sich nicht auf die Vollwaisenrenten auswir- so einseitig würde ich den Erfolg nicht verteilen ken wird. wollen. Zum Problem der Übertragung der beruflichen Wir bekennen uns dazu, daß wir das Versprechen Rehabilitation wird der Kollege Glombig bei den einhalten, zum 1. Juli 1977 in allen Bereichen der Änderungsanträgen der Opposition Stellung neh- Rentenversicherung und zum 1. Januar 1978 bei der men. Ich will das hier auch angesichts der Debatten- Altershilfe der Landwirte die Renten um jeweils lage aussparen. 9,9 % zu erhöhen und ebenso die Anpassung der Die Ausschußberatungen haben nach Auffassung Unfallrenten zum 1. Januar 1978 vorzunehmen, wo- der SPD-Bundestagsfraktion gezeigt, daß das Kon- bei sich der Anpassungssatz auf Grund der jüngsten zept der sozialliberalen Koalition statistischen Ergebnisse von 7,3 auf 7,4 % erhöht hat. (Zuruf von der CDU/CSU: Weder sozial In diesem Zusammenhang — das ist schon so ein noch liberal!) bißchen in Vergessenheit geraten — will ich darauf hinweisen, daß es sich auch heute und nicht zuletzt zur Konsolidierung der Rentenversicherung nach um ein Rentenerhöhungsgesetz handelt, das den wie vor ohne Alternative ist. Die sogenannte Alter- Rentnern eine deutliche Kaufkraftsteigerung und native der CDU/CSU hat zwar ihre konkrete Form zum drittenmal hintereinander eine Rentenerhöhung in Änderungsanträgen gefunden — das gestehe ich bringt, die ganz erheblich über den Einkommenszu- gern zu —, ist aber in der Sache dadurch nicht über- wächsen der Arbeitnehmer liegt. zeugender geworden. (Beifall bei der SPD und der FDP) (Beifall bei der SPD und der FDP) Das Rentenniveau wird damit einen neuen Höchst- Die Änderungsvorschläge der CDU/CSU sind finan- stand erreichen. Wir sollten diese Tatsache ange- ziell für die Konsolidierung nicht ausreichend. Sie sichts der Schwierigkeiten der gesamten Operation sind nach unserem Verständnis in sich sozial unaus- nicht unterbewerten, sondern als ein wichtiges so- gewogen. Sie sind verwaltungsmäßig undurchführ- ziales Datum in unserer Situation ansehen. bar. Deshalb werden sie von uns abgelehnt. Mein Kollege Glombig wird sich mit diesen Änderungs- Erhalten bleiben auch die anderen Eckwerte des anträgen und mit dem gesamten Finanzwerk, das der Regierungsentwurfs. Es bleibt bei der auch von der Kollege Franke hier als Horrorgemälde entwickelt CDU/CSU akzeptierten Verschiebung des Renten- hat, in der zweiten Lesung bei den entsprechenden - anpassungstermins auf den 1. Januar — vom 1. Juli Änderungsanträgen der Opposition nochmals aus- 1978 erstmals auf den 1. Januar 1979. Wir halten einandersetzen. auch an der im Rentenanpassungsbericht vorgese Während die Koalitionsfraktionen in allen für die henen Möglichkeit fest, erforderlichenfalls die Ren- Konsolidierung wichtigen Punkten die Regierungs- tenanpassung der Jahre 1979 und 1980 mit einem vorlage unverändert gelassen haben, haben sie in niedrigeren Prozentsatz als dem vorzunehmen, der der Ausschußarbeit das Schwergewicht ihrer Bemü- dem Anstieg der allgemeinen Bemessungsgrundlage Beitrags- entspricht. Darum wird nicht herumgeredet. Wir hungen darauf gelegt, dem Gedanken der verstärkt Geltung zu verschaffen. In verstehen das allerdings — das möchte ich aus- gerechtigkeit drücklich unterstreichen — nur als eine vorüber- dieser Hinsicht haben wir gegenüber dem Regie- gehende Maßnahme. Wir halten an dem Ziel fest, rungsentwurf neue Akzente gesetzt. in den 80er Jahren in jedem Fall zur Bruttoanpas- (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Das stimmt!) sung zurückzukehren. Die SPD-Fraktion sieht in diesen Änderungen echte (Zurufe von der CDU/CSU: Na, na!) sozialpolitische Verbesserungen. Die Beratungen haben keinen Anlaß gegeben, die (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Das stimmt nicht!) von der Bundesregierung vorgeschlagene Verringe- Sie haben dazu beigetragen, daß mit diesem Gesetz rung des Zeitabstands zwischen der Entwicklung der die Renten nicht nur sicherer, sondern auch in sich Rentenbemessungsgrundlage und den Lohnsteige- sozial gerechter gestaltet werden. rungen zu verändern. Wir halten dies für eine sinn- volle Weiterentwicklung der Rentenformel, die ge- (Beifall bei der SPD und der FDP) eignet ist, die Konjunkturabhängigkeit der Renten- Wir werden Gelegenheit haben, in der zweiten Le- versicherung zu verringern. sung bei den entsprechenden Änderungsanträgen (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Rentenkürzung!) auf das zurückzukommen, was da geschehen ist und was wir voll unterstützen. Ebenso halten wir an der Einführung des Renten- In diesen Zusammenhang gehört auch das Thema versicherungsbeitrags der Bundesanstalt für Arbeit „Aufstockung". Die Koalitionsfraktionen haben sich zugunsten Arbeitsloser fest. darauf verständigt, die Behandlung dieser Frage Die SPD-Fraktion hat aus finanziellen Erwägun- auszusetzen. Damit ist sie für die SPD-Fraktion nicht gen keine Möglichkeit gesehen, auf das Einfrieren vom Tisch. Sie wird beim 21. Rentenanpassungsge- der Kinderzuschüsse zu verzichten, zumal da die setz wieder aufgerufen. Ein entsprechender Ent- Kinderzuschüsse der Rentenversicherung im Ver- schließungsantrag macht deutlich, in welche Rich- gleich zu dem nicht dynamischen Kindergeld eine tung wir denken. Bei der Prüfung dieser Frage wol- 1858 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Egert len wir dem besonderen Problem der diskontinuier- len und bei den gesetzlichen Maßnahmen berück- lichen Erwerbstätigkeit der Frauen in unserer Ge- sichtigen; denn es wäre tatsächlich — um ein böses sellschaft Rechnung tragen. Wir sehen allerdings Wort aufzunehmen — Flickschusterei, wenn wir nur einen unmittelbaren politischen Zusammenhang zwi- über Kosten nachdächten, obwohl wir parallel auch schen der Aufstockungsmöglichkeit für freiwillig über Strukturen nachdenken müssen. Versicherte und der für Pflichtversicherte. Wenn wir (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Wer hat beim 21. Rentenanpassungsgesetz auf Grund des denn das von der Flickschusterei gesagt? Zahlenwerks überzeugt werden, auf die Behandlung War das nicht Herr Schmidt [Kempten]?) dieser Frage weiter verzichten zu müssen, kann dies nicht ohne Konsequenz für die freiwillige Ver- Drittens war es unsere Absicht, die Lasten sozial sicherung bleiben. Ich will das hier schon ankündi- gleichgewichtig zwischen den Anbietern von Ge- gen, weil es im Zusammenhang mit dem, was hier an sundheitsleistungen und den Versicherten und ihren sozialer Gerechtigkeit geschaffen werden soll, wich- Sachwaltern, den Krankenkassen, zu verteilen. tig ist. Die vierte Absicht, die uns geleitet hat, Herr Zu den Fragen im Zusammenhang mit Ihren Ände- Kollege Müller (Remscheid), war, die bestehende rungsanträgen zum Neunten Gesetz über die An- Fehlentwicklung im Gesundheitswesen zu korrigie- passung der Leistungen des Bundesversorgungsge- ren. setzes wird der Kollege Gansel, anknüpfend an die Das Ergebnis der Ausschußberatungen messen wir Ausführungen in der ersten Lesung, nachher in be- an diesen vier Absichten, die für uns bei der Suche währter Weise Stellung nehmen. Er wird dabei auf nach Regelungen maßgebend waren und sind. Wir die Absichten hinweisen, die uns geleitet haben, und glauben, daß das zur Beratung vorliegende Ergeb- besonders auf die Fragen der strukturellen Maßnah nis diesen Absichten Rechnung trägt. Wir sehen es men für die Kriegsopferversorgung und die entspre- insbesondere als einen Erfolg unserer Bemühungen chenden Aufwendungen aus dem Haushalt eingehen. an, daß Anbietermacht und Versicherteninteresse in Lassen Sie mich angesichts der fortgeschrittenen ein gleichgewichtiges Verhältnis gebracht, bestehen- Zeit nur noch ein paar Bemerkungen zu dem Kran- de Wettbewerbsvorteile ausgeglichen worden sind kenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz machen. und ein flexibles Instrumentarium zur Begrenzung der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen ent- Auch hier spielte ja die Frage Freiheit, Liberalität oder Sozialismus eine Rolle. Ich habe mit Erstau- wickelt worden ist. nen gehört, das sei ein erster Schritt in den Sozia- Die Opposition hat dem Konzept der Bundesregie- lismus. Wissen Sie, wenn Sie diese Ergebnisse so rung, eine gesetzlich abgesicherte Anstrengung zur kommentieren, müssen Sie sich doch fragen lassen: Kostendämpfung im Gesundheitswesen zu unterneh- Wie ernst nehmen Sie sich selbst? Wer meint,- daß men, das die Koalitionsfraktionen uneingeschränkt die Regelungen, die, auch unter strukturellen Ge- bejahen, entgegengestellt: eine konzertierte Aktion sichtspunkten, im Kostendämpfungsgesetz getroffen der am Gesundheitswesen Beteiligten auf freiwilli- worden sind, ein Schritt in den Sozialismus seien, ger Grundlage. Wenn wir ja sagen zur Aktion auf will entweder nicht verstehen — dann muß man gesetzlicher Basis und nein zum „Konzert", dann ihm Böswilligkeit unterstellen — oder kann nicht deshalb, weil die Widersprüchlichkeit der Aussagen verstehen. Ich überlasse es dem Scharfsinn eines aus dem Lager der Anbieter von Gesundheitslei- jeden, das zu bewerten. Ich würde es, wenn es stungen bei uns Zweifel hinsichtlich der Bereitschaft meine Kollegen beträfe, mit Dummheit qualifizieren. geweckt haben, sich auch tatsächlich an einer kon- Ich bin nicht so vermessen, das in die Richtung der zertierten Aktion zu beteiligen. Das wechselnde Ja Opposition zu sagen. und Nein zur freiwilligen Anstrengung hat bei uns Bei den Beratungen über das KVKG waren wir den Verdacht genährt, daß das Teil einer Strategie ja einer Meinung, daß im Gesundheitswesen eine ist, die gesetzliche Absicherung zu unterlaufen. Kostendämpfung erfolgen muß. Von dieser Position (Sehr richtig! bei der SPD) ist niemand abgerückt. Strittig war und bleibt offen- sichtlich die Frage, wie wir das Ziel der Kosten- Zweitens. Wir sehen nicht, wo die gesetzliche dämpfung erreichen. Wir bewerten die gemeinsame Absicherung der notwendigen kostendämpfenden Einsicht in die Notwendigkeit der- Kostendämpfung Maßnahmen im Gesundheitswesen das freiwillige zwar nicht gering, wir vermissen allerdings die Vorverständnis der Beteiligten am Gesundheits- Bereitschaft, aus dieser gemeinsamen Erkenntnis wesen behindert. Das Gesetz ist die Ultima ratio, auch die konsequenten Schlußfolgerungen zu zie- die sicherstellen soll, daß da, wo sich die Beteiligten hen. Wir Sozialdemokraten haben uns, gemeinsam nicht verständigen können — es soll im mensch- mit der FDP, diesen Konsequenzen nicht verschlos- lichen Leben Situationen geben, in denen der Streit sen. Dabei ging es uns darum, systemgerechte dauert —, die Zeche nicht ausschließlich von den Lösungen zu finden, die unser bewährtes — weil die Beitragszahlern und von den Krankenkassen als Verdächtigungen allerorten in Richtung England ihren Interessensachwaltern gezahlt wird. Unsere und was weiß ich wo sonst noch hin zielen, betone Erfahrungen in den letzten zwei Jahrzehnten — ich ich das besonders — deutsches System der Selbst- klammere die letzten zwei Jahre einmal aus — verwaltung im Gesundheitswesen stärken und er- (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Das ist auch besser!) halten. mit dem Verhalten der Anbieter von Gesundheits Zweitens wollten wir den Zusammenhang zwi- leistungen unterstreicht die Notwendigkeit der ge schen struktureller und Kostenentwicklung herstel- setzlichen Absicherung. Insbesondere das Jahr 1975 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1859 Egert mit seiner sehr merkwürdigen finanziellen Entwick- rungsentwurf vorgesehene Regelung hätte, sinnvoll lung rechtfertigt diese gesetzliche Absicherung. Wir umgesetzt, ein taugliches Instrument sein können, widerstehen deshalb der Flucht in die unverbind- die ärztliche Verordnungsweise hinsichtlich der Arz- liche konzertierte Aktion, und wir bekennen uns zu neimittel zu beeinflussen. Wenn wir die vorgesehe- der Absicht, verantwortliches Verhalten auch da- ne Regelung weiter verbessert haben, dann unter durch verbindlich abzusichern, daß wir den Anbie- anderem deshalb, weil vor dem Hintergrund öffent- tern von Gesundheitsleistungen Orientierungsdaten licher Ankündigungen nicht auszuschließen war, daß und Handlungsspielräume vorgeben. diese Maßnahme zu Lasten der Patienten umge- (Beifall bei der SPD) setzt werden würde. Wir haben uns während der Ausschußberatung entschieden, vorzusehen, daß ein Dies behindert die Selbstverwaltung in keiner unbegründetes Überschreiten des vereinbarten Weise. Höchstbetrages auf Grund unwirtschaftlicher Ver- Mit der bundeseinheitlichen Empfehlungsverein- ordnungsweise die Kassenärztlichen Vereinigungen barung für die Gesamtvergütung der Ärzte bzw. verpflichtet, den Überschreitungsbetrag auf die Ver- Zahnärzte sichern wir auf hohem Niveau ab, daß ursacher zurückzurechnen. Der Einzelregreß bei un- sich künftig auch die Einkommensentwicklung der wirtschaftlicher Verordnungsweise des Arztes muß Ärzte und Zahnärzte in gesamtwirtschaftliche Daten obligatorisch durchgeführt werden. Wir gehen da- einpassen muß. Wir halten es für sozial durchaus von aus, daß die Stärkung der Position der Kran- vertretbar, daß sie sich unter anderem an den Lohn- kenkassen in den Prüfungsausschüssen zusätzlich und Einkommenszuwächsen der Beitragszahler in sicherstellen wird, daß neben dem Gesichtspunkt der gesetzlichen Krankenversicherung messen lassen der zweckmäßigen Arzneimittelversorgung, der für muß. Die jetzt im Gesetz gefundene Regelung ge- uns Vorrang hat, weil wir — entgegen aller Legen- währleistet, daß regionalen Besonderheiten ausrei- denbildung — keine Billig-Medizin wollen, auch ver chend Rechnung getragen werden kann. Wir haben stärkt wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigt kein Verständnis, wenn aus dem Kreis der ärztli- werden. chen Standesfunktionäre gegen diese Regelung mit (Beifall bei der SPD und FDP) dem Hinweis polemisiert wird, daß das Bremsen der Einkommenszuwächse bei den Ärzten notwendi- Nun wird gegen die Regelung eingewandt, wir gerweise eine Leistungsminderung für den Patien- trügen den Konflikt zwischen Arzt und Patient in ten einschließt. Im Klartext heißt das doch, die die Praxis, die Anspruchsmentalität des Patienten Ärzteschaft ist bereit, ihren Beitrag zur Kostendämp- werde den Dauerkonflikt mit dem Arzt programmie- lung als Leistungsminderung an den Patienten wei- ren. Wir können dem nicht folgen, weil wir den Arzt mit seiner Autorität gegenüber dem Patienten in sei- terzureichen. Wie verträgt sich das mit dem- oft be- schworenen Standesethos? ner gesundheitserzieherischen Funktion hier rekla- mieren müssen. In unserem Gesundheitswesen fällt Die bundeseinheitliche Empfehlungsvereinbarung keine kostenwirksame Entscheidung, die nicht we- über diese Gesamtvergütung der Ärzte wird flan- sentlich von einem Arzt mitbestimmt ist. Wir müs- kiert durch den im Gesetz vorgesehenen einheitli- sen deshalb als Gesetzgeber die besondere Verant- chen Bewertungsmaßstab. Ausgangspunkt soll da- wortlichkeit der Ärzte bei diesen Entscheidungen in bei die Gebührenordnung der Ersatzkassen sein. Mit Anspruch nehmen. Dabei verkennen wir nicht, daß dieser Regelung wird endlich der Unsinn abgeschafft, auch der Patient aufgefordert ist, dabei selbstver- daß gleiche ärztliche Leistungen unterschiedlich be- antwortlich mitzuwirken. Gesundheitserziehung, die wertet werden. Der von Ersatzkassen und Ärzte- ihn auf diese Aufgabe vorbereitet und ihn einbe- schaft unisono erhobene Vorwurf, hierdurch würde zieht, hat unabhängig von diesem Gesetz hohe ein Einheitshonorar geschaffen werden, ist schon Priorität. deshalb unzutreffend, weil eine unterschiedliche Honorierung der Leistung auch künftig möglich Flankierend zum Arzneimittelhöchstbetrag sieht bleibt. das Gesetz eine Reihe weiterer Maßnahmen vor, (Lutz [SPD] : Das wäre Sozialismus auf ho mit denen dem Anspruch, eine zweckmäßige und hem Niveau!) wirtschaftliche Arzneimittelversorgung sicherzustel- len, Rechnung getragen werden soll. So soll als Mit dem einheitlichen Bewertungsmaßstab wird Überbrückungsmaßnahme, bis die Ergebnisse der die Chance eröffnet, auch zur inneren Einkommens- Transparenzkommission beim Bundesgesundheits- gerechtigkeit bei den erheblichen unterschiedlichen amt vorliegen, der Ärzteschaft und den Kranken- Einkommen innerhalb der Ärzteschaft einen Beitrag kassen die Möglichkeit gegeben werden, Preisüber- zu leisten. Daneben eröffnet die gesetzliche Rege- sichten zu erarbeiten, die die wirtschaftliche Ver- lung die Möglichkeit, ärztliche Leistungen neu zu ordnungsweise des Arztes fördern. bewerten, die apparative Medizin zugunsten des therapeutischen Gesprächs zwischen Patient und Daneben wird dem Bundesausschuß der Ärzte Arzt zurückzudrängen und den Blick des Arztes für und Krankenkassen die Möglichkeit gegeben, be- wirtschaftliche Überlegungen bei den Anschaffungen stimmte Arzneimittelgruppen, die zur Krankheits- in seiner Praxis zu schärfen. behandlung nicht unbedingt erforderlich sind, aus Mit der Einführung des Arzneimittelhöchstbetra- der Verschreibungsfähigkeit zu Lasten der Kran- ges in der jetzt im Gesetz gefundenen Fassung wird kenkassen herausnehmen. Selbstverständlich kann der Versuch unternommen, die Arzneimittelausga- der Arzt im begründeten Einzelfall diese Mittel ben in den Griff zu bekommen. Schon die im Regie- nach wie vor verordnen. 1860 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1937 Egert Die Herstellung von Preistransparenz sowie die rechts sind Ersatzkassen — entschuldigen Sie die erwähnte Negativliste sind unserer Meinung nach Banalität — eben Ersatzkassen. Die Mitgliedschaft wirksame Mittel, der Preis- und Mengenentwick- bei ihnen ist Ersatz für die Mitgliedschaft in einer lung auf dem Arzneimittelmarkt entgegenzuwirken. gesetzlichen Krankenkasse, in einer Pflichtkasse. Sie ist die Ausnahme, nicht die Regel. Die vorwurfs- Vor dem Hintergrund weiterer beträchtlicher Ge- volle Bemerkung, die Ersatzkassen würden mit winnsteigerungen in der pharmazeutischen Indu- diesem Gesetz ins Kassenarztrecht gezwungen, strie auch im Jahre 1976 erweisen sich die Vorbe- ignoriert diesen Sachverhalt. Wir haben für diese halte dieses Industriezweiges gegen die gesetz- Argumentation kein Verständnis. lichen Regelungen als unbegründet. Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für Arznei- (Beifall bei der SPD und der FDP) mittel sind auch auf dem Hintergrund der beson- Der Sinn des gegliederten Systems der Kranken- deren Preisdisziplin aus dem Jahre 1976 weiter kassen liegt in der Möglichkeit, miteinander in angestiegen. Das behauptete Eindämmen der Re- Wettbewerb zu treten. Dies kann nur unter gleichen zeptflut durch die Ärzteschaft hat nach jüngsten Wettbewerbsvoraussetzungen möglich sein. Aussagen der Betriebskrankenkassen Rhein-Ruhr noch nicht stattgefunden. Im Monat März verzeich- (Beifall bei der SPD und der FDP) nen die genannten Betriebskrankenkassen die bis- Oder soll das gegliederte System etwa bedeuten: lang höchste Verschreibungswelle. Die einen haben die schlechten und die anderen die (Hört! Hört! bei der SPD) guten Risiken? Dies allerdings wäre die Institutio- nalisierung eines Wettbewerbsvorteils, und dies Hinzu kommt ein weiterer erheblicher Preisanstieg wollen wir nicht. Wir wollen gleiche Wettbewerbs- bei den Arzneimitteln. Das weitere Wachsen der chancen. Dies hat zur Voraussetzung, daß die nach Industrieumsätze und der Anstieg der Arzneimittel- der Kassenart unterschiedliche Verteilung der guten ausgaben bei den Krankenkassen fördert die Er- und der schlechten Risiken ausgeglichen wird. kenntnis, daß das Beeinflussen der Preise durch selbstbeschränkende Maßnahmen der Industrie Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion be- allein offenbar nicht ausreichend ist. Sie reichen grüßt die Anhebung der Beitragbemessungsgrenze vor allem dann nicht aus, wenn man sieht, daß der in der Form, in der sie jetzt als flankierende Maß- Erfindungsreichtum der pharmazeutischen Industrie nahme im Gesetz vorgesehen ist, wobei gleichzeitig dazu führt, über eine Steigerung der abgesetzten die Schlupflöcher geschlossen worden sind, die es Arzneimittelmenge den Gewinn zu mehren. Wir be- ermöglichten, daß jemand den Weg zu den privaten grüßen deshalb nicht nur aus gesundheitspoliti- Krankenversicherungen in den Zeiten geht, in denen schen Gründen die Maßnahmen, die auf die Men- es ein gutes Risiko ist, und zu Zeiten eines schlech- genkomponente der Arzneimittel einwirken sollen. ten Risikos bei der Alterssicherung in die Kranken- Während der Ausschußberatungen ist die vorge- versicherung der Rentner zurückkehrt. Ich meine, sehene Regelung zur Ausgestaltung der Verord- daß es legitim ist, zu verlangen, daß jemand, der nungsblattgebühr verändert worden. Uns erschien seinen Anteil von der Solidargemeinschaft haben die zunächst eingeräumte Befreiungsmöglichkeit bei will, dazu auch seinen Beitrag kontinuierlich zu lang andauernden Krankheiten als unpraktisch. Wir allen Zeiten geleistet haben muß und nicht wie ein haben jetzt eine generelle Pflicht für die Versicher- Glücksritter wechselt, indem er sich in jungen Jah- ten festgeschrieben — Ausnahmen sind die Kin- ren in der privaten Krankenversicherung tummelt der —, Verordnungsblattgebühr zu zahlen. Die und in alten Jahren mit schlechtem Risiko in die ge- Krankenkassen können in Härtefällen Versicherte setzliche Krankenversicherung zurückkehrt. Wir hal- von der Verordnungsblattgebühr befreien. Dies er- ten dies für eine vernünftige Lösung. In diesem Zu- laubt unserer Meinung nach eine bewegliche, den sammenhang meinen wir, Beitragsbemessungsgrenze sozialen und den gesundheitlichen Gegebenheiten und die Schließung der Rentnerkrankenversicherung Rechnung tragende Anwendung. Eine generelle in Beziehung auf diesen Sachverhalt sind eine zu- gruppengebundene Befreiung, wie sie von der sätzliche Verbesserung am Gesetzentwurf. Opposition vorgeschlagen worden ist, lehnen wir ab. Die Bezugsgröße für die Gebühr ist nicht mehr Um die sinnvolle Zusammenarbeit im Rahmen das Verordnungsblatt, sondern das verordnete Arz- der medizinischen Versorgung sicherzustellen, sieht neimittel. Pro verordnetem Mittel ist eine Gebühr das Gesetz vor — dies ist nun der Sozialismus in von einer Mark zu zahlen. Diese Regelung bedeu- Reinkultur —, den ambulanten und den stationären tet für den Versicherten gegenüber der vorgesehe- Bereich stärker miteinander zu verzahnen. nen 20%igen Beteiligung bei einer Höchstgrenze (Hört! Hört! bei der SPD) von 3,50 DM keine Mehrbelastung. Wir gehen da- von aus, daß die gefundene Regelung praktikabler Was passiert, ist bestenfalls das Öffnen von ver- ist, daß sie sich auf die Zahl der verordneten Arz- nünftigen Bahnen aus dem einen in den anderen neimittel auswirkt und daß sie die therapiegerechte Bereich und zurück. Wir wollen da keine Einbahn- Verordnungsweise durch den Arzt fördern wird. straßen. Dies ist wirklich ideologiefrei. Dies hat mit optimaler medizinischer Versorgung zu tun. Dies Den Regelungen im KVKG wird der Vorwurf hat mit einem Abgrenzen der Instrumente zu tun. gemacht, sie zwängen die Ersatzkassen ins Kassen- Man muß die kostenaufwendigen Instrumente mit arztrecht. Lassen Sie mich dazu eines klarstellen. den billigeren Instrumenten verzahnen. Man muß die Nach dem System unseres Krankenversicherungs- medizinische Versorgung in dem jeweiligen Stan- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1861 Egert dard vorhalten können. Wer darin ideologische Ab- muß zur Pflicht werden, weil die Krankenkassen sichten wittert, ist nun wirklich sachfremd. über die Pflegesätze die Folgekosten der Entschei- (Beifall bei der SPD und der FDP) dungen, die andere fällen, tragen. Wir können und werden deshalb auf eine Stärkung der Mitwirkungs- Mit der vorstationären Diagnostik wird dem rechte der Krankenversicherung im Krankenhausbe- Krankenhaus die Möglichkeit gegeben — ich wie- reich nicht verzichten. Dem Argument der Kran- derhole das für die Kollegin Dr. Neumeister —, bei kenhausträger, die Krankenkassen gelangten damit den ihm durch die niedergelassenen Ärzte zugewie- in eine vorherrschende Position, können wir nicht senen Patienten — also kein originäres Recht, kein zustimmen. Das Gegenteil ist richtig: Diejenigen, die Ambulatorium — die Diagnostik ambulant durchzu- rund 18 Milliarden DM im Jahr an Pflegekosten führen und differenziert darüber zu entscheiden, ob aufbringen, bekommen erstmals das Recht, wirksam sie ins Krankenhaus müssen oder ob sie weiter- und gleichgewichtig mitzuwirken. hin ambulant behandelt werden können. Darin steckt ein kostensparender Effekt, wenn er wirksam Als wesentliche Stärkung der Selbstverwaltung genutzt wird. sehen wir die Bestimmung an, die festlegt, daß Pflegesätze künftig zwischen Krankenhäusern und (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Wenn das stimmen Krankenkassen ausgehandelt werden. Diese Rege- würde!) lung ist so ausgestaltet, daß ortsnahe Ergebnisse er- Solange allerdings die Vorbehalte und Vorurteile möglicht werden. wechselseitig hochgespielt werden, wird sich da tat- sächlich wenig verändern. Wir gehen davon aus, Ein wichtiger Punkt in der öffentlichen Diskussion daß diese Regelung nichts an der Aufgabenvertei- war die Frage der Eigenbeteiligung der Kranken- lung zwischen Krankenhaus und niedergelassenem hausträger an den Investitionskosten. Dieser Punkt Arzt ändert. Sie macht allerdings die Grenze zwi- war heftig umstritten. Er hat bei den Beratungen schen den beiden Sektoren durchlässiger. Ideolo- im Auschuß eine wichtige Rolle gespielt. gische Tänze müssen deshalb wirklich nicht aufge- (Zuruf des Abg. Prinz zu Sayn-Wittgen führt werden. stein-Hohenstein [CDU/CSU]) Neben der vorstationären Diagnostik sollen, so- — So neu allerdings, wie Sie meinen, ist der Ge- weit es die Versorgung der Bevölkerung erfordert, danke nicht. Das Krankenhausfinanzierungsgesetz Krankenhausfachärzte verstärkt beteiligt werden. enthält ihn bereits. Schon jetzt zahlen Krankenhaus- Dies setzt sowohl die Zustimmung des Krankenhau- träger einen Investitionskostenanteil, wenn er auch nicht so heißt. Bei Neu- und Erweiterungsbauten ses als auch die der Kassenärztlichen Vereinigungen- voraus. Diese sehr eingeschränkte Regelung hilft in übernehmen sie die Grundstücks- und Erschließungs- begründeten Notfällen — etwa dort, wo es um eine kosten. Da ist ein Stück Eigenbeteiligung der Kran- Unterversorgung hinsichtlich einer speziellen Fach- kenhausträger vorgesehen. arztdisziplin geht, oder in Regionen, in denen die Umstritten war, ob dieser Eigenanteil über die Facharztdichte im Bereich der Versorgung nicht vor- Pflegesätze refinanzierbar gestaltet werden soll. handen ist —, Lücken zu schließen, nicht mehr und Wir haben uns mit gutem Grund für die Refinan- nicht weniger. zierbarkeit entschieden. Ein Zurück zum System der Das Gesetz sieht weiter die Möglichkeit der quali- fortlaufenden Betriebskostenzuschüsse wollen wir fizierten und kostengünstigen belegärztlichen Tä- nicht. tigkeit vor. Dabei gehen wir davon aus, daß im (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Das hört Interesse einer optimalen medizinischen Versorgung sich alles so harmlos an!) der Patienten im Krankenhaus Qualität und Wirt- Wir können mehr Kostenbewußtsein, mehr Wirt- schaftlichkeit beim Einsetzen dieses Instruments schaftlichkeit bei Krankenhäusern nicht mit Rege- Hand in Hand gehen müssen. Ich habe persönliche lungen erreichen wollen, die es ihnen unmöglich ma- Erfahrungen mit belegärztlicher Tätigkeit, die mich chen, die Kosten auch voll zu erarbeiten. Im übrigen schaudern machen. Andererseits kenne ich auch Bei- rechtfertigte eine Eigenbeteiligung, die nicht erwirt- spiele, die mich zu der Auffassung bringen, daß im schaftet werden kann, tatsächlich den Vorwurf der Rahmen der sinnvollen Verzahnung der vorhande- freigemeinnützigen Träger, sie würden benachtei- nen Einrichtungen im Gesundheitswesen auch für ligt werden. Hinsichtlich der Refinanzierung würde dieses Instrument verstärkt der Weg geebnet wer- ich die Dramatisierung, die der Kollege Franke an den muß. diesem Punkt hat erkennen lassen, nicht teilen wol- len. Einzelne Bestimmungen des Krankenhausfinanzie- rungsgesetzes sollen durch das KVKG verändert Meine Damen, meine Herren, ich habe in einer werden. Lassen Sie mich dazu im Grundsatz sagen, Art tour d'horizon versucht, über die wesentlichen daß ein Kostendämpfungsprogramm, das ohne Maß- Ergebnisse der Ausschußarbeit Bericht zu geben, nahmen bliebe, die auch im Krankenhausbereich sie aus der politischen Sicht der SPD-Bundestags- wirken, nur Stückwerk wäre. Auf eine gesetzliche fraktion vorzustellen und zu bewe rten. Wir werden Absicherung dieser Maßnahmen können wir nicht bei der Aussprache über die Anträge der Opposition verzichten. Wir sehen z. B. als unverzichtbar an, in der zweiten Lesung unsere Position zu Teilgebie- daß die gesetzliche Krankenversicherung auch im ten der politischen Gesamtoperation, insbesondere Krankenhausbereich die Möglichkeit der Mitsprache zu den Änderungsanträgen der Opposition, weiter erhält. Dies ist nicht nur ihr gutes Recht, sondern verdeutlichen. 1862 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Egert Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion kann Sie doch einmal bitten, über Zusammenhänge zwi- jedoch schon jetzt feststellen, daß zum Konzept der schen Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik nach- Bundesregierung während der Beratungen in den zudenken. Ausschüssen eine Alternative, die solide in der Sache wäre und auf einem realistischen finanziel- Wenn der Herr Franke hier bezweifelt, daß die len Boden stünde, nicht erkennbar geworden ist. mittelfristige Zielprojektion realistisch ist, ist sie ja wohl nicht nur als Grundlage für die Renten- (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Das ist rechnungen unrealistisch, sondern sie ist dann ja Ihre Meinung! — Zink [CDU/CSU] : Das wohl genauso unrealistisch als Grundlage für die werden wir morgen bei den Abstimmungen mittelfristige Finanzplanung in — ich wiederhole erleben!) es — Bund und Ländern. Und wenn sie so problema- Wir bekennen uns zu dem Ergebnis unserer Aus- tisch wäre, hätten ja wohl die Ministerpräsidenten schußarbeit. Wir halten es für ein weiter verbes- der CDU-regierten Länder längst zu der Mehrwert- sertes Ergebnis, das die schwierigen Probleme un- steuererhöhung ja sagen müssen; oder sie handeln seres sozialen Sicherungssystems angemessen, sach- in dieser Frage noch unverantwortlicher, als ich gerecht, solide und sozial ausgewogen behandelt. es mir jemals hätte träumen lassen. Wir sehen das Ergebnis auch als einen Ausweis (Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf der Handlungsfähigkeit der sozialliberalen Koali- von der SPD: Wahrscheinlich!) tion auf einem zentralen Feld der Gesellschaftspoli- tik an. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion Aber auch die zweite Vermutung ist natürlich mög- versteht das Ergebnis auch als ein ermutigendes lich. Zeichen, unbeirrt von öffentlichen Mißtönen kon- (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Das ist sequent in der Zusammenarbeit innerhalb der Koa- vielleicht ein Stil! Aber von Ihnen hat man, litionsfraktionen fortzufahren. was Stil angeht, ohnehin nicht viel zu er hoffen!) (Beifall bei der SPD und der FDP) — Diesen Stil hat der Herr Fr anke eröffnet, ver- ehrter Kollege Müller, und nicht ich. Vizepräsident Dr. Schmitt - Vockenhausen: Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozial- (Zuruf von der SPD: Genau! — Prinz zu ordnung. Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU] : Der Bundesrechnungshof spricht von Ihrem Dr. Ehrenberg, Bundesminister für Arbeit und So- Ministerium und nicht von den Ministerprä zialordnung: Herr Präsident! Meine Damen und sidenten! Lesen Sie das doch einmal!) Herren! Vorweg ein Wort des Dankes an -den Kol- legen Schmidt (Kempten), der mir die Gelegenheit Lassen Sie mich damit bitte zum zweiten Punkt eingeräumt hat, hier kurz vor der Mittagspause noch übergehen. Es ist gar nicht zu bezweifeln, daß sich die zu dem Stellung zu nehmen, was der Kollege Franke Arbeitsmarktdaten ungünstiger entwickelt ha- zu den aus seiner Sicht so unsicheren Rechnungen ben, als es noch im Herbst nicht nur von uns, son- in bezug auf die Finanzgrundlagen der Rentenver- dern auch von der Bundesbank und von allen Kon- sicherung gesagt hat. junkturforschungsinstituten angenommen worden ist. Herr Kollege Franke, Sie haben als erstes die (Franke [CDU/CSU] : Als Folge der verän Zielprojektion der Bundesregierung, die den Rech- derten wirtschaftlichen Entwicklung!) nungen der Sozialversicherung aller Zweige zu- grunde liegt, angezweifelt und haben betont, das sei — Als Folge der vom Weltmarkt her veränderten auch schon bei den Beratungen von sehr vielen wirtschaftlichen Entwicklung, mit Sicherheit nicht der Sachverständigen und anderen angezweifelt wor- eigenen wirtschaftlichen Entwicklung; denn 5,6 % den. — Es scheint Ihnen nicht bewußt zu sein, daß reales Wachstum im Jahre 1976 waren ein stolzes Er- diese Zielprojektion der Bundesregierung die Grund- gebnis. Auch Sie, Herr Franke, haben von der Aus- lage nicht nur für die ersten fünf Jahre in den strahlung des Londoner Gipfels her sehen können, Rechnungen der Sozialversicherungsträger ist, son- wie gut die Position der Bundesrepublik unter diesen dern auch für die mittelfristige Finanzplanung in sieben Nationen ist. Wenn man ernsthafte Politik Bund, Ländern und Gemeinden. Wenn sie so wan- treiben will, kann man doch weder darüber lachen kend und so schlecht wäre, wie Sie, Herr Kollege noch sich darüber hinwegsetzen. Franke, sie hier dargestellt haben, müßten alle Mi- (Beifall bei der SPD und der FDP — Müller nisterpräsidenten der von Ihrer Partei regierten Län- [Remscheid] [CDU/CSU] : Sie scheinen eine der diese mittelfristige Zielprojektion im Gegenteil eigenartige Auffassung von „ernsthaft" zu in höchstem Maße für zuverlässig, vielleicht sogar haben!) für zu optimistisch halten; denn sonst wäre nicht zu erklären, wie sie die Mehrwertsteuererhöhung bis Wir werden der Arbeitslosigkeit sehr ernsthaft zu heute ablehnen können. Leibe rücken. Mit den Mitteln der Finanz-, Wirt- schafts- und Sozialpolitik werden wir dies tun. (Beifall bei der SPD und der FDP — Burger [CDU/CSU] : Da ist doch kein Zusammen- (Abg. Franke [CDU/CSU] meldet sich zu hang! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU) einer Zwischenfrage) — Aber ich bitte Sie! Wenn Sie meinen, daß die — Herr Franke, ich möchte die zehn Minuten, die ser Zusammenhang nicht gegeben ist, würde ich ich noch habe, benutzen, um Ihnen zu antworten. Sie Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1863 Bundesminister Dr. Ehrenberg haben eine volle Stunde reden können; ich möchte habe —: Wir haben im Dezember des vergangenen zehn Minuten auf Sie antworten. Jahres einen ungewöhnlich hohen Eingang gehabt, (Zuruf von der SPD: Das ist richtig! Das der die Dezember-Zahl um mehr als 1 Milliarde DM ist auch notwendig!) ansteigen ließ. Allein 400 Millionen DM davon sind freiwillige Beiträge, die erst im Januar eingegangen Wir werden der Arbeitslosigkeit mit vereinten An- sind, aber wegen der Markenumstellung noch im De- strengungen der Wirtschafts-, Finanz- und Sozial- zember verbucht worden sind, da man die auf Grund politik zu Leibe rücken. Niemand sollte aber die des Markenverfahrens eingegangenen Beiträge nicht Illusion. haben, daß das mit einem Wunderrezept mehr in einem Jahr buchen wollte, in dem es das über Nacht zu schaffen ist. Die Wachstumsimpulse, Markenverfahren nicht mehr gibt. die notwendig sind und die u. a. auch von dem 16-Milliarden-Programm für Zukunftsinvestitionen Alles das sind Fakten, die man wissen sollte, be- ausstrahlen werden, wären wiederum schon ein vor man hier eine solche Schwarzmalerei an die Stückchen weiter, wenn es im Verkehr mit den Bun- Wand stellt, wie Sie, Herr Franke, das getan haben. desländern nicht so lange gedauert hätte, dieses (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein Programm endlich in Gang zu bringen. [CDU/CSU] : Warum haben uns Ihre Be (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch amten das dann nicht im Haushaltsausschuß unglaublich!) schon so erklärt?) Aber nun zu dem Punkt, den Herr Franke ange- — Im Haushaltsausschuß kann diese Frage in dieser sprochen hat, zu der Meldung der Sozialversiche- Form noch gar keine Rolle gespielt haben, denn die rungsträger, daß sie 1 Milliarde DM weniger als Zahlen, die die BfA auf ihrer Mitgliederversamm- erwartet — nicht weniger als im Jahr zuvor, weni- lung verkündet hat, haben erst gestern in Hamburg ger als erwartet — eingenommen haben. Diese Mel- das Licht der Öffentlichkeit erblickt. dung über die 1 Milliarde DM ist richtig. Sie hat (Franke [CDU/CSU]: Sie täuschen sich!) aber auch ihre erklärbaren Ursachen, die nur zu einem sehr geringen Teil — ich will Ihnen gleich Der Haushaltsausschuß kann doch aber nicht die sagen, zu einem wie großen Teil — im langsameren Zahlen von gestern vorausgenommen haben. Dann Wirtschaftsverlauf liegen. In erster Linie geht sie müßten Sie ja nach anderem gefragt haben. nämlich darauf zurück, daß die Versicherungsträger (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein den Verkauf von Beitragsmarken an freiwillig Ver- [CDU/CSU] : Aber für die Monate Januar, sicherte eingestellt und die Umstellung auf ein Februar und März! — Franke [CDU/CSU]: Überweisungsverfahren, ein Abbuchungsverfahren- VDR, nicht BfA!) vorgenommen haben. Sie haben den Versicherten selber Mitteilungen des Inhalts zugestellt, daß sie — VDR, ja. Aber die BfA-Zahlen sind dort bei der damit rechnen, daß sich die Eingänge auf Grund VDR-Mitgliederversammlung bekanntgegeben wor- der Umstellung um insgesamt drei bis vier Monate den, Herr Franke. verzögerten. Von dieser 1 Milliarde DM, die weni- ger eingegangen ist als erwartet, entfallen 750 Mil- Nachdem, wie ich hoffe, dieser Fall inzwischen lionen DM auf freiwillige Beiträge, die nicht wegge- auch bei Ihnen, Herr Franke, geklärt ist, ist es not- fallen sind, sondern deren Eingang sich verzögert wendig, etwas zu Ihren Ausführungen über die hat. Nettoanpassung zu sagen. Im Zwanzigsten Renten- (Zuruf von der CDU/CSU: Vielleicht!) anpassungsgesetz steht darüber nichts, und dort kann auch nichts darüber stehen. Der Rest geht auf die verlangsamte Konjunkturent- wicklung zurück. Meine Damen und Herren, das kön- (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein nen Sie auch daran sehen, daß die Pflichtbeiträge in [CDU/CSU]: Das ist der Trick!) diesen vier Monaten um mehr als 5 % gestiegen sind. — Das hat mit „Trick" nichts zu tun, sondern das (Dr. George [CDU/CSU] : Bei den Lohner Zwanzigste Rentenanpassungsgesetz bringt eine An- höhungen kein Wunder!) passung um 9,9 °/o. Wollten Sie die als „netto" be- zeichnen? — Doch wohl nicht. — Verehrter Herr Kollege George, die Lohnerhö- hungen schlagen mit den Nachzahlungen sicher erst Es gibt auch sonst keine feste Absicht eines Über- im Mai in den Kassen der Bundesversicherungsan- gangs zur Nettoanpassung. In der Koalitionsverein- stalt zu Buche, nicht schon jetzt. Im Januar und Fe- barung gibt es lediglich eine Vorsichtsmaßnahme, bruar gab es keine Lohnerhöhungen; die Abschlüsse weil wir nämlich vorsichtiger sind, als es uns der waren später. Herr Franke unterstellt. Wir rechnen vorsichtig, und (Zuruf von der SPD: Das müßten Sie aber wir rechnen solide. Da keiner von uns mit letzter wissen!) Konsequenz ein Prophet für die wirtschaftliche Ent- wicklung sein kann — das wird niemand behaupten Auch das sollte eigentlich gerade Ihnen bekannt sein. wollen —, andererseits aber Sie wie wir von An- (Dr. George [CDU/CSU] : Man hat doch vor nahmen ausgehen müssen, weil man überhaupt nicht ausberechnet!) in die Zukunft rechnen kann, wenn man keine An- nahmen macht, sind wir zum einen von der mittel- Eines kommt noch hinzu — dies ist genau das, fristigen Zielprojektion ausgegangen, ebenso wie Herr Kollege Franke, was ich in Hamburg gesagt Länder und Gemeinden auch. Auch dem Haushalt 1864 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Bundesminister Dr. Ehrenberg von Herrn Stoltenberg liegt dieselbe mittelfristige — Nein, ich nicht. Sie können uns nicht feste Ab- Finanzplanung zugrunde. Zum anderen haben wir sichten unterstellen, die wir nicht haben. vorsichtshalber für den Fall, daß die wirtschaftliche (Hasinger [CDU/CSU] : Warum haben Sie es Entwicklung langsamer verlaufen sollte, als im dann in Ihre Vierjahresrechnung einge Herbst 1976 anzunehmen war, in die Koalitionsver- stellt?) einbarung die Möglichkeit eingebaut, von der Brut- toanpassung in zwei Jahren abzuweichen, wenn die — Sie unterliegen einem großen Irrtum. Auch das Finanzen es erfordern. Aber um die Rentner vor hat Herr Franke falsch dargestellt; Sie scheinen es der Furcht zu bewahren, daß ihnen etwas geschehen auch nicht richtig gelesen zu haben. Die Fünfzehn- könnte, wie Ihre Partei es ihnen 1958 zugemutet hat, jahresrechnungen gehen davon aus, daß diese Ab- nämlich daß eine Anpassung ganz wegfällt — das weichung von der Bruttoformel auf die Nettoanpas- geltende Recht läßt es zu, Anpassungen zu unter- sung dann notwendig ist, wenn der Anstieg der lassen —, um die Rentner nicht in diese Furcht zu Löhne und Gehälter im Schnitt 7 % oder weniger stürzen, daß wir so handeln könnten, wie Sie es beträgt. Bei 8 % ist dieser Schritt nicht mehr nötig. einmal getan haben — obgleich diese Furcht unbe- Das weisen unsere Rechnungen aus. Wenn aller- gründet wäre Sozialdemokraten gegenüber —, ha- dings der Fall eintritt, daß der Anstieg der Löhne ben wir diese Vereinbarung vorsichtshalber vorge- und Gehälter 7 % nicht überschreitet, dann werden sehen, nämlich daß, wenn aus wirtschaftlichen Grün- wir es tun müssen. Bisher hoffe ich, die wirtschaft- den von der Bruttoformel abgewichen werden muß, liche Entwicklung und die gewerkschaftliche Tarif- dies höchstens bis zur Auffanggrenze des Anstiegs politik werden es nicht dahin kommen lassen, der Nettolöhne und -gehälter geschieht. Das ist eine daß wir nicht mehr als 7 °/o Lohnerhöhung bekom- sehr klare Regelung, Herr Franke, die es nicht zu- men. läßt, mit Abschlägen zu jonglieren, wie Sie es hier (Beifall bei der SPD — Hasinger [CDU/ getan haben. Es handelt sich hier ganz schlicht um CSU] : Wollen Sie mehr haben?) den Anstieg des Nettovolumens der Löhne und Ge- hälter von einem Jahr zum anderen und nicht um Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung an die einen irgendwie von Ihnen hier vorfabrizierten Ab- Adresse von Herrn Franke machen. Schon bei der schlag. ersten Lesung ist es mir sehr aufgefallen, Herr Franke, wie oft Sie der Bundesregierung vorwerfen, (Beifall bei der SPD und der FDP — Burger unsozial zu handeln, [CDU/CSU] : Es ist eine Durchschnittszahl, Herr Minister! — Müller [Remscheid] [CDU/ (Franke [CDU/CSU]: So ist es!) CSU] : Sie vernebeln es schon wieder!) dabei gleichzeitig selber viel unsozialere Vorschläge unterbreiten - Um die Koalition davor zu bewahren, Ihre Fehler (Franke [CDU/CSU] : Aber nein!) von 1958 zu wiederholen, ist diese Anpassungsrege- lung als Möglichkeit eingebaut worden, nur für den und zum anderen — wider besseres Wissen, ver- Fall, daß die wirtschaftliche Entwicklung ein solches ehrter Herr Kollege Franke! — immer wieder vor Vorgehen erfordert. der deutschen Öffentlichkeit von Rentenkürzungen reden. Rentenkürzungen finden nicht statt, und ich Ich hoffe sehr, es wird unseren vereinten Anstren- betrachte es als höchst unmoralisch, dem deutschen gungen und auch den positiven Ausstrahlungen des Volk vorzumachen, es gebe Rentenkürzungen. Londoner Weltwirtschaftsgipfels gelingen, die Wirt- schaft in Schwung zu bekommen. Wenn Sie die Un- (Beifall bei der SPD und der FDP — Müller ternehmer nicht ständig verunsicherten, wären wir [Remscheid] [CDU/CSU] : Sie sollten nicht schon ein Stückchen weiter in dem Bemühen, von Moral reden! - Abg. Franke [CDU/ CSU] meldet sich zu Wort) (Beifall bei der SPD und der FDP)

die Wirtschaft so weit zu bekommen, daß Unterneh- Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Herr Kol- mer wieder Unternehmer und nicht mehr Unter lege Franke, Sie haben noch drei Minuten. lasser sind und daß die Arbeitnehmer wieder fröh- (Glombig [SPD] : Was, noch mal drei Minu lich konsumieren. Dann brauchen wir um die An- ten?!) passung keine Bange zu haben. (Burger [CDU/CSU] : Wenn es so einfach (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Damen wäre! — Zuruf von der CDU/CSU: „Fröh Franke und Herren! In Drucksache 8/165 heißt es auf Seite 6 lich konsumieren" !) — ich darf zitieren —: — „Fröhlich konsumieren" ist ein Ausdruck von In den Jahren 1978 bis 1980 betragen die Min- Herrn Erhard; Sie sollten ihn nicht schmähen. derausgaben in der Rentenversicherung 20,3 (Hasinger [CDU/CSU] : Sie sollten die Mög- Milliarden DM, wovon 0,4 Milliarden DM auf lichkeit, die Sie in die Vierjahresrechnung die knappschaftliche Rentenversicherung ent- eingebaut haben, nicht als eine vage Sache fallen. hinstellen! Das ist eine feste Absicht! — Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Im Hin- Auf Seite 54 derselben Drucksache heißt es: blick auf Professor Erhard haben Sie sich In den Jahren 1978 bis 1980 betragen die Min mit Ihrem Buch weiß Gott doch geirrt!) derausgaben in der Rentenversicherung 20,3 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1865 Franke Milliarden DM, ... Bei diesen Beträgen ist eine Meine Damen und Herren, ich hatte an sich vor — eventuelle Anpassung der Bestandsrenten in es war ja ursprünglich vorgesehen, daß ich noch den Jahren 1979 und 1980 an die Entwicklung vor der Mittagspause spreche —, diesen ersten Bei- der verfügbaren Einkommen der Arbeitnehmer trag zur zweiten Lesung seitens der Freien Demo- berücksichtigt. kraten mit einem Dank insbesondere an die Mit- Das ist nichts anderes als die in der Regierungsvor glieder des Ausschusses für Arbeit und Sozialord- lage angekündigte und von der Regierung und dem nung und ganz besonders auch an die Opposition im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zu be- Minister hier eben noch geleugnete Nettoanpassung. ginnen, nämlich mit einem Dank dafür, daß der von (Beifall bei der CDU/CSU) mir in der ersten Lesung hier ausgesprochene Sie können hier nicht von „unmoralisch" sprechen, Wunsch, daß die Beratungen zügig, sachgerecht und während ich Sie selbst mit Ihren eigenen Unterlagen termingerecht durchgeführt werden sollten, in Er- widerlege. Mehr will ich dazu nicht sagen. füllung gegangen ist. Ich möchte wirklich, auch als Berichterstatter zu diesem Gesetz, sagen, daß die (Beifall bei der CDU/CSU) Beratungen im Ausschuß von Sachlichkeit und von der Sache entsprechender Nüchternheit getragen Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Ich unter- waren. breche die Beratungen bis 17 Uhr. Die Sitzung ist unterbrochen. Ich muß nun allerdings feststellen, Herr Kollege Franke, daß ich Sie in diesen Dank eigentlich nicht (Unterbrechung der Sitzung von 13.58 bis einbeziehen kann, 17.00 Uhr) (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Nicht so kleinlich!) denn das, Herr Kollege Franke, was Sie im Gegen- Vizepräsident Frau Renger: Wir fahren in den Be- satz zur Ausschußarbeit der Opposition hier heute ratungen fort. früh geboten haben, Meine Damen und Herren, nachdem das Haus (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein heute morgen beschlossen hatte, die Fragestunde [CDU/CSU] : War gut! — Dr. Blüm [CDU/ ausfallen zu lassen, gebe ich bekannt, daß die Fra- CSU] : War sehr gut! — Zurufe von der gen 11, 20 bis 24, 27, 28, 32, 43, 47, 48, 68, 69, 80 und SPD) 81 von den Fragestellern zurückgezogen worden würde ich unter die Schlagzeile setzen: Außer Po- sind. lemik nichts gewesen. Meine Damen und Herren, wir befinden uns- in der (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der allgemeinen Aussprache zu den Punkten 3 bis 5. SPD) Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmidt (Kemp- ten). Ich glaube nicht, Herr Kollege Franke, daß Sie der Opposition einen guten Dienst erwiesen haben. Auf alle Fälle haben Sie den Menschen in unserem Lan- Schmidt (Kempten) (FDP) : Frau Präsident! Meine de, die nach langen Diskussionen und bei manchen sehr verehrten Damen und Herren! Eine unterbro- Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit auf kla- chene Sitzung als erster Debattenredner neu zu be- re Aussagen dieses Hohen Hauses warten, ginnen hat Vor- und Nachteile. (Lachen bei der CDU/CSU) (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Wenn die Rede gut ist, hat es Vorteile!) auf alle Fälle mit dem, was Sie hier geboten haben — ich meine nicht das, was im Ausschuß von der Vorteile, dann, Herr Dr. Blüm, wenn man einen Opposition gesagt wurde —, einen sehr, sehr neuen Sachbereich im Rahmen der Debatte an- schlechten Dienst erwiesen. schneidet, Nachteile dann, wenn man als dritter Vertreter der drei Fraktionen dieses Hauses auf (Sehr wahr! bei der SPD) Dinge antworten muß, die vor vier Stunden vorge- Denn, Herr Kollege Franke, man kann sich nicht tragen wurden. Nachteile gibt es vielleicht auch hier hinstellen und sagen, hier sei unter unerträg- insofern — das darf ich wohl sagen; entschuldigen lichem Zeitdruck gearbeitet worden, Sie, Frau Präsident —, wenn im Endeffekt nur eine erweiterte Ausschußsitzung des Bundestagsaus- (Franke [CDU/CSU] : Stimmt!) schusses für Arbeit und Sozialordnung hier statt- obwohl zwischen allen drei Fraktionen vereinbart findet. Dies, meine Damen und Herren, ist eigent- worden ist — der Kollege Zink ist leider nicht an- lich sehr bedauerlich. Ich habe Verständnis für die wesend, sonst würde er es Ihnen sagen —, daß we- Dinge, die die Tagesordnung dieser Woche er- gen der zum 1. Juli vorgesehenen Anpassung der schwert haben. Das war selbstverständlich. Daß Renten diese Diskussion heute und morgen als aber ein so wichtiges Thema wie die Sanierung un- zweite und dritte Lesung geführt werden muß. serer Rentenversicherung, die Konsolidierung der Finanzen, die Kostendämpfung im Gesundheitswesen (Zurufe von der CDU/CSU) in der zweiten und vielleicht doch mit entscheiden- — Es ist interfraktionell vereinbart worden — bitte, den Lesung so wenig Aufmerksamkeit findet, wird fragen Sie den Kollegen Zink, Ihren Obmann im sicher auch mancher draußen im Lande nicht ganz Ausschuß —, daß alle drei Gesetze heute und mor- verstehen. gen hier in zweiter und dritter Lesung beraten wer- 1866 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977

