Jus Statutarium veteris Territorii Principalis Monasterii Sancti Galli

Ein Beitrag zur Rechtsgeschichte von Kloster und Kanton St. Gallen

DISSERTATION der Hochschule St. Gallen für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zur Erlangung der Würde eines Doktor der Rechtswissenschaft

vorgelegt von Stephan Staub von Gossau (St. Gallen)

Genehmigt auf Antrag der Herren Prof. Dr. C. Soliva und Dr. E. Ziegler

Dissertation Nr. 1043

ADAG Administration & Druck AG, Zürich 1988 Die Hochschule St. Gallen für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften gestattet hiemit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation. ohne damit zu den dartn ausgessprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen. St. Gallen. 07. Dezember 1987 Der Rektor: Prof. Dr. Johannes Anderegg Jus Statutarium vetens fJ'erritorii Principa{is Monasterii Sancti (ja{{i

Federzeichnung von August Hardegger "DAS FÜRSTLICHE KLOSTER ST. GALLEN CIRCA 1790"

aus: August Hardegger, SaJomon Schlatter und Traugott Schiess: Die Baudenkmäler der Stadt St. Gallen, St. Gallen 1922, S. 201

Meinen El~ern

Vorwort

Meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Claudio Soliva, danke ich flir die grosse Freiheit, die er mir bei der Ausarbeitung der vorliegenden Dissertation gewährt hat. Seine Anteil- nahme und sein Interesse am Werden der Arbeit, vor allem auch sein kritischer, aber doch immer wohlmeinender Rat halfen mir sehr bei der Abfassung der Dissertation.

Ebenso danke ich dem Stadtarchivar, Herrn Dr. Ernst Ziegler, ftir die bereitwillige Ueber- nahme des Korreferats. Seine philologischen Ratschläge waren mir eine grosse Hilfe.

Der Stiftsarchivar, Herr Dr. Wemer Vogler, hat mich auf das Jus Statutarium als mögli- ches Dissertationsthema hingewiesen. DIrn und seinem Mitarbeiter, Herrn Lorenz Holen- stein, lic.phil. I, der mich bei der Quellensuche ausserordentlich unterstützt hat, sei mein spezieller Dank ausgesprochen.

Beim Stiftsbibliothekar, Herrn PD Dr. Peter Ochsenbein, und seinen Mitarbeitern bedan- ke ich mich für die gewährte Unterstützung und Gastfreundschaft während vielen Tagen, besonders aber während der Transskription der Quelle.

Ich danke auch Frau Dr. Magdalen Bless-Grabher für die Unterstützung bei der Quellen- suche im Zusammenhang mit der Stadt Wil.

Zum Schluss danke ich auch allen jenen - ich kann sie mit Namen nicht anführen -, die mit Kritik oder Ratschlägen auch zum Entstehen dieser Arbeit ihren Beitrag geleistet ha- ben. Ganz besonders bin ich aber meinen lieben Eltern zu Dank verpflichtet; ihre Unter- stützung hat mir das Studium erst ermöglicht.

Heerbrugg, im Frühjahr 1988 Stephan Staub

Inhaltsübersicht

Teilt: Das Umfeld des Jus Statutarium Teil 2: Das Jus Statutarium Kapitell: Codiciologische Untersuchung und Verfasser Kapitel 2: Der Inhalt des Jus Statutarium. Kapitel 3: Würdigung Anhang

-XI - Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis ...... XI Abkürzungsverzeichnis ...... XXI Ouellenverzeichnis ...... XXIII literaturverzeichnis ...... xxvn Teil 1: Das Umfeld des Jus Statutarlum

§ 1 Einleitung 1. Ziel und Aufbau der Arbeit ...... 2 2. Abgrenzung der untersuchten Ouelle ...... 2

§ 2 Das Kloster St. Gallen Im 18. Jahrhundert 1. Die geschichtlichen Konstanten ...... ,...... 4 1.1 Bis zur Wahl von Abt Beda Angehrn ...... 4 1 ,2 Die Regierungszeit von Abt Beda Angehrn ...... 5 1.3 Das Ende der Stiftsherrschaft ...... 6 2. Die innere Situation im Kloster ...... 7 2.1 Vorbemerkungen ...... 7 2.2 Der Konvent...... , ...... " ...... 7 2.3 Die Querelen im Kloster während der Regierungszeit von Abt Beda Angehrn ...... 7

§ 3 Die Geschichtlich-Politische Situation In der Alten Landschaft und Im Thurgau 1. Geographische Abgrenzung ...... 9 2. Die Alte Landschaft ...... 9 2.1 Die Geschichte der Alten Landschaft bis zum 18. Jahrhundert ...... 9 2.2 Die Ereignisse in der Alten Landschaft zur Zelt des Krieges von 1712 ...... 10 2.3 Die Alte Landschaft nach 1718 ...... 11 2.4 Die Stadt WiI ...... 11 3. Die Geschichte der äbtischen Gerichte Im Thurgau ...... 12 3.1 Die Entwicklungen bis zum Einmarsch der Eidgenossen In den Thurgau ...... 12 3.2 Die Entwicklung bis zum Abschluss der Reformation ...... 13 3.3 Von der Reformation bis zum Krieg von 1712 ...... 14 3.4 Das 18. Jahrhundert...... 15 4. Die Organisation des äbtischen Staates (Ein Ueberblick) ...... 16

Tell 2: Das Jus Statutarlum Kapitel 1 : Codiciologische Untersuchung und Verfasser

§ 4 Codlclologlsche Untersuchung 1. Die äussere Gestaltung ...... 19 2. Der äussere Aufbau ...... 19 2.1 Grundsätzliche Gestaltung ...... 19 2.2 Gliederung des Jus Statutariums ...... 19 2.3 Die Inhaltsverzeichnisse ...... 20 2.4 Sprache und Schrift ...... 21 3. Vergleich mit dem Entwurf in Codex 1957...... 21

§ 5 Die Verfasser A) Autor und Schreiber...... 22 1. Pater Bemhard Hannes ...... 22 1.1 Die Biographie ...... 22 1.2 Sein juristisches Schaffen ...... 22 2. Pater Ambrosius Epp von Rudenz ...... 23 -Xll-

B) Die Mitarbeiter ...... 24 1. Pater Iso Walser...... 24 1.1 Die Biographie ...... 24 1.2 Sein Juristisches Schaffen ...... 25 2. Hofkanzler Anton Schuler ...... 25

Kapitel 2: Der Inhalt des Jus Statutarium

§ 6 ElnfOhrung In die Untersuchung 1. Das Inhaltsverzeichnis des Jus Statutarium ...... 27 2. Geographische Bemerkungen im Jus Statutarium ...... 29 3. Was im Jus Statutarium nicht behandelt wird ...... 30 3.1 Das Verhältnis zur Stadt SI. Gallen ...... 30 3.2 Das CICan ...... 31

§ 7 Staatsrecht A) EinfOhrung ...... 32 B) Die Darlegungen zum ganzen Staatsgebiet ...... 32 1. Rechtsquellen und Rechtsanwendung ...... 32 1.1 Rechtsquellen des Zivilrechts ...... 32 1.2 Rechtsquellen des Strafrechts ...... 32 1.3 Die Rechtsanwendung ...... 33 2. Oe Jure Personarum ...... 33 C) Die Darstellung der Alten Landschaft ...... 34 1. Die Rechtsstellung des Abtes und der Untertanen ...... 34 1.1 Welche Rechte stehen dem Abt zu ...... 34 1.2 Umfang dieser Rechte ...... 35 1.2.1 Im Grundsatz ...... 35 1.2.2 Die Potestas Legislaliva ...... 35 1.2.3 Die Potestas Judiclaria ...... 35 1.2.4 Die Potestas Coercitiva ...... 36 1.3 Die Herrschaftsrechte Ober die Untertanen ...... 36 1.3.1 Geschichtlicher Abriss ...... 36 1.3.2 Die Situation bei der Abfassung des Jus Statutarium ...... 37 1.3.3 In Kriegen und Kriegszeiten ...... 38 1.4 Die Herrschaftsrechte Ober die Sachen ...... 38 1.4.1 Der Abzug ...... 38 1.4.2 .Steuras seu collectas· ...... 38 1.4.3 Die Steuerpflicht der EigengOter des Klosters ...... 39 2. Die Beschreibung der Alten Landschaft im Besonderen ...... 40 2.1 Allgemeine AuslOhrungen ...... 40 2.2 Die einzelnen Aernter ...... 40 2.2.1 Das Landeshofmeisteramt ...... 40 2.2.1.1 Das Hofgericht...... 40 2.2.1.2 Tablal...... 41 2.2.1.3 Muolen ...... 41 2.2.2 Das Wileramt ...... 42 2.2.2.1 Zuzwil, Ziberwangen und Weiem (Wigern) ...... 42 2.2.2.2 Zuckenriedt...... 42 2.2.2.3 Niederhellenschwil...... 43 2.2.2.4 Lenggenwil, Amptenzell und Thurstuden (Durstudien) ...... 43 2.2.2.5 OberbOren und NiederbOren ...... 43 2.2.3 Das Rorschacheramt ...... 43 2.2.3.1 Hauptmannschaften des Gerichtes Rorschach ...... 44 2.2.3.2 Goldach ...... 44 2.2.3.3 Steinach ...... 45 2.2.3.4 Mörschwil ...... 45 ·xm· 2.2.4. Das Oberbergeramt...... •...... 45 2.2.4.1 Gossau, Oberdorf, Gebhardschwil und Andwil...... •...... 45 2.2.4.2 Waldkirch, Arnegg und NiederwiI ...... 46 0) Die Austahrungen zum Thurgau ...... • 46 I. Allgemeine Bemerkungen ...... •... ,.....•...... •...... 46 1. Zum Aufbau dieses Abschnittes ...... •...... 46 2. Die Rechtspositionen des Klosters und der Eidgenossen ...... 47 2.1 Die tanf Prinzipien des Klosters ...... •...... 47 2.2 Die drei Grundsätze der Kantone ...... •...... •...... 47 3. Die Charakterisierung der Herrschaft im Thurgau ...... • ,., ...... ,...... 48 3.1 Die Malefizorte ...... 48 3.2 Die anderen Orte im Thurgau ...... 48 3.3 Angriffe auf die Position des Abtes ...... 48 4. Die Begrondung der Thesen und Behauptungen ...... 49 4.1 Die Immunitätsverleihungen ...... 49 4.2 Die RechtssteIlung des Abtes im Thurgau ...... 49 4.3 Die Rechtsetzungsrechte ...... 50 4.3.1 Die Rechtsetzungshoheit...... 50 4.3.2 Beispiele fOr die Rechtselzungshoheit ...... 50 4.4 Rechtsprechungsrechte ...... 51 4.4.1 Zuständigkeits- und AppellatIonsordnung vor den äbtlschen Gerichten ...... 51 4.4.2 Die Feudalgerichtsbarkeit...... 51 4.5 Vollzugsrechte ...... 52 4.6 Herrschaft Ober Menschen und Sachen ...... 52 4.6.1 Treueeid der Untertanen ...... 52 4.6.2 Das Mannschaftsrecht ...... 52 4.6.3 Abzug, Steuern und Kriegsabgaben erheben ...... 53 4.7 Fall und Fasnachtshennen ...... 53 4.7.1 Recht des Abtes, diese einzufordern ...... 53 4.7.2 Arten des Falls ...... 53 4.8 Die BOndnishoheit ...... 54 4.9 Die RechtssteIlung der Eidgenossen im Thurgau ...... 54 4.9.1 Das Verhältnis Abtei - Kantone ...... 54 4.9.2 Die Rechte der Kantone ...... 55 4.9.3 Die Trennung der GerichtshoheIten ...... 56 4.10 Das Strafrecht ...... 56 4.10.1 Das Strafverfahren ...... 56 4.10.2 Die Straftalbestände ...... 57 4.10.3 Das Strafrecht gemäss den Friedensverträgen von 1712 und 1718...... 58 4.10.4 Die Folgerungen aus den Strafrechtskompetenzen ...... 58 4.11 Die Grenzverträge ...... 58 5. Verhältnis zur Alten Landschaft ...... 59 11. Die Orte im Besonderen ...... 59 1. Die Malefizorte ...... 59 1.1 Grundsätzliche Bemerkungen ...... 59 1.2. Die einzelnen Malefizorte ...... 60 1.2.1 Sommerl...... 60 1.2.2 Orte, die im Wileramt lagen ...... 61 1.2.2.1 Das Berggericht und weitere Orte ...... 61 1.2.2.2 Das Schneckenbund·Gericht...... 61 1.2.2.3 Hosenruck und ROedewil...... 62 1.2.2.4 Rickenbach, Wilen und Busswil ...... 62 1.2.2.5 HOtlenschwil und Umgebung ...... 62 1.2.2.6 Das Frelgerlcht...... 63 1.2.3 Sitterdorf ...... 63 1.2.4 Die Orte Im Romanshomeramt ...... 64 1.2.4.1 Romanshorn ...... 64 1.2.4.2 Kesswil ...... 64 1.2.4.3 Herrenhof, Germanshausen und Aich ...... 65 -XIV-

2. Die andern Orte im Thurgau ...... 65 2.1 Uttwil und Silva Uttwilensis ...... 65 2.2 Dozwil und Zuben ...... 66 2.3 Blidegg und Hagenwil ...... 66 2.4 Zihlschlacht, Hefenhofen, Hauptwil, Au und Roggwil...... 67 2.5 Wängi...... 67 E) Die Regalien und ehehaften Rechte des Abtes ...... 68 I. Die Rega6en ...... 68 1. Begründung der Regalrechte ...... 68 2. Die einzelnen Regalrechte ...... 68 2.1 Das Fischereiregal...... 68 2.2 Das Jagdregal...... 69 2.3 Das Zoll- und Schiffahrtsregal...... 69 2.3.1 Grundsätzliches ...... 69 2.3.2 Verträge über Handel, Verkehr und Zölle ...... 69 11. Die ehehaften Rechte ...... 70 1. Begründung der Rechte ...... 70 2. Die einzelnen Rechte ...... 70 2.1 Die Bäcker ...... 70 2.2 Die Müller ...... 70 2.3 Tavernenrechte und Wirte ...... 70 2.3.1 Das Tavernenrecht...... 70 2.3.2 Die Pflichten der Wirte ...... 71 2.4 Die Regelung der anderen Gewerbe ...... 71 F) Die Wahl, die Pflichten und Eide der Beamten ...... 72 1. Wahlen und Eid ...... " ...... 72 1.1 Des Ammann und der Hauptleute ...... 72 1.2 Der Weibel...... 72 1.3 Die Gerichte ...... 73 1.4 Die Wahl der Amtleute aufgrund der Friedensverträge von 1712/18 ...... 73 2. Die Aufgaben und Rechtsstellung ...... 73 2.1 Die Pflichten aller AmUeute ...... 73 2.2 Die Pflichten des Ammannes ...... 74 2.3 Die Pflichten der Richter ...... 74

§ 8 Die belden Städte WII und Rorschach A) EinfOhrung ...... 75 B) Wil...... 75 1. Die Rechte des Abtes ...... 75 1.1 Die RechtssteIlung des Abtes ...... 75 1.2 Die Gesetzgebung durch den Ab!...... 75 1.3 Die Wehrhoheit ...... 76 1 .4 Die Beamten des Abtes ...... 76 1.4.1 Der Reichsvogt ...... 76 1.4.2 Der Hofammann ...... 77 1.4.3 Die Pfalzräte ...... 77 1.5 Die Diener des Hofes Wil...... 77 2. Die Rechte der Stadt...... 78 2.1 Die Stadtbewohner ...... 78 2.2 Das Bürgerrecht...... 78 2.2.1 Die Aufnahme ins Bürgerrecht ...... 78 2.2.2 Die Einbürgerungstaxe ...... 79 2.2.3 Auswanderung und Abzug ...... 79 2.3 Bau- und Unterhaltsordnung ...... 79 3. Rat und Schulthess ...... 79 3.1 Die Wahlen ...... 80 3.1.1 der Räte ...... _ ...... 80 3.1.2 des Schulthessen ...... 80 -xv-

3.1.3 der weiteren Behördemitglieder ...... 80 3.2 Der Einfluss des Abtes auf den Rat ...... 80 3.3 Die Gesetzgebungsgewalt der Stadt ...... 81 3.3.1 Im Grundsatz ...... 81 3.3.2 Die einzelnen Sachgebiete ...... 81 3.4 Die Rechtsprechungsaufgaben ...... 82 3.5 Die Zwangsgewalt von Rat und Schulthess (Potestas coercitiva) ...... 82 4. Der Fail...... 83 5. Das Strafrecht...... 83 5.1 Die Blutgerichtsbarkeit ...... 83 5.2 Die Kompetenzen des Abtes ...... 83 5.3 Die Kompetenzen der Stadt ...... 84 6. Regalrechte und Wirtschaftsrecht...... 84 6.1 Jagdrecht ...... 84 6.2 Weiden und Auen ...... 85 6.2.1 Auen ...... 85 6.2.2 Weiden ...... 85 6.3 Der Handel mit Grund und Boden ...... 85 6.4 Markt- und MOnzrecht...... 85 6.5 Die Tavemen ...... 86 6.5.1 Die Rechtshoheit...... 86 6.5.2 Das Umgeld ...... 86 6.6 Handwerk und Gewerbe ...... 87 6.6.1 Die Bäcker...... 87 6.6.2 Das MOllereigewerbe ...... 87 6.6.3 Die weiteren Handwerke ...... 87 7. Abgaben ...... 87 7.1 die der Abt erhob ...... 87 7.2 welche die Stadt erhob ...... 88 8. Das Spital von Wil...... 88 9. Grundsätzliche Bemerkungen ...... 88 9.1 Das Verhältnis zwischen Abt und Stadt ...... 88 9.2 Die Charakterisierung der Stellung des Abtes ...... 89 B) Rorschach ...... 89 1. Einleitung ...... 89 2. Die Rechte des Abtes ...... 89 2.1 Der Erwerb der Rechte ...... 89 2.2 Die Gerichtsrechte ...... 89 3. Die Rechte des örtlichen Gerichtes ...... 90 3.1 Die Rechtsetzungsrechte ...... 90 3.2 Die Rechtsprechungsrechte der Rorschacher...... 90 3.3 Die Privilegien der Rorschacher ...... 91 3.4 Die Rechte der örtlichen Beamten ...... 91 4. Die Leibeigenschaft...... 91 5. Regalrechte und Wirtschaftsrecht...... 92 5.1 Markt· und MOnzrecht...... 92 5.2 Das Tavemenrecht ...... 92 5.3 Weitere Gewerbe- und Handwerksvorschriften ...... 92 6. Das BOrgerrecht ...... 93 7. Vormundschafts- und Waisenrecht...... 93 8. HOlz-, Wald- und Weideordnung ...... 93 9 ...Seelachen" und Baunormen ...... 94

§ 9 Die Offnungen und EInzugsordnungen Al Die Ordnung auf Wiesen und Feldem ...... 95 1. Umzäunung der Weiden ...... 95 2. Der KeInhof sowie Weide· und Ernterechte ...... 95 3. Durch Tiere verursachte Schäden ...... 96 -XVI-

B) Das Bürgerrecht oder .,Jus Communitatis' ...... 96 1. Alte Landschaft und Malefizorte ...... 96 1.1 Grundsätzliches ...... 96 1.2 Der Erwerb des Gemeindebürgerrechts ...... 96 1.3 Der Verlust des Bürgerrechts ...... 97 1.4 Die Offnungen und Einzugsordnungen der einzelnen Orte ...... 98 1.4.1 Viehbewirtschaftung ...... 98 1.4.2 Der Erwerb des Bürgerrechts ...... 98 1.4.3 Bauvorschriften ...... 98 2. Die übrigen Thurgauischen Orte ...... •...... 99 Cl Volksversammlungen ...... 99 0) "Oe Servitutibus· ...... 99 1. Die Pflichten in den Gerichten ...... 99 2. Die Pflichten der Stadt SI. Gallen ...... 100

§ 10 Landsatzung und Mandatswesen A) Das Personen-. Familien- und Fremdenrecht...... 101 1. Das Ehewesen...... 101 2. Das Vormundschaftswesen ...... 102 2.1 Grundsätzliches ...... 102 2.2 Der Vormund ...... 102 2.3 Die MOndeL ...... 102 2.4 Das Waisenbuch ...... 103 2.5 Witwen und Waisen im Erbfall...... 103 3 ...Hausvolck·. Fremde. Bettler und Landstreicher ...... 103 3.1 .. Hausvolck· ...... 103 3.2 Das Recht für Fremde ...... 103 3.3 Erlasse gegen Bettler und Landstreicher...... 104 B) Das Sachen- und Obligationenrecht...... 105 1. Kauf und Verkauf ...... 105 1.1 Errichten von Schuld- und Kaufverträgen ...... 105 1.2 Die einzelnen Vertragsarten ...... 105 1.2.1 Verträge über gelegene Sachen ...... 105 1.2.2 Viehverkauf und weitere Verträge ...... 105 1.3 Justum Pretium...... 106 1.4 Verjährung und Ersitzung ...... 106 2. Darlehen. Hypotheken und Pfandbestellung ...... •.... 106 2.1 Zinsvorschriften und Wucherverbol...... 106 2.2 Das Spezialmandat vom 5. April 1757 ...... 107 2.3 Das Recht der Pländer ...... 107 2.3.1 Pfänder als Sicherheiten bei Darlehensverträgen ...... 107 2.3.2 Die Bestellung der Pfänder aufgrund eines Gerichtsurteils...... 108 2.3.3 Vergehen bei der Pfandbeslellung ...... 108 2.3.4 Sonderfälle im Zusammenhang mit der Pfänderbestellung ...... 108 3. Bürgschaftsrecht...... 109 4. Arbeltsvertragsrecht...... 109 C) Die Lehens- und Zugrechte ...... 110 1. Lehensrecht...... 110 1.1 Die verschiedenen Arten von Lehen...... 110 1.2 Der Lehensempfang ...... 110 1.3 Die Uebertragung gekaufter Lehensgoter...... 111 1.4 Die Taxen und Abgaben auf den Lehensgütern ...... 111 1.4.1 Die Erblehen ...... 111 1.4.2 Die Nichterblehen ...... 112 1.5 Bauten und deren Unterhalt auf LehensgOtern ...... 112 2. Das Zugrecht...... 112 2.1 Das Verfahren ...... 112 2.2 Die Zugberechtigten ...... 113 -XVII-

2.3 Fristen und Zugpreis ...... 113 D) Das Schuldbetreibungsrecht...... 114 1. Die Schuldordnung fOr das Landeshofmeisteramt ...... 114 2. Die neue Schuldordnung von 1761...... 114 2.1 Grundsätzliches ...... 114 2.2 Ergänzungserlasse zur Schuldordnung ...... 115 3. Strafnormen aus dem Schuldbetreibungsverfahren ...... 115 4. Privilegierung des Klosters ...... 116 5. Versteigerungen und Ganten ...... 116 E) Der Rechtsgang ...... _...... 116 1. Die Gerichtsorganisation ...... 116 1.1 Die ordentlichen Gerichte ...... 116 1.1.1 Die Jahrgerichte ...... 116 1.1.2 Die Wochengerichte ...... 117 1.2 Die ausserordentlichen Gerichte ...... 117 1.2.1 •.Judicium communitatis extraordinaria. seu emta" ...... 117 1.2.2 Die "Muthgerichte" ...... 117 2. Das Verfahren ...... 118 2.1 Die Vorladungen ...... 118 2.2 Die Klagearten ...... 118 2.2.1 Verfahren vor Ammann und Amtleuten ...... 118 2.2.2 Das Verfahren vor Gericht...... 119 2.2.3 Einschränkung des Klagerechts ...... 119 3. Die Regelung der Appellation ...... 119 3.1 Die Berufungsinstanzen ...... 119 3.2 Voraussetzungen der Appellation ...... 119 3.3 Das Verfahren der Appellation ...... 120 3.4 Weitere Normen zur Appellation ...... 120 4. Gerichtsgebühren und -polizei...... 120 4.1 Gerichtsgebühren ...... 120 4.2 Gerichtspolizei...... 121 5. Zeugen und Anwälte ...... 121 5.1 Zeugen ...... 121 5.2 Die Anwälte ...... 121 F) Die Holz- und Waldordnungen ...... 122 1. Die Regeln für die ganze Stiltslandschaft ...... 122 1.1 Die Vorschriften im Landmandat...... 122 1.2 Das Mandat vom 20. Dezember 1763 ...... 122 2. Die einzelörtlichen Regelungen ...... 123 2.1 Orte mit eigener Holzordnung ...... 123 2.2 Orte. in denen die Offnungen die Holz- und Waldnutzung regelte ...... 123 2.3 Die Regelung der Waldnutzung durch Eidgenössische Schiedssprüche ...... 124 G) Oeffentliche Ordnung ...... 124 1. Generelle AusfOhrungen ...... 124 2. Die einzelnen Delikte ...... 124 2.1 Vergehen gegen Leib und Leben ...... 124 2.1.1 Die Tötung eines Menschen ...... 124 2.1.2 Jemanden verletzen oder bedrohen ...... 124 2.1.3 Jemanden niederschlagen ...... 125 2.1.4 Nachtschachen ...... 125 2.2 Vergehen gegen das Vermögen ...... 125 2.3 Vergehen gegen Sittlichkeit und Hoffahrt...... 125 2.3.1 Sittlichkeitsdelikte ...... 125 2.3.2 Kleidervorschriften ...... 126 2.4 Vergehen gegen Ruhe und Ordnung ...... 126 2.4.1 Friedbieten ...... 126 2.4.2 Aufruhren ...... 127 2.5 Vergehen gegen die RechtspIJege ...... 127 -xvm-

2.6 Ehrverlelzungsdellkte ...... 127 2.7 FeuerpolizeIliche Vorschrlften ...... 128 H) Das Erbrecht ...... 128 1. Aufbau der Darstellung ...... 128 2. Die Normen des stiflsanktgallischen Erbrechts ...... 128 2.1 Allgemeine Bestimmungen ...... 128 2.2 Das Verfahren ...... 129 2.3 Die Erbfolge nach Testament ...... 129 2.4 Die Intestaterbfolge ...... 130 2.4.1 Die Klasse der Deszendenten ...... 130 2.4.2 Die Aszendenten und gleichzeitige Nebenlinien ...... 131 2.4.3 Die Erbberechtigung der Nebenlinien ...... 131 2.4.4 Die Ehegatten ...... 132 2.4.5 Der Staat ...... 132 2.4.6 Die Beerbung Landesabwesender ...... 133 3. Erganzungserlasse zum Erbrecht ...... 133 3.1 In Mandaten...... 133 3.2 Besondere Regelungen IOr Wil...... 133

§ 11 Staatsvertrage und Nachlese A) Staatsvertrage und SchledssprOche ...... 134 1. Vertrage mit den Eidgenossen...... 134 2. Raub- und Wechselvertrage ...... 134 3. Verträge mit dem Bistum Konstanz ...... 134 4. Die Grenzvertrage ...... 135 B) Nachlese ...... 135 1. Das SchOlzenhaus in St. Fiden ...... 135 2. Die Anhange ...... 135 Kapitel 3: WOrdigung

§ 12 In systemstlseher und Juristischer Hinsicht A) Struktur und Handhabung ...... 136 1. Das Systemslreben ...... 136 2. Die Verwendung von Literatur und CUellen ...... 136 2.1 Die Literatur ...... 136 2.2 Die Quellen ...... 137 3. Das Begrillsinstrumentarium ...... 137 3.1 Die verwendeten Begrille ...... 137 3.2 Die Folgen im Jus Statutarium ...... 138 B) Der juristische Hintergrund ...... 138 1. Das Rechtsdenken ...... 138 2. Die Juristische Bildung ...... 139 2.1 Fehlen einer theoretischen Grundlage ...... 139 2.2 Mangel an Gestaltung und Stil ...... 139 2.3 Stellungnahmen zur Auslegung ...... 140 3. Das Verhaltnis der verschiedenen Rechtsordnungen untereinander ...... 141 3.1 Die Bedeutung des Gemeinen Rechts ...... 141 3.1.1 IOr das Jus Statutarium...... 141 3.1.210r das Recht des Klosterstaates ...... 141 3.2 Das VerhaHnis der verschiedenen Rechte des Klosterstaates zueinander...... 142

§ 13 Zweck und Bedeutung des Jus Statutarlum Al Möglicher Anlass zur Ablassung des Jus Statutarium...... 144 1. Politische und historische HintergrOnde ...... 144 2. Was war das Jus Statutarium? ...... 145 2.1 Feststellungen in zeitgenössischen CUellen ...... 145 ·XIX·

2.2 Deutungsversuche ...... 145 2.2.1 Eine PolHIsche VerteidlgungsschrHt ...... 145 2.2.2 Eine offizielle, aber Inteme KlosterschrIft ...... 146 2.2.3 Eine Prtvatarbelt ...... 146 2.2.4 Eine SchrHt der OpposItIonsgruppe ...... 146 2.3 Welche Variante Ist die wahrscheinlichste? ...... 146 2.3.1 Aufbau und Inhalt des Jus Statutarlum ...... 146 2.3.2 Parallele SchrHten ...... 147 B) Die Bedeutung aus heutiger Sicht...... 148 1. Als Juristisches Werk ...... 148 2. Als Historisches Dokument ...... 148

Anhang Anhang 1: Inhaltsverzeichnis des Jus Statutarlum ...... 153 Anhang 2: Die Einteilung der Abtischen Lande ...... 163 Anhang 3: Die Grenzverträge aus dem Jus Statutarlum ...... 165 Anhang 4: Der Grundbesitz des Klosters SI. Gallen um 920...... 166 Anhang 5: Die Entwicklung des Klosters St. Gallen bis Ins 18. Jahrhundert ...... 167 Anhang 6: Der Wirrwarr der Thurgauischen GerIchtsherrschaften ...... 168

·XXI· Abkürzungsverzeichnis A, Art. Artikel aaO. am angeführten Ort Abt. Abteilung Bd. Band oder Bände bes. besonders bez. bezüglich bzw. bezieh ungweise BüA Bürgler Archiv (innerhalb des StadtASG) ca. circa CCC Constitutio Criminalis Carolina, siehe auch PGO CICan Corpus Iuris Canonicis CICiv Corpus Iuris Civilis Cod. Codex d.h. das heisst EA Amtliche Sammlung der aelteren Eidgenössischen Abschiede etc. et ceterea f. folgend ff. folgende FN Fussnote fo I. Folium iVm in Verbindung mit Lm Landmandat Ls Landsatzung M Mandat MA Mittelalter Njbl. Neujahrsblatt o Offnung Pfd. Pfund Pfg. Pfennig PGO Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532 Reg. Regest S. Seite(n) SA Sonderabdruck Sig. Signatur sog. sogenannt(en) Sp. Spalte StadtASG Stadtarchiv

-XXllI- Quellenverr.eichnis

L VQrbemerkung Pater Bemhard Hannes zitierte im Normalfall seine Quellen nur mit der Jahr- zahl, praktisch nie mit einem genauen Datum. Auch seine Hinweise auf Bände des Klo- sterarchivs sind sehr allgemein gehalten. Daher gelang es trotz aufwendiger Suche un- ter grosszügiger Mithilfe des Archivpersonals nicht, alle seine Verweise zu verifizie- ren. In allen Fussnoten, die auf solche Quellen Bezug nehmen, findet sich daher folgen- de Wendung: .Mandat/Abschied war nicht aufzufinden".

IL Gedruckte Quellen Amtliche Sammlung der aelteren Eidgenössischen Abschiede, LuzernlZürich 1856-86; zitiert: EA. Edictum Rothari aus: Die Gesetze der Langobarden, übertragen und bearbeitet von Franz Beyerle, Weimar 1947. Erklärungs- und Erläuterungsmandat über den Art. 27 des Gottshaus St. Gallen Erbrecht; Druck in der Zentralbibliothek Zürich Sig. Z XVIII 1981.2. Gedruckte Dokumentensammlung des IOosters St. Gallen im Staatsarchiv Zürich, Sig. B X 105. Herausgebergemeinschaft Chartularium Sangallense: Chartularium Sangallense, St. Gallen 1983, bearbeitet von Otto P. Clavadetscher. Die Rechtsquellen der Abtei St. Gallen, 1. Teil: Offnungen und Hofrechte; Band 1: Die Alte Landschaft, Aarau 1903, bearbeitet von Max Gmür; zitiert: Rq I. Die Rechtsquellen der Abtei St. Gallen, 2. Reihe Band 1: Die allgemeinen Rechtsquellen der Alten Landschaft, Aarau 1974, bearbeitet von Walter Müller; zitiert: Edition. m Ungedruckte Quellen A. Stadtarchiv St. Gallen, Bürgler Archiv Bd.1,2und3 Recess Nr. 1450

B. Stifts archiv a) Urkunden: Urk. HHH 1 Nr. 30 Urk. JJJ S (11) Nr. 66 Urk.X3 B13

b) Akten und Dokumente: Rubr. 13 Fasz. 17,22,23,25,30, 32a und 44 Rubr. 28 Fasz.4 Rubr. 42 Fasz.l0,13 und 17 Rubr. 47 Fasz.2 Rubr. 53 Fasz.l Rubr. 63 Fasz.l Rubr. 65 Fasz.l Rubr. 7l Fasz.2 Rubr. 73 Fasz.l Rubr. 82 Fasz.3a

Zürcher Abteilung: X 38, Nr. 28 X 46, Nr. 34 und 51 -XXIV-

c) Dokumentenbände Bd. LA 99: Wilisches Copialbuch,1494 Bd. 3: Stadt St. Gallen und Land Appenzell Bd. 5: Alte Landschaft Pars 11 Bd. 6: Alte Landschaft Pars III (Thurgau) Bd. 11: Oeconomica der Statthalterei St. Gallen Pars I Bd. 20: Hagenwil und Neu-Andwil Bd. 74: Alte Landschaft (Rückentitel des Bandes) Bd. 182: Chronicon P. Metzleri Bd. 274: Abt Coelestins II. Tagebuch, 2. Band (1743 bis 1745) Bd. 282-85: Abt Bedas Tagebuch, 4 Bände (1767 bis 1796) Bd. 327: Acta Monasterii S. Galli ab anno 1730 ad 1731 Bd. 331: Acta Monasterii S. Galli ah anno 1740 ad 1748 Bd. 861: Protocollum Consilii Arcani für die Jahre 1765 bis 1780 Bd. 862: Protocollum Consilii Arcani für die Jahre 1780 bis 1789 Bd. 1032: Original Offnungen der Alten Landschaft Bd. 1033: Ein .Miscellen"-Codex aus dem 16. Jahrhundert Bd. 1103: Pfalzrats-Protokoll von 1711 bis 1725 Bd. 1139: Wilisches Appellations- und Pfalzrats-Protokoll von 1746 bis 1770 Bd. 1218-41: Alte Landschaft im Allgemeinen. Politische Landesangelegenheiten und Zwiste Bd. 1260: Archivii Rosacenis Tomus IV Bd. 1262: Archivii Rosacenis Tomus VI Bd. 1272: Amtbuch der Obervogtei Rorschach Bd. 1355: Amtbuch des Hofs WH Bd. 1816: Thurgauische Gerichtsherren Abschiede Bd. 1829: Acta Thurgoica Tomus II Bd. 1936: Ephemerides P. Basiliji Balthasar, vom 29. Nov. 1761 bis zum 9. Okt. 1776

C. Stiftsbibliothek a) Drucke: Erb=RechU dess! Gotthauses/St. Gallen! undlDesselbigen GraffschaffU Toggen- burg! ... .1 getruckU Im Fürst\. Gottshauss St. Gallen.lAnno 1739; Sig. R rechts VIII 1 Sammelband mit verschiedenen Mandaten und Dokumenten seit 1742; Sig. R rechts 11 10

b) Handschriften Cod. 456: .Martyrologium per anni circulum"; verfasst von Notker Balbulus Cod. 1105: Epistolae variorum ad Coelestinurn II Abb. S. Galli et P. Isonern Walser datae Cod. 1270: Stift St. Gallische Landsatzung von 1761. Gedruckte Akten von 1739 bis 1761 Cod. 1285: Verzeichnis der Neuzugänge der Stiftsbibliothek vom Oktober 1780 bis März 1792, verfasst von P. Nepornuk Hauntinger Cod. 1315a,b: Jus Statutarium Veteris Territorij Principalis Monasterij S. Galli, secundum Titulos Juris Cornrnunis cornpillatum a R. P. Bernhardo Hannes (Professore iuris) ao 1780; Pars prima et Pars secunda una curn Indice totius operis -xxv-

Cod. 1315c: Jus Statutarium Comitatus Toggenburgi~i a R. P. Bemhardo Hanes pro tempore Subpriore in Monasterio Novi S. Joannis studiose collectum et secundum titulos Institutionum Justinenearum ordinatum ao 1787 Cod. 1316-18: Commentarius Bipartitus in IV Libros Institutionem Imperialium (3 Bände). verfasst von P. Coelestinus Gugger von Staudach Cod. 1408: Chronicon S. Galli. Montis Angelorum ...• verfasst von P. Jodokus Metzler Cod. 1411: Adversaria mea von 1770 - 1798. Tagebuch von P. Gerold Branden- berg Cod. 1412: Adversaria mea von 1798 - 1800. Tagebuch von P. Gerold Brandenberg Cod. 1467: Prospectus juris Statutarii Toggenburgici; Statuta synodi seu consistorii reformatae religionis in Toggio; Verzeichnis aller Pfarreien, in denen der Abtei Benefizien zustanden, von 1783 eod. 1665: Commentarius in IV !ibr. Institutionum. verfasst von P. Iso Walser eod. 1666: Jus Statutarium Toggii in Titulos Institutionum redactum. verfasst von P. Bemhard Hannes 1787 eod. 1679: Landtsatzung dess F. Gottsh. St. Gallen (v. 1761). mit Register und zwei gedruckten Mandaten eod. 1957: P. B.(emhardus) H.(annes): Jus Statutarium Veteris Territorij Principalis Monasterij S. Galli. Opere tumultuario ad interim compilatum abs. R. P. B. H. C.(apitulario) S.(ancti) G.(alli) 1780

-XXVll- Literaturverzeichnis

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Teil 1: Das Umfeld des Jus Statutarium -2-

§ 1 Einleitung 1. Ziel und Autbau der Arbeit Die vorliegende Arbeit versucht einen Beitrag zur Erforschung der Rechtsgeschichte der Fürstabtei St Gallen zu leisten_ Es soll anhand der Untersuchung des "Jus Statutarium Veteris Territorij", der handschriftlichen Statutarrechtskompilation des St_ Galler Konventualen Bern- hard Hannes aus dem späten 18_ Jahrhundert, ein Aspekt aus der schon damals vielgestaltigen Rechtswirklichkeit beleuchtet werden. Man kann einwenden, dass diese Manuskripte von Pater Bernhard Hannes in andere Dar- stellungen zur St Galler Geschichte schon miteinbezogen worden seien. Dieser Einwand ist an sich richtig!, doch beklagt Walter Müller in seiner Arbeit2 das Fehlen einer genaueren Studie des Jus Statutarium. Diese Arbeit wurde mit dem Vorsatz der gründlichen Untersuchung be- gonnen. Ob sie aber auch die Erwartungen der St Galler Historiker erfüllt hat, bzw. überhaupt je erflillen konnte, muss dem Urteil der Leser überlassen bleiben. Die Arbeit ist in zwei Hauptteile gegliedert. Im ersten werden der geschichtliche Hintergrund des "Jus Statutarium Veteris Territorij" und die Situation im Kloster selber im 18. Jahrhundert dargestellt. Damit ist nicht beabsichtigt, eine Klostergeschichte für jene Epoche zu schreiben, sondern zwei weniger hochgesteckte Ziele sind angestrebt_ Zum einen soll das Werk in seinen geschichtlichen Kontext gestellt werden, zum anderen werden die notwendigen historischen Fakten dargelegt, die zum Gesamtverständnis des Werkes erforderlich scheinen. Obwohl die Rechtsgeschichte eine juristische Disziplin ist, verlangt sie doch ein stetes Hin- und Her- wandern zwischen dem historischen Recht und der eigentlichen Geschichte. Im zweiten, juri- stischen Teil liegt das Schwergewicht auf den rechtlichen Verhältnissen, und das Geschichtliche wird nur noch erwähnt, soweit es notwendig ist. Der zweite Teil, die eigentliche Untersuchung des Jus Statutarium, besteht aus drei Unter- abschnitten. Der erste Abschnitt umfasst eine Beschreibung der verschiedenen Fassungen des Jus Statutarium und ihrer bibliographischen Merkmale sowie die Biographien der Verfasser; der zweite enthält die eigentliche Analyse des Werkes, der dritte eine kritische Würdigung aus heu- tiger Sicht. Die Arbeit soll auch das Vertrauen in die geltenden Rechtsordnungen etwas relativieren. Der Jurist von heute soll sehen, dass schon früher Lösungen für rechtliche Probleme gefunden wurden, die ihrer Zeit sehr angepasst waren und auch in der heutigen Zeit noch als Denkanstoss betrachtet werden können.