Schmidt (Kempten) den. Deshalb kann man sich nicht hier hinstellen und kundigen Sie sich bitte vorher, was hier vereinbart von Zeitdruck reden. worden ist. (Widerspruch bei der CDU/CSU — Franke (Burger [CDU/CSU] : Kollege Schmidt, das [CDU/CSU]: Aber natürlich kann man das!) ist kein Widerspruch!) — Aber, entschuldigen Sie, meine Damen und Her- Aber, lassen wir das, gehen wir weiter! Die Tat- ren, das kann man nicht. Dann hätten Sie sagen müs- sache der Absprache besteht. sen: Wir machen nicht mit, dann hätten Sie sagen müssen: Wir sind auch nicht bereit, vor dem 1. Juli Zweite Bemerkung zu dem, was Sie heute früh rechtzeitig darüber zu beraten. Das hätten Sie tun gesagt haben, Herr Kollege Franke: Die CDU/CSU können. weiß seit Jahren, wie die Dinge stehen; die Koali- tion hatte keinen Mut vor dem 3. Oktober. — Herr Kollege Franke, ich wäre dankbar, wenn Sie mir Vizepräsident Frau Renger: Herr Abgeordneter, zuhörten, denn ich muß mich am Anfang mit einigen gestatten Sie eine Zwischenfrage? Dingen auseinandersetzen, die Sie heute früh hier gesagt haben. Schmidt (Kempten) (FDP): Bitte schön! Wir kön- nen gleich damit anfangen. Ich bitte aber darum, das Wenn jemand in diesem Hohen Hause bereits vor nicht auf meine Redezeit anzurechnen. zwei Jahren die drängenden Fragen der Konsolidie- rung der Rentenfinanzen und der Kostendämpfung angesprochen hat, dann waren es die Freien Demo- Höpfinger (CDU/CSU) : Herr Kollege Schmidt, wür- kraten. Das möchte ich hier einmal klar sagen. Sie den Sie zugeben, daß es möglich gewesen wäre, die haben zwar immer erklärt: Wir sind zu Angeboten Rentenanpassung abzukoppeln und alle anderen bereit; aber Sie haben nicht ein einziges Mal von Dinge Bach- und zeitgerecht zu diskutieren? diesem Podium herab gesagt: Dieses oder jenes (Zurufe von der SPD) schlagen wir vor. (Franke [CDU/CSU]: Ihr habt das ja ge leugnet! — Weitere Zurufe von der CDU/ (Kempten) (FDP) : Herr Kollege Höpfin- Schmidt CSU) ger, wenn ich diese Frage jetzt nicht im Detail be- antworte, so deshalb, weil ich auf den Zusammen- Ich habe vor Jahren für die Freien Demokraten hang dieser Gesetze in meinen Ausführungen sowie- — damals haben Sie dagegen gesprochen — die so noch kommen werde. Ich wollte hier nur einmal Notwendigkeit der Verschiebung des Anpassungs- klarstellen, daß es eine Vereinbarung der Fraktio- termins der Renten hier angesprochen, ich habe nen war, heute hier alle drei Gesetze in zweiter- und Aktualisierungsprobleme angesprochen. Ich habe, dritter Lesung zu beraten. Das ist im Ausschuß sach- als Ihr Generalsekretär sein Konzept zur, Eindäm- gerecht geschehen. Hier stellt man andere Dinge mung der Kostenexplosion vorlegte, hier von not- fest. Diese weise ich für die Koalitionsfraktionen wendigen kostendämpfenden Mßnahmen gespro- und auch für mich persönlich zurück. chen. (Franke [CDU/CSU] : Darf ich noch eine (Franke [CDU/CSU] : Wo sind die denn Frage stellen?) geblieben?) Ich habe voriges Jahr für die Freien Demokraten einen Leistungskatalog vorgelegt. Sie können nicht Herr Kollege gestat- Vizepräsident Frau Renger: behaupten, daß Sie in diesem Hohen Hause die ten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abge- einzigen gewesen seien, die überhaupt über die ordneten Franke? Dinge gesprochen hätten, und Sie können auch kaum behaupten, daß Sie vor dem 3. Oktober, Schmidt (Kempten) (FDP) : Bitte schön. (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Wer hat denn die Mehrheit? — Franke [CDU/CSU] : Wer regiert denn?) Franke (CDU/CSU) : Herr Kollege Schmidt, ist Ihnen nicht mehr in Erinnerung, daß wir zu Beginn wie Sie so schön sagen, die Wahrheit gesagt oder der Einzelberatung im Ausschuß durch unseren Spre- sich für die CDU/CSU hierzu klar geäußert hätten. cher, Herrn Zink, den gleichen Protest eingelegt ha- (Franke [CDU/CSU]: Jawohl, so ist es!) ben, wie ich ihn heute morgen hier artikuliert habe, daß wir unter unerträglichem Zeitdruck stehen und Ich kann mich nur daran erinnern, daß Ihr jetziger mit Sicherheit manche Fragen nicht ausdiskutieren Fraktions- und Bundesvorsitzender vor dem Wahl- können? tag gleichzeitig eine Renten- und eine Beitrags- garantie gegeben hat und daß Sie, was Sie schon, vor dem Wahltag getan haben, auch jetzt noch Schmidt (Kempten) (FDP) : Herr Kollege Franke, kostendämpfende Maßnahmen in der Krankenver- dann muß ich feststellen — ich bedaure noch einmal, sicherung ablehnen, indem Sie das Gesetz abkoppeln daß der Kollege Zink nicht anwesend ist —, daß es wollen. ein Protokoll über die Obleutebesprechung beim Ausschußvorsitzenden gibt, dem der Kollege Zink Ich möchte mich auch nicht lange — weil ich zur zugestimmt hat und in dem das so steht. Dann er- Sache kommen will; dennoch müssen einige Dinge Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1867 Schmidt (Kempten) zurecht gerückt werden — mit Ursachenforschung aber ein Schritt in die richtige Richtung. Es ist ein befassen; Schritt in die Richtung auf Erhaltung des geglieder- (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Das wäre auch sehr ten Systems unserer Altersversorgung und des ge- gefährlich! — Weiterer Zuruf von der CDU/ gliederten Systems unserer Krankenversicherung CSU: Das wird auch peinlich!) unter Berücksichtigung der Aspekte des Abbaus von Mißbräuchen und der Erzielung von mehr Wirt- denn ich habe schon sehr oft, Herr Kollege Blüm, schaftlichkeit. Das verhindert — und dafür stehen von dieser Stelle auf gewisse Dinge der Vergan- wir Freien Demokraten gerade — genheit hingewiesen. Sie, Herr Kollege Franke, sprechen davon, daß dies, wenn das alles so sei (Franke [CDU/CSU] : Deswegen sind Sie — und das haben Sie wörtlich gesagt—, ausschließ- auch für die Einheits-ADGO!) lich Schuld von SPD und FDP sei. — darauf komme ich nachher noch —, daß durch (Zuruf von der CDU/CSU: Von wem denn Überlastung — — sonst?) (Franke [CDU/CSU] : Ihr habt diesem sozia listischen Experiment zugestimmt, und da Meine Damen und Herren, wer hat denn die Bei- für haftet ihr auch!) tragsbelastung der Arbeitnehmer durch die An- hebung von 14 auf 18 % in die Höhe getrieben? — Herr Kollege Franke, jetzt will ich Ihnen gleich War das nicht der Vorschlag des Arbeitsministers, einmal eines sagen: Für das, was hier geschieht, den die CDU/CSU stellte, weil es damals kosten- hafte ich auch mit, weil es kein sozialistisches Expe- mäßig nicht mehr ging? Deshalb sind wir doch heute riment ist. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. in dieser Belastungssituation und müssen über all (Beifall bei der FDP und der SPD — Müller das nachdenken. Wer hat denn 1972 den Antrag [Berlin] [CDU/CSU]: Einheitsformulare! Ein auf Vorziehung der Rentenanpassung gestellt? Ich heitsbeiträge!) habe damals für die Freien Demokraten von dieser Stelle dagegen gesprochen. Wer hat denn den An- — Meine Damen und Herren, Sie können Zwischen- trag gestellt? Wir wären in manchem leichter dran, rufe machen, soviel Sie wollen. Manche der noch wenn dieser Fehler, ich gebe zu: den dann das nicht so lange dem Hause angehörenden Kollegen ganze Hohe Haus gemacht hat — aber auf Ihren wissen noch nicht, daß ich das sehr lange aushalte. Antrag hin —, damals nicht gemacht worden wäre. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung und (Zuruf des Abg. Dr. Becker [Frankfurt] nicht in die Richtung, in die unsere soziale Sicher- [CDU/CSU]) heit geraten würde, wenn eine Überbelastung der — Herr Kollege Dr. Becker, Sie haben damals- die- Beitragszahler und eine Überbelastung unserer Wirt- sem Hohen Hause noch nicht angehört. Aber Sie schaft staatliche Eingriffe, staatlichen Dirigismus, können nachlesen, daß ich damals davor gewarnt einen staatlichen Gesundheitsdienst und die Ein- habe. heitsaltersversorgung notwendig machten. Dorthin wollen wir nicht. Deshalb müssen jetzt wirtschaft- Ich gebe zu: Das ganze Haus hat dann zuge- liche Kontrollen und mehr Wirtschaftlichkeit einge- stimmt. Ich bin so ehrlich, das zu sagen. Ich habe führt und muß mancher Mißbrauch abgeschafft wer- allerdings auch vor wenigen Wochen hier in der den. In diese Richtung gehen unsere Gesetzentwürfe. Debatte gesagt: Wenn ich damals das gewußt hätte, was ich heute weiß, hätte ich nicht zugestimmt. Das Denn, meine Damen und Herren, was will denn habe ich hier auch schon einmal gesagt. Aber ich das 20. Rentenanpassungsgesetz? Was tut es denn möchte hier nicht immer hören müssen: „Die da in seinen Schwerpunkten — die wir bejahen —? Es allein sind schuld", wenn solche Anträge, die uns grenzt wirklich systemgerecht die drei Säulen unse- mit in diese Situation gebracht haben, damals von rer Altersversorgung ab : Rentenversicherung, Kran- Ihnen, von Ihren Ministern gekommen sind. Das kenversicherung und Arbeitslosenversicherung. Ein wollen wir doch hier einmal feststellen. mal die Festlegung, daß die Bundesanstalt für Arbeit (Beifall bei der FDP und der SPD) ab 1979 die Altersversorgungsbeiträge für die Ar- beitslosen übernimmt und dadurch auch die kon- Deshalb, meine Damen und Herren, sitzen wir junkturellen Einflüsse abmildert. Zum anderen be- doch — und das will ich jetzt hier nach all dem grüßen wir sehr — und auch Sie sind hier dankens- einmal versöhnlich sagen — in einem Boot. Es gibt werterweise mitgegangen, selbst wenn Sie es jetzt im sozialpolitischen Bereich manche Dinge, die man nicht mehr ganz wahrhaben wollen —, daß die Ren- in der Vergangenheit aus der Sicht „Es geht alles tenversicherung in Zukunft nur noch den Durch- bei Schönwetter so weiter" geglaubt hat machen zu schnittsbeitrag entsprechend dem Durchschnittsrisiko können. für die Rentner in der Krankenversicherung zu be- Es ist notwendig, manches zu ändern. Ich muß zahlen hat. Es war schon seit 1970 eigentlich der ge- allerdings sagen — die sachgerechte Beratung im setzliche Auftrag, über 11 % nicht hinauszugehen. Ausschuß hat das auch deutlich gemacht —: das, was Aus verschiedenen Gründen sind die entsprechenden uns jetzt als Ergebnis der Ausschußberatungen vor- Verordnungen unterblieben. liegt, ist — so sehen es jedenfalls wir Freien Demo- (Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU] : Aus was kraten — ein Schritt in die richtige Richtung, noch für Gründen?) nicht etwa der Schritt, um alles regeln zu können, — Weil man damals glaubte, Beitragsbelastungen (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Wie geht der?) und Mehrkosten in der Krankenversicherung ver- 1868 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Schmidt (Kempten) meiden zu können, wenn man hier etwas wartet, erst sehr sorgfältig überdacht werden muß, wenn zumal die gesamte Regelung der Krankenversiche- man es überhaupt in das Rentenversicherungsgesetz rung der Rentner zweifellos sehr problematisch ist. einbringen will. Aber jetzt packen wir sie hier an. Freilich wußte das dieses Hohe Haus, auch die Opposition — da Vizepräsident Frau Renger: Herr Abgeordneter, sollte man sich doch nicht davonschleichen —, seit gestatten Sie eine Zwischenfrage? 1974. Erst jetzt wird das gesetzlich geregelt. Wah- len machen es eben manchmal schwieriger, manches Schmidt (Kempten) (FDP) : Bitte schön. rechtzeitig zu tun. Aber da haben auch Sie Ihre Er- fahrungen. Das gilt nicht nur für den, der gerade (CDU/CSU) : Herr Abgeordneter, sind Sie regiert, sondern mindestens genauso für den, der in Franke bereit zuzugeben, daß wir die Frage der Pflicht- der Opposition ist. versicherung u. a. auch damit verbunden haben, Deshalb — das muß hier noch einmal gesagt wer- daß wir gleichzeitig die Kontinuität der Beitrags- den — ist es ein völliges Verkennen der Tatsachen, zahlung sicherstellen müssen, und geben Sie nicht ja schon beinahe die Unwahrheit, wenn draußen zu, daß damit auch Ihr letztes Argument entfällt? immer wieder behauptet wird, die Rentenversiche- rung werde zu Lasten der Krankenversicherung sa- Schmidt (Kempten) (FDP) : Ihr Argument stimmt niert. Das ist doch schlicht und glatt die Unwahrheit. trotzdem nicht, Herr Kollege Franke; denn die Kon- Denn es wurden 17 Milliarden DM an die Kranken- tinuität der Beitragszahlung garantiert doch noch versicherung überbezahlt, die eigentlich seit 1970 nicht, daß 1985 ein Beitragszahler vorhanden ist, der nicht mehr hätten bezahlt werden müssen. Jetzt wird freiwillig aufstockt. Das ist doch das Problem bei der eigentliche gesetzliche Zustand hergestellt und unserem Umlagesystem. Es müssen dann doch Bei- damit die nach meiner Ansicht richtige Regelung, tragszahler da sein, die aufstocken. nämlich Durchschnittsbeiträge für Durchschnittsrisi- (Müller [Berlin] [CDU/CSU]: Ja! — Franke ko, getroffen. Damit erfolgt eine saubere Trennung [CDU/CSU] : Sie wollen mich nicht verste der drei Säulen unserer sozialen Sicherheit und zu- hen! — Gegenruf des Abg. Egert [SPD]: Wir gleich eine Stärkung des geliederten Systems. können Sie nicht verstehen!) (Zuruf des Abg. Müller [Remscheid] [CDU/ Nur am Rande der Erörterung dieser Problematik CSU]) möchte ich die Frage stellen, ob die Aufstockung Ich muß mich nun wieder an die Opposition wen- zu diesem Zeitpunkt und in dieser Form überhaupt den. Im Ausschuß wurde die ursprünglich vorgese- sozial wäre; denn derjenige, der sie gern vornehmen hene Aufstockung für Pflichtversicherte herausge- möchte, weil er einen niedrigen Rentenanspruch nommen und auf die Beratung eines späteren- hat, wird es nicht können: Sein Einkommen wird es 21. Rentenanpassungsgesetzes verschoben.. Ich habe ihm nicht ermöglichen. Derjenige, der ein hohes mit Interesse bemerkt, daß die Opposition diese Einkommen hat, kann die Aufstockung aber gegebe- Frage wieder aufgegriffen hat und durch einen Än- nenfalls für eine andere Person, beispielsweise für derungsantrag diese Aufstockung in das Gesetz wie- seine teilzeitarbeitende Frau, vornehmen. Ist das der hineinbringen möchte. sehr sozial oder bringt das nicht Probleme mit sich, noch dazu wo das mit finanziellen Belastungen und Da ergeben sich für mich mehrere Fragen, Herr Unwägbarkeiten verbunden ist? Kollege Franke. Sie haben heute früh über die Finanzprobleme der Rentenversicherung viel gere- Herr Abgeordneter, det. Gleichzeitig unterschreiben Sie einen Antrag Vizepräsident Frau Renger: gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abge- oder lassen ihn durch Ihren Fraktionsvorsitzenden ordneten Müller (Berlin) ? unterschreiben, durch den in dieses Konzept zur Konsolidierung der Rentenversicherung ein neuer finanzieller Unsicherheitsfaktor hineinkommt. Wie Schmidt (Kempten) (FDP) : Bitte schön. können Sie das eigentlich mit Ihren Vorstellungen in Einklang bringen? Auf der einen Seite machen Müller (Berlin) (CDU/CSU) : Herr Kollege Schmidt Sie der Bundesregierung Vorwürfe, das reiche alles (Kempten), wissen Sie sich noch zu erinnern bzw. nicht. Auf der anderen Seite stellen Sie Anträge, die geben Sie mir zu, daß Sie selber im Jahre 1974 Auf- dazu führen könnten, — — stockungen der Pflichtbeiträge angeregt haben und sich das Arbeitsministerium mit dieser Frage schon (Franke [CDU/CSU] : Könnten!) seinerzeit befaßt hat? — Ja, könnten! Denn es gibt keine Berechnungen darüber. Oder können Sie, Herr Kollege Franke, Schmidt (Kempten) (FDP) : Herr Kollege Müller, mir sagen, ob, wenn das Gesetz würde, der Auf Sie haben bei Ihrer Frage bloß eines unterschlagen stocker von 1978, der seine Beiträge freiwillig auf- oder vergessen. Damals ging es um die Aufstockung stockt und dadurch einen höheren Rentenanspruch der Beiträge der Pflichtversicherten für die zurück- erwirbt, 1985 diesen Rentenanspruch von einem liegenden Jahre. dann Aufstockenden realisiert bekommt? Ansonsten muß nämlich dieser höhere Rentenanspruch von (Müller [Berlin] [CDU/CSU] : Nein!) den Beitragszahlern mitgetragen werden. Das muß — Jawohl, für die zurückliegenden Jahre. Sie kön doch einmal sehr klar gesagt werden; denn hier han- nen den Antrag gern nachlesen. Die CDU/CSU hatte delt es sich um ein ganz unsicheres Experiment, das ja einen ähnlichen Antrag eingebracht. Unser da- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1869 Schmidt (Kempten) maliger Antrag hatte zum Ziel, im Hinblick auf die völlig neu. Dies will der Entschließungsantrag. Dann Nachentrichtungsmöglichkeit im Rahmen der Öff- werden wir diesen Dingen nachgehen. Wir halten es nung eine Gleichstellung zu ermöglichen. Es ging jedenfalls heute für unverantwortlich, die Renten- nicht darum, eine Aufstockung für die Zukunft zu versicherung in eine solch unsichere Finanzsituation ermöglichen. Wir haben diesen Antrag damals zu- hineinzubringen. rückgezogen Nun ein Wort zu der kurzen Debatte heute (Abg. Müller [Berlin] [CDU/CSU] meldet früh zwischen dem Kollegen Franke und mir. sich zu einer Zwischenfrage) Herr Kollege Franke, ich hatte die Zwischenfrage — ich darf das vielleicht noch ausführen; dann gestellt, ob bezüglich der Bewertung der Dinge können Sie fragen, aber vielleicht brauchen Sie — ich will das einmal etwas zusammenfassen — dann gar nicht mehr zu fragen —, weil wir nach nicht ein Unterschied zu machen wäre zwischen Durchrechnung dieses Vorhabens zu der Auffas- demjenigen, der ein volles Arbeitsleben mit 35 sung gelangt waren, daß die zusätzlichen finan- bis 45 Beitragsjahren hinter sich hat, und einem ziellen Belastungen für die Rentenversicherung anderen Rentenbezieher, der keine so langen nicht zu verantworten waren. Auf Grund dieser Beitragszeiten in seinem Arbeitsleben aufzuwei- Überlegungen haben wir diese Frage seitdem zu- sen hat. Sie haben selbst von erfülltem Arbeits- rückstellen müssen. leben und vom würdigen Lebensabend gesprochen, Herr Kollege Franke, und haben das Beispiel einer Witwe mit einer Rente von 350 DM angeführt. Zwei- Vizepräsident Frau Renger: Gestatten Sie eine fellos müssen wir Beziehern solcher kleinen Renten, weitere Zwischenfrage? wenn sie kein anderes Alterseinkommen haben, hel- fen. Aber das kann nicht zu Lasten der Beitragszah- Schmidt (Kempten) (FDP) : Bitte schön. ler in der Rentenversicherung gehen, wenn die Be- treffenden nicht lange genug in dieser Solidarge- Müller (Berlin) (CDU/CSU) : Welchen Unterschied meinschaft waren. Deshalb hat der Deutsche Bundes- grundsätzlicher Art machen Sie denn zwischen tag — das habe ich heute früh gesagt und möchte es der freiwilligen Aufstockung mit rückwirkender jetzt noch einmal feststellen — den Rechtsanspruch Kraft und der für die Zukunft? in der Sozialhilfe für alle diejenigen Bürger in un- serem Lande geschaffen, die ohne eigenes Verschul- den beispielsweise in diese Situation eines niedrigen Schmidt (Kempten) (FDP) : An sich habe ich darauf ja schon eben geantwortet. Alterseinkommens kommen. Wer seinen Rentenan- - spruch mit Beitragszahlungen von 35 bis 45 Jahren (Müller [Berlin] [CDU/CSU]: Nein!) nachgewiesen hat, der kommt — das haben Sie Wir haben diesen Antrag zurückstellen müssen, selbst gesagt — heute im Durchschnitt auf 1 079 DM. weil es die finanziellen Möglichkeiten generell nicht Die Witwe kommt, wenn Sie 60 % zugrunde legen, gestatteten, über eine Aufstockung zu reden. Das auf 600 DM. ist eine grundsätzliche Frage. Aus diesem Grunde Wir müssen wirklich deutlich sagen, daß alle Ent- haben wir den Antrag damals zurückgezogen, und scheidungen in der Rentenversicherung an demjeni- heute wiederholen wir eben, daß das nicht möglich gen zu messen sind, der ein volles, echtes Arbeits- ist. Wir werden über die Aufstockung im Rahmen leben von 35 bis 45 Jahren in der Solidargemein- des 21. Rentenanpassungsgesetzes — es liegt ja ein schaft war. Entschließungsantrag vor — erneut diskutieren. (Zuruf von der SPD: Genauso ist es!) (Müller [Berlin] [CDU/CSU]: Also doch!) Wir müssen deutlich machen, daß ein anderer nicht — Moment. Es ist immer gut, wenn man zunächst genau dieselben Ansprüche anmelden kann, der viel- einmal abwartet, was gesagt wird. leicht nur die Hälfte seines Arbeitslebens in der Soli- (Franke [CDU/CSU] : Wie du da wieder dargemeinschaft war oder der sich erst nachträglich herauskommst, möchte ich wissen!) in irgendeiner Form gewisse Ansprüche erworben hat, womit er aber sicherlich nicht Privilegien erkau- — Herr Kollege Franke, keine Sorge! — Wir wer- fen kann. den vorher allerdings prüfen, ob es nicht richtiger ist, gewisse Privilegien abzubauen, die nicht an (Beifall bei der FDP und der SPD — Franke kontinuierliche, einkommensgerechte Beitragslei- [CDU/CSU] : Aber denen dürfen die Renten stungen in der Rentenversicherung gebunden sind nicht durch Nettoanpassung gekürzt wer und damit nicht dem Solidaritätsprinzip entsprechen, den!) die aber auf Grund bestimmter Entscheidungen der Lassen Sie mich — die Zeit schreitet fort — zum Großen Koalition aus dem Jahre 1969 existieren, um Zwanzigsten Rentenanpassungsgesetz eine Bemer- auf diese Weise das Bedürfnis nach einer notwendi- kung machen. Wir werden ja bei den Anträgen noch gen Aufstockung zu beseitigen; denn diese Privile- etwas zu den anderen Details sagen können. Zu- gien sind doch Anlaß . zu der mit Recht erhobenen nächst ein Wort zu dem auch von Ihnen wieder an- Forderung nach einer Aufstockung: daß es im frei- geschnittenen Problem, das im Einundzwanzigsten willigen Bereich Möglichkeiten gibt, die es im Rentenanpassungsgesetz zu lösen ist, nämlich zu Pflichtbereich nicht gibt. Bauen wir den freiwilligen dem Thema Nettoanpassung, nettoähnliche Anpas- Bereich auch kontinuierlicher, systemgerechter mit sung, Anpassung an die Einkommensentwicklung, einkommensgerechten Beiträgen aus, so stellt sich oder wie man es nennen will, das ja ein Teil des die Frage nach einer Aufstockung — ob überhaupt — Finanzkonzepts für die Jahre 1979/1980 darstellt. 1870 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Schmidt (Kempten) Wir werden — das möchte ich für die Freien De- — Von den Freien Demokraten hat es bereits in mokraten klar und deutlich sagen — im Rahmen der den Debatten des Jahres 1968 Vorstöße in dieser sicherlich bald nach der Sommerpause angehenden Richtung gegeben. Beratungen des Rentenanpassungsgesetzes 1979 sehr (Burger [CDU/CSU] : Es hat niemand einen sorgsam prüfen müssen, welcher Weg der richtige zu Antrag gestellt!) einer nettoähnlichen Anpassung ist. Etwa der, ein- fach — vergleichsweise — die Renten an das durch- — Herr Kollege Burger, ich will mich jetzt nicht schnittliche Nettoeinkommen anzupassen nicht auf eine Detaildebatte einlassen; das können (Zuruf von der CDU/CSU: Vorsichtig formu wir nachher noch machen. Es hat noch andere Aus- lieren!) einandersetzungen im Rahmen der Großen Koalition in dieser Frage gegeben. — ich sage, wir werden prüfen müssen —, oder bei- spielsweise der von uns aufgezeigte und immer noch Dank der sozialliberalen Koalition — das ist eine zur Diskussion stehende Weg eines echten, indivi- Feststellung — sind die Kriegsopfer in die Entwick- duellen Krankenversicherungsbeitrags der Rentner, lungen der Rentenversicherung eingebunden. nicht das, was Sie hier angeboten haben, so mit 2,6 und 4 % aller Renten, aber nicht unter 600 DM und (Lutz [SPD]: Voll eingebunden!) dergleichen mehr, sondern ein echter Krankenver- — Sie sind voll eingebunden, Herr Kollege Lutz, sicherungsbeitrag, ein Weg, der vielleicht — so un- und sie sind darüber hinaus auch mit — wenn auch ser Modell; ich will es jetzt nicht im einzelnen dar- etwas verspätet nach 1972 — in die Vorziehung des stellen; dazu werden wir noch Gelegenheit haben — Rentenanpassungstermins eingebunden worden. eine nettoähnliche Anpassung der Renten dadurch Wenn es jetzt notwendig ist — darin sind sich die ermöglicht, daß ein Beitrag abgezogen wird. Viel- Mitglieder dieses Hauses einig —, die Renten im leicht ist dies der stabilere Weg. Darüber werden nächsten Jahr ein halbes Jahr später anzupassen, wir gemeinsam nachdenken müssen. muß allerdings auch von den Kriegsopfern Ver- Auf alle Fälle werden wir etwas tun müssen — ständnis dafür erwartet werden, daß sie dann nicht, darüber sind wir uns einig —, um mit den vorhan- wie es gewünscht wurde, ausgeklammert und ge- den Problemen fertig zu werden; denn das — lassen sondert behandelt werden. Wer die Vorteile und Sie mich das für die Freien Demokraten ganz deut- Vorzüge dieses Rentensystems seit 1970 mit genos- lich sagen — sind nicht nur Probleme, die sich aus sen hat, muß sich dann auch bescheiden, wenn es gewissen wirtschaftspolitischen Entwicklungen, einmal nicht ganz so geht, wie man es gewöhnt ist. Konjunkturschwankungen ergeben haben, sondern es sind auch Probleme, die mit dem Generationen- Es ist eine andere Frage — darauf wird nachher - vertrag und dem Verhältnis der Generationen auch noch zu kommen sein —, wie weit es möglich ist, in Zukunft zusammenhängen. Daß dieser Genera- die sich daraus 1978 ergebende einmalige Einspa- tionenvertrag heute durch Abzüge hoch belastet ist rung gewisser Mittel für Strukturverbesserungen, und nicht ohne weiteres überall mehr belastet wer- Härteregelungen, insbesondere für Witwen, und in den kann, wissen wir alle. Daß das Verhältnis zwi- der Kriegsopferfürsorge zu verwenden. Das ist eine schen der arbeitenden Generation und der ausge- Frage, über die wir nachdenken und zu der wir schiedenen Generation sich laufend verschiebt, daß Vorschläge machen werden. Jedenfalls wird es der wir glücklicherweise mehr ältere Mitbürger haben, Sache nicht gerecht, wenn man glaubt — wie es aber auch weniger, die das aufbringen, wissen wir manche Verbände draußen tun —, man könne .zwar auch. Daß diese Probleme vor uns stehen, wissen die Vorzüge des dynamischen Systems mitmachen, wir. Daß es notwendig ist, tragfähige Lösungen zu aber dann, wenn es Probleme gibt, aussteigen und überlegen und daß nettoähnliches Anpassen oder gesondert behandelt werden. echter Krankenversicherungsbeitrag der Rentner Ich komme zum nächsten Teil des Gesamtpaketes, Dinge sind, mit denen wir uns beschäftigen müssen, Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz. um dann den besten Weg zu gehen, ist die Meinung zum Herr Kollege Höpfinger hat mir vorhin ein Stichwort der Freien Demokraten. für den Einstieg gegeben, nämlich in Gestalt der Nun einige Sätze zum Neunten Kriegsopferanpas- Frage, ob man dieses Gesetz nicht abkoppeln und sungsgesetz. Wir werden im Detail noch etwas dazu nur das Zwanzigste Rentenanpassungsgesetz verab- sagen können. Wir Freien Demokraten sind der schieden sollte. Bereits in der ersten Lesung habe Auffassung, daß die Kriegsopfer, die seit 1970 dank ich für die Freien Demokraten deutlich erklärt, daß einer Entscheidung der sozialliberalen Koali- das Zwanzigste Rentenanpassungsgesetz und das tion — — Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz eng- (Burger [CDU/CSU] : Des ganzen Bundes stens miteinander verbunden sind. Einmal ist das tages!) deshalb der Fall, weil durch die Herabsetzung des Zuschusses der Rentenversicherung an die Kran- — Herr Kollege Burger, vor 1969 scheiterten alle kenversicherung natürlich Mehrkosten für die Versuche, die dynamische Regelung der Renten- Krankenversicherung entstehen, die durch Kosten- versicherung auf die Kriegsopferversorgung aus- dämpfung zum Teil aufgefangen werden sollen, zudehnen, zwar nicht an Ihnen persönlich, aber an zum anderen aber auch, weil wir der Meinung sind, Ihrer Fraktion. es ist höchste Zeit, daß die Diskussion, die vor drei (Burger [CDU/CSU] : Es hat nie ein Antrag Jahren in diesem Hause begonnen hat — damals vorgelegen!) hat Herr Geißler als erster seine beinahe als Hor- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1871 Schmidt (Kempten) rorzahlen empfundenen Entwicklungszahlen vor- — Nun, hier gibt es Sachzwänge, Gott sei Dank. gelegt —, Hier gibt es eine Geschäftsordnung, hier muß abge- (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Heute Horror stimmt werden, hier müssen Entscheidungen fallen. Wirklichkeit!) Ein solches Gremium kann drei Jahre tagen, und zum Schluß ist nichts dabei herausgekommen. Dies, in diesem Hohen Hause nun auch zu Maßnahmen meine Damen und Herren, kann nicht der Weg zu führt. Da kann man eben die Dinge nicht allein mit einer vernünftigen Kostendämpfung sein. Es kann einer so schönen „konzertierten Aktion" regeln, wie auch nicht — bei aller Hochachtung vor den dieser Sie sich das vorstellen, zumal wenn man dann noch Tage zwischen den Ersatzkassen und Ärzten getrof- sagt, die konzertierte Aktion sei ein ganz freiwil- fenen Vereinbarungen — davon ausgegangen wer- liger Zusammenschluß, und sich einmal die Zusam- den, daß solches nun an der Tagesordnung sei. Dies mensetzung der von Ihnen vorgeschlagenen konzer- glauben wir nicht. Auch der Ärztetag mit seinen tierten Aktion ansieht. Ich glaube, diejenigen, die Äußerungen hat in dieser Richtung sicher keine immer darüber reden, daß das Kostendämpfungs- neuen Erkenntnisse gebracht. Es ist erwägenswert, gesetz dirigistisch sei, haben nie in dieses Gesetz ob man zusätzlich zu dem Instrumentarium, zusätz- hineingeschaut und wissen nicht, wer in dieser lich zu dem, was das Kostendämpfungsgesetz an konzertierten Aktion sitzt. Daß der konzertierten Möglichkeiten für die Selbstverwaltung und an Auf- Aktion — das ist jetzt keine Kritik, sondern nur gabe bietet, über einen solchen Gesprächskreis eine Feststellung — der Bundesarbeitsminister und nachdenkt — zusätzlich; dagegen ist nichts zu sa- die zuständigen Länderminister angehören und an gen. Dies darf aber nicht alternativ zu notwendigen dieser konzertierten Aktion sehr wesentlich mitwir- gesetzlichen Regelungen geschehen. Das halten wir ken, Freien Demokraten, wenn man von Kostendämpfung (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Na und?) redet, für Schaumschlägerei. bedeutet mit Sicherheit mehr staatlicher, mehr diri- (Zustimmung bei der FDP) gistischer Eingriff, als wenn wir der Selbstverwal- tung in diesem Gesetz ein Instrumentarium an die Lassen Sie mich noch ein weiteres, in der Öffent- Hand geben, das sie alleinverantwortlich zur Ko- lichkeit und auch von Ihnen immer wieder vorge- stendämpfung einsetzt. brachtes Argument — es kam auch vorhin wieder einmal — kurz aufgreifen: Einheits-ADGO, Einheits- (Beifall bei der FDP — Zurufe von der versicherung, Einheitshonorar und dergleichen CDU/CSU) mehr. — Nun, meine Damen und Herren, wenn die — Meine Damen und Herren, dann sagen Sie mir wohl höchsten Vertreter der Selbstverwaltungs- einmal, was der Staat mit Ministern und entspre-- gremien im Krankenversicherungsbereich und im chenden Beratern in dieser konzertierten Aktion, die Rentenversicherungsbereich, wenn die Gewerkschaf- ja aus lauter Freiwilligen zusammengesetzt sein soll, ten, vertreten durch den DGB, und die Arbeitgeber, (Lutz [SPD]: Aus Partnern!) vertreten durch die Bundesvereinigung der Arbeit- geberverbände, in den Sachverständigenanhörungen soll. Wenn das nicht staatlicher Einfluß, Dirigismus. auf die an sie gestellte Frage, ob sie hier Einschrän- ist, den Sie uns vorwerfen, obwohl wir ihn im Rah- kungen der Selbstverwaltung in Richtung auf Ver- men der Selbstverwaltung gar nicht eingebaut ha- einheitlichung sehen würden — und diese Gremien ben, dann weiß ich nicht mehr, was Dirigismus ist. sind ja, wie gesagt, die Träger der Selbstverwal- Ich meine, daß es eigentlich nur Hoffnung, tung —, ein klares Nein gesagt haben — genauso, (Lutz [SPD]: Rhetorikalpinismus ist das!) wie sie ein klares Ja zu einem Kostendämpfungs- gesetz gesagt haben —, dann muß man doch wohl und zwar sehr vage Hoffnung, sein kann, anzunehmen, eigentlich annehmen, daß sie es am besten wüßten, daß ein solches Gremium, in dem von den Ärzten ob ihre Selbstverwaltung hier eingeschränkt wird. über die Pharmaindustrie, die Zahnärzte, die Apo- Und dann sind doch wohl die Argumente, wie sie theker und Krankenhausträger bis hin zu den Ge- seitens der Ersatzkassen immer wieder vorgebracht werkschaften und Arbeitgebern, dem zuständigen werden, etwas vordergründig und als Interessen- Bundesminister und den zuständigen Ländermini- standpunkte, nicht etwa als sachgerechte Meinung stern alle mit ihren jeweiligen spezifischen Inter- zu betrachten. essen sitzen — — (Zuruf von der CDU/CSU: So, so, etwas (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Ja und? — Weiterer ganz Neues bei der FDP!) Zuruf von der CDU/CSU: Wo sind die Län der mit drin? Sie müssen das lesen!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich für die Freien Demokraten in der Grund- — In dem Antrag, den Sie im Ausschuß vorgelegt satzaussprache noch einen für uns im Rahmen der hatten, waren Vertreter der Länder mit vorgesehen. Kostendämpfung besonders wichtigen Punkt an- Das war der ursprüngliche Antrag bezüglich konzer- sprechen, weil wir nicht der Meinung sind, daß nur tierter Aktion. Stimmt's nicht, Herr Zink? Ich habe Ärzte und Krankenkassen und Pharma-Industrie und ihn ja da, ich kann ihn nachher holen. — Ich sagte: alles, was dazu gehört, mehr Wirtschaftlichkeit, es besteht nur eine vage Hoffnung, daß ein solches mehr Kostendämpfung in ihre Überlegungen einbe- Gremium überhaupt zu einer vernünftigen Entschei- ziehen müssen, sondern die Auffassung vertreten dung, zu einer gemeinsamen Empfehlung kommt. — und auch das habe ich hier vor langer Zeit schon (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Der Bundestag ist einmal gesagt —, daß zu den am Gesundheitswesen noch viel größer!) Beteiligten auch die Versicherten gehören. Deshalb 1872 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977