2. Abgrenzung der untersuchten Quelle Der Titel der vorliegenden Quelle müsste "Jus Statutarium Veteris Territorij ac Comitatus

Toggenburgici ... H lauten, denn die Arbeit von Pater Bernhard Hannes behandelt das ganze Stiftsgebiet und umfasst drei Bände3. Die ersten beiden Bände behandeln die Alte Landschaft; der dritte ist dem Toggenburg vorbehalten. Der Titel der Codices 1315a und b lautet demnach "Jus Statutarium Veteris Territorij Principalis Monasterij S. Galli ... H, der Titel von Band 1315c

"Jus Statutarium Comitatus Toggenburgici ... H. Die Statutarrechtssammlung in Codex 1957 stimmt inhaltlich weitgehend mit den beiden Bänden 1315 a und b überein und kann als Ent- wurf der Abhandlung über die Alte Landschaft bezeichnet werden. Eine zweite Fassung der Statutarrechte für das Toggenburg, ebenfalls von Pater Bernhard verfasst, liegt in Codex 16664 vor.

Vgl. Meier, Pankraz Vorster S.45, 54; Müller, Offnungen S. 16,27 und 57 sowie Müller, Landsatzung und Landrnandat S. 29Of. 2 Müller, Landsatzung und Landrnandal 3 Es sind die Codices 1315a bis 1315c in der StiBSG. 4 Der Codex 1467 in der StiBSG enthält das Inhaltsverzeichnis zu Codexl666. -3-

Wir beschränken uns in der vorliegenden Arbeit auf die Untersuchung der beiden Bände über die Alte Landschaft. Diese Einschränkung rechtfertigt sich vom äusseren Aufbau der Ar- beit her, weil sich der Entwurf in Codex 1957 und die definitive Fassung in den Bänden 1315 a und b entsprechen und eine Einheit bilden. Zudem ist die zeitliche Differenz zwischen der Ab- fassung der Bände über die Alte Landschaft und jener über das Toggenburg zu berücksichtigen. Die Bände über die Alte Land schaft l sind mit 1780 datiert, die Bände über das Toggenburg2 aber mit 1787. Die Einschränkung rechtfertigt sich aber noch vielmehr aufgrund der jeweils völlig anderen politischen und rechtlichen Stellung des Abtes in den beiden grössten Teilgebieten seines Staatswesens. Während die Herrschaft in der Alten Landschaft als die eines absoluten Monar- chen3 zu charakterisieren ist, wird die Stellung des Abtes im Toggenburg als die eines konsti- tutionellen Monarchen4 beschrieben. Aufgrund dieser Ueberlegungen beschränkt sich die Un- tersuchung auf das "Jus Statutarium Veteris Territorij"5. Dies bedeutet aber nicht, dass das Toggenburg gänzlich ausser acht gelassen wird. Sofem es notwendig ist, werden Hinweise und Quervergleiche auf den anderen grossen Teil der stiftsanktgallischen Lande erfolgen. Pater Bemhard Hannes zählte auch die thurgauischen Orte, in denen der Abt die niedere Gerichtsbar- keit besass, zur Alten Landschaft und behandelte sie in seinem "Jus Statutarium Veteris Territo- rij". Daher werden auch diese Orte in diese Untersuchung miteinbezogen.

1 VgI. die Titelblätter der Codices 1315 a und b bzw.1957. 2 VgI. die Titelblätter der Codices 1315 c bzw.I666. 3 Müller, Landsatzung und Landmandat S. 165; Meier, Pankraz Vorster S. 47. 4 MOUer, Innere Ordnung S. 246 und auch Meier, Pankraz Vorster S. 47 unter Verweis auf die Verträge von 1718 und weitere Literatur. 5 Wenn im weiteren Verlauf der Arbeit vom .. JUlI Statularium" gesprochen wird, sind immer die heiden Codices 1315 a und b aus der StiBSG gemeint. ·4·

§ 2 Das Kloster St. Gallen im 18. Jahrhundert 1. Die geschichtlichen Konstantenl 1.1 Bis zur Wahl von Abt Beda Angehrn Abt Leodegar, der dem Stift zu Beginn des 18. Jahrhunderts vorstand, wurde am 10. Januar 1696 als Nachfolger von Abt Coelestin I. Sfonderati gewählt, der wegen seiner Wahl zum Kar· dina1 abdankte2• Damals hatte das Kloster St. Gallen im Toggenburg grosse politische Probleme3. An diesen Streitigkeiten waren alle eidgenössischen Orte, die Franzosen, der Kai· ser, die Engländer und die Holländer beteiligt, so dass sich aus diesem lokalen Konflikt schliellslich ein gesamteidgenössischer Bürgerkrieg entwickelte. Er bedeutete das Ende der Vorherrschaft der Katholischen Orte, die auf dem 2. Kappeier Landfrieden vom 2. November 1531 beruht hatte, und begründete die neue Vorherrschaft von Zürich und Bern. Als dann am 17. Mai 1712 der Krieg ausbrach, floh Abt Leodegar schon am 22. Mai ins Exil nach Mehrerau und von dort auf seine Besitzung Neu-Ravensburg, nachdem der grösste Teil der äbtischen Streitmacht vor den anrückenden Zürchern und Bernern bei Wil kapituliert hatte4• Er sollte sein Kloster nicht mehr sehen. Das unnachgiebige Politisieren des Abtes verhinderte die Räumung des besetzten Kloster und die Rückkehr des Konventes. Dies, obwohl der her- vorragende Diplomat des Stiftes, Baron Fidel von Thurn, schon 1714 in Rorschach einen Frie· densvertrag ausgehandelt hatte, dem der Abt aber nicht zustimmte5• Damit war eine Rückkehr bis auf weiteres verbaut. Abt Leodegar starb am 18. November 1717 im Exil in Neu-Ravens- burg6• Der Nachfolger, Abt Joseph 11. von Rudolphis, wurde in Neu-Ravensburg am 16. Dezem- ber 1717 gewählt. Bei seiner Wahl versuchten die Patres eine Art Wahlkapitulation aufzustellen. Die Kapitularen wollten verhindern, dass sich Vorkommnisse aus der Regierungszeit von Abt Leodegar wiederholten. Da dies aber kirchenrechtlich unzulässig war, begnügten sie sich, dem neugewählten Abt ilIre Begehren als Bittschrift von 18 Punkten vorzulegen, an welche er sich im Interesse des Friedens und der Ordnung halten sollte7• Abt Joseph machte sich dann sofort daran, mit Zürich und Bern einen Friedensvertrag aus- zuhandeln. Die Verhandlungen konnten schon am 15. Juni 1718 in Baden erfolgreich abge- schlossen werden. Diesen Vertrag unterzeichneten Abt und Kapitel am 5. August 1718 gegen den Willen von Kaiser und Papst. Diese bemängelten, der Vertragsinhalt sei der katholischen Sache zu nachteilig8• Am 7. September 1718, nach mehr als sechs Jahren Exil, zog der Abt über Rorschach und Wil wieder in seine Lande ein. Am 11. Oktober fand der feierliche Einzug in das Kloster statt. Abt Joseph musste sich nun dem inneren und äusseren Wiederaufbau der Stiftslande zuwen· den. Die Auslegung des Friedensvertrages von 1718 führte immer wieder zu Kontroversen und Unruhen, die dieser Aufgabe nicht förderlich waren. Besonders im Toggenburg trat keine Ruhe ein, obwohl viele Forderungen der Toggenburger erfüllt wurden, und sie Landsleute als Beamte erhielten. Es sollte Abt Joseph nicht vergönnt sein, eine Befriedung des Toggenburgs zu errei- chen. In der Alten Landschaft dagegen gelang die Restitution der Ilbtischen Herrschaft schnell

Die nachfolgenden Ausfilhrungen basieren auf den AmlSZeitbeschreibungen der Aebte Leodegar, Joseph 11., Coeleslin 11., Beda Angehrn und Pankraz Vorster bei Henggeler, Professbuch S. 15lff. 2 Henggeler, Professbuch S. 151. 3 Vgl. die ausführliche Darstellung der Geschichte des Toggenburgs bis zum Ausbruch der Villmergerkriege von 1712 z.B. bei: von Arx, Bd. 1II S. 485ff. und bei ThUrer, Bd. I S. 49lff. 4 Henggeler, Professbuch S. 154; Zur Situation des Klosters im Krieg von 1712 vgl. Buner, Offizial 1.G. Schenkli. 5 Vgl. von Arx. Bd. III S. 482ff. 6 Vgl. Henggeler, Professbuch S. 154. 7 VgI. Henggeler. Professbuch S. 154 und von Arx, Bd. 1II S. 467f.• bes. S. 467 FN a. 8 Vgl. von Arx, Bd. III S. 502 bzw. 504. -5- und vollständig. Dank seiner Tatkraft arbeitete Abt Joseph bis zu seinem Tode am 7. März 17401 zielstrebig auf die sittliche und wirtschaftliche Erneuerung des Klosters und der Herr- schaftsgebiete hin und sicherte so den Weiterbestand des äbtischen Staatswesens. Er gab dem Land eine neue Wehrordnung, reorganisierte das Münzwesen und stellte das fmanzielle Gleich- gewicht des Klosterhaushaltes wieder her2• Zum Nachfolger von Abt Joseph wurde am 23. März 1740 Coelestin II. Gugger von Staudach gewählt3• Dieser Abt trat sein Amt in einem geordneten Staat an, obwohl noch einige schwierige politische Aufgaben zu bewältigen waren. Doch der sehr geschickte und initiative Abt konnte endlich im Jahre 1755 die leidigen Probleme im Toggenburg einer Lösung ent- gegenfUhren. Nach über 60 Jahren zähem Ringen erfolgte die Vertragsunterzeichnung zur Be- reinigung der letzten umstrittenen Punkte am 29. Januar 1759 an einer Konferenz mit den Eid- genössischen Orten4. Von einigen kleinen politischen Händeln abgesehen hatte Abt Coele- stin II. keine grossen Schwierigkeiten; er konnte sogar durch Käufe einiger Herrschaften die Stiftslande abrunden5• Er beendete auch den langandauernden Streit mit dem Bischof von Konstanz über die Führung des OffIzialat durch Vergleich im Jahre 1748/496• Berühmt wurde Coelestin II. durch seine Bautätigkeit. In seiner Regierungszeit begann der Bau der Kathedrale; er liess das Kornhaus in Rorschach und die Stiftsbibliothek, die er durch Ankauf wertvoller Werke noch bereicherte, errichten7• Obwohl diese Bauten grosse Summen verschlangen, konnte der Abt die Finanzen des Stiftes dank seiner Geschäftstüchtigkeit in einem bisher nie gekannten Ausmass äufnen. Bei seinem Tode hinterliess er einen vorbildlich organi- sierten Staat und ein Stiftsvermögen von über 230'000 Gulden8. Henggeler schliesst seine AusfUhrungen über die Regierungszeit von Abt Coelestin II. mit einer uneingeschränkten Anerkennung seiner Leistungen: "Wohl selten stand St. Gallen nach innen und aussen so glänzend da, wie unter Coelestin II. Nach 27-jähriger Regierung starb der grosse Abt, ... , den 24. Februar 1767"9. Johannes Duft seinerseits lobt Coelestin mit den Worten: "Serva ordinem et ordo te servabit - Bewahre Ordnung, und die Ordnung wird dich bewahren!"lO. Und er hinterliess tatsächlich einen wohlgeordneten Staat!

1.2. Die Regierungszeit von Abt Beda Angehrn Die Regierungszeit von Abt Beda Angehrn soll etwas genauer geschildert werden, weil Pater Bemhard Hannes in dieser Zeit seine Werke schuf. Er legte wohl unter Abt Coelestin II. die Profess ab, aber dies weniger als ein Jahr vor dessen TodlI. Darum darf man wohl davon aus- gehen, dass der erste Abt, welcher den jungen Hannes prägte, Coelestin 11. war. Andererseits war aber Beda deIjenige Abt, dem Pater Hannes unterstellt und zu Gehorsam verpflichtet war, solange er selber als Mönch im Kloster wirkte. Beda Angehrn, der seit 1761 Prior und Statthalter in St. Johann im Thurtal gewesen war, wurde am 11. März 1767 im zweiten Wahlgang zum 72. Abt von St. Gallen gewählt. Beda machte sich sofort daran, die von Abt Coelestin 11. begonnene Kathedrale zu vollenden. Noch

I Vgl. Henggeler, Professbuch S. 157. 2 Henggeler, Professbuch S. 156. 3 Für die Biographie dieses grussen Abtes siehe Duft, Fürstabt Coelestin Gugger von Staudach. 4 Henggeler, Professbuch S. 158. 5 Wartensee, Roggwil, Hefenhofen und Moos; von An, Bd. III S. 612f. 6 Vgl. Duft, Glaubenssorge S. 52ff. unter Verweis auf Karl Steiger, Das Kloster SI. Gallen im Lichte seiner kirchlichen Rechtsgeschichte, nach archivalischen Quellen dargestellt. 7 Henggeler, Professbuch S. 159; Poeschel, Die Kunstdenkmäler des Kantons St. Gallens, Bd. III Die Stadt St. Gallen: Zweiter Teil Das Stift. von Arx, Bd. III S. 612; von Arx rühmt die Geschäftstüchtigkeit, das Wesen und den Charakter von Coelestin 11. ausserordentlich. 9 Henggeler, Professbuch S. 160. 10 Duft, Fürstabt Coelestin Gugger von Staudach S. 15. 11 Für die biographischen Daten von Pater Bemhard Hannes siehe hinten § 5 S. 22f. ·6· in seinem Wahljahr begann er mit dem Bau der Neuen Pfalz, dem Klosterflügel, worin sich heute der Grossratssaal befindet. Dieser Bau kostete über 173'000 Gulden 1. In den Jahren 1770nl verursachte schlechtes Wetter eine Missernte, in deren Gefolge sich eine allgemeine Teuerung und schlimme Hungersnot im ganzen Bodenseeraum ausbreiteten. Abt Beda sorgte vorbildlich für seine Landeskinder und die benachbarten Appenzeller; er im· portierte für mehr als 200'000 Gulden Getreide aus Italien, das er teils verschenkte, .teils unter dem Ankaufspreis abgab. Diese Operation musste mit Krediten finanziert werden, doch er linderte die Hungersnot seiner Untertanen2• Seit Beginn der Teuerung, besonders aber nach 1774, liess der Abt im ganzen Fürstentum Landstrassen errichten, um Handel und Gewerbe zu fördern. Er konnte mit dieser Arbeit viele arbeitslose Leute beschäftigen. Der Abt war zum Ausbau der Verkehrswege fast gezwungen, weil der Bischof von Konstanz Arbon und seinen Hafen gezielt förderte. Andernfalls wäre Rorschach zu stark benachteiligt gewesen. Seine Bauten kosteten sehr viel Geld, das Strassenbauprogramm allein wurde mit 200'000 Gulden veranschlagt3. Zusammen mit seinen anderen Ausgaben drückte bald eine grössere Schuldenlast das Stift St. Gallen, da Beda der haushälterische Sinn seines Vorgängers fehlte4• Bei seinem Tode soll die Gesarntschuldenhöhe etwa 1,1 Millionen Gulden betragen habenS. Aber Abt Beda bemühte sich, das Wohl seiner Untertanen durch die Vergabe von grosszü- gigen Almosen (wie bei der Hungersnot von 1770nl) zu fördern; dies trug ihm den Ehrentitel .. Gütiger Beda" ein. Aber auch das geistige Wohlergehen des Volkes war ihm ein Anliegen. Er versuchte die österreichische Norrnalschule und einen neuen, klareren Katechismus in seinen Landen einzuführen. Doch beide Bestrebungen scheiterten arn Widerstand der Untertanen selber sowie an den Intrigen und Widerständen seiner Mönche, die durch eine sehr konservative Gei- steshaltung geprägt waren und fürchteten, ein zu gebildetes Volk könnte der Klosterherrschaft ein Ende bereiten6. Mit dem Ende der Lebenszeit Abt Bedas beginnt auch der Zerfall der Klosterherrschaft. Nachdem im Jahre 1792 die ersten Unruhen in Gossau ausgebrochen waren, gelang es dem Abt, gegen den Widerstand des Kapitels, mit dem Gütlichen Vertrag vom 28. Oktober 1795 nochmals eine gewisse Beruhigung zu erreichen. Kurz darauf traten die Landleute mit weiteren Forderungen vor den Abt. Beda konnte sich diesen nicht mehr annehmen, denn er starb nach längerer Krankheit am 19. Mai 1796 an einem Schlaganfa1l7•

1.3 Das Ende der Stiftsherrschaft Der letzte Abt des Stiftes St. Gallen, Pankraz Vorster von Wil, wurde am 1. Juli 1796 ge- wählt. Er war einer der Anführer der innerklösterlichen Oppositionsgruppe gewesen. Nachdem er arn 7. Februar 17988 das Land verlassen hatte, konnte er im Mai 1799 unter österreichischem Militärschutz für kurze Zeit, bis zum 27. September 1799, in sein Kloster zurückkehren, um es dann endgültig und für immer zu verlassen. Er musste dann von feme der Aufhebung hilflos zuschauen und starb als gebrochener Mann arn 9. Juli 1829 im Kloster Muri, nachdem alle seine Bemühungen zur Restitution des Klosters gescheitert waren9.

Henggeler, Professbuch S. 160. 2 Weidmann, S. 4f. 3 Weidmann, S. 2. 4 Duft, Glaubensorge S. 396 bzw. von Arx, Bd. III S. 635. 5 Thürer, Bd. II S. 93 und Meier, S. 75. 6 Weidmann, S. 7ff. und Duft. Glaubensorge S. 276ff. 7 Henggeler, Professbuch S. 162. Meier, Pankraz Vorster S. 194. Die Aufhebung des Stiftes St. Gallen behandeln z.B. ausführlich: von Arx, Bd. III S. 633ff.; Meier, aaO.; Weidmann, S. 6Off. Für unsere Arbeit hat es keine direkte Bedeutung mehr, wir erwähnen es nur der Vollständigkeit halber. 9 Meier, Pankraz Vorster S. 391. -7-

2. Die innere Situation im Kloster 2.1 Vorbemerkungen Zur Zeit der Abfassung des "Jus Statutarium Veteris Territorij" war der Konvent in zwei Parteien gespalten. Es gab eine eine sehr konservative Oppositionsgruppe, die hartnäckig gegen Abt Beda arbeitete, aber auch Mönche, die dem Abt die Treue hielten. Pater Bemhard Rannes gehörte zu jener Oppositonsgruppe; er war sogar einer ihrer Iührenden Köpfe. Auch der Schreiber des Jus Statutarium, Pater Ambros Epp, und der Verfasser des Teils über das Erb- recht, Pater Iso Walser1, standen in Opposition zu Abt Beda. Dies zu wissen ist für das Ver- ständnis des "Jus Statutarium Veteris Territorij", das einen ausgesprochen konservativen Grundton hat, nicht unwesentlich.

2.2 Der Konvent Um die Situation des Klosters zu beschreiben, werfen wir zuerst einen Blick auf die Zahl der Klostermitglieder, die schon viel über den Stand des Klosters aussagt. Die Benediktinerabtei St. Gallen war im 18. Jahrhundert ein blühendes Kloster. Meier errechnete2, dass das Kloster seit Abt Gallus Alt (1654 - 1687) immer über 70 Konventualen und bei seiner Aufhebung 1805 beinalle 100 Patres und Laienbruder zählte. Auch dem sittlich-religiösen Stand des Klosters schenkten die Aebte Beachtung: Obwohl das Stift als weltliche Rerrschaftsmacht stark mit der AussenweIt verflochten war, wurde der klösterlichen Zucht und Ordnung nachgelebt und die Ordensregel beachtet3• Das geistige und wissenschaftliche Leben blühte auch noch im 18. Jahrhundert4. Die Aebte schickten ihre begabtesten Fratres an auswärtige Universitäten in ganz Europa, ebenso wurden mit anderen Klöstern Patres ausgetauscht5• Die Klosterschule, welche den Nachwuchs ausbildete, war auf einem hohen Stand und wurde von den Aebten tatkräftig gefördert6• Den- noch brachte St. Gallen keine Gelehrten von Ruf mehr hervor, was Meier einleuchtend begrün- det: "Wenn es trotz vielversprechender Ansätze nicht zu einer überragenden wissenschaftlichen Leistung gekommen ist, so liegt der Grund hiefür weitgehend in der übermässigen Absorbie- rung des Konventes durch die Aufgaben der Seelsorge und der staatlichen Verwaltung"7.

2.3 Die Querelen im Kloster während der Regierungszeit von Abt Beda Angehm Beim Lesen der Quellen und Berichte über Abt Beda fällt auf, dass vor allem anderen seine Güte erwähnt wird; sie muss sein hervorstechendstes Charaktermerkmal gewesen sein. Weid- mann schreibt sogar, dass noch zu Lebzeiten ein Denkmal Bedas im Kloster gestanden habe, mit der Inschrift ,,Der Liebenswürdige Beda"8. Sein Wesen war offen und arglos; seine Gut- mütigkeit hatte beinalle keine Grenzen. Er selber "beobachtete genau die Religiosität und klö- sterliche Zucht"9. Dies schrieb einer seiner heftigsten Opponenten, und "das Kapitel, das alle seine Schritte aufmerksam überwachte, fand an der Umfangslinie seines moralischen und reli- giösen Charakters keine Lücke"IO.

1 Die Biographien dieser drei Patres, siehe hinten § 5 S. 24ff. 2 Meier,PanIaaz Vorster S. 31; Er stlllZte seine Berechnungen auf Henggeler, Professbuch. 3 von Mx, Bel. III S. 193; zitiert bei Meier, PanIaaz Vorster S. 30 FN 2. 4 ZUr Entwicklung des Konventes im 17. u. 18. Jh. siehe auch den Beitrag von Wemer Vogler in: Helvetia Sacra, Abt. m, Bd. I, Zweiter Teil, S. 1227f. 5 Meier, PanIaaz Vorster S. 33. 6 Weidmann, S. 7; vgI. auch hinten § 5 S. 22ff. 7 Meier, PanIaaz Vorster S. 33-39, bes. S. 38. 8 Weidmann, S. 3. 9 Tagebucheinttag von P. Gerold Brandenberg, zitiert bei Weidmann, S. 3 FN 3. 10 Weidmann, S. 3. ·8·

Aber Abt Beda gelang es trotz seines Wesens nicht, das Kapitel für seine Politik zu gewin- nen. Es fürchtete vielmehr, er leiste mit seinem Handeln dem Niedergang des Stiftes Vorschub. Die Situation war für Beda alles andere als einfach. Sein Vorgänger, Coelestin 11., war ein überragender Abt gewesen und hatte Zeichen seiner Tatkraft hinterlassen: die grossartigen Bau- ten, ein wohlgeordnetes Staatswesen und ein grosses Vermögen. Beda versuchte wohl diesem Ideal nachzueifern, was ihm mit seinen Werken auch gelang: die neue Pfalz, die Strassen und die Hilfe für das Volk in einer Hungersnot. Im Gegensatz zu jenem gelang es Beda jedoch nicht, die Einnahmen den Ausgaben entsprechend zu erhöhen, so dass er seine Unternehmun- gen mit Krediten finanzieren musste und das Kloster mit immer mehr Schulden belud. Darum entstand unter den Konventualen der Eindruck, dass Abt Beda mit seinem Gebaren an den Grundfesten des Stiftes rüttle und dessen Weiterbestand gefährde. Georg Thürers Be- merkung kann man zustimmen, dass "allerdings kein nüchteruer Beurteiler die Behauptung aufstellen wird, ein besserer Buchhalter auf dem Abtstuhl hätte die Klosterherrschaft zu retten vermocht"l. Aber den Konventualen mochte es scheinen, dass der Weiterbestand des Klosters von geordneten Finanzverhältnissen abhängig wäre. Die Oppositionsgruppe kritisierte Abt Beda hauptsächlich wegen seines Finanzgebarens; des weiteren warf sie ihm vor, er sei ein willkürlicher Unterdrücker der Rechte des Kapitels und hätte sich vor den Staatsgeschäften gedrückt2. Die Führer der Opposition, die Patres Gerold Brandenberg, Pankraz Vorster, Ambros Epp und auch Bernhard Hannes, verlangten im Jahre 1785 Visitationen durch die Schweizer Be- nediktiner Kongregation, um die angeblichen Missstände beurteilen zu lassen und die Einset- zung einer Kommission, welche die Oekonomie des Stiftes zu überprüfen hätte3. Doch die an- gerufenen kirchlichen Stellen, weder die Benediktiner Kongregation, noch der Nuntius und der Papst selber, gaben keinem der Begehren statt. Da die Gruppe im Jahre 1788 erneut an diese Stellen gelangte, weil Beda sich nicht gebessert hätte, entschied der Papst den Streit Kraft seiner Autorität. Er wies Beda an, beiden Gruppen innerhalb des Konventes ewiges Schweigen über die Vorkommnisse aufzuerlegen. Abt Beda schickte dann die flihrenden Köpfe in die Aussen- besitzungen des Klosters, was zwar eine momentane Ruhe brachte, das Problem aber nicht lö- ste4. Bei einer Würdigung der Regierungszeit von Abt Beda darf wohl mit Berechtigung fest- gestellt werden, dass er ein Prälat war, der Neuerungen gegenüber recht aufgeschlossen war. Dies zeigt sich vor allem in der versuchten Einführung der Normalschule und des Katechismus. Das dargestellte Verhalten der Opponenten steht dazu in einem direkten Gegensatz. Es zeugt von einer sehr konservativen, wenn nicht sogar reaktionären Geisteshaltung. Diese Patres waren zu sehr dem alten Herkommen verbunden; ihnen schien jedes Gespür für die Entwicklungen jener Zeit abzugehen. Dieses Beharrende, fast Rückschrittliche kommt auch im "Jus Statutarium Veteris Territorij" von Pater Bernhard Hannes deutlich zum Vorschein: die sehr konservative Haltung des Verfassers floss in sein Werk ein. Somit sind das Mitwirken in der Oppositionsgruppe und das Verfassen des Rechtsbuches im Zusammenhang zu betrachten; beides passt zusammen.

1 Thllrer, Bd. 11 S. 93. 2 Weidmann, S. 23ff. 3 Henggeler, Professbuch S. 161. 4 Henggeler, Professbuch S. 161. .g.

§ 3 Die Geschichtlich-Politische Situation in der Alten Landschaft und im Thurgau 1. Geographische Abgrenzung Die Orte, welche von Pater Bernhard Hannes zum "Territorium Veteris" gezählt wurden, sind aus Anhang 2 ersichtlich. Diese Zusammenstellung ist eine Abschrift des Ortsverzeichnis- ses aus dem Jus Statutarium1.

2. Die Alte Landschaft 2.1 Die Geschichte der Alten Landschaft bis zum 18. Jahrhundert Die Herrschaftsrechte des Klosters St. Gallen waren in den Anf'ängen ein Sammelsurium von grund- und leibherrlichen Rechten, Immunitätsprivilegien sowie niederer Gerichtsbarkeit. Dies rührte daher, dass der Uebergang in klösterliches Grundeigentum oft durch Schenkung erfolgte, ohne dass ein örtlicher Zusammenhang vorhanden war. Den Aebten gelang es im Laufe der Zeit, vor allem die Gerichtsrechte auszubauen, welche die Basis der Entwicklung zur Landeshoheit wurden2• Die niedere Gerichtsbarkeit besass das Kloster St. GaUen schon seit dem 10. Jahrhundert3; die hohe Gerichtsbarkeit war die Ausnahme. Das Privileg König Wenzels von 1379 erlaubte dem Stift, die Reichsvogteien einzulösen4• Damit war es dem Kloster möglich geworden, alle Rechte eines bestimmten Gebietes in seiner Hand zu vereinigen. Abt UIrich Rösch, der zweite Gründer des Klosters, begann während seiner Regierungszeit, die einzelnen Reichsvogteien systematisch für das Stift zu erwerben. Dadurch gelang es ihm, hohe und niedere Gerichtsbarkeit zu vereinigen. Ebenso waren auch alle Nebenrechte wie Steuererhebung und Mannschaftsrecht in seiner Hands. Abt UIrich voUendete einen Prozess, weIcher im Mittelalter begonnen und nun zu einer "ein- heitlichen VoIkskiasse" von Untertanen geführt hatte. Damit hatte unter UIrich VIII. Rösch endgültig das Territorialprinzip gesiegt6. Die beiden entscheidenden Grundlagen, dank denen er diese Entwicklung erfolgreich abschliessen konnte, waren die beiden kaiserlichen Erlasse von 1469 bzw. 1487. Der erste gestattete ihm, Hochgerichte aufzusetzen, d.h. über das Blut zu richten und Fälle von den unteren an die oberen Gerichte zu ziehen7• Der zweite Erlass gab der Abtei das Recht, in Rorschach und in anderen Vogteien "Hochgericht mit sampt Stock und Galgen" aufzurichten8• Ausdruck des Territorialprinzips und der reorganisierten, gestrafften Stiftsverwaltung waren die von UIrich Rösch geschaffenen Landsatzungen9• Diese gegen Ende des 15. Jahrhunderts zur vollen Geltung ausgewachsenen Instrumente der äbtischen Rechtsetzung hatten schon bald ihre grösste und eigentliche Bewährungsprobe zu bestehen und gingen aus ihr gestärkt und auf ,ewig' gesichert hervor. Im Jahre 1525, an mehreren Rechtstagen zu Rapperswil, entschieden die Eidgenossen über die Beschwerden der Untertanen aus der Alten Lanndschaft. Sie verlangten, gestützt auf die Bi- bel, die Aufhebung gewisser Artikel der Landsatzung und der Offnungen. Der Eidgenössische

1 StiBSG Codex 1315a, S. 5ff. Eine Karte der Besitzungen des Klosters SI. Gallen siehe in Anhang 5, S. 167. 2 Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 33f. 3 Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 35f. 4 Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 71; UBSG IV Nr. 1808. S Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S.70f.: Die Nebenrechte waren z.T. schon früher in der Hand des Klosters, nun kamen sie voll zum Tragen. 6 Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 81f. 7 Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 78 unter Verweis auf StiASG Bd. 74, S. 189·191. 8 Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 78 unter Verweis auf StiASG Bd. 74, S. 211. 9 Müller, Landsatzung und Landmandat S. 174ff. -10-

Schiedsspruch wies die Begehren der Untertanen ab und stützte die Position des Abtesl . Die Landsatzung überdauerte dann alle Wirren und Entwicklungen bis zur Französichen Revolu- tion. Die Landsatzung in Verbindung mit dem Eidgenössischen Schiedsspruch entwickelte sich zu einer Art Grundgesetz oder Verfassung für die Alte Landschaft2• Die Eidgenossen entschie- den im Juni 1533, dass die Rapperswiler Schiedssprüche von 1525 allen besonderen, für ein- zelne Personen bestehenden Urteilsbriefen vorgingen, ausser es liesse sich durch rechtskräftige Urkunden das Gegenteil beweisen3• Der zweite grundlegende Eidgenössische Schiedsspruch wurde 1559 ebenfalls in Rapperswil gefällt: Er betraf die Anerkennung der nominellen Leibeigenschaft der äbtischen Untertanen. Damit war den Freiheitsbestrebungen der stiftsanktgallischen Untertanen auf lange Sicht jede Aussicht auf Erfolg genommen, und das Verhältnis zwischen Obrigkeit und Untertanen bis ans Ende der Klosterherrschaft belastet, obwohl sich faktisch nicht viel änderte". Damit ist die Hauptlinie, auf welcher die Entwicklung der Alten Landschaft bis zum 18. Jahrhundert ablief, gegeben.

2.2 Die Ereignisse in der Alten Landschaft zur Zeit des Krieges von 1712 Der beginnende Zwölferkrieg kündigte sich auch in der Alten Landschaft an, und zwar durch Uebergriffe der übermütigen Toggenburger. Als die Kriegsgefahr im Frühjahr 1712 immer grösser wurde, liess auch der Abt seine Truppen ausheben und zog sie an seiner Westgrenze zusammen, da von dort der Angriff der Zürcher und Berner zu erwarten war5• Bevor der Krieg in den Stiftslanden richtig begonnen hatte, war er auch schon wieder vor- bei, denn die Kapitulation der Stadt Wil am 22. Mai 1712 führte zur Auflösung der äbtischen Truppen und Herrschaft, da der Abt selbst ins Ausland geflohen war6. Zürich besetzte im Anschluss an die Kapitulation von Wil die ganze Alte Landschaft. Gossau wurde am 23. Mai eingenommen; am 26. Mai war das ganze äbtische Gebiet besetzt, und im Stift und in Ror- schach quartierten sich Besatzungstruppen ein. Aus dem Kloster wurde alles, was nicht niet- und nagelfest war, von den Zürchern und Bernern weggebracht: Vorräte, Vermögen, Kunstge- genstände, Bibliotheksbestände und sogar die Glocken7 • Im Kloster zog ein Zürcher Statthalter ein, der ein hartes Regiment führte. Der Berner Statt- halter dagegen, der in Wil residierte, führte ein mildes Regiment, war sogar in religiösen An- gelegenheiten duldsam; dies, obwohl der Zwölferkrieg ja auch religiöse Ursachen hatte8• Schon im Herbst 1712 boten Zürich und Bern dem Abt die Wiedereinsetzung in seine Lande unter der Bedingung an9, dass er einige kleinere Gebietsteile abtrete. Der Rosenberg bei St. Gallen hätte auch dazu gehört, weil bei der Besetzung des Klosters Pläne gefunden wurden, die von der Absicht zum Ausbau dieses Hügels zu einer Befestigung zeugtenlO• Abt Leodegar zeigte jedoch keine Kompromissbereitschaft; so zerschlug sich die schnelle Rückkehr des Ab- tes. Seiner Sturheit war es zuzuschreiben, dass die Besatzer noch weitere sechs Jahre im Stifts- gebiet herrschten.

1 von An, Bd. TI S. 496ff. 2 MUller, Landsatzung und Landmandat S. 166 und 228 FN 49 unter Verweis auf Wegelin (der sie das ..Constante Allgemeine Landesstatut" nennt; Müller, Offnungen S. 55 FN 137). Weidmann und Meier. Pankraz Vorster S. 5lff. 3 Edition, S. XXV1f. unter Verweis auf EA 4,Ic S. 103f. u. 130. 4 Siehe zum ganzen Problem MUlIer, Offnungen S. 55 und besonders MUlIer, Freie und Leibeigene St. Galler Gotteshausleute S. 15ff. 5 von An, Bd. m S. 447. 6 Vgl. vorne § 2 1.1 S. 4. 7 von An, Bd. III S. 45lff. 8 von An. Bd. m S. 454. 9 von An, Bd. III S. 478f. 10 von An. Bd. III S. 484 und 453 FN e. -11 -

Der 1717 gewählte Abt Joseph konnte die neuerlichen Friedensverhandlungen schon am 15. Juni 1718 mit der Vertragsunterzeichnung abschliessen, welche die Grundlage zur Restitution der äbtischen Herrschaft bildete'. Die Rückkehr des Abtes löste bei den Untertanen Freude aus, denn auch im 18. Jahrhundert galt noch der Spruch "Unter dem Krummstab ist gut leben". Erst als der Abt bei seinen Untertanen die Kriegskosten erheben wollte, rebellierten sie. Gossau war einmal mehr ein Zentrum des Widerstandes. Mit der Bestrafung der Anführer legte sich die Unruhe, und der Abt war wieder der unbestrittene Landesherr2.

2.3 Die Alte Landschaft nach 1718 Nach der Rückkehr des Abtes erlebte die Alte Landschaft eine friedliche und ruhige Ent- wicklung, weil das Toggenburg bis 1759 die ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. In der Alten Landschaft muss ein umfassender Friedenszustand geherrscht haben, denn ßdefons von Arx schrieb: "Glücklich wart ihr übrigen Gebiete des Landes"3; sie seien beinahe in Vergessenheit geraten. Er begründete diese Aussage damit, dass es einem Land dann gut gehe, wenn es von den Historikern nicht erwähnt werde. Tatsächlich fmden sich aus der Zeit nach 1718 in den Geschichtsbüchern nur kleinere Ereig- nisse, die die friedliche Entwicklung störten4. Im Zusammenhang mit Rekrutierungen gab es 1745 Klagen und Aufruhr gegen das Verhalten von Amtleuten in Gossau. Im gleichen Jahr be- schwerten sich die Untertanen in Rorschach über den Statthalter. Dieser Streit dauerte bis 1755, ehe er mit einem Vergleich beendet werden konnte. Im Jahre 1750/51 schien sich eine Wiederholung des ,Kreuzkrieges' von 1697 abzuzeich- nen, diesmal nicht in St. Gallen sondern in Grub. Die reformierten Appenzeller wollten den Gmbern das Aufrechttragen der Fahnen bei den Bittprozessionen verbieten. Dank des ge- schickten Taktierens von Abt Coelestin 11. wurde auch hier der Streit ohne Blutvergiessen mit einer gütlichen Einigung beendet5. Die allgemeine Unrast, die von 1790 an um sich griff und zum Untergang der Stiftsherr- schaft führte, breitete sich auch in der Alten Landschaft aus und führte schliesslich zur Grün- dung des Kantons St. Gallen und zur Aufhebung des Klosters im Jahre 18056•

2.4 Die Stadt WH Das Landstädtchen WH gehört von seiner Lage her in die Alte Landschaft und hat auch deren Geschichte miterlebt. Dennoch nahm es im äbtischen Staat eine besondere Stellung ein7. Die Stadt WH wurde nicht voll in die stiftsanktgallische Herrschaftsstruktur integriert, sie behielt z.B. weiterhin ihre Eigenheiten bezüglich der Gerichte8. WH wurde erstmals im 8. Jahrhundert urkundlich erwähnt9. Anfangs war es im Besitze der Grafen von Toggenburg; erst zu Beginn des 13. Jahrhunderts ging es an die Abtei St. Gallen überlO• Die folgenden Jahrhunderte waren von einem steten Widerstreit der beiden Kontrahen- ten, Abt und Stadt WH, vertreten durch SchuIthess und Rat, geprägt. Die beiden Parteien ver- suchten wechselseitig, ihre Rechtsposition auf Kosten der jeweils anderen Seite auszubauen.

1 ThUrer, Bd. I S. 529. 2 von Arx, Bd III S. 515ff. 3 von Arx, Bd. III S. 591. 4 Vgl. z.B. von Arx, Bd. III S. 599 und Henggeler, Professbuch S. 158. 5 von Arx, Bd. III S. 6Olf. 6 Ueber diese Epoche St. Gallischer Geschichte vgl. z.B. Thürer, Bd. II S. 87ff.; von Arx, Bd. III S. 633ff. oder Gallus Jakob Baurngartner, Geschichte des schweiz. Freistaates und Kantons St. Gallen mit besonderer Beziehung auf Entstehung, Wirksamkeit und Untergang des fürstlichen Stiftes SL Gallen (3 Bände), Zürich 1868. 7 Müller, Landsatzung und Landmandat S. 163,232; Bless-Grabher, Stellung S. 39ff., bes. S. 47ff. 8 Wild, S. 85. 9 Wild, S. 1. 10 Wild, S. 49. -12-

Dies Hefnie blutig ab, sondern die beiden Parteien schlossen viele Vergleiche und Verträge, oft unter Mithilfe der vier Schirrnorte. Diese Entscheide regelten den oder die gerade umstrittenen Punkte, und bis zur nächsten Machtprobe kehrte wieder Ruhe zwischen den Parteien ein 1. Die Wiler erkämpften sich so mehr Freiheiten als die übrigen Untertanen des Abtes. Einen ersten Abschluss der Bemühungen der Stadt Wil um mehr Freiheiten bildete der "Grosse Vertrag von 1492", der Wil"eine Stadtverfassung gab, die in ihren Hauptzügen un- verändert bis zur Auflösung der Alten Landschaft 1798 die Grundlage des politischen und wirt- schaftlichen Lebens bildete"2. Aber auch dieser Vertrag wurde durch weitere Verträge und Ver- einbarungen immer wieder präzisiert und geändert. Den letzten Versuch zur Befreiung von der äbtischen Herrschaft machten die Wiler im An- schluss an den Krieg von 17123; die damals dem Abt vorgebrachten 84 Beschwerdepunkte wurden im Jahre 1733 in Rorschach den vier Schirmorten zur Entscheidung vorgelegt. Der dort gefällte Spruch bestätigte die bisherigen Verhältnisse und beliess Wil als eine mit einigen Frei- heiten ausgestattete, aber doch abhängige Stadt in der äbtischen Herrschaft'!.

3. Die Geschichte der äbtischen Gerichte im Thurgau 3.1 Die Entwicklungen bis zum Einmarsch der Eidgenossen in den Thurgau Wie in der Alten Landschaft erwarb sich die Abtei auch im Gebiet des heutigen Thurgau Grundbesitz. Es wurden auch hier Einzelgüter und kleinere Liegenschaften, im Nortnalfall durch Schenkung dem Kloster übereignet, das diesen Grund und Boden dann wieder als Leihegut dem Schenker zurückgaJ>5. Der Grundbesitz hatte schon im 10. Jahrhundert einen ausgedehnten Umfang angenommen, aber es fehlte ihm an Geschlossenheit6• Im Laufe der Zeit erwarb das Kloster St. Gallen auch im Thurgau neben dem Grundeigen- tum weitere Rechte, aber nur Nebenrechte, wie Kollaturrechte, Mannschaftsrecht und die Nie- dergerichtsbarkeit. Die Hochgerichtsbarkeit konnte im Thurgau nie erworben werden. Es ge- lang dem Kloster auch nicht, seinen Besitz im Thurgau zu vervollständigen und in ein ge- schlossenenes Herrschaftsgebiet umzuwandeln7• Dem Stift blieben einzelne Gerichte, die z.T. völlig vom nächsten Herrschaftsgebiet getrennt waren8• Abt Coelestin n. kaufte noch im 18. Jahrhundert mehrere Besitzungen im Thurgau; doch auch diese Erwerbungen führten nicht zu einem geschlossenen Territorium9• Im Thurgau waren die verschiedenen Hoheitsrechte, seit das Kloster dort Eigentum und Rechte besass, auf viele verschiedene Träger aufgeteilt. So war das thurgauische Landgericht im 15. Jahrhundert in den Händen der Stadt KonstanzlO• Die Reichsvogtei und damit die Hochgerichtsbarkeit über den Thurgau wechselte öfters den Inhaber, was auch nicht zu geord- neten Verhältnissen beitrug. Seit dem 15. Jahrhundert wurde sie von den Habsburgern ausge- libtll. Die Niedergerichte waren im Besitz von sehr vielen Gerichtsherren: so besassen neben

Vgl. Jus Statutarium S. 5lff.: Man beachte die grosse Zahl der angeführten Verträge, Vergleiche und SchiedsspriIche. 2 Wild, S. 203. 3 von An, Bd. m S. 511ff. 4 Wild, S. 215f. und Steiger, Der sog. Rorschacherhandel von 1133, der eine ausführliche Darstellung ver- fasste. 5 ThUrer, Bd. I S. 105ff. und Herdi, Geschichte des Thurgaus S. 31ff. 6 Vgl. die Karte des St Gallischen Grundbesitzes um 920 im Anhang S. 166. 7 Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 28. 8 Vgl. die Karte im Anhang Seite 168. 9 von An, Bd. m S. 612ff. 10 VgJ. Blumer, Das Landgericht im Thurgau S. 16 und Meyer, Die Durchsetzung eidgenössischen Rechts im Thurgau S. 141-143. 11 Blumer, Das Landgericht im Thurgau S. 14f. -13 - dem Abt von St. Gallen die Abteien von Reichenau und von Fischingen, der Bischof von Kon- stanz und zahlreiche weltliche Herren Niedergerichtsrechte im Thurgau. Im Jahre 1460 erfolgte eine wichtige Zäsur für den Thurgau und damit auch für die Abtei von St. Gallen: Er wurde eidgenössisch 1. Die Eidgenossen hatten schon seit langem Interesse an diesem strategisch wichtigen Gebiet gezeigt, aber bisher hatte sich keine Gelegenheit erge- ben, dort direkten Einfluss zu gewinnen. In jenem Jahr geriet Herzog Sigmund mit dem Papst in Streit. Der Papst verhängte den Kichenbann über Sigmund und rief die Christen zum Krieg gegen ihn auf. Das kam den Eidgenossen sehr gelegen; am 14. September 1460 begann der Kriegszug der Eidgenossen in den Thurgau, dem sich schliesslich sieben Orte2 und die Zuge- wandten Orte anschlossen. Der Abt half bei der Eroberung mit Truppen. Der Feldzug war schnell vorbei; lediglich die Stadt Winterthur leistete längere Zeit Wider- stand. Da der Habsburger die Umstände wohl richtig einschätzte, schloss er einen Waffenstill- stand, der die Verpflichtung enthielt, Friedensverhandlungen aufzunehmen. Dieser Frieden wurde am 1. Juni 1461 geschlossen. Er anerkannte den Besitzstand der Parteien: Die Eidge- nossen konnten also den Thurgau behalten. Doch dies brachte ihnen nicht mehr Rechte ein, als der vertriebene Habsburger besessen hatte: Die "wunderliche Zersplitterung der öffentlichen Gewalt" im Thurgau blieb erhalten, und "nur ein Teil der Landeshoheit {ging} an die Eidge- nossen über: die Oesterreich allein zustehende Landvogtei, d.h. die eigentliche landesherrliche Gewalt"3.

3.2 Die Entwicklung bis zum Abschluss der Reformation Wie stelllte sich nun die Rechtslage nach dem Einmarsch der Eidgenossen im Thurgau dar? Wie in den anderen Gemeinen Herrschaften setzten die sieben Orte einen Landvogt ein, der im Turnus von zwei Jahren von den einzelnen Orten gestellt wurde. Die eigentliche Arbeit erledigte sein Stellvertreter, der Landammaun, denn der Landvogt kam anfänglich nur zur Amtseinflih- rung und zur Rechnungsablage in seine Herrschaft. Weil den Eidgenossen nicht mehr Befug- nisse zukamen als ihrem Vorgänger, mussten ihnen nicht alle Gebiete der neuen Herrschaft huldigen. Auch die Untertanen des Abtes wurden davon befreit, da sie ja schon durch das 1451 zwischen der Abtei und den vier Schirmorten geschlossene Bündnis den Eidgenossen ver- pflichtet waren. Die Eidgenossen rührten auch die Rechte der übrigen Gerichtsherren im Thur- gau nicht an4• An dieser Verteilung der Rechte und Pflichten änderte auch der Abschluss der "Ewigen Richtung" von 1474 nichts5. Obwohl die Habsburger auf alle ihre Rechtsansprüche in den von den Eidgenossen behaupteten Gebieten verzichteten, kamen nun den Eidgenossen auch nur die Rechte zu, welche die Habsburger bisher besessen hatten. Die Tatsache, dass das Landgericht, ein Hochgericht, noch immer der Stadt Konstanz zu- stand, wie auch das Verhalten des tatkräftigen Abtes Ulrich Rösch mussten zwangsläufig zu Konflikten mit den Eidgenossen fUhren. Mit der gleichen Energie, mit der er in der Alten Land- schaft wirkte, war er auch in seinen thurgauischen Gebieten tätig. Er baute durch Tausch und Kauf seine Machtsphäre aus und achtete darauf, dass seine Erwerbungen frei waren von Rech- ten dritter Herren. Damit verkleinerte er die nicht sehr grossen Rechtsamen der Eidgenossen noch mebr6. Während des Schwabenkrieges waren im Thurgau zahlreiche eidgenössische Truppen sta- tioniert, und es kam in der Gegend von Konstanz mehrmals zu Gefechten. Die Gerichte der

Dierauer, Bd. II S. 170ff. 2 Uri, Schwyz, Un1erwalden, Luzem, Zürich, GJarus und Zug; Bem hielt sich zurilck. 3 Dierauer, Bd. II S. 178. 4 Herdi, Geschichte des Thurgaus S. 125. 5 Dierauer, Bd. II S. 212ff. 6 Vgl, Herdi, Geschichte des Thurgaus S. 128. ·14·

Abtei lagen nicb.t im direkten Kampfgebiet und wurden daher auch nicht in Mitleidenschaft ge· zogen; aber das Stift als Zugewandter Ort musste Truppen für die Grenzbesetzung stellen. Das Verhältnis der Gerichtsherren untereinander und zum eidgenössischen Landvogt wurde im Jahre 1509 durch eine Vereinbarung geregeltl: Aufgaben und Einkünfte wurden geteilt; den Gerichtsherren standen die niedere Polizeigewalt und Gerichtsbarkeit sowie das Fertigungs- wesen als wichtigste Aufgaben zu. Neben der Strafbefugnis der Gerichtsherren - sie durften nur Strafen bis zum Betrag von 10 Pfd. Pfg. ausfällen - wurde auch die Appellation normiert. Ausserdem wurde zwischen Vergehen unterschieden, welche in die Kompetenz der Gerichts- b.errren bzw. des Landgerichtes fielen. Die Inhaber der thurgauischen Niedergerichte schlossen sich zudem 1543 zu einer Art Standesvertretung zusarurnen, dem Gerichtsherrenstand, der sich regelmässig traf, um die Interessen der Gerichtsherren zu wahren und um mit den Eidgenossen gemeinsame Probleme zu besprechen2. Im beginnenden 16. Jahrhundert machte die Reformation auch vor dem Thurgau nicht halt. Im Gegenteil, der Thurgau war sogar ein fruchtbarer Boden für die neue Lehre. Anfänglich gelang es dem Abt, mit Hilfe des Vierortehauptrnanns, die reformatorischen Bestrebungen zu unterdrücken. Aber nach dem Ersten Landfrieden von 1529 wurde die Abfallbewegung stärker, weil von Zürich gefördert. Verschiedene thurgauische Pfarreien, die zu den Stiftslanden gehör- ten, schlossen sich dem neuen Glauben an3. Nach dem Zweiten Landfrieden, der den Vorrang der katholischen Orte für beinahe zwei Jahrhunderte sicherte, wurde diese Entwicklung gestoppt. Die Gewaltakte der reformierten Orte wurden verboten und rückgängig gemacht. Die Eidgenossen bestätigten selbst die früheren Rechte der thurgauischen Gerichtsherren4• Mit der Wiedereinsetzung der Gerichtsherren war eine künftige Vereinheitlichung der Rechte und Gerichte im Thurgau wieder in die Feme gerückt. Das Durcheinander von Kompetenzen blieb bis ins 18. Jahrhundert bestehen und wurde erst mit dem Ende des Ancien Regime überwunden5. Dank dieser Entwicklung konnte der Abt seinen Besitz im gleichen Umfang wie vor den Kappeier Kriegen bewahren. Die Untertanen mussten dem Abt wieder huldigen, und sie zogen auch wieder unter seiner Fahne in den Krieg.

3.3 Von der Reformation bis zum Krieg von 1712 Die Verhältnisse in den äbtischen Orten im Thurgau waren nach den Glaubenskriegen und während des 17. Jahrhunderts mehrheitlich friedlich, was natürlich nicht heisst, dass es keine Schwierigkeiten und Kontroversen gegeben hätte. Aber es brachen keine grossen Konflikte aus, die ganze Landstriche heimgesucht hätten. Bei einigen Zwischenfällen mit religiösem Hintergrund im 16. Jahrhundert war auch der Abt von St. Gallen, zumindest indirekt, beteiligt. So führten der Kappeier und der Wigoltinger Handel zu Spannungen in der Eidgenossenschaft, doch obsiegte in beiden Fällen bei den Schweizern die Vernunft. Bevor es zu einer blutigen Auseinandersetzung kam, einigten sich die Parteien und vermieden so den Ausbruch neuer Religionskriege6. Der Dreissigjährige Krieg hatte auch seine Auswirkungen auf die Eidgenossenschaft. Es gelang ihr aber, sich im grossen und ganzen daraus herauszuhalten, obwohl immer wieder Si- tuationen zu meistem waren, die Anlass hätten sein können, hineingezogen zu werden oder gar selber einzugreifen. Die Gefahr war besonders nahe, als die Schweden, vielleicht sogar mit

1 Herdi, Geschichte des Thurgaus S. 185; vgl. auch EA 3,11 S. 460ff. 2 Herdi, Geschichte des Thurgaus S. 186, Hasenfratz, Die Landgrafschaft Thurgau vor 1798 S. l00ff. und Lei, Der Thurgauische Gerichtsherrenstand S. 18 u. 28f. 3 Herdi, Geschichte des Thurgaus S. 158 und 165; es handelte sich um folgende Gemeinden: Siuerdorf, Sulgen mit Berg, Bürglen und Neukirch. 4 Herdi, Geschichte des Thurgaus S. 171. 5 Herdi, Geschichte des Thurgaus S. 18Of. Pupikofer, Bd.11 S. 65lff. bez. 654ff. -15 - heimlicher Duldung der Zürcher, von eidgenössischem Territorium aus Konstanz belagerten!. Doch die Schweizer konnten sich auch hier heraushalten. Der Abt von St. Gallen nutzte die Wirren, um seine Position in den thurgauischen Orten auszubauen. Er berief sich auf alte Urkunden, um die Besonderheit seiner Stellung als Ge- richtsherr im Thurgau zu erhärten und um sich mehr Rechte anzueignen. Während und nach dem 30jährigen Krieg versuchte er, die religiösen Vereinbarungen zu seinen Gunsten und zum Vorteil des katholischen Glaubens auszulegen. Er sperne sich auch gegen Erlasse der Eidge- nossen, die angeblich seine Hoheitsrechte verletzten2• Im FrühjaIrr 1630 erhob Abt Pius Reher zusammen mit dem Bischof von Konstanz Ansprü- che auf Herrschaftsrechte im Thurgau. Besonders der Abt verfocht seine Ansprüche kompro- misslos und fand Rückhalt bei den katholischen Orten. Es handelte sich vornehmlich um Strei- tigkeiten bezüglich der Ehegerichtsbarkeit und Patrimonialverhältnisse. Die Par1eien, der Abt und die fünf Orte auf der einen, Zürich auf der andern Seite, gerieten über diese Fragen in eine solche Aufregung, dass ein Bruderkrieg drohte. Doch 1632 einigte man sich auf die Anwen- dung des bundesmässigen, eidgenössischen Rechts. Durch die Vermittlung von Herzog Hein- rich von Rohan kam am 7. September 1632 ein Schiedsspruch zustande, der das evangelische Matrimonialwesen dem zürcherischen Ehegericht überwies3•

3.4 Das 18. JaIrrhundert Auch der Thurgau, der als gemeine Herrschaft in dem Streite neutral bleiben sollte, wurde in die Wirren des Zweiten ViIImergerkrieges hineingezogen. Die äbtischen Untertanen wussten nicht recht, wie sie sich verhalten sollten, denn der Abt war mit den katholischen Orten ver- bunden, und Zürich verlegte trotz der Neutralität Truppen in den Thurgau. Die Untertanen wur- den von ihrer Ungewissheit aber schnell erlöst, weil der Krieg in der Ostschweiz nicht lange dauerte: Nachdem die äbtischen Truppen kapituliert hatten, waren die reformierten Orte die unangefochtenen Herren. Die Friedensverträge von 1712 und 1718 trugen wenig zur Bereinigung der Verhältnisse im Thurgau bei. Aufgrund der Machtverhältnisse nach dem Zwölferkrieg stiess auch noch Bem zu den sieben herrschenden Orten und stellte einen Landvogt. Diese acht Orte waren im Besitz der Landeshoheit; Freiburg und Solothurn dagegen hatten nur Anteil an der Gerichtsbarkeit und den daraus fliessenden Einkünften und Rechtsamen4• Die Kompetenzen der thurgauischen Gerichtsherren wurden nicht angetastet: diese übten weiterhin die Polizeigewalt und niedere Gerichtsbarkeit aus. Die Vielgestaltigkeit des Thurgau- ischen Rechtswesens wurde also nicht nur in Bezug auf die Zahl der Träger aufrechterhalten5, sondern auch in Bezug auf deren Kompetenzen6• Der Abt von St. Gallen blieb also Gerichts- herr. Die Abtei erhielt durch den Friedensvertrag vom 15. Juni 1718 wohl ihr ganzes Herr- schafts gebiet zurück, doch musste sie in Art. 64 für ihre Gerichtsherrrschaften im Thurgau und im Rheintal die Bestimmungen des Aarauer Friedensvenrages von 1712 anerkennen7• Dies be- deutete, dass auch in den Gerichten der Abtei die Katholischen und die Evangelischen ,Jn einem ganz gleichen Rechte stehen (sollten; der Yerf.lus, und jede Unterdrückung der einen oder an- deren Religion verboten war9•

1 Dierauer, Bd. III S. 586ff. 2 Herdi, Geschichte des Thurgaus S. 220. 3 Dierauer, Bd. III S. 573f. unter Verweis auf von Arx, Bd.1ll S. 161. 4 Dierauer, Bd. IV S. 327. 5 Dierauer, Bd. IV S. 327, der über 100 Gerichtsherren erwähnt; vgl. auch die Karte der Thurgauischen Ge- richtsherrschaften im Anhang S. 168. 6 HasenfralZ, Die Landgrafschaft Thurgau vor 1798, S. 52ff. 7 Dierauer, Bd.1V S. 244. S Straub, Rechtsgeschichte der evang. Kirchgemeinden des Thurgaus S. 181. 9 Dierauer, Bd. IV S. 229. ·16·

Doch zu einer grundlegenden Klärung der Rechtsbeziehungen zwischen Eidgenossen und Abtei führten die Friedensverträge von 1712/18 nicht. Zum einen nahm das Kloster die konfes- sionelle Parität nicht einfach so hin; zum anderen war die Abtei ein zu selbständiger und mächtiger Staat, als dass sie sich ihre Regierungsweise einfach so hätte vorschreiben lassen. Weil die erwähnten Verträge nichts an der grundsätzlichen Stellung der äbtischen Malefizge- richte geändert hatten, kämpfte der Abt vehement um seine Rechte und versuchte diese auszu- weiten. Die Aebte gingen dabei offenbar alles andere als still und leise vor, so dass deren Vor- gehen manche Tagsatzung beschäftigte. Anlässlich der Tagsatzung von 1770 machte man dem Stift Vorhaltungen, es habe alle seine Rechte, die es im Laufe der Zeit erlangt habe, hinterlistig erworbenl . Ueberhaupt bedrängten die Eidgenossen die Stellung des Klosters in seinen thurgauischen Besitzungen stark; so versuchten sie, der Abtei die Gerichte im Thurgau zu entziehen. Ildefons von Arx schrieb2, die Eidgenossen hätten angefangen, von der alten Tradition abzuweichen, nach der ihnen Urkunden und verbriefte Rechte heilig gewesen seien, und sich vielmehr auf Lehren eines neuen Staatsrechtes zu stützen begonnen, das ihnen vorteilhafter erschienen sei. Die Auswirkungen dieser neuen Entwicklung bekam in der Mitte des 18. Jahrhunderts das Stift zu spüren, weil es "nach der Urkunden Sage von jeher in seinen im Bezirke der Thurgauischen Blutgerichtsbarkeit gelegenen Gegenden, ... ausser der peinlichen Bestrafung alle Zweige der Landeshoheit ausgeübt hatte; aber seine Rechtsame von dem Augenblicke an verkümmert sah, als jemand staatsrechtlich folgerte, dass die Landeshoheit über diese Orte niemanden als denen, welche das Blutgericht besässen, nämlich den im Thurgau regierenden Ständen, zukomme"3. Diese Auffassung wurde von den Orten 1759 gebilligt; gestützt darauf wurde das Kloster aufgefordert, zu erklären, ob es im Thurgau die Landeshoheit beanspruche. Coelestin H. konnte mit einer diplomatisch geschickten Antwort den Angriff abwehren, aber die Eidgenossen wiederholten ihre Ansprüche von Zeit zu Zeit. Als Abt Beda Angehrn 1772 explizit die Lan- deshoheit beanspruchte, stellte Zürich 1775 bei den anderen Orten den Antrag, diese dem Abt zu entreissen4• Da die Orte ihre Zielsetzung nicht weiter verfolgten, ging der Streit zu Ende, wenn auch ohne feststehenden Entscheid. Ildefons von Arx kommt zum Schluss, dass die Eid- genossen wohl dem Stift alle hoheitlichen Rechte genommen hätten, wenn deren Herrschaft nicht untergegangen wäre5• Dennoch setzten nicht diejenigen, welche eigentlich die Verbündeten des Stiftes hätten sein sollen, der äbtischen Herrschaft im Thurgau ein Ende, sondern die Entwicklungen im Zuge der Französichen Revolution führten sowohl zum Untergang der äbtischen Herrschaft als auch der eidgenössischen.

4. Die Organisation des äbtischen Staates ( Ein Ueberblick ) Die einzelnen Gebiete des Klosters St. Gallen waren, wie wir gesehen haben, politisch und rechtlich ganz verschieden strukturiert. Aber dennoch lässt sich ein systematischer Aufbau des äbtischen Staatswesens erkennen. Das ganze Staatsgebiet war in zwei grosse Teilstaaten aufge- teilt, die Alte Landschaft, zu der auch die thurgauischen Orte gerechnet wurden, und das Tog- genburg, das hier nicht weiter zu untersuchen ist. Die Alte Landschaft war ursprünglich in das Oberamt und das Unteramt eingeteilt, wobei er- steres aus dem Rorschacher-, dem Landeshofmeister- und dem Oberbergeramt, letzteres nur aus dem Wileramt bestand; dazu kam noch das Romanshorneramt, in dem ein Teil der thurgaui-

1 Herdi, Geschichte des Thurgaus S. 220. 2 von Arx, Bd. IU S. 631ff. 3 von Arx, Bd. IU S. 632. 4 von Arx, Bd. IU S. 632. 5 von Arx, Bd. IU S. 633. ·17· sehen Gerichte zusammengefasst war. hn Laufe der Zeit wurden die rünf Aemter auf die gleiche Stufe gestelltl. Jedes Amt umfasste mehrere Gerichte, die aus einer grösseren Anzahl von Höfen oder Dörfern bestanden. Einzelne Gerichte setzten sich auch aus mehreren Hauptmann- schaften zusammen, d.h. Ortsteilen, die keine eigenen Offnungen hatten. Die Gerichte dagegen besassen alle eigene Offnungen2• In der Alten Landschaft konnte das Stift alle Rechte in seiner Hand vereinigen und bis ins 18. Jahrhundert seine Herrschaft zu einer absoluten Monarchie ausbauen. In den stiftsanktgallischen Orten im Thurgau und im Rheintal, obwohl von Pater Bernhard auch zur Alten Landschaft gezählt, war das Kloster in einer anderen rechtlichen Stellung, denn hier besass die Abtei nur einzelne Rechte, wie Mannschaftsrecht, Kollaturrechte und die niedere Gerichtsbarkeit, wobei die Rechtsstellung des Abtes nicht einmal in allen thurgauischen Orten gleich war. Einen starken Widersacher fand das Kloster in diesen Gebieten in den Eidgenossen, die der Abtei diese Rechte streitig machten3• Die Exekutivgewalt für das ganze äbtische Gebiet lag in der Hand des Abtes, unter dessen Oberhoheit ein Regierungs- oder Pfalzrat die Regierungsgeschäfte führte, und der neben admi- nistrativer Aufsichtsbehörde auch gerichtliche Appellationsinstanz war4. Die Stadt Wil besass einen eigenen Regierungs- oder Pfalzrat5, der eine gewisse Gesetz- gebungs- und Rechtsprechungsgewalt hatte, aber selbstverständlich auch von St. Gallen ab- hängig war. Die Administration in den einzelnen Aemtern war nicht einheitlich; in Rorschach und Wil amtete je ein Statthalter, der als direk1er Vertreter des Abtes für die Amtsführung in allen Belan- gen zuständig war. Ihm war ein weltlicher Beamter als Vogt beigegeben. Im Oberberger- und im Landeshofmeisteramt führte dagegen ein weltlicher Vogt allein die Amtsgeschäfte6• Ebenso war das Kloster SI. Johann im Thurtal, das sich St. Gallen 1555 inkorporiert hatte, eine eigene Statthalterei mit einem Prior an der Spitze. Auch die beiden Besitzungen nennet dem See", und Neu-Ravensburg, wurden von einem Mönch als Vertreter des Abtes admini- striert.

1 Cavelti. Entwicklung der Landeshoheit S. 55f. 2 Müller, Offnungen S. 30f.: Nur für die drei Gerichte Sitterdorf, Jonschwil und das Hofgericht fehlen Offnun- . gen. 3 Für Details vgl. unten § 7 D) Die Ausführungen zum Thurgau S. 46ff. 4 Meier, Pankraz Vorster S. 5lff.• er untersuchte den Stand zur Zeit von Abt Coelestin 11., um ca. 1761; MUlIer. Innere Ordnung und MUlIer, Ländliche Verfassung, S. 385f. 5 Siehe hinten § 8 A) S. 75ff. 6 Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 56.

Teil 2: Das Jus Statutarium

Das Jus Statutarium von Pater Bernhard Hannes ist ein imposantes Werk, das allein schon durch seinen Umfang von drei Bänden auffällt. Aber auch sein Inhalt ist eindrücklich, stellt er doch den Versuch dar, eine Gesamtschau, wenn auch noch keine Gesamtkodiflkation, des da- mals in den Stiftslanden geltenden Rechts zu schaffen. Ueber die Bedeutung dieses Werkes haben Walter Müller und Alfred Meier Aussagen ge- macht, die sich widersprechen. Die Auffassung, dass es sich um eine Art Rechtshandbuch in den Händen der mit der Verwaltung beschäftigten Mönche gehandelt habel,lässt sich schon wegen der Anlage schwerlich halten. Als Nachschlagewerk war es viel zu unhandlich und zu unübersichtlich aufgebaut. Auch scheint mir, dass das Jus Statutarium dann mehr Gebrauchs- spuren aufweisen müsste. Die Ansicht Müllers, dass es sich um eine Privatarbeit gehandelt ha- be2, ist wahrscheinlicher. Aber eine Beschränkung auf einen rein privaten Charakter scheint mir angesichts der Betonung der praktischen Wissenschaft im Stift des 18. Jahrhunderts zu eng. Wie die ersten beiden Kapitel der nachfolgenden Untersuchung zeigen werden, ist das Jus Statutarium eine fast vollständige Zusammenstellung aller alten, verurkundeten Rechte und Verträge sowie ein bereinigtes Verzeichnis der vom Stift erlassenen Rechtsnormen. Im dritten Kapitel, der Würdigung, wird der Versuch unternommen, eine Qualifikation der beh~delten Quelle vorzunehmen, was aber angesichts der spärlichen Quellenlage zum Jus Statutarium ein schwieriges Unterfangen ist.

I Meier, PanIaaz Vorster S. 45. 2 MUller, Landsatzung und Landmandat S. 291. I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I -19 -

Kapitell: Codiciologische Untersuchung und Verfasser

§ 4 Codiciologische Untersuchung 1. Die äussere Gestaltungl Das "Jus Statutariwn Veteriis Territorij" liegt als zweibändige Handschrift in der Stiftsbib- liothek St. Gallen in der Handschriftenkammer mit den Signaturen 1315 a und b. Die beiden Bände sind von einer einheitlichen äusseren Erscheinung. Sie sind in mit braunem Papier über- zogene Kartondeckel gebunden, die Ecken mit braunem Leder verstärkt. Der Buchrücken ist ebenfalls aus braunem Leder. Der Schnitt beider Bände ist rot gefärbt. Bei beiden Bänden ist ein roter Zettel mit goldener Schrift im oberen Drittel des Rückens mit dem Text ,,JUS! STATUTARIUM/ S. GALLI" angeklebt, anf dem Rücken von Band 1315a ist zusätzlich noch ein weiterer Zettel mit grünem Rand aufgeklebt, der den gleichen Text aufweist. Unterhalb des roten Zettels steht bei Band 1315a "PARS. I" bzw. bei Band 1315b ,,PARS. 11", dies ebenfalls in goldener Schrift, aber auf schwarzem Grund. Zusätzlich sind auf dem Rücken Signaturetiketten mit den Nummern 1315 a bzw. 1315 b angebracht. Die Biblio- thekssignatur ist bei beiden Bänden auch auf der Deckelinnenseite mit einer Etikette eingeklebt. Jeder Band hat ein eigenes Titelblatt, das nicht besonders gestaltet ist. Die Titelblätter lauten folgendermassen:

Band 1315a: Jus Statutariuml Veterisl Terrttorijl Principalls Monasterijl S. GalIi,/ se- cundum Titulosl Jurfs Communis! compillatum! al R P. Bernhardo Hannes Professore iurisl ao 17801 Pars Prtmal descripsit P. Ambrosius Epp de Rudenz

Band 1315b: Jus Statutariuml Veterisl Terrttorijl Principalls Monasterijl S. Gallli se- cundum Titulosl Jurfs Communisl compillatuml al R P. Bernhardo Hannes Professore iurfsl ao 17801 Pars Secundal una cum indice Totius opere

2. Der äussere Aufbau 2.1 Grundsätzliche Gestaltung Nach dem Titelblatt folgt bei beiden Handschriften ein detailliertes Inhaltsverzeichnis ohne Paginierung. Danach beginnt der eigentliche Text, der auf fortlaufend numerierten Seiten ge- schrieben ist, wobei der erste Band die Seiten I bis 668 umfasst, und der zweite Band mit der Seite 669 fortfährt und bis Seite 882 geht2• Die Seiten 848 bis 8823 sind, vermutlich nachträg- lich, mit Bleistift numeriert worden, denn alle anderen Seitenzahlen sind mit der gleichen Handschrift und Tinte geschrieben wie der Text. Zwischendurch fmden sich noch etliche leere Seiten.

2.2 Gliederung des Jus Statutarium Das Jus Statutarium gliedert sich in vier Bücher, wovon die ersten drei im Band 1315a ent- halten sind, das vierte im Band 1315b. Vor dem Beginn der einzelnen Bücher findet sich je-

1 Eine bibliographische Beschreibung rechtfertigt sich m.E. daher, weil im Katalog von Scherrer ausser des Titels und der Autorennamen keine weiteren Angaben zu finden sind, vgl. aaO. S. 446f.; eine genaue Be- schreibung des Codex 1957 findet sich dagegen bei v. Scarpatetti, so dass ich hier darauf verzichte, vgl. aaO. S.224f. 2 Die Seitenzahlen sind nicht ganz korrekt gezählt, so fehlen Seiten (z.B. Seite 182), andere Seiten sind dop- pelt vorhanden (z.B. Seite 594 und 834) oder leere Seiten wurden falsch gezählt (z.B. nach S. 303 folgen 4 leere Seiten; die nächste Textseite müsste also die Zahl 309 tragen, es ist aber 307), so dass die nächstfolgende Textseite eine falsche Zahl aufweist 3 Diese Seiten enthalten das Traktat von Iso Walser über das stiftsanktgallische Erbrecht - 20- weils ein Zwischen titelblatt, das den Anfang des neuen Buches ankündigt. Die einzelnen Bü- cher haben keine Titel (die Inhaltsangaben sind vom Verfasser): Liber lum: Staatsrecht S_ 1 - 3031 Liber 2um: Sachenrecht, Regalien S. 307 - 5292 Liber 3um: Obligationenrecht S. 530 - 6663 Liber 4ti: Straf-, Verfahrens und Beamtenrecht S. 669 - 8474

An das vierte Buch schliesst sich eine Abhandlung von Pater Iso Walser über das stiftsankt- gallische Erbrecht an, die als fünftes Buch bezeichnet werden könnte. Im Rahmen dieser Ab- handlung werden der Erlass von Abt Gallus vom 27. Januar 1680 über die Erbsachen von Ehe- leuten5 und die Abzugsordnung vom September 16966 auf den Seiten 874 bis 882 des Jus Sta- tutarium angeführt. Nach einigen weiteren leeren Seiten folgt ein" Vollständiges Register über alle Orte und Sa- chen, so ... ". Dieses alphabetische Register ist in Deutsch geschrieben. Den Abschluss bildet eine Art Anhang, in dem vier Texte aufgeführt sind, die dem Autor wichtig schienen, und die er zu mehrmaliger Lektüre empfiehlt, wie er auf der zweitletzten Seite des Inhaltsverzeichnisse von Codex 1315 b schreibt. Es sind dies: - Der Gnadenbrief über den Erlass von Gwandfall, Lass und Erbschaft durch Abt Kaspar im Zusammenhang mit dem Burg- und Landrecht mit den vier Orten von 1451. - Der Schiedsspruch der Eidgenossen über die Bezahlung von Reiskosten vom 9. März 1461 in Einsiedein. - Der Schiedsspruch der 4 Schirmorte vom 7. Mai 1490. - Eine "Quaestio" über die Frage, ob die Klostergüter ausser mit Steuern für Kriegskosten auch für allgemeine Staatsaufgaben belastet werden können.

Alle Bücher sind in einzelne Titel unterteilt, diese wiederum, wie auch die Arbeit über das Erbrecht, in Paragraphen7• Die Länge der Paragraphen variiert von wenigen Zeilen bis zu meh- reren Seiten8. Die Paragraphen sind selten weiter untergliedert, was die Uebersichtlichkeit er- schwert. Die fehlende äussere Gliederung ist erstaunlich, wenn man sich vor Augen hält, dass die Arbeit zu einer Zeit verfasst wurde, welche die Systematik in der Rechtswissenschaft schon kannte, und in der ein Preussisches Landrecht mit einem durchdachten Aufbau entstand.

2.3 Die Inhaltsverzeichnisse Das Inhaltsverzeichnis von Band 1, also Codex 1315a, weist eine Unklarheit auf. Gemäss Inhaltsverzeichnis müsste das dritte Buch auf Seite 562 mit dem Titel" Quibus modis reD con- trahitur obligatio" beginnen. Tatsächlich findet sich aber der Zwischen titel "Notae ad Liberum Tertium ... " schon auf Seite 530, wo sich auch einer der drei Reiter findet, welche die drei Bü- cher des ersten Bandes auch optisch trennen. Die nachfolgenden Titel sind dann allerdings wie- der als zu Buch 2 gehörend bezeichnet9• Das Inhaltsverzeichnis von Band 210 ist durch einen eingelegten Zettel ergänzt, der auf einer Seite einige Abschnittstitel enthält, auf der anderen Seite aufführt, wo in Band 2 Reiter anzu-

Gemäss Inhaltsverzeichnis: Einteilung des Staatsgebietes, der Hoheitsrechte ele. 2 Gemäss Inhaltsverzeichnis: de rebus publicis, universitatis, singulorum; de Testamentis. 3 Gemäss Inhaltsverzeichnis: de usu et habitatione, de emtione et venditione, de Societatibus uäm. 4 Buch 4 behandelt: Strafrecht, Prozessrecht, Wahl der Beamten, Eide der Beamten ele. 5 Siehe StiASG Rubr. 13 Fasz. 25. 6 Vgl. Edition, S. 327ff.; die Tagesdatierung fehlt auch im Original. 7 Diese sind idR innerhalb der Titel fortlaufend numeriert, wo die Numerierung fehlte, habe ich sie einfach fortlaufend ergänzt, bis wieder ein neuer Paragraph I erschien (S. 472 mit § 72 bis S. 544 mit § 98). 8 Vgl. z.B. den § 87, der von Seite 507 bis 517 läuft 9 Vgl. die Titel in StiBSG Codex 1315: S. 530,546, 550 und 554 . 10 Also Codex 1315b. - 21 - bringen seien, nämlich bei Beginn von Buch 4 auf Seite 669, auf Seite 848, wo die Abhandlung über das stiftsanktgallische Erbrecht beginnt, ferner beim Anfang des alphabetischen Regi- sters!.

2.4 Sprache und Schrift Das Jus Statutarium ist in Latein verfasst. Soweit ich dies mit meinen philologischen Kennt- nissen beurteilen kann, handelt es sich nicht um schwieriges Latein. Es finden sich regelmässig Einschübe in Deutsch: Zum einen sind es deutsche Begriffe aus den zitierten Originaltexten, die hinter die übersetzten lateinischen Begriffe zu deren besserem Verständnis gesetzt wurden2; zum anderen wurden ganze Passagen aus den in Deutsch verfassten Originalen in das Jus Sta- tutarium übemommen3• Die Handschrift ist klar und deutlich zu lesen und durch das ganze Buch im gleichen Duktus. Die lateinischen Passagen sind in lateinischen Buchstaben, die deutschen TextsteIlen dagegen in Frakturschrift geschrieben.

3. Vergleich mit dem Entwurf in Codex 1957 Beim Aufarbeiten der Quelle wurde eine weitgehende Uebereinstimmung der Texte zwischen den Codices 1315a und b bzw. 1957 festgestellt4• Der Band 1957 kann als Entwurf des Jus Statutarium bezeichnet werden, weil sich in seinem Titel die Bemerkung "opere tumultario ad interim" findet5• Zudem weist Codex 1957 typische Merkmale eines Entwurfs auf, denn es ist sehr viel gestrichen, geändert und eingesetzt. Einen weiteren Hinweis auf die frühere Niederschrift des Bandes 1957 - obwohl auf den Ti- telblättern der Codices 1315a und b bzw. 1957 als Abfassungsjahr 1780 angegeben ist - geben einige Stellen aus den Bänden 1315a und b. Das Jus Statutarium fuhrt ein Einbürgerungsver- fahren in Tablat aus dem Jahre 17826 und einen äbtischen Erlass vom 25. Januar 17827 an, die beide im Band 1957 fehlen. Damit ist Codex 1957 mit grosser Wahrscheinlichkeit als der frühere bestimmt. Der Vergleich des äusseren Aufbaus zwischen Entwurf und definitiver Fassung zeigt eine mehr oder weniger grosse Konkordanz. Auch der Entwurf ist in vier Bücher eingeteilt, die wiederum in Paragraphen unterteilt sind. Die Aufteilung der Paragraphen stimmt nicht mit dem Original überein. Oft ergeben mehrere Paragraphen des Codex 1957 im Jus Statutarium nur einen einzigen Paragraph8• Das Inhaltsverzeichnis9 von Codex 1957 stimmt im grundSätzlichen Aufbau mit jenem des Jus Statutarium überein, ist aber ausführlicher, da bei den einzelnen Titeln Untertitel und kurze Inhaltsangaben angeführt sind. Gewisse Abweichungen in den Titeln kommen vor, vor allem am Ende von Buch 2, wo im Band 1957 neben den Testamenten auch die Ordo Successionis angeführt, aber dann doch nicht behandelt wird. Im Jus Statutarium stellt P. Iso Walser diese in

1 Die Reiter sind bei Codex 1315b auch dort zu finden. 2 Z.B. S. 30: " ... jus militis cogendi, das Mannschaftsrecht, ...". 3 Z.B. S. 572: Formu!ar für Schuldbriefübergang. Vollständig in Deutsch abgefasst sind der Erlass von Abt Ga11us bezüglich des Erbrechts der Eheleute von 1680, die Abzugsordnung vom September 1696, sowie im Anhang das Burg- u. Landrecht zwischen Abt Caspar und den 4 Schirmorlen vom 17. August 1451 und der Schiedsspruch der 4 Schirmorle vom 7. Mai 1490 in Einsiedein. 4 Auf al1IlI1lige inhaltliche Differenzen wird im nachfolgenden Kapitel 2 eingegangen. 5 Vgl. Titelblatt von Codex 1957 in der StiBSG. 6 Jus Statutarium S. 413. 7 Jus Statutarium S. 872; auf dieser Seite fmdet sich auch die Bemerl

seinem Traktat dar_ Der Entwurf enthält kein Register, und die im Anhang von Band 2 des Jus Statutarium aufgeführten Texte! fehlen ebenfalls.

§ 5 Die Verfasser A) Autor und Schreiber Das Jus Statutarium wurde von zwei Patres aus dem Kloster St. Gallen geschaffen. Der eine, Pater Bernhard Hannes, redigierte das Werk, der andere, Pater Ambros Epp, schrieb es.

1. Pater Bernhard Rannes Pater Bernhard Rannes ist der Autor und Urheber des Jus Statutarium und hat das Material für das ganze, über 1000 Seiten zählende Werk gesammelt und redigiert. So heisst es denn auf den beiden Titelblättern des Jus Statutarium" ... compi/latum a R. P. Bernhardo Hannes ... "2.

l.l Die Biographie Pater Bemhard wurde als Johann Adam von Stetten im Allgäu am 8. August 1747 geboren3. Pater Basil Balthasar führte Bemhard Rannes in einer Art Klostertagebuch zusammen mit vier weitem Novizen 1764 als Scholar in der Klosterschule auf4. Er legte am 18. Mai 1766 die Profess ab und wurde am 22. Dezember 1771 zum Priester geweiht. Seine Ausbildung erhielt Pater Hannes in der Klosterschule. An dieser Schule, die ausschliesslich den zukünftigen Patres reserviert war, wurden Philosophie, Theologie und beide Rechte gelehrtS . Schon 1769 wurde Bernhard Rannes als Lehrer für Gesang und Philosophie in der Klo- sterschule in Rorschach eingesetzt. Von 1771 an unterrichete er zusätzlich Philosophie, 1776 auch noch Theologie. Pater Bernhard und der nachmalige Abt Pankraz Vorster wurden von Abt Beda stark gefördert. Beda war die gute Ausbildung seiner Patres ein Anliegen und die Schule stand bei ihm in grossem Ansehen. Er kaufte mit nicht geringem Aufwand Instrumente und Materialien für den Unterricht und ein Naturalienkabinett6. Pater Bernhard Hannes scheint ein eifriger und fähiger Lehrer gewesen zu sein. 1784 ersuchte Pater Bernhard seine Oberen, ihn aus der Lehrtätigkeit zu entlassen. Seinem Gesuch wurde entsprochen und am 20. Oktober trat er in St. Johann das Amt des Subpriors an7• Im Jahre 1787 betätigte sich Pater Bernhard zusammen mit Pater Rudenz und dem späteren Abt Pankraz aktiv in der Oppositionsgruppe, die im Generalkapitel Abt Beda schwere Vorwürfe machte. Da er sich nachher für sein Verhalten beim Abt entschuldigte, musste er die Strafversetzung nach Ebringen nicht antreten. Der Abt ernannte Pater Bernhard 1789 zum Pfarrer in Altstätten; 1796 wurde er sogar noch Statthalter in St. Johann. Er starb am 16. Ok- tober 1802 in St. Peterzell, wo er Pfarrer gewesen war.