Schmidt (Kempten) begrüßen wir, daß im Rahmen des Kostendämpfungs- den kassenärztlichen Vereinigungen auch den Kran- gesetzes eine Reihe von Anregungen der Freien kenhäusern gegenüber echte Verhandlungspartner Demokraten bezüglich einer Beteiligung der Ver- werden und auch in die Bedarfsplanung und Wirt- sicherten an den Leistungen der Krankenversiche- schaftlichkeitsüberlegungen bei den Krankenhäusern rung Eingang gefunden haben. Wir begrüßen, daß es stärker mit eingeschaltet werden. gelungen ist, den 20%igen Zuschuß beim Zahnersatz Ob es nun um die Empfehlungsvereinbarungen für im ,Gesetz festzulegen. Wir begrüßen, daß durch die die Entwicklung der Arzthonorare geht, oder ob es zweifellos praktikablere 1-DM-Regelung für jede um die Kostenentwicklung im Krankenhaus geht — Arzneimittelverordnung ein Weg gefunden wurde, in allen diesen Bereichen muß sich der Bürger in die- den Arzneimittelüberverbrauch und das vielleicht sem Land und müssen sich vor allem die Betroffenen manchmal vorkommende Zuvielverschreiben von darüber klar sein, daß die Entwicklungsmöglichkei- Arzneimitteln einzuschränken. ten in diesen Bereichen abhängig sind von unseren Wir begrüßen darüber hinaus auch sehr — dies wirtschaftlichen Entwicklungen, daß diese wirtschaft- hat mit dem Dämpfungsgesetz selbst nichts zu tun, lichen Entwicklungen erst die Beitragsentwicklungen aber mit dem Bereich der Selbstbeteiligung —, daß und damit die Einnahmeentwicklungen ermöglichen, inzwischen im Bundesarbeitsministerium Vorarbei- die notwendig sind, damit die Kostenträger die Aus- ten für die von uns angeregten Modellversuche über gaben in diesem Bereich leisten können. Da wir an Wahltarife zur Selbstbeteiligung der Versicherten Belastungsgrenzen angelangt sind, ist es wohl not- angelaufen sind wendig — das sieht dieses Gesetz vor —, überall (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] [zur Re diesen Wirtschaftlichkeitsgedanken stärker zu ver- gierungsbank gewandt]: Na, na, na!) ankern. Ich kann nur hoffen und von dieser Stelle aus an die Länder und an den Bundesrat die Bitte und daß hierfür — ich darf das hier noch einmal richten, einmal von zuviel Egoismus und von zuviel ausdrücklich feststellen — Haushaltsmittel zur Ver- Herr-im-Hause-Standpunkt abzugeben und die Not- fügung stehen. wendigkeit zu sehen, gerade im Bereich des Kran- (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Ich schaue kenhauses durch Bedarfsplanung, durch Wirtschaft- in diese Richtung!) lichkeit wirklich kostendämpfend mitzuwirken. — Mein lieber Kollege Müller, Sie können ruhig Sollte ein Teil dieses Bereichs im Kostendämp- auch mich anschauen; ich stehe für diese Wahltarife, fungsgesetz am Bundesrat scheitern, würde mir das ich stehe für diese Absprache in der Koalition, und persönlich sehr leid tun, weil dann der wesentlichste ich weiß, daß auch der Bundesarbeitsminister dazu Kostenfaktor weiter die Blüten der Vergangenheit steht. treiben würde und wir dann eines Tages vielleicht (Zurufe von der CDU/CSU: Aber was tun?- nicht nur vor 60 000, 70 000, sondern vor 100 000 — Wie lange?) oder 150 000 Betten zuviel, am falschen Platz, falsch — Keine Sorge, keine Sorge! belegt und dergleichen stehen. Aber jedes Bett muß weiterhin über die Versicherten bezahlt werden. (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Die Frage ist, wie lange er überhaupt noch steht! — Müller (Beifall bei der FDP und der SPD) [Remscheid] [CDU/CSU] : Keine begeisterten Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Es gäbe noch Gesichter da drüben!) sehr vieles zu sagen; aber wir haben ja im Rahmen — Ob immer alles, was Sie sagen, begeisternd ist, der Beratung der Anträge Gelegenheit, zu einigen Herr Kollege Müller, ist eine andere Frage. Dingen noch etwas zu sagen. Ich möchte noch einmal den Kollegen Franke kurz zitieren. Herr Kollege Schließlich einige grundsätzliche Feststellungen zu Franke, Sie haben auf einen Zwischenruf hin gesagt: dem größten Sorgenkind, das wir alle, glaube ich, „Die Regierung muß handeln, Sie müssen handeln". haben, wo es möglicherweise am schwierigsten ist, Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren der die Kostendämpfung zu erreichen, zum Komplex Opposition, wir Freien Demokraten werden handeln, Schon die erste Lesung im Bundes- Krankenhaus: die sozialliberale Koalition wird handeln. rat hat bedauerlicherweise gezeigt — das möchte ich von dieser Stelle aus einmal sehr deutlich sa- (Zuruf von der CDU/CSU: Aber wie!) gen —, daß die Länder, die zwar auch immer sehr viel über Kostenentwicklungen auch in diesem Be- Die vorliegenden Entwürfe sind bereits Aktion und reich reden, doch sehr wenig bereit zu sein scheinen, nicht Konzert. Wir werden uns auch von der Oppo- sich an diesen Maßnahmen wirklich echt zu beteili- sition an diesem Handeln nicht hindern lassen, zumal gen, sich wirklich einmal echt um Bedarfsplanung zu dann nicht, wenn diese — wie heute früh leider kümmern und das zu korrigieren, was durch falsche wieder einmal gezeigt — nichts als Kritik und Po- Vorausplanung am Bedarf vorbei — oftmals von lemik bietet. kommunalem und anderem Ehrgeiz getrieben — auf (Beifall bei der FDP und der SPD — Müller diesem Gebiet zuviel investiert worden ist und zum [Remscheid] [CDU/CSU] : Augen zu und Bettenüberhang geführt hat. durch, auch wenn es falsch ist!) Wir, meine Damen und Herren, begrüßen es, daß der Teil, der den Krankenhausbereich betrifft, die Vizepräsident Frau Renger: Meine Damen und Stärkung der Partnerschaft ermöglicht, die Möglich- Herren, zur allgemeinen Aussprache liegen keine keit eröffnet, daß die Kostenträger — das sind nun weiteren Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die einmal die Krankenkassen — ähnlich wie gegenüber allgemeine Aussprache. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1873 Vizepräsident Frau Renger Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe die Art. — Würden Sie vielleicht die Güte haben, einen 1, 2 und 3 und die Änderungsanträge der Fraktion Augenblick zuzuhören, statt Ihre aufgeschriebenen der CDU/CSU auf den Drucksachen 8/384, 8/375, Zwischenrufe hier abzulassen! 8/376 bis 8/390 auf. Die Anträge werden global (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — behandelt. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Zurufe von der SPD) Blüm. Zweitens das Nettoprinzip. Es ist in allen Ihren Rechnungsgrundlagen enthalten. Auch „Nettoprin- Dr. Blüm (CDU/CSU) : Frau Präsident! Meine Da- zip" heißt im Klartext Rentenkürzung, und zwar men und Herren! Was wir im einzelnen heute disku- nicht nur allgemeine Rentenkürzung — das wäre tieren, sind Teile eines Konzepts. Deswegen werden schon schlimm genug —, sondern zusätzlich über- mein Kollege Schedl und ich in unseren Begründun- durchschnittliche Kürzung der Kleinrenten. Denn gen zu den entsprechenden Anträgen immer wieder Durchschnittslösungen haben es so an sich, eine den Zusammenhang zum Gesamtkonzept deutlich Seite zu benachteiligen, in diesem Falle die Kleinen. zu machen versuchen; denn die Unterschiede zwi- schen Regierung und Opposition sind nicht Unter- (Zuruf von der CDU/CSU: Leider wahr!) schiede allein im Detail, Eine solche Benachteiligung ist mit allen Durch- (Zuruf des Abg. Wolfram [Recklinghausen] schnittsrechnungen verbunden. Sie kennen das Bei- [SPD]) spiel: Wenn ein Mann zwei Koteletts ißt und der an- dere null, so hat im Durchschnitt jeder eines geges- sondern sind Unterschiede im Rentenkonzept. Es sen; nur, der eine ist hungrig und der andere satt. dreht sich nicht allein um die Rentensanierung, es Ähnlich ist es mit Ihrem Nettoprinzip: Sie benach- dreht sich um die Richtung der Weiterentwicklung teiligen mit der Durchschnittsrechnung die kleinen unseres Rentensystems. Rentner. Deshalb, Herr Bundesarbeitsminister, soll- (Zuruf von der FDP) ten Sie sich nicht, wie Sie es heute getan haben, Den Maßstab, den wir an unsere Anträge anlegen, auf das hohe Roß begeben und uns unmoralische heißt: Sie sollen gerecht, sozial und solide sein. Un- Handlungen unterstellen, wenn wir das attackieren. Ich finde, Sie sollten eine kleinere Ausgabe wählen. sere Wege trennen sich bereits an der Stelle, an der Sie „Teilaktualisierung" und „Nettorente" sagen. Auch in dem Bericht des Bundestagsausschusses Wir sagen als Alternative: Krankenversicherungs- steht schwarz auf weiß, daß die Bundesregierung bei beitrag der Rentner, soweit dies sozial zumutbar ist. der Berechnung der Finanzlage der Rentenversiche- Doch zunächst zur Teilaktualisierung, deren- Strei- rung für die Jahre 1979 und 1980 die Nettoanpas- chung wir beantragen. „Teilaktualisierung der allge- sung ins Kalkül gezogen hat. meinen Bemessungsgrundlage", das hört sich kom- (Zurufe von der SPD) pliziert an, ist aber ganz einfach. Im Klartext, in so- zialpolitisches Deutsch übersetzt, heißt das — daran — Wir werden doch wohl noch an das glauben führt kein Weg vorbei —: Rentenkürzung. dürfen, was schwarz auf weiß hier steht. (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Sehr wahr!) (Egert [SPD] : Sie dürfen das aber nicht verdrehen!) Herr Bundesarbeitsminister, Sie mögen alle Schrift- gelehrten bemühen: Wenn die Renten nicht so hoch — Ich weiß, daß wir gebrannte Kinder sind. Auch werden, wie sie ohne diese Regelung würden, dann Herr Ehrenberg hat zu denen gehört, die vor dem handelt es sich um eine Rentenkürzung. 3. Oktober behauptet haben, nach dem 4. Oktober gäbe es keine Rentenversicherungsprobleme mehr. (Beifall bei der CDU/CSU) Nun zur Alternative selbst: Wir verlangen als Ich gebe zu, daß Sie das viel besser in Ihr Fach- Alternative — wir haben uns nicht darum gedrängt; chinesisch verpacken. Überhaupt ist die Verpak- denn wer mutet den Rentnern gern ein Opfer zu — kungsabteilung bei Ihnen hervorragend. einen Krankenversicherungsbeitrag. (Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU/ (Abg. Franke [CDU/CSU] meldet sich zu CSU) einer Zwischenfrage) — Herr Kollege Franke, da ich dem Kollegen von Vizepräsident Frau Renger: Gestatten Sie schon der FDP keine Frage gestattet habe, würde ich es un- eine Zwischenfrage? fair finden, Ihnen gegenüber anders zu verfahren. (Zuruf von der SPD: Er hat eine aufge Dr. Blüm (CDU/CSU) : Herr Kollege, ich habe we- schriebene Frage!) nig Zeit; gestatten Sie, daß ich meine Antragsbe- gründung im Zusammenhang vortrage. — Ja, und zwar deshalb, weil man das, was man hier sagen will, besser aufschreibt, damit man es (Zurufe von der SPD) später nicht abgestritten bekommt. Wir dagegen sehen den Krankenversicherungsbei- Zurück zum Krankenversicherungsbeitrag! Er soll trag als eine zwar unpopuläre, aber gerechte, weil nur von jenen Rentnern erhoben werden, denen an der Belastbarkeit des Rentners bemessene Maß- er zugemutet werden kann. Wir wollen diejenigen nahme zur Sanierung vor. Rentner davon befreien, die eine Rente beziehen, (Zuruf des Abg. Egert [SPD]) welche nicht mehr als 60 % der Eckrente beträgt 1874 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Dr. Blüm und auf einer mindestens 25jährigen Beitragslei- von Mehrfacheinkommen, wirft Fragen auf, auf die stung beruht. Das würde eine Freigrenze von im wir eine Antwort gesucht haben. Sie dagegen ha- nächsten Jahr 656 DM bedeuten. Sie dagegen — ben noch nicht einmal die Frage gestellt. Ihnen hat um den Unterschied deutlich zu machen — sche- offensichtlich der Mut gefehlt, diese heißen Eisen ren alle über einen Kamm, weil Ihnen offensichtlich anzupacken. die Phantasie für differenzierte Lösungen fehlt. Ohne Differenzierung aber gibt es keine Gerechtig- Eine Rentensanierung, die sich mit einem Konzept keit. Die Gerechtigkeit lebt von der Differenzierung. verbindet, muß gerecht sein. Deshalb muß sie diffe- renzieren nach der Belastbarkeit. Sie muß sozial (Beifall bei der CDU/CSU) sein. Deshalb kann sie nicht neue Anstrengungen 804 000. Rentnerhaushalte leben von einem Ren- von denen verlangen, die dann zur Sozialhilfe abge- teneinkommen, das dreimal so hoch ist wie das So- schoben werden. Die Sanierung muß auch solide zialhilfeniveau. Für ein Ehepaar wären das 2 400 sein. Solide aber ist ein Rentenkonzept nicht, das DM. Es gibt aber nicht nur jene „reichen" Rentner. saniert auf Kosten der Kommune, auf Kosten der So- Die Rückseite der Medaille: 1,1 Millionen Rentner- zialhilfe. Das wäre die dritte Folge Ihres Konzep- haushalte mit 2,3 Millionen Personen haben eine tes, auf das wir verzichten. Rente, die unter dem Sozialhilfesatz liegt. Die von (Beifall bei der CDU/CSU) Ihnen vorgesehene allgemeine Kürzung und Durch- schnittslösung sieht von diesen unterschiedlichen Bei der Frage der Verteilung der Lasten der Kran- Verhältnissen ab. Deshalb ist sie ungerecht und un- kenversicherung der Rentner — ein weiterer Antrag, sozial. Sie scheren Reich und Arm über denselben ein weiterer Unterschied — nehmen Sie die Grenz- Kamm. linie bei 11 %. Ich kann nur fragen: Wie kommen (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von Sie dazu, 11 % als Beitrag der Rentenversicherung der SPD) an die Krankenversicherung festzusetzen? Die Ant- wort ist relativ leicht: Der Rechenstift hat Ihnen die Das ist eben Ihr sozialpolitisches Instrumentarium: Hand geführt. Das ist nichts anderes als das Ergeb- Ist Geld in der Kasse, benutzen Sie die Gießkanne; nis eines Rechenexempels. Es gibt kein begründbares haben Sie kein Geld in der Kasse, benutzen Sie die Prinzip dafür, daß Sie ausgerechnet 11 % sagen. Heckenschere. Gießkanne oder Heckenschere, mehr Deshalb ist diese Grenze willkürlich gewählt. Gartengeräte haben Sie in der Sozialpolitik offen- sichtlich nicht. Wir wollen einen Beitrag der Rentenversicherung an die Krankenversicherung, der dem entspricht, was (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU) auch die Aktiven bezahlen. Wenn Ihre Rechnung Solidarität kann nicht nur Verbundenheit- der nicht mehr stimmt, so fürchte ich, werden Sie den Jungen mit den Alten bedeuten, sondern Solidarität Grenzposten 11 % aus dem Boden reißen, unter die bedeutet auch Verbundenheit der Alten mit den Arme nehmen und an einer anderen Stelle wieder Jungen. Warum sollen einem Familienvater mit einschlagen, nämlich dort, wo Ihre sozialpolitischen 1 800 DM Einkommen Opfer in Form von zusätz- Rechenkünstler es empfehlen. Das wird im Zweifel lichen Beiträgen in dieser Krise zugemutet werden, immer zu Lasten der Krankenversicherung sein, einem Opa mit 1 800 DM Einkommen aber nicht? denn die Beiträge in der Krankenversicherung erhö- Das können Sie weder unter dem Gesichtspunkt der hen die fast 2 000 Selbstverwaltungen — man kann Gerechtigkeit noch unter sozialen Gesichtspunkten das dahin schieben —, während das in der Renten- vertreten. Wir möchten alle, denen die Belastung versicherung hier der Bundestag und damit auch zugemutet werden kann, an der solidarischen An- seine Mehrheit macht. strengung beteiligen. (Egert [SPD] : Haben Sie dazu einen An Ausgewogenheit zwischen Jung und Alt kann frei- trag eingebracht, Herr Kollege?!) lich nicht nur die Rente im Blick haben. Denn der Was ist daran gerecht? Was ist daran vor allen Lebensstandard — und damit auch die Belastbar- Dingen sozial solide? Wir möchten nicht diese will- keit — ist in manchen Fällen nicht nur von der kürliche Grenzziehung, sondern eine verläßliche, Rente abhängig, sondern auch von einem zweiten weil alle willkürlichen Grenzziehungen eine Einla- oder einem dritten Einkommen. So kann es sein, dung zu Grenzstreitigkeiten sind. daß auch ein Kleinrentner auf Grund von Mehrfach- einkommen einen so ausreichenden Lebensstandard (Zuruf von der SPD: Das gilt für das Ein hat, daß wir ihm solidarische Anstrengungen zumu- kommen nicht?) ten .können. Das wollen wir tun, indem wir an den Ihr schlechtes Gewissen schlägt ja bereits. Sie haben Lasten der Rentnerkrankenversicherung diejenigen eine Entschließung vorgelegt, haben wie immer das beteiligen, die davon profitieren, und dazu wollen Problem auf Papier abgelegt, mit dem Sie diese wir nicht nur die Rente heranziehen, sondern alle Frage in drei Jahren wieder überprüfen wollen. Alterseinkommen, die Lohnersatzfunktion haben. Das geschähe im übrigen in Parallele zum Aktiven. Wir glauben, daß an der Grenze zwischen Renten- Auch der aktive Arbeitnehmer zahlt, wenn er meh- und Krankenversicherung, was die Altenlast anbe- rere Lohneinkommen hat, seinen Krankenversiche- langt, Ruhe und Verläßlichkeit einkehren muß, denn rungsbeitrag von allen diesen Lohneinkommen. je öfter über diese Grenze gestritten wird, um so mehr Ungewißheit und damit auch soziale Unsicher- Das Alterseinkommen, die Möglichkeit, nicht nur heit zieht in unser Rentensystem ein. In unsere auf die Rente fixiert zu sein, also die Möglichkeit Grenzziehung ist eine Automatik eingebaut, die ver- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1875 Dr. Blüm hindert, daß in die Sozialversicherung jene Hektik rung zugrunde liegen. Aber unsere Erwartungen einzieht, von der die Politik ja offenbar befallen ist. sind ja gar nicht so hoch gespannt. Die Opposition Wir schaffen mit unserer Automatik so etwas wie ist schon zufrieden, wenn Sie wenigstens die kurzen eine Rückkopplung: Steigen die Beiträge der Kran- Strecken, die kurzen Entfernungen richtig einschät- kenversicherung, müssen auch die Abgaben der Ren- zen. Die Treffsicherheit Ihrer Voraussage für das tenversicherung an die Krankenversicherung stei- Jahr 1977 war allerdings die Treffsicherheit einer gen. Dieser Rückkopplungsprozeß wirkt stabilisie- Schrotflinte;_Sie haben nämlich kaum den Punkt ge- rend. Ichmeine, meine Damen und Herren, wir brau troffen, der Ausgangslage einer soliden Berechnung en in unserer Sozialpolitik mehr stabilisierende,-ch gewesen wäre. Sie, die sich einst als Spezialisten mehr verläßliche Kriterien, damit die Hektik aus für Langzeitprogramme darstellten, Herr Kollege dieser Sozialpolitik verschwindet. Ehrenberg, als Experten für das Jahr 2000, Sie waren (Beifall bei der CDU/CSU) nicht in der Lage, seriöse Grundlagen für das Jahr 1977 zu schaffen. Lassen Sie mich in der gebotenen Kurzfassung (Beifall bei der CDU/CSU) noch zu den Problemen der Aufstockung Stellung nehmen. Die Pflichtversicherten sollen also weiter- Sie rechnen in diesem Jahr mit 850 000 Arbeits- hin nicht wie die freiwillig Versicherten behandelt losen. Wir schreiben jetzt Mai und haben immer werden. Ihre Altersversorgung kann nicht durch noch über 1 Million Arbeitslose. In den ersten vier zusätzliche Leistungen so verbessert werden, daß Monaten dieses Jahres sind 1 Milliarde DM weniger dies auch in die Dynamisierung einmündet. Das gibt in die Kasse geflossen, als geschätzt wurde. Wann, zweierlei Recht in der Rentenversicherung. Ich stelle meine Damen und Herren, so frage ich Sie — viel- in Kurzfassung fest: Die Sozialdemokraten als die- leicht kommt heute noch eine Antwort —, wann jenigen, die Privilegien zementieren! Das müssen kommt denn eigentlich der Aufschwung, auf den Sie den Arbeitnehmern einmal klarmachen! wir uns auch in der Rentenversicherung verlassen (Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch können? bei der SPD) (Zuruf des Abg. Lutz [SPD]) — Wenn Sie es noch einmal hören wollen: Die So- — Der sozialdemokratische Aufschwung, Herr Kol- zialdemokraten als Privilegienzementierer! lege Lutz, steht immer noch dort, wo er auch vor den Wahlen gestanden hat, nämlich auf dem Papier und Ein weiteres Problem, ein weiterer Antrag: Der in Ihren Propagandazeitschriften. Sonst steht er nir- Kinderzuschuß soll festgeschrieben werden. Davon gendwo. werden gerade jene Familien betroffen, deren Ein- kommen auch in der Mehrzahl der Fälle auf einer (Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU) kleinen Rente beruht. Es handelt sich nämlich in der Lassen Sie mich schließen, meine Damen und Mehrzahl der Fälle um Frührentner. In der Mehr- Herren, nicht ohne auch noch etwas Positives zu zahl der Fälle von Rentnern, die Kinder haben, wer- sagen. Gut ist es, daß die Renten in diesem Jahr so den es Frühinvaliden sein, jedenfalls solche, deren angehoben wurden, wie es alle Parteien vor der Rente nicht die normale Höhe erreicht hat. Ich ver- Wahl versprochen haben. Gut ist, daß damit der stehe nicht Ihren Ehrgeiz, warum Sie hier diese geplante Wortbruch am Widerstand der Öffentlich- Dynamisierung abbauen und warum Sie hier fest- keit und der Opposition gescheitert ist. schreiben. Die Preissteigerungen haben Sie auch nicht festgeschrieben! Wenn Sie die Preissteigerun- (Lachen bei der SPD) gen entdynamisieren würden, wären wir auch damit Gut ist, daß damit jene widerlegt sind, die behauptet einverstanden, daß wir den Kinderzuschuß entdyna- haben, in unserem Staat könnten „die da oben" misieren. machen, was sie wollten, und man könnte sich (Beifall bei der CDU/CSU - Zurufe von nicht wehren. Das Rentenbeispiel hat gezeigt, daß der SPD) die Macht der Manipulation dieser Regierung be- schränkt ist und daß wir uns auch in Zukunft da- Ja, meine Damen und Herren, die Familie hat in gegen wehren werden. Die Grenzen der Macht sind diesem Staate leider keine Lobby, und die Rentner die Grenzen der Wahrheit. Daß der Herr Bundes- haben kein Streikrecht. Die Gruppe, bei der diese kanzler, wie er in seiner Regierungserklärung zuge- beiden Nachteile, keine Lobby und kein Streikrecht geben hat, über die Reaktion der Öffentlichkeit auf zu haben, zusammentreffen, ist in Gefahr, von Ihnen den geplanten Wortbruch überrascht war, zeigt nur, an den Rand gedrängt, zu einer Randgruppe degra- daß sich dieser Bundeskanzler der Grenzen seiner diert zu werden. Macht nicht bewußt war. (Beifall bei der CDU/CSU) (Zuruf von der SPD: Das meinen Sie!) Sie degradieren mit dieser Festschreibung die Früh- rentner mit Kindern zu einer Randgruppe. In der Sozialpolitik wird es nicht mehr ausrei- chen, nur Geld auszuteilen. Wir werden gar nicht (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der so viel Geld haben, wie wir Probleme und Wünsche SPD: Das nimmt Ihnen doch keiner ab!) haben. Zur Sozialpolitik gehört ein Konzept. Zu Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich ab- einer Sozialpolitik, die zustimmungsfähig ist — Sie schließen. Jede Partei, jeder Sachverständige hat werden das in gehobenem Deutsch vielleicht „Legi- sicherlich Schwierigkeiten mit lang- und mittelfri- timation" nennen —, gehören Gründe, die einsehbar stigen Voraussagen, die auch der Rentenversiche- sind, gehören Argumente und Prinzipien. Ihr Kon- 1876 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Dr. Blüm zept verdient nicht den Anspruch, ein Rentenkon- Sie wollten doch, Herr Kollege Blüm, im Grunde zept zu sein, das gerecht, sozial und solide genannt genommen damit zum Ausdruck bringen, daß es werden darf. hier 2,3 Millionen arme Rentner gäbe, die einen (Beifall bei der CDU/CSU — Lutz [SPD] : Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe hätten, ob- Jetzt kommen Sie mal wieder zur Sache, wohl Sie doch wissen müßten, daß über 2 Millionen Herr Blüm!) Rentner zwar mit ihrer Rente unter dem Sozialhilfe- regelsatz liegen, aber trotzdem nicht als arme Rent- ner gelten können, weil wir doch überhaupt nicht Das Wort hat der Herr Vizepräsident Frau Renger: wissen, welches sonstige Einkommen Ihnen noch Abgeordnete Glombig. zur Verfügung steht. (Beifall bei der SPD und der FDP) Glombig (SPD) : Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Blüm hat hier wiederholt von Wir bemühen uns seit der ersten Lesung, Ihnen Unterschieden in Rentenkonzeptionen gesprochen. die Aufdeckung der Kumulationen von Soziallei- Ich muß schon sagen: Das ist ein erstaunlicher An- stungen klarzumachen. Nur wenn Sie das wüßten, spruch, den Herr Kollege Blüm an das gestellt hat, Herr Kollege Blüm, könnten Sie, wenn Sie dazu was er als Konzept von sich gegeben hat. Das, was noch in der Lage wären, hier große Reden über ein wir vorgelegt haben, ist in der Tat ein Renten- Konzept halten, das Sie bis jetzt aber noch nicht konzept. haben. (Lachen bei der CDU/CSU) (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein Das, was Sie vorgelegt haben, ist ein Torso. Es ist [CDU/CSU] : Ich hoffe, Herr Gansel hört zum Teil auch unsinnig und widersinnig. Das schlim- jetzt zu!) me ist eigentlich, Ich finde, die Tatsache, daß die Regelsätze in der (Zurufe von der CDU/CSU) Sozialhilfe in den vergangenen Jahren überpropor- — ich werde Ihnen das gleich mal beweisen; ich tional gestiegen sind — das haben wir letzten Endes werde es ja nicht nur behaupten —, daß , Herr Kol- auch gewollt —, ist eben der Ausdruck des Wohl- lege Blüm hier zweimal behauptet hat, sein soge- standes in unserem Volk, aber doch nicht ein Aus- nanntes Konzept wäre gerecht, sozial und solide. druck von Armut. Auch das muß man einmal sagen. Das muß man einmal auf der Zunge zergehen lassen, (Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf um das richtig zu begreifen. von der CDU/CSU: Die Bürger sehen das (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Das ist richtig!) ganz anders!) —Überlegen Sie doch einmal, Herr Kollege Blüm, Meine Damen und Herren, ich komme zur 11-Pro- was Sie hier von sich gegeben haben. Sie haben zent-Grenzziehung bei dem Beitragssatz der Kran- unseren Kollegen von der sozialdemokratischen kenversicherung der Rentner. Wann endlich geht es Fraktion und der freidemokratischen Fraktion den Ihnen ein, Herr Kollege Blüm und Herr Kollege Vorwurf gemacht, sie wären Spezialisten im Ver- Franke, daß wir in der gesetzlichen Krankenversiche- packungschinesisch. Noch nicht einmal dazu hat es rung kein besonderes Risiko und keine besondere bei Ihnen gereicht. Risikoabdeckung z. B. für Sozialrentner wollen? (Beifall bei der SPD und der FDP) Wann endlich begreifen Sie, daß es sich zu 85 % um Leute handeln, die ein Leben lang ihre Beiträge zur Sie konnten das Unzulängliche, von dem Sie glaub- gesetzlichen Krankenversicherung gezahlt haben, ten, es dem Volke anbieten zu können, noch nicht und die nicht höher belastet werden dürfen als an- einmal so formulieren, daß der Anschein eines dere Versicherte der gesetzlichen Krankenversiche- Konzepts aufrechterhalten werden konnte. rung? Sie wollen die höhere Belastung dadurch, daß Ich will Ihnen sagen — ich bedauere es eigentlich; Sie von diesen Rentnern noch zusätzlich einen Kran- es ist schade —, mir ist in letzter Zeit besonders kenversicherungsbeitrag fordern, übrigens nicht nur aufgefallen, daß die Leichtfüßigkeit Ihrer Reden in von der Rente, sondern auch von den Zusatzleistun- einem krassen Widerspruch zu Ihrem hohen An- gen, z. B. von den Betriebsrenten. Ich komme darauf sehen als großer Sozialpolitiker in diesem Lande noch zurück. steht. (Beifall bei der SPD und der FDP) (Beifall bei der SPD) Von einem solchen Konzept, Herr Kollege Blüm, Sie haben z. B. gesagt, 3 Millionen Rentner wür- sagen Sie — man muß das noch einmal hören —, es den mit ihrer Rente nicht den Regelsatz der Sozial- bedeute Ruhe und Verläßlichkeit und keine Hektik. hilfe erreichen. Ich hätte Ihnen da wirklich eine ruhigere Hand in (Franke [CDU/CSU]: Hat er nicht gesagt!) der Beantwortung dieser Frage gegönnt. Sie nehmen — Was hat er denn sonst gesagt? hier eine Sache zu Lasten der Rentner vorweg. Wie sich das auswirkt, werde ich Ihnen gleich noch (Franke [CDU/CSU] : 2,3 Millionen!) darzustellen versuchen. — Also gut, 2,3 Millionen. Entschuldigung, ich nehme das zurück. Ich habe das dann wohl falsch Lassen Sie mich aber erst drei Bemerkungen ma- verstanden. Aber wollen wir uns doch darüber gar chen, denn wir sind ja hier in der Einzelberatung. nicht streiten. (Zuruf von der CDU/CSU: Nun kommt er (Lachen bei der CDU/CSU) zur Sache!) Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1877 Glombig — Ja, zur Sache! Das ist alles zur Sache, wenn Sie es — Das tut überhaupt nicht weh; nein, nein. Seien noch nicht wissen sollten. Die CDU/CSU-Fraktion Sie doch nicht so aufgeregt. Was soll das denn? hat uns wir haben es ja gehört und gesehen — (Zurufe von der CDU/CSU) heute mit einem ganzen Bündel von Anträgen be- glückt. Lassen Sie mich doch dazu drei grundsätz- Wenn es mir weh täte, wäre ich aufgeregt; aber ich liche Bemerkungen machen, also zur gemeinsamen bin es ja gar nicht. Einstimmung. Also die dritte Vorbemerkung: Eine besondere Bedeutung hat natürlich der Antrag der Opposition Erstens. Unter den Anträgen befindet sich einer, zur Beteiligung der Rentner an der Krankenversiche- der sich mit der Verwendung von Mitteln der Ren- rung mit 2,6 % und später 4 % der Renten. Man muß tenversicherungsträger für den Wohnungsbau be- diesen Antrag zusammen mit dem vergeblichen Ver- faßt. Das ist eine kuriose Angelegenheit. Es geht um such des Abgeordneten Franke und auch des Abge- die Drucksache 8/384. Sehen Sie sich das einmal an. ordneten Blüm, den ich ja so hoch schätze, sehen, Es handelt sich um eine Regelung, die im Ausschuß die Nettoanpassung der Renten — koste es, was es nicht nur einstimmig beschlossen, sondern dort von wolle — als feststehende Tatsache darzustellen, der CDU/CSU selber beantragt worden ist — der- weil Sie sich hier zu weit aus dem Fenster gewagt selben CDU/CSU, die sie nun durch ihren Antrag haben und weil das, was nach Ihrer Einschätzung rückgängig machen will. unbedingt hätte kommen müssen, nicht kam. (Zurufe von der CDU/CSU) (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Da steht es ge druckt!) Ich kann mir angesichts dieses Antrages die Verwir- rung vorstellen, die in der CDU/CSU-Fraktion bei Dafür schlagen Sie die Beteiligung der Rentner als der Beratung dieser Gesetzentwürfe geherrscht ha- Alternative vor. ben muß. Das sollten Sie auch nicht damit entschul- (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Was soll das denn digen, daß zu wenig Zeit geblieben sei. Denn wir alles?) haben Ihnen in der letzten Beratungswoche einen zusätzlichen Beratungstag angeboten; aber Sie haben Na, wir werden ja morgen in der Abstimmung bei davon keinen Gebrauch gemacht. der zweiten Beratung sehen, wie Sie dazu stehen. Ich hoffe, daß Sie dann dabei bleiben. (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Sogar einen ganzen Tag!) Ich werde gleich auf den sachlichen Inhalt des Antrags eingehen. Jetzt möchte ich nur folgendes Die zweite Vorwegfeststellung. Auf der Druck- anregen, Herr Kollege Franke. Ihre Voraussetzun- sache 8/387 befindet sich ein Antrag, der mit- we- gen entfallen ja, nachdem meine Kollegen Minister nigen Worten besagt, der Bund solle in dem Zeit- Ehrenberg und Jürgen Egert deutlich erklärt haben, raum vom 1. 7. 1977 bis 1980 sage und schreibe daß die Nettoanpassung bei dieser Abstimmung 3,5 Milliarden DM an die Rentenversicherung er- nicht zur Debatte steht. statten, (Zurufe von der CDU/CSU) (Müller [Berlin] [CDU/CSU] : Na, und?) Ich will Ihnen das heute abend wiederholen, sooft und zwar auch für die Dynamisierung des Kinderzu- Sie es hören wollen. Es wäre konsequent, wenn die schusses, deren Einstellung Herr Kollege Blüm hier CDU/CSU — denn damit begründet sie ja den An- so bedauert hat. Das bedeutet, daß diese Dynamisie- trag auf Einführung des Rentnerkrankenversiche- rung auf Kosten des Bundeshaushalts über die Lei- rungsbeitrags — den Antrag auf Drucksache 8/376 stungen des Bundeskindergeldgesetzes für andere zurückziehen würde. Überlegen Sie sich das mal bis Kinder hinaus durchgeführt werden soll. morgen! Sonst stimmen wir darüber ab. Wir wollen das nämlich jetzt wissen. (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Genau das!) Und nun zum Inhalt des Antrages der CDU/CSU Das ist ein beachtlicher Vorschlag. Wenn man so auf Einführung eines Krankenversicherungsbeitrags auf Kosten anderer die Aufrechterhaltung der Dyna- der Rentner. Die SPD-Bundestagsfraktion lehnt die- misierung begründet und untermauert, wirkt das sen Antrag ab. Ich will das kurz begründen, damit natürlich weiter. es nochmals ganz deutlich wird — unter Umständen auch zum Mitschreiben. Bezüglich der Festschreibung des Kinderzuschus- ses von zur Zeit 152,90 DM — bei denen, die ab (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Es wird ja mitge 1. Januar Kinderzuschuß bekommen, ist dieser Be- schrieben, nämlich von den Stenographen! trag noch höher, nämlich über 160 DM — — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Lang samer, Herr Glombig!) (Franke [CDU/CSU] : Für den Rentenhaus — Vielleicht brauchen Sie das schon zum Wochen- halt!) ende. wird morgen die Kollegin Lepsius in der dritten Le- Die Einführung eines Rentnerkrankenversiche- sung unseren Antrag begründen und dazu einige rungsbeitrags nach dem Muster der CDU/CSU ist zur grundsätzliche Ausführungen machen. Konsolidierung der Rentenversicherung nicht ausrei- chend. Herr Kollege Franke, Sie sollten aufpas- Die dritte Bemerkung: sen; jetzt geht es um Sie! Nach eigener Feststellung (Zuruf von der CDU/CSU: Das tut weh!) des Abgeordneten Franke in der Pressekonferenz 1878 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Glombig vom 16. März 1977 klafft im sogenannten Konzept irgendwo gesehen? Ich habe ihn nicht gelesen. Ich der CDU/CSU-Fraktion bis 1980 eine Finanzierungs- sage: Ihr Vorschlag ist auf Grund der inneren Zer- lücke von sage und schreibe 5,5 Milliarden DM. Hät- rissenheit der CDU/CSU in Ihrer eigenen Fraktion ten wir ein solches Konzept vorgelegt, ich hätte das gescheitert. Übrig geblieben ist, wie gesagt, ein Geschrei in diesem Hause und anderswo nicht erle- nicht lebensfähiger. Torso. ben mögen. (Beifall bei der SPD) Wie wenig die CDU/CSU ihr in der eigenen Frak- tion verstümmeltes Konzept ernst nimmt, kann man Sie haben doch gar keine Veranlassung, aus der daran erkennen, daß sie dem Plenum des Bundes- Meldung vom gestrigen Tage, daß angeblich 1 Mil- tages ebenso wie schon dem Ausschuß für Arbeit liarde DM fehlen, politisches Kapital zu schlagen. und Sozialordnung zum Rentnerkrankenversiche- Dieser Betrag fehlt doch nur deshalb, weil den frei- rungsbeitrag zwei Vorschläge vorlegt — Sie müs- willig Versicherten bisher nicht gesagt worden ist, sen sich das einmal ansehen; das ist einmalig, so wohin sie ihre Beiträge überweisen sollen, weil etwas habe ich überhaupt noch nicht erlebt —, ohne ihnen bisher noch keine Antragsvordrucke geschickt sich für eine Möglichkeit zu entscheiden. Das alles wurden. Bekanntlich haben wir das Markenverfah- nach dem Motto: Hilf uns bitte, die richtige Ent- ren auf das Einzugsverfahren umgestellt. Ohne scheidung zu fällen. Zweifel sind da gewisse verwaltungstechnische Un- zulänglichkeiten im Spiel, und nun wird versucht, (Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Sie beschweren auch mit Hilfe von Rentenversicherungsträgern — sich immer, daß wir keine Alternativen ha das gebe ich zu —, das politisch zu verwerten. Ich ben! Jetzt machen wir zwei Vorschläge, jetzt ist das auch nicht richtig!) finde das unerhört. (Beifall bei der SPD) Das CDU/CSU-Konzept ist politisch unseriös. (Beifall bei der SPD und der FDP) Vizepräsident Frau Renger: Herr Abgeordneter, Es kann nicht ohne Erhöhung des Rentenversiche- gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abge- rungsbeitrages funktionieren. Das sollten wir allen, ordneten Franke? die es wissen müßten, sagen, und Sie, Herr Kollege Franke, sollten es deutlicher sagen, als Sie das im Glombig (SPD) : Bitte. Augenblick tun. Aber gerade das soll durch ein Täuschungsmanöver verschleiert werden. (CDU/CSU) : Herr Kollege Glombig, wenn Franke Die CDU/CSU will die Rentner zur Abdeckung der Sie schon Milliarden miteinander vergleichen: Ist es Kostensteigerungen im Gesundheitswesen heranzie- nicht ein großer Unterschied, ob 5,5 Milliarden DM hen, lehnt aber gleichzeitig ein gesetzliches Kosten- für den Sanierungszeitraum bis 1980 fehlen,- für die dämpfungsprogramm in der Krankenversicherung wir als Ultimo ratio Beitragserhöhungen vorschla- ab, jedenfalls soweit es nicht — ich mache diese gen, oder ob 1 Milliarde für einen Zeitraum von drei Einschränkung — im Leistungsrecht, sondern bei Monaten, wie es bei Ihnen jetzt der Fall ist, fehlen? den Anbietern von Gesundheitsleistungen ansetzt. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Rentner sollen belastet werden, während Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, die pharmazeutische Indu- Glombig (SPD) : Herr Kollege Franke, Sie haben strie und Krankenhausträger zu unverbindlichen wiederum nicht zugehört. Diejenigen, die ihre Bei- Gesprächsrunden, wie gehabt, eingeladen werden träge zur Rentenversicherung zahlen wollen, sind sollen. Wir sehen darin einen unerträglichen Ver- zu 75 % daran bis heute auf Grund der Umstellung stoß gegen das Prinzip der sozialen Ausgewogen- vom Beitragsmarkenverfahren auf das Überwei- heit, von der Herr Blüm hier so großsprecherisch sungsverfahren gehindert worden. Wollen Sie das geredet hat. nicht endlich zur Kenntnis nehmen? Rufen Sie doch (Beifall bei der SPD) einmal bei der Bundesversicherungsanstalt für An- Ich glaube, daran müssen wir Herrn Blüm persönlich gestellte an, damit Ihnen das bestätigt wird. Das ist messen. die Sachlage. Kappung des Renten- (Beifall bei der SPD und der FDP) Die CDU/CSU plant eine niveaus auf Dauer. Hinzu käme die beträchtliche Be- Verwechseln Sie mal nicht Äpfel mit Birnen. Damit lastung der Zusatzrenten wie z. B. der Betriebsren- kann man auch Politik machen. ten. Es ist keineswegs gesagt — auch das sollten (Hasinger [CDU/CSU] : Seien Sie vorsichtig, wir uns merken —, daß davon nur gut situierte damit Sie sich für die Zukunft nichts ver Rentner betroffen würden. Nehmen wir z. B. einen bauen!) Rentner, Herr Kollege Blüm, der eine Gesamtver- sorgung von 1 000 DM monatlich hat — das ist ja — Ach, lassen Sie doch. heute nicht mehr selten —, davon 500 DM aus der Nun aber zu dem Vorschlag der CDU/CSU. Es ist gesetzlichen Rentenversicherung und 500 DM Be- ganz offensichtlich, daß der CDU/CSU-Vorschlag triebsrente. Nach der Alternative 1 — ich muß mich das Bruchstück eines Gesamtkonzepts ist — Herr ja für eine entscheiden, wenn Sie es schon nicht Kollege Franke hat das ja eben selbst bestätigt —, tun — des CDU/CSU-Konzepts hätte dieser Rentner das zusätzlich noch die Anhebung des Rentenver- aus der Rente aus der gesetzlichen Rentenversiche- sicherungsbeitrages vorsah, aber nun nicht mehr rung 20 DM und aus der Betriebsrente rund 60 DM, vorsieht. Wo ist denn der Antrag? Haben Sie den zusammen also 80 DM, als Krankenversicherungs- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1879 Glombig beitrag zu zahlen. Das wäre eine Rentenkürzung von versible Maßnahmen vorzuziehen, und wir ziehen sage und schreibe 8 %. sie vor. Da sind wir sehr konsequent. Wir können (Müller [Berlin] [CDU/CSU]: Das ist ja nicht nicht erwarten, daß Sie mitziehen. wahr!) (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Reden Sie — Jawohl, das ist wahr. Rechnen Sie das mal nach mal von den 30 Milliarden, die Sie über Ihrem Antrag nach. Oder Sie kennen ihn nicht. Ich wälzen!) habe festgestellt, daß viele der Kollegen aus Ihren Sie lehnen ja immer nur ab. In unserer Auffassung, Reihen diesen Antrag überhaupt nicht kennen; er Herr Kollege Müller — Sie verweisen ja gern auf ist ja auch nicht im einzelnen beraten worden. Viel- die Sachverständigen — haben uns nahezu alle Sach- leicht hat man sich dessen geschämt. Nun, einen verständigen in der Anhörung des Ausschusses für solchen Kahlschlag zu Lasten der Rentner kann und Arbeit und Sozialordnung bestärkt. wird die SPD-Fraktion nicht hinnehmen. Der CDU/CSU-Vorschlag sieht vor, daß die soge- (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ nannten Zusatzeinkommen mit Lohnersatzfunktion CSU) mit Krankenversicherungsbeiträgen belastet werden, — Ich meine, Sie sollten sich damit auch beschäfti- wobei zumindest ein Teil der Beiträge von der die gen, denn Sie sind doch im Ausschuß für Jugend, Leistung gewährenden Stelle zu zahlen ist. Aber nun Familie und Gesundheit; das muß Sie interessieren. wird es bunt! Im Klartext heißt das, daß auf die Haushalte des Bundes, der Länder — das kommt Die CDU/CSU nimmt die gegenwärtigen, kon- noch zu den 2,3 Milliarden hinzu — und der Ge- junkturbedingten Finanzierungsschwierigkeiten der meinden Mehrausgaben zukommen, die die CDU/ Rentenversicherung zum Anlaß, und zwar ganz CSU vorsichtshalber nicht einmal annähernd zu be- stiekum, wie der Hamburger sagt, für eine grund- ziffern versucht. Die Lasten der Konsolidierung der sätzliche Weichenstellung zu Lasten der Rentner. Sozialversicherung sollen also durch einen Trick un- (Widerspruch bei der CDU/CSU) bemerkt auf die öffentlichen Haushalte verschoben werden. Das ist das, was man uns immer vorwirft. Das ist nach Auffassung der SPD nicht vertretbar. Dort soll es geschehen. Aber gleichzeitig lehnt die Wir werden den Rentnern jeden Tag einhämmern, Opposition die dringend benötigte Mehrwertsteuer- (Beifall bei der SPD) erhöhung ab. worin die Alternative zu dem Konzept der sozial- (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Das haben liberalen Koalition gerade in diesem Punkte besteht. wir schon einmal gehört!) (Abg. Dr. Blüm [CDU/CSU] meldet sich- zu — Ich muß das noch einmal sagen. Gleichzeitig for- einer Zwischenfrage) dert sie sogar weitere Steuersenkungen. Daran möch- — Herr Blüm, meine Zeit ist beschränkt. te ich erinnern. Auch wenn Ihnen das unangenehm ist, werde ich das wiederholen, weil es wichtig" ist. (Zurufe von der CDU/CSU) (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Dafür be — Wenn ich noch Zeit hinzukriege, bin ich bereit, lasten Sie die Versichertengemeinschaft der das zu machen; aber ich möchte das hier gern vor- Krankenversicherung!) tragen, damit da endlich Klarheit besteht. — Herr Kollege Müller, wie die Mehrbelastung der (Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU) öffentlichen Haushalte durch die Rentnerkranken- Die CDU/CSU nimmt — ich will es noch einmal versicherungsbeiträge finanziert werden soll, ist völ- sagen — die gegenwärtigen, konjunkturbedingten lig unklar. Das ist auch Ihnen unklar, wie ich glaube, Finanzierungsschwierigkeiten der Rentenversiche- aber darauf kommt es Ihnen gar nicht an. rung zum Anlaß für eine grundsätzliche Weichen- Darüber hinaus würde der CDU/CSU-Antrag durch stellung zu Lasten der Rentner. In der nächsten Le- den geplanten Rentnerkrankenversicherungsbeitrag gislaturperiode steht mit der völligen Neuordnung auch aus Zusatzrenten die Institution der betriebli- der Hinterbliebenenversorgung — auch das wieder- chen Altersversorgung aufs äußerste gefährden; das hole ich aus der ersten Lesung, damit Sie sehen, ist doch klar. Das muß diese Institution bei einer sol- daß wir etwas weiter denken, als Sie glauben — die chen Konzeption gefährden. einschneidendste Veränderung in der Geschichte der gesetzlichen Rentenversicherung bevor. Wir sehen Abgesehen von diesen grundsätzlichen Einwen- es so, und Sie sollten es auch so sehen und sollten dungen weist der Antrag der CDU/CSU eine Reihe nicht darüber hinwegreden. Wir werden jeden Tag von Ungereimtheiten auf, die eine Zustimmung un- darauf hinweisen, wenn es notwendig ist. möglich machen. Das betrifft auf der einen Seite die ungleiche Belastung verschiedener Arten von Lei- (Zurufe von der CDU/CSU) stungen der Altersversorgung mit Krankenversiche- — Hören Sie doch mal zu, damit Sie endlich begrei- rungsbeiträgen unterschiedlicher Höhe, auf der an- fen, was unsere Konzeption ist. — Deshalb wäre es deren Seite sind die Probleme der verwaltungstech- verfrüht und unverantwortlich, jetzt einen solchen nischen Durchführung völlig ungeklärt. Auch dieses einschneidenden und dauerhaften Eingriff in das Modell ist nicht durchgespielt, obwohl es wie all Leistungsrecht der Rentenversicherung vorzuneh- diese „schönen" Dinge aus Rheinland-Pfalz kommt. men, wie es etwa die Einführung eines Rentnerkran- Darüber hätte man eigentlich nachdenken müssen. kenversicherungsbeitrages darstellt. Das ist nicht un- Z. B. soll der Rentner vom Krankenversicherungsbei- ser Konzept. Statt dessen sind mittelfristige und re trag befreit bleiben, wenn seine Gesamtversorgung 1880 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Glombig 60 % der Rente eines Durchschnittsverdieners nach Die Verkürzung der zeitlichen Verzögerung der 40 Versicherungsjahren nicht übersteigt. Wenn der Rentensteigerung gegenüber der Lohnentwicklung Rentner Einkommen aus unterschiedlichen Quellen führt gar nicht in allen Fällen zu einer Verringerung bezieht, wird es wegen der fehlenden Verbindung des Rentenniveaus und zu einem geringeren Anstieg zwischen den einzelnen Versorgungseinrichtungen der allgemeinen Bemessungsgrundlage. Es ist auch in vielen Fällen unmöglich sein, festzustellen, ob der entgegengesetzte Fall möglich. Ich habe den der Rentner überhaupt in den Genuß der Freigrenze Eindruck, daß das für Sie interessant ist; denn Sie kommen darf. Das beabsichtigte Quellenabzugsver- machen ein interessiertes Gesicht. Z. B. wird, soweit fahren ist also kaum zu praktizieren, es wird uns das heute voraussehbar ist, bereits in den Jahren aber als praktikabel angeboten. Wegen der Frei- 1979 und 1980 nach der modifizierten Formel der grenze und der Beitragsbemessungsgrenze würde es Anstieg der allgemeinen Bemessungsgrundlage hö- beim Quellenabzug des Rentnerkrankenversiche- her als nach geltendem Recht sein. Was das Renten- rungsbeitrages zu Überzahlungen kommen. Daraus niveau angeht, so ist errechnet worden, daß es sich ergäbe sich dann die Notwendigkeit von Rückerstat- auf Grund der von der Bundesregierung vorgeschla- tungen und Verrechnungen zwischen den einzelnen genen Maßnahmen bei einem über 8,4 % liegenden Versorgungseinrichtungen. Wie diese Verrechnun- Lohnzuwachs gegenüber dem geltenden Rechtszu- gen abgewickelt werden sollen, bleibt ebenfalls völ- stand geringfügig erhöht, bei einem darunter liegen- lig ungeklärt. Glauben Sie nicht, das sei alles un- den Zuwachs etwas absinkt. Ich meine, aus den dar- wichtig oder eine Frage von zweitrangiger Bedeu- gelegten Gründen könnten Sie unserem Antrag auf tung! Wir haben immer wieder gesagt: Über diese Teilaktualisierung zustimmen, weil diese Operation, Frage können wir mit Ihnen sprechen, wenn all insgesamt gesehen, nicht zu Lasten der Rentner diese Dinge geklärt werden und geklärt sind, damit geht. es nicht zu unsozialen Auswirkungen kommt. (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP) (Zurufe von der CDU/CSU)

Die SPD-Bundestagsfraktion lehnt auch den Antrag Vizepräsident Frau Renger: Das Wort hat der Herr der CDU/CSU-Fraktion ab, der darauf abzielt, die Abgeordnete Cronenberg. Vorschrift über die Neudefinition der allgemeinen Bemessungsgrundlage zu streichen. Wir halten es für Cronenberg (FDP) : Frau Präsidentin! Verehrte sinnvoll, die Berechnung der allgemeinen Renten- Kolleginnen! Verehrte Kollegen! Bis heute morgen bemessungsgrundlage etwas näher an die aktuelle war ich der Meinung, daß wir im Ausschuß für Ar- Lohnentwicklung heranzuführen. beit und Sozialordnung lediglich einmal zwei Abge- (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Rentenkürzung!) ordnete gleichen Namens, nämlich des Namens Mül- - ler, haben. Seit der Rede des Kollegen Franke weiß — Herr Kollege Blüm, Herr Minister Ehrenberg hat ich, daß wir auch zweimal den Abgeordneten Franke heute mittag versucht, Ihnen klarzumachen, daß das in diesem Ausschuß vertreten haben. Bremsen eines Zuwachses keine Kürzung von Lei- stungen ist. (Burger [CDU/CSU] : Na, na! — Franke [CDU/CSU] : Ein schönes Bild!) (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Das ist weniger! — Burger [CDU/CSU] : Das ist Rabulistik!) Wir haben einerseits den „Franke(Ausschuß)", ei- nen sachkundigen, kooperativen Kollegen, der mit Sie mögen das, was kommt, nettolohn- oder viel Geschick zu diskutieren weiß. Wir haben an- bruttolohnbezogene Anpassung nennen, ganz wie dererseits den „Franke(Plenum)", der widersprüch- Sie es wollen, jedenfalls ist es eine politische Ent- lich, polemisch und zeitweilig sogar, meine ich, scheidung, ob diese Anpassung 6,1% oder 7,3 % demagogisch agitiert. beträgt. Alles andere ist doch weiße Salbe. (Beifall bei der FDP und der SPD) (Beifall bei der SPD und der FDP — Müller [Remscheid] [CDU/CSU] Ist auch die Kür Ich werde mich hier heute leider mit dem „Franke zung der Renten eine politische Entschei (Plenum) " auseinandersetzen müssen und bedaure dung?) dies. Herr Kollege Blüm, damit können Sie wirklich nie- (Kroll-Schlüter [CDU/CSU] : Aber nur, weil manden hinter dem Ofen hervorlocken. es Ihnen paßt!) (Burger [CDU/CSU] : Das ist doch Ver Wenn es, lieber Herr Kollege Franke, einen Preis schleierung!) für wechselhaftes Verhalten gäbe, bei Gott, Sie hät- ten sich diesen Preis heute hier verdient! Dabei ist für uns nicht der Gesichtspunkt der Einsparung vorrangig. (Beifall bei der FDP und der SPD — Franke [CDU/CSU] : Hat euch das heute morgen so (Hasinger [CDU/CSU] : Das glaubt doch weh getan? — Weitere Zurufe von der kein Mensch!) CDU/CSU) — Hören Sie sich das doch einmal an; es ist gut für Da erklären Sie mit dem Brustton der Überzeugung: Sie, wenn Sie das einmal hören! Wir haben nicht genügend Beratungszeit gehabt. (Beifall bei der SPD und der FDP) (Burger [CDU/CSU] : Das stimmt doch! — Sonst reden wir aneinander vorbei. Weitere Zurufe von der CDU/CSU) Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1881 Cronenberg Wer hat denn, verehrter Herr Kollege Franke, ver- Cronenberg (FDP) : Meines Erachtens ist es zwin- ehrter Herr Kollege Müller, so hartnäckig auf dem gend, damit die Kosten im Gesundheitswesen nicht Rentenanpassungstermin 1. Juli bestanden? Sie oder weiter davonlaufen. Genau aus diesem Grunde ist ich? das Ganze für uns ein Paket. Ihre Anträge beweisen (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU) letztendlich, daß Sie die Dinge in Wirklichkeit eben- falls als ein Paket betrachten. Wer diesen Anpassungstermin als politisches Glau- bensbekenntnis verkauft, hat die Beratungszeit auf Sie werfen uns vor — hier heute morgen wie- den Zeitraum beschränkt, der vor dem 12. Mai liegt. der — wir machten falsche Zahlen und falsche Pro- Genau diesen Beratungszeitraum haben wir ausge- gnosen zur Grundlage unserer Berechnungen. Meine nutzt. Diese Argumentation wird noch um vieles Damen und Herren, was sollen wir denn anders tun, unglaubwürdiger, verehrte Kollegen, wenn man als die Zahlen der mittelfristigen Finanzplanung zur weiß, daß die Beratungszeit, die diesem Ausschuß Grundlage unserer Entscheidungen machen? 1m in der sitzungsfreien Woche zur Verfügung stand, Grunde genommen legen auch Sie justament diese nämlich exakt 3,7 Tage, von Ihnen nicht genutzt Zahlen zugrunde. Und bei dieser Gelegenheit darf worden ist. 2,3 Tage waren für Sie ausreichend, die doch einmal in Erinnerung gerufen werden, daß die Dinge zu besprechen. Meine Frau, kann ich erklären, mittelfristige Finanzplanung z. B. für das Jahr 1976 hat sich ausgesprochen gefreut, daß ich schon am in einem erstaunlich großen und angenehmen Um- Donnerstag nachmittag nach Hause kommen konnte, fang eingetroffen ist. Ich bin ganz sicher, daß wir und dies dank Ihrer sachlichen Beiträge von der eine solche Entwicklung auch für die hochgerech- Opposition. Wenn Sie sich im Ausschuß so verhalten neten 15 Jahre redlicherweise zugrunde legen dür- hätten wie heute morgen hier, dann hätten wir sicher fen. bis Samstag abend tagen müssen. Nun zu der berühmten, hier mehrmals angespro- (Beifall bei der FDP und der SPD) chenen einen Milliarde, die uns angeblich in den er- sten Monaten fehlt: Herr Kollege Franke, wenn Vizepräsident Frau Renger: Herr Abgeordneter, ich mich hier hinstellen würde und auf Grund der gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abge- Eingänge bei der Arbeiterrentenversicherung und ordneten Müller (Berlin)? der Angestelltenrentenversicherung im Dezember 1976 die Dinge hochrechnen würde und dies zur Cronenberg (FDP) : Aber selbstverständlich! Grundlage der Entscheidungen machen würde, bräuchten wir vielleicht sogar einige Einsparungen Müller (Berlin) (CDU/CSU) : Herr Kollege, war es nicht vorzunehmen, denn im Dezember sind, ver- der Wunsch oder der Wille der Koalition und der glichen mit dem Jahresdurchschnitt von 7 %, hei der Regierung, die Anpassung streng an das ganze Paket Arbeiterrentenversicherung 10,5 % Beitragssteige- zu koppeln, oder war es der Wunsch der Opposition? rung und bei der Angestelltenversicherung — Jah- resdurchschnitt 10 % — 18,1 % Mehreinnahmen zu verzeichnen gewesen. Wenn ich diese Mehreinnah- Cronenberg (FDP) : Das war selbstverständlich der men zur Grundlage der Entscheidungen machen Wunsch der Koalition. Das ist auch vernünftig, und würde, würde ich falsch handeln. Ich halte es im das wissen Sie auch. Sie können doch nicht einer- Grunde genommen einfach für nicht seriös, auf seits die Maßnahmen des 20. Rentenanpassungsge- Grund der speziellen Situation des Januar 1977 uns setzes durchführen, aber andererseits die Dinge im hier vorrechnen zu wollen, daß das ganze Konzept Gesundheitswesen laufen lassen. nicht stimmt, (Beifall bei der FDP und der SPD) (Abg. Franke [CDU/CSU] meldet sich zu Es ist doch höchst klar und einsichtig, daß wir nur einer Zwischenfrage) dann, wenn es uns gelingt, einen Teil derjenigen Ausgaben, die verlagert worden sind, durch Kosten- insbesondere, Herr Kollege Franke, vor dem Hinter- dämpfung einzusparen, zu vernünftigen Regelungen grund, daß sich die Beitragseinnahmen bei diesen kommen. Herr Kollege Müller, ich bin sogar über- Institutionen für die Pflichtversicherten genau im zeugt, daß Sie im Grunde genommen genau dieser Rahmen dessen bewegten, was prognostiziert wurde. Meinung sind. Die kooperative Arbeit im Ausschuß, — Und nun zu Ihrer Zwischenfrage. das Bemühen um Kostendämpfung haben es doch bewiesen. Nun nehmen Sie sich nicht diese Feder, die wir Ihnen mit Recht anstecken dürfen, durch Vizepräsident Frau Renger: Eine Zwischenfrage, solche Fragen selbst weg! Herr Franke, bitte.