1.2 Sein juristisches Schaffen Es gibt keine Hinweise, dass Pater Bernhard Hannes ausserhalb des Klosters eine spezielle juristische Ausbildung erhalten hätte. Im Stift St. Gallen wurde der Unterricht in beiden Rech-

1 SidJe oben § 4 2.2 S. 19f. 2 Vgl. TitelbllUter der Codices 1315 a und b. 3 Die biographischen Ausfilhrungen fllr alle Patres stützen sich hauptsllchlich auf Henggeler, Professbuch; fIIr Pater Bernhard vgl. S. 412. 4 Ephemerides (StiASG Bd. 1936 S. 97), Einttag vom 10. Dezember 1764. S Vgl. Weidmann, S. 2 und 9. 6 Weidmann, S. 9 bzw. Meier, Pankraz Vorster S. 38. 7 Nach Henggeler, Professbuch S.412 geschah dies am 20. Okt. 1784. Nach dem Tagebuch von Abt Beda. Bd. m S. 251 erfolgte die Reise aber am 2. Okt. Dieses Datum fiIhrt Henggeler auch bei P. pranz (Professbuch S. 413) an. der mit P. Hannes ging. Dies stimmt dann mit dem Einttag von Abt Beda überein. -23- ten anhand eines handschriftlichen Lehrbuches von Abt Coelestin 10 und J. Zallingers Werk ,jus naturae et gentium" erteilt2• Die Unterweisung im Recht erfolgte in der Klosterschule in- tensiv und gewissenhaft, "weil die Abtei Souveränitäts- und Ordinariatsrechte ausübte", wie Franz Weidmann, der als ehemaliger Konventual diese Schule auch durchlaufen hatte, schrietJ3. Auf dem Titelblatt des ersten Bandes4 seines Jus Statutarium ist rechts neben seinem Namen mit Bleistift der Titel "Professore iuris" angefügt. In den Tagebüchern der Aebte und im Pro- fessbuch von Henggeler findet sich bei vielen Patres die Notiz, dass sie zu Professoren an der Klosterschule ernannt worden seien5. Da an der Klosterschule auch Jura unterrichtet wurde, wäre es nicht mehr als verständlich, wenn die Patres, die dort Recht lehrten, ebenfalls als Pro- fessores bezeichnet worden wären. Wenn man nun annimmt, dass Pater Bernhard Hannes, nachdem er das Jus Statutarium verfasst hatte, noch an der Klosterschule Recht zu unterrichten begann und dadurch den Titel eines "Professore iuris" erhielt, wäre für die nachträgliche Anfü- gung auf dem Titelblatt eine Erklärung gefunden. Trotz den juristischen Kenntnissen des Verfassers sprechen Aufbau und Inhalt seines Wer- kes nicht unbedingt dafür, dass er ein voll ausgebildeter Jurist auf der Höhe seiner Zeit war, sondern einfach ein Pater mit der gewöhnlichen Klosterausbildung, aber einer grossen Liebe zur Juristerei. In der Stiftsbibliothek finden sich weitere juristische Werke, die von ihm verfasst wurden. Neben dem untersuchten Jus Statutarium in drei Bänden6 liegen noch die Entwürfe in zwei Bänden zu diesem Werk vor7• Der Titel eines weiteren juristischen Werkes lautet "Prospectus juris statutarii Toggenburgici"; es liegt als Codex 1467 ebenfalls in der Stiftsbib- liothek. Diese Handschrift enthält auch noch die "Statuta syoodi seu Consistorii reformatae reli- gionis in Toggio" und ein alphabetisches Verzeichnis aller Kirchen, in denen der Abt Benefizien verleiht. Sie wurde 1783 abgefasst.

2. Pater Ambrosius Epp von Rudenz Pater Ambros ist der Schreiber des Jus Statutarium. In der Handschrift 1315a sind zwei Stellen zu fmden, wo es heisst: ,,(de)scripsit P. Ambrosius Epp de Rudenz"s. Die geschickte Hand von Pater Ambros zeigt sich auch in seiner Tätigkeit als lllustrator einiger Handschriften der Stiftsbibliothek. Doch waren seine historischen und anderweitigen Interessen stärker, so dass er keine weiteren kunsthandwerkllchen Arbeiten mehr schuf9. Pater Ambros wurde als Johann Franz Josef Anton Maria Aloys Epp am 17. Mai 175210 als Sohn des Landschreibers Karl Anton Epp und der Maria Anna Katharina Elisabeth Sartor in Altdorf geboren. Er trat 1770 zusammen mit dem nachmaligen letzten Fürstabte Pankraz Vorster

Dieses dreibändige Lellrbuch liegt in der Stiftsbibliothek, sein Titel lautet: Commentarius Bipartitus in IV Libros Institutionem Imperialium; Gemäss einer Notiz auf der letzten Seite von Band III schrieb Abt Coele- stin 11. das Werk zwischen dem 4. Febr. und dem 30. Juli 1729 (Codices 1316-18). 2 Weidmann, S. 9 FN 2: hier ist eine kurze Bescllreibung der Klosterschule und eine Liste der dort verwendeten Lel!rmitttel zu finden. Auch die beiden oben erwähnten Rechtslehrbücher sind dort angegeben. 3 Weidmann, S. 2. 4 Vgl. Jus Statutarium, Titelblatt Band l315a. 5 Vgl. z.B. Henggeler, Professbuch S. 412 die Eintragung bei Pater Bemhard Hannes, der zum Professor der Philosophie ernannt wurde. Für diese Ueberlegung spricht auch das Titelblatt des Werks von Abt Coelestin (vgl. FN 1): "." Coelestino ." ibidemquc Juris civilis Professorc ...... 6 StiBSG Codex l315 a, bund c. 7 Die EntwUrfe sind StiBSG Codex 1957 bzw. Codex 1666; für Details vgl. vorne § 4 S. 19ff. Vgl. StiBSG Codex l315a: Titelblatt, S. 666; in Codex 1315b findet sich kein expliziter Hinweis, aber die Schrift ist identisch. 9 VgI. zu seiner Tätigkeit als lIIustrator: Dora F. Rittmeyer, Pater Ambros Epp von Rudenz als lIIustrator, in: Festgabe zum 75. Geburtstag von Dr. Eduard Wymann, Altdorf 1944, S. 49ff., bes. S. 60. 10 Henggeler, Professbuch S. 416, gibt diese biographischen Daten an; daraus stammen auch alle anderen An- gaben, ausser es sei besonders vermerkt. Wettach gibt abweichende biographischen Daten an: Der letzte Vorname sei Leonz und das Geburtsdatum der 17. Juni 1752. -24- ins Noviziat ein und blieb dessen Freund während der ganzen Klosterzeit1_ Die Profess legte er am 19. Mai 1771 ab; zum Priester geweiht wurde er am 13. Juli 1777. Seine erste Aufgabe nach der Priesterweihe bestand darin, einem kranken Priester in Ror- schach beizustehen. 1785 und 1786n machte er als einer der führenden Köpfe aktiv bei der in- nerklösterlichen Opposition mit2• Er wurde deswegen nach St. Johann verwiesen und dann am 17. September 1788 nach Ebringen "verordnet", wie Henggeler schreibt3, was man wohl als Verbannung bezeichnen könnte. Auch dort befolgte er die Ordensregeln anscheinend nicht sehr genau, denn er musste wegen Insubordination gemassregelt werden. Als der Abt dann wegen der Wirren im Zusammenhang mit der Französischen Revolution selber in Ebringen Wohnsitz bezog, begab sich Pater Rudenz zu einem Bekannten nach Schloss Böttstein im Aargau. Er starb als Beichtiger des Nonnenklosters Glattburg am 20. Januar 1817.

B) Die Mitarbeiter Am Jus Statutarium haben zwei weitere Juristen mitgearbeitet, Hofkanzler Anton Schuler und Pater Iso Walser. Ersterer aber nur insoweit, als sein Gutachten von Pater Iso zitiert wird.

1. Pater Iso Walser Dieser Pater war als Lehrer, Statthalter, Prediger, Offizial, Jurist, Philosoph und Naturwis- senschafter einer der berühmtesten und gelehrtesten Männer des Stiftes St. Gallen im 18. Jahr- hundert4.

1.1 Die Biographie Pater Iso wurde am 28. August 1722 als Franz Jakob Walser in Feldkirch geborenS. Er war das älteste von elf Kindern des Franz Josef Walser und der Maria Agnes Mayer. Er trat mit fünfzehn Jahren in die Klosterschule ein. Am 16. Oktober 1739, nur zwei Jahre später, legte er schon die Profess ab. Zum Priester geweiht wurde er am 1. September 1746. Wie Pater Hannes war er Gesangs- und Philosophielehrer, daneben noch Vorsteher der Schule6• Im Jahre 1748 wurden er und sein Lehrer P. Antonin Rüttimann als Emissäre des Abtes we- gen eines Streites mit dem Bistum Konstanz nach Rom zur Kurie gesandt. Die Reise dauerte vom 3. Mai 1748 bis zum 16. Mai 1749. P. Iso widmete sich in dieser Zeit verschiedensten Studien. Am 14. April 1749 stellte er sich den Professoren des Kollegium der Sapientia in Rom zur Doktorprüfung. Er bestand diese mit Erfolg und war nun Doktor beider Rechte7. Im Jahre 1756 erfolgte seine Ernennung zum Vize-Offizial; er gehörte damit zum engeren Beraterkreis des Abtes. Er wurde dann vom Abt öfters mit Sonderaufgaben betraut, wie bei- spielsweise der Ausbildung junger Patres und der Unterstützung von Reformbemühungen in anderen Klöstern_ Im Jahre 1759 erfolgte die Ernennung zum Offizial. In dieser Stellung war Pater Iso verantwortlich für alle Kleriker im Gebiete der Abtei, für das äbtische Ehegericht und für die gesamte Seelsorge in über 60 Pfarreien. Bis zu seiner Ablösung im Jahre 1785 entfaltete er eine grosse Aktivität, gründete neue Pfarreien, ordnete die bestehenden und diente daneben weiter der Wissenschaft und der Seelsorge. Die Berufung zum Statthalter in Rorschach am 25. Juni 1785 leitete seinen letzten Lebensab- schnitt ein. Im Zuge der beginnenden Auflösung der Klosterherrschaft musste Pater Iso am 11.

Wettach S. 73. 2 Vgl. z.B. Weidmann, S. 21 FN 4 oder Wettach, S. 73. 3 Henggeler, Professbuch S. 416; weitere Angaben zur Tätigkeit von P. Ambros sind kaum möglich, da sein Diarium. das Weidmann auf Seite 22 FN 1 zitiert, nicht mehr aufzufinden ist. 4 Vgl. Henggeler, Professbuch S. 389f. 5 Vgl. zur Biographie bei Henggeler. Professbuch S. 389ff. 6 Vgl. Fäh, P. Iso Walser S. lff. 7 Vgl. Fäh, P. Iso Walser S. 28. -25-

Mai 1795 von seinem Posten abberufen werden. Er blieb dann bis zu seinem Tode am 3. Iuni 1800 in St. Gallen, obwohl der Konvent im Mai 1798 geflohen war. Das Wirken von Pater Iso ist im Nachhinein unterschiedlich gewürdigt worden. Franz Weidmann, ein ehemaliger Mitbruder, warf ihm vor, dass er mit seinen prunkvollen Zeremo- nien für das Volk die wirtschaftliche Grundlage des Klosters geschädigt und seine Untergebe- nen und das Volk ausspioniert habel . Fäh dagegen lobt Pater Iso als initiativen und energischen Offizial, der viel für die Volksfrömmigkeit und die religiöse Betreuung der einfachen Leute ge- leistet habe. Ohne diesen Streit entscheiden zu wollen: Die biographische Skizze dürfte der Per- sönlichkeit Iso Walsers wohl eher gerecht werden als ein Kapitel voller polemischer Bemerkungen im Buch von Weidmann2•

1.2 Sein Iuristisches Schaffen Nach der Verleihung des juristischen Doktortitels begann Pater Iso ein umfangreiches juri- stisches Schaffen, sowohl im kanonischen wie im weltlichen Recht. So unterrichtete er auch Kirchenrecht an der Klosterschule3 und schrieb 1751 sogar einen Kommentar dazu4• Weitere Abhandlungen zum Kanonischen Recht datieren aus den Iahren 1755 und 17585• Ueberdies hielt er an verschiedenen Orten Disputationen zum kanonischen Rechtli . Er war auch als Rechtsberater anderer Klöster tätig. In seiner umfangreichen Korrespondenz finden sich Briefe, in denen er der Abtei Pfäfers Ratschläge im kanonischen Recht erteilte7• Dann verfasste er die erwähnte Abhandlung über das stiftsanktgallische Erbrecht, "zur leichten und klaren Handhabung desselben"S, wie er im Titel anführte. Während allen seinen Tätigkeiten, sei es als Offizial oder Statthalter, machte er ausführliche Aufzeichnungen, die erhalten sind. Viele seiner Aufzeichnungen wären auch für Iuristen von Interesse, so z.B. seine Protokolle aus dem äbtischen Ehegericht oder sein Diarium aus der Zeit seiner Statthalterschaft in Rorschach9•

2. Hofkanzler Anton Schuler Anton Schuler wurde am 9. Iuni 1688 in der Reichsstadt Wangen im Allgäu geboren. Er war das älteste von neun Kindern seiner Eltern Mathäus Schuler und Christine Biggel. Im Iah~ 1714 bewarb sich Anton Schuler für die Stelle eines Kanzleiverwalters in seiner Heimatstadt. Er wurde am 19. April 1714 vom Rat der Stadt gewählt und war dann für die Führung der Rats- und Stadtgerichtsprotokolle verantwortlich. An einer ausserordentlichen Sitzung am 14. Fe- bruar 1730 hatte der Rat von Wangen einen Nachfolger zu wählen, weil Anton Schuler seiner- seits am 2. Februar 1730 das Amt des äbtischen Hofkanzlers angetreten hattelO• Die von Abt Ioseph 11. unterzeichnete Bestallungsurkunde umfasst 15 Seiten und zählt die Pflichten des

I Weidmann, S. 3Off. 2 Vgl. das Buch von FIIh, P.1so Walser mit den Aussagen bei Weidmann, S. 30-32. 3 Vgl. FIIh, P. Iso Walser S. 34. 4 Siehe Codex 1665 in der StiBSG: Commentarius bipartitus in IV. lihr. Inst. 5 ,Jurisprudentia canonicocivilis propositioncs", SL Gallen 1755 und ,Juris canonici coIlegium theoretico- practicum", SL Gallen 1758. 6 Vgl. Henggeler, Professbuch S. 389; nämlich in SL Gallen, OUobeuren und Kempten. 7 Vgl. FIIh, P. Iso Walser S. 38 unter Verweis auf Codex 1105. 8 Vgl. Jus Statutarium S. 848ff. 9 Vgl. sein Werkverzeichnis bei Henggeler, Professbuch S. 390-392. 10 Die biographischen Daten stammen, sofern nicht anders angegeben, aus einer schriftlichen Auskunft des Stadtarchives der Kreisstadt Wangen im AIlgäu vom 12. Dezember 1986. -26-

Kanzlers aufl . Er übte sein Amt im Dienste des Stiftes St. Gallen bis zu seinem Tode am 29. Februar 1744 aus2• Im Jahre 1738 verfasste Anton Schuler, der seit acht Jahren im Dienste des Abtes von St. Gallen stand, für seine Heimatstadt Wangen ein Rechtsgutachten, das auf 92 Seiten die Sat- zungshoheit von Reichsstädten behandelte3. Besondere Beachtung fanden Fragen des An- stands- und Zugrechts sowie der Steuern, Zehnten und Anlagen. Das von Pater Iso erwähnte Gutachten4 umfasst 14 handbeschriebene Seiten und behandelt ein Problem des Erbrechts: den Fall eines Erblasser, der nur Halbgeschwister hinterlässt. Der Kanzler verfasste dieses Gutachten zwischen dem 4. und 10. April 17415• Es liegt im Stifts- archiv, in einem Band mit Klosterakten eingebunden6•

1 VgI. diese Angaben bei Staerlde, Verzeichnis der weltlichen Beamten des Stiftes St. Gallen, S. 66; BestallWlgsurkWlde siehe StiASG Bd. 327 S. 121-135. 2 Vgl. Tagebuch von Abt Coelestin D. Gugger, Bd. 11 S. 259, Eintrag vom 29. Febr.1744, wo sich die Ta- desnachricht und ein Nachruf fmden. 3 Das Original befmdet sich im Aktenbestand I des StadlllIChivs von Wangen (Signatur IV 1). 4 Vgl. im Jus Statutarium S. 871; P. Iso Walser verweist hier auf die Originalfundstelle des Gutachtens: StiASG Bd. 331 S. 353ff. 5 Vgl. die Datumsangaben in StiASG Bd. 331 S. 352 bzw. S. 364. 6 Vgl. eben dort in StiASG Bd. 331 S. 352-364; Pater Iso zitien diesen Band als Tomus 38, also die alte Archivsignatur; Bezllglich des Inhalts vgl. hinten § 7 H) Das Elbrecht S. 128ff. -27-

Kapitel 2: Der Inhalt des Jus Statutarium

§ 6 Einführung in die Untersuchung L Das Inhaltsverzeichnis des Jus Statutarium Die Systematik:, die sich aus dem Inhaltsverzeichnis der Quelle ergibt, ist heute ungebräuch- lich und erweckt den Anschein von Unvollständigkeit, weil man meint, eine grössere Anzahl Titel sei ausgelassen oder die Zählung willkürlich. Inhalt und Systematik: scheinen auch nicht richtig zusammenzupassen, da einzelne Rechtsinstitute unter verschiedenen Titeln mehrfach dargestellt werdenl . Die Inhaltsverzeichnisse der heiden Bände lauten nämlich folgendermas- sen:

Pars Prima2 Juris nri Statutarij eornpleetltur Notas et Observationes tn titulos Ubri PrImi. seeundi. et tertiJ Juris eommunis. preut sequitur In Notls ad Ubrum lurn Primo agitur de Jure Personarum. Dividitur hie traetatus tn quatuor seetlones lma agit de Territorio veteri tn genere extra TurgoJam rrda De Praefeeturis et Iocis veteris Territorij tn Speeie mtia De JUribus MonasteriJ S. Galli tn Turgoja tn genere IV De Iocis S. GalU tn Turgoja tn Specie His detn nonnulla accedunt de Nuptiis et CurateUs Et sie flnientur notae tn Ubrum primum JUris eommunis

Notae tn Ubrurn secundumJuris Cornmunis TU lrnus De aequrrend rerurn Domtnio dividitur tn tres seetiones Prima agit des rebus pubUeis. se quae olim fuerunt pubUeae Secunda Oe Rebus universitatls. quae ad Civitatem.vel universitatem spectant In Tertia agitur de rebus stngulorum. quae ad proprietatern euJusUbet privati spectant ad Tit 3tiurn Oe Servitutibus ad Tit 5turn Oe usu et habitatlone ad Tit 6turn Oe usu eapionibus ad Tit lOrnurn Oe Testamentis His flniuntur Notae tn Ubrurn seeundumjuris eommunis

Notae tn Ubrum TerUumjuris Communis Ad Tit 15tum Quibus modis reo eontrahitur obUgatlo Ad Tit 21rnum Oe Fldeijussortbus Ad Tit 24tum De EmUone et Venditlone Ad Tit 25tum De LocaUone et eondueUone Ad Tit 26tum Oe SocietaUbus Ad Tit 28um Oe ObUgatlone ex quasi Contraetu His flniuntur Notae tn librum Tertiurn juris Communis. ae simul Pars Prima Juris nri StatutariJ

VgI. das detaillieneInhaltsverzeichnis in Anhang 1 auf Seite 153ff.• 2 Inhaltsverzeichnis von Codex 1315a. -28-

Pars Secunda 1 Jurls Nrt Statutartj. quae Inclpit a follo 669 complectltur Notas et ObservaUones In Tltulos Jurts Communis Llbrt quartl

Notae ad llbrum Quartum Ad Tlt 1mum Oe Obllgatlonibus ex: Oe11cto. ubl de furto agf.tur Ad Tlt 3Uum Oe Lege aquilla Ad Tlt 4tum Oe Injurtls Ad Tlt 5tum Oe Obl1gatlOnibus ex: quaSi dellcto Ad Tlt atum Oe actlonibus Ad Tlt gnum 51 quadrupes paupertem feclsse dlcatur Ad Tlt 11mum Oe SatlsdaUonibus Ad Tlt 16tum Oe poena temere lltlgantlum et de Injus vocando Ad Tlt 17mum Oe officl0 judicUs Ad Tlt ulUmum Oe publlcls JudicUs

Post haec sequltur tractatus de Testamentls et successlonibus ab Intestato pro vetert et novo Terrttorto S. Galli - aR P. lsone Walser In certum Ordlnem. ac Classes redactus Inde Oecretum Prtncipis Galli Secundi de 1680. wegen dem Leibdlnge der Ehe1eüten Postea ein ao 1696 von St. Gallen abgefasster. und vestgesetzter Schluss was. wen. von wem. und wie viel für den Abzug zu nehmen sei. Auf dieses folget ein vollständiges Register über alles. was In diesem ganzen Werke ..... zu ßnden ist. Nun folgt eine Einleitung und Aufzählung des Anhangs2.

Den Aufbau seiner Arbeit hat Pater Bernhard Hannes einem Kommentar zum CICiv ent- nommen. Zwei Beobachtungen weisen darauf hin: Die Titel des Jus Statutarium stimmen wort- wörtlich mit denjenigen aus Kommentaren zum Corpus Iuris Civilis überein. Ausserdem gibt die ungewöhnliche, einzelne Zahlen überspringende Numerierung der Titel im Jus Statutarium erst einen Sinn, wenn man die Kommentare beizieht. Pater Bernhard Hannes übernahm nicht nur die Titel, sondern auch deren Zählung, so dass jedesmal soviele Zahlen fehlen, wie er Titel ausliess. Diese Feststellungen wurden anhand zweier Kommentare zum CICiv gemacht, die in der Stiftsbibliothek liegen. Es handelt sich um Johannes Schneidewins Institutionenkommentar, der von Mathias Wesembek und P. Brederodius ediert, und von Dionysius Gothofredus neu bear- beitet wurde3. Die über 100 Jahre später erschiene ,,Manuductio ad Jurisprudentiam Justinea- neam simplicivia ..." von Johannes Dominicus Peregrinus4 entspricht im Aufbau vollständig dem ersten Werk und belegt damit auch die Aussagen über das Jus Statutarium. Pater Hannes übernahm die Systematik eines anderen Werkes, um sie mit eigenen Inhalten zu füllen. Dies war im 18. Jahrhundert öfters der Fall und wurde sogar auf den Titelblättern angegebens .

Inhaltsverzeichnis von Codex 1315b. 2 Siehe dazu vorne § 4 S. 19ff. 3 Er erschien 1613 in Collonia Allobrogum und wurde nach dem handschriftlichen Eintrag auf dem Titelblatt 1618 fdr die Klosterbibliolhek in Ingoldstadt erworben. Er trägt die Sig. MM mitte VI 6. Vg\. bez. Schneidewin bei Stintzing-Landsberg, Bd. I S. 309ff.• bez. Wesembek aaO. S. 351ff. Dionysius Gothofredus war einer der berühmtesten Bearbeiter des CICiv, vg\. dazu aaO. S. 385ff. und Elsener. Schweizer Rechtsschulen. S. 170. 4 Es erschien 1754 in Salzburg in vierter Auflage und trägt die Sig. KK links VI 5/6. 5 Vgl. z.B. das Buch Samuel Mutachs von 1709: "Substanzlicher Underricht. von Gerichts- und Rechts- Sachen. Worinnen nach dem Methodo der Justinianischen Institutionen .... , der Stadt Bem '" Gesatz und Ordnungen eingebracht werden ...... ; vg\. dazu auch Elsener, Schweizer Rechtsschulen S. 246f. - 29-

Pater Bernhard Hannes machte aber, wie schon erwähnt, keine "Receptio in complexu", sondern überging viele Titel, die in den Kommentaren enthalten sind. Bei diesen Titeln handelt es sich hauptsächlich um solche theoretischer Naturl . Ausserdem zog er Sachgebiete, die in den Kommentaren ausführlichst behandelt werden, stark zusammen und behandelte davon nur die Teilgebiete, über die er in den Mandaten und Offnungen des Stiftes Normen fand2• Damit ist für die Aussage von Walter Müller3, dass dem gelehrten und römischen Recht im stiftsanktgallischen Rechtswesen eine geringe Bedeutung zukam, ein weiterer, eindrücklicher Beleg gefunden. Pater Bernhard kennt das CICiv, aber er verwendet nur das Inhaltsvel7;eichnis eines Kommentares für den Aufbau und Begriffe aus dem CICiv"; den Inhalt dagegen beein- flusste das Gemeine Recht nicht oder kaum. Die Praxis war wichtiger als Theorie und Wis- senschaft. Das im Anhang angefügte detaillierte VerzeichnisS der behandelten Materien zeigt, dass eine geschlossene Darstellung derselben nur dann zu erreichen ist, wenn von der gegebenen Glie- derung des Jus Statutarium abgewichen wird. Ich werde daher die formale Einteilung, welche in der Handschrift verwendet wurde, zur nachfolgenden Darstellung des Inhalts nicht überneh- men, sondern meine eigene verwenden, die eine für den heutigen Leser übersichtlichere Dar- stellung aller behandelten Rechtsgebiete ermöglicht6•

2. Geographische Bemerkungen im Jus Statutarium Auf den Seiten 4 bis 12 des Jus Statutarium findet sich eine ausführliche geographische Beschreibung der fürstäbtischen Territorien. Mit dieser Beschreibung begründet Pater Bernhard die Zugehörigkeit bestimmter Gebiete zur Alten Landschaft und zum Thurgau; damit werden die restlichen Gebiete von der Untersuchung ausgeschlossen und in "pecularibus tractatibus" ver- wiesen7• Daran schliesst die Darstellung der administrativen Einteilung des behandelten Klo- stergebietes an8. Die Beschreibung ist sehr detailliert und erstreckt sich sogar auf die Aufzäh- lung einzelner Weiler in den Gerichtsgemeinden9• Die Reihenfolge der Gerichte und Orte inner- halb der Aemter gemäss der Landesgliederung wird durch die ganze Arbeit hindurch beibehal- ten, so dass in der Regel das Landeshofmeisteramt immer zuerst, das Romanshorneramt zuletzt, das Hofgericht als erstes und Wängi als letztes Gericht behandelt wird. In dieser Aufstellung der Landesorganisation finden sich auch Begründungen, warum ein- zelne Orte zu diesem Verwaltungsbezirk gehören und woher die Namen der Gerichte stammen sollenlO• Eigentliche Grenzbeschreibungen fmden sich aber im Jus Statutarium nicht; es werden nur die Orte aufgezählt und allfällige Weiler oder Dorfteile, die dazugehören. Pater Bernhard erwähnt dafür mehrmals Verträge, die Grenzstreitigkeiten abschlossen11 .

Er beschreibt die Entstehung der Obligation, nicht aber, was eine Obligation ist, deren Wirkungen, und welche Arten es gibt; vgl. dazu Buch III Tit. 14 und 15. 2 So beim Vonnundschaftsrecht, das in den Kommentaren 14 Titel umfasst. bei Bemhard Hannes aber nur einen mit 12 Seiten (S. 292-303). 3 Müller, Landsatzung und Landmandat S. 289fr. 4 Begriffe wie: de usu capionibus, deFidejussoribus; aus dem Inhaltsveneichnis von Bd. 13158. 5 Vgl. Anhang 1 auf S. 153ff. 6 Diese Absicht fülut zu folgendem Aufbau: § 7 Staatsrecht § 8 Die beiden Städte Wil und Rorschach § 9 Die Offnungen und Einzugsordnungen § 10 Landsatzung und Mandatswesen § 11 Staatsverträge und Nachlese 7 Jus Statutarium S. 4. 8 Jus Statutarium S. 5-12; vgl. Anhang 2 auf S. 163f., der diese Gliederung aufzeigt. 9 Vgl. z.B. Jus Statutarium S. 8: Beschreibung des Freigerichtes an der Thurlinden. 10 Vgl. Jus Statutarium S. 6; Die Namen der Gerichte hingen mit dem Sitz des Ammanns zusammen. 11 Vgl. hinten § 11 A) 4. Die Grenzverträge S. 135. -30-

Das Kapitel über die Alte Landschaft enthält eine ausführliche Beschreibung der Gebiete, die sie umfasstl. Bernhard Hannes begründet die Entstehung der Kernlande der Abtei mit einer Schenkung von König Sigbert von Austrasien2. Diese Schenkung hätte die ganze Alte Land- schaft und weitere umliegende Gebiete umfasst und sei mit der Verleihung der Niedergerichts- barkeit verbunden gewesen. Es werden Belegstellen aus einer Klosterchronik und einem Heili- genkalender zitiert, die Grenzbeschreibungen enthalten und belegen sollen, dass die angeführten Grenzen stimmten3• Die thurgauischen Orte der Abtei werden, soweit sie in die Aemter integriert sind, bei diesen aufgezählt, alle anderen Orte erscheinen am Schluss auf Seite 12. Die von der Abtei im Thurgau besessenen Orte werden zu Beginn der Kapitel über den Thurgau erneut angeführt4. Diese zwei Aufzählungen stimmen überein.

3. Was im Jus Statutarium nicht behandelt wird 3.1 Das Verhältnis zur Stadt St. Gallen Was beim Durchlesen der Quelle sofort auffällt, ist das Fehlen der Beschreibung der Rechts- beziehungen zwischen dem Kloster und der Stadt St. Gallen. Man kann sogar sagen, dass die Stadt St. Gallen in dieser Arbeit nahezu übergangen wird. Sie wird im ganzen Jus Statutarium nur viermal erwähnt: - im Zusammenhang mit der Herrschaft Buwil, an der die Stadt St. Gallen mitbeteiligt war5. - im Zusammenhang mit dem Hafen von Steinach und dem Warentransport von dort nach der Stadt6• - im Zusammenhang mit Strassenunterhaltspflichten der Stadt auf Klostergebiet7• - im Zusammenhang mit drei Entscheiden der Eidgenossen, welche die Stadt ver- pflichteten, dem Kloster für allg. Landes- und Kriegsaufgaben Abgaben zu erbrin- gen8• Von allen übrigen Beziehungen zwischen der Stadt St. Gallen und dem Kloster fmdet sich in dieser Statutarrechtsammlung nichts. Darin zeigt sich die Normalisierung in der Beziehung untereinander. Die beiden Staatswesen, die sich seit der Reformation während Jahrhunderten bekämpft und gegenseitig Nachteile zugefügt hatten, fanden im 17. und 18. Jahrhundert zurück zu normalen Beziehungen. Stadt und Abtei verkehrten wieder miteinander, wie es zwischen zwei souveränen Staaten üblich ist. Ausdruck des fast freundschaftlichen Verhältnisses waren die Beteiligung der Stadt am Strassenbauprogramm der Abtei und die gemeinsame Bekämpfung der Hungersnot von 17709•

1 Jus Statutarium S. 13-15. 2 Jus Statutarium S. 13; neuere Forschungen haben keine Belege dafür gefunden, dass die Alte Landschaft tat- sächlich ein Geschenk König Sigisberts war: vgl. Müller, Landsatzung und Landrnandat S. 160; Cavelti, Entwiclc1ung der Landeshoheit, bes. S. 7-34; Ganahl, Studien zur Verfassungsgeschichte der Klosterherrschaft St Gallen bes. die Abschnitte I. und TI, S. Hf. Vgl. Jus Statutarium S. 14f.: Aus Chronik des Jodokus Metzler sind L. 1 C. 31 und L. 2 C. 10 zitiert, das Original befindet sich im StiASG Bd. 182, eine Abschrift enthält StiBSG Codex 1408; aus dem ,,Martyro- logium S. Nolkeri" der Eintrag vom 16. Okt, siehe StiBSG Codex 456. 4 Jus Statutarium S. 130. S Vgl. z.B. Jus Statutarium S. 220. 6 Vgl. Jus Statutarium S. 317 bzw. 320. 7 Vgl. Jus Statutarium S. 535f. Vgl. Jus Statutarium S. 41 in fme sowie im Anhang von Bd. 1315b die sog. "Quaestio": Diese Entscheide ergingen 1480 (StiASG Bd. 1272 S. 91-95), 1499 (BA 3,1 S. 652) und 1650 in Rapperswil (StiASG Bd. 1260 S. 349) mit Verweis auf den Entscheid von 1480. Vgl. auch unten § 7 C) 1.4.3 S. 39. 9 Vgl. dazu Moser-Nef, Bd. TI S. 686 FN 68 unter Verweis auf Georg Leonhard Hartmann, Geschichte der Stadt St Gallen S. 464ff. und Schiess Tmugott, Geschichte der Stadt St Gallen S. 138ff. - 31 -

3.2 Das CICan Im ganzen Werk wird nie auf das Corpus luris Canonicis verwiesen, obschon die Normen des CICan in den Stiftslanden auch in weltlichen Rechtsverhältnissen galten; man denke nur an das Ehe- und Familienrecht. Das Kloster schuf nämlich bis zu seiner Auflösung kein eigenes, ausgebautes Zivilrecht'. Es wurde nur über einzelne Sachgebiete legiferien, wie z.B. das Erb- recht.

Dies fehlt sowohl in den Offnungen als auch in den Landsatzungen und Mandaten, da das Ehe- und Farni- lienrecht in die geistliche Offizialgerichtsbarkeit fiel; Müller, Offnungen S. 136 FN 455. - 32-

§ 7 Staatsrecht A) Einführung Im folgenden wird die Rechtsstellung des Klosters St. Gallen in ihren Grundzügen darge- stellt. Da das Kloster Zeit seiner Herrschaft keine Verfassungsurkunde kannte, kann man diese Ausführungen heute als einen Versuch bezeichnen, die Verfassung im materiellen Sinne darzu- stellen. Die "staatsrechtlichen" Ausführungen umfassen im Jus Statutarium den grössten Teil des ersten Buches!. Die Regalien des Abtes2, sowie die Wahl, die Pflichten und Eide der Beamten3, die im Jus Statutarium in anderem Zusammenhang behandelt werden, sind auch in diesen Abschnitt aufgenommen, da sie materiell zum Staatsrecht gehören. Das erste Buch wurde von Pater Bemhard in drei Teile gegliedert. Er beginnt mit juristischen Ausführungen über das gesamte äbtische Staatswesen. Es liegen weder ein Vorwort noch eine Einleitung vor, die einen Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des Buches geben könnten. Daran schliesst sich die schon erwähnte geographische Beschreibung und Gliederung des Staatswesens an. Den zweiten und dritten Teil des "Staatsrechts" bilden die beiden Kapitel über die Alte Land- schaft und den Thurgau. Diese beiden Abschnitte sind gleich aufgebaut. Sie beginnen mit einer geographischen und juristischen Beschreibung des ganzen, zu untersuchenden Teilgebietes (in genere); danach werden die einzelnen Orte behandelt (in specie). Die Darstellungen der ein- zelnen Orte beginnen mit einem Bericht, wie und wann das Kloster dort zu Grundeigentum ge- langte4. Dann wird von Bemhard Hannes in chronologischer Folge beschrieben, welche Rechte das Kloster im Laufe der Zeit erwarb, oder welche ihm verliehen wurden5. Zuletzt werden die seinerzeit, d.h. im 18. Jahrhundert, in diesem Gericht geltenden Rechtsverhältnisse dargelegt.

B) Die Darlegungen zum ganzen Staatsgebiet 1. Rechtsquellen und Rechtsanwendung 1.1 Rechtsquellen des Zivilrechts Es galt in allen Zivilrechtsfällen, wobei dieser Begriff nicht erläutert wird6, im Klostergebiet das "Juri Civili communi ex continua consuetudine et praxi", ausser es sei ein spezieller Erlass ergangen. Damit lässt sich die Auswahl der Titel aus dem CICiv erklären: Bernhard Hannes steUte alle jene Rechtsgebiete dar, die mit spezieUen Erlassen geregelt wurden, die anderen liess er aus, da dort ja das CICiv Rechtswirkungen entfaltet hatte. Er führt die folgenden "Fontes ju- ris nostri Specia/is et Statutarij" an, welche das Gemeine Recht derogieren: "Statuta particula- ria", Stadtsatzungen, Offnungen, Ordnungen, weiters "jura haereditaria", "auctionum", sowie "jurajeudorum, Tutelarum" und die Bestallungsurkunden der Beamten7•

1.2 Rechtsquellen des Strafrechts Hierzu steht lapidar, dass "in criminalibus autem recurrendum esse ad Carolinam"8. Ueber die Bedeutung und Geltung der CCC sind im ganzen Werk keine weiteren Ausführungen zu

! Die Seiten 1 - 283, von insgesamt 303 Seiten. 2 VgJ. dazu die Seiten S. 312ff. des Jus Statutarium. 3 VgJ. dazu die Seiten S. 757ff. des Jus Statutarium. 4 VgJ. z.B. die Beschreibungen zu Bemhardzell, Jus Statutarium S. 37f.; zu Zuzwil, Ziberwangen, S. 87; zu Salmsach, S. 250f. oder zu Kesswil, S. 253.5 5 VgJ. z.B. bei Rorschach, Jus Statutarium S. l06ff.; bei Goldach, S. 114ff.; bei Rickenbach, S. 226f. oder bei Romanshorn, S. 246ff. 6 Carlen, Rechtsgeschichte der Schweiz S. 34: Im MA unterschied man zwischen den bürgerlichen Klagen, die Schuld, Gut sowie Eigen und Erbe betrafen und den peinlichen Klagen. 7 Jus Statutarium S. H. g Jus Statutarium S. 1. -33- finden. Albert Meier belegt in seiner Arbeh1 die umfassende Anwendung der Constitutio im Gebiete des Stiftes, besonders in der Alten Landschaft. Eine offizielle Regelung des Verhältnis- ses zwischen CCC und einheimischem Recht findet sich nicht2• Aber die Vögte wurden seit 1598 regelmässig auf die EinhaItung der CCC vereidigt, und sie wurde ihnen und den Richtern gedruckt abgegeben. Die Durchführung der Strafuntersuchung erfolgte gemäss den Normen der CCC3. Meier bezeichnet die Anwendung durch das Kloster St. Gallen als systematisch und von oben gefördert: ,,Man behandelte die PGO wie ein modernes Strafprozess- und Strafgesetzbuch; die Beamten waren darauf eingeschworen"4. Doch damit ist das Strafrecht nicht abschliessend behandelt. Im Gegenteil, wir finden im Jus Statutarium noch sehr viel Strafrecht, sei es in den Offnungen, der Landsatzung oder in den Sammel- und Einzelmandaten.

1.3 Die Rechtsanwendung Der erste Satz des Jus Statutarium lautet: "Scripturo de hoc jus, ab iis, quae juris publici sunt, abstrahere nec licet, nec expedit "5. Auf Seite 2 heisst es, dass die zur Entscheidung anste- henden Fälle anhand der angeführten Rechtsquellen zu entscheiden seien, "si casus in iis conti- neatur"6. Diese beiden Aussagen sind eine eindeutige Absage an die Auslegung. In der Arbeit selber relativiert sich dies, da sich doch Beispiele finden 7, in denen Auslegung erfolgt. Es kann wohl noch nicht von einer wissenschaftlichen Methodenlehre gesprochen werden, aber die Probleme sind erkannt In diesem Zusammenhang seien auch die sog. Erläuterungserlasse erwähnt. Da es vorkam, dass Erlasse nicht eindeutig waren oder sich verschiedene Praxen entwickelten, musste dafür eine Lösung gesucht werden. Dies geschah auf eine pragmatische Art und Weise, indem der Gesetzgeber durch Erläuterungserlasse die unklaren Stellen seiner Erlasse präzisierte und eine einheitlichere Anwendung anstrebte8•

2. De Jure Personarum Unter diesem Titel beschreibt Pater Bernhard die Rechtsstellung der Unfreien, die er mit "Servi" tituliert. Er unterscheidet anfanglich zwischen "Servi", die in der Gewalt einzelner Her- ren stehen, und "Servi" des Klosters. Er stellt fest, dass "de/acto" die Macht über die Unfreien in der Gewalt der Herren an das Kloster überging und somit die Rechtsstellung der "Servi" für den ganzen Staat einheitlich zu behandeln wäre. Ebenso seien auch die Eigenleute des Klosters solcherart einzubeziehen. Obwohl also die Rechtsstellung der Untertanen hier behandelt werden müsste, werde er dies in anderen Abschnitten tun, wo die Untertanen besonders erwähnt wür- den9.

1 Albert Meier, Gerichtsordnung S. 123ff., bes. S. 133-141. 2 Meier, aaO. S. 135; Müller, Landsatzung und Landmandat S. 260 FN 83 schreibt, dass das Hochgericht nach der Carolina geregelt gewesen sei, und daher Ls und Lm wenig SlIafrecht enthielten. 3 Meier, aaO. S. l4Of.: So laute eine Instruktion rar das Justizwesen in der Alten Landschaft, der Richter solle die PGO "bey lhme in dem gricht auf dem TisCh ligen haben, sich selbst auch die richter, gricht-schreiber undt Partbeyen darinnen zu ersechen, zu underrlchten undt zu Erinnern damit derselben in allweg gemess procedirt, und follfabren werde." unter Verweis auf StiASG Rubr. 42 Fasz. 17. 4 Meier, aaO. S. 145. 5 Jus Statutarium S. 1. 6 Jus Statutarium S. 2. 7 Vgl. z.B. Jus Statutarium S. 147 Z. 5; S. 587 letzter Absatz; S. 788 letzter Absatz und im Traktat von Pater Iso über das Erbrecht, S. 861 Z. 3f. bzw. S. 862 Z. 13. 8 Vgl. z.B. im Erbrecht zu den A 19 und 24; Jus Statutarium S. 872. 9 Vgl. Jus Statutarium S. 3. -34-

Diese Aussagen zeigen deutlich auf. dass für ihn alle Untertanen im ganzen Staatswesen eine gleichartige Stellung hatten1_ Dies. sowie die Verwendung des Wortes .. Servus"2 für alle Un- tertanen belegen anschaulich. dass Pater Bernhard von einer einheitlichen Volksklasse ausgeht und nur mehr die territorialen Abgrenzungen entscheidend sind. nicht mehr die früheren ver- schiedenartigen Rechtsstellungen aufgrund persönlicher Zughörigkeiten3_ In diesem Titel wird erneut sichtbar. dass Pater Bernhard Hannes die Einteilung aus den In- stitutionen-Kommentaren übernahm4• Diese teilen die Institutionen in die drei Abschnitte .. de lure Personarum, de lure Rerum und de lure Actionum". Im Entwurf zeigt sich diese Anlehnung noch deutlicher. denn dort ist die ganze Arbeit in drei Teile mit diesen Titeln geliedertS• Auch die Behandlung der Ehe und VormundschafF im Abschnitt über .. De lure Per- sonarum ". wie das die Kommentare auch machten. spricht grundsätzlich für die Uebernahme der Gliederung.

C) Die Darstellung der Alten Landschaft 1. Die Rechtsstellung des Abtes und der Untertanen 1.1 Welche Rechte stehen dem Abt zu Pater Bernhard beginnt seine Ausführungen über die Alte Landschaft wie folgt: .. Omnis in MC (= Alte Landschaft; der Verfasser) potestas. atque omnigenum imperium, tarn bassum. Seu mix- tum. quam altum. ac supremum, et quidem plenissimo jure competit Abbatibus ac principibus S. Galli, omniaque jura, quae duplici huic Imperio annexa sunt"7. Die oberste Staatsgewalt stand aber Abt und Konvent gemeinsam zu. d.h. beide miteinander vertraten den Klosterstaat. Verträge wurden daher immer von Abt und Konvent abgeschlossen. was sich in den entsprechenden Vertragsformeln zeigt8. Den Erwerb der einzelnen Teile dieses .. omnigenum imperium" teilt Pater Bernhard in zwei Schritte auf. Zuerst habe das Kloster nur das .. imperium Bassum seu mixtum " besessen. dafür schon seit den Zeiten von Gallus. Mit der Schenkung des Klosterkerngebietes durch König Sigbert. habe die Abtei .. die Aigenschaft, und Niedern Gricht vom Alpstein bis an die Marken der Wildnuss" erworben9• Als Belege für diese Aussagen führt er die Chronik des Jodokus Metzler und das Martyrologium S. Notkeri aniO• Die .. potestas Suprema ac imperium merum"ll stand den Aebten nicht von Anfang an zu. Zu Beginn der Klosterherrschaft hätten nämlich Reichsvögte das .. imperium merum" ausgeübt. Im Laufe der Zeit habe aber die Abtei auch diese Rechte erwerben könnenl2; daher stehe im 18. Jahrhundert dem Abt das .. imperium merum ... in universo veteri Territorio" zu. und zwar auf-

1 Jus Statutarium S. 3: ..... agendum erit de inlegro TerrilOrio nostro...... 2 Das Wort ,Servus' wurde im Latein seit dem Mittelalter für alle Personen gebraucht, die in irgendeinem Abhllngigkeitsverhllltnis standen; vgl. dazu Müller, Freie und Leibeigene SI. Galler GOltesbausleute, S. S. 3 Vgl. auch Cavelti. Entwicklung der Landeshoheit S. 8lf. 4 Vgl. vorne § 61. Das Inhaltsverzeichnis S. 27. S Vgl. die Beiblätter mit dem Inhaltsverzeichnis aus Codex 1957 in der StiBSG. 6 Vgl. Jus Statutarium S. 284- 303. 7 Jus Statutarium S. 13. 8 Jus Statutarium S. 513 Z. 12; Meier, Pankraz Vorster S. 45: z.B. Raub- und Wechsel Vertrag von 1560. Edition. S. 314. 9 Jus Statutarium S. 14; vgl. § 62. Geographische Bemerkungen S. 29f. 10 Jus Statutarium S. 14; aus der Chronik L. 1 C. 31 und L. 2 C. 10; aus dem Martyrologium die Eintragung vom 16. Oktober; vgl. vorne S. 30 FN 3. 11 Jus Statutarium S. 15. 12 Vgl. die Arbeiten von Cavelti. Entwicklung der Landeshoheit, und von GanahI, Studien zur Verfassungs- geschichte der Klosterherrschaft St Gallen, die diese Feststellungen mit Quellenuntersuchungen belegen. Cavelti beschreibt den Erwerb der Reichsvogtei auf den S. 63ff•• bes. S. 71f.: Die Voraussetzung far den Erwerb war das Privileg von Kaiser Wenzel von 1379. das dem Kloster die Einlösung der ReiChsvogteien gestattete. - 35- grund kaiserlicher Privilegien, die den Aebten das "jus gladium" in der Art eines Lehens zu·ge- sprochen hättenl .

1.2 Umfang dieser Rechte 1.2.1 Im Grundsatz2 Aufgrund der dem Abt zustehenden umfassenden Herrschaftsgewalt - so darf die Wendung "omnis ... potestas atque omnigenum imperium"3 sicher übersetzt werden - könne er die "po- testatem Legislativam, judiciariam et coercitivam, Bott und Verbott, Gricht, Zwing, und Bänn" ausüben. Diese Dreiteilung der Staatsgewalt in den lateinischen Begriffen erinnert an Montes- quieu. Man darf annehmen, dass Pater Bernhard Hannes die Ideen Montesquieus gekannt hat, denn in der Stiftsbibliotbek ist der Ankauf seines Buches "Der Geist der Gesetze" verzeichnet, so dass die darin erläuterte Gewaltenteilungslehre im Kloster St. Gallen bekannt gewesen sein könnte4. Die deutsche Uebersetzung dagegen verwendet Begriffe, die seit frühestem Mittelalter bekannt sind und keine besondere Bedeutung habenS. Ferner übte der Abt die Herrschaft über Sachen und Untertanen in Kriegs- und Friedenszeiten aus, daneben standen ihm die Regalien zu. Für die Untertanen bedeutete dies, den Untenaneneid (homagium seu juramentumfidelitatis) leisten zu müssen, gegenüber ihrem Fürsten gehorsam zu sein und die vorgeschriebenen Ab- gaben abzuliefern. So seien die Gotteshausleute auch gehalten, den Fürsten als ihren Herrn an- zuerkennen, gleich wie er die Leibeigenschaft über sie ausübe6• Durch Abgaben, nämlich "Vectigal" und "Steura", hätten sie Aufgaben im öffentlichen Interesse zu unterstützen und auch an Kriegskosten ihre Beiträge zu leisten.

1.2.2 Die "Potestas legislativa" Sie umfasste das Recht des Abtes, Mandate und Gesetze zu erlassen, und zwar allgemeine und besondere, die von den Untertanen nach jeder Abtwahl zu beschwören waren. Die Un- terscheidung zwischen Leges universales und Leges speciales ist in zweifacher Hinsicht mög- lich: Zum einen in Bezug auf den territorialen Geltungsbereich, zum anderen in Bezug auf die geregelten Materien. Das Landmandat galt für die ganze Alte Landschaft, andere Erlasse dage- gen z.B. nur für die Stadt Wil. Landsatzung und Landmandat normierten als Leges generales verschiedene Rechtsgebiete, die Bettelmandate oder das Erbrecht dagegen nur ein einziges. Der Rechtsetzungshoheit des Abtes stand die Pflicht der Untertanen gegenüber, den Huldi- gungseid zu erbringen. Alle Männer, auch die "Dienstknecht", über 14 Jahren waren gemäss Art. 14 der Landsatzung von 1525 dazu angehalten7•

1.2.3 Die ,'potestas Judiciaria" Hier werden Regeln zum Rechtsgang in der Alten Landschaft angefüiut8. So war es dem Abt und dessen Beamten durch die Schiedssprüche von 1525 verboten, einen Untertanen, der in einem Zivilverfahren seine Ansprüche durchsetzen wollte, durch Zwangsmassnahmen zum Stillhalten zu zwingen, sondern der Abt musste wie "des gotzhus bruch, recht und harkomen

1 Jus Statutarium S. 15f. 2 Vgl. dazu § 10 im Jus Statutarium S. 16f. 3 Jus Statutarium S. 13; vielleicht sogar mit ,absoluter Herrschaftsgewalt' • angesichts der Abfassung des Wer- kes im 18. Jahrhundert. 4 Vgl. P. Nepomuk Hauntingers "Verzeichnis der Neuzugänge vom 23. Oktober 1780 bis Ende März 1792", S. 94; StiBSG Codex 1285. Vg1. Gasser, Entstehung und Ausbildung der Landeshoheit S. 86ff. 6 Jus Statutarium S. 16f. 7 Vgl. zum Ganzen Jus Statutarium S. 17f.; Edition, S. 22 mit Hinweis auf Lm 1543 A 13, Edition, S. 79; Die Eidpflicht wurde später im Lm statuiert, vgl. dazu Müller, Landsatzung und Landmandat S. 203 bzw. 251f. 8 Jus Statutarium S. 18f.; weiteres siehe hinten in § 10 E) Der Rechtsgang, S. 116ff. -36- bishar gewesen ist" ein Gerichtsverfahren zulassenl _ Des weiteren veIpflichtete Art_ 1 dieser Entscheide den Abt, dem Beschuldigten gewisse Verteidigungsmöglichkeiten einzuräumen; nur bei Malefiztaten durfte die Abtei mit der vollen Strenge der Strafgewalt eingreifen2_ Durch den Abschied zu Baden von 1528 wurde bestätigt, dass dem Uebeltäter der Prozess nach altem Herkommen zu machen war, er also einen gewissen Rechtsschutz beanspruchen konnte3_ Die örtlichen Offnungen enthielten die gleichen Regelungen, die im Spruch zu Rapperswil und im Abschied zu Baden festgehalten wurden. So durften Uebeltäter nicht aus dem Ort der Tat weggebracht werden, ausser der Abt trug dies seinen Beamten auf, wobei die Dorfbe- wohner dann helfen mussten. Die alleinige Zuständigkeit der stiftsanktgaIlischen Gerichte als Ausdruck der Hoheit über die Untertanen wurde von Pater Bernhard Hannes stark betont. Das von Abt Ulrich Rösch 1483 erlassene Verbot, sich keinen fremden Gerichten zu unterwerfen, wird wiederholt angeführt4. Später wurde dieses Verbot in Art. I der Landsatzung übernommen5: Klosterleute durften weder sich noch ihre Güter fremden Gerichten unterstellen oder ihre Güter in fremden Gerichten verschreiben lassen, noch sich überhaupt an fremde Gerichte wenden. Der Abt konnte eine Ausnahmebewilligung erteilen, vor ein fremdes Gericht gehen zu dürfen, aber dies musste ohne nachteilige Folgen für das Kloster sein6. Speziell erwähnt wird aus dem Entscheid von 1483, dass sich niemand wegen "Raiskosten" fremden Gerichten unterstellen könne - dieser Streit wegen der Bezahlung der Kriegskosten sei noch an besonderer Stelle (in separatis manuscriptis) abgehandelt?

1.2.4 Die "Potestas Coercitiva" Die Zwangsgewalt umfasst bei Pater Hannes nur die Bussenerhebung. Bussen fielen idR dem Abt zu, ausser es war durch Vereinbarung etwas anderes abgemacht, dass z.B. dem Schirmhauptmann in Wil die Hälfte bestimmter Bussen zufiele. Weitere Details würden im Zu- sammenhang mit den einzelnen Orten behandelt.

1.3 Die Herrschaftsrechte über die Untertanen8 1.3.1 Geschichtlicher Abriss Die Einwohner der Alten Landschaft wurden noch im 18. Jahrhundert Gotteshausleute ge- nannt. Diese Bezeichnung entstand aufgrund des Umstandes, dass die Bewohner der Gebiete, die das Kloster geschenkt erhielt, dessen Eigenleute wurden. In einem kurzen historischen Exkurs stellt Pater Bernhard unter Hinweis auf Tacitus fest, dass anfänglich kein grosser Un- terschied zwischen der germanischen Leibeigenschaft und der TÖrn. Sklaverei bestanden habe. So hätten die germanischen Leibeigenen Reallasten, wie "mortuaria, pecorum, vestium, galli- narum steurarum etiam personalium ", aber auch Personallasten, wie "operis diurnis, Tagwen .. , erbringen müssen, die im Laufe der Zeit allmählich gemildert worden seien.

1 Edition, S. 163, A 1. 2 Jus Statutarium S. 19: Edition, S. 164; es ist aber A 1 und nicht A 3, wie Pater Bemhard schreibt. Jus Statutarium S. 19; vgl. Edition, S. 251. 4 Jus Statutarium S. 19, 570 u. 808ff.; nach Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 36 zeigt sich in der EntwiCklung der Niedergerichte der Uebergang von der personalen zur territorialen Zustllndigkeit. 5 Jus Statutarium S. 27 bzw. 33; Der von Pater Bemhard Hannes hier angeführte Text entspricht wohl dem Sinn nach, nicht aber dem wörtlichen Inhalt, der edierten Ls-Fassungen. Es scheint der Entscheid von 1483 in zwei Ls-Artikel aufgeteilt worden zu sein; vgl. Edition, S. 10 (Entscheid 1483) mit Edition S. 19 (Ls 1525) bzw. S. 37 (Ls 1594-1630). 6 Jus Statutarium S. 808-810: Die Offnungen beharrten z.T. noch strenger auf der alleinigen Zuständigkeit, in Zuckenriedt genügte schon das Ueberbringen einer Gerichtsurkunde, um bestraft zu werden; Müller, Offnungen S. 78f. 7 Jus Statutarium S. 36; vgl. Edition, S. lOff., bes. S. 11 A 1 in fine. Dies könnte die Quaestio über die Steuerpflicht der Klostergüter sein, vgl. unten 1.4.3 S. 39. Jus Statutarium S. 2lff., § 13. ·37·

Um seinen Untertanen die Beschwörung des Burg- und Landrechtes mit den Eidgenossen beliebt zu machen, erliess Abt Caspar 1451 allen Bewohnern zwischen Bodensee und Zürichsee "den Gewandfall, Läss, Erb und Erbschaft" und gab ihnen die Möglichkeit, frei zu testieren, aber Fasnachtshenne und Fall wurden beibehalten I. Die damit eingeleitete Tendenz, den Got- teshausleuten Zeichen der Leibeigenschaft zu erlassen, wurde 1459 von Ulrich Rösch fortge- führt, indem er ihnen die Freizügigkeit bestätigte, die Befreiung von Gewandfall und Lass, so- wie einen Verzicht auf die Erhebung neuer Steuern versprach. Die mit dem Gnadenbrief von 1459 gewährten Rechte gingen über die 1451 zedierten Privilegien hinaus und wurden gewährt, um die Untertanen für die Huldigung an den neuen Pfleger zu gewinnen2• Rechtsgrund für die Erbringung der Fasnachsthenne war Art. 10 der Landsatzung3, fur die Leistung des Falls das Privileg von 1451 4, das bestimmte, dass das beste Stück Vieh zu geben sei. Durch den Schiedsspruch zu Rapperswil vom 1525 wurde das früher Entschiedene be- stätigt und neu festlegt, "dass wenn sich einer verpfründen lasst", er zuerst den Fall sicherzu- stellen hatte, was 1562 auch flirWil festgelegt wurde5.

1.3.2 Die Situation bei der Abfassung des Jus Statutarium Die Untertanen waren "defacto quod statum vere esse liberos" und in keiner Art und Weise einer Leibeigenschaft und Sklaverei unterworfen6• Bernhard Hannes fUhrt Beispiele an wie das "jus emigrationis", das Recht, frei heiraten zu können uäm., um dann zum angeblichen Schluss zu kommen, "quae omnia indicant eos absolute esse liberos", weil die verschiedenen Mandate mehr aus Gründen des öffentlichen Interesses (utilitatem publicam) errichtet worden wären, denn als Zeichen für die Untertänigkeit. Aber Pater Bernhard lässt keinen Zweifel daran aufkommen, wie das tatsächlich zu verstehen sei: Die Leute seien dem Kloster dennoch eigen (pro proprij atque servi), aber in einer massvol- len Weise7. So hätten sie das Recht der freien Auswanderung, aber sie dürften sich dabei kei- nem fremden neuen Herrn unterwerfen, um sich der Herrschaft des Abtes zu entledigen, denn sie blieben auch in der Fremde Eigenleute des Klosters (Monrio proprij manent)8. Sie seien auch verpflichtet, Fall und Fasnachtshenne abzuliefern; dies sogar, wenn sie sich in der Fremde aufhielten9• Da Untertanen somit mehreren Herren pflichtig werden konnten, musste eine doppelte Un- tertänigkeit ausgeschlossen werden, um eine zu starke Belastung der Untertanen zu vermeiden. Dies geschah in der Weise, dass sie sich, bevor sie auswandern durften, von ihren Pflichten gegenüber der Abtei loskaufen mussten, was in den sog. Auswanderungsbriefen bestätigt wur- de lo.

I Jus Stalutarium S. 22; bezüglich der Testierfreiheil vgl. hinten § 10 H) Das Erbrecht S. 128ff.; Original siehe UBSG VI, S. 31Of. 2 Edition, S. 263; Abt Ulrich VIII. stellte fUr die einzelnen Orte gesonderte Urkunden aus, vgl. z.B. Rq I, S. 270ff. fUr Straubenzell oder Rq I, S. 199ff. für TablaL Für die ganze Problematik vgl. Müller, Abgaben von Todes wegen, bes. S. 27ff. 3 Edition, S. 22 bzw. 38; stimmt überein mit den Versionen der Ls von 1525 wie auch der von 1594-1630. 4 Jus Stalutarium S. 22f.; Edition, S. 259f.; Der Entscheid vom 7. Mai 1490 regelte noch einen Sonderfall, vgl. Edition, S. 272 A 5. Er schloss den sog. Klosterbruch ab: Die Schinnorte beslllligten die alten Rechte; MOller, Abgaben von Todes wegen S. 36 FN 118. 5 Jus Statutarium S. 23f.; Edition, S. 164ff. A 2 für das Oberamt bzw. S. 230 A 3 für das Umeramt; vgl. auch § 8 über Wil S. 75ff. 6 Jus Statutarium S. 24. 7 Jus Statutarium S. 25; so seien in einigen Orten noch Tagwen (Jus Statutarium S. 29), also Tagesfronen, zu erbringen, in anderen seien sie aufgehoben. 8 Jus Statutarium S. 26. 9 Vgl. Müller, Landsatzung und Landmandat S. 249f. und Ls A 10 (in allen Fassungen). 10 Jus Statutarium S. 26; gemllss Spruch zu Rapperswil von 1559, vgl. Edition, S. 292ff. u. Rq I, S. 49ff. -38-

Die Eidgenossen auferlegten den Gotteshausleuten nach dem Klosterbruch von 14901 eine strenge Huldigungspflicht2 und auch ein Verbot, fremde Burg- und Landrechte ohne Erlaubnis des Abtes einzugehen.

1.3.3 In Kriegen und Kriegszeiten Aufgrund der Untertänigkeit und Leibeigenschaft (subjectione et proprietate) der Gottes- hausleute und der Rechtsgrundsätze der Völker hatte der Abt das "Jus mi/itis cogendi oder Mannscha[tsrechl", d.h. er durfte Soldaten ausheben, und diese hatten die Pflicht, auch in Frie- denszeiten an militärischen Uebungen teilzunehmen. Dazu gehörte auch die Pflicht, zu den Waffen, die jeder zu Hause hatte, Sorge zu tragen. Dies war in Art. 13 der Landsatzung von 15253 festgelegt. Es bestand auch ein Reislaufverbot4; aber nicht in Art. 5 der Landsatzung, wie Bemhard Hannes schreibt, sondern in Art. 6 der Fassungen von 1525 bzw. 1594-163()5. Der Spruch der Eidgenossen von 1490, der diesen Artikel der Landsatzung bestätigte, forderte zusätzlich noch das Einverständnis der 4 Kantone, wenn einer in fremde Dienste ziehen wollte6.

1.4 Die Herrschaftsrechte über die Sachen7 1.4.1 Der Abzug Neben den bisher erwähnten Abgaben Fall und Fasnachtshühner wurden in einigen wenigen Orten noch die gleichartigen" Vogtsteüren" oder" Vogthühner" geschuldet. Zusätzlich zu diesen Abgaben waren noch objektbezogene Abgaben zu entrichten für Gemeindeaufgaben, den Strassenunterhalt und die wichtigste Abgabe, der Abzug (Detractum), der von jenen zu erbrin- gen war, die mit der Absicht auswanderten, sich einem neuen fremden Herrn zu unterwerfen. Wenn man dagegen auswanderte, ohne sich einem neuen Herrn zu unterwerfen, war durch Einzugsordnungen (conventio specialis) oft das Recht der freien Auswanderung für viele Ge- richte gestattet worden. Wer auswanderte und sich einem neuen Herrn unterwarf, musste sich loskaufen, und zwar mit einem Abzug im Verhältnis zur Grösse seiner Güter und mit einem Betrag für den Fall, damit er von der Leibeigenschaft befreit war. Diese beiden Abgaben waren oft vermischt worden, obwohl sie etwas völlig anderes waren. Die Höhe dieses Abzuges richtete sich nach der Gemeinde, in die man zu ziehen gedachte. Die Heimatgemeinde forderte gewöhnlich vom Auswanderer soviel, wie die aufnehmende Gemeinde von ihren Auswandern forderte.

1.4.2 "Steuras seu collectas" Art. 2 des Spruchs zu Rapperswil von 1525 verbot dem Abt, neue Abgaben ohne das Einverständnis der 4 Schirmorte zu erheben8. Die Steuerpflicht in Kriegszeiten wurde durch den Entscheid der 8 Kantone von 1461 geregelt. Dieser Entscheid erging im Anschluss an den Feldzug gegen Oesterreich, bei dem die Eidgenossen den Thurgau eroberten. Dadurch wurden

1 Jus Statutarium S. 28; vgl. Edition, S. 269ff, bes. S. 274. 2 Jus Statutarium S. 18; vgl. zur Geschichte derselben Müller, Offnungen S. 63f. und Müller, Landsatzung und Landmandat S. 251. Für die Eidformeln vgl. Edition S. 147-150 3 Jus Statutarium S. 30; es wird die zusätzliche Pflicht erwähnt, an bestimmten hohen Festtagen zum Kir- chenbesuch das Schwert zu tragen. A 28 Lm 1761 Edition, S. 124; vgl. auch Müller, Landsatzung und Landmandat S. 252f., es heisst aber dort das Gewehr, nicht das Schwert. 4 Jus Statutarium S. 30 bzw. 36. 5 Edition, S. 21 (Ls 1525) bzw. 37 (Ls 1594-1630). 6 In der Landsatzung von 1498, Edition S. 14, Art. 9 fmdet sich diese Vorschrift der Eidgenossen in den Erlass eingefügt. Den Entscheid der Eidgenossen siehe Edition, S. 273f. A 9. 7 Jus Statutarium S. 31ff., § 14. 8 Jus Statutarium S. 34; vgl. Edition, S. 163 A 1 in fine; es ist nicht A 2, wie Pater Bemhard schrieb. ·39·

die Gemeinden, die nichts beitragen wollten, verpflichtet, ebenfalls einen Teil der Feldwgs· kosten zu übernehmenl .

1.4.3 Die Steuerpflicht der Eigengüter des Klosters Die Frage, ob dem Kloster gehörende Güter auch mit allgemeinen Steuern der Gemeinde, in welcher sie lagen, belastet werden könnten, war bis ins 18. Jahrhundert hinein ein Streitpunkt zwischen den Untertanen und dem Stift2• Dies, obwohl die Schirmorte schon im 16. Jahr- hundert in Schiedssprüchen, und zwar 15233 gegen Straubenzell und Gaiserwald sowie 15254 in Rapperswil gegen das ganze Oberamt, entschieden: Alle Güter, die das Kloster nach Beginn der Herrschaft von Abt Franz von Gaisberg erwarb, waren zur Deckung der den Gemeinden auferlegten "reiskosten, stür oder brüch", wenn sie mit den Eidgenossen zu Felde gezogen waren, heranzuziehen; von allen anderen Gemeindesteuern waren sie befreit. Damit war der Disput noch nicht vorbei, denn obwohl Abt Gallus 167()5 entschied, dass den nach dem Beginn der Herrschaft von Franz erworbenen Gütern in der Alten Landschaft grund- sätzlich Gemeindesteuern auferlegt werden könnten, waren die Untertanen noch nicht zufrieden und versuchten weiter, die Klostergüter auch für Gemeindeaufgaben belasten zu können. Nur in WH konnte dieses Problem 1654 einvernehmlich gelöst werden: Alle Güter, die durch Erb- schaft oder Kauf seit der Regierungszeit Abt Franz' ins Eigentum des Klosters gekommen wa- ren, unterlagen wohl den Kriegsabgaben, nicht aber den ordentlichen Jahressteuern6• Die Rechtslage in diesem Streitfall untersuchte Pater Bernhard in einer zwölfseitigen Studie ganz am Schluss seiner Arbeit7• Zuerst stellte er die Begründung des Begehrens der Untertanen dar, um sie dann mit einer recht ausführlichen Darstellung seinerseits zu widerlegen. Die Entscheide der Eidgenossen seien klar und hätten die Klostergüter explizit von allen Gemein- desteuern, ausser eben den Kriegsabgaben, ausgenommen. Im Gegensatz zur Stadt St. Gallen sei das Stift von den Eidgenossen auch nie dazu angehalten worden, den Gemeinden irgend- welche Beiträge neben Kriegskontributionen zu erbringen. Die Beiträge, welche die Abtei den Gemeinden zukommen liess, seien immer freiwillig gewesen; die Gemeinden könnten daraus keinen Rechtsanspruch ableiten. Gestützt auf diese Argumentation kam er zum Schluss, dass die Position des Stiftes die rechtlich solidere sei. Sofern man sich aber nicht einigen könne, hätte er einen Vergleichsvor- schlag zu machen: Die Klostergüter könnten für gewisse Gemeindeaufgaben herangezogen werden, sofern den Lehensbauern bestimmte Gemeindegüter wie Weiden und Wälder, die ih- nen bisher verschlossen gewesen waren, zugänglich gemacht würden. Er schloss aber seine Ausführungen mit der Behauptung, die Position des Stiftes sei selbstverständlich die stärkere, um dennoch im letzen Satz zu schreiben: "Submitto tarnen meumjudicium aliorum melius sen- tentium judicio "8.

1 Jus Statutarium S. 35; vgl. UBSG VI Nr. 6491 (Reg.). 2 Jus Statutarium S. 34. 3 Rq I, S. 276. 4 Jus Statutarium S. 36; Edition. S. 171·173 A 5. 5 Jus Statutarium S. 34; dieser Entscheid war nicht aufzufinden. 6 Jus Statutarium S. 78; Vertrag von 1654 siehe StiASG Bd. 5 S. 121. 7 Die letzten 12 Seiten am Schluss des zweiten Bandes. Er schrieb, er habe diese Untersuchung 1781 anband von Manuskripten aus dem KIosternrchiv gemachl Letzter Satz von Codex 1315b. - 40-

2. Die Beschreibung der Alten Landschaft im Besonderen 2.1 Allgemeine Ausführungen Pater Bernhard Hannes behandelt in diesem Abschnitt alle Orte der Alten Landschaft, die in Aemter eingeteilt warenl . Die Ausführungen beginnen mit dem Landeshofmeisteramt, fahren fort mit dem Wileramt, um mit dem Rorschacher- und Oberbergeramt zu schliessen. Er übergeht die im Thurgau liegenden Orte, die in den erwähnten Aemtern eingegliedert sind. Dazu bemerkt Pater Bemhard, dass er auf diese Orte im Zusammenhang mit den Erläuterungen zu der Situation der äbtischen Besitzungen im Thurgau zurückkommen werde2• Der Aufbau der Abschnitte über die einzelnen Orte ist gleichartig, von Wil und Rorschach abgesehen. Es wird zum einen der Erwerb des betreffenden Ortes dargestellt; zum zweiten schildert Pater Bernhard die noch geltenden Rechtsverhältnisse, wobei er sich oft wiederholt. Die Ausführungen über den Eid, die Steuerpflicht und Leibeigenschaft der Untertanen und alles andere, was er auf den Seiten 13-36 für die Alte Landschaft grundSätzlich gesagt hat, beschreibt er erneut bei den Orten.

2.2 Die einzelnen Aemter 2.2.1 Das Landeshofmeisteramt Die Ausführungen3 beginnen mit der Darstellung der Hauptmannschaften des Hofgerichtes, danach folgen die beiden Gerichte Tablat und Muolen.

2.2.1.1 Das Hofgericht Das Hofgericht, das ursprünglich dem engeren Irnmunitätsbereich des Klosters entsprach, musste von der Natur der Sache her einer Offnung entbehren, da es kein eigenes Niedergericht hatte. Es war besonders eng ans Klosters gebunden, und die Vorsteher der 7 Ortsgemeinden waren keine Ammänner, sondern vom Kloster eingesetzte Hauptleute4• Bemhardzell wurde im Jahre 1441 durch einen EntscheidS von Nikolaus Marschalk end- gültig dem Kloster zuerkannt. Während der Regierungszeit von Abt Eglolf Blarer brach 1435 ein Streit über die Bezahlung der Vogtsteuer aus. Erst Ulrich Rösch konnte diesen Handel 1460 durch einen zu Konstanz geschlossenen Vergleich beenden: darin wurden den Bernhardzellem gewisse Steuern erlassen, die Vogtsteuem aber blieben bestehen6• Für Straubenzell entschieden die Eidgenossen 15237, wenn ein Einwohner sich beschwert fühle, könne er dies mit Recht nach altem Herkommen dem Herrn vorbringen. Die in diesem EntscheidS für die Besteuerung der Eigengüter des Klosters getroffene Regelung stand zu der- jenigen von 1525 in einem gewissen Widerspruch, da die Steuerpflicht der Klostergüter weiter- gefasst war. Bernhard Hannes glaubte, dass sich auch im Entscheid von 1523 die Steuerpflicht nur auf Kriegskosten beziehe, und daher kein Widerspruch vorliege.

1 Vgl. Jus Statutarium S. 4-12 bzw. Anhang 2 S. 163f. 2 Jus Statutarium S. 50; vgl. unten § 7 D) Die Ausführungen zum Thurgau S. 46ff. 3 Jus Statutarium S. 37ff. 4 Müller, Offnungen S. 31 und 40 FN 91 und Müller, Landsatzung und Landmandat S. 160f.; seit dem 16. Jh. umfasste es Berg, Bemhardzell. Gaiserwald. Lömmenschwil, Rotmonten, Straubenzell und . 5 Jus Statutarium S. 37f.; Wartmann UBSG V Nr. 4319; Original Rq I, S. 30Hf. Die Eidgenossen besUitig- ten diesen Entscheid 1459, vgl. Rq I, S. 31Of. und Müller, Abgaben von Todes wegen, S. 34 FN 114. 6 Rq I, S. 312; bestätigt zu Rapperswil 1525, siehe Edition, S. 183 A 17; Es ist nicht A 12, wie Pater Han- nes schrieb. Gemäss Müller, Edition S. 181 FN 51, ist die Zählung der Artikelnummern ab A 13ff. falsch; vgl. auch Rq I, S. 320ff. 7 Jus Statutarium S. 40f.; vgl. Rq I, S. 273ff.; hier A 1 auf Seite 275. S Rq I, S. 276 A 3; vgl. auch vorne C) 1.4.3. S. 39. ·41·

In Rotmonten, wo das Kloster schon 1383 Rechtel hatte, kaufte es 1452 das Majorat, d.h. das Maieramt2• Ursprünglich entschied der Pförtner oder Portarius Zivil streitigkeiten, Kri- mimalsachen dagegen der Meier, der aber Fälle und Erbschaft einzufordern hatte3• Als Krimi- nalsachen galten alle Klagen, die Blut betrafen4. Als Besonderheit wird notiert, dass im Hofgericht Strafen nicht von einem Niedergericht, sondern von einem besonderen Strafgericht, dem "eigenen Bussengericht", das seinen Sitz im Kloster hatte, ausgefällt würden. Der Spruch zu Rapperswil von 1525 sanktionierte diese Aus- nahme5.

2.2.1.2 Tablat Das spätere Gericht Tablat gelangte durch ein Pfandrecht in das Klostereigentum6.1m Jahre 1469 trennte Abt Ulrich Rösch Tablat von Wittenbach ab und schuf dieses Gericht neu7• 1470 erging durch Schwyz ein Schiedsspruch, der den Abt als Vogt über das Gericht bestä- tigte und auch das Strafverfahren regelte8• 1m Jahre 1471 schuf Abt Ulrich VIII. die Dffnung9• In der OeconomialO wurden Belege dafür gefunden, dass den Hintersassen wegen der Kriegs- kosten von 1513 bzw. 1515 Steuern auferlegt worden waren.

2.2.1.3 Muolen Muolen kam vorn Reich mit dem "imperio mero dem hochgericht" dem Kloster zu; ihm ge- hörte auch der Keinhof mit dem" imperio mixto mit Gricht, Zwing, und Bänn, die ein herr auch besetzen kan "11. Bei der Errichtung der ersten Dffnung im Jahre 146712 traten die Herren von Hagenwil zu- gleich dem Kloster ihre Vogtrechte ab. Die darin auferlegten Steuerpflichten, Tagesfronen und Fasnachtshühner, wurden in Rapperswil 1525 bestätigt, aber auch die Möglichkeit des Frei- kaufs13 von den Tagesfronen und den Vogthühnern für 60 Gulden. 1543 schuf Abt Diethelm Blarer eine neue Dffnung, die nicht mehr zwischen Vogtei und Meieramt trennte, da die Abtei nun beides innehattel4. Im Gegensatz zu den anderen Gerichten im Hofgericht hatte das Stift in Muolen folgende Rechte: Ihm fielen die ganzen Bussgelder zu, da mit dem Erwerb der Vogtei auch das letzte, dem Vogt zufallende Drittel erworben wurdel5. Neben Fall und Fasnachtshenne hatten die Muolener auch Abgaben in Getreide, aber keine Tagesfronen mehr zu leistenl6.

Schiedspruch des Abtes vom 11. Juni 1383 in Rq I, S. 337; Dies waren sog. Rödel, vgl. Müller, Offnungen S.34. 2 Jus Statutarium S. 42; Rq I, S. 342. Gemäss Offnung von 1383; Müller, Abgaben von Todes wegen S. 15f. 4 Jus Statutarium S. 42; .... quae sanguinem concernunt." siehe Rq I, S. 338 und Müller, Offnungen S. 85. 5 Jus Statutarium S. 42; Edition, S. 186-189 A 18. 6 Jus Statutarium S. 44: ..... Pfandweiss." vgl. auch Rq I, S. 197ff.: Bemerkungen unter dem Titel .. Histori· sches". 7 Müller, Offnungen, S. 191 und Rq I, S. 199. 8 Rq I, S. 202ff.; Dieser Entscheid war die Basis fUr die Offnung von 1471 bez. der entschiedenen Fragen: Tavernen, Vogtei und Gefangensetzung Ungehorsamer; vgl. dazu Müller, Offnungen S. 121. 9 Rq I, S. 2\0. 10 Jus Statutarium S. 45: Die genaue Stelle in der Oeconomia ist P. 1 S. 93. 11 Jus Statutarium S. 47f. 12 Jus Statutarium S. 46f.; vgl. Rq I, S. 253ff.; diese Offnung wurde schon 1470 bezüglich des Ehrschatzes geändert, MUller, Offnungen S. 51. 13 Edition, S. 209 A 27 oder Rq I, S. 262ff. 14 Rq I, S. 263ff.; Begründung für diese Aenderung der Offnung wie auch derjenigen von Steinach und Zuzwil, vgl. Müller, Offnungen S. 51. 15 Ius Statutarium S. 48; Rq I, S. 264: ..... irer gnaden und dero gotzhus al/mn zugehörig, ... ". 16 Ius Statutarium S. 49f. -42-

2.2.2 Das Wileramt Die Beschreibung des Wileramtesl beginnt mit dem Hof Wil, der .Aula Wylensis", dem Sitz des Statthalters. Dort tagte das Hofgericht, das alle Berufungen aus dem Wileramt zu beurteilen hatte. Da von dort noch an das Hofgericht in St. Gallen appelliert werden konnte, hiessen die Orte des Wiler Gerichts auch Unteramt; jene, die direkt ans Hofgericht in St. Gallen weiterzie- hen mussten, wurden als Oberamt bezeichnet. Anschliessend beschrieb Pater Bernhard die Stadt Wil auf über 30 Seiten2, dann die weiteren Orte des Wileramtes in der gleichen Art wie die des Landeshofmeisteramtes.