Vizepräsident Frau Renger: Herr Abgeordneter, Franke (CDU/CSU) : Herr Kollege Cronenberg, ist gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage? Ihnen entgangen, daß ich mich heute bei der Stüt- zung meiner Argumente der Argumente bedient Cronenberg (FDP): Aber selbstverständlich! habe, die auf dem Verbandstag der Rentenversiche- rungsträger u. a. vom stellvertretenden Bundesvor- Müller (Berlin) (CDU/CSU) : Herr Kollege, ist die sitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes und Anpassung des Art. 1 zwingend an alle anderen vom Präsidenten der Bundesversicherungsanstalt Maßnahmen gekoppelt? für Angestellte in Berlin vorgetragen wurden? 1882 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977

Cronenberg (FDP) : Es ist mir durchaus nicht ent- Opposition, gleichzeitig die perfekte Begründung, entgangen, daß Sie sich dieser Nachhilfe bedient warum Ihre Anträge zur Teilaktualisierung abzuleh- haben. Nur beweist mir das wiederum nicht, daß die nen sind. Die Teilaktualisierung, wie von der Re- Äußerungen von Herrn Muhr der Weisheit letzter gierung vorgesehen, ist richtig, und zwar erstens, Schluß in dieser Frage sind. Im übrigen ist Ihre weil der Abstand von vier Jahren zu lang ist; siehe Stellungnahme zu den Genannten, insbesondere zu Beispiel 1972. Herrn Muhr, in anderen Fragen gelegentlich ja (Müller [Berlin] [CDU/CSU] : Das ist doch ebenso kritisch wie die meine in dieser Frage. . nicht der Grund!) (Beifall bei der FDP) Sie ist wünschenswert und hilfreich — daraus Sie werfen uns vor, Herr Kollege Franke, wir hät- mache ich gar kein Hehl — bei der Sanierung. Die ten deswegen das Vertrauen verspielt, weil dieses Sanierung ist natürlich das Ziel. Zugegebenermaßen Kabinett einmal einen anderen Anpassungstermin wäre das Jahr 1974 für die Rentenversicherung be- diskutiert hat. Nun, hierzu einige Feststellungen: Er- sonders ausgabenträchtig, Herr Kollege Müller. Die- freulicherweise stimmen Sie, meine Damen und ses Nebeneffekt nehme ich im Interesse der Soli- Herren von der Opposition, der notwendigen Ver- dität der Rentenversicherung sehr gern in Kauf. schiebung zu einem späteren Zeitpunkt ja zu. Wir (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Das war sind uns also im Prinzip — im Grundsatz, daß ver- der eigentliche Grund!) schoben werden muß — einig. Sie werden sich doch daran erinnern, daß im Hearing die Sozialpartner Sie hat den Vorteil, daß wir eine parallele Entwick- und die Versicherungsträger sich völlig darüber lung der Beitragseinnahmen und der Ausgaben für die Rentner einig waren, daß eine Verschiebung des Anpas- bekommen. Ganz besonderen Wert lege sungstermins der Sanierung der Rentenversicherung ich darauf, daß damit der Anreiz für begehrliche Po- außerordentlich dienlich wäre. Nun frage ich mich litiker — wie dies z. B. die Kollegen Franke, Katzer allen Ernstes und immer wieder: Ist es denn wirk- und Blüm im Jahre 1972 bei der Vorziehung dieses Anpassungstermins praktizierten —, lich so unredlich, wenn ich eine als notwendig und richtig erkannte Maßnahme so schnell wie möglich (Zuruf des Abg. Dr. Blüm [CDU/CSU]) durchführe — diese durchführe auf dem Hinter- ein solches verführerisches Polster zu verfrühstük- grund, daß die Maßnahme, nämlich die Verschie- ken, genommen wird. Aus diesem Grunde und so- bung, ohnehin durchgeführt wird, und auf dem mit in Ihrem eigenen Interesse muß diese Teil- weiteren Hintergrund, daß Sie dieser Koalition aktualisierung durchgeführt werden. stereotyp vorwerfen, zu spät, zu wenig und halb- herzig zu handeln. (Zuruf des Abg. Müller [Berlin] [CDU/CSU]) - Diese ganze Diskussion, Herr Kollege Franke, Nun zum Problem des Krankenversicherungsbei- fände nicht statt, wenn nicht dieses Parlament 1972, trags der Rentner. Auch hier muß ich leider zu der Ihren Wünschen entsprechend, den Anpassungs- Feststellung kommen, daß den Änderungsanträgen termin vorgezogen hätte. Ich habe dies seinerzeit der CDU/CSU nicht zugestimmt werden kann. Sie für falsch gehalten, weil ich es für abenteuerlich erklären von hier aus eindeutig, daß dieser Kran- gehalten habe, auf Grund des damaligen Beitrags- kenversicherungsbeitrag, der ja im Grunde genom- booms und der niedrigen Anpassungen, die sich aus men — machen wir uns nichts vor — eine Renten- der Rezession 1966/68 ergeben haben, kürzung ist, das Äquivalent für die Erhaltung à tout prix der bruttolohnbezogenen Rente ist. Ich glaube, (Franke [CDU/CSU] : Bei einem Renten ich habe Sie so richtig verstanden. — Ihr Nicken niveau von 41,6 °/o!) bestätigt mir das. diese Dinge zur Voraussetzung einer solch schwer- (Franke [CDU/CSU] : Ich habe nicht genickt, wiegenden Entscheidung zu nehmen. aber es ist so!) Sie, Herr Kollege Franke, haben am 20. März 1975 — Es war Herr Kollege Müller, Entschuldigung. von dieser Stelle aus dem damaligen Bundesarbeits- minister Arendt vorgeworfen — und mit Genehmi- Nun wissen Sie, daß ich persönlich der Meinung gung der Frau Präsidentin zitiere ich wörtlich —: bin, daß eine nettoähnliche Anpassung unerläßlich ist. Bitte führen Sie sich noch einmal vor Augen, Wir haben 1972 die richtige Konzeption von daß sich die Relation des Nettoeinkommens eines 1957 fortgesetzt, z. B. das Voranziehen der Rentners zum Einkommen eines aktiv Tätigen — Rentenanpassung um ein halbes Jahr gegen Ihr Basis: 40 Jahre — wie folgt verändert hat. 1970 namentliches Votum .. . betrug das Rentner-Nettoeinkommen 51,7 % des (Franke [CDU/CSU]: Stimmt!) Aktiven-Einkommens, heute beträgt es 63,3 %. Wenn diese Entwicklung ungehemmt weitergeht, Gemeint war damals der Arbeitsminister. bekommen wir die Verhältnisse wie im nichtbeam- Hustekuchen, Herr Kollege Franke! Ihr Konzept teten öffentlichen Dienst, wo die Leute teilweise in war schlicht und ergreifend falsch. Mir wäre es lie- die Rente gehen und dann 100 % oder sogar noch ber gewesen, wir hätten einen Juliusturm von 200 mehr Einkommen haben als zu der Zeit, da sie noch Milliarden DM zur Verfügung, wie ihn zu jener Zeit arbeiteten. Das ist ein Zustand, den ich schlechter- Herr Kollege Katzer vorgerechnet hat. Das wäre mir dings für nicht sozial und für nicht gerechtfertigt dreimal lieber und für uns alle sehr viel besser. Da- halte. mit haben Sie, meine Damen und Herren von der (Beifall bei der FDP und der SPD) Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1883 Cronenberg Ich weiß mich mit dieser Meinung in guter Gesell- kollektivistischen Globalbeiträgen der Rentenver- schaft, nämlich in der Gesellschaft Ihres Kollegen sicherung für die Krankenversicherung. Es ist mir von Bismarck, der in einem Interview mit der „Welt eigentlich unverständlich, daß Sie einer solchen am Sonntag" am 24. April zu dieser Frage folgen- Lösung nicht großen Beifall zollen. des erklärt hat — ich darf mit Ihrer freundlichen (Franke [CDU/CSU] : Die SPD, meinen Sie?) Genehmigung, Frau Präsidentin, zitieren —: — Nein, bei Ihnen; denn Sie müßten doch für sol- Die Rentner müssen an der Wohlstandsentwick- che individuellen Lösungen ganz besonders an- lung teilhaben. Es muß dafür weiterhin feste sprechbar sein, wenn Sie konsequent in Ihrer Hal- Regeln geben. Aber sie dürfen nicht dazu füh- tung sind. ren, daß die realen Einkünfte der Arbeitnehmer durch die realen Einkünfte der Rentner über- (Franke [CDU/CSU] : Setzen Sie sich doch holt werden. erst einmal bei Ihrem Koalitionspartner durch!) Genau dies ist es, was wir meinen, wenn wir von „nettoähnlicher Anpassung" sprechen. Ich bin Noch ein kurzes Wort zu der von Ihnen ge- höchst erfreut darüber, daß sich diese Einsicht in wünschten Indexierung bezüglich dieser Angelegen- Ihren Reihen auch durchzusetzen beginnt. heit. Wir lehnen eine Indexierung in dieser Form ab, diese starre Indexierung, weil jede Indexierung Ich darf noch einmal folgendes in Erinnerung ordnungspolitisch bedenklich ist und im Grunde rufen. Der „Deutsche Rentenversicherungsträger" genommen inflationsfreundlich und -fördernd. Zwei- vergleicht in seiner Ausgabe vom April 1977 die tens lehnen wir eine Indexierung ab, weil die Er- Erhöhungen der Einkommen der aktiv Tätigen mit wartungen für die Krankenversicherung, möglicher- den Steigerungsraten der Rentnereinkommen. 1972 weise doch mehr zu bekommen, verführerisch ma- betrug die Steigerung — alle Zahlen verstehen sich chen könnten. Hierzu gestatten Sie mir zwei Hin- netto .und preisbereinigt — bei den Aktiven 3,9 %, weise, die ich in diesem Zusammenhang für wichtig bei den Rentnern 5,4 %; 1975 betrug die Steigerung halte. der aktiven Einkommen 1 %, die der Renten 4,2 %. 1976 gab es für die Aktiven-Einkommen praktisch Erstens. Die 11,7 %, die überwiesen werden, sind keine Steigerung genau gesagt: einen Rückgang in Wirklichkeit 13 bis 14 %, da ja nur 80 bis 85 % von 0,2 % —; für die Rentnereinkommen gab es der Rentner pflichtversichert sind — ein bekanntes jedoch eine Steigerung von 5,4 %. Argument. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie eine solche Zweitens weise ich auf den Entschließungsantrag Entwicklung langfristig für gut und richtig halten. der Koalition hin, der den Grundsatz, daß dieser Dies ist der Beweis dafür, daß Ihre Vorstellungen,- Beitrag im Grunde genommen durchschnittlich zu wenn sie in dieser Art langfristig fortgesetzt wer- betrachten ist, verdeutlicht. den, soziale Ungerechtigkeiten schaffen. Wichtig für die Rentenversicherung ist in diesem Zweitens lehnen wir diese Dinge ab, weil diese Zusammenhang, daß sie von einer gesicherten Be- Form des Krankenversicherungsbeitrags der Rent- rechnungsbasis ausgehen können. Das ist system- ner einen zukünftigen richtigen Weg verbaut. Die gerecht, vernünftig und richtig. vernünftige zukünftige Lösung wird von uns bei Nun, meine Damen und Herren, möchte ich noch den Privatversicherten aufgezeigt. Diese erhalten einmal kurz auf die Frage der Aufstockung einge- einen Zuschuß für ihre Krankenversicherung bis zu hen. In dieser Frage verstehe ich beim allerbesten 11 % in Höhe ihrer individuellen Rente. Das heißt Willen und bei gutmütigster Einstellung die Haltung im Klartext: Jede Rente wird zusätzlich um einen eines Teiles der Fraktion der CDU/CSU nicht. Wäh- Prozentsatz erhöht, der dem Durchschnitt des Kran- rend ich in anderen Fragen bei Ihren Änderungs- kenversicherungsbeitrags entspricht. Beispiel: 1 000 anträgen meinen hohen Respekt vor dem Fleiß und DM Rente plus 11,5 % ergibt einen Betrag von meinen gelegentlichen Respekt vor dem Bemühen 1 115 DM; hiervon sind 11,5 % Krankenversiche- zum Ausdruck bringen möchte, kann ich diesen An- rungsbeitrag zu erheben. Das ist eine, wie ich trag nun wirklich nur noch mit einem gewissen meine, sinnvolle und in die Zukunft weisende Lö- Kopfschütteln bewerten. sung, wenn wir uns hierauf zu einem späteren Zeit- (Lutz [SPD] : Das ist aber sehr milde aus punkt verständigen können. gedrückt!) (Beifall bei der FDP) — Herr Kollege Lutz, man sollte nicht zur Verschär- Dies, meine Damen und Herren, wird durch Ihre fung der Debatte beitragen. Ich möchte mir da Herrn Vorschläge leider verbaut. Auch aus diesem Grund Franke nicht als Vorbild nehmen. Deswegen diese ist hier und heute zu diesen Ihren Änderungsanträ- etwas milde Formulierung. gen im Interesse der Sache nein zu sagen. (Beifall bei der FDP und der SPD) (Franke [CDU/CSU] : Warum habt ihr Ich bitte also hier um Ihre Nachsicht. euch denn bei eurem Koalitionspartner nicht durchgesetzt!) (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Heilige Selbstgerech tigkeit, bitte für uns!) Solche Lösungen sind halt gerechter und sozialer und machen im übrigen jedem Rentner klar, daß — Danke schön, Herr Kollege Blüm. er seinen individuellen Beitrag zur Krankenver- Wir sind in einer Situation, in der Fehler, von sicherung leistet. Wir kommen dann weg von jenen Ihnen, wie soeben nachgewiesen, mitverursacht, 1884 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1973 Cronenberg korrigiert werden müssen. Wir unterhalten uns über Daß Sie nun obendrein den Gesetzentwurf, den Anpassungstermine. Wir streiten redlich über netto- ich, wie ich soeben ausgeführt habe, nicht für glück- oder bruttobezogene Erhöhungen. Wir führen — das lich halte, noch dadurch ergänzen, daß Sie das Ganze sei in aller Ehrlichkeit bekannt — gewisse Lei- auch noch für beitragslose Zeiten einführen, spricht stungseinschränkungen durch, damit hier keine Bei- für sich. tragserhöhungen erforderlich sind. Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch ausdrück- (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Die kom lich auf die lobenswerten Ausführungen von Herrn men dennoch!) Prof. Heubeck hinweisen, die nachzulesen ich jedem, der sich mit dieser Frage beschäftigt, empfehle. Hier Wir geben auch in aller Offenheit zu, daß die Be- wird noch einmal bewiesen, daß mit sachlichen Bei- im Jahre dingungen, unter denen die Selbständigen trägen auch in diesem Parlament durchaus für Ver- 1972 in die Rentenversicherung eintreten konnten, nunft geworben werden kann. gewisse Privilegien geschaffen haben, von denen wir meinen, daß sie um der Gerechtigkeit willen ab- Alles in allem aber betrachte ich Ihre Einstellung gebaut werden müssen. Genau in dieser Situation als nicht ganz so gefährlich, weil ich natürlich genau kommen Sie her — frisch, fromm, fröhlich, frei; ich weiß, daß Ihre Fraktion in dieser Frage sehr ge- möchte fast sagen: blauäugig oder, besser, schwarz- spalten ist, und weil ich den Eindruck habe, als sollte äugig — und wollen neue Privilegien schaffen. hier vordergründig pseudosoziales Verhalten de- (Beifall bei der FDP und der SPD) monstriert werden. (Müller [Remscheid] [CDU/CSU]: Woher Sie erklären mehr oder weniger schlicht und einfach: wissen sie das?) Jedem soll die Möglichkeit gegeben werden, die gleichen Privilegien zu bekommen, die den Selb- — Das ist meine Unterstellung — zugegebenerma- ständigen im Jahre 1972 angeblich verschafft wor- ßen —, aber, Herr Kollege Müller, Sie wissen sehr den sind genau, daß ich mich damit nicht allzu weit von der Realität entferne. (Abg. Franke [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage) (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Da irren Sie!) — lassen Sie mich den Gedanken eben zu Ende Lassen Sie mich zum Schluß noch zu einem Pro- führen —, und zwar für jene Begüterten, die in der blem kommen, das verschiedentlich angesprochen Lage sind, die Aufstockungsbeiträge zu zahlen. worden ist, für das ich aber leider noch keine per- Nun möge man mir doch bitte gelegentlich klar- fekten Lösungsmöglichkeiten sehe. Ich meine den machen, wie Sie auch dies noch unter dem Motto Beitrag für die von der Rentenversicherung befrei- „Soziale Gerechtigkeit" verkaufen können.- — Nun ten Angestellten, die in Versorgungswerken und in bitte zu Ihrer Zwischenfrage. privaten Lebensversicherungen untergebracht sind. Ich sehe dieses Problem durchaus. Ich weiß auch, daß Franke (CDU/CSU) : Herr Kollege Cronenberg, ist wir hier etwas tun müssen. Nur die vielen tech- Ihnen entgangen, daß die Regierung, die von SPD nischen Probleme halten mich davon ab, dem Ände- und FDP getragen wird, in ihrem Entwurf als einen rungsantrag der Opposition in diesem Punkt zuzu- Punkt die Aufstockung für Pflichtversicherte vor- stimmen. Das ist aber nicht schlimm; denn die Bera- gesehen hatte? tung des 21. Rentenanpassungsgesetzes läßt uns Zeit genug, hier in aller Ruhe eine systemgerechte Lö- sung zu finden. Cronenberg (FDP) : Hochverehrter Herr Kollege Franke, das unterscheidet uns eben. Natürlich ist Alles in allem möchte ich zum Schluß nur noch mir das nicht entgangen. Natürlich aber wissen Sie einmal kurz zum Ausdruck bringen, daß wir den Ge- auch, daß ich mich gerade in dieser Frage ganz be- setzentwürfen der Koalition beruhigt zustimmen und sonders bemüht habe. Der Unterschied zwischen Ihre Änderungsanträge ebenso beruhigt ablehnen Koalition und Opposition ist schlicht und ergrei- können. fend der, daß die Lernfähigkeit der Opposition we- (Beifall bei der FDP und der SPD) niger groß ist als die der Koalition. (Beifall bei der FDP und der SPD — Lachen Vizepräsident Frau Renger: Das Wort hat Herr Ab- bei der CDU/CSU — Müller [Remscheid] geordneter Schedl. [CDU/CSU] : Und da klatschen die noch! So was sind Sozialdemokraten!) Schedl (CDU/CSU) : Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Cronen- Der Kollege Tillmann ist noch da. Darf ich diesen berg hat hier einen doppelten Kollegen Franke be- Teil meiner Ausführungen über die Aufstockung merkt. Dazu möchte ich, Herr Kollege Egert, sagen: schlicht und einfach mit einem guten, alten Sauer- Wir haben uns im Ausschuß manchmal sehr zurück- länder-Sprichwort beenden? Wenn das in dieser haltend auseinandergesetzt, immer einig in der Er- Form durchgeführt würde, würde man, lieber Ferdi wartung und vom Herrn Vorsitzenden auch immer Tillmann, in Sundern sagen: „Das bedeutet, fetten wieder darauf hingewiesen, daß die etwas markan- Gänsen den Oarsch schmieren". Genau das aber tere Auseinandersetzung hier im Plenum stattfinden wollen wir nicht. muß. Genausogut könnte man natürlich sagen: Es (Beifall bei der FDP und der SPD) gibt offensichtlich auch einen doppelten Kollegen Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1885 Schedl Glombig — einen Kollegen Glombig im Ausschuß, ter Verpackung sprach, dann war das in keiner vor dem ich hohe Achtung als hochkarätigen Sach- Weise beleidigend. kenner empfinde, von dem ich weiß, daß ich lange (Zuruf von der CDU/CSU: Vor allem war brauchen werde, um mich mit ihm in den Details es richtig!) der Feinstruktur auch nur in etwa messen zu kön- nen, aber auch einen Kollegen Glombig, der vorhin Ich meine, es war fast ein Kompliment für Ihre ge- hier vom „Kahlschlag der Opposition gegen die schickte taktische Haltung in dieser Frage. Eines Rentner" sprach und erklärte: Das werden wir den bekommen Sie aber nicht vom Tisch, Kollege Glom- Rentnern einhämmern, bis es alle begriffen haben. big: Wenn Sie unter der Marge bleiben, die Ehren- Herr Kollege Glombig, Sie werden es doch hoffent- berg nannte, müssen Sie die Nettoanpassung durch- lich nicht genauso einhämmern, wie Sie es in den führen, und dann strafen Sie alle Rentner so un- Monaten vor dem Oktober eingehämmert haben: sozial, wie es Blüm in allen Details ausgeführt hat. Alte Leute, habt keine Sorge, auf Sozialdemokraten Das ist genau der Punkt, den wir mit unserem Kon- ist Verlaß; da braucht ihr keine Angst zu haben! zept vermeiden können. (Zuruf des Abg. Egert [SPD]) (Beifall bei der CDU/CSU — Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wenn wir schon bei der finanziellen Entwicklung sind, will ich auch ein paar Anmerkungen zu den Herr Kollege Glombig, bei dem „Kahlschlag", den Sie Zahlen machen, um die es bei einer solchen Frage hier festzustellen glauben, weiß ich, daß Sie viel zu gehen muß, um die es auch heute morgen gegangen sachverständig sind, als daß Sie das so ernst meinen, ist. Ich habe die Frage: Haben wir bereits 1,5 Mil- wie Sie es hier vorgetragen haben. Wir sind der liarden weniger in der Kasse, haben wir nur 1 Mil- Überzeugung, daß Fach- und Sachkundige durchaus liarden weniger in der Kasse? Wer ist schuld daran? wissen, daß unser Konzept zur Aktualisierung eines Warum sind die Zuflüsse nicht ganz so, wie sie sein Rentnerkrankenversicherungsbeitrages sehr wohl sollen? Für mich war es sehr interessant, daß der diskutabel, durchführbar, sozialer und gerechter ist Herr Minister hier ausführte, daß die geringeren als das, was Sie tun. Hier sollte wieder einmal ge- Einnahmen nicht zuletzt damit zusammenhängen, sagt werden: CDU/CSU und SPD haben einen sol- daß etwa 400 Millionen DM an Beiträgen aus frei- chen Krankenversicherungsbeitrag schon einmal ge- willigen Leistungen noch im Dezember vorigen meinsam eingeführt; es ist die Aktualisierung einer Jahres verbucht wurden, auch wegen der Umstel- Konzeption, für die wir hier Vorlagen auf den Tisch lung auf eine andere Beitragstechnik. Herr Minister, legen. ich ließ mich heute früh an der Stelle, an der Sie das gesagt haben, überzeugen, weil es mir irgend- (Vorsitz : Vizepräsident Frau Funcke) wie einleuchtend erschien. Nur eines wundert mich jetzt natürlich: Wir haben die Nachmittagspause Eines noch zu den Vorwürfen, wir hätten zwei unter anderem genutzt, um mit den zuständigen Alternativen vorgelegt und die Technik funktioniere Leuten auch in der BfA darüber zu reden. Dort wer- nicht bis ins Detail. Herr Kollege Egert, das mag ja den — ich möchte gar nicht mehr sagen — ganz in einigen Bereichen durchaus richtig sein. Wenn ich andere Zahlen genannt, nämlich 50 bis 70, bis 80 mir aber vorstelle, was Ihre Regierung mit ihrem Millionen für diesen Bereich durch Umstellung des Riesenapparat, der natürlich mehr für Propaganda Einzugs in diesem Jahr. als für Technik arbeitet, in vielen Dingen vorlegt, muß (Hört! Hört! bei der CDU/CSU) ich schon sagen: dann gestehen Sie uns bitte zu, daß wir in den Alternativkonzepten nur die groben Herr Minister, ich glaube, es wäre in unser aller Weichenstellungen vorsehen können. Wir sind be- Interesse gut, wenn Sie diese Frage umgehend klär- reit, mit Ihnen über die Verfeinerung des gesamten ten. Denn es nützt nichts, wenn wir uns gegensei- tig etwas vormachen, wieviel weniger uns fehlen anderen Konzepts zu reden. würde. Morgen müssen wir gemeinsam überlegen, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) wie wir die Löcher zumachen können. Das ist das Entscheidende dabei. Ich komme zu einer weiteren Vorbemerkung, bevor (Beifall bei der CDU/CSU) ich mich bemühen werde, mit wenigen Worten noch einige Anträge zu begründen. Herr Minister Ehren- Deswegen hilft der ganze Schleiertanz mit den berg hat heute morgen ganz heftig die Alternative Milliarden, dieses Hin und Her, meiner Auffassung „unser Konzept oder Nettoanpassung" zurückge- nach überhaupt nichts. Muhr sprach gestern von wiesen. Ich habe das Protokoll seiner Rede nachge- der fehlenden 1 Milliarde DM. Wenn Sie nachfra- gen, werden Sie feststellen: er hat rechnerisch von lesen. Er hat in der Schlußformel noch einmal dar- 1,3 Milliarden auf 1 Milliarde DM reduziert, weil Bruttoformel getan, daß die Abweichung von der er Ihnen 0,3 Milliarden, sprich: 300 Millionen DM, und der Übergang auf die Nettoanpassung dann not- für buchtechnische Dinge zugute gehalten hat, die wendig ist, wenn der Anstieg der Löhne und Ge- mit dem Jahressprung usw. zusammenhängen. hälter im Schnitt weniger als 7 % beträgt. Bei 8 % sei dieser Schritt nicht mehr notwendig. Eine letzte Anmerkung. All diese Zahlen — das müssen wir alle wissen und immer wieder sagen: Meine verehrten Damen und Herren, wir haben Sie haben recht, niemand hat andere Zahlen — ba- schon begriffen, was damit gemacht werden soll. sieren z. B. auf einer durchschnittlichen Arbeits- Wenn Kollege Blüm heute nachmittag von geschick- losenzahl von 850 000. Nur, Herr Minister Ehren- 1886 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Schedl berg, wer heute immer noch nicht ehrlich genug ist nämlich, ob wir dann im Zuge der Zeit überhaupt ist, hier in diesem Hause, das dafür mitverantwort- noch dazu kommen. lich ist, zu sagen, daß es leider kaum mehr eine Chance gibt, nur in etwa auf diese Zahl zu kommen, Ich darf für meine Fraktion auch ein paar kurze der würde sich genauso täuschen wie der damalige Anmerkungen zur Frage der Rehabilitation und wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dr. ihrer neuen Zuordnung zur Bundesanstalt für Arbeit , MdB, der am 27. März 1976 machen. Wir sollten in dieser Frage vor allen Din- erklärte: „Im Sommer 1977 wird nicht mehr ernst- gen auch berücksichtigen, daß die im Hearing 'ge- haft von dem Problem der Arbeitslosigkeit gespro- hörten Sachverständigen — mit Ausnahme der be- chen werden." amteten Vertreter der Bundesanstalt; dies ist, glaube ich, irgendwie verständlich — erklärt haben, daß (Hört! Hört! bei der CDU/CSU) sie eine Regelung wie die hier vorgesehene nicht Meine verehrten Damen und Herren, das alles sind für angemessen, insbesondere nicht für sachgerecht keine bitteren, beleidigenden persönlichen Vor- und im Sinne derer, die der Rehabilitation bedür- würfe, sondern das sind Feststellungen für uns alle, fen, für die Zukunft für ungünstig hielten. gerichtet an uns alle, in erster Linie an Sie als die Wir haben darüber hinaus mit Interesse zur verantwortliche Regierung, damit Sie mehr tun als Kenntnis genommen, daß der Verwaltungsrat der das, was Sie auf den Tisch gelegt haben, um uns Bundesanstalt für Arbeit in den letzten Tagen nach wirklich durchläufig stimmige und vernünftige Zah- nochmaliger eingehender Behandlung zu der Auf- len in Zukunft vorlegen zu können. fassung gekommen ist — aus welchem Grund auch Herr Kollege Glombig, Sie haben zu dem Antrag immer, Herr Kollege Egert —, jetzt und in dem betreffend Mittel für den Wohnungsbau auf Druck- Paket sollte diese Umorientierung nicht durchgeführt sache 8/384 erklärt, daß die CDU/CSU hier ihre werden. Haltung geändert habe. Ich möchte Ihnen dazu — Meine verehrten Damen und Herren, wenn wir wir haben überhaupt keinen Anlaß, daraus einen dies alles sehen, müssen wir doch einfach sagen: Hehl zu machen — ganz offen sagen, daß wir uns Wenn Ihr von der Koalition es unter allen Umstän- diese Frage eingehend überlegt haben. Wir sind schließlich zu dieser grundsätzlichen Haltung und den dort haben wollt, dann doch nur deswegen, weil diesem Antrag gekommen, weil wir von folgender Ihr von den Versicherungsträgern meint, einige Ne- Überlegung ausgehen: Wenn entgegen dem Aus- gativposten wegbringen zu können, dort hinzube- schußbeschluß die Streichung unterbleibt, wird kommen und übermorgen über die Arbeitslosenver- der alte § 1306 der Reichsversicherungsordnung wie- sicherung, über einen anderen Weg, höher finan- derhergestellt. Das heißt, die Geschäftsleitung des zieren lassen zu können. Es ist doch keine Frage der Versicherungsträgers ist in Zukunft jederzeit in der besseren Sachorientierung. Das macht uns doch kein Lage, Mittel für den Wohnungsbau auszugeben. Ob Mensch vor. Deswegen werden wir unseren wieder- dies in die jeweilige Kapitalmarktsituation paßt oder holt gestellten Antrag hier auch weiterhin aufrecht- nicht, ist eine zweite Frage. Ob es von der Liqui- erhalten, nämlich die Zuständigkeit für die Rehabili- dität her möglich ist, wird immer nur die Geschäfts- tation dort zu belassen, wo sie bisher war. leitung zu entscheiden haben. Deswegen lautet un- Ein ganz wesentlicher Punkt im Verfahren, auch sere Frage: Warum sollen wir eigentlich gehalten mit dem Blick auf die mittelfristige Entwicklung, sein, das aus diesem Gesetz ein für allemal her- scheint uns die Abschmelzung der Drei - Monats- auszuradieren? Lassen Sie es doch stehen! Sie wer- Rücklage zu sein. Ich könnte den heute wiederholt den doch mindestens genausoviel Vertrauen zur zitierten Gerd Muhr noch einmal sehr eingehend Geschäftsleitung der Rentenversicherer haben wie zitieren, vor allen Dingen seine gestrigen Einlas- wir. Ich meine, wenn diese in der Vergangenheit sungen in Hamburg — Herr Bundesminister, Sie die Wechselbäder so mitgemacht hätten, wie sie kennen sie sicher im Wortlaut —, wo er davon von der Regierung in Bonn Signale bekommen spricht: „Politiker müssen wissen, daß sie mit die- haben, sähe es heute wahrscheinlich noch viel sem Schritt eine Entscheidung treffen, bei der sie schlechter aus, als es bei den vorhandenen Schwie- rigkeiten im Moment schon aussieht. vielleicht schon in kurzer Zeit in große Schwierig- keiten kommen." So etwa lautet das wörtlich. Sie Ich freue mich, daß der Kollege Cronenberg in kennen es. Man kann es nachlesen. Ich will ihm hier der Frage der Gruppen, die im Rahmen der befrei- im freien Zitat nicht irgend etwas in den Mund enden Versicherung durch die Maschen dieser Ge- legen. Es war deutlich genug, und es war schön setzgebung fallen, zumindest angedeutet hat, daß genug, daß Gerd Muhr gesagt hat, was er zu dieser die FDP hier einen Punkt sieht, an dem angesetzt Frage meint. werden sollte. Herr Kollege Cronenberg, wir fürch- (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Sehr richtig!) ten nur: Wir haben alle so viel Papier und so viel zu reden, daß leicht etwas in Vergessenheit ge- Was heißt eigentlich „Rücklage" von ihrem Sinn rät. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle sagen, was her? Rücklage kann doch nur bedeuten, daß ein Puf- Sie uns gesagt haben: Denken Sie bis morgen noch fer da ist, der in schwierigen Margen des Geschäfts- einmal darüber nach. Wenn Sie diesem Änderungs- jahres, bei großen konjunkturellen Schwankungen antrag zustimmen könnten, hätten wir dieses Pro- Ausfälle abpuffert, was andernfalls nur ganz schwie- blem sofort erledigt. Es wäre fachgerecht, es wäre rig erreichbar ist. Deshalb beinhaltet „Rücklage", eine gerechte Sache, und wir brauchten nicht noch daß sie natürlich phasenweise angegriffen werden einmal Monate darüber nachzudenken. Die Frage muß, Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1887

Schedl Da gibt es aber einen kleinen Haken, über den Das waren doch die, die glücklich waren, daß . sie Sie wenig reden. Der Haken wird aus folgender einige Punkte unter den Kapitalmarktmargen liegen Formulierung deutlich: Wenn die vorgeschriebene konnten. Das waren zum großen Teil die kleinen Monatsrücklage über gewisse Zeiträume unterschrit- Leute draußen auf dem flachen Lande, ten wird, dann ist die Bundesregierung verpflichtet, (Sehr richtig! bei der CDU/CSU) darüber nachzudenken und Vorschläge zu unterbrei- ten, wie es in der Zukunft mit der Liquidität weiter- die ihre kleinen Häuschen gebaut haben. Die haben gehen soll. Das könnten natürlich auch Vorschläge dort den größten Teil des Kapitals aufnehmen kön- zur Beitragserhöhung sein. Das wollten Sie auf kei- nen. Das ist der entscheidende Punkt, warum wir nen Fall. Deswegen haben Sie als Notbremse für uns so sehr an diese Frage gehängt haben und immer — wenn der Aufschwung weiterhin so „galop- warum wir so sehr daran hängen. piert", wie er nach Ihren Ausführungen im Moment Meine verehrten Damen und Herren, ich konnte „galoppiert", wird das notwendig sein, haben Sie hier nicht jede Antragsnummer vortragen, jeden An- gedacht — den Zeitraum, den die Rücklage ab- trag detailliert begründen. Ich meine, das wäre auch decken muß, von drei Monaten auf einen Monat her- nicht die Sache, die man im Plenum zu betreiben untergeschraubt; denn anders, meine verehrten Kol- hat. Ich habe versucht, Ihnen klarzumachen, daß wir legen, kann ich mir die Antwort eines Regierungs- in dieser Frage — beginnend bei der ersten Hälfte vertreters auf eine Frage — ich meine sogar von der Anträge durch unseren Kollegen und Freund mir — im Ausschuß überhaupt nicht erklären. Lesen Norbert Blüm bis zur zweiten Hälfte der Anträge, Sie im Ausschußprotokoll nach. Dieser Vertreter der den Änderungen zum Rentenanpassungsgesetz — Bundesregierung sagte mir dort, so eine große Sorge alles tun wollen, um in dieser ganz schwierigen müsse man gar nicht haben; denn nach den Berech- Situation, die niemals „Problemchencharakter" hatte, nungen würde man höchstenfalls bis auf 2,1 Monate die ein Problem weit über 1980 hinaus sein wird, abschmelzen müssen. wenn ich an die Verfassungsgerichtsaufträge denke, An dieser Stelle noch einmal die Frage: Warum (Sehr gut! bei der CDU/CSU) gehen Sie, wenn dies stimmt, nicht den Weg des einen echten und ehrlichen Beitrag zu leisten. Dann Sozialbeirats, warum gehen Sie nicht den Weg der sagen Sie bitte nicht „Flickwerk". Bitte sagen Sie Bundesbank, warum gehen Sie dann nicht den Weg dann nicht, wir hätten hier Stimmung gemacht, wir aller Sachverständigen, die Ihnen gesagt haben: Die hätten hier schlechte technische Vorschläge ge- unterste Grenze sind zwei Monate? Warum gehen macht. Nehmen Sie uns doch ab, daß wir dieses Sie denn auf einen Monat herunter? Problem lösen wollen, daß wir es so lösen wollen, (Beifall bei der CDU/CSU) wie es Wolfgang Mischnick, der Vorsitzende der Glauben Sie denn schon selber nicht mehr, daß es FDP-Fraktion, im Pressedienst angekündigt hat, morgen — hoffentlich, in unser aller Interesse — aber offensichtlich heute nicht mehr ganz will. Er wieder besser werden könnte und wieder besser hat am 9. Februar in seinem Fraktionspressedienst werden müßte. Wir wissen, daß wir sonst morgen erklärt: oder übermorgen weder nach der einen noch nach Wer heute nur an die nächsten zwei, drei Jahre der anderen Lösung Deckungsmöglichkeiten haben denkt, handelt unverantwortlich gegenüber den werden. jetzigen Beitragszahlern, Wir haben dazu einen konkreten Antrag auf (Demonstrativer Beifall bei der CDU/CSU) den Tisch gelegt. Wir sind bereit, auf zwei Monate die mit ihrer Beitragsleistung selbstverständ- herunterzugehen. Wir wollen sogar einen Zusatz lich als berechtigte Erwartung verbinden, als einbauen, um damit auch den Charakter einer Rück- Rentner genauso gut versorgt zu werden, wie lage als der Finanzierungschance für schwierige Zei- es für die heutige Rentnergeneration der Fall ten deutlich kenntlich zu machen: Wir wollen neben ist. Deshalb ist eine langfristige Rentensiche- der Möglichkeit des Absenkens auf zwei Monate rung notwendig. auch den Auftrag für eine baldmögliche Aufstockung einbauen. Das, genau das, meinen wir: Für diejenigen, die ein Leben lang gearbeitet haben, die Erhaltung der Jetzt komme ich zurück auf die Kritik Glombigs, sicheren Rente, und für diejenigen, die sie heute zu den Wohnungsbaudarlehen der Rentenversiche- für morgen finanzieren wollen, den Glauben daran, rung. Dort wären dann auch wieder einmal — viel- daß es gut ist, dies zu tun! leicht erst in zwei bis drei Jahren; wir hoffen, daß wir Beiträge dazu leisten können, daß diese Ent- (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — wicklungen schneller positiv verlaufen — die Mar- Dr. Blüm [CDU/CSU] : Der Beifall gilt dem gen, die in den Hypothekenbereich hinausgehen Kollegen Schedl! — Heiterkeit) könnten. Denken Sie zurück an die Frage des Doch- nicht-Streichens unseres Änderungsantrages von Vizepräsident Frau Funcke: Das Wort hat der Ab- vorhin. geordnete Urbanik. Dann muß ich noch ein Wort an die Sozialdemo- kraten sagen. Schauen Sie sich doch den Personen- Urbaniak (SPD): Frau Präsident! Meine Damen kreis an! Wer waren denn die Hypothekennehmer und Herren! Das war auch bitter notwendig, Kol- mit allerhöchsten Prozentsätzen von den Rentenver- lege Blüm, denn es war sehr mäßig sicherungsträgern? Sie wissen es doch ganz genau! (Zuruf von der CDU/CSU: Schulmeister!) 1888 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977

Urbaniak und kein guter Start für Sie in Hannover. Ich stelle berechtigung der Beamtenpensionäre eingeschränkt. das einmal für mich hier fest. Wir haben die durch nichts gerechtfertigte bessere Bewertung der Freiwilligenbeiträge gegenüber den Kollege Schedl, ich darf Ihnen hier sagen, daß Pflichtbeiträgen durch Streichung der zweijährigen sich Ihre Rede, was die sachlichen Passagen angeht, Nachentrichtungsfrist beseitigt. Wir betrachten es wohltuend von denen des Kollegen Franke unter- auch als eine Verbesserung, daß die Zeiten der scheidet. Ich glaube, Sie haben auch im Ausschuß Schul- und Hochschulausbildung künftig nur noch zu einem sachlichen Klima beigetragen. Das kann höchstens mit dem Durchschnittseinkommen aller ja auch einmal bei einem CSU-Abgeordneten pas- Versicherten bewertet werden. Nach Auffassung der sieren. SPD-Fraktion ist die bis heute gültige Bewertung (Heiterkeit — Schedl [CDU/CSU]: Wir sind in höchstem Maße ungerecht und auch verfassungs- alle so!) rechtlich bedenklich, denn sie führt im Ergebnis da- Bei einigen Punkten, das möchte ich Ihnen aber zu, daß Lehrlinge Pflichtbeiträge zur Rentenver sagen, muß man der Opposition vorhalten, daß sie, icherung entrichten müssen und dennoch während wenn man sich die Anträge näher ansieht, eigent- der Zeit ihrer Berufsausbildung geringere Renten- lich nicht weiß, was sie will, oder das Verpak- ansprüche erwerben, als beispielsweise Akademi- kungsmaterial von Norbert Blüm einfach nicht aus- ker, die während ihrer Ausbildung keinen Pfennig reicht; es ist ja heute schiefgegangen. Beitrag an die Rentenversicherung entrichten. Die SPD-Fraktion anerkennt in dieser Frage ausdrück- (Lachen bei der CDU/CSU) lich, daß die Unionsfraktion dieser Veränderung Der Krankenversicherungsbeitrag der Rentner — — das will ich zugeben — bezüglich der Bewertung Ihre 2,6- und 4%-Aktion — bringt auf Dauer gese- von Ausbildungszeiten im Ausschuß zugestimmt hen eine erhebliche Einschränkung der Nettoverfüg- hat. Im übrigen ist uns bewußt, daß die Schaffung barkeit der Rentner, die Sie höchstwahrscheinlich von mehr Beitragsgerechtigkeit und der Entzug von überhaupt nicht bedacht haben. Zweitens, Kollege Privilegien bei den Betroffenen als Benachteiligung Schedl: Die Arbeit der Bundesregierung, die Sie empfunden werden kann. Dennoch vertrauen wir mit Propaganda abgetan haben, hat doch ein Kon- letztlich darauf, daß man einsieht, daß diese Maßnah- zept zur Konsolidierung erarbeitet, das — genauso men im Rahmen der Konsolidierung notwendig sind. wie die gründliche und schnelle Arbeit des Aus- Zum Themenkomplex Beitragsgerechtigkeit ge- schusses für Arbeit und Sozialordnung — nicht hört auch die Möglichkeit der freiwilligen Aufstok- nur die Anerkennung herausfordert, sondern kung von Pflichtbeiträgen. Wie Sie wissen — die Respekt von uns allen. Hier hat Ehrenberg mit sei- Herren Kollegen Franke und Blüm haben es ja nen Mannen wirklich schnell etwas sehr Gutes zu- einige Male erwähnt —, haben wir das, was die -s stande gebracht. Das sollte man trotz unterschied- Bundesregierung beabsichtigte, dann nach einer, licher parteipolitischer Positionen nicht gering ein- wie ich meine, gründlichen Beratung gestrichen. Das schätzen, meine Damen und Herren. bedeutet aber für die SPD-Fraktion keinen Verzicht Ein Weiteres, Herr Kollege Schedl. Die absolu- auf die Aufstockung. Die Entscheidung soll ledig- lich bis zum 21. Anpassungsgesetz vertagt werden. ten Arbeitslosenzahlen sind draußen im Lande Gott sei Dank rückläufig und sie werden weiter rück- Bis dahin muß nochmals geprüft werden, ob lang- läufig bleiben. Darüber sind wir alle sehr froh. Die fristig mit der Aufstockung Gefahren für die finan- Aktivitäten der Bundesregierung sind ja auch dar- ziellen Grundlagen der Rentenversicherung ver- auf ausgerichtet, die Zahl der Arbeitslosen so bunden sind. Damit schauen wir schon auf die Be- schnell wie möglich zu senken. ratungszeit in der nächsten Legislaturperiode, wo es dann um die Fragen geht, die sich aus dem Ver- Die Koalitionsfraktionen haben in allen Fragen fassungsurteil bezüglich der gleich hohen Versor- zur Konsolidierung der Rentenfinanzen wichtige gung von Witwen und Witwern in der Rentenver- Punkte der Regierungsvorlage unverändert gelas- sicherung ergeben. Wir haben hier also bereits ein sen. Wir haben uns in der Ausschußarbeit mit Element berücksichtigt, das uns eine sehr sachliche Schwergewicht darum bemüht, vor allen Dingen und gründliche Prüfung sowohl der Einnahmen wie dem Gedanken der Beitragsgerechtigkeit verstärkt der Ausgaben im Bereich der Aufstockung bringt. Geltung zu verschaffen. In diesem Punkt haben wir den Regierungsentwurf um neue Akzente berei- Für die SPD-Fraktion besteht damit ein sachlicher chert. Die SPD-Fraktion sieht in diesen Änderun- und politischer Zusammenhang zwischen der Auf- gen echte sozialpolitische Verbesserungen. Wir stockung und der freiwilligen Versicherung. Wir haben dazu beigetragen, daß die Renten durch die- sind der Auffassung, daß gerechterweise den Pflicht- ses Gesetz nicht nur sicherer, sondern auch sozial versicherten die Aufstockung nicht verweigert wer- gerechter gestaltet werden. Das ist sehr wichtig. den kann, solange die freiwillig Versicherten völlig nach Belieben über die Höhe ihrer Beiträge ent- Ich habe mich mit ihren Anträgen auf den Druck- scheiden können und selbst dann Ansprüche auf sachen 8/374, 8/375 und 8/379 auseinanderzusetzen, dynamische Renten und beitragsunabhängige Lei- die Änderungen auf diesem Felde herbeiführen stungen erwerben können, wenn sie weder kontinu- sollen. Wir haben die ungerechtfertigte Doppelver- ierliche noch einkommensgerechte Beiträge abfüh- sorgung für Beamte bei den Leistungen der medizi- ren. Auf der anderen Seite, meine Damen und Her- nischen Rehabilitation und bei der Anerkennung ren, sind genau dieselben längerfristigen Gefahren von Ersatz- und Ausfallzeiten abgebaut. Wir haben für die finanziellen Grundlagen der Rentenversiche- die sozialpolitisch nicht vertretbare Versicherungs- rung, die möglicherweise gegen die Aufstockung Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1889 Urbaniak sprechen, auch mit der freiwilligen Versicherung Zum Problem der sogenannten Nettoanpassung verbunden. Die SPD-Fraktion könnte sich jedenfalls erklärt die SPD-Fraktion zum wiederholten Male, nicht damit abfinden, daß die Aufstockung mit dem daß sie nicht daran denkt, eine Weichenstellung Hinweis auf Finanzierungsprobleme unterbleibt, für ein Abgehen von der bruttolohnbezogenen Rente ohne daß diese Bedenken gleichzeitig auch Konse- vorzunehmen. Vielmehr faßt sie nur eine vorüber- quenzen für die freiwillige Versicherung haben. gehende Maßnahme für zwei Jahre für den Even- (Zuruf von der SPD: Sehr wichtig!) tualfall vorsorglich ins Auge. Hier handelt es sich keineswegs um eine bereits beschlossene Sache. Deswegen hält die SPD-Fraktion an ihrer Absicht Ich sage das immer wieder und mache darauf auf- fest, künftig die Leistungen aus freiwilligen Bei- merksam. trägen, insbesondere die Rentendynamik, an stren- gere Voraussetzungen hinsichtlich der Kontinuität Was die Frage der Rücklage angeht, läßt sich fest- und der Einkommensgerechtigkeit zu binden. Diese stellen, Kollege Schedl, daß wir in der Praxis der Absicht hat sich auch in dem vorliegenden Ent- Rücklagenpolitik, als es notwendig wurde, die Li- schließungsantrag des Ausschusses niederge schla- quidität der Rücklage unter Beweis zu stellen, un- gen. Ich halte sehr viel von diesem Entschließungs- sere Erfahrungen gemacht haben. Rücklage bedeutet, antrag, und zwar im Gegensatz zu dem, was Sie, daß sie im Falle von finanziellen Schwierigkeiten Herr Kollege Franke, gesagt haben: das wäre ja eingesetzt werden muß; denn dafür legen wir sie ja nur ein Papier. Wer Entschließungen des Ausschus- an. Wir haben unsere Erfahrungen gemacht, wie ses und dieses Hauses so behandelt, weiß nicht, schwierig das auf diesem Felde war. Wir schmelzen wovon er redet. das im Rahmen unserer Rentenpolitik auf eine Mo- natsgröße ab, gehen aber davon aus, daß wir selbst- (Beifall bei der SPD und der FDP) verständlich auch mit diesen Überlegungen vor Ein weiterer Antrag der CDU/CSU-Fraktion be- allen Dingen für die bruttolohnbezogene Anpassung schäftigt sich wohl mit § 113 AVG. Es ist der An- der Renten streiten, gehen aber auch von einem trag auf Drucksache 8/390. Er umfaßt' nur wenige funktionierenden Generationenvertrag aus, der uns Zeilen,- aber eine sehr umfassende, auf vier DIN-A4 so viel Einnahmen aus der beitragzahlenden Gene- Seiten dargelegte Begründung. Wir haben den Ver- ration, den Aktiven, wie wir so schön sagen, für dacht, daß hier einfach von einer Verbandsstellung- die Rentner gewährleistet. Wir haben bei der lang- nahme abgeschrieben worden ist. Wir müssen er- fristigen Vorausberechnung der 15 Jahre dennoch kennen, daß Sie bei Ihren Anträgen keine große eine Deckungsgröße, die bei 1,9 Monaten liegt. Das Sorgfalt auf die logische Folge einer gesetzlichen ist eine gute Ausgangslage. Konsequenz verwendet haben. Das ist für die -Oppo- sition eine schlimme Sache. Ich stelle das hier nur Ich darf mich noch ganz kurz mit der Rehabilita- fest. tion beschäftigen, die auch der Kollege Schedl hier Der Änderungsantrag auf Drucksache 8/380, wo- angeführt hat. Die Zuordnung der beruflichen Reha- bilitation zur Arbeitsverwaltung nach auch im Falle einer Befreiung von der Ver- ist einer der meist umstrittenen Punkte des Programms zur Verbesse- sicherungspflicht der Beitragsanteil des Arbeitge- bers, der ohne Vorliegen der Befreiung zu tragen rung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Renten- wäre, an die öffentlich-rechtliche Versicherungs- und versicherung. Wir wissen das. Das ist eigentlich Versorgungseinrichtung abzuführen wäre, ist ab- höchst verwunderlich, wenn man sich näher mit der zulehnen. Der Kollege Cronenberg hat da eine Materie beschäftigt; denn der hierzu von interessier- etwas andere Auffassung. Wir haben das sehr ter Seite entfachte Streit steht in keinem rechten gründlich geprüft, Kollege Cronenberg — aus die- Verhältnis zu den finanziellen Dimensionen, um die sem Grunde sage ich es hier in dieser Weise —: Die es bei der Aufgabenverlagerung von der Renten- öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versor- versicherung zur Arbeitsverwaltung geht. Die Ur- gungswerke unterstehen nicht der Kompetenz des sachen für den Widerstreit der Meinungen liegen Bundes, sondern derjenigen der Länder. Es ist deshalb also tiefer, jenseits der Finanzierungsfragen, um die schon problematisch, ob eine solche Regelung, wie sie es hier eigentlich geht. Sie liegen in dem ganz na- der Änderungsantrag der Opposition verfolgt, hier türlichen Widerstand eines Verwaltungszweigs, zu vorgenommen werden kann. Darüber hinaus ist das gunsten eines anderen Verwaltungszweigs auf Zu- Angestelltenversicherungsgesetz wohl nicht der rich- ständigkeiten und Einfluß zu verzichten. Das, meine tige Ort, um eine solche Regelung zu realisieren. sehr verehrten Damen und Herren, ist die ganz ein- Sozialpolitisch kommt schließlich hinzu, daß kaum fache Erklärung. ein Fall denkbar ist, der von der beabsichtigten Für mich — das möchte ich hier ausdrücklich klar- Neuregelung betroffen sein könnte. Die öffentlich- stellen und betonen — ist die Verbesserung für den rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrich- Behinderten der allein entscheidende Gesichtspunkt tungen stehen den Freiberuflern wie die freiwillige der beabsichtigten Zuständigkeitsänderung. Darum Versicherung der Rentenversicherung seit 1972 zur stimmen wir zu. Sie sollten uns glauben, daß wir als Verfügung, so daß ein abhängig Beschäftigter nur Sozialdemokraten einer Rechtsverschlechterung oder ausnahmsweise Mitglied bei ihnen sein kann. Des- auch nur einer Situationsverschlechterung der Behin- halb dürfte es einen Seltenheitswert haben, daß ein derten nicht zustimmen würden. Ich gehe hinsicht- Arbeitsloser, der noch dazu Leistungsempfänger lich der Neuregelung davon aus, daß wir die mit der Bundesanstalt ist, gleichzeitig Mitglied eines dem Rehabilitationsangleichungsgesetz eingeleite- Versorgungswerkes sein kann. Für die Regelung te Entwicklung konsequent fortführen, nämlich das besteht absolut kein Bedürfnis. gegliederte System der deutschen Rehabilitation 1890 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Urbaniak dem Behinderten zugänglicher zu machen, ihn in dem mal das unverantwortliche Wort von der Renten- Gestrüpp der Behörden und Zuständigkeiten nicht kürzung gebraucht haben. allein zu lassen. Deshalb, meine Damen und Her- (Zustimmung bei der SPD) ren, müßte jeder, der es mit diesen Zielvorstellun- gen ernst meint, der es vor allen Dingen mit der Wir alle wissen, daß der Gesetzgeber keine Renten Rehabilitation, mit dem Rehabilitationsangleichungs- kürzung verursacht, und es hilft auch den Menschen gesetz ernst meint, der Neuregelung zustimmen. draußen überhaupt nicht, wenn darauf hingewiesen Das sind unsere Absichten. Die von Ihnen hier vor- wird, daß möglicherweise in der Relation Renten- gelegten und begründeten Anträge zu diesem Kom- kürzungen eintreten könnten; ob das der Fall ist, plex können unsere Zustimmung nicht erfahren. weiß ja niemand. Es mag intellektuell verbrämt noch eine Rechtfertigung sein, wenn man sich so vertei- (Beifall bei der SPD und der FDP) digt, aber ich würde das nicht mehr als intellektuelle Klimmzüge bezeichnen; ich halte dies schlicht für Vizepräsident Frau Funcke: Das Wort hat der Ab- eine unverantwortliche Demagogie. geordnete Hölscher. (Zustimmung bei der FDP und der SPD) Denn die Rentner draußen rechnen mit absoluten Hölscher (FDP) : Frau Präsident! Meine Damen und Zahlen. Ein Rentner, der in diesem Jahr nach Ver- Herren! Ich werde mich bemühen, die angemeldete abschiedung dieses Gesetzes bei einer Rente von Zeit nicht auszuschöpfen. Ich habe mich nur noch 800 DM im Schnitt 80 DM mehr bekommt, wird einmal gemeldet, weil es darum geht, einige meines eben, wenn hier behauptet wird, wir beabsichtigten Erachtens offengebliebenen Fragen anzusprechen Rentenkürzungen, glauben, er werde nicht nur bei bzw. einige Dinge noch einmal zu unterstreichen, die den 880 DM hängenbleiben, sondern 1979 sogar noch mir besonders am Herzen liegen. weniger bekommen. Ich muß hier also nur noch ein- mal die lapidare Wahrheit festhalten, daß der ganze Herr Kollege Schedl ist zur Zeit nicht im Raum. Streit darum geht, ob eine solche Rente 1979 um Ich wäre sehr gern ausführlich auf seinen — das 100 DM, um 80 DM, um 60 DM oder um 50 DM er- muß man sagen — sachlichen Beitrag eingegangen. höht wird, daß es sich aber keinesfalls um Renten- Ich möchte zwei Punkte herausgreifen: kürzungen handelt. Er forderte im Prinzip mit Recht die Überprüfung (Zustimmung bei der FDP und der SPD — der Höhe der Mindestrücklagen. Auch wir würden Zuruf von der CDU/CSU: Spiegelfechterei!) uns glücklich schätzen, wenn die Finanzsituation es erlaubte, über eine Monatsrücklage hinaus, über die Lassen Sie mich auch ein Wort zu der uns von der gesetzliche Festschreibung hinaus, eine weitere- Mo- Opposition unterstellten Form der Nettoanpassung natsrücklage niederzulegen. Wir hoffen alle, daß sagen. Weder der Kollege Franke noch der Kollege es praktisch auch bei zwei Monatsrücklagen bleibt. Blüm sind noch da, nachdem sie wohl ihre Anwesen- Aber ich möchte den Kollegen Schedl doch auf einen heitspflicht damit erfüllt glaubten, daß sie ihre Widerspruch in den Anträgen seiner eigenen Frak- Showbeiträge abgeliefert haben. Aber ich muß das tion aufmerksam machen. Die CDU/CSU-Opposition sagen — auch fürs Protokoll — und die Kollegen ist dagegen, daß die Teilaktualisierung, also die bitten, uns doch nachzuweisen, wo wir jemals Herausnahme des Jahres 1974, erfolgt. Würden wir schriftlich eine Nettoanpassung in dieser rechneri- diesem Antrag zustimmen, würde das Ziel, das Herr schen Form vorgelegt haben, wie sie uns hier den Kollege Schedl vom Prinzip her als richtig erkannt ganzen Tag laufend unterstellt wird. hier noch einmal dargestellt hat, von vornherein (Zurufe von der CDU/CSU) nicht realisiert werden können. Vielleicht kann die Opposition diesen Widerspruch, der sich ergibt, bis Wir sind uns doch der Problematik der Kleinrenten morgen noch auflösen. bewußt. Wir wissen doch wie Sie, daß ein statisti- scher Schnitt der Abgaben — wie von Ihnen heraus- Lassen Sie mich auch ein Wort zur Frage des gegriffen — bei 30 % unter zu für meine Begriffe bergangsÜ der Rehabilitation von den Rentenver- sozial nicht vertretbaren Härten führt. Dann lassen sicherungsträgern auf die Bundesanstalt für Arbeit Sie uns doch beim nächsten Rentenanpassungsge- sagen. Ich muß freimütig gestehen: Die Anhörung setz bitte einmal gemeinsam überlegen, in welcher hat für mich hier jedenfalls keine neuen Erkennt- Form eine solche reduzierte Anpassung realisiert nisse gebracht. Ich hatte eher den Eindruck, daß in wird; jedenfalls wehre ich mich dagegen, daß Sie dieser Frage die Kompetenzstreitigkeiten der Selbst- uns Konzepte unterstellen, die von uns noch gar verwaltung sehr stark in den Vordergrund gespielt nicht niedergelegt worden sind und, wie ich hoffe, wurden. Neue Erkenntnisse jedenfalls gab es nicht. auch nicht vorgelegt werden. Deshalb sehen wir auch keine Veranlassung, von unserer im Regierungsentwurf niedergelegten Ab- Lassen Sie mich auch zu Ihrem eigenen Konzept sicht abzugehen. der Wahrheit zuliebe noch einmal folgendes fest- stellen. Es klingt draußen sehr gut, wenn es heißt: Dies als zwei •Feststellungen zu dem Beitrag des Die Opposition ist für die Beibehaltung der brutto Kollegen Schedl. lohnbezogenen Anpassung. Sie wollen doch in den Aber, meine Damen und Herren, ich möchte noch Versammlungen draußen den Rentnern weismachen, einiges zu Kernpunkten der heutigen Debatte sa- daß, wenn Sie an der Regierung wären, die Brutto- gen. Ich finde es sehr bedauerlich, daß der Kollege anpassungen Jahr für Jahr weiter praktiziert wür- Blüm und auch der Kollege Franke hier wieder ein- den. Aber es stimmt doch nicht! Durch die Einfüh- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1891 Hölscher rung des von Ihnen gewollten Krankenversiche- zu kommen. Bis 1980 haben wir Zeit, weil das Kon- rungsbeitrags der Rentner führen Sie doch gleich- zept, das wir morgen verabschieden, zunächst, wie zeitig eine Kürzung bei der Rentenerhöhung ein. ich hoffe, Ruhe schafft. Die Diskussion über lang- (Egert [SPD] : Das ist wahr! 4 %!) fristige Lösungen muß aber sehr unvoreingenom- men geführt werden. Sie darf vielleicht nicht so sehr Wenn Sie 1979 brutto um 10 % anpassen wollen, parteipolitisch fixiert geführt werden, wie das bei aber gleichzeitig einen Krankenversicherungsbeitrag Rentendebatten in der Vergangenheit der Fall war. von 4 % erheben, sind dies doch, wenn ich rechnen Rentendiskussionen eignen sich weder dazu, im poli- kann, nur 6 %. Also hören Sie doch bitte damit auf, tischen Courths-Mahler-Stil geführt zu werden, noch von einer bruttolohnbezogenen Anpassung zu spre- eignen sie sich dazu, im Hitchcock-Stil — wie heute chen, leider von seiten der Opposition geschehen — ge- (Sehr wahr! bei der SPD) führt zu werden. Dies verunsichert die Rentner nur die sich jedenfalls bei der Geldüberweisung an den und bringt uns in der Sache keinen Schritt weiter. Rentner nicht brutto niederschlägt, sondern eben Ich denke, wir sollten die nächsten vier Jahre so- netto, weil Sie ja vorher von ihm den Beitrag haben wohl in den Fraktionen als auch in den Parteien wollen. nutzen, um das System der sozialen Alterssicherung (Beifall bei der FDP und der SPD) auf eine dauerhafte und sichere Grundlage zu stel- len. Dies ist im wesentlichen das, was ich dazu abschlie- (Beifall bei der FDP und der SPD) ßend noch einmal feststellen wollte.

Nun vielleicht noch eine Zwischenbemerkung: Vizepräsident Frau Funcke: Meine Damen und Ich bitte den Kollegen Blüm auch herzlich darum, Herren, wird das Wort zum Rentenanpassungsge- die Statistik, was die, wenn man es statistisch setz noch gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann nimmt, zweifellos niedrigen Renten angeht, doch schließe ich die Beratungen in zweiter Lesung. Die der Wahrheit zuliebe wenigstens dahin gehend zu Abstimmungen erfolgen morgen. ergänzen, daß Rente nicht gleich Gesamteinkom- men ist. Man kann hier nicht so mit Millionen Men- Wir treten nunmehr in die Aussprache über das schen jonglieren und sie in die Gruppe der Armut Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz in hineinbringen, wenn man genau weiß — ich darf zweiter Beratung ein. Kann ich davon ausgehen, daß den Namen einmal nennen —, daß ein Vertreter wir über alle Artikel zusammen beraten? — Dann dieser Gruppe der „Armut" auch Herr Klasen wäre, rufe ich die hierzu vorliegenden Änderungsanträge der eine kleine Sozialversicherungsrente bezieht, auf den Drucksachen 8/391 bis 8/419 auf. Das Wort aber dessen alleiniges Einkommen diese Rente doch hat Frau Abgeordnete Neumeister. nicht ist. Man sollte nicht Schindluder mit der Sta- tistik betreiben. Frau Dr. Neumeister (CDU/CSU) : Frau Präsidentin! (Beifall bei der FDP und der SPD) Meine Damen und Herren! Nach dem außerordent- lich versöhnlichen und konstruktiven Ausklang der Meine Damen und Herren, ich möchte über diesen Diskussion über die Rentenversicherung durch den Gesetzentwurf, über dieses Rentenpaket hinausge- Beitrag des Kollegen Hölscher können wir uns nun hend noch etwas sagen, und zwar mit dem Blick der Krankenversicherung zuwenden. Meine Kolle- über das Jahr 1980 hinaus. Ich denke, wir sollten gen Dr. Becker, Höpfinger und ich werden nun die uns nicht damit begnügen, etwa in den nächsten Änderungsanträge der CDU/CSU-Fraktion auf den vier Jahren oder auch im nächsten Jahr mit dem Drucksachen 8/391 bis 8/419 — jeweils gebündelt 21. Rentenanpassungsgesetz mit dem Nachdenken nach Sachgebieten — begründen. über unser Rentensystem selbst Schluß zu machen. Dieses Rentensystem — das muß ich für meine Per- Herr Minister Ehrenberg behauptet allein durch son kritisch feststellen — ist ein Umlagesystem, bei den Namen, den er dem Gesetz gegeben hat, das welchem die Aktiven unmittelbar die jetzt fälligen eine Änderung der Strukturen unseres Gesundheits- Renten zahlen. Ich weiß nicht, ob wir dieses Renten- wesens vorsieht, daß er damit bei der gesetzlichen system, eben weil es so konjunkturabhängig ist, in Krankenversicherung kostendämpfend wirken will. dieser Form auf Dauer noch finanzieren können. Er ist uns bisher nur den Beweis schuldig geblieben, Vergegenwärtigen wir uns einmal ein Zahl: Die wo diese Kostendämpfung erreicht wird und wieso Arbeitnehmer und die Arbeitgeber zahlen heute z. B. § 180 Abs. 1, der die Anhebung der Beitrags- einen Beitrag von insgesamt 18% für die Finanzie- bemessungsgrenze von bisher 75 % auf 85 % der rung von Renten, deren Bezieher zur Zeit ihrer Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversiche- Aktivität als Arbeitnehmer — den Arbeitgeberanteil rung verfügt, auch in dieses Konzept paßt. Dies ist eingerechnet — nur 5 bis 10 % gezahlt haben. Dies nämlich keineswegs eine Maßnahme der Kosten- zeigt deutlich die Entwicklung eines solchen Sy- dämpfung, sondern eine Maßnahme, um den Kran- stems, wenn Wachstumsraten ausbleiben, zeigt deut- kenkassen automatisch ein höheres Beitragsaufkom- lich die Gefahren für ein solches System, wenn die men zu bescheren. demographische Entwicklung ins Ungleichgewicht (Lutz [SPD]: Gnädige Frau, Sie irren sich!) gerät. Alle Versicherten, deren Lohn oder Gehalt über Wir sollten daher die Zeit bis 1980 nutzen, um 2 550 DM liegt, werden zusätzlich zu den 1,2 bis 1,6 diese möglicherweise nicht mehr zeitgemäßen Struk- Prozentpunkten, die sie ja jetzt schon an durch- turen zu untersuchen und zu langfristigen Lösungen schnittlicher Beitragserhöhung auf Grund der Ver- 1892 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Frau Dr. Neumeister lagerung des Rentendefizits auf die Krankenversi- sozialistische Konzeption der Sozialdemokratie" cherung auf sich nehmen müssen, feierte. (Hört! Hört! bei der CDU/CSU) (Zuruf von der SPD: Es lebe die Solidarität!) noch einmal zur Kasse gebeten, so daß im Schnitt Die CDU/CSU-Fraktion lehnt daher die in § 180 dabei Beiträge von nahezu 400 DM herauskommen. RVO vorgesehene Anhebung der Beitragsbemes- Und dies, meine Damen und Herren, trägt die FDP, sungsgrenze ab. die sich so gern zum Anwalt der Interessen der An- gestellten und des Mittelstands macht, kommentar- Auch über das Leistungsrecht führt der Gesetzent- los mit! wurf zur absoluten Vereinheitlichung der Kassen. Es wird eine Einheitsgebührenordnung geschaffen, die (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Hört! ein völlig einheitliches Leistungsangebot bewirkt. Hört!) Die E-Adgo wird hoch gelobt, aber es wird den Er- Vielleicht kriegen wir allerdings noch einen Kom- satzkassen zugleich die Möglichkeit genommen, das mentar. eigenverantwortlich fortzuführen, was überhaupt die Modernität und Fortschrittlichkeit der E-Adgo aus- Mit solchen Beiträgen aber ist die gesetzliche macht, Krankenversicherung bei sogenannten guten Risiken (Müller [Berlin] [CDU/CSU] : Jetzt müßte nicht mehr konkurrenzfähig. der Kollege Schmidt zuhören!) (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Entsolida risierung!) der Gebührenordnung, die im Gegensatz zu der durch Bürokratie an notwendiger Anpassung gehin- Man rechnet daher mit einer Abwanderung von etwa derten allgemeinen Gebührenordnung in Selbstver- 20 °/o der freiwillig Versicherten, wodurch der ge- waltung zwischen Ersatzkassen und Ärzten fortent- plante finanzielle Effekt wieder völlig aufgehoben wickelt wurde. wird. (Lutz [SPD] : Sie irren erneut!) Die geplante Einheitsgebührenordnung für alle Kassen würde aber einen weiteren Schritt zur büro- Entsprechende Abwanderungen, Herr Lutz, kann kratischen Einheitsversicherung bedeuten, man jetzt schon feststellen, sie sind schon zu be- obachten. Man sieht, daß allein durch die Beratung (Zuruf des Abg. Lutz [SPD]) dieses Gesetzes der Konflikt in vielen Bereichen ge- in der der Versicherte keinen Service, kein Bemühen fördert wird. Wir haben es ganz eindeutig mit einem um seine Anliegen mehr erwarten könnte, sondern Konfliktprogrammierungskonzept zu tun. vielmehr zu einem Verwaltungsobjekt degradiert (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Sehr gut! — Egert- würde. Vor allen Dingen — wir sind hier ja bei der [SPD] : Wir sind hier doch nicht auf dem Kostendämpfung — würde eine Einheitsversiche- Ärztetag!) rung auf keinen Fall kostengünstiger arbeiten, als jetzt das gegliederte Versicherungssystem zu arbei- Die Folge dieser Änderung wird also eine Entsoli- ten in der Lage ist. darisierung sein. Entsolidarisieren können sich aber (Beifall bei der CDU/CSU) nur Angestellte, jedoch keine Arbeiter, für die unbe- schränkt die Versicherungspflicht besteht. Das Soli- Ebensowenig stehen einheitliche Bewertungsmaß- darisierungsprinzip, auf dem die gesamte gesetzliche stäbe, die durch rechtlich verselbständigte Bewer- Krankenversicherung nun einmal beruht, wird hier- tungsausschüsse für sämtliche Kassenarten innerhalb mit in Frage gestellt. der sozialen Krankenversicherung einheitlich festge- legt werden sollen, mit den Grundsätzen der geglie- Je mehr diese Entsolidarisierung erfolgt, desto derten Krankenversicherung, der Vertragsfreiheit, stärker wird sich der Gesetzgeber einfach gezwun- der Selbstverwaltung und der Wirtschaftlichkeit in gen sehen, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Einklang. Mit Ihrem neuen § 176 gehen Sie ja bereits diesen Weg. Herr Kollege Egert sagt, Sie hätten die (Müller [Berlin] [CDU/CSU] : Sehr richtig!) Schlupflöcher geschlossen, Die Vereinheitlichung von bestehenden Bewer- (Lutz [SPD] : Das ist wahr!) tungsmaßstäben, die harten Eingriffe in das Sat- zungsrecht wie auch der vorgesehene Finanzaus- indem Sie eine Versicherung dieser Personengruppe, gleich würden die gegliederte Krankenversicherung die aus der Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze beseitigen und somit zu einer Systemänderung des entsprechende Konsequenzen gezogen hat, in der Strukturprinzips der sozialen Krankenversicherun- Rentnerkrankenversicherung nicht mehr ermögli- gen führen. Wir sehen uns daher außerstande, dem chen. § 368 i Abs. 8 bis 10 zuzustimmen. Wir beantra- Dann aber ist es schließlich kein weiter Weg mehr gen die Streichung. zur allgemeinen Versicherungspflicht, zunächst aller Unverständlich ist mir, daß diese zentralistisch Angestellten, später der gesamten Bevölkerung. dirigistischen Maßnahmen von einer Partei mitge- Dann, meine Damen und Herren, haben wir doch tragen werden, die das Wo rt „liberal" in ihrem Na- die Volksversicherung, die sogar der Bundeskanzler men trägt, Schmidt schon im Jahre 1974 in einer Festschrift für seinen damals noch in Amt und Würden befindlichen (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der Arbeitsminister Walter Arendt als die „traditionelle CDU/CSU: Und draußen ganz anders redet!) Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1893

Frau Dr. Neumeister von einer Partei, die in ihrem Gesundheitsprogramm Meinen Sie, wir könnten die unaufhörlich wieder- 1976 davon spricht, die freiheitlichen Strukturen kehrenden Forderungen Ihrer Jusos nach einer Ein- des gegliederten Krankenversicherungssystems und heitsversicherung und auch die Bleichlautenden seiner Selbstverwaltung auszubauen, einer Partei, programmatischen Aussagen Ihrer verschiedenen deren sozialpolitischer Sprecher, Schmidt (Kemp- Programme überhören? ten), den wir heute nachmittag hier schon erlebt haben, ebenfalls im Wahljahr 1976 die Worte sagte, Wir sehen deswegen in der Einbeziehung der Er- die man voller Wehmut und als nostalgische Auf- satzkassen in das RVO-Recht einen ganz entschei- lockerung der heutigen sozialpolitischen Szene le- denden Punkt, der unser bestehendes Gesundheits- sen kann — ich zitiere mit Genehmigung der Frau system, die Individualität der Bürger und die Effek- Präsidentin wörtlich —: tivität der Selbstverwaltung erheblich gefährdet. Wir können daher auch Ihrem neuen § 525 c RVO Eingriffe in die Gliederung, auch durch Ein- nicht zustimmen, da wir die Gefahr sehen, daß in heitshonorare, Einheitsbeiträge und Finanzaus- einer solchen veränderten Konzeption die Selbstver- gleich zwischen den Kassenarten, lehnt die FDP waltung so geschwächt wird, daß sie ihrer kritischen ab. Funktion gegenüber der unmittelbaren Staatsver- (Hört! Hört! bei der CDU/CSU) waltung nicht mehr gerecht werden kann. Die Folge Jeder Eingriff in das gegliderte System schränkt würde unweigerlich sein, daß die gesetzliche Kran- die Freiheit des einzelnen und seine Mitverant- kenversicherung über kurz oder lang in die unmit- wortung ein. telbare Staatsverwaltung integriert wird. Vielleicht fühlen sich die Herren und Damen von (Zuruf von der SPD) der FDP verpflichtet, alles dies, was hier konzipiert ist, mitzumachen, um die von Herrn Egert so hoch Bei der Anhörung gab es gewiß Proteste. Es waren gelobte Zusammenarbeit mit Ihnen nicht zu gefähr- gar nicht alle für diesen Entwurf. Da haben einige den. der Herren, die heute gesprochen haben, nicht richtig, (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein zugehört. Wenn aber dann Herr Schmidt (Kempten) [CDU/CSU] : Macht korrumpiert!) sagt, daß die Ersatzkassen dort reine Interessenver- Aber stimmt es nicht nachdenklich, Herr Egert — tretung betrieben hätten, kann man nur sagen, daß ich glaube, das sollte uns alle nachdenklich stim- er nicht recht erkannt hat, daß es ums Überleben men —, und zeugt es nicht doch von gewissen geht, nicht nur der Kassen, sondern auch der Vertre- Dissonanzen, wenn der SPD-Gesundheitssenator tung der Bürger, die noch die Möglichkeit haben Brückner ausgerechnet den Grafen Lambsdorff mit müssen, frei zu wählen, in welcher Kasse sie ihr Zu- mit Worten „Abfalleimer einer reaktionären- Ge- hause finden. sundheitspolitik" abqualifiziert hat? (Beifall bei der CDU/CSU) (Franke [CDU/CSU] : Kann man das noch Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion einmal hören?) wird dafür sorgen, daß es Ihnen nicht gelingt, in dem Das, meine Damen und Herren, ist der Stil zwi- aufgerührten trüben Wasser der Diskussion um die schen guten Koalitionspartnern, daß man sagt, Graf Finanzmisere der Rentenversicherung so ganz un- Lambsdorff solle nun langsam „mit dem Abfalleimer merklich den Bürgern ein neues Gesundheitssystem einer reaktionären Gesundheitspolitik" in die Wüste zu präsentieren, die rechtlichen Beziehungen der Trä- gehen. ger der Krankenversicherung zu ihren Vertragspart- nern zu zentralisieren, zu nivellieren mit einer durch- (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Würden aus möglichen erstrebten und auch resultierenden Sie das noch einmal sagen, Frau Kollegin?) langsam verlaufenden De-facto-Herstellung einer Ich weiß, daß Sie, meine Damen und Herren der Einheitsversicherung mit einer ständig steigenden SPD und, wie wir ja vorhin gehört haben, Herr Vergrößerung des Einflusses des Staates. Schmidt (Kempten) von der FDP, es gar nicht so gern hören, wenn wir von der „Einheitsversiche- (Kühbacher [SPD] : Dieses war nicht zu ver rung" sprechen. Aber wundert Sie das eigentlich an- stehen!) gesichts dieses Gesetzes noch? Wundert Sie das, — War nicht zu verstehen? Das kann ich Ihnen noch wenn Sie feststellen müssen, daß auch wir die Aus- einmal sagen. Ich wollte Ihnen damit nur sagen, daß sagen Ihres Gesundheitsexperten Friedel Laepple wir durch eine Einheitsversicherung immer mehr lesen — das Buch kam ja gerade noch rechtzeitig Einfluß des Staates bekommen und daß das ganz heraus, und wir haben es natürlich wißbegierig, wie sicherlich keine liberale Aktion sein wird. Wir wer- wir in der Opposition sind, gelesen. Dieser Herr den auf diese Weise eine Bürokratisierung unserer Laepple sagt, daß er zunächst durch Plafondierung gesamten Krankenversicherung haben. Dadurch wer- der Beitragssätze den nötigen Reformdruck erzeu- den wir ganz sicher nicht kostendämpfend und besser gen, auf diese Weise das integrierte System medi- arbeiten können. zinischer Versorgung einführen will und die Bürger durch eine einheitliche Pflichtversicherung unter Be- (Beifall bei der CDU/CSU — Franke [CDU/ seitigung der Exklusivität der Ersatzkassen beglük- CSU] : Für solche Zwischenfragen kriegst du ken will. immer 20 Pfennig! — Zurufe von der SPD — (Egert [SPD] : Reden Sie doch einmal zum Weiterer Zuruf von der SPD: Das erste war Gesetzentwurf, Frau Kollegin! —Lutz [SPD] : die FDP-Fassung, das zweite die SPD-Fas Das wäre sehr hilfreich!) sung!) 1894 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Frau Dr. Neumeister — Wir müssen ja immer ein bißchen wechseln, damit und Staat. Nur wenn dieses Vertrauen zerstört das nicht immer nur in eine Richtung geht. oder auch nur ernsthaft gestört wird, ist unser

Gesundheitswesen — und mehr als das — wirk- (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Der hat es immer lich in Gefahr. noch nicht verstanden!) (Beifall bei der CDU/CSU — Lutz [SPD] : Völlig unverständlich ist, daß Sie, meine Damen Wir müssen es entstören, Frau Kollegin!) und Herren von der Koalition, nun auch noch am Kassenarztrecht, das wir gerade am Ende der letzten Legislaturperiode novelliert haben und das am Vizepräsident Frau Funcke: Das Wort hat der Ab- 1. Januar 1977 in Kraft getreten ist, schon wieder geordnete Kratz. herumbasteln müssen. Eigentlich müßte man ja an- nehmen, daß ein solches Gesetz, das gerade erst Kratz (SPD) : Frau Präsidentin! Meine sehr ver- über die Bühne gegangen ist, so gut ist, daß man ehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Neumei- nicht schon wieder daran arbeiten muß. ster, es scheint unser beider Schicksal zu sein, daß wir immer zur späten Abendstunde gegeneinander Herr Egert, es tut mir leid, aber ich spreche schon sprechen müssen. wieder darüber: Sie haben es vorhin schon angedeu- tet, daß ich Ihnen jetzt vorwerfen würde, Sie gingen (Burger [CDU/CSU] : Es ist doch noch früh! erneut den Schritt zur Institutionalisierung der Me- — Dr. Blüm [CDU/CSU] : Spät kommt er, dizin, indem sie die vorstationäre Diagnostik und die doch er kommt! — Weitere Zurufe von der nachstationäre Therapie in verstärktem Maße den CDU/CSU) Krankenhäusern übertragen, obgleich einem jeden, Ich werde auf die „Schlupflöcher", die Sie in bezug der die Kostenentwicklung im Krankenhaus kennt, auf meinen Kollegen Egert erwähnt haben, eingehen klar ersichtlich ist, daß diese Maßnahme niemals und im wesentlichen zwei dieser von Ihnen erwähn- zur Kostendämpfung, sondern im Gegenteil zu einer ten „Schlupflöcher" behandeln. Ausweitung der Kosten im stationären Bereich füh- Ich habe schon während der gesamten Debatte ren muß, ganz davon abgesehen, daß Sie auch hier darauf gewartet, wann denn nun endlich die Jusos die bewährte Vertrauensbasis zwischen Arzt und Pa- drankommen. Davon habe ich heute noch gar nichts tient stören. Aber Sie müssen hier anscheinend die gehört. Daß dies ausgerechnet Ihnen vorbehalten Forderung Ihrer Jusos und Ihres Gesundheitsexper- blieb, Frau Kollegin, ist eigentlich schade. Das wäre ten Läpple erfüllen und den Sicherstellungsauftrag auf unseren Kollegen Franke besser zugeschnitten der Kassenärztlichen Vereinigung in Frage stellen. gewesen als auf Sie. Aber nun haben Sie davon (Lachen bei der SPD) gesprochen. Ein weiterer Schritt in dieser Richtung- ist die (Burger [CDU/CSU] : Ist Läpple ein Juso?) Ausweitung dieser Beteiligung der Krankenhaus- Wenn ich mit meinen Ausführungen fertig bin, wer- fachärzte an der ambulanten Versorgung, die die im den Sie unschwer erkennen, meine Damen und Her- Weiterentwicklungsgesetz gerade beschlossene Be- ren, daß wir für das, was wir hier machen, die Jusos darfsplanung unweigerlich in Frage stellen wird eigentlich gar nicht brauchen. und letztlich zu einer schlechteren ambulanten Ver- sorgung der Bevölkerung führen muß. (Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU] : Habt ihr sie unter Verschluß?) Die angebliche Förderung der von uns allen ge- Wir sind ja hier ein selbständiges und souveränes wünschten Ausweitung des Belegarztsystems muß Parlament, und wir tun in diesem Parlament unsere als politisches Feigenblatt angesehen werden, da Arbeit. Sie durch die Art der Honorierung praktisch jeg- liches Interesse an belegärztlicher Tätigkeit im Nun aber zum ersten „Schlupfloch", Frau Kollegin. Keime ersticken werden. Wir haben daher einen Der Entwurf des Kostendämpfungsgesetzes sieht vor eigenen Vorschlag für die belegärztliche Tätigkeit (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : „Schlupf eingebracht. loch"?) Meine Damen und Herren aus der SPD, vielleicht — ja, sie hat davon im Zusammenhang mit den stimmt Sie — und damit komme ich zum Schluß — Ausführungen meines Kollegen Egert gesprochen —, ein Wort der Ihrer Partei angehörenden ehemaligen daß der Kreis der Personen, die wegen Bezugs einer Gesundheitsministerin Käte Strobel nachdenklich, Rente in der gesetzlichen Krankenversicherung bei- die 1972 in einem offenen Brief sagte: tragsfrei versichert sind, eingeschränkt wird. Dies Gerade im Gesundheitswesen, in dem sich ist eine notwendige Konsequenz des auch von Ihnen weite Bereiche für eine gesetzliche Regelung in Ihrem Beitrag soeben einige Male erwähnten nicht eignen, ist das gegenseitige Vertrauen Solidaritätsgrundsatzes. Nur derjenige soll in der unerläßliche Voraussetzung für den Erfolg der Krankenversicherung der Rentner ohne eigene Bei- gemeinsamen Bemühungen tragsleistung versichert sein, der ihr mindestens das halbe Erwerbsleben lang angehört und damit ange- (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Sehr messen zu ihrer Finanzierung beigetragen hat. Künf- wahr! — Lutz [SPD]: Das kann man unter tige Rentner, die diese Voraussetzung nicht erfül- schreiben!) len, sind aber nach unserer Auffassung und auch um das Vertrauen zwischen Arzt und Patient, nach dem Entwurf nicht schutzlos. Sie können frei- aber auch das Vertrauen zwischen freien Kräften willig später der gesetzlichen Krankenversicherung Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1895 Kratz beitreten. Den Vorwurf des Vertrauensbruchs, der Wir wehren uns mit aller Entschiedenheit gegen vor allem von denen erhoben wird, die sich auf die Haltung, sich bei der Sicherung im Krankheits- Grund der Regelung des Rentenreformgesetzes von fall nur die Rosinen herauszupicken 1972 sehr preiswert in die gesetzliche Rentenver- (Zuruf von der SPD: So ist es!) sicherung haben einkaufen können, u. a. in der Er- wartung, dadurch auch einen ausreichenden Kran- und sich darauf zu verlassen, daß am Ende des Ar- kenversicherungsschutz zu erwerben, weise ich des- beitsleben die Zuflucht zur Krankenversicherung der halb entschieden zurück. Rentner offensteht. Allerdings wird der Schutz im allgemeinen nicht (Beifall bei der SPD) so billig sein, wie sich das jener Personenkreis ur- In der Krankenversicherung der Rentner sind Tritt- sprünglich vorgestellt hat. Die Betreffenden müssen brettfahrer unerwünscht. nämlich einkommensgerechte Beiträge zahlen. Dazu (Sehr richtig! bei der SPD) erhalten sie aber wie grundsätzlich alle nicht ver- sicherungspflichtigen Rentner einen Beitragszuschuß Dies entspricht dem Solidaritätsprinzip. Das ent- aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe spricht auch dem Motto „Einer trage des anderen von 11 % des Rentenzahlbetrages. Wir haben bei Last", wie es schon im Ursprung der gesetzlichen den Beratungen sichergestellt, daß dieser Beitrag Krankenversicherung vorgesehen ist. nur solchen Rentnern offensteht, die ihre Chancen Die Beitrittsberechtigung für Rentner ist so ausge- einer Sicherung im Krankheitsfall im Rahmen der staltet worden, daß die Auswirkungen nur für die gesetzlichen Krankenversicherung wahrnehmen und Zukunft eintreten werden. Das heißt, wenn der sich damit am Solidarausgleich beteiligen. Rentner seinen Rentenantrag nach dem 30. Juni 1978 Schon der Regierungsentwurf hatte vorgesehen, stellt und ab 1. Juli 1977 die Möglichkeit des Bei- daß der Beitritt dem Rentner versagt werden sollte, tritts zur gesetzlichen Krankenversicherung gehabt, der sich durch Befreiung von der Versicherungs- sie aber nicht wahrgenommen hat, oder Mitglied pflicht ganz bewußt von der gesetzlichen Kranken gewesen ist und ab 1. Juli 1977 ausgetreten ist, ist versicherung abgewandt hatte. Wir haben diesen ein Eintritt bzw. Wiedereintritt nicht möglich. Kein Gedanken in den Beratungen konsequent weiterge- späterer Rentner wird sich deshalb darauf berufen führt und ihn auf die Personen ausgedehnt, die trotz können, er sei von der Neuregelung, wie wir sie Beitrittsmöglichkeit nicht Mitglied der Solidarge- jetzt beschließen wollen, überfahren worden. Er meinschaft der Krankenversicherten werden. Diese kann sich nach dem Inkrafttreten des Gesetzes auf Ausdehnung ist sachgerecht und entspricht auch den diese für ihn veränderte Rechtslage einrichten. Interessen der Versichertengemeinschaft. Wer- wäh- rend seines Erwerbslebens der gesetzlichen Kran- Vizepräsident Frau Funcke: Herr Kollege, gestatten kenversicherung beitreten kann, es aber nicht tut, Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Burger? oder wer ihr angehört, aber aus eigener Willens- entscheidung aus ihr austritt, gibt damit zu erken- nen, daß er seine Sicherung im Krankheitsfall nicht Kratz (SPD) : Das machen wir später, Herr Kollege. im System der gesetzlichen Krankenversicherung, Es ist schon so spät. Verlängern wir das ganze Thema sondern in einer anderen Versicherungsform ver- doch nicht noch mit Zwischenfragen! Im übrigen wirklicht haben möchte. Diese von ihm selbst zu kommen Sie, wie ich eben gehört habe, noch dran. treffende Entscheidung respektiert der Gesetzgeber, Sie können es dann in Ihren Ausführungen bringen, knüpft daran aber entsprechende Rechtsfolgen. (Franke [CDU/CSU] : Das ist nicht nett, Herr Kollege Kratz, daß Sie die Frage nicht Nun ein Wort zur privaten Krankenversicherung. beantworten!) Der Gesetzgeber anerkennt — ich komme damit auch zu einer Formulierung, Frau Kollegin, die Sie hier Aber noch einige Worte, verehrte Frau Kollegin gebraucht haben — in dem von ihm gesetzten Rah- Neumeister, zur Erhöhung der Beitragsbemessungs- men die private Krankenversicherung als Alternati- grenze in der gesetzlichen Krankenversicherung ve zum System der gesetzlichen Krankenversiche- von 75 auf 85 v. H. Diese Maßnahme wird — ent- rung. Das ist keine Gleichmacherei oder eine allge- gegen Ihrer Annahme — zu Beitragsmehreinnahmen meine Volksversicherung, wie Sie es angedeutet führen. Diese Mehreinnahmen sind notwendig, ge- haben. Diese Alternative muß sich aber auch über wollt und richtig. Seitens der Ersatzkassen wird das ganze Erwerbsleben und auf den Lebensabend immer wieder eingewandt — und Sie haben das erstrecken. Es geht nicht an und entspricht wohl eben in Ihrem Beitrag auch getan —, daß in erheb- nicht dem Selbstverständnis der privaten Kranken- lichem Umfang sogenannte gute Risiken, insbeson- versicherung, nur eine Versicherung während des dere junge Versicherte mit einem Einkommen ober- Erwerbslebens zu sein. Auch die private Kranken- halb der jetzigen Beitragsbemessungsgrenze, zur versicherung ist keine Versicherung für Schönwet- privaten Krankenversicherung abwandern und da- ter. mit der Einnahmenzuwachs der Krankenkasse auf- (Sehr wahr! bei der SPD) gezehrt werde oder sogar Mindereinnahmen mög- lich seien. Folgt man der von den Ersatzkassen und Wer seine Sicherung während des Erwerbslebens auch von Ihnen eben aufgemachten Rechnung, so in der privaten Krankenversicherung sucht, sollte soll der Beitragsüberschuß für ein sogenanntes gu- sie auch im Ruhestand dort finden. tes Risiko im Durchschnitt mindestens 2000 DM im (Beifall bei der SPD) Jahr betragen. Im Falle eine Abwanderung zur pri- 1896 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Kratz waten Krankenversicherung würde ein solcher Bei kel, von dem Sie im Zusammenhang mit der frühe- tragzahler mit seinem positiven Finanzsaldo fehlen. ren Ministerin für Jugend, Familie und Gesundheit Bei den vorliegenden Zahlen kann es sich nur um einen kleinen Abschnittt zitiert haben, sehr aufmerk- Modellwerte handeln, die zudem noch sehr stark sam lesen werde; denn mich interessiert der ge- verbandspolitisch eingefärbt sind. samte Inhalt, nicht nur das von Ihnen erwähnte Zitat. Sie sind stark und fähig genug, zu den Passa- (Egert [SPD] : Das ist wahr!) gen gegenüber unserem Koalitionspartner selber Die Berücksichtigung eines Einnahmenausfalls auf etwas zu sagen. Grund des Weggangs sogenannter guter Risiken ist Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. nämlich schon deshalb nicht korrekt, weil von vorn- herein gar nicht abzuschätzen ist, welcher Personen- (Beifall bei der SPD und der FDP) kreis als „gutes Risiko" und welcher als „nicht gutes Risiko" anzusehen ist. Zudem liegen exakte An- Vizepräsident Frau Funcke: Das Wort hat Herr Ab- gaben aus den Rechnungsergebnissen der gesetz- geordneter Hölscher. lichen Krankenversicherung zu dieser Frage über- haupt nicht vor. Hölscher (FDP) : Frau Präsident! Meine Damen und Die Bundesregierung hat gute Gründe für die An- Herren! Herr Kollege Blüm, wir haben nicht so viele nahme, daß die Erhöhung der Beitragsbemessungs- Sozialpolitiker. Wir sind aber ein besonders wirk- grenze nicht zu nennenswerten Abwanderungen hö- sames mittelständisches Unternehmen und müssen herverdienender Versicherter führen wird. mit unseren Kräften haushalten. Erstens. Ledige Versicherte werden, bevor sie (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. eine Entscheidung treffen, überlegen, ob sie mit Blüm [CDU/CSU] : Kleinstunternehmen!) Rücksicht auch auf eine spätere Familiengründung Ich will mich auf die vorliegenden Anträge kon- in der privaten Krankenversicherung höhere Bei- zentrieren. Im Rahmen unserer wirksamen Auf- träge werden zahlen müssen und ihnen ein er- gabenteilung wird einen Teil der überzeugenden neutes Eintreten in die gesetzliche Krankenversiche- Antworten des kleinen Koalitionspartners der Kol- rung dann nicht möglich ist. lege Cronenberg vertreten. Zweitens. Eine beitragsfreie Krankenversicherung Lassen Sie mich eine Vorbemerkung machen. So der Rentner einschließlich kostenloser Familienhilfe ganz kann ich das mit dem sozialistisch-dirigisti- wird — ich habe das in meinem ersten Beitrag in schen staatlichen Gesundheitsdienst und das, was es anderem Zusammenhang schon dargestellt — nur da so alles an Schreckensetiketten gibt, nicht mehr noch nach langjähriger Zugehörigkeit zur gesetzli- ernst nehmen. Ich kann nur feststellen: In dieser - chen Krankenversicherung möglich sein. Darstellung steht die Opposition mal wieder allein Eine Abwanderung in die private Krankenver- da, ähnlich wie sie in der Frage des Beitritts zur sicherung würde also dem längerfristigen Interesse Schlußakte von Helsinki isoliert war. Damals hatten des freiwilligen Mitglieds schaden. Wir sind sicher, Sie wenigstens Albanien auf Ihrer Seite. Jetzt haben daß auch die freiwilligen Mitglieder rechnen können Sie nur noch die niedergelassenen Ärzte auf Ihrer und sich sehr wohl überlegen werden, ob sie aus Seite. Ich will damit nicht die niedergelassenen der gesetzlichen Krankenversicherung austreten und Ärzte verunglimpfen. Aber in beiden .Fällen ging es in eine private Krankenversicherung gehen. um sehr vordergründige Interessen. Bei Albanien Drittens. Rentner, die nicht bereits in der Kran- ging es darum, als Vorposten Chinas kenversicherung der Rentner pflichtversichert sind, (Zurufe von der CDU/CSU) können der gesetzlichen Krankenversicherung dann — das hat ein anderer mal gesagt — gegen den nicht mehr freiwillig beitreten, wenn sie während Ausgleich in Europa zu sein. Bei den Ärzten ist es ihres Erwerbslebens trotz Beitrittsmöglichkeit nicht sicher legitim, dagegen zu kämpfen, daß möglicher- Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ge- weise rasende Zuwachsraten wie in der Vergangen- worden oder wenn sie aus der gesetzlichen Kran- heit nicht mehr eintreten werden. kenversicherung ausgetreten sind. Ich habe das in den Eingangserwägungen in anderem Zuammen- Aber wenn das alles sozialistisch und dirigistisch hang schon darzustellen versucht. ist, dann ist ja wohl die Bundesvereinigung' der Es ist daher allenfalls mit einer viel geringeren deutschen Arbeitgeberverbände inzwischen eine so- Abwanderungsquote zu rechnen als mit der, die Sie, zialistische Kaderschmiede; denn Sie wissen, daß verehrte Frau Kollegin, schätzen. Sie sprachen — sich die Vertreter der deutschen Arbeitgeber sehr wenn ich die Zahl richtig aufgeschrieben habe — überzeugend für die Bundesempfehlungen auf der von 20 %. Mit einem so hohen Prozentsatz rechnen Grundlage des Regierungsentwurfs ausgesprochen wir nicht. Ich bin sicher, daß sich unsere Schätzun- haben. gen als realistischer erweisen werden als Ihre 20 %. (Beifall bei der FDP und der SPD) Es kann somit keine Rede davon sein, daß es zu Nun ja, das mögen Sie selbst beurteilen. Ich per- einer sehr hohen Abwanderung kommen wird und sönlich bin der Meinung: Das ist wirklich die letzte dadurch die Beitragseinnahmen der Krankenkassen Möglichkeit, dieses bis zur Stunde und auch nach auf Grund der Erhöhung der Beitragsbemessungs- Verabschiedung dieses Gesetzes freiheitliche Ge- grenze aufgezehrt werden. Ich verspreche Ihnen, sundheitssystem zu erhalten. Geschieht jetzt nichts verehrte Frau Kollegin, daß ich den Brief oder Arti- — von verbalen Übungen auf Parteitagen haben Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1897