2.2.2.1 Zuzwil, Ziberwangen und Weiern (Wigem) Obwohl Abt Gotthart Giel erst im Jahre 1495 die Niedergerichtsbarkeit in Zuzwil und Mangwil sowie "Steür und Nutzung" in Rickenbach und Schwarzenbach erwart>3, waren die Zuzwiler schon früher der Abtei unterworfen gewesen, denn 1484 verpflichteten sie die Schirmorte4 zur Erbringung des Falls. Im Jahre 1495 wurde die Offnung mit Zuzwil, Weiern und Ziberwangen eingeschlossen, erneuert, in der dem Abt "omnis jurisdictio Alta et Bassa" zuerkannt wurde, und ihm auch alle "Poenae et temeritates" zufielen5. Einige Güter in diesem Gericht hatten noch immer Tagesfronen zu erbringen, wie Heu ein- sammeln, Trauben lesen oder Mist transportieren. Ein Eigenmann des Klosters, der ein "Gottshauss Gutt" besitzt, musste das beste Stück Vieh dem Kloster und das Kleid, mit dem er in die Kirche ging, dem Ammann von Zuzwil geben, wenn er starb6. In Ziberwangen mussten die Gotteshausleute jährlich zwei Hühner abliefern, die Fasnachts- und die Vogthenne; wer kein Gotteshausmann war, musste nur die Vogthenne erbringen. Auch "Netrices" mussten ein Fasnachtshuhn erbringen. So lautete die Kauf- und Uebertra- gungsurkunde von 1490; darin wurden den Einwohnern auch Tagesfronen auferlegt7. Alle die- se Pflichten wurden 1525 in Rapperswil bestätigt8•

2.2.2.2 Zuckenriedt Als im Jahre 1543 Abt Diethelm Blarer "Gricht, Zwing und Bän" in Zuckenriedt, zu dem auch Oberheimen und Gabris gehörten, um 1000 Gulden erwarb, wurde gleichzeitig eine Off- nung verfasst, die dem Kloster Vogtei, Gerichtshoheit sowie" Gebott 'oder Buossen" zusprach. Als Besonderheit ist in dieser Offnung festgelegt, dass jeder, welcher an den Wiesen der Gemeinde teilhaben wolle, jährlich ein Vogthuhn erbringen müsse, das gut sei "ad dandum et fruendum"9. Der Verkäufer behielt sich und seinen Erben im Kaufvertrag vor, auf den Wiesen jährlich weiterhin 2-3 Maden Gras zu mähenlO•

1 Jus Statutarium S. 51ff. 2 Jus Statutarium S. 51-85; Weil die Stadt Wil immer ausführlich und getrennt behandelt wird, untersuche ich die Aussagen zu dieser Stadt geschlossen in § 8 S. 75ff. 3 Jus Statutarium S. 87; die dabei geschaffene Offnung war bis auf einen Artikel mit der alten von 1488 identisch: Rq I, S. 495. 4 Jus Statutarium S. 87; vgl. Rq I, S. 489: Entscheid vom 13. Sept 1484. 5 Jus Statutarium S. 88; vgl. Rq I, S. 490: das sind "Buossen und Fraefflinen". 6 Jus Statutarium S. 88f.; vgl. Offnung A 24 bzw. 32 in Rq I, S. 492 bzw. 493. 7 Jus Statutarium S. 90; der Kaufbrief war nicht aufzufinden. 8 Jus Statutarium S. 90; Spruch von Rapperswil siehe Rq I, S. 497. 9 Jus Statutarium S. 91; für die Offnung vgl. StAZH Dok 5/45. 10 Vgl. Müller, Offnungen S. 67; diese Stelle aus dem Kaufbrief wurde sogar in die Offnung übernommen, StAZH Dok 5/45. -43-

2.2.2.3 Niederhelfenschwil Die von Abt Gotthard 1495 geschaffene Offnung wird ausführlich behandelt, die erste Offnung von 1469 dagegen nicht erwähntl. Pater Hannes wies besonders darauf hin, dass die Besitzer des Keinhofes verpflichtet waren, den Abt oder seine Beamten während den drei Jahr- gerichten ohne Kosten zu verpflegen. Ausserdem waren die Niederhelfenschwiler bei der Aus- wanderung völlig frei; sie konnten sogar dorthin ziehen, wo sie einem neuen Herrn untertan wurden2•

2.2.2.4 Lenggenwil, Ambtenzell und Thurstuden (Durstudlen) Lenggenwil und Ambtenzell kaufte das Kloster 1416 von Baron Wolfgang von Hewen zu- rück3; 1482 trat Miles Albrecht seine Rechte in Thurstuden dem Kloster ab, d.h. die Abtei er- warb auch hier" Gricht, Zwing und Bänn". Für diese beiden Orte schuf Abt Gotthard im Jahre 1495 eine Offnung, in die auch noch das Obere und Untere Heiligenhueb eingeschlossen wurden, so dass diese Orte ein einziges Gericht bildeten. Die Offnung war mit der von Niederhelfenschwil identisch, wenn man davon absah, dass der Abtei hier die Vogtrechte nicht zustanden4•

2.2.2.5 Oberbüren und Niederbüren Ueber Oberbüren berichtete Pater Bernhard nichts. Dieses Lehen wurde erst 1736 vom Klo- ster zurückgekauft; dabei wurde die Offnung des Adels von 1481 in Geltung belassen. Eine Vereinbarung von 1667 über die Niedergerichtsbarkeit legte fest, dass Landsatzung und landesherrliche Mandate zu verkünden warens. Für Niederbüren wurde, nachdem es 1468 zurückgekauft worden war, im Jahre 1469 auch eine Offnung geschaffen, die alle Rechtsprechungshoheit, ausser in Strafsachen, dem Kloster zuerkannte6•

2.2.3 Das Rorschacheramt Die Ausführungen zum Rorschacheramt7 beginnen mit einer kurzen Beschreibung des Klo- sters Mariaberg in Rorschach, das ebenso exemt sei und die gleichen Rechte habe wie das Mut- terkloster in St. Gallen8• An diese einleitende Feststellung schliesst sich die Beschreibung der einzelnen Orte dieses Amtes an. Das Gericht Rorschach setzte sich, ähnlich wie das Hofgericht, aus mehreren Hauptmannschaften zusammen9•

Jus Statutarium S. 93; Müller, Offnungen S. 194 bez. der Offnung von 1469; Text der Offnung von 1495 siehe Rq I, S. 519ff. Das 1490 gekaufte Enkäusem als ehemals konstanzisches Gebiet wurde mit dem Ge- richt Helfenschwil vereinigt, vgl. Jus Statutarium S. 95 und MüI1er, Offnungen S. 39. 2 Die Aenderungen der Offnung von 1627 (Einzugsgeld, in die Offnung eingefügt Rq I, S. 522) und 1749 (Besteuerung der Ausburger, StiASG Bd. 1139 S. 105) erwähnt Bemhard Hannes nicht, vgl. Müller, Off- nungen S. 51 bzw. 56. Jus Statutarium S. 94; ..... Jurisdictio Bassa in hac Comunite et in Amtenzell coemta est ..."; vgl. UBSG V Nr. 2681 für die Kaufurkunde. 4 Jus Statutarium S. 94; Rq I, S. 503; Diese Offnung enthielt als einzige die Vorschrift, dass der Abt für Fall und Fasnachtshenne nachjagen könne, Müller, Offnungen S. 70. S Jus Statutarium S. 96: .. Oe Oberbüren hactenus nil inveni"; vgl. aber Müller, Offnungen S. 57 und 194 und Müller, Landsatzung und Landmandat S. 185; Vereinbarung von 1667 siehe Rq I, S. 607 (Reg.). 6 Jus Statutarium S. 97; Rq I, S. 557 und Müller, Offnungen S. 194. 7 Jus Statutarium S. 105ff.; Rorschach selber wird, aus dem gleichen Grund wie Wil, gesondert in § 8 S. 89ff. behandelL Vgl. auch Willi, Geschichte der Stadt Rorschach und des Rorschacheramtes. 8 Jus Statutarium S. 105; unter Verweis auf Chronico S. G. 9 Jus Statutarium S. 9 bzw. 111; vgl. in Anhang 2, S. 163f. die Einteilung des Rorschacheramtes: Rorscha- cherberg, , Grub, Untereggen und Gebiete im Rheintal, nämlich Altenrhein und Gaissau. ·44·

2.2.3.1 Hauptmannschaften des Gerichtes Rorschach Auch in Untereggen war es einmal mehr Ulrich Rösch, der im Jahre 1469 die Rechte über diesen Ort von den bisherigen drei Eigentümern erwarb und dem Kloster sicherteI. Bezüglich Gaissau, das in österreichischem Gebiet lag, hatte Abt Joachim mit Herzog Ferdi- nand im Jahre 1584 vereinbart, dass der letztere die "suprema lurisdictio" innehabe, dem Abt dafür die Niedergerichtsbarkeit zustehe2• Für Streitigkeiten über die gegenseitigen Kompe- tenzen war ein Schiedsverfahren vorgesehen. Bez. Trieb und Tratt sowie der Befolgung von Mandaten wurde auf eine 1506 geschlossene Vereinbarung verwiesen. Die Regelung der Heer- folgepflicht brachte dem Dorf Nachteile, da es mit beiden Herren in den Krieg ziehen musste. Im Jahre 1515 wurde noch eine besondere Dorfordnung geschaffen3. Ein Erlass des Hofge- richtes von 1524 verpflichtete die Gaissauer, Streitigkeiten nur vor äbtischen Gerichten einzu- klagen4• Ueber die anderen Hauptmannschaften - Rorschacherberg, Grub und Eggersriet5 - berichtete Pater Bernhard nichts6• Zu Tübach, das zum Gericht Rorschach gehörte1, wird nur ein Grenz- vertrag von 1630 erwähnt8•

2.2.3.2 Goldach Diesen Ort konnte Abt Ulrich Rösch im Jahre 1463 mit dem Bischofvon Konstanz gegen die Vogtei Horn eintauschen9• "Gricht, Zwing und Bänn" sowie weitere Rechte in umliegenden Gebieten kaufte er 1474 von Bischof Hermann von Konstanz für 700 Pfd. Pfg., um die Herr- schaft abzurunden10. Er bereinigte die Rechtsbeziehungen noch besser, indem er mit den Her- ren von Sulzberg zwei Verträge über die gegenseitigen Rechte schloss 11 und 1476 noch eine Vereinbarung über die Niedergerichtsbarkeit abschloss, die 1578 und 1650 erneuert wurdel2• Die Offnung dieses Ortes datiert Bernhard Hannes auf 1463. Die von Walter Müller erwähn- te Ergänzung der Offnung von 1469 - wegen des Einbezugs von Untereggen nötig geworden- bleibt von Pater Bernhard Hannes unerwähntl3. Im Jahre 1684 gewährte Abt Gallus den Gol- dachern auf ihr inständiges Verlangen einen Erlass der Viehsteuer mit gewissen Einschrän- kungenl4.

Jus Statutarium S. 111; Rq I, S. 136; Müller, Offnungen S. 39 und Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 45 schreiben, dass Untereggen zum Gericht Goldach gehört habe. Vgl. auch Müller, Das Freigericht Untereggen. 2 Jus Statutarium S. 112; siehe diese Vereinbarung in StiASG Bd. 1260 S. 441ff.; vgl. auch Müller, Off- nungen S. 26. 1413 hatten Herzog Sigmund und Abt Ulrich Rösch eine ähnliche Vereinbarung geschlossen, vgl. StiASG Bd. 1260 S. 212f. Jus Statutarium S. 113; Die Ordnung von 1515 siehe StiASG Bd. 1272 S. 113f., nach Müller, Ländliche Verfassung S. 384, ist es keine Offnung, sondern nur eine Dorfordnung; die Vereinbarung von 1506 vgl. StiASG Bd. 1262 S. 226ff. 4 Jus Statutarium S. 112f.; StiASG Bd. 1272 S. 175. 5 Müller, Offnungen S. 26 und Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 45 FN 12. 6 Jus Statutarium S. 111: "De reliquis Cap. nil speciale inveni hucusque". 7 Müller, Offnungen S. 39 und Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 44. 8 Jus Statutarium S. 120; Vertrag sei zu finden: vide in Praefec: Rosac: P. 1. Archiv. 9 Jus Statutarium S. 114; fUr eine genauere Grenzbeschreibung: vide Tom: de Lignatu. Vgl. Cavelti, Ent· wicklung der Landeshoheit S. 45 FN 12; vgl. Rq I, S. 115 Ziff. 15 und StiASG Bd. 1260 S. 414f. 10 Jus Statutarium S. 114; StiASG Bd. 1260 S. 494. 11 Jus Statutarium S. 114; jene von 1463 StAZH Dok I1n3; jene von 1416 vgl. StiASG Bd. 1260 S. 195ff. 12 Jus Statutarium S. 115; Pater Bemhard Hannes verweist auf: "archiv. P. 1 de Praefectura Rosac: S: 25 et 265"; Vgl. auch Rq I, S. 128 von 1518, Vertrag von 1650 siehe StiASG Bd. 1260 S. 49Off. 13 Jus Statutarium S. 115; bez. der Ergänzung der Offnung siehe Müller, Offnungen S.192; bez. Text der Off· nungen vgl. Rq I, S. 116. Untereggen gehörte nach Bemhard Hannes zum Gericht Rorschach, vgl. Jus Sta- tutarium S. 111. 14 Jus Statutarium S. 116; dies wurde unter den gleichen Bedingungen auch Steinach (S. 118) und Mörschwil (S. 119) erlassen; vgl. StiASG Bd. 1272 S. 213ff. ·45·

2.2.3.3 Steinach Die Eigentumsverhältnisse in diesem Gericht hätten sich gemäss Jus Statutarium öfters ge· ändert, was in den Archiven nachgelesen werden könne1. Im Jahre 1490 musste die Stadt St. Gallen ihre Rechte in Steinach als Entschädigung für den Klosterbruch an die Eidgenossen ab- treten. Diese übergaben es schliesslich nach Bezahlung von 8000 Gulden mit allen Rechten dem Kloster2. Die Offnung dieses Gerichtes datiert von 1509 und bestimmte, dass die niederen Bussen den Richtern und dem Ammann zufielen, die Bussen über 8 Pfd. Pfg. hingegen dem Abte. Die Steinacher mussten auch V ogthühner erbringen, da die Vogtrechte dem Kloster zustanden. Da die Offnung nach der Verleihung des Blutbannes von 1469 bzw. 1487 erging, enthielt sie schon Regeln, die die Hochgerichtsbarkeit betrafen3.

2.2.3.4 Mörschwil Die Offnung datiert von 1469 und gestand dem Kloster die Vogteirechte, den Fall und die Fasnachtshennen zu4. Da dieser Ort vorher ein selbständiges Gericht hatte, wurden besondere Regelungen getroffen: So fielen die Bussen dem Gericht und dem Abt je zur Hälfte zu. Das Gericht konnte, wie in Tablat5, die Bussen selber einziehen und musste dann den Anteil des Abtes abliefern.

2.2.4. Das Oberbergeramt 2.2.4.1 Gossau, Oberdorf, Gebhardschwil und Andwil Mit den vier in der Ueberschrift erwähnten Gemeinden wurden im Jahre 1510 gleichlautende Offnungen6 errichtet, worin festgelegt wurde, dass der Fall nur von allen Gotteshausleuten, die Fasnachtshennen aber von allen Einwohnern zu erbringen seien. In allen drei Gerichten hatten die Gerichtsgemeinden an den Bussen und Strafen keinen Anteil. Es wurde in diesen Off- nungen das Recht der freien Auswanderung gleich geregelt wie in Tablat. Diese Offnungen enthielten auch wieder Regelungen, die das Hochgericht betrafen. Die Einwohner des 1489 erworbenen Gebhardschwil, wozu auch Ufhofen und Riedli gehö- rten, hatten darüberhinaus Vogthühner zu erbringen. Dem Gericht Gossau wurde im Jahre 1602 von Abt Bernhard im Einverständnis mit den 4 Schirmorten das Marktrecht verliehen7• Die frühere äbtische Offnung für Gossau von 1469 wird von Bernhard Hannes auch wieder nicht angeführt8• Weder erwähnt er die äbtischen Offnungen für Oberdorf und Andwil von 14909 noch die Offnungen der früheren Herren von Gebhardschwil10.

1 Jus Slatutarium S. 117: " ...• quas videre licet in Archivo." Die Rechte bez. Hafen und Handel, siehe unten § 7 E) Die Regalien des Abtes S. 68ff. 2 Jus Slatutariurn S. 117; Cavelti. Entwicklung der Landeshoheil S. 45f.; vgl. auch StiASG Bd. 1272 S. 67ff. 3 Jus Slalutarium S. 118; Rq I. S. 159; die aUe Offnung von 1462 wird von Bernhard Hannes nicht erwähnt; die Neufassung von 1509 ist nur eine Anpassung. Müller. Offnungen S. 134. 4 Jus Statutariurn S. 119; Rq I. S. 181. 5 Siehe vorne 2.2.1.2 Tablat S. 41 bzw. Jus Slalutarium S. 45. 6 Jus Statutarium S. 12lf. und 124. o für Gossau vgl. Rq I. S. 360. o für Oberdorf vgl. Rq I. S. 391. o für Gebhardschwil vgl. Rq I. S. 451. o für Andwil vgl. Rq I. S. 412. 7 Jus Slatutarium S. 122; 0 von Gebhardschwil Rq I. S. 452 A 4; Verleihung des Marktrechtes Rq I. S. 376. 8 Jus Slatutariurn S.122; Müller. Offnungen S. 193; 0 von 1469 vgl. Rq 1. S. 353; wie vorne bei Goldach und HelfenschwiI. 9 Jus Statutarium S.122; Müller. Offnungen S. 193; 0 von 1490 vgl. Rq I. S. 408. 10 Jus Statutarium S.122; Müller. Offnungen S. 193; 0 von 1490 vgl. Rq I. S. 426 bzw. 441. -46-

2.2.4.2 Waldkirch, Arnegg und Niederwil Das während vielen Jahren als Lehen ausgegebene Waldkirch wurde im 15. Jahrhundert zu- rückgenommen und der Stadt St. Gallen der letzte Anteil an der Herrschaft abgekauft1. Die 1469 errichtete Offnung enthielt nichts Erwähnenswertes2• Zu Niederwil, das nach Walter Müller zu Gebhardschwil gehörte, und Arnegg konnte Pater Bemhard nichts aufindig machen3. Obwohl für Amegg eine Offnung der Herren von Andwil aus dem Jahre 1536, die zwar nicht überliefert ist, und eine äbtische Offnung von 1701 bekannt sind, gelangte Bemhard Hannes zur erwähnten Feststellung4• Ebenso fehlt auch die für Niederwil1732 erlassene Gerichtsordnung, die noch immer nach dem Frage-Antwort Schema aufgebaut warS.

D) Die Ausführungen zum Thurgau I. Allgemeine Bemerkungen 1. Zum Aufbau dieses Abschnittes Die Ausf'ührungen zum Thurgau sind wohl die verschachteltsten Abschnitte des Jus Sta- tutarium und voller Wiederholungen. Nach einer kurzen Einführung in die rechtlichen Verhält- nisse6 folgt eine Beschreibung aller Orte im Thurgau7 , in denen die Abtei Rechte besass. Pater Bemhard stellt in seiner Arbeit die seiner Ansicht nach langandauernde und unbestrit- tene Ausübung der Rechte durch das Kloster den Auffassungen der Eidgenossen, die von Machtstreben geprägt waren, gegenüber und wertet folgendermassen: Das Kloster besass be- reits Rechte in den Malefizorten, als die Kantone dort noch keine hatten, ja die Eidgenossen- schaft noch nicht einmal bestand. Die Rechtsansprüche des Stiftes sollten allein schon wegen ihres höheren Alters den jüngeren der Eidgenossen vorgehen. Die Aussagen zum Thurgau sind unverkennbar von dem Ziel geprägt, die Rechtsposition des Klosters als die stärkere, rechtmäs- sige darzustellen, das Verhalten der Eidgenossen hingegen als unrechtmässig. Pater Bernhard baute die Darstellung der Rechte der Abtei in den MalefizortenS auf fünf Prinzipien9 auf, welche die Rechtsposition des Klosters zusammenfassen; er begründet diese ausführlich10• Anschliessend an diese Begründungen, welche die bessere RechtsteIlung des Stiftes stichhaltig belegen sollten, fasste er auch die Rechtsposition der Eidgenossen in drei Grundsätzenll zusammen: Diese widerlegte er konsequenterweise mit den gleichen Argumen- ten, mit denen er vorher die Position des Klosters verteidigt hattel2. Die Beweisführung zu den fünf Prinzipien und drei Grundsätzen ist derart ähnlich und voller Wiederholungen, dass nachfolgend die Prinzipien und Grundsätze dargestellt werden, deren Begründungen aber unabhängig davon nach rechtssoziologischen und -methodischen Regeln zusammengezogen werden. Die Argumente zu den Prinzipien des Klosters lässt er teilweise erst bei der Behandlung der einzelnen Orte folgen; dies gilt besonders für die Frage, wer die älteren Rechten beanspruchen könne, das Kloster oder die Eidgenossen.

1 Jus Statutarium S. 123f.: ft1rdie Geschichte des Lehens siehe "OeconomiaPII S. 2551"; bez. des Kaufs von der Stadt St. Gallen siehe "Oeconomia P. 2 S. 285" und Müller, Offnungen, S. 193. 2 Jus Statutarium S. 124; Rq I, S. 468. 3 Müller,Offnungen S. 193. Im Vergleich zu seiner sonstigen Gründlichkeit untersuchte er dieses Amt an- scheinend etwas ungenau. Jus Statutarium S. 122: ..Oe Ameggen, de Niderwyl nil inveni .... 4 Müller, Offnungen S. 193; 0 von 1701 Rq I, S. 460. 5 Müller, Offnungen S. 33 FN 76; Gerichtsordnung siehe Rq I, S. 456. 6 Jus Statutarium S. 126-130. 7 Jus Statutarium S. 130f. S - Die ErldlIrung dieses Begriffs siehe unten 3.1. Die MaIefizorte S. 48. 9 Jus Statutarium S. 132f. 10 Jus Statutarium S. 134-193. 11 Jus Statutarium S. 194. 12 Jus Statutarium S. 195-208. -47-

2_ Die Rechtspositionen des Klosters und der Eidgenossen 2.1 Die fünf Prinzipien des Klosters Die entscheidende Frage im Streit um die äbtischen Gebiete im Thurgau war, wem die Rechts- bzw. Landeshoheit (jurisdictio) zukam, weil der Anspruch der Abtei darauf von den Kantonen bekämpft und gleichzeitig von ihnen beansprucht wurde. Die Berechtigung des Klo- sters begründete Pater Bemhard mit folgenden fdnfPrinzipien1: 1. Der Abt hatte die älteren Rechte, da die umstrittenen Orte dem Kloster schon als Geschenk frommer Menschen übergeben wurden, ehe die Eidgenossen den llmrgau unterwarfen, ja bevor die Eidgenossenschaft überhaupt gegründet war2• 2. Die Kantone besassen nur das "jus gladium", da die Kaiser und Könige den Thurgau für exemt erklärt und sich lediglich das "jus gladium" vorbehalten hatten. Dies galt auch noch, als das Haus Habsburg im Thurgau Herrschaftsrechte besass. Die Eidgenossen, die den Thurgau eroberten, konnten nicht mehr erwerben als ihre Vorgänger, die Habsburger, be- sessen hatten, das "jus gladium"3. 3. Der Abt war der alleinige Herr in seinen Orten. Da weder Oesterreich noch die Eidgenossen je einen Akt von "jurisdictio Territorialis, Politicae aut CMlis" ausgeübt hätten, habe dies der Abt von ,k Gallen ohne Widerspruch bis in die neueste Zeit getan und werde es auch künftig tun4• 4. Das "imperium merum" oder "jus gladium" hatten die Kantone vor und nach der Erc.berung des Thurgaus dem Abt zuerkannt; durch weitere Entscheide und Verträge sei auch die "plena Territorialis potestas seujurisdictio" dem Abt zuerkannt worden5• 5. Die Eidgenossen hätten sich nur die "jura Criminalia" vorbehalten, was sie selber durch au- thentische Verlautbarungen erklärten; die Souveränitäts- und Territorialrechte dagege:n stän- den dem Abt zu6•

2.2 Die drei Grundsätze der Kantone Mit seinen Darlegungen zu den fünf Prinzipien war die Berechtigung der immer vom Kloster ausgeübten Territorialhoheit sowohl ausdrücklich als auch stillschweigend bewiesen. Auch die entgegengesetzte:n Vorbringungen der Kantone, die sich auf drei Grundsätze reduzieren liessen, wären damit im einzelnen untersucht und widerlegt. Es handelte sich dabei um die folgenden 7: 1. Weil sie den Thurgau im Krieg unterworfen hatten, argumentierten die Kantone, stünden ihnen die behaupteten Rechte zu. 2. Die Kantone bestanden auf der obersten Gerichtshoheit; Die vom Kloster beanspruchte Ge- richtshoheit dagegen sei nur eingebildet ( ... quaedam quasi chjmera sit.)8. 3. Die Kantone behaupteten, die Grenzverträge würden die stiftsanktgallischen Orte im Thur- gau vom übrigen Stiftsgebiet trennen.

1 Jus Statutarium S. 132. 2 Die alten Rechte stellte er genauer bei der Beschreibung der einzelnen Orte dar; Jus Statutarium S. 2IOff.• wo die Darstellung der einzelnen Orte beginnt. 3 Jus Statutarium S. 132; diese These wird auf den Seiten 134-135 behandelt. 4 Jus Statntarium S. 133; diese These wird auf den Seiten 136-155 behandelt. 5 Jus Statutarium S. 133; diese These wird auf den Seiten 156-187 behandelt. 6 Jus Statutarium S. 133; diese These wird auf den Seiten 189-193 behandelt. 7 Jus Statutarium S. 194. 8 Jus Statutarium S. 194. -48-

3. Die Charakterisierung der Herrschaft im Thurgau 3.1 Die Malefizorte Um sich ein klares Bild von der Rechtsstellung des Klosters in den Orten im Thurgau, in denen der Abtei die Landesherrlichkeit zukam, zu machen, betrachte man am besten die Aus- führungen über die Alte Landschaft: Denn wie jene Orte "cwn omni jurisdictione, et poteste, at- que imperio" unter der Herrschaft der Abtei standen, taten es auch die thurgauischen Orte, nur die Blutgerichtsbarkeit fehlte im Thurgau, weil diese von den Kaisern oft getrennt als alleiniges Lehen vergeben wurdel. Während der ganzen Regierungszeit des Klosters St. Gallen suchte man einen passenden Begiff für seine Herrschaftsmacht im Thurgau. Sie als "imperiwn merwn" zu bezeichnen wäre falsch gewesen, da der Abtei das "jus gladiwn" fehlte; aber auch der Begriff des" imperium mixtwn" entsprach nicht den tatsächlichen Verhältnissen, weil das Stift mehr Rechte besass, als das "imperium mixtum ... ex natura" umfasste. Die Hoheitsrnacht des Abtes wurde daher oft mit "Nidergrichtsherrlichkeit" umschrieben, aber nicht, weil es nur ein Niedergericht war, sondern lediglich zur Unterscheidung vom "imperiwn merwn", welches auch das "jus gladiwn" einschloss. Unter diese Niedergerichtsherrlichkeit wurden durch die Offnungen und Schieds- sprüche auch alle weiteren Rechte subsumiert, die der Abt immer in diesen Orten ausgeübt hatte; damit umfasste sie mehr Macht, als man eigentlich unter einem Niedergericht verstand2• Alle Orte im Thurgau, die mit aller Gerichtshoheit in Klostereigentum standen, die Blutge- richtsbarkeit ausgenommen, wurden deswegen als "die Malejitz Orth" bezeichnet3. Diese Orte waren zur gleichen Zeit und in gleicher Weise wie die Orte der Alten Landschaft dem Kloster übertragen worden4; auch dort konnte das Kloster die Blutgerichtsbarkeit erst im Laufe der Zeit erwerben. Obwohl diese Orte auf thurgauischem Boden lagen, wären sie immer zur Alten Landschaft gezählt worden5 und hätten nicht in die Herrschaft Thurgau gehört6.

3.2 Die anderen Orte im Thurgau Daneben besass die Abtei noch weitere Orte, in denen sie Rechte inne hatte, nicht aber die volle Landeshoheit. Die einen Orte erwarb sie bevor, die anderen nachdem die Eidgenossen den Thurgau 1460 erobert hatten7• In diesen, den Nicht-Malefiz-Orten, stand dem Abt, obwohl er die "jurisdicitio Territorialis" nicht hatte, das Mannschaftsrecht zu. Die Untertanen in diesen Orten mussten dem Abt daher im Normalfall nur schwören, mit seinen Tuppen ins Feld zu zie- hen8.

3.3 Angriffe auf die Position des Abtes Während langer Jahre nahmen es die Kantone widerspruchslos in Kauf, dass der Abt diese Rechte seit urdenklichen Zeiten ausübte; bis dann 1778 Zürich argumentierte, dem Abt stehe seiner Ansicht nach nur die "supremamjurisdictionem Territorialem cum imperio mixto" zu.

1 Jus Statutarium S. 126 u. 128. 2 Jus Statutarium S. 129f.; Die Einleitung des Schiedsspruches von 1501 bezeichnte die Gerichte der Abtei als Niedergerichte (nidem gerichten), vgl. EA 3, II S. 97. 3 Jus Statutarium S. 126f.; welche das sind, siehe 11.1. Die MalefIZorte S. 59ff.; Pater Hannes führte sie auf S. 130f. an und behandelte sie auf den S. 210-260. 4 Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 18: Der Umfang und die Verteilung des Grundbesitzes waren in der späteren, eigentlichen Alten Landschaft und im TG in etwa gleich. 5 Vgl. Anhang 2 S. 163f. 6 Jus Statutarium S. 127. 7 Jus Statutarium S. 131; Pater Bernhard Hannes widmet ihnen weder Einführung noch zählt er sie auf, son- dern beschreibt sie nur auf den Seiten 261-281 des Jus Statutarium, siehe 11. 2. Die anderen Orte S. 65ff. 8 Jus Statutarium S. 151. ·49·

Darauf wurden Untersuchungen angehoben, um dies abzuklären. Der Streit wurde aber vor dem Vorliegen eines Entscheides aufgegeben; es blieb alles beim AltenI. Die Zürcher hatten schon früher in einem Abschiedsprotokoll den Ausdruck "souverainischer Herr" getilgt. Obwohl "natürlicher Herr" fast gleichviel sagen würde wie "souverainischer", hatte der Abt bei den vier katholischen Orten Luzern, Schwyz, UnterwaIden und Zug geklagt, und diese befahlen am 28. Nov. 1658 dem Protokollführer, dieses Wort wieder einzufügen. Es sei klar, dass es den Zürchern nur darum gegangen sei, in den Gebieten des Abtes mitregieren zu können2• Die Rechtslage in den thurgauischen Herrschaften, besonders aber in den neustiftischen, war immer unklar gewesen. Da die Aebte dauernd versuchten, ihre Herrschaftsrechte auszuweiten und zu stärken, waren Konflikte mit den Kantonen unvermeidlich3.

4. Die Begründung der Thesen und Behauptungen 4.1 Die Immunitätsverleihungen Die kaiserlichen Immunitätsverleihungen wurden zuerst angeführt, um die äbtischen An- sprüche zu belegen4• Es wurden die Verleihungen von 818 durch Ludwig den Frommen, von 833 und 854 durch Ludwig den Deutschen erwähnt, die eine vollständige Exemtion der dem Kloster geschenkten und noch zu schenkenden Güter und Menschen bedeuteten5. Die letzte der ununterbrochen eingeholten Verleihungen, die von 1025, wird besonders hervorgehoben, da Kaiser Konrad H. beifügte, dass "Abbas Monriwn, regionem, et homines suos regere et eis dDminari possit secundwn propriwn consiliwn, et prout decet, et expedit"6. Damit waren nach Pater Bernhards Ansicht die erste und zweite These eindeutig bewiesen. Diese Vorrechte waren nämlich dem Kloster verliehen worden, bevor die Eidgenossenschaft in der damaligen Art entstand und erst recht vor dem Einmarsch der sieben Orte in den Thurgau im Jahre 1460; aber auch ehe sich das Haus Oesterreich unter Rudolf von Habsburg in der Mitte des 13. Jh. im Thurgau Einfluss verschaffte? Die fraglichen "Malefitz-Orth" besass das Stift schon damals, was er bei der Darstellung der einzelnen Orte zeigen werde8; somit galten die Immunitätsverleihungen auch für die Gebiete im Thurgau. Da durch diese Exemtionen jeder fremde Richter vom Klostergebiet verbannt worden war, könnten sich die Eidgenossen nicht frei einmischen: Auch sie wären an diese Privilegien, deren Einhaltung sie sogar beschworen hätten, gebunden, weil sie nicht mehr Rechte haben würden als Habsburg, dessen Rechtsnachfolger sie 1460 wurden9•

4.2 Die Rechtsstellung des Abtes im Thurgau Dass der Abt der natürliche und oberste Herr seiner Untertanen war, wurde sowohl von den Kaisern in ihren Privilegien10 als auch von den vier Schirmorten nach dem Klosterbruch von

Jus Statutarium S. 129; vgl. v. Mx, Bd. III S. 632f. und Pupikofer, Bd. II S. 795f. Gemäss diesen beiden Historikern begannen die Streitigkeiten schon 20 Jahre früher. 2 Jus Slatutarium S. 192f.; EA 6,1 S. 45lf. der fragliche Abschied erging am 7. Juli 1658, vgl. EA 6,11 S. 11 73 Art. 201. 3 Müller, Landsatzung und Landmandat S. 166 FN 27 unter Verweis auf Lei, Gerichtsherrenstand: Pupikofer, Bd. 11 bez. Streitigkeiten: S. 133, 437,624,678,749 u. 791 sowie Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 8 oben. 4 Jus Statutarium S. 134; interessant ist, dass sie im Zusammenhang mit der Alten Landschaft nicht erwähnt werden; vgl. Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 21ff. und 29ff. Jus Statutarium S. 134f. und 195; für die weiteren Verleihungen und den Inhalt der Immunitätsverleihungen vgl. Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 21. 6 Jus Statutarium S. 135; Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 29. 7 Vgl. zum Abschnitt Jus Statutarium S. 135 und 197f. 8 Vgl. Jus Statutarium S. 2lOff. 9 Jus Statutarium S. 132 in fine u. S. 197 für Bindung der Eidgenossen. 10 Jus Statutarium S. 198. - 50-

1490 bestätigt- Damit hatten die Kantone selber die "supremam jurisdictionem Territorialem Abbatis ... sine u/la exceptione, aut distinctione" anerkannt1. Im Spruch zu Rapperswil von 1525, bei erneuten Widersetzlichkeiten der Untertanen, entschieden die Kantone gleich wie 1490, obwohl sie das der Stadt Konstanz verpfändet gewesene "jus gladium" 1499 erworben hatten2. Diese Aussagen von Pater Bernhard Hannes, der Abt hätte die gleichen Rechte im Thurgau wie in der Alten Landschaft ausgeübt, die Blutgerichtsbarkeit und schwere Kriminalfälle aus- genommen, werden von Cavelti, der die Rechte der Abtei im Thurgau zum Erwerb der Lan- deshoheit als ausreichend einschätzte, bestätigt3.

4.3 Die Rechtsetzungsrechte 4.3.1 Die Rechtsetzungshoheit Art. 3 des Schiedssspruches von 1501 gab dem Abt das Recht, Mandate bez. Erbschaft, Gantrecht und eine Schuldordnung zu erlassen sowie Appellationen zu entscheiden4• Dieser Schiedsspruch erlaubte dem Abt in allen seinen Gerichten, "Bott und Verbott ... , Satzungen machen". Er durfte neben Zivilfällen auch über Straffälle richten, nur der Vollzug der Strafen war den Kantonen vorbehalten. Damit hatte der Abt doch die gleiche, volle Herrschaftsmacht wie in den anderen Gebieten. Pater Bemhard gestand nur ein, dass die Macht des Abtes nicht als absolut bezeichnet werden könnte, da die Kantone das "imperium merum" bzw. das "jus gladium" ausübten5• Die Rechtsetzungshoheit wurde dem Abt wiederholt bestätigt, da es nicht zwei Herren geben könne6• So entschieden die Kantone 1563, dass dem Abt in Wuppenau die gesetzgebende Gewalt mit aller Rechtssprechungshoheit zustehe, den Kantonen aber nur die Bestrafung der Criminalia. Der Abt hatte in seiner Begründung gesagt, ihm kämen alle Hoheitsrechte in Wup- penau zu, den Kantonen keine ausser der Bestrafung der Kriminalfälle, wogegen diese keine Einwendungen gemacht hätten?; 1564 wurde dem Abt für Wilen, das ein Malefizort war, die Gerichtsherrlichkeit, Bott und Verbott, Eiderhebung etc. unter Verweis auf den Schiedsspruch von 1501 bestätigt8• Im Jahre 1607 erhielt die Abtei in der Oberen und Untern Egg "omniaju- risdictionalia prout ab antiquo" zugesprochen9.

4.3.2 Beispiele für die Rechtsetzungshoheit Im Thurgau galten die gleichen "Mandata Territorialia" wie in den übrigen Orten der äbti- sehen Lande, daneben die "Statuta Turgojensia" für das Erb- und Gantrecht- Diese Erlasse wurden den Untertanen entweder in den Kirchen oder an bestimmten Orten, an denen sie zu diesem Zweck zusammenkommen mussten, vorgelesen10. So galten im Thurgau folgende Er-

1 Jus Statutarium S. 156; vgl. Edition, S. 269ff. Einleitung: Es ist zu bemerken, dass Pater Bemhard den Be- griff "natürlichen Herren" grosszügig interpretiert. 2 Jus Statutarium S. 157 und 199; vgl. auch Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 77 und EA 3,1 S. 634f. Dies geschah am Ende des Schwabenkrieges. 3 Jus Statutarium S. 128; Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 8f. 4 Jus Statutarium S. 164; EA 3,11 S. 97f. 5 Jus Statutarium S. 160f.; Nach A 3 in fine des Spruchs von 1501; vgl. StiASG Bd. 1033 S. 38 gemäss Maller, Landsatzung und Landmandat S. 170 FN 33. 6 Jus Statutarium S. 137. ? Jus Statutarium S. 189f.; vgl. StiASG Bd. 6 S. 77ff. 8 Jus Statutarium S. 136 und 189ff.; StiASG Bd. 1355 S. 563f. 9 Jus Statutarium S. 162f.; vgl. EA 5,1,2 S. 1338 Art. 132; Das Recht des Abtes, Gesetze zu erlassen sei noch durch weitere Schiedssprüche und Erlasse bestätigt worden; vgl. Jus Statutarium S. 140. 10 Jus Statutarium S. 138f.; MOUer, Landsatzung und Landmandat S. 170 bestätigt dies. 1658 hätten sich Amtleute des Abtes auf die Ls berufen, die in Wuppenau gelte; 1719 verlangten die Kantone die Aenderung der im Thurgau verkündeten Ls; vgl. MOller, Landsatzung und Landmandat S. 170 FN 35 und 36 unter Ver- weis aufEA 7,lI S. 1173 bzw. EA 7,1 S. 759. -51 - lasse: das 1483 erlassene Mandat, dass niemand sich oder seine Güter fremden Gerichten un- terwerfen dürfel , die 1592, 1608 und 1615 geschaffenen Mandate zum Münzwesen2, das Ver- bot von 1516, dass äbtische Untertanen in einem Krieg zwischen Baiem und Württemberg mit- machten3. Auch verpflichtete der Abt die Romanshomer 1555 selbständig zur Unterordnung, bevor der eidg. Abschied erging; auch den widerspenstigen Prädikanten der gleichen Gemeinde hielt er zu Gehorsam an4• Die Verkündung von Mandaten in den Malefitzorten war nur mit Zustimmung des Abtes er- laubt: Der Landgerichtsdiener Ulrich Vogel wurde 1571 bestraft, weil er ohne Wissen des Abtes Mandate verkündet hatte; gleiches widerfuhr 1650 dem "acatholischen" Pfarrer von Sommeri5. Sogar dem Landvogt des Thurgaus wurde 1723 untersagt, in Kesswil Steckbriefe rur flüchtige Bösewichte anbringen zu lassen6.

4.4 Rechtsprechungsrechte 4.4.1 Zuständigkeits- und Appellationsordnung vor den äbtischen Gerichten Streitigkeiten zwischen dem Abt und seinen Untertanen waren in erster Instanz von den äb- tischen Gerichten zu entscheiden. Auf Drängen der Untertanen, besonders der Romanshomer und Kesswiler, entschied ein Schiedsgericht der Schirmorte, dass die Thurgauer Untertanen dem Abt gleich unterworfen seien wie die Untertanen aus anderen Gebieten. Der Schiedsspruch von 1501 verpflichtete alle, die um Erb, Eigen, Schulden und "umb ander derglich Sachen" vor Gericht standen, nur vor Gerichten der Abtei zu klagen 7. Alle Fälle, die von einem äbtischen Niedergericht beurteilt worden waren, mussten an das nächsthöhere Klostergericht weitergezogen werden; wer dagegen an den Landvogt appellierte, wurde als Rechtsbrecher bestraft8• Dies galt auch - gemäss Pater Bemhard - für alle Straf- rechtsfälle, die von äbtischen Gerichten beurteilt werden durften, was besonders aus dem Ent- scheid von 1567 hervorgehe9. Bei der Wiedereinsetzung (Reformatio) des Landvogtes im TG wurde festgelegt, dass keine Appellation ohne Urkunde der Gegenpartei erfolgen könne 10. Der Friedensvertrag von 1712 bestimmte auch, dass die oberen Instanzen Entscheide der unteren nur aufheben dürften, wenn sie gegen Präjudizien verstiessen 11.