Hölscher wir, glaube ich, alle genug — auf gesetzlicher Grund- nehmen der Herr Bundeswirtschaftsminister teil — lage, dann allerdings kommt die Stunde sehr schnell, das meine ich noch weniger persönlich —, der Bun- wo staatliche Eingriffe einfach unabwendbar sind, desgesundheitsminister, der Sozialbeirat, dann die weil manches im gesamtwirtschaftlichen Zusammen- Ärzte, die Apotheker, die Ersatzkassen, die Ge- hang nicht mehr zu vertreten und vor allen Din- werkschaften, die deutschen Arbeitgeberverbände gen zu finanzieren ist. und die Länder. Herr Dr. George, die Teilnahme der Ich muß noch einmal sagen: Unsere Bundes- Länder wollten Sie heute morgen bestreiten. Sie empfehlungen sind schon deshalb nicht dirigistisch, haben also den Staatskommissar mit am Tisch. Sie weil sie nicht durch die Parlamente oder durch die haben den großen Wirtschafts- und Sozialbeirat, ,an- Regierungen verabschiedet werden, sondern durch gereichert durch den Staat. Und das ist dann liberal, die Selbstverwaltung, d. h. durch diejenigen, die so- glauben Sie, weil der Vorschlag von Ihnen kommt. wohl über Leistungen entscheiden als auch Leistun- Ich glaube dagegen, daß das deutlich gemacht hat, gen empfangen, sowie schließlich durch diejenigen, daß Sie sich das Etikett liberal nicht anhängen kön- die für die wirtschaftliche Verwendung von Bei- nen. Wenn Sie es sich gleichwohl anhängen, wird trägen verantwortlich sind. Was da dirigistisch ist, es zu schwer und fällt herunter. Heraus kommt dann verstehe ich bis zur Stunde nicht. diese konzertierte Aktion. Ich selbst hätte nichts gegen die konzertierte Aktion, wenn sie nicht so Auch der Arzneimitteldeckel ist ein Selbstverwal- unwirksam wäre, wenn sie nicht so unverbindlich tungsinstrument, wenn wir den Umfang der Arznei- wäre. mittelverordnungen im Rahmen einer Empfehlung durch die Selbstverwaltung erarbeiten lassen. Wir Frau Dr. Neumeister und meine Damen und Her- können dann nur noch hoffen, daß das Eingang in ren von der Opposition, ich darf mal etwas zitieren; die Verträge findet. Ich darf Sie daran erinnern, denn ich gehe davon aus, daß doch auch diese kon- daß wir gerade diese Regelung während der Aus- zertierte Aktion vor allen Dingen von dem guten schußberatungen dadurch noch flexibler gemacht ha- Willen derjenigen leben soll, die die Leistungen ben, daß wir bindend vorschreiben, daß eine Über- bestimmen, nämlich der Ärzte. Was sagt — nicht schreitung des Arzneimittelvolumens durch die Kas- in einem Zeitungsartikel, auch nicht in einer indi- senärztlichen Vereinigungen im Wege des Einzel- rekten Wiedergabe, wo man ja dementieren könnte, regresses auszugleichen ist. Das ist übrigens doch sondern vor dem Deutschen Bundestag — Herr Dr. nichts Neues; diese Möglichkeit hatten und haben Sewering, Präsident der Bundesärztekammer, die Kassenärztlichen Vereinigungen. Nur, nach In- (Franke [CDU/CSU] : Ist der Abgeordneter krafttreten dieses Gesetzes werden sie von diesem Instrumentarium im Interesse ihres Ansehens,- vor oder wie?) allen Dingen aber auch im Interesse der wirtschaft- dessen Auslegung des Hippokrates-Eides ganz be- lichen Verwendung von Beiträgen wohl in stärke- sondere kommerzielle Neigungen zeigt — aber nun rem Maße Gebrauch machen. gut, das ist seine Sache —, bei der Sachverständi- Bei dieser Gelegenheit darf ich auch einmal fest- genanhörung vor einem Gremium des Deutschen stellen, daß es nicht richtig war, auf Grund des Bundestages? Ich zitiere, Frau Präsidentin, mit ersten Referentenentwurfs wie auch des Kabinetts- Ihrer Genehmigung, nachzulesen im Ausschußproto- entwurfs in der Öffentlichkeit etwa zu behaupten, koll Seite 6/98. der Gesetzgeber schreibe den kollektiven Ausgleich (Franke [CDU/CSU] : Herr Hölscher, hier vor. Auch im Kabinettsentwurf war das offengelas- hat er nicht gesprochen. Im Ausschuß mei sen. Wir wollten der Selbstverwaltung die Art der nen Sie!) Regelung überlassen. Aber bitte, wir mußten erfah- ren, das das bewußt oder unbewußt, böswillig oder — Ich nehme an, daß der Ausschuß für Arbeit und fahrlässig nicht zur Kenntnis genommen wurde. Wir Sozialordnung auch ein Gremium dieses Hauses ist. haben also den Einzelregreß festgelegt. Und jetzt (Franke [CDU/CSU]: Sie haben gesagt: warte ich auf die Ärzte, die sagen, auch das sei Plenum!) kollektivistisch, obwohl wir eigentlich im Gesetz nur aufnehmen — vielleicht unter Anwendung von — Nein, ich habe gesagt, vor dem Deutschen Bun- etwas mehr Druck als bisher —, was seit Bestehen destag in Vertretung durch den Ausschuß für Arbeit der Selbstverwaltung im Rahmen der Selbstverwal- und Sozialordnung. Herr Dr. Sewering sagt zu tung so ausgeübt wird. Ihrer konzertierten Aktion — ich zitiere —: Gegen die konzertierte Aktion ist nichts einzu- Wir wissen doch alle, daß wir manchmal ge- wenden. So etwas haben wir, so etwas kann man nötigt sind, auf der Autobahn langsam und vor- machen, auch im Gesundheitswesen. Dagegen spricht sichtig zu fahren, und das ist ganz natürlich. nichts. Aber, Herr Kolege Blüm, Frau Dr. Neumei- Aber wir sollten doch hoffen, ster, wenn Sie gerade uns als Liberale angreifen und sagen, das, was wir beabsichtigten, sei dirigi- (Franke [CDU/CSU] : Jetzt kommt der stisch, und wenn ich dann lese, wer die von Ihnen Spruch vom Gasgeben!) vorgeschlagene konzertierte Aktion bestreiten soll, daß es uns allen in allen Bereichen der Volks- muß ich mich doch wundern. Beteiligt ist der Bun- wirtschaft doch auch einmal wieder möglich desminister für Arbeit und Sozialordnung, Herr sein wird, etwas schneller zu fahren. Ich meine Kollege Dr. Ehrenberg — ich meine das natürlich also, wir sollten unser Tempo immer den gege- nicht persönlich, sondern als Institution —, dann benen Verhältnissen anpassen. 1898 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Hölscher — Und jetzt kommt etwas besonders Interessantes daß in der Öffentlichkeit immer wieder der Ein- von Dr. Sewering: druck erweckt wird, als würden jetzt die Kranken- Jedenfalls: Solange schlechte Fahrverhältnisse häuser für die allgemeine ambulante Versorgung sind, sind wir bereit, langsam zu fahren, mit den geöffnet. Das stimmt nicht. Ich weiß, wie schwierig anderen zusammen ... es ist, in dieser Frage überhaupt noch sachliche Informationen an den Mann zu bringen. Dennoch Das andere brauchte er nicht zu sagen, das ist klar: möchte ich es noch einmal sagen. Ich möchte diese Wenn die Fahrverhältnisse besser sind, überholt Forderung eigentlich sogar, wenn Sie es erlauben, man wieder. Frau Präsidentin, in ein Zitat binden: (Zurufe von der CDU/CSU) Im Interesse der Koordination von ambulanter Das sagt der höchste Repräsentant der deutschen und stationärer Behandlung sollen Fachärzte am Ärzteschaft. Krankenhaus sowie Krankenhausärzte mit ent- (Burger [CDU/CSU] : Sie sagen doch das sprechender Qualifikation außerhalb ihrer gleiche! — Weitere Zurufe von der CDU/ Dienstaufgaben im Krankenhaus mehr als bisher CSU) die Möglichkeit haben, als Person ambulant zu untersuchen und zu behandeln. Dies ist eine Meinung, die Herr Dr. Sewering sehr wohl vertreten kann; nur müssen wir Politiker zur Dies ist nicht eine Forderung der Regierungskoali- Kenntnis nehmen — zumal auch im letzten Ge- tion, sondern eine Forderung der deutschen Ärzte schäftsbericht des Hartmannbundes die Ablehnung — man höre und staune! —, beschlossen auf dem von Empfehlungsvereinbarungen verankert ist; da Ärztetreffen 1974. Wenn wir Lobbyisten wären, hät- werden sie als einmalig und nicht wiederholbar be- ten wir genau das getan, was hier ein starker Ver- zeichnet —, daß die Bereitschaft offensichtlich nicht band von uns verlangt hat, nämlich eine stärkere so groß ist. Verzahnung zwischen stationärem und ambulantem (Zurufe von der CDU/CSU) Bereich herzustellen. Herr Dr. Blüm, ich will Sie nicht zitieren, aber ich Aber, meine Damen und Herren, wir sind ja in darf — wir beide waren uns kürzlich mal einig — Kenntnis unserer Verantwortung gar nicht so weit hier einmal offen sagen, daß, egal, ob Sie sich gegangen, wie der Ärztetag hier beschlossen hat, durchsetzen oder wir uns durchsetzen, die ganze sondern wir haben zwei ganz wichtige Einschrän- Sache natürlich durch die Diskussion eine positive kungen hineingebracht; die bitte ich zur Kenntnis zu Wirkung hat. Wir sehen ja bereits, daß es bei den nehmen. Wir haben gesagt: Ein angestellter Kran- Arzneimittelverordnungen etwas zurückgeht; also kenhausarzt — für die Leitenden gab es das ja im- könnten wir ja eigentlich zufrieden sein. Wir mer schon — darf nur dann in die kassenärztliche brauchten das Gesetz nicht zu verabschieden. Sie Versorgung einbezogen werden, wenn erstens die brauchten Ihre konzertierte Aktion nicht. Wir ärztliche Versorgung draußen nicht sichergestellt ist. brauchten unsere Bundesempfehlungen nicht. Denn Deshalb greift Ihr berufsständisches Argument über- es tut sich ja draußen etwas. Und es ist sehr zu haupt nicht, daß damit die Tätigkeit in freier Praxis begrüßen, daß die Kassenärztlichen Vereinigungen niedergelassener Ärzte gefährdet wäre. Denn da, mit den Ersatzkassen den Honorarstopp bis zum wo die ambulante Versorgung nicht sichergestellt Ende des nächsten Jahres beschlossen haben. Nur, ist, kann ja auch die Tätigkeit von freien Ärzten Herr Dr. Blüm — ich glaube, das haben Sie nicht nicht gefährdet werden. Das ist doch ein Wider- gesagt, ich will Sie nicht falsch zitieren, aber es ist spruch in sich. Das heißt also, wir haben eine ganz so, ohne daß es ausgesprochen wurde —, wir beide wesentliche Einschränkung vorgesehen. Wir haben sind uns jedenfalls darin einig, daß die Autobahn sie aus dem geltenden Recht übernommen, in dem eben möglicherweise, wenn die Fahrverhältnisse es heißt: Nur soweit ein Bedürfnis zur kassenärzt- besser sind, wenn sich das alles wieder beruhigt, lichen Versorgung durch Krankenhausärzte besteht, das Überholen erlaubt. ist dies möglich. Wir machen die Bundesempfehlungen doch nur, Die zweite Einschränkung ist genauso deutlich. um das permanent sicherzustellen, was in den letz- Der Krankenhausträger, also das Krankenhaus, bei ten zwei Jahren zwischen Kassen und Ärzten Gott dem der Krankenhausarzt angestellt ist, muß seine sei Dank freiwillig geschehen ist, nämlich die An- Genehmigung erteilen. Deshalb stimmen die Argu- bindung an die gesamtwirtschaftlich vernünftige mente nicht, denen man immer wieder begegnet, die Entwicklung. Wir wollen nur sichergestellt sehen, stationäre Versorgung würde in Mitleidenschaft ge- daß sich die Herren jedes Jahr an den Tisch setzen zogen. Denn den Krankenhausträger möchte ich und Empfehlungen ausarbeiten, nach denen sich sehen, der die Genehmigung zur Kassenzulassung dann die regionalen Verbände unter Beibehaltung erteilt, obwohl er weiß, daß in einer Abteilung eine regionaler Unterschiede — das haben wir, wie Sie ärztliche Unterversorgung entsteht. Was wir hier wissen, ja auch verankert — im Interesse des Gan- machen, ist eigentlich nicht so sehr unter dem Ko- zen möglichst zu richten haben. stendämpfungsaspekt zu sehen, sondern viel mehr Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu unter dem Aspekt, die medizinische Versorgung all- einem zweiten Antrag der Opposition kommen. Ich gemein zu verbessern. meine den Antrag auf Drucksache 8/396, die Ableh- Das darf auch nicht — damit komme ich zum drit- nung der Einbeziehung von Krankenhausärzten in ten Teil meiner Ausführungen — mit der vor- und die kassenärztliche Versorgung. Ich bedaure sehr, der nachstationären Leistung, also der vorstationä- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1899

Hölscher ren Diagnostik und der nachstationären Behandlung, ich Ihnen, Herr Kratz, noch ein Wort zu den guten verwechselt werden. Sie verweisen auf die Modell- und schlechten Risiken sagen. Die Betroffenen wis- versuche. Gut, dies könnte man machen, Frau Dr. sen sehr genau, wer zu dem guten und wer zu dem Neumeister. Man könnte warten, wenn wir nur Zeit schlechten Risiko gehört. Die Anfragen bei der pri- hätten. Aber wir wissen doch, daß die gerade im vaten Krankenversicherung beweisen es. Wenn Sie internationalen Maßstab viel zu lange Verweildauer glauben, der Abwanderung junger Menschen einen in deutschen Krankenhäusern ein ganz entscheiden- Riegel vorgeschoben zu haben, dann müssen Sie der Grund für die Kostenentwicklung in diesem Be- immer damit rechnen, daß die Leute nicht in jungen reich ist. Jahren daran denken, sondern erst, wenn sie schon (Beifall bei der FDP und der SPD) älter geworden sind. Zum anderen hoffen sie, daß Änderungen dieser Gesetze stattfinden. Wir müssen Wir versprechen uns gerade von der Verzahnung davon ausgehen, daß wir selbst oft diese Änderun- zwischen ambulanter und stationärer Versorgung in gen schaffen. Wenn ich nur daran denke, wie die diesem beschränkten Bereich eine Kostendämpfung. Ausfallzeiten und Ersatzzeiten während der letzten Auf eines möchte ich Sie noch hinweisen, weil Sie acht Jahre viermal geändert worden sind, dann auch hier den Dirigismus sahen. Eine vor- oder nach- muß ich fast glauben, daß diese Menschen recht stationäre Leistung ist nur möglich, wenn vorher ein haben. niedergelassener Arzt die Einweisung vorgenommen An Ihre Adresse, Herr Hölscher, einige Worte zu hat. Die niedergelassenen Ärzte, die sich hier ange- dem Instrumentarium des Einzelregresses. Wenn griffen fühlen, haben es doch selbst in der Hand, ob Sie das so praktizieren wollen, Herr Hölscher, dann ein Patient vorstationärer Diagnostik unterzogen müssen Sie damit rechnen, daß etwa 3 000 bis 4 000 undnachstationär behandelt wird. Ich hoffe, sie ma- Einzelprüfungen vorgenommen werden, die auch chen Gebrauch davon. Schon der Bundeskanzler hat Gerichtsentscheidungen nach sich ziehen können. in seiner Regierungserklärung auf das Problem der Dieses Verfahren wird kaum praktikabel sein. Doppeldiagnosen hingewiesen, die sehr kosten- trächtig sind, und viele andere Doppelgleisigkeiten, (Zuruf von der CDU/CSU: Das „dämpft" die die wir uns nicht mehr erlauben können. Sehen Sie Kosten!) dies bitte auch im Zusammenhang mit der von der Eine Bemerkung zu dem „Autobahn-Effekt". Herr FDP besonders befürworteten Verstärkung des Be- Muhr und auch Herr Sewering haben in der An- legarztsystems. Wir wollen ja keine Einbahnstraße, hörung nie vom Überholen gesprochen, sondern nur wir wollen ja beide Wege. vom Schnellerfahren. Das Überholen machen Sie dazu, und das stimmt mit der Wahrheit nicht über Meine Damen und Herren, meine Redezeit ist ab- - ein. gelaufen. Lassen Sie midi abschließend folgendes sagen. Wenn wir die Diskussion einmal von der Die Einbeziehung der Krankenhausfachärzte in ideologischen Polemik entkleiden, dann wird deut- die ambulante Versorgung der Bevölkerung bedingt lich, daß das, was wir verabschieden, eigentlich nachher eine Abwanderung der Fachärzte aus dem etwas Selbstverständliches ist. Wir ziehen Konse- unmittelbaren Bereich um das Krankenhaus. Im quenzen aus 20 Jahren Erfahrungen in unserem Ge- übrigen möchte ich Sie fragen, wer dann die Besuche sundheitssystem, die nicht nur positiv waren. Wir bei den betreffenden Patienten macht, die vom ziehen sie im Interesse der Versicherten, denen wir Krankenhausfacharzt betreut werden. Hier wird die nicht zumuten können, durch eine weiter galoppie- Schwierigkeit für den Patienten offenbar. All diese rende Kostenentwicklung verursachte Beitragserhö- Dinge sind unpraktikabel. Deshalb haben wir andere hungen in unvertretbarem Maße hinzunehmen. Wir Vorstellungen. ziehen sie aber auch im Interesse der Verbesserung Über die Notwendigkeit der Kostendämpfung im unseres Gesundheitssystems. Deshalb: Wenn wir Gesundheitswesen sind sich alle Beteiligten einig. das Rentenkonzept mit der zeitlichen Perspektive Strittig ist nur — wie Herr Egert heute morgen 1980 sehen müssen, ist dies eine echte Reform. Ich ebenfalls sagte — der Weg, wie man das Ziel er- bitte Sie, sich wirklich noch einmal Ihrer Verant- reichen kann. Wer aber eine echte Kostendämpfung wortung als Opposition bewußt zu werden. Wir will, der muß sich über die Ursachen der Kosten- brauchen ja Ihre Zustimmung im Bundesrat. Ich steigerungen im klaren sein. Bis in die neueste Zeit hoffe, Sie stimmen diesem Gesetz zu, denn sonst — das klang auch heute morgen noch an — wurde tragen Sie die Verantwortung, wenn wir zu wirk- die Diskussion vorwiegend so geführt, als seien lichen staatlichen Eingriffen kommen müssen, die hauptsächlich Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser und wir Liberalen nicht wollen. die Pharmaindustrie an dieser Kostenausweitung (Beifall bei der FPD und der SPD — Zuruf schuld. Dazu benutzte man obendrein einen uralten von der CDU/CSU: Unsere Verantwortung politischen Trick, die Erzeugung des Neidkomplexes, können wir schon tragen!) um die Erbringer von Gesundheitsleistungen in eine Ecke zu drängen. Dabei lief noch das eine oder das andere schwarze Schaf über den Weg. Aber wo gibt Vizepräsident Frau Funcke: Das Wort hat der Ab- es die nicht? Ich komme aus Hessen und weiß ein geordnete Becker. Lied davon zu singen. Dr. Becker (Frankfurt) (CDU/CSU) : Frau Präsiden- (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU) tin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Diese schwarzen Schafe und die andere Situation Ehe ich zu meinen Ausführungen komme, möchte gaben dann die Gelegenheit ab, den Boden für eine 1900 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Dr. Becker (Frankfurt) fein subtil und vorsichtig scheibchenweise vorberei- nicht aufrichtig genug, ihm als Zweites zu sagen: tete Strukturveränderung des ganzen Systems zu daß das, was in der Medizin machbar ist, in Zukunft bereiten. auf die Dauer nicht finanziert werden kann, daß des- halb alle, ob Anbieter oder Anforderer von Gesund- Die wirklichen Ursachen der Kostensteigerung, heitsleistungen, ob Ärzte, Krankenhäuser oder der meine Damen und Herren, sind aber andere. Da Bürger selbst, ihre Ansprüche in den Grenzen halten wäre erstens der ständige Ausbau von Leistungen müssen, die durch den Finanzierungsrahmen gesteckt und des Leistungsangebotes in der gesetzlichen werden. Man kann nicht allen alles versprechen und Krankenversicherung zu nennen, der durch den Ge- dann so tun, als ob ein anderer dafür bezahlt. Dies setzgeber herbeigeführt worden ist. In dieser Frage ist die vornehmliche Aufgabe des Gesetzgebers: hier hat der Gesetzgeber — angefangen von den Vor- hat er allen deutlich zu sagen, was geht und was sorgeuntersuchungen bis zu den flankierenden Maß- nicht geht. Hier liegt seine besondere Verantwor- nahmen zum § 218 — den Krankenkassen einen ganzen Katalog von Leistungen aufgebürdet, ohne tung. sich viele Gewissensbisse darüber zu machen, wer Wie hält es aber nun die Regierung mit ihrer Ver- das zu bezahlen hat. antwortung? Man hat bei weiten Teilen dieses Ge- setzentwurfs den Eindruck, als entzöge sie sich die- (Zuruf von der SPD: Wie war das mit den ser Verantwortung. Das geht so weit, daß sie sogar Vorsorgeuntersuchungen?) die Bundesgarantie für die Ortskrankenkassen aus Aber auch die Rechtsprechung hat durch die Aus- dem gesamten Reichsversicherungsordnungswerk weitung des Krankheitsbegriffes das Ihre zur Ko- streicht. Hier hat sie zunächst einmal geschickt ver- stensteigerung beigetragen. standen, die Diskussion über weite Strecken von So wurden z. B. die Folgen des Alkoholismus den dem viel schwerwiegenderen Problem der Beseiti- Krankenkassen aufgebürdet. Dabei kassiert der Staat gung der lange verharmlosten Rentenschwierigkei- in diesem Jahr über 5 Milliarden DM aus den Al- ten abzulenken. Mit einem schlauen Trick verlagerte koholsteuern und über 10 Milliarden DM aus der sie die Probleme in die Krankenversicherung und Tabaksteuer. Die Folgen des übermäßigen Konsums schob dann die Verantwortung anderen zu. Indem muß dann die Krankenkasse tragen. Hier muß man sie Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser jetzt unter in Zukunft einmal den Zusammenhang dieser Dinge Druck setzt, gibt sie diesen den Schwarzen Peter durchdenken. Es ist die Frage, ob es so weitergehen oder, wie Herr Franke heute morgen sagte, den Rot- kann, daß der Staat kassiert und die anderen be- stift weiter. Es wird den Ärzten überlassen, sich mit zahlen. den Patienten über die Frage auseinanderzusetzen, was diese für ihre Gesundheit anfordern können. Sie Auch die Verpflichtung zur Übernahme des Zahn- projiziert damit den Konflikt auf eine Ebene, die ersatzes durch die Krankenkassen sei hier genannt. nicht primär dazu da ist, die Finanzprobleme der Als Folge des Bundessozialgerichtsurteils stiegen die Krankenkassen und darüber hinaus die dorthin ver- Ausgaben für Zahnersatz von 2 Milliarden DM im lagerten Probleme der Rentenversicherung zu lösen, Jahr 1974 auf fast 7 Milliarden DM im Jahr 1976. sondern die dazu da ist, zu helfen und zu heilen. Da- Das entspricht den Einnahmen aus den Mitgliedsbei- mit zerstört sie das für den Heilvorgang überaus trägen des Jahres 1976 aller Ortskrankenkassen der notwendige Vertrauen zwischen Arzt und Patient. Länder Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Dabei fiel mir ein Brief ein, den der Herr Bundes- kanzler am 15. September. des vergangenen Jahres Auch die schnell wachsenden Fortschritte der Me- mir wie allen Ärzten geschickt hatte. In diesem dizin haben über die damit zusammenhängende Zu- Brief steht ein Satz, den ich mit Genehmigung der nahme der Behandlungsfälle und der Leistungen Frau Präsidentin zitieren möchte: ebenso zu der Kostensteigerung beigetragen wie die Gewährung von freiwilligen Leistungen durch die Die Lösungen, die von uns im Herbst verlangt Krankenkassen selbst. werden, finden wir nur gemeinsam und nicht gegen die legitimen Interessen der Ärzte. Die Zunahme des Personals wie auch die Arbeits- zeitverkürzungen in den Krankenhäusern sind hier Was wir von solchen Reden und Schreiben halten zu nennen. So machte die Arbeitszeitverkürzung können, wissen wir nicht erst seit dem 3. Oktober. 1974 von 42 auf 40 Stunden im Bereich des Kranken- (Zuruf von der CDU/CSU: Gar nichts!) hauses eine Zunahme der Kosten um über 7 % aus. Man spricht von der Stärkung der Selbstverwaltung Auch die Zunahme der Krankheiten durch unge- und engt die Grenzen ihres Handelns vorher aber sunde Lebensführung - ich nenne hier nur Drogen-, so ein, daß der Spielraum nur noch gering ist und Alkohol- und Tabakmißbrauch, Übergewicht, man- alles nur in eine Richtung, auf eine Struktur- und gelnde Bewegung — gehört zu diesem Katalog der Systemänderung mit vielen, vielen Gleichmacherei- Ursachen der Kostensteigerungen im Gesundheits- tendenzen hinsteuert — bis hin zu einem gravieren- wesen, wie noch vieles andere mehr, das zu nen- den Einbruch in die Freiberuflichkeit der Ärzte. Frau nen mir die Zeit nicht erlaubt. Dr. Neumeister hat dies schon dargelegt, und der Hier liegen die wirklichen Ursachen für das An- Kollege Höpfinger wird dies, wie ich glaube, im wachsen der Kosten, an dem alle teilhaben: Ärzte, Blick auf den Krankenhausbereich ebenfalls noch Politiker, Industrie, Gewerkschaften und der Bürger deutlich zeigen. selbst. Nur ist man nicht aufrichtig genug, dem Bür- Meine Damen und Herren, in diesen Tagen geden- ger diese Gründe auch deutlich zu nennen. Man ist ken wir des Professors Ludwig Erhard, des Schöp- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1901 Dr. Becker (Frankfurt) fers der Sozialen Marktwirtschaft. Die Soziale Markt- daß mit weiteren Erfolgen zu rechnen ist. Wenn Sie, wirtschaft ist in dem Vertrauen zu dem Menschen, Herr Egert, heute vormittag davon sprachen, daß das zu seiner Leistungsbereitschaft und zu seiner Ver- in den Betriebskrankenkassen Rhein-Ruhr anschei- antwortung begründet. Leistungswille und Schöp- nend nicht so läuft, kann ich Ihnen umgekehrt aus fungskraft entfalten sich aber nur dann voll, wenn dem Bereich der AOK Frankfurt sagen, daß diese sie von staatlicher Bevormundung, von Reglementie- im ersten Vierteljahr im Bereich der Arzneimittel rung und Zwang befreit sind. Daher sind wir der deutliche Senkungen zu verzeichnen hat. Dort ist der Auffassung, daß der Gesetzgeber seiner Verantwor- Kostenanstieg im Arzneimittelsektor im Vergleich tung für das gegliederte System der sozialen Kran- 1977 zu 1976 von 11,2 % auf 3,76 % heruntergegan- kenversicherung dann am ehesten gerecht wird, gen. Deutlichere Senkungen kann man wirklich nicht wenn er die Lösung. in einem freiheitlichen Rahmen vorführen. sucht, weil er dabei die günstigsten Wirkungen er- Hier hat die Ärzteschaft auch ihre Bereitschaft mit- zielt. Mit Investitionslenkung und -planung im Ge- geteilt, über den 1. Januar 1978 hinaus die Kosten- sundheitswesen ist viel weniger zu erreichen, wie dämpfung zu vereinbaren. In diesen Tagen wurde die Beispiele in den sozialistischen Staaten ja zu zei- die Honorarerklärung zwischen dem Verband der gen vermögen. Wer am schlechtesten dabei weg- Ersatzkrankenkassen und der Kassenärztlichen Bun- kommt, ist der Patient. desvereinigung bekannt, nach der die Partner auch Die CDU/CSU-Fraktion ist aus ordnungspoliti- im Jahre 1978, also erst im nächsten Jahr, ebenso schen Gründen davon überzeugt, daß die bessere wie im Jahre 1976 keine Erhöhung der Honorare vor- Lösung im Hinblick auf die Dämpfung der Kosten nehmen wollen, was praktisch ein Nullwachstum be- nicht durch dirigistische Maßnahmen, sondern durch deutet. ein Zusammenwirken aller Beteiligten erreicht wird. (Zuruf des Abg. Egert [SPD]) (Vorsitz: Präsident Carstens) Dies wäre weder 1976 noch 1978 mit den Vorstellun- gen und Vorlagen der Regierung zu bewirken ge- Hier sollen unter Berücksichtigung der bedarfsge- wesen bzw. zu bewirken. rechten und dem Stand der medizinischen Entwick- Man hat von Koalitionsseite immer wieder einge- lung entsprechenden Versorgung der Bevölkerung wendet, daß die freiwilligen Vereinbarungen un- bei ausgewogener Verteilung der Lasten die Orien- sicher seien. tierungsdaten und die Rahmendaten für die Lei- (Egert [SPD]: Richtig!) stungsbewertungen und die Leistungsentgelte ge- funden werden. Hier sollen auch Vorschläge über Herr Egert sprach heute morgen davon, es seien die bessere und wirtschaftlichere Anwendung der sich widersprechende Aussagen vorhanden. Weiter begrenzten Mittel und die Erhöhung der Wirksam- wird davon gesprochen, die alte Regelung sei bisher keit im Gesundheitswesen entwickelt und mitein- noch nicht von allen Landesverbänden unterzeichnet ander abgestimmt werden. Wenn Sie, Herr Hölscher, worden. Meine Damen und Herren, ich bin dem nun davon ausgehen, daß dann, wenn die Länder nachgegangen. Die Ursache, warum das noch nicht mit beteiligt sind, der Staatskommissar bereits mit unterzeichnet ist, hat nichts mit der Vereinbarung im Spiele sei, so sehen Sie nicht, daß es sich um zu tun, aber auch gar nichts. Vielmehr hängt dies mit eine freiheitliche Vereinbarung handeln soll. Es soll einer Abklärung zusammen, ob die Abmachung — nicht etwa so sein, daß der Deckel gewissermaßen Steigerungsrate höchstens bis zu 8 % — für die Ge- mit dem Hammer aufgesetzt und nur soviel Spiel- samtheit der Mitglieder und Rentner oder nur für raum gegeben wird, wie der Deckel übrigläßt. Mitglieder oder für Rentner gilt. Darüber hinaus ist nichts anderes im Spiel. Jede andere Deutung wäre (Beifall bei der CDU/CSU) böswillig. Meine Damen und Herren, diese Aktion steht un- seres Erachtens auch unter einem Erfolgszwang, Die CDU/CSU-Fraktion erwartet von der konzer- denn die Bundesregierung soll nach zwei Jahren be- tierten Aktion aber auch, daß sie bei der Erarbei- richten, ob und wie es geklappt hat. Gelingt es aber tung ihrer Lösungen die vielfältige Verzahnung des — entgegen unserer Annahme — nicht, die Kosten Gesundheitswesens viel eher berücksichtigen kann, im Gesundheitswesen in eine vernünftige Relation so daß die höchstwahrscheinlichen negativen Folgen zu den vorhandenen Mitteln zu bringen, dann erst der dirigistischen Maßnahmen nicht eintreten wer- hält die CDU/CSU die Zeit für gesetzliche Maßnah- den. Bei der Verkettung des gesamten Gesundheits- men in einem entsprechenden Rahmen für gekom- systems untereinander drohen Nachteile bis .hin zu men. Wir sind für die konzertierte Aktion, weil wir Arbeitsplatzverlusten in vielen Sparten, wie wir die freiheitliche Lösung als die stärkere ansehen ebenfalls im Hearing von den Sachverständigen hö- und von ihr eine stärkere Wirkung erwarten. Wir ren konnten. fühlen uns um so mehr in unseren Erwartungen be- (Zuruf des Abg. Egert [SPD]) stärkt, als die Ergebnisse der freiwilligen Vereinba- Wenn ich die freiwilligen Vereinbarungen mit rungen zwischen Ärzten und Krankenkassen aus ihren positiven Ergebnissen mit den dirigistischen dem Jahre 1975 bereits im Jahre 1976 eine erheb- Vorschriften dieses Strukturveränderungs- und Bei- liche Reduzierung des Kostenzuwachses nicht nur im tragserhöhungsgesetzes — wie es Herr Franke heu- ärztlichen Bereich, wo die Vereinbarungen getroffen te vormittag bezeichnete — und seinen zu befürch- wurden, sondern darüber hinaus auch in allen ande- tenden Folgen vergleiche, fällt mir die Präambel ren Sparten des Gesundheitswesens zur Folge hat- des Gesundheitsprogramms der FDP ein, die mit den ten. Diese Senkung setzt sich in diesem Jahr fort, so Worten beginnt: „Die Gesundheitspolitik der FDP 1902 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Dr. Becker (Frankfurt) wird durch den Grundwert der Freiheit bestimmt". Einzelregreß, um die schwarzen Schafe, von denen Frau Neumeister hat schon die These 12 in Ihrem Sie sicherlich auch wissen und deren Vorhandensein Programm angeschnitten, die besagt: „Die freiheit- mir von vielen Ihrer Kollegen draußen bestätigt lichen Strukturen des gegliederten Systems und sei- worden ist, an den Kanthaken zu kriegen, und nun ner Selbstverwaltung sind auszubauen". ist Ihnen das auch wieder nicht recht. (Zuruf des Abg. Egert [SPD]) (Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU] : Es dreht sich um die Praktikabilität!) Sie, Herr Kollege Schmidt, haben dieses gesund- heitspolitische Programm vor noch nicht einmal — Sicher, Sie müssen immer ein praktikables Ver- einem halben Jahr, am 20. November 1976, in Frank- fahren finden. Da sind wir uns einig. Aber Sie furt auf Ihrem 27. Bundesparteitag vorgestellt und können doch nicht sagen, Kostendämpfung sei nötig, dabei folgende Worte gebraucht — ich zitiere mit aber die eine Lösung sei kollektiv, die andere sei Genehmigung des Herrn Präsidenten —: nicht praktikabel, selber aber keine Gegenvor- schläge machen. Die Selbstverwaltung der Pflichtkassen, der Ersatzkassen und der Kassenärzte hat mit ihren (Zustimmung bei der SPD) 1975 und 1976 geschlossenen Abkommen zur Zu der Frage der Ursachen der Kostensteigerung Begrenzung des Honorarzuwachses bestätigt, haben wir von Herrn Dr. Becker einiges gehört, daß sie aus eigener Verantwortung die notwen- was sicherlich diskutierenswert ist. Bloß sollte man digen Konsequenzen aus der Kostenentwick- nicht die Frage nach der ständig notwendigen Er- lung zieht. Wir treten dafür ein, diese Politik höhung des Haushaltsgeldes damit beantworten, daß der Kostendämpfung im staatsfreien Raum fort- die Streichhölzer teurer geworden seien. — Was zusetzen. ich damit sagen will, ist, daß Sie sich damit ge- (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein schickt um die Tatsache herumgemogelt haben, daß [CDU/CSU] : Hört! Hört!) die entscheidenden Ausgabenpositionen der gesetz- Einheitliche Honorarforderungen und einheitli- lichen Krankenversicherung natürlich die Arznei- che Gebührenordnungen sind mit dem geglie mittelkosten sind und daß bei den niedergelassenen derten System, wie wir es verstehen, nicht ver- Ärzten die zunehmende Anwendung von Apparate- einbar. medizin zu einer erheblichen Ausweitung der Ko- sten geführt hat. Das wollen wir doch nicht bestrei- Wenn man diese Worte hört und das Gesetz liest, ten; denn sonst würden wir den Blick darauf ver- an dem Sie mitgewirkt haben, versteht man ein hal- nebeln, worum es wirklich geht. Die anderen bes Jahr danach die FDP nicht mehr. Da kann man Punkte, die Sie angeführt haben, diskutieren wir nur sagen: Wohin bist du gegangen! gerne mit. Aber auch Sie kennen die Statistiken der - (Beifall bei der CDU/CSU — Prinz zu Sayn Krankenkassen, nach denen diese Punkte nur einen Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU] : Das minimalen Bruchteil des Gesamtzuwachses der Ko- sind die Sonntagsreden bei den Versamm sten ausmachen. lungen der Ärzte!) Lassen Sie mich einen dritten Punkt ansprechen, Es ist Ihr Problem, meine Damen und Herren der den Sie hier vorgebracht haben. Ich fand es eigent- FDP, wie Sie Ihren Wählern das klarmachen kön- lich ziemlich leichtfertig, daß Sie hier das Wort in nen. den Raum gestellt haben, mit Planung sei im Ge- sundheitswesen nichts zu lösen. Nun frage ich Sie: Die CDU/CSU-Fraktion lehnt aus den genannten Warum haben Ihre befreundeten Bundesländer prinzipiellen und auch durch die Erfolge bereits vor Bayern und Baden-Württemberg im vorletzten Jahr bestätigten Gründen die Änderungen der §§ 368 f im Bundesrat Anträge eingebracht, Bedarfspläne für und 368 i RVO ab und fordert die konzertierte Ak- tion aller Beteiligten zur Lösung der Probleme zum die Kassenarztsitze zu entwickeln? Warum gibt es Nutzen der Kranken und der Betroffenen. auch in von Ihren Freunden regierten Ländern Kran- kenhausbedarfspläne und gelegentlich sogar Be- (Beifall bei der CDU/CSU) darfspläne für flankierende Maßnahmen? Wenn das nicht Planung ist! Es mag ja sein, daß sie sich nicht Präsident Carstens: Das Wort hat nunmehr Herr nach Kriterien vernünftiger Planung verhalten; sie Abgeordneter Kuhlwein. erwecken aber auf jeden Fall nach außen hin den Eindruck. Man sollte es sich also nicht so einfach machen, die Planung im Gesundheitswesen, wo es Kuhlwein (SPD) : Herr Präsident! Meine sehr ver- ehrten Damen und Herren! Ich darf mich zunächst bei der gesetzlichen Krankenversicherung immerhin mit einigen Ausführungen des Kollegen Dr. Becker um Beträge von mehr als 60 Milliarden DM geht, auseinandersetzen. Mir fiel auf, daß er die im Aus- so von der Hand zu weisen und zu sagen, da könne schuß gefundene Regelung kritisiert hat, nunmehr den man im freien Spiel der Kräfte so weiterwurschteln Einzelregreß zu verstärken. Ich habe mich darüber wie bisher. gewundert, weil ich in den Diskussionen der letzten Ein Wort zum Kollegen Hölscher. Er ist, glaube Monate erfahren habe, daß gerade der Verdacht, ich, nicht mehr im Saal. Er hat einen Vergleich zwi- Ärzte könnten kollektiv für ihre Arzneimittelver- schen Albanien und den niedergelassenen Ärzten schreibung zur Rechenschaft gezogen werden, eines gezogen. Dieser Vergleich trifft natürlich nicht ganz, der Hauptargumente Ihrer Kollegen, Herr Dr. Bek- denn in Albanien pflegen die Präsidenten sicher zu ker, draußen gewesen ist. Nun machen wir einen sitzen. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1903 Kuhlwein Meine Damen und Herren, die Debatte, wie sie ordnung, bei der einen kommt mehr heraus für die bisher von der CDU geführt worden ist, ist einem Ärzte, bei der anderen kommt weniger heraus für ideologischen Rundumschlag sehr nahe gekommen. die Ärzte? Welche Vorteile hat das eigentlich für In diesem Zusammenhang tauchte dann immer, mehr den Patienten, für den Versicherten? oder weniger versteckt, der Vorwurf auf, Sozial- Ein Problem, das den Gegnern von „Einheitsver- demokraten wollten einen staatlichen Gesundheits- sicherung" auch entgegengehalten werden muß, ist dienst einführen. Und dann kommen die Schreckens- das, daß die meisten Ersatzkassen längst Einheits- bilder aus dem Fernsehen mit Schweden und Groß- versicherungen sind, wo die Versicherten im Baye- britannien. Oder es wird von Teilen der Sozial- rischen Wald denselben Beitragssatz zu zahlen demokraten gesprochen, wie Sie, Frau Kollegin haben, obwohl dort die Angebote in der Gesund- Neumeister, das unter Bezuganhme auf Juso-Be- heitsversorgung sehr viel schlechter sind als die schlüsse getan haben. Bevor Sie hier argumentieren in Frankfurt oder München. Von regionaler Gerech- und Grundsatzfragen stellen, sollten Sie sich über tigkeit in dieser Einheitsversicherung Ersatzkasse die Beschlußlage in unserer Partei informieren. Wir — DAK, BEK usw. — kann wohl nicht die Rede stehen vor einem Bundesparteitag, der sich mit sein. einem gesundheitspolitischen Konzept, dargestellt in den „Leitsätzen", beschäftigen wird. Zentraler Punkt Ich verstehe aber auch nicht, warum Sie, Frau in diesen Leitsätzen ist ein integriertes System der Kollegin Dr. Neumeister, da Sie die E-Adgo für so medizinischen Versorgung, das in Selbstverwaltung besonders gut halten, die Vorzüge dieser Gebüh- organisiert werden soll, und davon halten wir eine renordnung nicht den übrigen RVO-Patienten auch ganze Menge, wobei allerdings Selbstverwaltung zugute kommen lassen wollen; denn wenn das für nach unserem Verständnis nicht heißt, eine Gruppe den einen Patienten gut ist, muß es doch für den der Gesellschaft verwaltet sich selbst und die an- anderen auch gut sein. Wir alle sollten uns bemü- deren gleich mit, sondern wir meinen, daß alle be- hen, daß wir in die zu erstellende Vertragsgebühren- troffenen Gruppen die Möglichkeit bekommen müs- ordnung die wesentlichen Elemente der E-Adgo sen, in einer solchen Selbstverwaltung ihre Inter- hineinbekommen, die dazu beitragen, daß RVO- essen zur Geltung zu bringen. Insoweit unterschei- Patienten in Zukunft auch alle die Vorzüge genie- det sich das System, das wir anstreben, von dem ßen können. heute vorhandenen. Wenn Sie das dann System- Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, veränderung nennen, ist Ihnen das natürlich unbe- noch einige Bemerkungen zur konzertierten Aktion. nommen. Wir haben ja nichts gegen Konzerte. Auch bei uns gibt es musikalische Leute. Meine Damen und Herren, die Frau Kollegin- Neumeister sieht einen Einstieg in die Einheitsver- (Zuruf von der CDU/CSU: Aber keine Har sicherung in der Frage der bundeseinheitlichen monie! — Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Ho Empfehlungen und in der Frage des zu entwickeln- henstein [CDU/CSU] : Lernen Sie erst einmal den gemeinsamen Bewertungsmaßstabes. Ich habe singen !) diese Fragen in den letzten Wochen gerade auch — Ich kann wunderbar singen. Wir können nachher mit Vertretern der Ersatzkassen weidlich diskutiert mal rausgehen und singen dann im Duett. Vielleicht und darf Ihnen in diesem Zusammenhang von einem vergehen Ihnen dann die Mißtöne, die Sie jetzt in Gespräch berichten, bei dem niedergelassene Ärzte diese Debatte bringen. und Ersatzkassenvertreter an einem Tisch saßen (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU] : An- und die Vertreter der Ersatzkassen in schöner Deut- lichkeit die Vorzüge der Ersatzkassen predigten fangen! — Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Ho- und versuchten, mir unter anderem deutlich zu ma- henstein [CDU/CSU] : Wenn Ihr Gesang so chen, daß es doch ein erheblicher Vorzug sei, in ist wie Ihre Rede, dann lassen Sie es lieber!) einer solchen Kasse versichert zu sein. Dann habe Wenn man sicher wäre, daß sich dieses Konzert ich gefragt, wieso, ob das damit zusammenhänge, gelegentlich auch als Streichquartett konstituieren daß sie den Ärzten mehr bezahlten. Darauf habe würde, wäre gegen ein solches Konzert gar nichts zu ich keine befriedigende Antwort bekommen. Ich sagen. Solange wir aber davon ausgehen müssen, habe dann die anwesenden Ärzte gefragt, ob sie daß die Kassenärztliche Bundesvereinigung wie bis- denn Ersatzkassenpatienten besser behandelten, her die Sologeige spielt und sich nicht an die Noten weil ja die Ersatzkassen für die Patienten mehr hält, solange ist eine Symphonie im Wortsinne des zahlten. Sie haben den Kopf geschüttelt und das Zusammenklangs der Instrumente nicht zu erwar- natürlich im Brustton der Überzeugung von sich ten. gewiesen. Nun stand ich als relativer Laie etwas (Zuruf von der CDU/CSU) dazwischen: Wem soll ich nun glauben? Ist es nun nur etwas teurer, einen besonderen Geschmack zu Deshalb, meine Damen und Herren, wollen wir So- haben und in der Ersatzkasse zu sein mit den bes- zialdemokraten ein Orchester haben, das nach Noten seren Bedingungen dort? Oder aber gibt es bei den spielt. niedergelassenen Ärzten doch noch ein Klassen- (Beifall bei der SPD und der FDP) system? Sie Frau Kollegin Dr. Neumeister, werden Diese Noten hat dieses Hohe Haus als Gesetzgeber doch sicher sagen, das gibt es nicht mehr. Dann stellt dafür zu liefern. Wir halten es für den sozialen Frie- sich natürlich die Frage: Welche Vorzüge hat das den nicht für zuträglich, wenn der Anbieterseite in eigentlich mit diesem insoweit gegliederten System, ihrer konzertierten Aktion in freiwilliger Selbstbe- hier eine Gebührenordnung, dort eine Gebühren- schränkung die Kostendämpfung überlassen bleibt, 1904 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Kuhlwein während die Nachfrageseite, also die Patienten, Jaunich (SPD) : Kollege Kuhlwein, wären Sie be- ihren Beitrag zur Kostendämpfung in Leistungsbe- reit, mir zu bestätigen, daß der frühere Sozialmini- schränkungen gesetzlich vorgeschrieben erhalten sol- ster von Rheinland-Pfalz und heutige Generalsekre- len. Es ist nach unserer Aufassung erforderlich, daß tär der CDU, Herr Geißler, keine konzertierte Aktion den Selbstverwaltungen verbindliche Grundlinien gefordert hat, sondern daß er der Bundesregierung und verbindliche Orientierungsspielräume für die den Vorwurf gemacht hat, sie tue gesetzgeberisch kostendämpfenden Maßnahmen gesetzt werden. Eine nichts, um die Kosten einzudämmen? konzertierte Aktion, wie Sie sie in Ihrer Formulie- (Sehr wahr! bei der SPD) rung von § 405 a und 405 b der Reichsversicherungs- ordnung vorschlagen, muß von vornherein unver- bindlich sein, wenn sie überhaupt funktionsfähig Kuhlwein (SPD) : Diese Frage, die eine Feststellung bleiben soll. enthielt, kann ich nur bestätigen. (Franke [CDU/CSU] : Sie haben ihn nicht (Dr. Blüm [CDU/CSU] : War das eine Frage?) richtig gelesen!) Deswegen wundert es mich, daß Sie heute aus der — Herr Kollege Franke, wir sollten doch einmal fra- Frage konzertierte Aktion oder Gesetz einen ideolo- gen, wer eigentlich die Betroffenen im Gesundheits- gischen Kriegsschauplatz gemacht haben. wesen in den letzten 20 Jahren davon abgehalten Meine Damen und Herren, wir können uns nur hat, in einer konzertierten Aktion kostendämpfende wundern, daß es auf der letzten Bundeshauptver- Maßnahmen zu erarbeiten, zu empfehlen und zu ver- sammlung des Hartmannbundes hieß, über die Jahre wirklichen. 1976/77 hinaus werde es ein zweites Mal eine sol- (Zustimmung bei der SPD und der FDP — che Empfehlungsvereinbarung nicht geben. Der erste Dr. Blüm [CDU/CSU] : Wie lange sind Sie in Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereini- der Regierung? Wie lange ist die SPD in gung, Herr Dr. Muschallik, hat am 11. Dezember der Regierung?) 1976 das gleiche noch einmal geäußert. Der stellver- tretende Vorsitzende des NAV, Herr Dr. Maiwald, — Herr Kollege Blüm, wenn wir ein Kostendämp- hat im Zusammenhang mit der Empfehlungsverein- fungsgesetz früher vorgelegt hätten, hätten Sie uns barung von einer „Garotte" gesprochen. Wir müssen noch viel früher gesagt, daß jetzt vielleicht eine das hier heute leider noch einmal so vortragen, konzertierte Aktion in Gang komme, die Entwick- weil das sicherlich nicht dazu beiträgt, Vertrauen lungen, die auch Sie für verhängnisvoll halten, ein- in die von Ihnen in § 405 vorgeschlagene konzertierte dämmen könnte. Wir haben ja doch lange genug ge- Aktion zu setzen. Wir können bei der Kostendämp- wartet. fung nicht darauf warten, daß bis 1979 noch einmal - (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein alles denen überlassen bleibt, die schon in der Ver- [CDU/CSU] : Ja, sehr gut! — Franke [CDU/ gangenheit Kostendämpfung nicht ernsthaft genug CSU]: Eben! Beifall bei der Opposition!) betrieben haben. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Es gab doch freiwillige Empfehlungsvereinbarungen, Schluß eine wirklich unabhängige liberale Zeitung die dazu hätten führen können, daß erhebliche Ko- zitieren, die zu ähnlichen Schlüssen kommt wie wir. stensenkungen eintreten. Es gab doch genügend In der „Süddeutschen Zeitung" von heute heißt es Freiraum, den die Selbstverwaltung in den vergan- im Kommentar auf Seite 4 — ich darf mit Genehmi- genen Jahren hätte ausgestalten können. Das Ergeb- gung des Herrn Präsidenten zitieren —: nis war, wenn Sie an die erste Empfehlungsvereinba- rung von 1975 und an die Arzthonorarsteigerungen Ob ein gemeinsam von allen Beteiligten demon- sowie die Gesamtvergütungssteigerungen denken, strierter Wille zur Sparsamkeit nicht letzten die sich daraus ergeben haben — — Endes eine gesetzliche Regelung zur Begren- zung der Ausgabenflut überflüssig macht, ist (Franke [CDU/CSU] : Aber, Herr Kollege, indessen nur scheinbar die Frage. Eine grund- Sie haben doch die Tatsachen geleugnet! legende Veränderung der Struktur des gesamten Sie haben doch immer gesagt: Schwarzmale Kassenarzt- und Krankenkassenwesens ist nach rei und Horrormeldungen!) den gewaltigen Kostensprüngen der vergange- — Wer hat denn, Herr Kollege Franke, nen Jahre nicht länger aufzuschieben.

(Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein Etwas weiter unten heißt es: [CDU/CSU] : Herr Arendt!) Eine gesetzliche Regelung ist unerläßlich. Wenn in Fragen der gesetzlichen Krankenversicherung et- sie jetzt unterbleibt, haben die Beitragszahler, was geleugnet? Die Bundesgesundheitsministerin Arbeitnehmer und Betriebe, das Risiko einzuge- Focke hat sich dafür eingesetzt, daß es zur ersten hen, daß es mittelfristig, wenn die Anstands- bundeseinheitlichen Empfehlungsvereinbarung über- frist für die jetzt praktizierte vornehme Zurück- haupt gekommen ist. haltung verstrichen ist, wieder zu außergewöhn- lichen Ausgabensteigerungen kommt. Präsident Carstens: Herr Abgeordneter, gestatten Weil wir derselben Meinung sind wie der Kommen- Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jaunich? tator in der „Süddeutschen Zeitung", lehnen wir Ihre Anträge zu diesem Bereich ab. Kuhlwein (SPD) : Ja, gern. (Beifall bei der SPD und der FDP) Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1905

Präsident Carstens: Das Wort hat der Herr Ab- Die Steigerungsrate der Kosten im Gesundheits- geordnete Cronenberg. wesen betrug 1974 18,9 %, 1975 18,3 % und in dem hochgelobten Jahr 1976 9,2 %, (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Schon wieder?) (Zuruf des Abg. Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU]) Cronenberg (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Blüm, Sie sagen: „schon — stimmt nicht; die Gesamtkostensteigerung be- wieder" . Herr Kollege Hölscher hat schon auf das trägt 9,2 %, das ist unbestritten — was Beweis da- mittelständische Unternehmen FDP mit seiner Effek- für ist — Frau Dr. Neumeister, bitte seien Sie so tivität hingewiesen. Die Konzentration in der Ar- nett und klären den Kollegen Dr. Becker auf, daß gumentation dient vielleicht auch der Kürze der diese Zahl stimmt —, daß das schlicht und ergrei- Debatte. fend unerträglich zuviel ist. Dies muß man auf dem Hintergrund dessen sehen, was mein Herr Vorred- (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Arbeitskräftemangel!) ner hier richtigerweise ausgeführt hat, nämlich daß Herr Dr. Becker hat — und in diesem Punkt hier Selbstverpflichtungen vorgenommen worden möchte ich ihm beipflichten — sehr richtige Aus- sind, von denen ausdrücklich — zugegebenerma- führungen zu sozialistischen und dirigistischen Maß- ßen; zu einem anderen Zeitpunkt des Standes der nahmen gemacht. In diesem Punkt stimmte ich mit Diskussion — erklärt worden ist, sie würden nicht ihm voll überein. Ich glaube, Herr Dr. Becker, wenn wiederholt, es handle sich um einmalige Aktionen. Sie das Gesetz etwas gewissenhafter gelesen hätten Im übrigen, verehrter Herr Kollege Dr. Becker, und die Dinge ein wenig gewissenhafter geprüft bitte ich Sie - soviel verstehen auch Sie vom klei- hätten, nen Einmaleins —, zu berücksichtigen, daß diese (Dr. George [CDU/CSU] : Das hat er, weiß 9,2 % auf der Grundlage der unerträglich hohen Gott!) Steigerungsraten 1974 und 1975 zustande gekommen — ich werde auf die Dinge eingehen, Herr Dr. sind. Wenn sich dies so fortsetzt, dann können wir George —, dann wären Sie nicht zu diesem Schluß uns ausrechnen, meine Damen und Herren, wann gekommen. Auch für uns sind Schweden und Eng- wir. 20 % oder noch mehr für den Sektor Gesund- land Beispiele, allerdings schlechte. Wenn Sie uns heit ausgeben müssen. Das ist unerträglich. Dirigismus und Sozialismus vorwerfen, (Sehr wahr! bei der SPD) (Müller [Berlin] [CDU/CSU] : Was sagt Der Bürger beschwert sich mit Recht, daß die denn Ihr Koalitionspartner dazu?) Abgaben und Steuern in diesem Lande zu hoch dann frage ich mich allen Ernstes: wieso das im seien. Ihr Vorsitzender, Herr Kohl, spricht in diesem Zusammenhang mit diesem Gesetz? Wenn das, was Zusammenhang von der „Taschengeldgesellschaft". hier realisie rt wird, Sozialismus ist, dann könnte Wie ist denn die Situation tatsächlich? Die Steuer- man sich fast mit dem Sozialismus versöhnen. Da ich lastquote ist gleich geblieben, seit 1969 sogar ge- diese Absicht nicht habe, aber diesem Gesetz ruhi- sunken. Das muß man in diesem Zusammenhang gen Gewissens zustimme, können Sie versichert einmal mit aller Deutlichkeit sagen. Die Steuerlast- sein, daß hier sozialistische Elemente nicht zu fin- quote in diesem Lande ist weitaus geringer als Mitte den sind. der 50er und 60er Jahre. Das ist der eine Teil dessen, was dem Bürger an frei verfügbarem Einkommen Einer der entscheidenden Maßstäbe, ob hier genommen wird. Der zweite — — mehr Dirigismus oder weniger Dirigismus einge- führt werden, ist doch die Antwort auf die Frage: (Zurufe des Abg. Dr. Blüm [CDU/CSU] und Sind in diesem Gesetz mehr Rechte und Verpflich- des Abg. Dr. George [CDU/CSU]) tungen für den Staat eingebaut als bisher oder we- — Nein, Herr Dr. George, der ist sogar noch höher, niger, wird die Selbstverwaltung gestärkt oder wenn Sie die von mir nicht sehr geliebte Regelung nicht? Hier kommt man doch eindeutig zu dem Ergebnis, der Kindergeldzahlung noch miteinbeziehen. Hier (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Mehr Staat!) wurde vorher abgezogen. Jetzt wird zugeschlagen. Objektiverweise müssen Sie also sagen, daß dieser daß die Selbstverwaltung hieraus gestärkt hervor- Teil, wenn Sie echt vergleichen, noch nicht einmal geht. zur Steuerlastquote zu zählen ist. So gesehen, ist (Müller [Berlin] [CDU/CSU] : Mehr an den der Unterschied erheblich höher. Dies ad 1. Staat herangerückt ist!) Ad 2. Der Bürger trägt die Ausgaben für seine Wenn Sie in diesem Zusammenhang den Dirigismus Rentenversicherung und für die Vorsorge im Alter. bekämpfen wollten, dann müßten Sie mit der Wir bemühen uns hier, die Beiträge stabil zu halten Zwangsversicherung anfangen. Die wollen wohl Sie und nicht zu steigern, also bei 18 % zu bleiben. Wir genausowenig wie wir abschaffen. sind keiner der Versuchungen erlegen, die teilweise Wir haben uns mit der Tatsache abzufinden, daß auch von Ihnen ernsthaft diskutiert worden sind. Ich die Steigerungsraten der Kosten im Gesundheits- freue midi, daß sich in diesem Zusammenhang bei wesen in den vergangenen Jahren unerträglich hoch Ihnen die bessere Erkenntnis durchgesetzt hat, näm- gewesen sind. In den letzten sieben Jahren — das lich die Lösung nicht in der Steigerung dieses Bei- ist eindeutig, klar und bewiesen — ist ihr Anteil trags zu sehen. am Volkseinkommen von 9 % auf 14 % gestiegen. (Beifall bei der FDP und der SPD) 1906 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Cronenberg Das letzte ist der Anteil für die Kosten des Sek- hat — was zumindest beweist, daß auch nichtlibe- tors Gesundheit. Darauf bin ich eben schon einge- rale Zeitungen vernünftige Mitarbeiter haben kön- gangen. Das sind die drei wesentlichen Faktoren. nen. Herr Müller schreibt: Wie wollen wir die Verhältnisse im Gesundheits- Wir brauchen Aktion statt Konzert. Die Aktion wesen regeln? Erstens. Wir versuchen, die Kosten muß nicht so brutal sein wie bei der Bremsung für ärztliche Leistungen festzuschreiben, und zwar des Rentenwachstums. Den Beteiligten soll ja auf einem sehr hohen Niveau mit Steigerungsmög- nur auferlegt werden, in Selbstverwaltung gute lichkeiten. Die Kehrseite der Medaille — das soll Lösungen zu finden. Die Selbstverwaltung der auch hier in aller Offenheit gesagt werden — ist Ärzte hat ohnehin ihre Möglichkeiten noch schlicht und ergreifend, daß den Ärzten als einzigem nicht ausgeschöpft,. Berufsstand unter den Selbständigen quasi eine Ein- (Zuruf des Abg. Müller [Remscheid] [CDU/ kommenssteigerungsgarantie gegeben wird. Wer CSU]) bekommt das denn sonst? Keinem Unternehmer wird die etwa aus der Überrundung der praktischen garantiert, daß die Preise sozusagen per Staat ga- Ärzte durch Spezialisten hervorgehen, die den rantiert gesteigert werden können. Dies ist der Kranken langsam, aber sicher um seinen Haus- Inhalt der Zusage. arzt zu bringen droht. Außerdem bleibt es der Selbstverwaltung durch- Die konzertierte Aktion des Wirtschaftsministe- aus überlassen, die Ungerechtigkeit innerhalb der riums, die hier offensichtlich als Vorbild gedient hat, ärztlichen Entgelte zwischen den einzelnen Gruppen ist natürlich etwas ganz anderes. Das ist eine unver- zu klären. Für mich ist es immer uneinsichtig gewe- bindliche Empfehlungsrunde. Was Sie vorschlagen, sen, warum der hart arbeitende praktische Arzt ist ein Mixtum aus einer konzertierten Aktion, be- x-mal weniger verdient als der Zahnarzt, der Gynä- stehend aus Selbstverwaltung und Staat, und einer kologe, der Chirurg. Es bleibt hier durchaus ganz Art Zwangsauflage, die Dinge in Ordnung zu brin- der Selbstverwaltung überlassen, in den eigenen gen. Ich glaube, daß wir hier nicht weiterkommen. Reihen hier für ein Stückchen mehr Gerechtigkeit zu Deswegen lehnen wir das in dieser Form ab. sorgen. Damit ist garantiert, daß den Ärzten auf Diese konzertierte Aktion würde das sehr schwie- einem hohen Niveau Steigerungsraten, die erforder- rige Geschäft der Selbstverwaltung, die Dinge sel- lich sind, zustehen. ber in Ordnung zu bringen, in meinen Augen nur Zweitens. Wir versuchen, die Ausgaben für die erschweren. Man muß sich doch fragen, ob diejeni- Medikamente zu beschränken. In aller Offenheit ge- gen, die mit der konzertierten Aktion spielen, nicht sagt: Ich bin schon lange der Meinung, daß dieser in Wirklichkeit darauf spekulieren, doch noch zu Selbstbedienungsladen ohne Kasse und ohne Kon- überdurchschnittlichen Steigerungsraten zu kom- trolle in dieser Form geschlossen werden muß. Hier men. Das ist genau das, was wir nicht wollen. haben wir einen sehr positiven Ansatz gebracht, Ich gehe davon aus, daß wir die Dinge mit ver- nämlich daß die, die mitgestalten können, also die nünftigen Maßnahmen hoffentlich früh genug in verordnenden Ärzte, die Verpflichtung haben, ihre Ordnung bringen; denn das wissen die Mediziner ja Verordnung sinnvoll auch unter dem Kostengesichts- am besten: Wer zu lange wartet, wer zu lange punkt vorzunehmen. Man kann es nur dankbar be- zögert, um solche Wucherungen und Fehlentwick- grüßen, daß wir — wir sind ja lernfähig — uns hier lungen zu beschneiden, hilft dem Patienten sicher- von der Globalkürzung zum bewegt Einzelregreß lich nicht, sondern schadet ihm. Und dieser Patient haben. Sektor Gesundheit ist durchaus heilungsbedürftig. Auf den dritten großen Kostenfaktor im Gesund- Nun lassen Sie mich zum Schluß noch einige möchte ich heitswesen, nämlich das Krankenhaus, Worte zu Ihren Bemerkungen sagen, verehrter Herr nicht im Detail eingehen. Das sind Fragen, auf die Kollege Dr. Becker, die Sie zu unserem gesundheits- Hansheinrich Schmidt gleich zu sprechen kommen politischen Programm, was offensichtlich Ihr leb- wird. Nur eines lassen Sie mich in diesem Zusam- haftes Interesse gefunden hat, von hier aus gemacht menhang sagen. Ich bin zutiefst von der Notwendig- haben. Zunächst einmal eine grundsätzliche Fest- keit überzeugt, den Bau der Bürgermeistergedächt- stellung. Ihre Ausführungen enthielten sehr viel nis-Krankenhäuser zu stoppen und keinen Überhang Richtiges und sehr viel Neues. Bedauerlicherweise an Betten zu produzieren. Auch müssen wir — un- war das Neue nicht richtig und das Richtige nicht sere Bemühungen in diesem Zusammenhang sind ja neu. durchaus redlich und vernünftig — für eine Gleich- stellung der kommunalen Krankenhäuser und der Wenn das gesundheitspolitische Programm der Ihre Zustimmung findet, verehrte Frau freigemeinnützigen Krankenhäuser Sorge tragen. Ich Liberalen glaube, hier werden wir zu einem guten Ergebnis Kollegin Dr. Neumeister, müßten Sie diesem Ge- kommen. setz zustimmen; (Beifall bei der FDP und der SPD) Zur Lösung all dieser Probleme dieser drei Ko- stenfaktoren empfehlen Sie uns nun eine konzertierte denn dies Gesetz beinhaltet ungeheuer viele Ele- Aktion. In diesem Zusammenhang möchte ich — mente unseres Programms. Es ist mir deswegen un- mit freundlicher Genehmigung des Herrn Präsiden- verständlich, wie diese Gesetzesvorlage eine solch ten — eine nicht gerade liberale Zeitung zitieren, harte Kritik durch Sie erfahren hat. Genau der Frei- nämlich „Die Welt", wo Herr Albert Müller sehr heitsanspruch, den wir in unserem Programm postu- sinnvolle Ausführungen zu diesem Thema gemacht liert haben, ist im Gesetz realisiert worden. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1907 Cronenberg Lassen Sie mich das an einem Beispiel erläutern. gingen? Wer hat denn die 7 b-Abschreibung im Sie behaupten, wir würden eine einheitliche Ge- Wohnungsbau ausgesetzt, als der Boom im Woh- bührenordnung installieren. Wo steht denn das in nungsbau schon vorbei war? Wer wollte die Belast- dem Gesetz? Dort steht lediglich und richtigerweise, barkeit der Wirtschaft prüfen? Wer hat den Gewinn daß wir einheitliche Bewertungsmaßstäbe für be- verteufelt? Das waren die Dinge, die die Verun- stimmte Leistungen als Voraussetzung für die bes- sicherung gebracht haben. Wenn Sie jetzt damit nicht sere Beurteilung, als ein Stückchen mehr Transpa- fertig werden, können wir nur sagen: Stellen Sie renz für richtig halten. Dahinter stehe ich. Die ver- Ihre Politik um und schaffen Sie eine Vertrauens- tragliche Absicherung der Honorare durch Einzel- basis. Dann könnte es im eigenen Land auch wieder verträge ist nirgendwo beschränkt. Im Gegenteil: aufwärts gehen. Die Dinge sind völllig offengelassen. Das wissen (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der Sie, verehrter Herr Kollege Dr. Becker, doch genau- SPD) so wie ich. Nun komme ich zu dem Teil des Krankenversiche- Die Zulassung der Krankenhausärzte zur ambu- rungs-Kostendämpfungsgesetzes, den ich behandeln lanten Versorgung ist Bestandteil unseres Pro- darf. Das sind die Bestimmungen, die das Kranken- gramms. Das ist realisiert. Die Frage der Belegärzte hausfinanzierungsgesetz betreffen. Hierbei, meine ist in diesem gesundheitspolitischen Programm an- sehr verehrten Damen und Herren, geht es nicht um gesprochen und in concreto durchgeführt. Wenn es Kostendämpfung, sondern um einen Eingriff in das Ihnen gelänge, Ihre programmatischen Vorstellun- Krankenhaus- und das Gesundheitswesen. Ich trete gen so schnell und so gründlich durchzusetzen, den Beweis an: Wer sich den SPD-Orientierungs- wären Sie sicher sehr glücklich. rahmen 1975/85 im Abschnitt „Gesundheitswesen" Wenn ich Ihre Bemerkungen zu unserem gesund- einmal ansieht, wird feststellen, daß einige Vorstel- lungen dieses Orientierungsrahmens Eingang in die heitspolitischen Programm der Beurteilung des Ge- Gesetzesvorlage gefunden haben, die wir heute in samtsachverhalts durch Sie zugrunde lege, müßte der zweiten und morgen in der dritten Lesung be- ich ja fast der Hoffnung sein, daß Sie den Gesetzen handeln. morgen doch noch zustimmen können. (Zurufe von der SPD) (Beifall bei der FDP und der SPD) Ich nenne diese Punkte. Erstens, es soll nach bun- deseinheitlichen Kriterien geplant werden. Zweitens, Präsident Carstens: Das Wort hat der Herr Ab- der Bund muß die Rahmenkompetenz erhalten. So geordnete Höpfinger. heißt es in diesem Orientierungsrahmen. Man kann - nichts dagegen haben, wenn sich die SPD ein solches Ziel setzt. Fragen muß man sich nur, welcher Wan- (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine sehr Höpfinger del bei der FDP vor sich gegangen ist, daß die FDP verehrten Damen und Herren! Wir als CDU/CSU- diesen Weg mitgeht. Opposition schulden dem Herrn Bundesarbeitsmini- ster noch eine Antwort auf seine Rede von heute (Beifall bei der CDU/CSU) mittag. Der Herr Bundesarbeitsminister versucht Von allen Änderungen der Bestimmungen, die das doch glatt, uns die Schuld dafür in die Schuhe Krankenhausfinanzierungsgesetz betreffen, wiegt zu schieben, daß wir aus dem Tief der Wirtschaft die beabsichtigte Änderung des § 11 a wohl am aller- noch nicht heraus sind. Mit Genehmigung des Herrn schwersten. Präsidenten darf ich folgenden Satz aus der Rede des Herrn Bundesarbeitsminister zitieren: (Zuruf von der SPD: Den ändern wir ja nicht!) Wenn Sie — uns hat er gemeint — Gemeint ist die vorgesehene Eigenbeteiligung der Krankenhausträger mit 10 % der Kosten bei Neu- die Unternehmer nicht ständig verunsicherten, bauten und mit 5% der Kosten bei der Wiederbe- hätten wir sie schon ein Stückchen weiter in schaffung. Dies muß meines Erachtens auch in der Schwung gebracht. Zusammenschau mit der Kürzung der Finanzhilfen (Lachen bei der CDU/CSU) des Bundes im Krankenhausbereich gesehen werden. Diesen Vorwurf weise ich zurück. Erstens gibt es Die ursprünglich vorgesehenen Ausgaben des Bun- zwei Gruppen von Verunsicherten: Das sind einmal des von 290 Millionen DM im Jahre 1978 sollen um die Unternehmer und zum anderen die Verbraucher. 27 Millionen DM gekürzt werden. Der Ansatz von Und zweitens ist diese Verunsicherung das Ergebnis 1979, der 213 Millionen betragen sollte, soll um der Politik der SPD und der FDP. 20 Millionen DM gekürzt werden, dies alles zu La- sten der Länder, der kommunalen Krankenhausträ- (Beifall bei der CDU/CSU) ger und vor allem zu Lasten der freien gemeinnützi- Wir verkennen die weltweiten wirtschaftlichen gen Krankenhausträger. Schwierigkeiten nicht, aber wir sind nicht bereit, Zu Lasten der Länder deshalb, weil ihr finanzieller diese Bundesregierung aus der Verantwortung zu Anteil am Krankenhausneubau um so größer wird, entlassen. je geringer die Bundesmittel sind. Und hier frage ich: (Zurufe von der SPD) Woher nimmt der Herr Kollege Schmidt, der immer Wer hat denn die Investitionssteuer zu einem Zeit wieder auf die Krankenhausplanung hinweist, das punkt eingeführt, als die Aufträge schon zurück Recht, den Ländern den Vorwurf zu machen, sie wür- 1908 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Höpfinger den eine unsachgerechte Krankenhausplanung durch- Wie weit sind wir von der Aussage der früheren führen? Das steht dem Kollegen Schmidt nicht zu. Bundesministerin, Frau Käthe Strobel, entfernt, die (Zuruf von der FDP) einmal hoch und heilig in einer Rede im Nürnberger Raum versichert hat: Von nun an wird jedes Kran- Die Länder haben Fachleute genug und sind auch kenhausbett mit einem Drittel der Kosten vom Bund bereit, ihre Krankenhausplanung den gegebenen finanziert! Das ist Vergangenheit, d. h., die Finan- Verhältnissen anzupassen. zierung in dieser Höhe ist nie eingetreten, und sie Als zweites sagte ich: zu Lasten der Kommunen wird jetzt auf keinen Fall mehr kommen; und der kommunalen Krankenhausträger. Dies ist (Hasinger [CDU/CSU] : Niemals!) deshalb so, weil die Krankenhausumlage infolge der denn längst zahlen die Länder wesentlich mehr, weil Kürzung der Bundesmittel steigt und durch die nun der Bund allein durch das Haushaltsstrukturgesetz geplante Erhöhung der Eigenbeteiligung der kom- seine Mittel gekürzt hat. munalen Krankenhausträger neue, kaum zu ver- kraftende Belastungen auf die Haushalte der Ge- Sie wollen mit den Änderungen dieser Bestim- meinden zukommen. mungen im Krankenhausfinanzierungsgesetz das Krankenhauswesen in den Griff nehmen und damit (Zustimmung bei der CDU/CSU) Ihren dirigistischen Vorstellungen im Gesundheits- Wer bei der Bundespolitik die Politik der Gemein- wesen einen Schritt näher kommen. den und der Länder zuwenig berücksichtigt oder gar (Zurufe von der SPD) belastet, verletzt den Föderalismus. Wo wollen Sie vorrangig eingreifen? Natürlich bei Drittens sagte ich: zu Lasten der freien gemein- den frei-gemeinnützigen Krankenhausträgern. nützigen Träger. Das sind vor allem die kirchlichen Krankenhausträger. Das ist Caritas, Diakonisches Es gibt einen schlimmen Verdacht. Ich verdächtige Werk, das ist das Rote Kreuz und ist zu einem nicht gerne; aber wenn es sich um einen begründe- ganz geringen Teil auch die Arbeiterwohlfahrt. ten Verdacht handelt, muß man das in einer solchen Aussprache sagen. Es ist ein Verdacht, der sich (Zurufe von der SPD) aufdrängt und hier angesprochen werden muß; denn Meine Damen und Herren, 35 % der planmäßigen schließlich war es ein Mitglied der vorhergehenden Krankenhausbetten in der Bundesrepublik Deutsch- Bundesregierung, das bei der Diskussion um § 218 land werden von kirchlichen Krankenhausträgern ge- des Strafgesetzbuches im November 1973 sinnge- stellt. In Nordrhein-Westfalen sind es 60 %, in mäß geäußert hat — mit Genehmigung des Herrn Rheinland-Pfalz sind es mehr als 50 %. Der Neuwert Präsidenten darf ich aus dem „Brief aus Bonn" vom der Anlagen wird auf 25 Milliarden DM angesetzt. 18. Januar 1974, Seite 6, zitieren —: Ein Drittel dieser Investitionskosten haben die kirch- Krankenhäuser und Krankenhausträger, die ein lichen Krankenhausträger selbst geleistet. Wenn wie auch immer ausfallendes Gesetz über die SPD und FDP meinen, sie müßten mit der Eigenbe- Freigabe der Abtreibungen nicht voll aus- teiligungsquote diesen frei-gemeinnützigen Kran- schöpfen, müssen in Zukunft nach dem Willen kenhausträgern das Sparen beibringen, sind sie hier der SPD-FDP-Bundesregierung erhebliche fi- sicher auf dem Holzweg und kennen die Wirtschafts-, nanzielle Nachteile befürchten. die Verhaltensweise und die Sparfähigkeit dieser Einrichtungen nicht. In diesem Sinne äußerte sich Bundesgesundheitsmi- nister Frau Focke (SPD) vor Journalisten bereits am Die Bundesregierung, die SPD und die FDP ver- 14. November. kennen diese enormen Leistungen und auch die Tat- sache, daß diese Krankenhausträger nicht auf Ge- (Müller [Berlin] [CDU/CSU] : Hört! Hört!) winnerzielung ausgerichtet sind, sondern immer wie- Im Klartext heißt das: Krankenhäuser, die sich der alles in die Krankenhäuser investiert haben. gegen die Abtreibung entscheiden, werden über die Sie vergessen, daß von diesen Krankenhausträgern finanzielle Bezuschussung in Zwang genommen. Da- zusätzliche Eigenleistungen erbracht werden, wie von sind vor allem die kirchlichen und die Rot- z. B. Schwesternwohnheimbau, Bau von Kindertages- Kreuz-Krankenhäuser betroffen. stätten, Ausbildungskosten, und einer Ihrer Spre- (Egert [SPD] : Sprechen Sie vielleicht auch cher hat heute nachmittag selbst auf die Grund- noch zum Gesetz?) stückskosten hingewiesen, die von vornherein im Krankenhausfinanzierungsgesetz keinen Nieder- — Daß Ihnen meine Ausführungen nicht gefallen, schlag gefunden haben. kann ich mir vorstellen; aber was wir für richtig halten, werden wir in diesem Hohen Hause so- Der Bund will hier meines Erachtens ganz offen- lange sagen, wie wir die Freiheit haben, unsere sichtlich darauf abzielen, die finanziellen Leistungen, Meinung vorzutragen. die durch das Krankenhausfinanzierungsgesetz zu- nächst zuerkannt und versprochen wurden, wieder (Beifall bei der CDU/CSU) einzufangen und wieder einzudämmen. Sie, meine Hier klafft eine Lücke zwischen Wort und Tat. Damen und Herren von der SPD/FDP und die von Vor einigen Wochen hat der Herr Bundeskanzler Ihnen getragene Regierung, haben in diesem Gesetz bei der Verabschiedung von zwei Vertretern der mehr versprochen, als Sie zu halten bereit und auch Kirchen — hier in Bonn — den Freiheitsraum der in der Lage sind. Verkündigung angesprochen, der noch nie so groß (Beifall bei der CDU/CSU) gewesen sei wie heute. Meine Damen und Herren, Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1909 Höpfinger zum Wort der Verkündigung gehört die praktische Bayer wird man da geradezu an Karl Valentin er- Tat. Ehe der Staat sich der Kranken, Alten und innert, wo er sagt: Möchten hätten wir schon wol- Siechen angenommen hat, haben die Kirchen es len, aber trauen haben wir uns net dürfen. getan. (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Sehr richtig!) (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU) Der Staat und Sie, meine Damen und Herren von Sie haben dann gegen Ihre eigene Überzeugung der SPD und FDP, haben kein Recht, den kirch- den Antrag am anderen. Tag wieder zurückgezogen. lichen, frei-gemeinnützigen Krankenhausträgern Ich weiß nicht, ob Sie das aus freien Stücken oder das Wasser abzugraben. auf Weisung getan haben. (Beifall bei der CDU/CSU) (Lachen bei der SPD) Die Kirchen und die Deutsche Krankenhausgesell- Dennoch, ich möchte an Sie die Bitte richten: schaft haben Ihnen die Folge dieser finanziellen Stimmen Sie unserem Änderungsantrag auf Strei- Belastung klar und unmißverständlich genannt. Sie chung der Eigenbeteiligungsquote zu. Stimmen Sie lautet: Finanzielle Belastungen, die nicht auf den unseren Änderungsanträgen zu, die auf Streichung Pflegesatz übergehen dürfen, hungern uns aus. aller Änderungen bezogen sind, die durch die Eigen- beteiligung vollzogen werden müssen. Wir können Nun werden Sie auf den letzten Satz des § 11 a und wir werden der von Ihnen gewollten Eigenbe- hinweisen, in dem es heißt, daß dann, wenn die teiligungsquote nicht zustimmen. Sie belastet die Pflegesätze Überschüsse erbringen, diese zunächst Kommunen, sie gefährdet die Existenz der frei-ge- zur Finanzierung der Eigenbeteiligung an den Inve- meinnützigen Krankenhausträger, sie steht im stitionskosten zu verwenden sind. Widerspruch zum Krankenhausfinanzierungsgesetz. Wir werden diese Frage in namentlicher Abstim- (Zuruf von der CDU/CSU: Barer Hohn!) mung entscheiden wollen. Alle, die wir hier sind und von diesem Bereich ein (Beifall bei der CDU/CSU) Stückchen — der eine mehr, der andere weniger — verstehen, wissen doch, daß es heute keine Pflege- sätze gibt, die die wirklichen Kosten decken. Im Präsident Carstens: Das Wort hat der Abgeord- Gegenteil, die kommunalen und die kirchlichen nete Jaunich. Träger zahlen jetzt schon drauf. Wenn das jetzt so ist, so wird sich das in Zukunft nicht ändern. Darum ist das nur ein Feigenblatt, mit dem man die eigene Jaunich (SPD) : Herr Präsident! Meine sehr geehr- Blöße verdecken will. Man zeigt zwar theoretische- ten Damen und Herren! Herr Kollege Höpfinger, ich Möglichkeiten auf, weiß aber genau, daß sie in kann Sie beruhigen, damit Sie heute nacht ruhig der Praxis nicht zum Tragen kommen. schlafen können: Wir werden Ihre Änderungsanträ- ge ablehnen. (Jaunich [SPD]: Das mag ja in Bayern so sein!) Bevor ich aber auf diesen Bereich eingehe, zu- nächst zu einem anderen Bereich noch eine Vor- Hier nun ein Wort an Herrn Staatssekretär Busch- bemerkung: Ich möchte mich ausdrücklich bei all fort. In einer Bemerkung wies der Herr Staatssekre- jenen Unionssprechern bedanken, die die hier im tär Buschfort einmal darauf hin, daß sich nur die KVKG gefundenen Regelungen als sozialistische kirchlichen Krankenhausträger gegen diese Eigen- Regelungen zu diffamieren versucht haben. beteiligung wehren. Andere frei-gemeinnützige Trä- ger täten das nicht. Herr Staatssekretär, da ist das (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] : Wieso ist Ausmaß der Belastung entscheidend. Es gibt kleine das eine Diffamierung?) frei-gemeinnützige Krankenhausträger, die in der — Von Ihnen war das doch als Diffamierung ge- Bundesrepublik Deutschland insgesamt zirka 1 000 meint, Herr Kollege Vogel! Sie kommen hier sehr Krankenhausbetten haben. Caritas und Diakoni- spät hinein und haben von der ganzen Debatte sches Werk hingegen haben in der Bundesrepublik nichts mitbekommen; halten Sie sich vielleicht an zusammen 200 000 Krankenhausbetten. Hieraus, diesem Punkt einmal ein bißchen zurück. Herr Staatssekretär, ersehen Sie die Größe der Be- (Zustimmung bei der SPD — Zurufe von lastung. der CDU/CSU) (Egert [SPD] : Quantifizieren Sie das ein mal!) Es war von Ihnen als Diffamierung gemeint, aber wir wissen doch, daß diese Regelungen in der Das ist auch der Grund für die größere Sorge. Bevölkerung sehr positiv aufgenommen werden, Darum, meine Damen und Herren, an Sie alle — weil sie vernünftig sind. auch an die Damen und Herren der Regierungspar- (Zuruf von der SPD: So ist es!) teien SPD und FDP —: Überdenken Sie das noch einmal! Besonnene Stimmen, gerade in dieser Frage, Wir haben schon vor Jahren auf einem Plakat ge- gibt es ja in Ihren Fraktionen. Sie sind vorhanden. sagt „Sozialismus, weil's vernünftig ist", und dabei Der Änderungsantrag, den Sie auf Drucksache 124 bleiben wir auch. im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung einge- (Zustimmung bei der SPD — Franke (CDU/ reicht haben, weist es ja aus. Dort haben Sie zu- CSU): Das war sehr tief! — Dr. Blüm [CDU/ nächst selber eine Änderung vorgeschlagen. Als CSU] : Zum Thema!) 1910 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Jaunich — Herr Blüm, Sie sind gleich dran; nun warten Sie 189 000 DM einen Auftrag an das Krankenhausinsti- einmal. tut in Köln gegeben hat, um genau diese Frage zu (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Ich warte schon die untersuchen, für die Sie schon die Antwort bereit ganze Zeit!) haben, obwohl die Ergebnisse noch nicht vorliegen? — Na sehen Sie! (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU] : Das ist Herr Blüm, wenn Sie hier heute nachmittag er- eben ein Schlaumeier!) wähnten, in unserem Werkzeugkasten zur Bearbei- tung eines Gartens gebe es nur Gießkanne und Jaunich (SPD) : Erstens, Herr Kollege Prinz zu Heckenschere, kann ich Sie beruhigen: Da haben Sayn-Wittgenstein, eröffnen wir hier dafür nur die wir noch andere Instrumente, da haben wir nämlich Möglichkeit. auch Unkrautjäter, und das wird sich hier zeigen. (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein Es hat sich bei den Beratungen dieses Gesetzent- [CDU/CSU]: Dann brauchen Sie es ja nicht wurfs gezeigt, daß wir darangehen, dort Unkraut zu untersuchen!) zu jäten, wo Unkraut vorhanden ist; das zupfen wir raus. Wir haben überhaupt nichts gegen eine wissen- (Zurufe von der CDU/CSU) schaftliche Absicherung. Aber auch Ihnen ist ja be- kannt, daß es solche Versuche bereits gegeben hat, — Nun lassen Sie einmal! — Dagegen kann ich mir die zu dem Ergebnis gekommen sind, daß dies ko- den Eindruck nicht verkneifen, daß zu Ihrem Hand- stensparend ist, zwar nicht in dem Ausmaß, wie wir werkszeug bei der Gartenbearbeitung vorrangig der uns das vorstellen, aber dabei muß man auch die Miststreuer zählt. Versuchsbedingungen berücksichtigen einschließ- (Zuruf von der CDU/CSU: Düngemittel! — lich der Tatsache, daß die niedergelassenen Ärzte Weitere Zurufe) nicht gerade willig in einen solchen Versuch hin- — Nun, wenn das, was Sie hier heute nachmittag eingehen. Das ist mir persönlich klar, und dafür ausgestreut haben, Düngung, sein sollte, werden wir gibt es ja auch Motive. sehen, welche Pflanzen daraus wachsen. (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (Zurufe von der CDU/CSU) [CDU/CSU] : Ich wäre dankbar, wenn Sie mir diese Untersuchung einmal schickten!) Nun zu dem Bereich, der einer besseren Verzah- nung zwischen ambulanter und stationärer Versor- — Ja, darüber können wir uns noch unterhalten. gung dienen soll. Diese Regelungen lehnen Sie ab. Aber Sie sind ja so ein bißchen außerhalb meiner Da bauen Sie wiederum einen Popanz auf; demnach Reichweite geraten; Sie sind zu Höherem in den Haushaltsausschuß berufen. ist es also eine Beeinträchtigung der freien- nieder- gelassenen Ärzte, wenn wir im Bereich der vor (Burger [CDU/CSU] : Er bleibt in der Bran stationären Diagnostik und der nachstationären Be- che!) eine Öffnung versuchen. Dabei wissen alle handlung Ich meine das nur in bezug auf den Ausschuß. diejenigen, die dazu gesprochen haben, doch wohl, daß dies eben nicht so ist, wie Sie es verstehen Nun, ich will fortfahren; der Zeiger hier läuft un- wollen oder wie Sie es nach draußen hin immer erbittlich weiter. wieder als „Ambulatorium" zu verdächtigen ver- (Dr. Ritz [CDU/CSU] : Das einzige, was suchen; sie wissen vielmehr sehr wohl, daß dies stimmt!) nur dann funktioniert und klappt, wenn der nieder- gelassene Arzt einen Patienten zu diesem Zwecke Sie haben auch gegen jene Bestimmungen in der dem Krankenhaus überweist. Dies ist doch in der Reichsversicherungsordnung Einwände, die darauf Tat eine vernünftige Geschichte, weil nicht einzu- abzielen, bei der belegärztlichen Tätigkeit eine Re- sehen ist, daß dort, wo der niedergelassene Arzt gelung zu finden, die ein angemessenes Verhältnis mit seinen diagnostischen Möglichkeiten am Ende dieser Leistungen zum Artzanteil im Pflegesatz vor- ist, im Krankenhaus eine gezieltere Diagnose nur sieht. Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, was dann vorgenommen werden kann, wenn der Mann Sie hier wieder hineingeheimnissen. Ein angemesse- auch zugleich ins Bett gesteckt wird. Das ist doch nes Verhältnis! Wenn Belegarzttätigkeit in unserem widersinnig! Deswegen muß dies geändert werden, Gesundheitswesen sinnvoll sein kann, dann doch muß es in dem Sinne, wie wir es hier im Gesetz- nicht immer und in jedem Falle und insbesondere entwurf haben, künftig Praxis werden. auch noch dort, wo sie kostenaufwendiger ist, son- dern es muß doch daraus ein kostensparender Effekt erwachsen. Präsident Carstens: Gestatten Sie eine Zwischen- (Beifall bei der SPD) frage des Abgeordneten Prinz Botho zu Sayn-Witt- genstein-Hohenstein? Sonst ist das doch keine sinnvolle Regelung. Dann wenden Sie sich gegen die Gemeinschaftsein- Jaunich (SPD) : Ja, bitte schön. richtungen, deren Ziel die wirtschaftliche Erbringung von medizinisch-technischen Leistungen ist. Mein Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (CDU/ Kollege Eckart Kuhlwein hat vorhin schon einen der CSU) : Herr Kollege Jaunich, wenn Sie das schon so Faktoren, die Kostensituation betreffend, genannt. genau wissen, darf ich Sie fragen, warum der Bun- Er hat darauf hingewiesen. Wenn wir nunmehr sa- desminister für Jugend, Familie und Gesundheit für gen, daß die niedergelassenen Ärzte in gemein- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1911

Jaunich schaftlichen Eigeneinrichtungen, wenn sie die ent- zu entwickeln, das über eine angemessene sprechenden Voraussetzungen erfüllen, diese Lei- Eigenleistung des Krankenhausträgers, eine an- stungen vorhalten sollen, weil dies dann doch ver- gemessene Beteiligung der öffentlichen Hand nünftigerweise billiger sein muß, als wenn sich jeder an den Investitionskosten und die Abdeckung hochoperativ in seiner Praxis ausstattet, dann haben der übrigen Kosten durch den Pflegesatz zur Sie gegen eine solche vernünftige Regelung wieder- wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser um Bedenken. führt. Sie haben in einem weiteren Änderungsantrag auf Eine „angemessene" — da kann man vermuten, daß Drucksache 8/405 zu § 372 RVO Änderungen vor- das noch über die 10 %, die die Union hier im Bun- geschlagen. Da wollen Sie eine Gleichberechtigung destag forderte, hinausgehen sollte. in der Verhandlungsebene zwischen den Kranken- Auch im weiteren Verlauf der Beratungen in den häusern und den Krankenkassen, obwohl diese nach Bundestagsausschüssen hat doch die Union einmal, der Ausschußvorlage vorliegt. Aber: was wollen Sie nämlich im Ausschuß für Jugend, Familie und Ge- dort herauslassen? Da wollen Sie herauslassen die sundheit, ihre Meinung konkretisiert und gesagt: Vereinbarung von Bedingungen zwischen Kranken- Die Träger freier gemeinnütziger Krankenhäuser sol- kassen und Krankenhäusern über die Mitwirkung len 10 % der Ersteinrichtungskosten als Pauschal- des Vertrauensarztes und über Mitteilungen und Be- eigenanteil übernehmen; dabei darf der Eigenanteil richte, obwohl niedergelassene Ärzte in Diskus- der freien gemeinnützigen Träger nicht in die Be- sionen immer wieder sagen, daß es eben mit dem rechnung der Pflegesätze eingehen. Komisch, nicht? Überstellen von Berichten zum Krankenhaus und Das wollen Sie heute alles nicht wahrhaben. umgekehrt nicht so klappt und daß darin ein kosten- verteuernder Faktor liegt. Dies wollen Sie also aus (Beifall bei der SPD) unseren Vorstellungen eliminiert haben. Überall dort, Das war damals Ihre Haltung. Herr Kollege Höpfin- wo das System vernünftig verändert werden soll, ha- ger, wenden Sie doch einmal all die Argumente, die ben Sie Vorhaltungen. Sie auf das anwenden, was wir jetzt in diesem Zu- sammenhang vorschlagen, auf das an, was Sie sei- Die vorstationäre Diagnostik und die nachsta- nerzeit den freien gemeinnützigen Träger zumuten tionäre Behandlung sind Ihnen ja ein ganz beson- wollten! derer Dorn im Auge. Aber auch dies ist eine ver- (Beifall bei der SPD) nünftige Regelung. Wir wollen, weil das dem Sinn des Krankenhaus- Nun zu dem Krankenhausteil! Wir haben uns die finanzierungsgesetz widersprechen würde, eben Finanzierungsregelung nicht einfach gemacht.- Wir nicht, daß die Eigenbeteiligung, die wir für ein Mit- haben da wirklich lange miteinander um eine ver- tel zur Steuerung der Investitionen halten, allein nünftige Lösung gerungen. Wir haben in unserer von ihnen verkraftet wird. Deswegen räumen wir Lösung eine Bestimmung aufgenommen, nach der ihnen die Möglichkeit ein, dies über die Pflegesätze die freien gemeinnützigen Krankenhausträger 10 % zu erwirtschaften. der Investitionskosten als Eigenanteil zu überneh- men haben. Das ist in der Öffentlichkeit hier und da (Burger [CDU/CSU] : Das ist doch keine mißdeutet worden. Ich kann nur sagen: Damit soll Kostendämpfung!) die Eigenverantwortlichkeit und Eigenständigkeit — Herr Kollege Burger, ich komme darauf zurück. dieser Krankenhausträger nachdrücklich unterstri- Natürlich ist das nicht heute und nicht morgen eine chen werden. Kostendämpfung, das ist eine etwas längerfristig (Beifall bei der SPD — Zuruf des .Abg. wirkende Kostendämpfung. Gerade Ihnen, den Ver- Glombig [SPD]) tretern der Union, ist ja das Steuerungsinstrument Geldbeutel doch nicht so unbekannt. Auch im Rah- — Ja, Herr Kollege Glombig, hier enttäuscht mich men einer gesundheitspolitischen Diskussion neigen allerdings die Union. An dieser Stelle hätte ich Bei- Sie ja oft dazu, zu sagen, der Patient müsse am fall von ihr erwartet, denn ich habe mir erlaubt, hier eigenen Geldbeutel spüren, was für ihn aufgebracht Hans Katzer zu zitieren aus der Debatte vom wird — also Selbstbeteiligung. Welche gesundheits- 12. März 1971, als damals in erster Lesung über das politischen Gefahren dem entgegenstehen, wissen Krankenhausfinanzierungsgesetz und den damali- Sie ganz genau.. Deswegen lehnen wir das ab. Im gen Antrag der Union beraten wurde. Bereich der Investitionen aber, im Krankenhaus- (Kirschner [SPD] : Katzer ist out!) bereich — das ist nun einmal der kostenaufwen- digste Bereich im ganzen Gesundheitswesen — wol- — Aber Herr Katzer war ja nicht alleine! Er stand len wir diesen Steuerungsmechanismus mit der ja mit dieser Meinung nicht allein. Das war die Mei- Möglichkeit, die Eigenbeteiligung über den Pflege- nung der Gesamtfraktion. satz zu erwirtschaften. Auch der bayerische Staatsminister Herr Dr. Merck Damit haben wir natürlich erreicht, daß es — ab- hat bei den Beratungen im Bundesrat die Bundes- gesehen von denen, die bereit sind, hierfür die Ver- regierung angeklagt, sie habe die Ermächtigung, die antwortung zu übernehmen — niemanden gibt, der ihr durch die Grundgesetzänderung gegeben wurde, diese Regelung mit Beifall bedenkt. Hätten wir nicht genutzt, nicht richtig genutzt: keine Überwälzung auf den Pflegesatz vorgesehen, Die neue, umfassendere Zuständigkeit des Bun dann hätten wir sicherlich die Krankenkassen mit des gibt die Chance, ein Finanzierungssystem ihren Verbänden hinter uns, dann hätten wir die 1912 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Jaunich Sozialpartner hinter uns und sicherlich noch eine sung nicht abgeschlossen ist, sondern weiterer Be- Reihe anderer. Indem wir sagen: Dies können wir arbeitung durch uns alle bedarf. den Krankenhausträgern nicht zumuten, müssen wir (Beifall bei der SPD und der FDP) eben riskieren, daß wir rundum in der Kritik stehen. Ich darf aber auch .die Deutsche Krankenhaus- Präsident Carstens: Das Wort hat der Herr Ab- gesellschaft an ihre Stellungnahme erinnern, die sie geordnete Schmidt (Kempten). im Jahre 1971 abgegeben hat. Am 17. Februar 1971 hat sie in einem Telegramm an den damaligen Bun- Schmidt (Kempten) (FDP) : Herr Präsident! Meine deskanzler Brandt noch einmal gefordert, daß nur sehr verehrten Damen und Herren! Ehe ich mich die Ersterrichtungskosten durch die öffentliche dem speziellen Teil „Krankenhaus" zuwende, Hand finanziert werden und die übrigen Kosten von möchte ich einige Vorbemerkungen machen, da den Benutzern bzw. deren Versicherungsträgern auf- mich sowohl Frau Kollegin Dr. Neumeister als auch gebracht werden. Das heißt also, daß die Deutsche Herr Kollege Dr. Becker persönlich angesprochen Krankenhausgesellschaft seinerzeit überhaupt nichts. haben. gegen eine Übernahme dieser Reinvestitionsko- Vorweg eine allgemeine Bemerkung. Ich habe sten in voller Höhe in den Pflegesatz einzuwenden vorhin schon einmal — das darf ich kurz wieder- hatte, während doch viele Institutionen und Ver- holen — festgestellt, wie sachlich die Diskussion bände aus diesem Bereich und insbesondere die im Ausschuß war. Da die Anträge, die hier heute Vertreter der freien gemeinnützigen Krankenhäuser begründet worden sind, auch vorhin zum Renten- aus dem kirchlichen Bereich gegen die staatliche versicherungsteil, ja dieselben Anträge sind, die Investitionsförderung der Krankenhäuser waren. Die im Ausschuß schon vorlagen, bin ich sehr über- hätten seinerzeit am liebsten alles über die Pflege- rascht, wie anders plötzlich, wie aggressiv plötz- sätze geregelt. Das wäre ja nun wirklich keine Maß- lich, wie von Verbandszeitschriften beeinflußt plötz- nahme gewesen, die überhaupt einmal zu sozial lich diese Begründungen hier im Plenum vorgetra- tragbaren Pflegesätzen geführt hätte. gen worden sind, wie oft das Wort „Dirigismus", wie oft das Wort „staatlicher Eingriff", wie oft das (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein Wort „gegen die Selbstverwaltung" heute hier [CDU/CSU]: Haben wir die jetzt?) verwendet worden sind, obwohl wir eigentlich — Herr Kollege zu Sayn-Wittgenstein, diese Frage im Ausschuß in vielen Fragen gerade in diesem kann man nicht mit Ja oder Nein beanworten. Sie Bereich gar nicht so weit voneinander entfernt wa- wissen ganz genau, daß es ein sehr differenziertes ren und bloß feststellten, daß Sie eben — das ist Angebot an Pflegesätzen gibt, daß es sehr hohe das gute Recht der Opposition — da und dort nicht gibt und daß es geringe gibt. All unser Bemühen- mitgehen können. Viele Dinge aus dem Bundesrat muß darauf gerichtet sein, einen Pflegesatz zu er- habe n wir gemeinsam gemacht. Es war auch klar, reichen, der sozial tragbar ist für diejenigen, die daß Sie das hier noch einmal beantragen würden. das Ganze bezahlen müssen. Machen wir uns doch Nur die Art der Beantragung! Wenn ich das Tele- nichts vor. Dieses Ziel können wir nur erreichen, gramm lese, das ich vor wenigen Minuten vom wenn wir die vorhandene Bettenkapazität ein we- Deutschen Ärztetag bekommen habe und in dem nig reduzieren. steht, was wir alles tun sollten, oder wenn ich das Flugblatt mit so und so vielen Unterschriften (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein lese, das ich vor wenigen Tagen von den Ersatz- [CDU/CSU] : So wie in dem Klinikum in kassen bekommen habe, Aachen? — Dr. Blüm [CDU/CSU] : Ein biß chen größer!) (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU] : Die haben sicher an ihre letzte — Lassen Sie uns hier nicht nach Aachen auswei- Rede auf dem Ersatzkassentag in München chen. Ich merke, daß Sie versuchen, einen Neben- gedacht!) kriegsschauplatz zu eröffnen. — Ich sehe, daß die so handelt es sich um Schriftstücke, die leider Got- Lampe leuchtet. Ich kann also nicht mehr darauf tes im Tenor dem ähnlich sind, was ich hier bedau- eingehen. erlicherweise gehört habe. Wir sind uns wohl darüber im klaren, daß wir zu Frau Dr. Neumeister, ich habe hier vorhin — das einer Stabilisierung in diesem Bereich nur dann sage ich noch einmal — im Zusammenhang mit dem kommen können, wenn wir die Anzahl der vorhan- Vorwurf „Einheitsversicherung", mit dem Vorwurf denen Betten reduzieren bzw. in ihrer Zweckbe- „Einschränkung der Selbstverwaltung" — beide stimmung umwidmen. Deswegen ist für uns die Vorwürfe weise ich nochmals ganz klar zurück — Arbeit an diesem Thema mit der Verabschiedung gesagt: Das, was die Ersatzkassen in Rundschreiben dieses Gesetzes morgen in dritter Lesung nicht ab- usw. veranstalten, scheint mir doch sehr interessen- geschlossen, sondern dann gehen wir erneut an das betont. Dies betone ich hier noch einmal gerade Thema heran. Ich darf in diesem Zusammenhang deshalb, weil ich vorhin die Vertreter der Selbst- an unseren Entschließungsantrag erinnern, der die verwaltung, Arbeitgeber und Gewerkschaften, als Bundesregierung auffordert, ein umfassendes Kon- gute Zeugen für die Stärkung der Selbstverwaltung zept krankenhausentlastender Einrichtungen von So- durch dieses Gesetz herangezogen habe, und gerade zialstationen bis zur Umwidmung von Krankenhäu auch deshalb, weil ich in den letzten Jahren in sern in Pflegeheime vorzulegen, weil wir wissen, manchen Diskussionen in diesem Hause, bei denen daß dieses Thema mit der morgigen Beschlußfas- es auch um die Erhaltung der Gliederung der Kran- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1913