4.4.2 Die Feudalgerichtsbarkeit Diese stand dem Abt "ab immemoriali tempore" zu. Lehensfälle waren schon an die äbti- sehen Gerichte gebracht worden, ehe die Eidgenossen den Thurgau erobert hatten, sogar 1325

1 Jus Statutarium S. 198. 2 Jus Statutarium S. 137f.; fUr das Münzwesen vgl. Müller, Landsatzung und Landrnandat S. 275 FN 137. 3 Jus Statutarium S. 138. 4 Jus Statutarium S. 138; vgl. StiASG Bd. 6 S. 19f. 5 Jus Stalutarium S. 136f.; vgl. StiASG Rubr. 73 Fasz. I: Dieser Eidg. Abschied vom 3. Okt. 1571 verbot Gemeindeversammlungen in den Kirchen. Gestützt darauf wurde der Landgerichtsdiener bestraft; Der Ent- scheid von 1650 war nicht aufzufinden. 6 Jus Statutarium S. 137. 7 Jus Statutarium S. 144 u. 164; Entscheid von 1501 vgl. StiASG Bd. 1355 S. 463; von 1658 vgl. StiASG Bd. 6S. 44. g Jus Statutarium S. 142; siehe auch den Kesswiler Waldstreit von 1728: Untertanen, die an den Landvogt ge- langten, wurden als Rechtsbrecher verurteilt. Die Appellation an den Abt blieb bis zum Ende seiner Herr- schaft bestehen: Meyer, Die Durchsetzung eidgenössischen Rechts im Thurgau, S. 147. 9 Jus Statutarium S. 142f. u. 164; A 2 u. 3 von 1501 siehe StiASG Bd. 1355 S. 463, Entscheid von 1567 vgl. aaO. S. 527. 10 Jus Statutarium S. 831; vgl. StiASG Bd. 6 S. 223. 11 Jus Statutarium S. 825; FUr den Thurgau galt nach A 77 des Vertrages von 1718 der Friedensvertrag von 1712, vgl. EA 7,II S. 1349f. -52 - vom Thurgauer Kriminalgerichtl ; 1420 entschied Abt Heinrich IV. einen Lehensstreit bezüglich Mamertshofen, obwohl die Stadt Konstanz das "jus gladium" besass. Auch die Landvögte überwiesen Lehensstreitigkeiten dem Abt zur Entscheidung2•

4.5 Vollzugsrechte Dem Abt standen grundsätzlich keine Vollzugsrechte zu, denn in der Einleitung zum Schiedsentscheid von 1501 hiess es: "unser Gnädiger Herr kein Zucht hat". Das erwähnte Ur- teil und jenes von 1567 erlaubten dem Abt dennoch, als Ausnahme von diesem Grundsatz, be- stimmte Strafen auszufallen und durchzusetzen: So war ihm gestattet, Ungehorsam seiner Un- tertanen zu bestrafen, z.B. jemanden, der nicht vor Gericht erschien oder das Amt des Vor- mundes nicht antrat3• Die Hälfte der in den Malefizorten erhobenen Bussen fiel dem Abt zu, die andere Hälfte dem Vierortehauptrnann. Dies war die gleiche Verteilung wie in der Alten Landschaft, was nach Bernhard Hannes ein klarer Beleg dafür war, dass der Abt die gleiche Rechtsstellung hatte wie in den anderen Gebieten seines Staates4•

4.6 Herrschaft über Menschen und Sachen Dem Stift stand im Thurgau das "Dominium et lurisdictio Suprema Territorialis in homines et bona pacis, bellique tempo re per sentias" zu5• Aufgrund dieser Kompetenz konnte es folgende Rechte geltend machen:

4.6.1 Treueeid der Untertanen Der Schiedsspruch von 1501 verpflichtete die Untertanen in den Malefizorten, dem Abt zu huldigen, nicht aber anderen Herren. Auch im Entscheid von 1567 hiess es, dass nur der Abt den Bewohnern der Malefizorte einen Eid auferlegen durfte, nicht aber die Kantone6• Die For- derung der Schirmorte, dass die Untertanen auch ihnen einen Eid schwören, hatte Abt Gotthard schon 1491 erfolgreich abgewehrt7. Die Untertanen schworen dem Abt in Anwesenheit der Schirmorte einen Eid, der im Wort- laut demjenigen der übrigen äbtischen Untertanen entsprach8. Für Pater Bernhard war dies ein deutlicher Beweis dafür, dass die Thurgauer Untertanen wie alle anderen Untertanen der Abtei den gleichen Herrn hatten und zum gleichen Staat gehörten, obwohl sie im Gebiet des Thurgaus wohnten; wie es auch Ausdruck dafür war, dass die Gebiete des Abtes und der Eidgenossen zwei getrennte Territorien waren.

4.6.2 Das Mannschaftsrecht Die Untertanen aus den Malefizorten waren immer unter äbtischer, nie unter eidgenössischer Fahne, wozu sie eidlich verpflichtet gewesen waren, in den Krieg gezogen. Der Abt übte hier

Blumer, Das Landgericht im Thurgau S. 58: Die Prozesse um Lehen wurden an die zuständigen grundherr- lichen Gerichte gewiesen. 2 Jus Statutarium S. 153; so geschehen 1597 und 1603. Jus Statutarium S. 146, 165f. und 202; A 1 von 1501 vgl. EA 3,II S.97; für den Schiedsspruch von 1567 vgl. EA 4,11,2 S. 999 Art. 146. 4 Jus Statutarium S. 146; und zwar gemäss der Erläuterung von 1490 zum Burg- und Landrecht und zum Hauptmannschaftsvertrag, vgl. StiASG Bd. 74 S. 417ff. 5 Jus Statutarium S. 181; dies ist der gleiche Ausdruck, den er für die Alte Landschaft verwendete, vgl. Jus Statutarium S. 21 u. 31. 6 Jus Statutarium S. 178 u. 181; A 12 von 1501 präzisierte die Eidpflicht (Jus Statutarium S. 176); Entscheid von 1501 siehe EA 3,II S. 98, von 1567 siehe StiASG Bd. 1355 S. 525ff. 7 Jus Statutarium S. 198; EA 3,1 S. 395 Iit. k u. S. 396 Iit. d: Die 4 Schinnorte verzichteten mit Urkunde vom 15. Nov. 1491, vgl. StiASG Bd. 1816 S. 39. 8 Jus StatutariURl S. ISO; auch 1767-77 versuchten die Schinnorte vergebens, die Abtei zu zwingen, den Un- tertanen im TG einen anderen Eid aufzuerlegen als in der Alten Landschaft: Müller, Landsatzung und Landmandat S. 165 FN 25 unter Verweis aufEA 7.II S. 1223. -53- also das Musterungs- und Heerfolgerecht aus. Sogar Verstösse gegen das Reislaufverbot, das auch im Thurgau galt, konnte der Fürstabt selber bestrafen. Nur wenn die Strafe Leib und Le- ben betraf, musste sie der Landvogt vollziehen. Dass diese Orte immer mit dem Heer des Klo- sters in den Krieg zogen, wertete Pater Bernhard als Zeichen für die Zugehörigkeit derselben zum einen und gleichen Klosterstaatl .

4.6.3 Abzug, Steuern und Kriegsabgaben erheben In Rapperswil entschieden 1512 eidgenössische Schiedsrichter, der Abt dürfe im Thurgau den Abzug einfordern: Dessen Erhebung sei im Recht des Klosters, Gesetze und Mandate zu erlassen, eingeschlossen2. Dies bekräftigten die Eidgenossen 1580; sie würden aber äbtischen Untertanen im Thurgau den Abzug gleich auferlegen, wie ihn der Abt thurgauischen Untertanen in den Stiftslanden3• Die regierenden Orte bestätigten 1654 ihre Beschlüsse von 1651 und 1644, die Untertanen vom Abzug zu befreien, wenn der Abt dies ebenfalls tue4• Die Erhebung des Abzugs wurde dem Abt im Frieden von 1712/18 wieder erlaubt, aber die Güter verstorbe- ner evangelischer Pfarrer wurden vom Abzug befreit5. Die Macht des Abtes in seinen thurgauischen Landen war auch daraus ersichtlich, dass die Eidgenossen die Romanshorner und Kesswiler verpflichteten, dem Abt Steuern und Kriegsko- sten zu bezahlen sowie sich an die äbtischen Gerichte zu wenden6• Eine zusätzliche Bekräftigung der äbtischen Rechtsstellung in den Malefitzorten leitete Pater Bernhard aus der Zugehörigkeit der Kinder Unehelicher7 zu den Gotteshausleuten sowie aus dem Recht des Abtes ab, auch die evangelischen Pfarrer frei ein- und entsetzen zu können8•

4.7 Fall und Fasnachtshennen 4.7.1 Recht des Abtes, diese einzufordern In Baden wurde dem Kloster 1527 bestätigt, dass alle Eigenleute, die im Thurgau siedelten, verpflichtet waren, die Fasnachtshennen zu erbringen9. Der Gewaltsbrief von 1534 und ein Abschied von 1571 der sieben den Thurgau regierenden Orte gaben dem Abt das Recht, auf alle Zeit den ganzen Fall und die Fasnachtshennen von den Eigenleuten zu fordern 10. Den Fall und die Fasnachtshenne erhob die Abtei nicht wie ein anderer Niedergerichtsherr, sondern diese waren Ausdruck seiner "Potestas Territorialis"ll.

4.7.2 Arten des Falls Von den sesshaften Bewohnern beanspruchte und erhielt der Abt immer den ganzen Fall und die Fasnachtshenne, wie dies in den Offnungen aufgeführt und von den Kantonen anerkannt war; die anderen Herren, die nur die Niedergerichtsbarkeit innehatten, erhielten den halben Fall,

Jus Statutarium S. 150f., 173f. und 18lf.; A 4 u. 9 von 1501 in EA 3,II S. 98. Das Mannschaftsrecht sei im 15./16. Jh_ ein wichtiges Recht gewesen: Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 9. 2 Jus Statutarium S. 162; Abschied vom 7. Febr. 1512 in EA 3,11 S. 595. 3 Jus Statutarium S. 32 u. 141; Abschied von 1580 siehe StiASG Bd. 5 S. 195f. 4 Jus Statutarium S. 141; der Abschied von 1644 war nicht aufzufmden; StiASG Bd. 6 S. l13f. für Entscheid von 1651; für Entscheid von 1654 aaO. S. 14lff. 5 Jus Statutarium S. 163; vgl. EA 7,II S. 1347. 6 Jus Statutarium S. 187, 191 u. 249; vgl. S. 51 FN 7. 7 Jus Statutarium S. 182; A 11 von 1501 siehe EA 3,11 S. 98; Schiedsspruch von 1512 siehe StiASG Bd. 1355 S. 467ff.; den Abschied von 1551 siehe aaO. S. 513. 8 Jus Statutarium S. 191; vgl. Abschied vom 20. Juli 1575 in StiASG Bd. 1355 S. 556f.; siehe auch Ab- schied vom 21. Jan. 1564 bez. Wylen aaO. S. 563ff. 9 Jus Statutarium S. 185; Abschied vom 5. Juli 1527 in EA 4,1,1 S. 11191it. k. 10 Jus Statutarium S. 186; während der von den KanIOnen im Entscheid von 1571 gewährten Einsprachefrist hätte niemand etwas dagegen vorgebracht; der Entscheid von 1534 war nicht aufzufinden, für den von 1571 vgl. StiASG Bd. 1355 S. 537f., Urkunde ist mit 21. Januar datiert, am 4. Juli wurde er bestätigt aaO. S. 539. 11 Jus Statutarium S. 186. -54-

wie auch die Kantone, obwohl sie die Landesherrlichkeit (jurisdictione Territoriali) in ihrem Gebiet besassen 1_ Diese Sonderregelung bewies klar, dass das Recht des Abtes auf den Fall ein anderes, qualitativ besseres und Ausdruck des "Dominium Altum Territoriale" war_ Pater Bern- hard folgerte auch daraus, die Malefiwrte hätten, trotz ihrer Lage im Thurgau, zur einen und gleichen Alten Landschaft gehört. Die erwähnten Entscheide hatten keine Anerkennung der verschiedenen Gebiete zur Folge gehabt, da weder Abtei noch Kantone irgendein Zugeständnis machten2• Im Gegensatz zu den anderen Herren konnte der Abt nach dem Schiedsspruch von 1501 auch den ganzen Fall aller zugezogenen Fremden, der "Landzüglin", beanspruchen, die in die- sen Orten starben3•

4.8 Die Bündnishoheit Dass dem Abt in den thurgauischen Besitzungen die Landeshoheit zukam, zeigte sich auch in der ihm dort zustehenden Bündnishoheit, die ja nur der Landesherr ausüben konnte4. Gegen das vor dem Einmarsch der Kantone abgeschlossene Burg- und Landrecht von 1451, in das auch die Thurgauer Gebiete eingebunden wurden, hätte Oesterreich, dessen Rechtsnachfolger die Eidgenossen wurden, nicht protestiert, obwohl ja damals diese beiden einander eher feind- lich gesinnt waren5. Beim Abschluss dieses Bündnisses verzichtete der Abt auf keines seiner Rechte. Im Gegenteil, die Beibehaltung derselben war Bedingung für den Bundesschluss. Der Abt wie auch die Eidgenossen blieben trotz dieser Bündnisse Reichsglieder, was dem Sinn des Bündnisses entsprach, das nur den Abt und seine Untertanen innert der von den Kaisern gewährten Vorrechten und Exemtionen schützen sollte: Dies hatten alle Orte beim Abschluss beschworen6. Die Unabhängigkeit der Abtei kam auch bei der Eroberung des Thurgaus von 1460 zum Ausdruck; Abt Ulrich Rösch schickte - nach Aufkündigung des mit Oesterreich geschlossenen Bündnisses - den Eidgenossen 200 Mann Truppen zu Hilfe? Dass das Haus Habsburg dies geschehen liess, war Zeichen der Eigenständigkeit des Stiftes: Die Eidgenossen konnten durch ihre Eroberung nicht mehr Rechte im Thurgau erwerben, als Habsburg besessen hatte8. Aus- serdem war der Abt 1460 ein Verbündeter der Eidgenossen: Die Kantone hatten also gar nicht gegen die Abtei gerüstetet und ihr auch keine Rechte entzogen; daher könnten sie aus dem Krieg nichts zu ihren Gunsten herleiten, obwohl sie es nun täten9.

4.9 Die Rechtsstellung der Eidgenossen im Thurgau 4.9.1 Das Verhältnis Abtei - Kantone Der Schiedsspruch von 1501 und dessen Erläuterung von 1567 bildeten die Grundlage für das gegenseitige Verhältnis und wurden später in vielen Zweifelsfällen beigezogenlO• Diese Schiedssprüche ergingen zwischen dem Abt und zehn Kantonen, nicht nur den sieben, die im

1 Jus Statutarium S. 152. 2 Jus Statutarium S. 152 u. 185. 3 Die Hoheit über die .. Landzüglin" (vagabundos) stand dem Abt zu (Jus Statutarium S. 153 u. 184; EA 3,II S. 98), über Uneheliche, weil es keine Klosterleute waren, den Kantonen (Jus Statutarium S. 182 u. 184; vgl. S. 53 FN 7). 4 Jus Statutarium S. 154: Als Beispiele führt er Bündnisse mit Frankreich, Spanien und Savoyen sowie das Bündnis mit Oesterreich von 1702 an. 5 Jus Statutarium S. 154f.; gestützt auf dieses Bündnis befreiten sich die Eidgenossen im Abschied vom 5. Juli 1571 (StiASG Rubr. 13 Fasz. 17) von neuen Zöllen, vgl. Jus Statutarium S. 187. 6 Jus Statutarium S. 196f. ? Jus Statutarium S. 195. 8 Jus Statutarium S. 155; vgl. auch Hasenfratz, Die Landgrafschaft Thurgau vor 1798, S. 91. 9 Jus Statutarium S. 195f.; vgl. Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 100 mitte. Siehe den 1. Grundsatz der Kantone vorne S. 47. 10 Jus Statutarium S. 175; so z.B. von den Kath. Orten auch noch im Jahre 1653. -55-

Thurgau regierten_ Man hatte "m die "aha omnino jurisdictione et de juribus Criminalibus" ge- stritten und nicht um die "Jura Territorialia"l. Bei allen Streitigkeiten zwischen der Abtei und Kantonen, die den Thurgau regierten, hatten nie die Kantone selber oder von ihnen eingesetzte Richter entschieden, sondern die Entscheide flillten immer von beiden Parteien gewählte Schiedsrichter. Dies sprach nach Bernhard Hannes dagegen, dass die Kantone in den Malefiz- orten die Territorialgewalt besassen. Die Schiedsurteile galten für alle Kantone, nicht nur für jene, die im Thurgau regierten2. Der ganze Streit, der wegen unglücklicher Wortwahl entstanden sei (Hochgericht und Landgericht seien verwechselt worden), wird von Pater Bernhard ausführlich beschrieben_ Da den sieben den Thurgau regierenden Kantonen die "jurisdictio Territorialis" schon "heimlich", wohl 1499 im Schwabenkrieg, zugekommen war, bedeutete die Stelle "hochGricht, und Land- gricht, die den 10 Cantonen gehören sollen", ein und dasselbe wie "Alta jurisdictio Crimina- lium ". Dies manifestierte sich noch deutlicher darin, dass den Kantonen nichts anderes als die Criminalia zugeteilt wurden, dem Abt als dem Landesherm dagegen die ganze Niedergerichts- barkeit3. Auch in Rapperswil verhandelten die Kantone 1512 wieder über die Niedergerichtsbarkeit des Abtes. Der Inhalt dieses Begriffes war aber schon 1501 geklärt worden: Man unterschied zwar die Gerichtsrechte der Eidgenossen bzw. der Abtei mit den Begriffen "Hohe und Niedere" Gerichtsbarkeit, weil diese Begriffe von den Schiedsrichtern verwendet wurden und auch nie andere in Gebrauch waren. Doch die dem Kloster zustehende Gerichtshoheit war nicht einfach eine niedere, wie viele andere Niedergerichtsbarkeiten auch, sondern nur bez. der Strafge- richtsbarkeit, der die Blutgerichtsbarkeit fehlte. Nur unter diesem Blickwinkel konnte man die Gerichtshoheit klein oder nieder, "minor seu inferior", nennen4•

4.9.2 Die Rechte der Kantone Die Oesterreicher und Eidgenossen übten in den Malefitzorten die ihnen zustehenden Herr- schaftsrechte kaum aus: Dies zeigte sich darin, dass keine Urkunden darüber vorhanden waren. Sie hatten zwar einige Mandate erlassen, diese waren aber teilweise schon wieder aufgehoben5• Die Kantone hatten sich nur die Criminalia vorbehalten6• Blutgerichtsfälle und andere schwere Kriminalfälle (Criminalia majora) fielen nicht in die Kompetenz des Abtes, d.h. wo äbtische Beamte und Richter tätig wurden, lagen keine Criminalia vor, wobei in den Verträgen genau umschrieben war, welches solche Fälle wären. Alle übrigen Vergehen, die weder explizit aufgeführt noch notwendigerweise zu den aufgeführten zu zählen waren und auch nicht als "Criminalia majora" eingeschätzt wurden, bestrafte der Abt immer selber7.

Jus Statutarium S. 157. 2 Jus Statutarium S. 144, 177 u. 179f.: Die Kantone verhielten sich vor diesen Schiedsgerichten wider- sprüchlich: Sie traten z.T. als Landesherren (Domini Territoriales) auf, z.T. nur als Teilhaber am "imperium merum", was ein freiwilliger Verzicht auf die ,,Jura Territorialia" war. 3 Jus Statutarium S. 158f.; Pupikofcr, Bd. II S. 136. In diesem Zusammenhang erwähnte Pater Bemhard den Vertrag von 1501 (EA 3,II S. 98ff.) und jenen von 1567 (StiASG Bd. 1355 S. 525ff.); vgl. für diese Kontroverse Hasenfratz, Die Landgrafschaft Thurgau vor 1798, S. 90ff.: Die Position der Abtei entspricht den Ausführungen Pater Bemhards, die Kantone stellten sich auf die gegenteilige Position. 4 Jus Statutarium S. 162 bzw. 20lf.; den Entscheid von 1501 siehe EA 3,lI S. 96ff., jenen von 1512 vgl. StiASG Bd. 1355 S. 467ff. und jenen von 1567 aaO. S. 525ff. 5 Jus Statutarium S. 136; Pater Bemhard führte als einziges Mandat, das die Kantone für den Thurgau er- Hessen, jenes gegen das Oberm!lssige Trinken von 1609 an (Jus Statutarium S. 825). Jus Statutarium S. 189ff. und 159; die auf den Seiten 189ff. angeführten ,Nicht-Straf-FäIle', die der Abt entschied, soUen belegen, dass sich die Kantone nur die Criminalia vorbehalten hätten. 7 Jus Statutarium S. 126, 128, 147 und 168; für Wuppenau sei dies 1563 noch gesondert bestätigt worden, Jus Statutarium S. 136 bzw. StiASG Bd. 6 S. 77ff. ·56·

Die Straffalle mussten aber Abt und Eidgenossen nach der Eroberung von 1460 weiterhin nach Konstanz weisen, weil dieser Stadt das "jus gladium " verpfändet blieb; deshalb wurde im Thurgau noch immer der Konstanzer Marterblock verwendetl.

4.9.3 Die Trennung der Gerichtshoheiten Im Anschluss an die Eroberung des Thurgaus forderten der Abt, Appenzell und Schaffhau- sen eine Beteiligung am "imperium merum", weil sie bei der Eroberung geholfen hatten. Das Kloster verzichtete schliesslich darauf, da dieses Recht idR von Kirchenfürsten an die Kaiser abgetreten wurde; im Nachhinein müsse man feststellen, wenn man es für die Malefizorte nach- haltiger gefordert hätte, wäre das äbtische Staatsgebiet geschlossener gewesen, und der jetzt bestehende Streit wäre gar nicht erst entstanden2. Die Trennung von Gerichtshoheiten war nichts Ungewöhnliches, denn es kam im Reich und auch in der Eidgenossenschaft vor, dass ein Herr die Strafgerichtsbarkeit besass, ein anderer die Territorialgewalt3: So war es auch im Thurgau, wo acht Kantone die Territorialhoheit aus- übten, Freiburg und Solothum nur bei den Kriminalfällen mitredeten, aber weder Landvögte entsenden noch an der Verwaltung teilhaben konnten4. Die Kantone hatten auch 1699 im Rhein tal sehr dezidiert zwischen Strafgerichtshoheit und Territorialhoheit unterschieden5. Anderseits habe bisher die Trennung, als andere "fremde" Mächte das" imperium merum" ausübten, dem Kloster keine Nachteile gebracht Die Immunität der Abtei von fremden Gerich- ten wurde von der ersten Verleihung von 818 bis zur letzten, 1766 durch Joseph 11. von Oe- sterreich, immer wieder bestätigt; zudem war sie auch aus den Offnungen der verschiedenen Gerichtsgemeinden ersichtlich, die vor wie auch nach 1499 abgeschlossen worden waren. Frii- her wurde die Exemtion des Klosters auch noch von den Kantonen beachtet6.

4.10 Das Strafrecht 4.10.1 Das Strafverfahren Bei Anhebung der Strafuntersuchung wurde entschieden, ob es sich um einen sog. "Crimi- nalia"-Fall handelte, der in die Kompetenz der Kantone gefallen wäre. Wurde er für nicht ma- lefizisch angesehen, wies man ihn an das äbtische Niedergericht Die Appellation gegen einen solchen Entscheid ging bis zum obersten äbtischen Gericht Auch der Landvogt musste gege- benenfalls solche Entscheide vor das Hofgericht ziehen? Den Kantonen kam nämlich in den Malefizorten keine Gerichtshoheit zu, sie hatten nur für die Vollstreckung besorgt zu sein.

Jus Statutarium S. 196; Bestätigung bei B. Meyer, Die Durchsetzung eidgenössischen Rechtes im Thurgau, S. 141 u. 143: "Die Eidgenossen erhielten also keinerlei Blutgericht"; zur Trennung der Gerichtshoheiten vgl. aaO. S. 166 FN 101. 2 Jus Statutarium S. 199f.; vgl. auch Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 104 sowie EA 3,1 S. 641 Iit. e u. S. 645 Iit. I. 3 Jus Statutarium S. 202; er führt einige Beispiele an; ausserdem seien heute ja vier ,,Jurisdictiones" bekannt und würden von den "Civilistes" unterschieden (vgl. S. 203f.): 1. Jurisdictio Alta Criminalis, Die Malefitz, oder die so genante hochhaiLIiche herrlichkeit 2. Jurisdictio suprema terriLOrialis, die hoche LandsObrigkeit 3. Jurisdictio Bassa, die Niderc Gerichtsbarkeit 4. Jus Regalia, das früher den Kaisern und Königen zukam, heute aber zur Jurisdictio Territorialis gezählt wird. 4 Jus Statutarium S. 203. 5 Jus Statutarium S. 204; Welchen Abschied Pater Hannes meint, war nicht festzustellen. Vgl. aber Wyss- mann, ReChtsgeschichte des Rheintals bes. S. 134ff., der aufzeigte, dass dort ähnlich verwickelte Herr· schaftsstrukturen wie im Thurgau bestanden. 6 Jus Statutarium S. 200. Jus Statutarium S. 142f.; 1698 habe Baron von Rüeplin den Fall des Ulrich Eggmann appelliert, unter Ver- weis auf die Hofgerichtsprotokolle. Beim sog. möglichen Rechtsstreit vom 17. April 1700 und bei einer Appellation wegen eines Diebstahls von zwei Bürgern von Sommeri am 16. Mai 1727 sei es gleich ge- handhabt worden. -57-

Die Strafuntersuchung führte immer der Abt; so regelte das Schiedsurteil von 1567 genau, wie die Strafuntersuchung bei Friedbruch zu erfolgen hattel . 1680 legten die Kantone und der Abt fest, dass der Landvogt und die Beamten des Abtes sich bei Strafuntersuchungen ge- genseitig informieren und nicht eigenmächtig handeln dürfen2• Die Auslieferung von Straftätern musste an der Grenze erfolgen, da der Landvogt äbtisches Territorium nicht betreten durfte, was wieder klar bewies, dass die äbtischen Gebiete nicht zum übrigen Thurgau gehörten3•

4.10.2 Die Straftatbestände Pater Bemhard Hannes führt eine grössere Zahl von Strafnormen4 an, die in der Kompetenz des Abtes lagen. Damit wollte er auch wieder die Selbständigkeit und Souveränität des Abtes in den Malefizgerichten belegen. Der Thurgauische Landvogt konnte von einem Täter, der einen anderen Gotteshausmann ge- tötet hatte, auf "sinem verlassenen gut" greifen; wenn der Uebeltäter wieder Klostergebiet be- trat, konnte ihn der Abt nach Inhalt der Dffnungen erneut strafen oder auch noch auf sein Ver- mögen greifen5• Die Bestrafung von Verbrechen, wie Totschlag, Diebstahl, Haeresie, Raub und anderer bö- ser Untaten, die durch Fremde begangen wurden, war ausführlich geregelt. Wenn klare Bewei- se für seine Täterschaft vorlagen, wurde der Verdächtige direkt dem Landvogt ausgeliefert; andernfalls wurde er zuerst examiniert. Wenn das Vermögen eines Uebeltäters eingezogen wurde, waren zuerst bestehende Schulden und die Verfahrenskosten des Abtes zu begleichen6• Für die Bestrafung des Friedbruchs, der "Laesio Pacis", war bei der Verletzung mit Worten der Abt zuständig, der Landvogt, wenn sie" apere" geschah. Der Landvogt musste auch den bestrafen, der sich nicht an Friedgebote hielt. Die Bestrafung von Ehrverletzungsdelikten war in Art. 1 des Entscheides von 1567, den Pater Bemhard abschrieb, detailliert geregelt7• Das Verschieben von Grenzsteinen und das Fälschen von Massen wurden vom Landvogt bestraft, nachdem das zuständige äbtische Dorfgericht den Fall untersucht halte8• Der Abt strafte, obwohl sich die Kantone dagegen wehrten, den einfachen Ehebruch. Einen von den Kantonen gegen diese Praxis erlassenen Abschied wies er zurück, weil er von Richtern in eigener Sache gefällt wäre. Danach hätten auch die Landvögte den Ehebruch zu bestrafen begonnen; im Jahre 1723 wurde darüber eine Konferenz in Wil abgehalten; da man sich nicht einigen konnte, blieb der bisherige Zustand bestehen9• Die Bestrafung der Maleftkanten hing von der Wachsamkeit der äbtischen Beamten ab, die solche Leute dem Landvogt übergeben mussten, wozu sie eidlich verpflichtet warenlO• Auch die äbtischen Untertanen wurden in ihrem Eid verpflichtet, alles dem Landvogt zu melden, was in seine Kompetenz fiel 11.

Jus Statutarium S. 164 u. 172f.; A 2 des Schiedsspruchs von 1567 (EA 4,11,2 S. 999 Art. 146) iVm dem von 1501(EA 3,11 S. 98). 2 Jus Statutarium S. 176f.; Abschied vom 30. Juni (nicht 17. Juli) 1680, EA 6,11 S. 1171 Art. 167. 3 Vgl. Jus Statutarium S. 171. 4 Sofern keine andere FundsteIle erwähnt ist, finden sie sich auf den Seiten 168-177 des Jus Statutarium. 5 Jus Statutarium S. 146; A 5 von 1501 vgl. in EA 3,1I S. 98. 6 Schiedsspruch von 1567, der jenen von 1501 (EA 3,1I S. 96ff.) präzisicn, EA 4,1I,2 S. 999 Art. 146; und auch Abschied vom 19. Juni 1551 vgl. StiASG Bd. 1355 S. 514. 7 Jus Statutarium S. 172f. und 175; Schiedsuncil von 1501 (EA 3,11 S. 97) bcstiltigt 1567 (StiASG Bd. 1355 S. 525ff.); A 13 von 1501 (aaO.) gestattete dem Abt bzw. dem Landvogt, den Leuten, die vom anderen Gebiet zu Hochzeiten oder Kirchweihen kamen, friedfertiges Verhalten zu befehlen. 8 Jus Statutarium S. 173; A 7 u. 8 von 1501 in EA 3,II S. 98. 9 Jus Statutarium S. 148; Diese Abschiede waren nicht aufzufmden. 10 Jus Statutarium S. 148; Vergleich von 1567 in StiASG Bd. 1355 S. 528f. 11 Jus Statutarium S. 176; A 12 von 1501 in StiASG Bd. 1355 S. 465. -5B-

4.10.3 Das Strafrecht gemäss den Friedensverträgen von 1712 und 1718 Bei der Wiedereinsetzung des Landvogtes wurde festgelegt, dass die bisherigen Vereinba- rungen zum Strafrecht zwischen den Orten in Kraft blieben. Ebenso wurden die Entscheide früherer Landvögte nicht geändert; ausser die Betroffenen konnten neue Tatsachen geltend ma- chen, dann war eine Wiederaufnahme möglich. Aus dem Vermögen von zum Tode Verurteilten waren zuerst die gesetzlichen Schulden zu bezahlen, der Rest fiel an die Staatskassel . Der Friedensvertrag von 1712 verbot in den Gebieten, in denen ein Landvogt die oberste Regierungsgewalt ausübte, jegliche geheimen Anklagen und Zeugeneinvernahmen. Lediglich bei politischen Unruhen durfte er geheime Untersuchungen durchführen. Zeugeneinvernahmen hatten aber vor dern zuständigen Gericht zu erfolgen2•

4.10.4 Die Folgerungen aus den Strafrechtskompetenzen Aus den Strafrechtskompetenzen in den Malefitzorten zog Pater Bernhard staatsrechtliche Schlussfolgerungen3: Er behauptete, die dem Abt in Strafsachen zukommende Gewalt sei Zei- chen für seine "Jurisdictio territorialis" in den Malefizorten. Daf"ür sprächen die dargestellten weitgehenden Befugnisse des Abtes in der Strafuntersuchung: Verhaftung, Folterung, Auslie- ferungsrechte4 und die pflicht des Landvogtes, an den Abt zu appellieren5. In dieser Argumentation zeigt sich das altertümliche, dem Hergebrachten verhaftete juristi- sche Denken des Verfassers: Das Strafgericht, einst wichtigstes Gericht und Symbol für die Staatsgewalt, wurde am ausführlichsten behandelt und diente noch im ausgehenden 18. Jahr- hundert zur Begründung der Landeshoheit. Die Ausführungen von Pater Hannes wiederspie- geln folgende Grundhaltung: Faktisch übte ja der Abt alle Rechte eines Landesherrn in seinen thurgauischen Malefizorten aus; er war der wahre Herrscher. Die Kantone dagegen besassen nur das Recht über die Blutgerichtbarkeit, das keine grosse Bedeutung hatte. Ausserdem waren die anderen Ansprüche der Kantone nur angemasst; sie hatten kein Recht darauf.

4.11 Die Grenzverträge Die Behauptung der Kantone, die Grenzverträge würden die äbtischen Orte im Thurgau von den anderen Orten des Stiftes trennen, war falsch. Man musste bei den Grenzziehungen im Thurgau genau unterscheiden, welche Grenzlinien betrachtet wurden. Die Grenzen waren, soweit man die Malefizorte zum übrigen Thurgau zählte, nicht Grenzen, um die zwei Territorien zu scheiden, sondern es waren Grenzen, die nur die Strafgerichtsbar- keiten abgrenzten (es sind Malejitz, und keine Landmarken); die Aebte hatten nur unter diesen Voraussetzungen die Grenzverträge abgeschlossen. Auch dort, wo diese Orte an die Alte Land- schaft anstiessen, waren es keine Landesgrenzen, sondern wieder Grenzen, welche lediglich die Kriminalhoheit schieden6; nur wo sie die Malefizorte vom restlichen Thurgau abtrennten, wurden sie mit Recht als Landesgrenzen bezeichnet7• Ueber die Abgrenzung der verschiedenen Hoheitsrechte im Thurgau wurden mehrere Ver- träge geschlossen, der erste schon 1501 unter Abt Gotthard: Es war nicht dessen Ziel, die Herrschaftsgebiete aufzuteilen, sondern nur zu regeln, wo dem Abt die Blutgerichtsbarkeit zu- stand und wo den Kantonen, damit nicht äbtische Untertanen vor ein Gericht der Kantone ge-

1 Ius StalUtarium S. 825; SliASG Bd. 6 S. 222. 2 Ius StalUtarium S. 817; vgl. StiASG Bd. 5 S. 221. 3 Ius StalUtarium S. 177-180. 4 Vgl. z.B.lus StalUtarium S. 171. 5 Vgl. Jus StalUtarium S. 142f. 6 Er führt diese Grenzen im lus Statutarium auf S. 206 an. 7 Ius StalUtarium S. 205f.; diese Grenzen werden auf den Seiten 206-208 aufgezlihlL ·59· bracht würdeni. Eine nächste Vereinbarung aus dem Jahre 1553 ordnete die Grenzen zwischen dem Toggenburg und dem Thurgau bez. der Hohen Gerichtsbarkeit. Weitere Grenzbereini· gungen erfolgten 1691/92 und 17222•

5. Verhältnis zur Alten Landschaft Da der Thurgau und die Alte Landschaft eng verflochten waren, mussten deren Herren öfters Rechtsprobleme lösen, welche beide Landschaften betrafen. Die den Thurgau regierenden Orte beschlossen 1581 für Auswanderer folgende Regelung: Wer aus der Alten Landschaft in den Thurgau zog, musste sich zuerst von der äbtischen Leib· eigenschaft loskaufen, wie auch die Thurgauer sich von der ihrigen befreien mussten, wenn sie in der Alten Landschaft Wohnsitz nehmen wollten3• Die Eidgenossen entschieden 1559 und 1577 bez. des Falls beim Auswandern, dass dem Landvogt dieser auch dann zu erbringen war, wenn jemand den Thurgau verlassen hatte und am neuen Ort Eigenmann eines anderen Herren geworden war4. Wer als freier Mann aus dem Thurgau ins Klostergebiet zog und dort ohne legitime Erben starb, dessen Fall stand dem Abt zu; im umgekehrten Fall fiel er den Kantonen zu5• Der Fall von Unehelichen, die aus dem Thurgau in äbtisches Gebiet zogen und ohne eheliche Nachkommen starben, fiel dem Abt zu, der Rest des Erbes den Kantonen; zog jemand in den Thurgau, war es umgekehrt6•

11. Die Orte im Besonderen 1. Die Malefizorte 1.1 Grundsätzliche Bemerkungen Auf den Seiten 211 bis 259 werden jene "Malejitz Orth" bzw. "loca mtllijicata" genannten Gerichte einzeln dargestellt, in denen dem Abt die .,furisdictio supremtl Teritorialis" zukam, also eine ähnliche Stellung wie in der Alten Landschaft7• Pater Bernhard Hannes hob in seinen Ausführungen zu den Gerichtsgemeinden im Beson- deren die in der ersten These8 erwähnten älteren Rechte des Klosters9 stark hervor. Ausführli- cher als im Kapitel über die Alte Landschaft wurde der Erwerb der Orte beschrieben: Pater Bernhard führte viele Urkunden und Quellen an; er wies sogar auf Urkunden hin, die vor der ersten hnmunitätsverleihung von 818 ausgestellt wurden 10. Der Erwerb der einzelnen Gerichte erfolgte zum grössten Teil vor der Eroberung des Thurgaus durch die Kantone im JaiJre 1460, z.T. sogar vor der Entstehung der Eidgenossenschaft. Wenn der Erwerb in Teilschritten erfolgt

1 Jus Statutarium S. 128 u. 205; vgl. EA 3,11 S. 96f. Einleitung des Spruches von 1501; vgl. auch Pupikofer Bd. 11 S. 133ff. 2 Jus Statutarium S. 205f.; Die Grenzziehung von 1553 vgl. StiASG Bd. 6 S. 65; jene vom 24. April und 7. Mai 1691 sowie vom 9. Juni 1692 aaO. S. 142ff.; von 1722 aaO. S. 197ff. 3 Jus Statutarium S. 26, Abschied vom 16. Juni 1581 in StiASG Bd. 5 S. 197f. 4 Jus Statutarium S. 27; Abschiede von 1559 und 1577 waren nicht aufzufmden. 5 Jus Statutarium S. 184; A 5 (nicht 6) von 1567 in EA 4,11,2 S. 999 Art. 146. 6 Jus Statutarium S. 185; Abschied vom 4. Juli 1571 vgl. StiASG Bd. 1355 S. 540 bez. Erbe, jenen vom 21. Jan. 1571 StiASG Bd. 6 S. 106 bez. Fall. 7 Vgl. Jus Statutarium S.16ff. bzw. vorne § 7 C) S. 34ff. 8 Vgl. Jus Statutarium S. 132; wie auch vorne § 7 D) 1. 2.1 S. 47. 9 Jus Statutarium S. 210. \0 Dies ist z.B. bei folgenden Orten der Fall: Beim Schneckenbund eine Urkunde von 705 im Jus Statutarium S. 222; bei Rickenbach aus den Jahren 754 u. 775 auf S. 226; bei Romanshorn aus dem Jahre 779 auf S. 246; bei Kesswil aus den Jahren 771, 775, 806, 807 u. 817 auf S. 254. vgl. auch Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 17, der schreibt, dass die Uebertragungen nie grössere Komplexe betrafen, sondern idR einzelne Güter, was mit den Ausführungen im Jus Statutarium übereinstimmt. -60- war, führt Pater Bernhard die einzelnen Teilerwerbungen mit den entsprechenden Jahrzahlen an I; auch dies ist wieder ein Beispiel für seine genaue Arbeitsweise. Neben den Rechten, welche die Abtei schon vor der Eroberung durch die Eidgenossen von 1460 besessen hatte, führt er auch jene Rechte an, die sie erst danach erwarb oder zugesprochen erhielt. Die Ausübung der ersteren Rechte sei bis zur Zeit der Habsburger im Thurgau un- angefochten gewesen. Da die Eidgenossen das Erbe der Habsburger angetreten hätten, wären auch sie gehalten, es beim alten Herkommen zu belassen: Sie hätten nämlich durch die Erobe- rung keine neuen Rechte gewonnen. Die Ausübung der Rechte, die das Kloster seit dem Einmarsch innehatte, hatten die Kantone bisher toleriert bzw. der Abtei in Schiedssprüchen ausdrücklich zuerkannt. Deshalb könnten die Kantone nun nicht Rechtspositionen für sich beanspruchen, die sie bisher widerspruchslos dem Stift überlassen hätten. Dies sei eine faktische Anerkennung der stiftischen Rechtsstellung ge- wesen. Ausserdem könnten sie nicht von Entscheiden, in denen sie dem Kloster Kompetenzen zugesprochen hätten, plötzlich abweichen und erklären, sie hielten sich nicht mehr daran. Pater Bemhard Hannes versuchte auch im besonderen Teil zum Thurgau zu beweisen, dass die Rechte der Abtei als die älteren jenen der Eidgenossen vorgehen; was er vorne über die Ma- lefizorte im Allgemeinen erläutert hatte, wurde somit in diesem Abschnitt für jeden Ort einzeln beleuchtet und wiederholt.