Schmidt (Kempten) kenversicherung ging, sehr gekämpft habe. Ich Herr Kollege Höpfinger, ich habe Verständnis gedenke, weiter so zu kämpfen. Aber in diesen dafür, daß Sie aus Ihrer früheren Tätigkeit als Vor- Fragen sehe ich keinen Eingriff. Wir Freien Demo- sitzender des sozialpolitischen Ausschusses im Baye- kraten sehen hier die Stärkung der Selbstverwal- rischen Landtag natürlich die Landeskompetenz im tung. Krankenhausbereich mit allen Mitteln verteidigten. Eine Bemerkung zum gesundheitspolitischen Pro- Ich habe aber kein Verständnis dafür, wenn Sie gramm, weil der Kollege Dr. Becker aus meiner das, was hier vorgelegt wird und was zur besseren Rede in Frankfurt und auch aus der Präambel zitiert Planung in diesem Bereich, zur Kostendämpfung hat. Einzelheiten, wieviel aus diesem Programm in dient, nun so beurteilen, daß es ein dirigistischer diesem Gesetzentwurf steht, hat Herr Kollege Cro- Eingriff in das Krankenhaus sei. Was muß denn in nenberg hier vorgetragen. Ich möchte empfehlen, diesem Bereich geschehen, meine Damen und Her- einmal eine Synopse von Kostendämpfungsgesetz ren? Ich habe heute früh schon kurz darauf hinge- und Gesundheitsprogramm der FDP zu erstellen; wiesen. Wie haben denn die Länder das Kranken- vielleicht können wir das tun. Dann würden Sie hausfinanzierungsgesetz bisher ausgeführt? Sie ha- sehr schnell feststellen, daß die Grundsätze, die ben gesagt: versprochen und nicht gehalten. Die wir damals festgelegt haben und die vom Grund- Länder haben dieses Krankenhausfinanzierungsge- wert der Freiheit des Menschen in unserem Ge- setz bisher einseitig ausgenutzt, aber die gleichzei- sundheitswesen ausgehen, durchgängig in das Ko- tig notwendige Bedarfsplanung nicht auf den not- stendämpfungsgesetz übergegangen sind, und daß wendigen Bedarf abgestellt. Herr Kollege Höpfinger, ich meine Einbringungsrede, die ich damals gehal- jetzt will ich es einmal ein bißchen deutlicher sa- ten habe, genauso wieder morgen oder übermorgen gen. Ich habe es Ihnen auch schon im Ausschuß ge- halten und sagen könnte: Hier haben wir im Kosten- sagt. Wenn nach dem Krankenhausgesetz jedes dämpfungsgesetz diese und jene liberale Maßnahme Krankenhaus unter 300 Betten als nicht förderungs- auf der einen Seite zur Stärkung des gesamten ge- würdig gilt und damit der größte Teil der Kranken- gliederten Systems und auf der anderen Seite zur häuser in der Fläche mit dem kw-Vermerk versehen Kostendämpfung in diesem System niedergelegt. wird, sobald in der Kreisstadt die Bettenburg gebaut ist, dann ist doch die Planung nicht in Ordnung. Nun aber zum Krankenhausbereich, mit dem ich Wenn wir gleichzeitig von jedem Landesminister mich an sich allein beschäftigen wollte. Herr Kol- hören, wir haben zu viele Betten, wenn wenn wir lege Höpfinger, was Sie sagten, klang natürlich selbst von den Krankenhausträgern hören, wir ha- nach einem der Briefe, die man von Interessenten ben zu viele Betten, dann hat man doch hier am Be- aus diesem Bereich bekommt. Wenn Sie das, was darf vorbeigebaut. Im Haushaltsstrukturgesetz ha- hier an Vorstellungen zur Kostendämpfung nieder- - ben wir in Bonn eben die Konsequenz gezogen und gelegt ist, mit Parteivorstellungen in einem Orien- haben gesagt: Soviel darf nicht mehr neu gebaut tierungsrahmen vergleichen, dann sind wohl die werden, solange nicht eine echte Planung vorhanden Vorstellungen in diesem Orientierungsrahmen rich- ist, die vom echten Bedarf ausgeht. Was haben tig gewesen; denn auch Sie wollten bei der kon- einige Länder — leider auch Bayern und Baden- zertierten Aktion einen Orientierungsrahmen, Württemberg, bei anderen weiß ich es nicht so ge- Orientierungsdaten, wenn ich das richtig sehe. So nau — gemacht? Die haben sofort gesagt: Vom steht es nämlich in Ihrem Antrag dazu. Aber wenn Bund kommt weniger Geld, dann stocken wir aus andere von Orientierungsdaten reden, ist das natür- eigenen Mitteln auf, damit wir unsere falschen lich etwas anderes. Es ist doch auch merkwürdig, Pläne weiterverfolgen können. So ist es zumindest Herr Kollege Höpfinger, daß bei aller differenzier- in Bayern und Baden-Württemberg geschehen. ten Beurteilung des Kostendämpfungsgesetzes durch die Ärzteschaft der Marburger Bund noch auf dem (Zustimmung bei der FDP) Ärztetag dem Krankenhausteil, nachdem der Aus- schuß auch noch den Beirat zur Stärkung des wirt- Herr Kollege Höpfinger, Sie waren selbst noch im schaftlichen Überblicks wieder eingeführt hat, sein Landtag und haben das wahrscheinlich mitgemacht. volles Plazet gegeben hat. Dies sind ja immerhin die Soll ich Ihnen noch das Beispiel Augsburg im einzel- Ärzte, die an den Krankenhäusern tätig sind. Wenn nen erzählen? Wir werden uns noch über das Groß- das alles so wäre, wie Sie hier behaupten, hätten klinikum Augsburg mit seinen 1 400 Betten unterhal- doch wohl kaum diese Ärzte, die an allen Kranken- ten. Darauf können Sie sich verlassen. Wir werden häusern tätig sind, zugestimmt. das nämlich dann tun, wenn vier kleine Krankenhäu- ser, von denen drei modern ausgestattet sind, des- (Zuruf von der CDU/CSU) halb in wenigen Jahren geschlossen werden, weil — Lesen Sie bitte, was am vorigen Sonntag oder Sie vorher nicht in der Lage waren, die Bedarfs- Montag vom Marburger Bund verabschiedet wor- planung zu bremsen. den ist. Ich habe mich gerade noch einmal bei je- Deshalb ist es notwendig, daß in diesem Bereich mandem erkundigt, der dabei war und der auch durch die Kostenträger die Kostenbremse angezogen hier ist. wird, nicht durch den Staat, sondern durch diejeni- (Zuruf von der CDU/CSU: Soll das General gen, die mit den Krankenhäusern verhandeln müs- absolution für Sie sein?) sen. Deshalb ist in diesem Gesetz auch die Eigenbe- — Nein, ich habe mich nur noch einmal erkundigt, teiligung bei den Investitionen angesprochen, nicht weil ich es erfahren hatte, und wollte es genau wis- damit nun fleißig weitergebaut wird, sondern als sen. Es stimmt. Bremse, damit die Dinge überprüft werden. 1914 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Schmidt (Kempten) Ich will Ihnen ein Beispiel sagen. Mein eigener muß weg. Das wollen Sie aber auch nicht. Also heißt Oberbürgermeister hat mir gesagt, sie wollten auch dies: es geht einfach so weiter sie bisher. schon wieder für 45 Millionen DM anbauen. Ich habe Ich habe die Sorge, daß es trotz der zweijährigen ihm daraufhin gesagt: Überlege dir einmal, wo du Diskussion draußen — all diese Dinge bezüglich dann die 4,5 Millionen DM hernimmst, die du jetzt des Krankenhauses habe ich hier schon vor andert- nämlich nicht mehr so ohne weiteres als Zuschuß be- halb Jahren einmal gesagt — und trotz der Erkennt- kommst. Darauf hat er gesagt: Verflixt noch mal, nis, wir müßten eigentlich ein bißchen besser planen, dann muß ich mir doch überlegen, ob wir das nicht angesichts des kommunalen und sonstigen Ehrgeizes: kleiner oder ob wir nicht vielleicht etwas anderes Unser Krankenhaus muß das größte sein, des Ehr- machen können. geizes der Chefärzte: Ich muß alles haben, obwohl Dort muß man ansetzen, vor der Planung muß ich es gar nicht das ganze Jahr über brauche, so man sich überlegen, ob überhaupt gebaut werden weitergeht wie bisher. Das hat uns doch diese Ko- soll. Man muß erst einmal den Bettenbedarf prüfen, stenentwicklung gebracht, das hat doch dazu geführt, die Krankenhäuser gewissermaßen nach Schwer- daß, wie wir in diesem Bereich sehen, am Bedarf punkten abtasten, erst einmal die Konkurrenz zwi- vorbei investiert, gebaut worden ist. Das müssen wir schen zwei Häusern nebeneinander abbauen und in den Griff bekommen. Ich bin der Meinung, hier ist kooperieren und sollte erst dann wieder, wenn not- ein Ansatzpunkt dazu gegeben natürlich im Zu- wendig, investieren. Das sind doch Dinge, die nur sammenspiel mit den Ländern, natürlich im Zusam- über eine Beschränkung der Kosten möglich sind. menspiel mit den Krankenhausträgern —, vom Ko- stenträger her durch Partnerschaft stärker auf diese (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein Dinge hinwirken zu können. [CDU/CSU] : Aber doch nicht bei den staat lichen Häusern, Herr Kollege Schmidt!) Nur dann, meine Damen und Herren, werden wir meines Erachtens dem Anspruch gerecht werden, dem — Herr Kollege Prinz zu Sayn-Wittgenstein, es ist hier mehrmals gesagt worden, aber ich sage es gern wir alle gerecht werden wollen, dieses Gesund- heitswesen in seiner Struktur und seiner Gliederung noch einmal: Die Eigenbeteiligung ist im Gesetz so konstruiert, daß sie nicht zu einer Wettbewerbsver- zu erhalten, es aber kostenmäßig entwicklungs- mäßig so zu gestalten, daß wir es auch weiter finan- zerrung für andere Häuser führen kann. Ich habe die zieren können. Kolleginnen und Kollegen von der Opposition im Ausschuß darum gebeten, mir einen Beweis dafür (Beifall bei der FDP und der SPD) zu liefern, daß die Regelung, wie wir sie noch in letzter Minute formuliert haben, weil uns die ande- ren Regelungen nicht ganz so sicher erschienen, ge- Präsident Carstens: Meine Damen und Herren, ändert werden müßte. Denn eines ist klar- — das weitere Wortmeldungen zur zweiten Beratung des sage ich hier für die Freien Demokraten —: Die Krankenversicherungs-Kostensenkungsgesetzes lie- Eigenbeteiligung darf nicht zu Wettbewerbsverzer- gen mir nicht vor. Es ist vereinbart worden, daß die rungen führen. Die Refinanzierung muß voll und Abstimmung morgen stattfindet. ganz über den Pflegesatz erfolgen. Dies wird aber Wir kommen dann zur zweiten Beratung des durch das Gesetz abgedeckt. Das ist völlig klar. Neunten Anpassungsgesetzes zur Kriegsopferver- (Burger [CDU/CSU] : Das wohl nicht, Herr sorgung. Hier ist vorgeschlagen worden, daß die Schmidt!) vier Artikel des Gesetzentwurfs, Art. 1, 1 a, 2 und 3, — Ich habe die Damen und Herren von der Oppo- und sämtliche vorliegenden Änderungsanträge in den Drucksachen 420, 421, 422, 423 und 424 gemeinsam sition ein paarmal gebeten: Sagt mir einmal eine andere Formulierung, die das besser absichert. Es beraten werden. — Ich sehe und höre keinen Wider- spruch. Dann stelle ich fest, daß das Haus damit ist keine einzige andere Formulierung gekommen. einverstanden ist. (Zurufe von der CDU/CSU) Das Wort hat der Herr Abgeordnete Burger. — Sie können morgen früh gern noch einen Antrag stellen, dieses oder jenes Wort anders zu formulie- ren, um die Sache noch sicherer zu machen. Ich wäre Burger (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine sehr sofort bereit, ja dazu zu sagen. Aber bisher haben geehrten Damen und Herren! Zu später Stunde, Sie nichts dazu gesagt. Sie haben nur nein gesagt. man kann sagen: unter Ausschluß der Öffentlich- Dies muß hier noch einmal gesagt werden. keit, — — Wenn sie dann mit einem Ihrer Änderungsanträge (Wehner [SPD] : Reden wir dennoch wie ein den Gewinn - und Verlustausgleich wiederherstellen Mühlrad weiter!) wollen, dann ist doch der letzte Anreiz für ein Haus, — Herr Abgeordneter Wehner, ob ich wie ein Mühl- wirtschaftlicher zu arbeiten, dahin. Selbst die Kran- rad rede — — kenhausträger, die Vertreter der Krankenhausgesell- schaft, haben mir in meinem Zimmer, wo immer wir (Wehner [SPD]: „Wir" habe ich gesagt!) uns unterhalten haben, gesagt: Das müßte aller- — Entschuldigung, ich habe Sie mißverstanden. dings weg; zumindest der Anreiz, daß man das im- mer „ausmauscheln" kann — es lohnt sich offenbar (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU] : Das Thema ist auch zu ernst!) nicht, wirtschaftlicher zu arbeiten —, den das Kran- kenhausfinanzierungsgesetz in diesem Punkt bietet, — Ja, das ist richtig. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1915 Burger Ich wollte sagen: Zu später Stunde behandeln wir werden — eine weitere Unsicherheit für die Le- nun auch das Kriegsopfergesetz. Das ist ein weiterer bensplanung. Beweis dafür, mit welcher Hektik wir diese wichti- (Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Sehr wahr!) gen Gesetze, die für 85 %, 90 % unserer Bevölke- rung von großer Bedeutung sind, eben doch durch- Kommt der Aufschwung wirklich? Wird die peitschen. Auch im Kriegsopfergesetz geht es doch Arbeitslosigkeit beseitigt? Vermindert die Steuer- immerhin um weit über 2 Millionen Betroffene mit last die Nettoeinkommen? Wie hoch werden die Angehörigen mehrere Millionen Menschen. Preise steigen? Meine Damen und Herren, das wer- den die bangen Fragen der Betroffenen in der Zu- Ich meine, es ist beinahe unwürdig, diese Pro- kunft, an die Zukunft, hinsichtlich der Entwick- bleme in dieser Hektik heute abend zu besprechen. lung sein. Aber, wie gesagt, die Planung läuft so. Wir müssen versuchen, dies in der gebotenen Kürze zu tun. Da helfen — in Gottes Namen — auch die beru- higenden Worte des Herrn Sozialministers Ehren- Meine Damen und Herren, ich möchte die fünf berg nicht weiter. Wer vor der Bundestagswahl ver- Anträge gemeinsam behandeln. Da es sich um Pro- sicherte, die Rentner könnten beruhigt schlafen, bleme handelt, die mit dem Bereich der Rentenver- dessen Vertrauen ist eben heute dahin. sicherung sehr verzahnt sind, muß ich natürlich auch (Beifall bei der CDU/CSU) auf die allgemeinen, grundsätzlichen Entscheidun- gen, die heute und morgen gefällt werden, eingehen. Meine Damen und Herren, ich bleibe dabei: Die Die Rentensanierung macht auch vor den Kriegs- Koalition ist für die Hektik veranwortlich, mit der opferrenten nicht halt. Die Koalition aus SPD und diese Verschlechterungen im Sozial- und Versor- FDP will mit einem redaktionellen Kunstgriff im gungsrecht durchgepeitscht werden. Ich bleibe da- bei: Diese hundert entscheidenden Veränderungen Kriegsopferrecht und damit im gesamten sozialen Entschädigungsrecht eine entscheidende Weichen- werden, wie ich meine, ein wenig einsam nur vom stellung vornehmen. Dies geschieht gleichsam auf Bundestag diskutiert. Es war ja gar nicht möglich, den Sachverstand der Basis draußen und der Grup- leisen Sohlen, unbemerkt von vielen Versorgungs- pen in der Partei einzusetzen. Sie fühlen sich über- berechtigten und kaum registriert von der Öffent- rannt und überrollt. Sie haben einmal gesagt: Wir lichkeit. wollen mehr Demokratie wagen. Aber es war ja Die Koalition will mit der Neufassung des § 56 technisch gar nicht möglich, diesen Sachverstand des Bundesversorgungsgesetzes nicht nur die vor- und dieses Mehr an Demokratie in den Parteibasen gezogene Rentenanpassung rückgängig machen, son- durchzusetzen. dern gleichzeitig auch die Bezugswerte für künftige (Beifall bei der CDU/CSU — Lutz [SPD]: Anpassungen zementieren. Damit geht sie noch we- Wir haben sehr gründlich beraten!) sentlich über das hinaus, was mit den Stimmen der Koalition bezüglich der künftigen Rentenerhöhun- Und wenn Sie mir heute abend ins Gesicht sagen gen in der Sozialversicherung morgen beschlossen können, daß die Abgeordneten im Ausschuß alle werden wird. wichtigen und wesentlichen Eingaben sorgfältig studiert, gelesen und auch berücksichtigt haben, Ohne irgendwelche weiteren Diskussionen wird dann habe ich Respekt vor ihnen. Aber ich glaube damit der Weg für die wahlweise Nettoanpassung kaum, daß viele Abgeordneten die Zeit hatten, diese im Kriegsopferrecht geöffnet. Diese ungenügend Eingaben sorgfältig zu lesen. durchdachte Weichenstellung ist aus rechtssystema- tischen Gründen absolut falsch und sollte unter (Lutz [SPD]: Nicht alle Abgeordneten!) allen Umständen verhindert werden. -- Ich kann nicht etwas behaupten, was ich nicht beweisen kann. Aber ich halte das für fast unmög- Im festen Vertrauen auf Regierung und Parlament lich. begrüßten die Kriegsbeschädigten, die Wehrdienst- opfer und die Witwen die vom Bundestag seinerzeit Wenn die Auswirkungen dieser Beschlüsse in einmütig beschlossene zeitgleiche und wertgleiche ihrem ganzen Ausmaß in den kommenden Jahren Anpassung der Versorgungsrenten mit den Ver- von den Betroffenen erkannt und verspürt werden, sicherungsrenten. Grundlage — und dies ist ent- dann wird sich vielleicht Herr Ehrenberg wie einst scheidend, meine Damen und Herren — dieser jähr- Herr Apel vom Pferd getreten fühlen. Doch dann lichen Anpassung — so war es verstanden für alle wird es leider zu spät sein. Zeiten, so war es gesagt, so war es auch im Kriegs- (Beifall bei der CDU/CSU) opferrecht klar und eindeutig versprochen — sollte das bewährte System der bruttolohnbezogenen Ren- Die Kriegsopfer werden durch die Auswirkungen tenversicherung sein. Nun soll das alles mit einem der nun gefaßten Beschlüsse mehrfach betroffen. neuen § 56 des Bundesversorgungsgesetzes auf eine Das ist vielleicht noch gar nicht erkannt worden. unsichere Basis gestellt werden. Einmal geht es um die Rentenversicherung. Die Sozialversicherungsrenten werden ja mit den Lei- Für die betroffenen Kriegsopfer, für die Frauen, stungen aus dem Bundesversorgungsgesetz verrech- die in jungen Jahren ihren Mann verloren haben, net. Zum zweitenmal werden die Kriegsopfer in der für die Beschädigten, die schwerwiegende Gesund- Kriegsopferversorgung betroffen. Und sie werden heitsschäden davongetragen haben, bringt diese auch durch die Auswirkungen des Kostendämp- Verschlechterung — das muß eindeutig festgehalten fungsgesetzes betroffen. 1916 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Burger Die als Aktualisierung getarnte Manipulation an Mit diesem Rückgang mindert sich natürlich auch der Rentenformel und die erklärte Absicht der Bun- die Summe der Staatsausgaben. Trotzdem wurden desregierung, die Bestandsrenten zunächst 1979 und seinerzeit bereits im Haushaltsstrukturgesetz Lei- 1980 an die Entwicklung der Nettoentgelte anzupas- stungskürzungen beschlossen. Heute und morgen sen, werden von uns nachdrücklich abgelehnt. werden die Kriegsopfer erneut geschröpft. (Beifall bei der CDU/CSU) Als Ausgleich für diese künftigen Kürzungen im Kriegsopferhaushalt beantragt die CDU/CSU-Bun- Durch die Neufassung des § 56 bekämen diese destagsfraktion erstens die Gewährung eines Kin- Rechtsverschlechterungen auch für die Kriegsopfer- derzuschlags nach § 33 b BVG bei Arbeitslosigkeit versorgung Geltung. Dadurch würden sich auf die von Jugendlichen über 18 Jahren. Diese Regelung Dauer beträchtliche Leistungsverminderungen erge- entspricht der gleichen Bestimmung wie beim ben, und das Rentenniveau müßte absinken. Wir Kindergeldgesetz. Kostenpunkt 100 000 DM per lehnen deshalb die Neufassung des § 56 ab, weil diese automatisch alle künftigen Korrekturen an anno. der Rentenformel der Sozialrenten auch auf die Zweitens beantragen wir die Gewährung von Wai- Versorgungsrenten übertragen würde. senrenten durch eine Änderung des § 45 BVG für Waisen, die keinen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz Die CDU/CSU will die Beibehaltung der Brutto- finden. Kostenpunkt etwa 1 Million pro Jahr. lohnbezogenheit der Renten und deshalb auch die Sicherung künftiger entsprechender Rentenanpas- Drittens beantragen wir eine Verbesserung der sungen im Kriegsopferrecht. Jede Verschlechterung Witwenbeihilfe gemäß § 48 Abs. 1 BVG, ein altes oder Verbesserung dieses Prinzips würde die Anliegen von uns, das heftig umstritten ist. Schere zwischen den Renten der Kriegsopfer und (Beifall bei der CDU/CSU) dem Durchschnittseinkommen der Arbeitnehmer weiter öffnen. Kollege Gansel, Sie werden mit alten Argumenten wieder Ihre Position verteidigen. Aber ich möchte Die Kriegsopferrenten sind in den letzten Jahren ganz klar sagen: Es geht uns nicht darum, die Ein- eben nicht stärker gestiegen als die Einkommen der kommensgrenze zu ändern. Die Einkommensgrenze Erwerbstätigen. soll bleiben. Es geht einzig darum, den 70-, 80- und (Lutz [SPD] : Aber sicher!) 90 %igen wieder die Rechtsposition zu geben, wie — Herr Kollege, das Zahlenspiel der Propaganda- sie vor dem Haushaltsstrukturgesetz gegeben war. maschine der Bundesregierung hat die Öffentlich- Darum geht es einzig und allein. keit getäuscht. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU) Wir wollen viertens eine Änderung des § 56 Eine wissenschaftliche Untersuchung ergab, daß der Abs. 1 BVG, die sicherstellen soll, daß die Renten- Abstand zwischen der Vollrente eines zu 100 % anpassungen wie bisher nach den gestiegenen Brut- Kriegsbeschädigten und dem durchschnittlichen tolöhnen erfolgen können. Wir nehmen natürlich Einkommen aller Erwerbstätigen sich zwischen die Hinausschiebung des Anpassungstermins um ein 1960 und 1975 von 22 % auf 50,5 % vergrößert hat. halbes Jahr hin. Das wird akzeptiert. (Hört! Hört! bei der CDU/CSU) Fünftens und letztens beantragen wir eine Ände- Da kann man doch nicht sagen, daß die Kriegsopfer- rung des § 89 Abs. 3 BVG. Damit soll sichergestellt renten sich hinsichtlich der Steigerung mehr verbes- werden, daß im Falle des Härteausgleichs laufende sert hätten als die Einkommen der Erwerbstätigen. Leistungen vom Antragsmonat an gewährt werden, wie das auch früher immer der Fall war. Da geht es (Zuruf von der SPD: Ab 1969 rechnen!) auch um eine Härte, die im Haushaltsstrukturgesetz Der Rausch der Prozentzahlen hält der Realität nicht beschlossen worden war. stand. Im Gegensatz zur Koalition, die lediglich mit (Beifall bei der CDU/CSU) einem Entschließungsantrag strukturelle Verbesse- Wenn dies trotz Dynamisierung so geschehen ist, rungen in Aussicht stellen will, beantragt die CDU/ wie wird es in einigen Jahren aussehen, wenn wir CSU hier und heute konkrete Maßnahmen. Eine diese Dynamisierung bremsen? bloß platonische Liebeserklärung genügt uns eben nicht. (Sehr richtig! bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU) Die Bundesregierung redet bei jeder Gelegenheit Regierung und Koalition handeln im übrigen un- darüber, was sie alles für die Kriegsopfer und Wehr- glaubwürdig; denn der Finanzminister hat die ein- dienstopfer getan hat. Von den Belastungen und gesparten bzw. in den kommenden Jahren pro Jahr Aufwendungen aber, die den Betroffenen immer einzusparenden 420 Millionen DM bereits heute in wieder abverlangt werden, von ihren Beschwernis- der mittelfristigen Finanzplanung gekürzt. Das ist sen und Schmerzen und den tagtäglich zu bringen- schlicht gesagt ein sozialpolitischer Vertrauensbruch. den Opfern spricht sie nicht. Noch kürzlich wurde in der öffentlichen Diskussion die Zahl der Versor- (Beifall bei der CDU/CSU) gungsberechtigten mit 2,4 Millionen angegeben. Im Die Position der CDU/CSU im Bereich der Kriegs- Januar 1977 waren noch 2,184 Millionen Kriegs- opferversorgung ist eindeutig. Sie trägt die Ver- opfer rentenberechtigt. Die Zahl ist also in drei Jah- schiebung der Anpassung mit, aber hält an der be- ren um rund 200 000 zurückgegangen. währten Rentenformel fest. Sie beantragt struktu- Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1917 Burger relie Verbesserungen und Abbau von Härten zum — Es ist gleich 11 Uhr; wir werden auch gleich zum Ausgleich der erheblichen Einsparungen im Kriegs- Schluß kommen. opferetat. Auch in der Vergangenheit haben die Abgeordne- ten des Parlaments Vorschläge der Regierung kor- Präsident Carstens: Herr Abgeordneter, gestatten rigiert. Immer hat der Deutsche Bundestag versucht, Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Cronen- einen gemeinsamen Weg zu finden, um Härten zu berg? beseitigen und diejenigen Hilfen anzubieten, die, wie wir meinen, notwendig sind. Halten Sie doch an Burger (CDU/CSU) : Bitte, Herr Cronenberg. dieser guten Tradition fest und stimmen unseren Anträgen zu. Sie sind heute nicht müde geworden zu versichern, daß Sie an der bruttolohnbezogenen (FDP) : Herr Kollege, geben Sie mir zu, Cronenberg Rente festhalten wollen. Seien sie nun konsequent (Zuruf von der CDU/CSU: Nein!) und stimmen Sie unserem Antrag auf Erhaltung des alten § 56 zu. Dann haben Sie nämlich den Beweis daß es sich nicht um eine Einsparung von 420 Millio- erbracht, daß Sie es mit dem ernst meinen, was Sie nen DM handelt, die sich auf Grund der einmaligen heute wiederholt versprochen haben. Verschiebung des Anpassungstermins jährlich wie- derholen wird, sondern daß es sich um eine ein- (Beifall bei der CDU/CSU) malige Einsparung handelt, daß also nicht jährlich 420 Millionen DM für strukturelle Maßnahmen aus- Präsident Carstens: Das Wort hat der Abgeordnete gegeben werden können? Gansel.

Burger (CDU/CSU) : Herr Kollege, das ist eine fort- Gansel (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und wirkende Korrektur. Herren! Auch wenn es jetzt schon 22.30 Uhr ist, so besteht doch, meine ich, kein Anlaß, die Arbeit des (Beifall bei der CDU/CSU) Parlaments zu später Abendstunde schlechter zu be- Jedes Jahr wird ein halbes Jahr später angepaßt. werten als die am frühen Morgen. Das ist mit Adam Riese ganz gut auszurechnen. Je- (Wehner [SPD]: Das ist doch keine Arbeit!) des Jahr werden Einsparungen gemacht, die haus- haltsmäßig allerdings nur einmal eingesetzt werden. Wenn dies die Stunde des Parlaments ist, dann ist Das ist ein Spiel mit Worten, Herr Cronenberg. das eine Stunde wie jede andere auch, und der Vor- Aber das ist eine Kürzung, die auf Dauer wirkt.- wurf der Hektik paßt nicht, wie überhaupt mancher Vorwurf nicht paßt. Denn, Herr Burger, auch wenn (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein man sich für die Beratung der Änderungen im Ren- [CDU/CSU] : Das wird er noch lernen!) tenrecht und in der Krankenversicherung sicherlich Meine Damen und Herren Sozialdemokraten und noch etwas mehr Zeit hätte wünschen können, so ist Freie Demokraten, Sie sind 1969 mit dem Verspre- doch jedenfalls für die Beratung des Anpassungsge- chen angetreten, mehr soziale Gerechtigkeit zu ver- setzes zur Kriegsopferversorgung ausreichend Zeit wirklichen. gewesen. Hier von Zeitdruck zu sprechen, ist in kei- ner Weise angebracht. (Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Was ist dar aus geworden!?) Herr Burger, Sie sind noch einmal auf das Thema 1957 wurde unter die Renten- von heute morgen eingegangen und haben die Ent- reform beschlossen. Wir waren stolz auf dieses deckung der Kleinrentner durch Herrn Franke wie- Werk, das unseren älteren Mitbürgern soziale Si- derholt. Wenn ich noch einmal darauf antworte, cherheit brachte. 1977, 20 Jahre danach, wird dieser dann nur deshalb, weil in dieser Entdeckung des soziale Besitzstand gefährdet. Sie haben nicht Wort Kleinrentners auch etwas Positives steckt: die Op- halten können. position lernt. Denn als Sie, meine Damen und (Beifall bei der CDU/CSU) Herrn, im Jahre 1969 das letzte Mal Regierungsver- antwortung hatten, legte Ihre Fraktion ein Arbeits- Beinahe alle politischen Probleme sind ökonomisch. programm vor, ein sogenanntes Sozialpolitisches Sie haben, meine Damen und Herren von der Koali- Schwerpunktprogramm, aus dem ich zitieren darf, tion, in den letzten Jahren nicht gut rechnen können. Herr Präsident; denn es verdient in Erinnerung be- Sie haben nicht gut gewirtschaftet. Hätten Sie nicht halten zu werden. Dort hieß es: so dick aufgetragen, dann hätte die Farbe gereicht. Dieses Wort Ihres Alt-Bundeskanzlers, seinerzeit Die Bereinigung des Problems der sogenannten gesprochen zu dem früheren Finanzminister Möller, Kleinrenten im Rahmen des Rentenversiche- ist heute Wahrheit geworden, ist sichtbar gewor- rungsrechts ist nicht möglich. Soweit eine Klein- den. Jetzt ist die Stunde des Parlaments, meine Da- rente einzige Einkommensquelle ist, kann zu- men und Herren; sie sollte nicht ungenutzt ver- sätzlich Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfe- streichen. gesetz in Anspruch genommen werden. (Zuruf des Abg. Wehner [SPD]) Sie haben inzwischen gelernt. — Herr Wehner, dies ist die Wahrheit. Sie haben in demselben Jahr in Ihrem Argumen- (Wehner [SPD]: Ja, das ist die Wahrheit: Es tationskatalog für den Bundestagswahlkampf ge- ist gleich 11 Uhr!) schrieben — ich darf daraus zitieren: Fragen und 1918 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Gansel Antworten, herausgegeben von der CDU, August auf diese unsere Grundposition stellen, so ist das 1969 —: ein Fortschritt. Sie haben gelernt, und das ist in Ordnung. Sie übersehen dabei allerdings, daß Ihr Wenn es noch niedrige Renten gibt, so liegt das Vorschlag zum § 33 b im wesentlichen nur die Be- daran, daß nicht genügend Beiträge geleistet zieher von Versorgungsleistungen betrifft, die im worden sind. Würde man diese niedrigen Ren- Ausland wohnen, und gerade dort gilt das Argu- ten aus dem allgemeinen Beitragsaufkommen ment der Jugendarbeitslosigkeit, auf Grund derer erhöhen, so müßte dies zu Lasten der übrigen wir sie innerhalb der Bundesrepublik zu lösen und Renten gehen. zu lindern versuchen, nicht mit der Begründung. Wenn Sie heute Ihre Position revidieren, wenn Sie ein neues Problembewußtsein entwickeln, so finde (Zuruf von der CDU/CSU: Das trifft die ich das bemerkenswert. Sie haben gelernt, und wir Pflegezulagenempfänger!) müssen uns darüber freuen. Wenn Sie schließlich im § 45 b eine besondere Regelung für die Waisen fordern, so ist das ein Präsident Carstens: Herr Abgeordneter, gestatten Vorschlag, dem wir grundsätzlich offen gegenüber- Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten stehen. Wir haben ihn aber seinerzeit im Rahmen Geisenhofer? der Reform des Bundeskindergeldgesetzes nicht auf- nehmen können, und zwar im wesentlichen — das Gansel (SPD) : Bitte sehr. wissen Sie wie wir — aus Gründen der Kosten. Wenn wir jetzt eine Sonderregelung im Kriegsopfer- recht einführen, so hat dies unbedingt Konsequen- Geisenhofer (CDU/CSU) : Herr Kollege Gansel, würden Sie dem Hohen Hause bestätigen, daß der zen auf die Rentenversicherung und auf die Unfall- Dies ist zur Zeit nicht machbar; aber Gesetzentwurf zur Einführung der Mindestrente ge- versicherung. rade für 1,4 Millionen Kleinrentner von der CDU/ das Anliegen ist im Grunde berechtigt. CSU eingereicht und 1972 auch durchgesetzt worden Es bestätigt noch einmal unsere Lösung aus dem ist? Das widerspricht dem, was Sie gesagt haben. Sommer letzten Jahres. (Beifall bei der CDU/CSU) Zweitens: Der andere Punkt, in dem Sie dazu- gelernt haben, ist § 48. Dabei geht es um die Frage, Gansel (SPD) : Dies kann ich nicht bestätigen; denn unter welchen Umständen eine Witwen- oder Wai- jedermann in diesem Hause weiß, daß Sie es 1972 senbeihilfe gewährt werden soll, wenn der Ver- nicht durchsetzen konnten, da Sie in diesem Haus sorgungsberechtigte nicht an den Folgen seiner nicht über die Mehrheit verfügten. Das war die so- Kriegsbeschätligung gestorben ist. Wir haben die- zialliberale Koalition. sen Paragraphen im Rahmen des Haushaltsstruktur- (Pfeifer [CDU/CSU] : Da irren Sie! In dem gesetzes geändert. Damals haben Sie vor allen Din- Punkt hatten wir die Mehrheit!) gen angegriffen, daß wir die sogenannte Bedürftig- keitsgrenze herabgesetzt haben. Diese Bedürftig- Auf das Thema der Kleinrentner bin ich noch ein- keitsgrenze betrug damals — das war im Januar mal eingegangen, weil sich nicht nur hier, sondern 1976 — bei Witwen 2 760 DM monatlich. Wir haben auch in der Kriegsopferversorgung und anderswo dann durchgesetzt, daß es damals auf 1 530 DM zeigt, daß die Opposition durchaus lernfähig ist, herabgesetzt wurde. Heute liegt diese Grenze bei und das ist ein optimistischer Ausklang am späten 2 125 DM. Sie haben diese Grenze, die Sie damals Abend, den man hinreichend würdigen muß. so heftig attackiert haben, heute akzeptiert. Sie ha- (Zuruf von der CDU/CSU: Ihr lernt nichts ben gelernt. Das ist in Ordnung, und wir sollten dazu?) das anerkennen. Sie haben eine Reihe von Anträgen gestellt, von de- Wenn Sie jetzt die Erleichterung des Bezuges nen drei nur bloße Wiederholungen von Bundes- dieser Leistung fordern, so übersehen Sie dabei, ratsanträgen sind. Wir haben sie im Ausschuß be- daß die gesetzliche Fiktion des § 48, die Sie hier raten, wir haben darüber abgestimmt. Wir werden erweitern wollten, auch Auswirkungen auf andere, sie hier mit der gleichen Begründung wie im Aus- ähnliche Versorgungsleistungen haben müßte. Es ist schuß ablehnen; sie hat sich nicht geändert. Ich darf aber akzeptabel, daß dann, wenn eine Versorgungs- wegen der Einzelheiten auf den Ausschußbericht leistung erbracht wird, wenn der Versorgungsbe- verweisen. rechtigte nicht an den Folgen seiner Beschädigung Folgendes scheint mir jetzt bemerkenswert zu verstorben ist, wenn er also auch andere Versor- sein. Erstens: Wenn Sie heute verlangen, daß die gungsansprüche hat, eine Einzelfallprüfung möglich Regelung aus dem Bundeskindergeldgesetz, nämlich sein muß. Im übrigen haben wir damals eine Reihe die Verlängerung der Bezugsmöglichkeiten über das von Ausnahmen geschaffen. Sie gelten weiter fort. 18. Lebensjahr hinaus bis zum 23. Lebensjahr, wenn Im Grunde genommen habe ich den Eindruck — ich kein Arbeitsplatz zur Verfügung steht, auf das will nicht gehässig sein —, daß ein Stückchen Recht- Kriegsopferrecht übertragen werden soll, so akzep- haberei darinsteckt, dieses Thema noch einmal zu tieren Sie damit, daß dieser unser Vorschlag richtig aktualisieren. Vielleicht ist es auch nur eine Pflicht- ist. Damals haben Sie ihn heftig kritisiert, Sie for- leistung gegenüber Ihrem und unserem alten Kol- derten Arbeitslosenhilfe, und Sie forderten einen legen Eugen Maucher, der sich bei diesem Paragra- Bezug bis zum 27. Lebensjahr. Wenn Sie sich heute phen immer besonders engagiert hat. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1919 Gansel Drittens: Ein anderer Punkt, bei dem Sie gelernt Meine Damen und Herren, ich möchte noch haben, ist § 56. Mit Ihrem Änderungsantrag be- einen letzten Punkt ansprechen. Auf Vorschlag der zwecken Sie zweierlei: Zum einen wollen Sie die Koalitionsfraktionen hat der Ausschuß dem Ple- Höhe der regelmäßigen Anpassung der Kriegs- num eine Entschließung vorgelegt, die wir sicherlich opferrenten anders regeln als im Regierungsent- einstimmig verabschieden werden. Auch da erweist wurf. sich die Opposition als lernfähig, die darauf ver- (Zuruf von der CDU/CSU: Ist das schlimm?) zichtet hat, einen eigenen, unrealistischen Antrag vorzulegen. Wir haben gefordert, daß im Hinblick Darüber kann man ja diskutieren. Nun, wir haben seinerzeit die Dynamisierung mit dem ausdrückli- auf die Entlastung des Bundeshaushalts durch die Verschiebung des Rentenanpassungstermins in der chen Argument durchgesetzt, eine Gleichbehandlung Kriegsopferversorgung so bald wie möglich ein mit den Rentnern in der gesetzlichen Rentenver- Gesetzentwurf vorgelegt werden soll, sicherung zu erreichen. Wenn genau diese Gleich- behandlung mit einem wortwörtlichen Verweis auf (Pfeifer [CDU/CSU] : Was heißt denn „so die Anpassungssätze der gesetzlichen Rentenver- bald wie möglich", wenn die Mittel in der sicherung jetzt erstmalig im Gesetz festgeschrieben Finanzplanung gestrichen sind?) wird, dann ist dies jetzt endgültig und voll festge- der notwendige strukturelle Leistungsverbesserun- schrieben, so wie wir es seinerzeit alle verlangt gen im Bereich des Bundesversorgungsgesetzes zum haben. Ich verstehe also nicht, warum Sie hier einen Gegenstand hat, und wir haben gefordert, die für anderen Anpassungssatz festschreiben wollten, als diese Verbesserung erforderlichen Mittel in die er für die Rentner in der gesetzlichen Rentenver- Haushalts- und Finanzplanung des Bundes aufzu- sicherung möglich ist. nehmen. „So bald wie möglich" heißt: spätestens Zum anderen wollen Sie den Anpassungstermin mit dem nächsten Anpassungsgesetz. Darüber ist auf den 1. Januar festschreiben. Damit kommen Sie im Ausschuß sachlich diskutiert worden. Wir haben der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen uns im Ausschuß auch ganz sachlich darüber unter- voll entgegen. Denn genau dies — nicht nur wert- halten können, daß die Bundesregierung bei der gleiche, sondern auch zeitgleiche Anpassung an die mittelfristigen Finanzplanung an ihre eigenen Ge- gesetzliche Rentenversicherung — war unser Vor- setzesvorlagen gebunden ist. Deshalb war es für schlag. Wir haben damals die hochtönenden Worte, den Finanzminister nicht möglich, jetzt Mittel in die die von Ihren Kollegen vor Verbänden und anders- Planung hineinzustellen, die von uns ausgaben wo gesprochen worden sind, verfolgt mäßig in den nächsten Jahren ja erst beansprucht (Burger [CDU/CSU] Sind sie gesprochen werden müssen. worden?) - Wir werden uns dafür einsetzen, daß die Kriegs- — ich habe Ihre Äußerungen, Herr Kollege Burger, opfer wie in der Vergangenheit auch in Zukunft weniger in Erinnerung als die des Kollegen Geisen- das Ihre bekommen. Wir werden dabei die Ver- hofer —, und wir stellen jetzt ein Stückchen Ein- bände — „die Basis", wie Sie gesagt haberl — ge- sicht fest. Auch das empfinde ich als ein Beispiel bührend berücksichtigen. Wir werden mit ihnen Ihrer Lernfähigkeit: daß nach der sehr demagogi- die Einzelheiten diskutieren. Deshalb ist es auch schen Debatte über die Kriegsopferversorgung im sinnvoll, diese Strukturmaßnahmen in aller Ruhe März jetzt ein sachlicher Beitrag gekommen ist. Sie und Gründlichkeit zu beraten. Mit einem kurzfristi- haben, wie gesagt, gelernt, und das sollte man an- gen Profilprogramm, das die Opposition jetzt auf erkennen. den Tisch gelegt hat, ist nicht geholfen. Den Kriegs- Im übrigen, Herr Burger, bleiben Sie sich jetzt opfern helfen wir durch eine solide, kontinuierliche wenigsten teilweise treu, da Sie schon in vergange- Sozialpolitik. nen Jahren hier im Bundestag — ich darf zitieren, (Beifall bei der SPD und der FDP) Herr Präsident — gefordert haben: Es wäre mit den Grundsätzen eines sozialen Präsident Carstens: Das Wort hat der Abgeord- Rechtsstaats nicht vereinbar, wenn nicht auch nete Schmidt (Kempten). für die Kriegsopfer die Leistungsverbesserun- gen zum gleichen Zeitpunkt einträten. Die Über- nahme der Rentendynamisierung aus der ge- Schmidt (Kempten) (FDP) : Herr Präsident! Meine setzlichen Rentenversicherung in die Kriegs- sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem der opferversorgung ab Januar 1970 beinhaltet ja Kollege Gansel sehr ausführlich die Gründe darge- nicht nur ein mathematisches System, sondern stellt und doch sehr deutlich klargestellt hat, wie sich meint vor allen Dingen Zweck und Ziel einer gerade in dieser Frage die Opposition lernfähig fortschrittlichen Regelung. Wir fordern deshalb zeigt, und ich auch schon bei meinem ersten Auftre- eine nicht nur wertgleiche, sondern auch zeit- ten heute früh einiges gesagt habe, möchte ich nur gleiche Anpassung der Versorgungsrenten. drei Bemerkungen machen. So der Abgeordnete Burger vor wenigen Jahren im Erstens. Herr Kollege Burger, ich halte es nicht Deutschen Bundestag, so exakt die Bundesregierung für gut, in diesem Zusammenhang von einem Kunst- und die Koalitionsfraktionen heute. griff zu reden. Es ist in diesem Bereich, in dem wir (Burger [CDU/CSU] : Aber nicht auf der immer versucht haben, das Bestmögliche zu tun, kein Grundlage der bruttolohnbezogenen Rente! schöner Begriff. Darüber, daß es hier darum ging Das war die Geschäftsgrundlage!) und geht, die Verzahnung mit der Rentenversiche- 1920 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Schmidt (Kempten) rung, auch wenn es einmal etwas schlechter geht, serungen Härteregelungen angesetzt werden kön- voll beizubehalten, ist genügend gesagt worden. nen, wobei ich persönlich heute früh schon einmal den Bereich der Witwenversorgung angesprochen Man sollte zweitens auch nicht vom „Schröpfen" habe; da gibt es einiges, was man tun müßte. Ich der Kriegsopfer reden. Dann käme ich nämlich in möchte aber gleichzeitig hinzufügen — und der Kol- Versuchung, an das Haushaltsjahr zu denken, als der lege Cronenberg hat das ja durch eine Zwischen- Kollege Katzer seinem Finanzminister Strauß nach frage schon etwas klargestellt —: Es kann natürlich vielen Mühen die Mittel für die Kriegsopferversor- nicht so sein, daß 425 Millionen DM über Verbesse- gung wieder aus den Klauen nehmen mußte, die in rungen — ich darf es einmal so hart sagen — in der Finanzplanung schon gar nicht mehr enthalten einem Gesetz verfrühstückt werden und dann schön waren. in den Bundeshaushalt für die nächsten 10 oder 20 (Sehr wahr! bei der SPD) Jahre eingehen. Ich glaube aber, Sie meinen das Das war 1968/69; die Kollegen erinnern sich noch an auch nicht so. Wir müssen hier vielmehr klar dosiert das, was damals geplant war. Ich möchte solche Aus- sehen, was für die fortlaufende Zeit aus diesen frei- drücke nicht gebrauchen, und ich möchte auch die werdenden Mitteln möglich ist, und ich bin sicher, gute Debatte, die sich hier ergeben hat, nicht zum da werden wir uns auch einigen können. Schluß noch verschärfen. (Beifall bei der FDP und der SPD) Die dritte Bemerkung: Ich habe für die Freien De- mokraten bereits im Ausschuß klar zum Ausdruck Präsident Carstens: Meine Damen und Herren, gebracht, daß auch wir der Auffassung sind, daß es weitere Wortmeldungen zur zweiten Beratung liegen von dem Augenblick an, wo durch die Verschiebung nicht vor. Die Abstimmung in zweiter Beratung und des Termins in einem Haushaltsjahr — und das ist die dritte Beratung finden morgen früh statt. dann praktisch mit dem nächsten Anpassungsgesetz Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Freitag, möglich — Mittel frei werden — denn es werden den 13. Mai 1977, 9 Uhr ein und schließe die Sitzung. Haushaltsmittel frei —, notwendig ist, darüber nach- zudenken, wo bezüglich bestimmter Strukturverbes- (Schluß der Sitzung: 22.45 Uhr) Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode - 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1921*

Anlage zum Stenographischen Bericht

Anlage Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Prof. Dr. Laermann 12. 5. Liste der entschuldigten Abgeordneten Dr. Graf Lambsdorff 13.5. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lange * 13.5. Dr. Lenz (Bergstraße) 13.5. Adams * 13. 5. Lücker * 13. 5. Dr. van Aerssen * 13. 5. Müller (Mülheim) * 13.5. Dr. Aigner * 13. 5. Müller (Wadern) * 13. 5. Alber * 13. 5. Dr. Müller-Hermann * 13. 5. Bahr 12. 5. Pieroth 13. 5. Dr. Bangemann * 13. 5. Prof. Dr. Pinger 13. 5. Dr. Bayerl * 13. 5. Schmidt (München) * 13. 5. Frau Benedix 12. 5. Schreiber * 13. 5. Blumenfeld * 13. 5. Schwabe * 13. 5. Dr. Dregger 13. 5. Dr. Schwörer * 13.5. Fellermaier * 13. 5. Seefeld * 13. 5. Flämig * 13. 5. Sieglerschmidt a 13. 5. Dr. Früh* 13. 5. Spitzmüller 12. 5. Dr. Fuchs * 13. 5. Dr. Starke (Franken) * 13. 5. Haase (Fürth) * 13. 5. Dr. Staudt 27. 5. Haberl 13. 5. Frau Steinhauer 27. 5. Hoffmann (Saarbrücken) * 13. 5. Frau Tübler 27. 5. Dr. Jahn (Braunschweig) * 13. 5. Dr. Wallmann 12.5. Katzer 13. 5. Frau Dr. Walz * 13.5. Dr. Klepsch * 13. 5. Wawrzik * 13. 5. Dr. h. c. Kiesinger 13. 5. Frau Will-Feld 27. 5. Klinker ' 13. 5. Dr. Wörner 12. 5. Kunz (Berlin) * 13. 5. von .Wrangel 13. 5. Würtz * 13. 5. *) für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Par- Zeyer * 13. 5. laments Zywietz * 13. 5.