1.2. Die einzelnen Malefizorte 1.2.1 Sommeri Das zum Landeshofmeisteramt2 gehörende Gericht Sommeri wurde in Teilschritten erwor- ben, indem das Kloster seit dem 10. Jahrhundert immer wieder mit einzelnen Gütem beschenkt wurde3• In den folgenden Jahrhunderten fanden weitere Uebertragungen von Gütern und Untertanen statt. Im Jahre 1471 kaufte Ulrich Rösch die Vogtrechte in Obersumeri und Kumbertshausen; das erste war ein ehemaliges Konstanzer Lehen, das letzte eine freier Hof. Er erwarb 1474 auch Niedersumeri, so dass er nun überall .. Gricht, Zwing und Bänn" besass; für alle Orte schuf er dann im gleichen Jahr auch die erste Offnung4, die mit jener von Tablat identisch ist. Anno 1543 erneuerte Abt Diethelm Blarer bei der Vereinigung mit Hemerschwil die Offnung von Sommeri5• Zu den Käufen von 1471 und 1474 bemerkte Bernhard Hannes, dass sie nach dem Ein- marsch der Eidgenossen erfolgten. Weil Abt Ulrich vm. aber die Territorialhoheit schon vorher ausgeübt hatte, stand sie jenen nicht zu: Dies zeige sich darin, dass Sommeri auch in das Burg- und Landrecht von 1451 aufgenommen worden war und anno 1490 und 1525 gemahnt wurde, seinem natürlichen Herrn, dem Abte, zu gehorchen. Es ergebe sich auch aus den Schiedssprü- chen von 1501 und 1567, dass dieses Gericht, wie auch die anderen Malefizorte, unter der Ter- ritorialgewalt des Abtes stand; wenn auch wenige Belege über die frühesten Erwerbungen vor- lägen, sei die langandauernde Praxis und Uebung dafür Beweis genug6•

Bei Rickenbach sind es 5 Verweise aus den Jahren 754 bis 837 auf S. 226 des Jus StalUtarium; bei Sitterdorf drei von 786, 787 und 868 auf S. 242; bei Kesswil sogar 25 zwischen 763 und 910. 2 Vgl. Jus S\alUtarium S. 130 bzw. Anhang 2 S. 163f. 3 Jus StalUtarium S. 211: die erste Uebertragung datien Pater Bemhard von 905. 4 Offnung von 1474 siehe StAZH Dok 2/100; vgl. auch Müller. Offnungen. S. 200. 5 Jus Statutarium S. 212-215; Original der Offnung von 1543 StAZH Dok 5/117; vgl. Müller. Offnungen. S. 39 u. 200 sowie S. 26 FN 53: 1711/27 wurde für Hemerschwil eine sog. Dorfordnung erlassen. Die Be- gründung für die Neufassung von 1543 war: .. die alt Offnung von elite bres1hafft was" (Müller, Offnungen S. SO). 6 Jus Statutarium S. 213f. u. 473; Entscheid von 1490 vgl. Edition. S. 269: Sommeri wird hier in der Vorrede zum äbtischen Territorium gezählt. wie auch im Entscheid von 1501 in EA 3,11 S. 97 und von 1525 zu Rapperswil in Edition. S. 225 lit. a. jenen von 1567 vgl. StiASG Bd. 1355 S. 525ff. - 61 -

Bezüglich der Verkündigung von Mandaten waren zwei Fälle aus Sommeri besonders er- wähnenswertl : Der Abt bestrafte 1571 einen Landgerichtsdiener, der eigenmächtig in der Kir- che von Sommeri Mandate verkündete, sowie 1650 den refonnierten Pfarrer, der ebenfalls ei- genmächtig Mandate verkündete. Die Einwohner von Sommeri mussten jeweils für die Mandatsverkündigung nach Täschli- hausen kommen. Im Jahre 1688 wurde ihnen als Erleichterung erlaubt, die Verkündigung der Mandate in ihrer eigenen Kirche anhören zu dürfen; 1724 wurde dieses Vorrecht widerrufen, da die Versammlung in Täschlihausen, das im Gebiete der Alten Landschaft lag, Zeichen war, dass Sommeri nicht in den Thurgau gehörte, sondern zu den äbtischen Landen2•

1.2.2 Orte, die im Wileramt lagen 1.2.2.1 Das Berggericht und weitere Orte In einem Paragraphen behandelt Bernhard Hannes das sogenannte Berggericht, das die Bergknechte, Wuppenau, Wilen, Ambtenzell, Waiblingen, Buwil und weitere Malefizorte um- fasste; der Hof Moos war wegen seiner Aehnlichkeit mit Buwil auch ein Teil dieses Gerichtes. Die Offnung für alle Orte datierte aus dem Jahre 14953, in welchem auch die Offnungen der in der Alten Landschaft gelegenen Orte des Wileramtes geschaffen wurden. Die Vorrede der Offnung des Berggerichtes war besonders wichtig, weil sie das Fehlen von Uebertragungsur- kunden behob: Diese Orte hatten von altersher zum Klosterstaat gehört, waren aber durch Krie- ge und Unruhen losgelöst worden. Der Zweck dieser Offnung war es, wieder zu ennöglichen, dass sie dem Kloster treu bleiben könnten und vor Ungemach geschützt würden4• In Buwil übten die Abtei und der Freiherr von Sax Herrschaftsrechte aus. Zur Zeit des Ein- marsches der Eidgenossen in den Thurgau schlossen sie einen Vertrag über die Aufteilung der gegenseitigen Rechte. Das Kloster machte hier, gestützt auf die Immunitätsprivilegien und an- dere Verträge, das Recht geltend, Mandate und Verbote erlassen zu können. Diese Befugnis wollte Abt Franz 1512 vor einem eidgenössischen Schiedsgericht beweisen, weil die Eidgenos- sen sie in Frage gestellt hatten. Da schliesslich die Kantone doch noch "die Sach also ston las- sen" wollten, konnte die Abtei ihre bisherigen Rechte weiterausüben5.

l.2.2.2 Das Schnecken bund-Gericht Der Obere und Niedere Schneckenbund gehörten zum Wileramt. Da sie aber auf Gebiet la- gen, das zum Thurgau gehörte, standen die Criminalia den Kantonen zu6. Hier, im Berggericht, in Wuppenau und in Rickenbach waren den Einwohnern bei der jähr- lichen Verkündung der Mandate folgende zwei Bestimmungen zusätzlich vorzulesen7: Jede Grenzänderung war, sobald sie vor Niedergericht bestätigt worden war, dem Landvogt zu mel-

1 Jus Statutarium S. 136f.; Die Entscheide von 1571 und von 1650 waren nicht aufzufinden. 2 Jus Statutarium S. 139. Das Begehren der Bewohner von Sumeri findet sich in StiASG X 38, Nr. 28. Die Aufhebung, die von Müller, Landsatzung und Landrnandat S. 170 FN 35 nicht erwähnt wird, konnte auch nicht gefunden werden. Täschlihausen liegt im Gebiet der heutigen Gemeinde Häggenschwil und damit vollständig in der Alten Landschaft (Geographisches Lexikon, Bd. 5 S. 750). Zeigte sich darin nicht die Hoheit und Herrschaft des Abtes in den thurgauischen Orten, wenn Untertanen aus dem Thurgau zur Huldigung in die Alte Landschaft kommen mussten. 3 Jus Statutarium S. 216; Müller, Offnungen S. 201 schreibt, dass das Druckexemplar diese Jahrzahl trage (StAZH Dok 14/218), tatsächlich aber 1497 geschaffen wurde. 4 Jus Statutarium S. 216f.; es waren AnsprUche des thurgauischen Landgerichts abzuwehren, vgl. Müller, Offnungen S. 39 und im Jus Statutarium S. 217: ..... gravati fuerint mit Ladung, und Frechtung der Land- grichtsknechten; ...". 5 Jus Statutarium S. 218-20; StiASG Bd. 1355 S. 467ff.: Genaue Darstellung des Verlaufs der Schiedsge- richtsverhandlung (vgl. S. 66 FN 4). 6 Jus Statutarium S. 7 bzw. 12 und 130; auch dieses Gericht war aus mehreren Orten zusammengesetzt, vgl. Müller, Offnungen S. 39 und 194: Trungen, Bronschhofen, RossrUti. 7 Jus Statutarium S. 223; vgl. Text auch StAZH Dok 14/221b. -62- den; und jeder Einwohner musste Kraft des Eides dem Landvogt alles anzeigen, was in dessen Kompetenz fiel.

1.2.2.3 Hosenrock und Rüedewil Abt Pius verfasste in diesem Gericht die Niedergerichtsbarkeit 1649 neu, da wegen verwor- rener Besitzverhältnisse die Grenzen neu bestimmt werden mussten. Die übrigen Rechte wur- den belassen. Mit der Stadt St. Gallen wurde ein Vertrag abgeschlossen, weil auch deren Herr- schaft Bürglen betroffen war!.

1.2.2.4 Rickenbach, Wilen und Busswil Auch in diesen Höfen gelangte das Kloster durch viele einzelne Uebertragungen seit dem 8. Jahrhundert zu Grundeigentum2• Das früher eigenständige Gericht Busswil wurde erst 1506 erworben und mit dem Gericht Rickenbach vereinigt3. Die Offnung für Rickenbach datiert Pater Hannes mit 1495. Diese Offnung enthält stadt- rechtliche Elemente, da Anlass für ihre Errichtung ein Streit zwischen Abtei und Untertanen über die Fasnachtshühner war, den Schulthess und Rat von Wil als Schiedsrichter entschie- den4• Darin wurde der Abt als "ein rechter Herr, über Gricht, Zwing und Bän" angesprochen5• Es waren auch Tagesfronen aufgeführt, und zwar musste man seine persönliche Arbeitskraft und die seiner Haustiere einmal jährlich zur Verfügung stellen. Wer einen Wagen sein Eigen nannte, musste damit jährlich je ein Fuder Heu und Emd dem Vogt zu Schwarzenbach ab- liefern. Dies bestätigten die Rapperswiler Schiedssprüche von 15256•

1.2.2.5 Hüttenschwil und Umgebung Hüttenschwil selber gelangte im 8. Jahrhundert ins Eigentum des Klosters, doch wurde es im 13. Jahrhundert verpfändet. Beim Rückkauf Mitte des 15. Jalrrhunderts konnte das Kloster nicht mehr die vollständige Niedergerichtsbarkeit sein Eigen nennen, was sich im Schiedsent- scheid von 1467 deutlich auswirkte7• Das Schiedsurteil regelte das Verhältnis zwischen dem Stift und dem Vogt der SI. Gallischen Herrschaft Bürglen, die nach diesem Urteil in Hüttenschwil die Herrschaft teilweise gemeinsam auszuüben hatten. Es wurden das Vorgehen bei Strafurteilen, die Verteilung der Bussen, die Strafkompetenz des Ammanns von Bürglen sowie die Abgaben- und Steuerpflicht geregelt. Die von Abt Joachim 1588 für diesen Ort erlassene Offnung bestätigte grösstenteils die Ver- einbarung von 1467; die Frage der Kompetenzen des Ammanns bei der Bestrafung von Fried- brüchen wurde auch in diesem Erlass nicht entschieden8. Der Schiedsspruch von 1467 und die Offnung von 1588 regelten die Eidpflicht detailliert. Die Untertanen mussten sowohl dem Abt als auch dem Vogt von Bürglen schwören, doch beide Eide sollten keinen Einfluss auf den jeweils anderen haben. Pater Bernhard schloss daraus, dies

! Jus Statutarium S. 224; Die genauen Grenzen seien im sog. "Markenbuch" enthalten; Eine Abschrift dieser Vereinbarung vgl. StadtASG BOA Bd. 3 S. 418. 2 Jus Statutarium S. 226f. 3 Jus Statutarium S. 230. 4 Jus Statutarium S. 227ff.; Müller, Offnungen S. 91 u. 12lf. datiert sie auf 1485: sie sei ein Sonderfall innerhalb der äbtischen Offnungen, da sie stadtrechtliche Elemente enthalte; Offnung siehe StiASG Bd. 1032 S.73. 5 Jus Statutarium S. 227. 6 Jus Statutarium S. 229; Edition, S. 246f. 7 Jus Statutarium S. 231; der Schiedsentscheid ist auf den Seiten 231-236 aufgeführt; Abschrift siehe StadtASG BoA Bd. 1 S. 15ff. Jus Statutarium S. 232f.: Müller, Offnungen S. 59 u. 202 schreibt nur von einer Offnung, die 1685 erlassen wurde, vgl. auch StiASG Rubr. 13 Fasz. 25 oder Rubr. 53 Fasz. 1. - 63- sei Ausdruck der Territorialhoheit und höheren Gerichtsbarkeit des Abtes, im Gegensatz zur Niederen Gerichtsbarkeit, die dem Vogt von Bürglen zukommeI. Im Jahre 1467 gliederte das Stift auch noch Katzensteig, Blasenberg, Siebenhausen sowie Aich in dieses Gericht ein; 1571 wurde noch Enetach gekauft2• Die ersten vier Orte waren mit "Gricht, Zwing und Bän" und allen Lasten erworben worden, die auch die anderen Hofgüter in Hüttenschwil zu leisten hatten. Die Vorrechte Ulrich Engelis in Enetach löste das Kloster erst 1651 flir 160 Gulden ab; die Herren von Roll aus Mammern dagegen behielten ihre Gerichts- hoheit auf zwei Plätzen in diesem Ort3.

1.2.2.6 Das Freigericht Dieses Gericht hiess auch das Thurlindengericht, weil die Gerichtssitzungen ursprünglich unter einer Linde an der Thur stattgefunden hatten. Sein Gerichtsbezirk umfasste Orte im Thur- gau, aber auch in der Alten Landschaft. Die Gerichtssitzungen hatte Abt Franz nach Wil verlegt, ohne aber damit an der Rechtsordnung dieses Gerichtes etwas zu ändern. Dass weder die Rechte des Abtes, der Kantone noch der Gerichtsgenossen berührt wurden, bestätigte ein 1511 in Rapperswil ergangener Entscheid der Kantone4•

1.2.3 Sitterdorf In diesem Gericht im Oberbergeramt erhielt das Kloster schon im späten 8. Jahrhundert sein erstes Eigentum; vom 13. bis zum 15. Jahrhundert war es als Lehen ausgegeben5_ Die Sitterdorfer waren dem Abt gegenüber anscheinend aufsässige und eigensinnige Un- tertanen gewesen. Immer wieder machten ihre Ungehorsamkeiten, wie der Streit von 1535 um die Strafkompetenzen6 und vor allem derjenige von 1652 um die Entblössung des Kopfes beim Abendläuten7, Interventionen der Eidgenossen nötig. Die Kantone gaben - nach der Aufstel- lung von Bernhard Hannes - in ihren Entscheiden dem Abt und damit seinen Rechtsauffas- sungen Recht. Die "acatholischen" Sitterdorfer weigerten sich, beim Läuten zum Englischen Gruss den Kopf zu entblössen. Der Abt stützte sich auf die Verträge von 1501 und 1567, die ihm die Bestrafung von regionalen Friedbrüchen zuerkannten. Die Kantone schützten schliess- lieh die Position des Abtes unter Berufung auf die beiden Schiedssprüches. Auch die Sit- terdorfer hätten dann eingesehen, dass sie dem Abt Gehorsam schuldig wären und ihm gelobt, in Zukunft gehorsam zu sein. Der Ausgang dieses Streites diente Bemhard Hannes als instruk- tives Beispiel daflir, dass dem Abt die Landesherrlichkeit zukam9. Im Zusammenhang mit diesem Disput schrieb Pater Bernhard über die grundSätzliche Stellung der Protestanten im Klostergebiet: Ihnen war die freie Religionsausübung gestattet.

1 Jus Statutarium S. 235f. 2 Jus Statutarium S. 237 bzw. 238. 3 Jus Statutarium S. 238f. 4 Jus Statutarium S. 240f.; vgl. Müller, Die Offnung des Freigerichts Thurlinden, Offnung siehe Rq I, S. 638; Entscheid vgl. Rq I, S. 647f. (Reg.). 5 Jus Statutariurn S. 242; bez. Rücknahme vgl. Müller, Offnungen S. 201. Aus dieser Gerichtsgemeinde ist keine Offnung überliefert, Müller, Offnungen S. 31. 6 Jus Statutariurn S. 243; Entscheid von 1535 siehe StAZH Dok 9n6. 7 Jus Statutarium S. 243ff.; bez. des Vorgehens des Abtes siehe die Befragungsprotokolle vom 25. Okt 1652 in StiASG Rubr. 13 Fasz. 23. S Bez. dieses Streites vgl. Müller, Landsatzung und Landmandat S. 197 unter Verweis auf EA 7,1 S. 113, 123ff., 129f., 133 und 138. 9 Jus Statutarium S. 244f. -64-

1.2.4 Die Orte im Romanshornerarnt 1.2.4.1 Romanshorn Hier erwarb das Kloster den ersten Grundbesitz im 8. Jahrhundert. Nachdem im 14. Jahr- hundert die Vogtei Romanshorn das erste Mal verliehen worden war1, musste Abt Kuno in den Appenzellerkriegen wegen Geldmangels die Nutzniessung wieder verpfänden; dem Stift ver- blieben nur Lehenshoheit und Territorialgewalt auf ewig bis zur Wiedereinlösung2• Dies geht aus Urkunden von 1432 hervor, als Abt Eglolf mit Hilfe der Romanshorner das Gericht wieder auslöste. Zum Dank für ihre Unterstützung überliess er ihnen den Nutzen an den betreffenden Gütern. 1436 wurde ihnen durch einen vom Konzil zu Basel eingesetzten Schiedsrichter be- fohlen, dem Abt keine Hindernisse in den Weg zu legen, wenn er ihnen das Geld zurücker- statten wolle, um die verpfändeten Grundstücke wieder selber zu nutzen3• Die Offnung schuf Abt Ulrich vm. 1469: Der Keinhof war Eigentum des Klosters, der Ehrschatz musste geleistet werden. Die Ablieferung von Fasnachtshühnem wurde erst 1538 in einem in ArOOn ergangenen Schiedsspruch festgesetzt4. Im Jahre 1555 anerkannten die Ro- manshorner die Pflicht, den äbtischen Mandaten gehorsam zu sein, nachdem zuerst der Abt dies mit einem Erlass gefordert hatte; nachher erliessen die Eidgenossen diesbezüglich auch einen AbschiedS. Zum Gericht Romanshorn gehörte auch Salmsach6• Hier besass das Kloster SI. Gallen schon im frühen 9. Jahrhundert Grund und Boden. Nachdem der Bischof von Konstanz am Ende des 9. Jahrhunderts auch noch Abt von SI. Gallen geworden war, gelangte Salmsach in die Hände von Konstanz. Erst Ulrich Rösch konnte 1471 das Gericht mit allen Rechten und Ei- genleuten zurückzukaufen; die Vogteirechte erwarb er ebenfalls in diesem Jahr von Johann von Ruppenstein. Der Bischof von Konstanz blieb aber bis 1748/9 Lehensherr, als endlich eine Vereinbarung getroffen werden konnte, die auch die Lehenshoheit dem Abt übertrug7• In Salmsach besass der Abt immer die Territorialgewalt, schrieb Pater Bernhard. Der Schiedsspruch von 1478, den Bürgermeister und Rat von Zürich fällten, beweise dies eindeu- tig: Darin wurde dem Abt nämlich in Salmsach sowohl das "Dominiwn utile", die "Potestate le- gislativa (Bott und AnerOOtt)", die "Potestatejudiciaria" als auch das Fischereiregal zuerkanntB.

1.2.4.2 Kesswil Auch in diesem Gericht sind Eigentumsübertragungen ans Kloster seit dem 8. Jahrhundert bekannt; 1096 stand das ganze Gericht im Eigentum des Klosters SI. Gallen. Es gelangte 1413 für einen jährlichen Zins von 1 Pfd. Wachs als Lehen ans Kloster Münsterlingen9• Im Jahre 1484 entstand mit dem Kloster Münsterlingen ein Streit wegen der Niedergerichts- barkeit, der vom Rat von Zürich und dem Landvogt des Thurgaus an Schiedsrichter verwiesen wurde. Der Bischof von Konstanz entschied 1498, dass St. Gallen die ganze Gerichtshoheit zustehe; die Abtei erwarb im gleichen Jahre alle noch ausstehenden Rechte vom Kloster Mün-

1 Jus Statutarium S. 246f. 2 Jus Statutarium S. 247. 3 Jus Statutarium S. 248; Auslösungsurkunde von 1432 siehe UBSU V, Nr. 3680; Schiedsentscheid vom 17. März 1436 aaO. Nr. 3907. 4 Jus Statutarium S. 248; StiASG Bd. 6 S. 17. 5 Jus Statutarium S. 138 bzw. 249; vgl. Müller, Landsatzung und Landmandat S. 170 FN 34; siehe StAZH Dok 105/204f. und StiASG Bd. 6 S. 19f.; vgl. die 0 in StAZH Dok 15/30. 6 Müller, Offnungen, S. 39 u. 199. 7 Jus Statutarium S. 25Of.; Die Vereinbarung von 1748/49 war nicht aufzufmden. 8 Jus Statutarium S. 25lf.; Schiedsspruch vgI. StAZH Dok 10/166. 9 Jus Statutarium S. 253f.; Verleihung siehe UBSG V Nr. 2557. -65- sterlingen. Die äbtische Offnung für Kesswil wurde im Jahre 1506 geschaffen und stimmt mit der von Romanshorn überein 1.

1.2.4.3 Herrenhof, Germanshausen und Aich Herrenhof, in der Nähe von Kesswil gelegen, war während vielen Jahren als Lehen ausge- geben; das Kloster behielt sich nur Lehenshoheit und Territorialgewalt vor, bis 1536 das ganze Gericht eingelöst wurde. Die Offnung, die gleiche wie für Kesswil, wurde für diesen On erst 1701 geschaffen2• Das Maieramt in Germanshausen wurde dem Kloster 1369 übertragen. Den Zehnten verlieh das Kloster 1374 an einen Konstanzer Bürger. Die Vogtrechte wurden 1418 verliehen; noch 1469 verlieh Ulrich VIII. dieselben ein letztes Mal, um sie dann 1471 vom vor zwei Jahren Beliehenen vollumfänglich ZUfÜckzukaufen3• Zugleich erwarb er den Ort Aich mit allen Herr- schaftsrechten, der seit ältesten Zeiten zum Romanshomeramt gehört haben soll, und wo seit 1470 der Vogt des Romanshomeramtes Gericht hielr4.

2. Die andern One im Thurgau Nach der Behandlung der Orte, in denen das Stift die wahre und volle Territorialgewalt be- sass, die Criminalia ausgenommen, stellt Bernhard Hannes die Orte dar, in denen das Kloster nur eine beschränkte, niedere oder, wie man ihr auch immer sagen wolle, Staats- oder Gerichtsgewalt besass5•

2.1 Uttwil und Silva Uttwilensis In Uttwil entstand um 1487 ein Streit um die Rechtsstellung der Abtei, in dem viele Zeugen vor den Schiedsrichtern bekräftigten, dass dem Abt "Potestatem legislativam. coercitivam et judiciariam" zukomme. Bischof Hugo von Konstanz entschied dann 1498 wie folgt: In Kesswil wurde die Position des Klosters St. Gallen geschützt, in Uttwil dagegen blieben die Rechte der Münsterlinger Klosterfrauen bestehen; das Stift Gallus' und Otmars konnte weiterhin Lehen vergeben und den Ehrschatz erheben, Abgaben eintreiben und Tagesfronen beziehen. Ausser- dem mussten die Eigenleute des Klosters Münsterlingen jährlich einen Zins von einem Pfund Wachs nach St. Gallen schicken; vergassen sie, diesen Zins abzuliefern, fiel der Ort an das Kloster St. Gallen heim6• Im gleichen Entscheid wurden auch die Rechtsverhältnisse in den Nachbargemeinden gere- gelt: In Silva Uttwilensis wurde dem Abt aller "Gerichtszwang, Potten und Verpotten" zuer- kannt, Böel stand im Eigentum von Münsterlingen und Hueb war von St. Gallen als Lehen zu empfangen. 1509 gestattete Abt Franz diesem Ort, über Jagd- und Weidevergehen selbständig Mandate zu erlassen7.

1 lus Stawtarium S. 255; 0 in StAZH Dok 13/157; Erwerbsurkunde von 1498 aaO. 3/297 und 12/138; Entscheid von BischofHugo aaO. 3/296 und 12/137; Belege zum Verlauf seit 1484 siehe aaO. 1/166-171. 0 siehe auch ZSR a.F. 1852 I S. 87ff. 2 lus Statutarium S. 256; MÜller, Offnungen S. 59 u. 200; Offnung siehe StiASG Rubr. 65 Fasz. 1. 3 lus Statutarium S. 257f. 4 lus Stawtarium S. 259. 5 lus Statutarium S. 260. 6 lus Statutarium S. 26lf. 7 lus Statutarium S. 263; für Belege vgI. FN 1. Abt Pranz gestattete es nicht, sondern der Landvogt des Thurgaus entschied so in einem Schiedsverfahren. vgI. StAZH Dok 12/138. -66-

2.2 Dozwil und Zuben Das lange als Lehen ausgegebene Dozwil wurde erst 1671 wieder zurückgenommen und selber verwaltet. Die von den damaligen Lehensherren, den Blarem, im Jahre 1561 errichtete Offnung wurde von der Abtei übernommenI. Das Kloster St. Gallen kaufte Zuben 1674 vom Kloster Münsterlingen für 1500 Gulden, die Quittung dagegen datiert erst von 1680. 1700 kaufte dann das Kloster noch den Lehenszehnten vom Kapitel der Kathedrale von Konstanz und ein Grundstück, das nun auch unter der Nie- dergerichtsbarkeit der Abtei stand2. Im gleichen Jahr willigte die Dompropstei von Konstanz ein, dass Lehenszehntenkäufe vor dem örtlichen Gericht gefertigt werden konnten3. Da die Kantone der Abtei das Mannschaftsrecht sowie den entsprechenden Eid in Zuben und weiteren Thurgauer Orten bestritten, anerbot sich Abt Franz 1512, dies mit Hilfe von Urkunden zu beweisen, sofern die Kantone auf ihren Behauptungen beharrten. Da keine der Parteien auf einem Schiedsurteil bestand, wurde der Disput anscheinend einvernehmlich, aber ohne ei- gentlichen Entscheid beigelegt4.

2.3 Blidegg und Hagenwil In diesen beiden Orten übte der Abt das Mannschaftsrecht aus, und die Untertanen mussten ihm den Eid leisten. Im Verfahren zu Rapperswil von 1512 versicherten die aufgebotenen Zeu- gen, dass der Landvogt des Thurgaus nie einen Eid von ihnen gefordert hatte, und sie auch nach Abschluss des Burg- und Landrechtes mehrmals unter äbtischen Fahnen in den Krieg ge- zogen waren5• Das dem Landeshofmeisteramt eingegliederte Hagenwil war als "Schiltlehen " ausgegeben6; das Kloster hatte sich nur Lehenshoheit und Mannschaftsrecht vorbehalten, was ihm 1512 zu Rapperswil unter Verweis auf den Spruch von 1501 bestätigt wurde7• Für diesen Ort schuf das Kloster im Jahre 1692 eine Offnung, die 1718 neugefasst wurde8. Obwohl das Kloster auch noch das "Dominium Utile" und die Niedergerichtsbarkeit gekauft hatte, kam ihm nach Bernhard Hannes dennoch nicht die volle Territorialhoheit (plena Territo- ria/is potestas) zu, da es weder Mandate erlassen noch den Abzug beziehen konnte9.

1 Jus Statutarium S. 264f.; Müller, Offnungen S. 57 FN 145: Der von der Abtei 1709 gemachte Nachtrag zur Offnung von Dozwil wird von Pater Bernhard Hannes nicht erwähnt. 0 von 1506 siehe StiASG Bd. 74 S. 823ff. 2 Jus Statutarium S. 267; hier, wie auch bei anderen Herrschaften, die das Kloster im späten 17. und 18.Jh. erwarb, wurde die alte Offnung übernommen, im Gegensatz zu früher, als dies Anlass zu einer Neufassung war, Müller, Offnungen S. 57 in fine. Kaufbrief siehe StiASG Bd. 6 S. 233ff. 0 von Zuben siehe im StATG. 3 Jus Statutarium S. 642; Vertrag ist vom 13. April, Abschrift vgI. StiASG Bd. 6 S. 241. 4 Jus Statutarium S. 265f.; Vertrag von 1512 vgI. StiASG Bd. 6 S. 7ff., bes. S. 20 (vgI. vorne S. 61 FN 5). 5 Jus Statutarium S. 268; vgl. StiASG Bd. 1355 S. 40ff. und FN 7. 6 Jus Statutarium S. 6; BUdegg dagegen scheint keinem Amt zugeteilt gewesen zu sein, siehe dazu Jus Sta- tutarium S. 12. "Schildehen" waren ursprünglich Lehen, für die der Belehnte Kriegsdienst leisten musste (Deutsches Wörter- buch, Bd. 9 Sp. 136). 7 Jus Statutarium S. 269f.; A 4 bez. des Mannschaftsrechts von 1501 in EA 3,II S. 98; jenen von 1512 vgl. EA 3,11 S. 595ff. 8 Müller, Offnungen S. 201; vgl. die Offnung z.B. in StiASG Bd. 20 S. 389. Pater Bernhard erwähnt keine der Offnungen. 9 Jus Statutarium S. 270: Hagenwil wurde vom Kloster 1684 zurückgekauft, vgI. dazu Müller, Offnungen S. 201. -67-

2.4 Zihlschlacht, Hefenhofen, Hauptwil, Au und Roggwil Zu diesen Orten bemerkte Pater Bernhard nur, dass dem Kloster in allen diesen Ortenl das Mannschaftsrecht zustand, in Roggwil2, das erst 1740 erworben wurde, zusätzlich noch die Niedergerichtsbarkeit. Roggwil war im Landeshofmeisteramt eingegliedert; die andern Orte scheinen keinem Amt zugeteilt gewesen zu sein3•

2.5Wängi Die Herrschaft über Wängi wurde von Kaiser Friederich 1473 an die Brüder Johann und Heinrich von Wängi verliehen, und zwar mit Gerichtshoheit und einem Immunitätsprivileg. Die Offnungen entstanden 1475 und 14954. Das Kloster erwarb sich diese Herrschaft nach lang- wierigen Verhandlungen durch Kauf im Jahre 16425• Die im Wileramt6 eingegliederte Herr- schaft war einer der Orte, der beim gros sen Grenzbereinigungsvertrag von 1775, der zwischen dem Kloster und den Eidgenossen geplant war, für 12'000 Gulden den Eigentümer wechseln sollte, um die Gerichtsgrenzen zu vereinfachen7• Pater Bernhard stellt die beiden Offnungen von Wängi, die das Stift auch nach dem Kauf in Kraft liess, recht ausführlich dar8. Die Offnung von 1495 habe im grossen und ganzen die ältere bestätigt, ausser in den Malefizsachen, da 1495 die Stadt Konstanz das Landgericht be- sass. Besonders erwähnenswert war, dass die Einwohner nach Bezahlung aller Schulden das freie Auswanderungsrecht hätten. In den Kaufverträgen von 1642 war ihnen noch die Pflicht auferlegt worden, Herbst- und Fasnachtshennen abzuliefern, sowie Frondienste und den Untertaneneid nach vollendetem 14. Altersjahr zu leisten. Im Eid, den sie 1679 schworen, mussten sie sich verpflichten, in Zukunft nicht mehr nach Frauenfeld oder an den Landvogt zu appellieren, sondern zuerst an den Abt9• Wängi musste auch nach 1752 in die Kasse des Thurgauischen Gerichtsherrenstandes1o, dessen Mitglied auch das Kloster war, seine Anlage von 3 Gulden bezahlen. Davon waren auf- grund des Vertrages zu Weinfelden vom 29. Mai 175211 , den das Kloster mit dem Gerichts- herrenstand abgeschlossen hatte, folgende Orte befreit: Roggwil, Hagenwil, Hefenhofen, Moos, Blidegg, Zihlschlacht und Hauptwil. In allen diesen Orten übte die Abtei das Mann- schaftsrecht aus. Obwohl die Orte von der Steuer befreit waren, blieben sie bezüglich aller üb- rigen Rechte im Gerichtsherrenstand integriert. Das Stift auferlegte den Betrag von 17 Gulden 30 Kreuzern, den die befreiten Orte bisher erbracht hatten, den beiden Orten Dozwil und Zu- benl2, in denen es das Mannschaftsrecht nicht hatte, so dass die Rechte der Gerichtsherren gleich blieben. Diese Einschränkung der Steuerpflicht hinderte aber den Abt nicht daran, in Bli-

1 Jus Statutarium S. 271. 2 Jus Statutarium S. 272; hier, wie auch in Hefenhofen wurden die Offnungen des Adels beibehalten, Müller, Offnungen S. 57 FN 145 bzw. S. 201; Text der 0 siehe UBSG V S. 662ff. 3 Jus Statutarium S. 6 bzw. 12; 0 von Hefenhofen siehe StiASG Bd. 1829 S. 22ff. 4 Jus Statutarium S. 273; Die Offnung von 1475 war eine Vogtoffnung, jene von 1495 schuf Rudolf von Giel, die das Kloster nach der Rücknahme weiterverwendete, MUlIer, Offnungen S. 147. Die 0 von 1475 siehe StATG, jene von 1495 in StAZH Dok 18/136. 5 Jus Statutarium S. 273-275; hier ist der Kauf ausführlich beschrieben. Vgl. zum Kauf auch Moser-Nef, Bd. I S. 385 und EA 5,11,2 S. 1507f. Iit. b Art. 75-78, S. 1513 u. 1522-24. 6 Jus Statutarium S. 8. 7 Jus Statutarium S. 275; vgl. auch CaveIti, S. 11 und Hasenfratz, Die Landgrafschaft Thurgau vor 1798, S. 93ff. 8 Jus Statutarium S. 276ff. bzw. Müller, Offnungen S. 202. 9 Der Eidtext war nicht aufzufinden. 10 Jus Statutarium S. 279; FUr Bedeutung desselben vgl. Lei, Der Thurgauische Gerichtsherrenstand, und Hasenfratz, Die Landgrafschaft Thurgau vor 1798, S. l00ff. 11 Jus Statutarium S. 279f.; siehe den gütlichen Vergleich in StiASG Bd. 6 S. 241ff.; vgl. auch Hasenfratz, Die Landgrafschaft Thurgau vor 1798, S. 106. 12 Jus Statutarium S. 280; vgl. bez. Zuben und Dozwil auch Jus Statutarium S. 265, wo Pater Bemhard schrieb, er vermute, diese Orten seien auch von den Abgaben befreit - 68- degg, Zihlschlacht, Hauptwil, Hefenhofen und Moos die bisherigen Abgaben für seine Kasse zu erheben!. Pater Bernhard Hannes begründete diesen Vergleich damit, dass der Abt in den befreiten Or- ten Roggwil, Hagenwil, Hefenhofen, Moos, Blidegg, Zihlschlacht und Hauptwil das Mann- schaftsrecht besass. Die Schiedsentscheide von 1501 und 1512 hätten ihm dieses zugesprochen; die lang andauernde Uebung bestätigte es2. Wenn die erwähnten Orte neben der äbtischen Heerfolgepflicht auch noch an den Gerichtsherrenstand Kriegsabgaben hätten entrichten müs- sen, wären sie zweimal kriegspflichtig gewesen, was doch nicht angehe3. Tatsächlich dürfte das Stift aber mit allen Mitteln versucht haben, jegliche Einmischung Dritter in seinen Herr- schaftsgebieten auszuschalten.

E) Die Regalien und ehehaften Rechte des Abtes I. Die Regalien 1. Begründung der Regalrechte So wie alle Fürsten und Bischöfe Regalien, und zwar an Flüssen, Häfen, Wild, Fischen und Vögeln, innehatten, stand auch dem Abt als Fürst die Hoheit über diese Rechtsamen zu. Diese Regalrechte wurden ihm in den kaiserlichen Immunitätsverleihungen explizit bestätigt. Ausser- dem waren sie in den Uebertragungsurkunden der Orte enthalten; ebenso waren Fischenzen, Forstrecht und Wildbann in den einzelnen, mit den Gerichten geschlossenen Offnungen dem Abt vorbehalten. Und schliesslich hätten die Eidgenossen dem Abt das Jagd- und Fischereiregal im Schiedsspruch zu Rapperswil ausdIiicklich zuerkannt4. Zusätzliche Ausführungen über die Regalrechte sind im "Specialem Librum Regalium" zu finden5.

2. Die einzelnen Regalrechte 2.1 Das Fischereiregal Das Fischereiregal in der Sitter sprachen die Schirmorte in einem Entscheid gegen Strauben- zell 1523 ausdIiicklich dem Abt zu. Dieser gestattete den Straubenzellern gleichwohl (ex gratia) das Fischen. Weitere Information über das Landeshofmeisteramt liefert das "Tomum in quo Oeconomi instruuntur"6. Weil ihm das Fischregal zustand, erliess der Fürstabt anno 1534 eine Fischereiordnung flir Steinach, Goldach, Rorschach, Horn und die Rheintaler, welche die Uebernutzung der Fisch- bestände verbot7• Im Jahre 1544 schloss Abt Diethelm eine Vereinbarung mit dem Bistum Konstanz über eine Fischereiordnung für den Bodensee, die für alle Untertanen bindend war, die im Bodensee fischten; für Streitigkeiten über den Vertrag war ein Schiedsgericht vorgese- hen, das endgültig entschied, und zwar nach Billigkeit oder Recht (sive ex aequo, sive ex jure)8.

Vgl. Jus Statutarium S. 280; Pater Bemhard schrieb von 13 Gulden, was aber nach Hasenfratz, Die Land- grafschaft Thurgau vor 1798, S. 106 und Lei, Der Thurgauische Gerichtsherrenstand S. 51 nicht stimme Der Betrag war 17 Gulden 30 Kreuzer. 2 Jus Statutarium S. 280f.; Vertrag von 1501 in StiASG Bd. 6 S. Hf.; von 1512 aaO. s. 7ff.; siehe den gütlichen Vergleich aaO. S. 241ff. 3 V gl. Lei, Der Thurgauischen Gerichtsherrenstand S. 51. 4 Jus Statutarium S. 312f.; A 8 (nicht 9) von 1525 siehe Edition, S. 175f.; von Zuzwil, Ziberwangen und Schwarzenbach hicss es ausdrücklich, dass sie samt dem Jagdregal gekauft wurden, was im Spruch von 1525 zu Rapperswil bestätigt wurde in A 4 gegen das Unteramt aaO. S. 23H., Jus Statutarium S. 315. 5 Jus Statutarium S. 36. Die Regalrechte für Wil vgl. § 8 S. 84ff. 6 Jus Statutarium S. 314; Rq I, S. 276: Die 4 Schirmorte legten dem Abt darin nahe, den Einwohnern das Fischen gnlIdigerweise zu gestatten. 7 Jus Statutarium S. 327; Rq I, S. 4lff.; die Ergänzung vom 20. April 1539; vgl. Rq I, S. 46f. 8 Jus Statutarium S. 327f. Druck siehe StiASG Bd. 1260 S. 381. -69-

2.2 Das Jagdregal Aufgrund des Jagdregals wurden im Landmandat und der Landsatzung Wildbann und Fi- schenzen verboteni, .. HÜTd,falien und schürp!raitel''2 sowie weitere ~stimmte Vogelfallen, sog ... Vögel Härd''3. Ausserdem war jede Jagdbeute zuerst dem Abt oder seinen Amtleuten an- zubieten4• In einigen Offnungen stand, dass der Herr mit Pferd, Falken und zwei Jagdhunden zum Ge- richt komme, die gefüttert werden müssten, und zwar mit Haber, einem Huhn und einem Laib BrotS. Der Abt vereinbarte 1460 mit Erzherzog Ferdinand von Oesterreich, dass er in Gaissau kein Grosswild jagen durfte, und nicht am gleichen Tag, an dem herzogliche Beamte jagten6• Die Offnung von Wängi erwähnte das Fisch- und Jagdregal ausdrücklich; Verstösse gegen das Fischregal wurden z.T. wie Diebstahl bestraft?

2.3 Das Zoll- und Schiffahrtsregal 2.3.1 Grundsätzliches Das Schiffahrtsregal stand dem Abt auf Bodensee und Rhein zu, soweit diese Gewässer sein Territorium berührten; es schloss Strände und Häfen ein und erlaubte Zölle und Gebühren zu erheben, was in Rorschach und Steinach geschah8• Abt Bernhard gestattete den Kesswilern 1614 einen Hafen zu bauen; sie mussten sich aber verpflichten, da es ein Regalrecht des Abtes war, ihn auf Verlangen wieder abzubrechen9•

2.3.2 Verträge über Handel, Verkehr und Zölle Die Abgaben auf ausländisches Holz wurden gemäss Vertrag von 1755 in bescheidener Hö- he bei der Einfuhr über Rorschach und Steinach erhobenlO• Die Steinacher mussten f'ür alle Schiffe, die sie besassen, dem Abt eine Gebühr bezahlen, wie zu der Zeit, als sie unter der Herrschaft der Stadt St. Gallen standen; die entsprechenden Urkunden wurden in Rapperswil1525 bestätigtll. Im Jahre 1558 entschieden die 4 Schirmorte, dass das Kloster, Arbon und Bischofszell bei ihren alten Rechten bleiben sollten: Der freie Handel über den Hafen Steinach wurde also ge- währleistet, der Abt durfte aber seine Zölle auch inskünftig erhebenl2• Die Kantone entschieden 1627 den Streit über die Zollerhebung in Horn. Die Einwohner Horns und der Landgrafschaft Thurgau durften alle Waren f'ür den Hausgebrauch zollfrei über Horn transportieren. Kaufmannsgut, das durch das Rorschacheramt weiter bef'6rdert wurde, unterlag weiterhin den bisherigen Abgaben. Was in Horn zwischengelagert und dann über den See oder von Arbon nach Bischofszell verbracht wurde, war gemäss dem Abschied von 1558

lus Statutarium S. 313; A 12 Ls von 1594/1630, Edition, S. 38. 2 lus Statutarium S. 690; er schreibt, es sei A 38 Ls, tatsächlich ist es A 44 der Ls von 1525 bzw. A 41 der Ls von 1594/1630, Edition, S. 29 bzw. 43. 3 Jus Statutarium S. 313; A 46 Lm in Edition, S. 131. Hurden sind aus Ruten geflochtene Vorrichwngen zum Tierfang; der Reitel ist eine Wildfalle mittels eines Rundholzes oder Drehknllppels zum Festdrehen des gespannten Seils (Idiotikon, Bd. 6 Sp. 1659 bzw. Bd. 11 Sp.2184). 4 lus Stawtarium S. 313; vgl. zum ganzen MIlUer, Landsatzung und Landmandat S. 254f. Hier A 47 Lm in Edition, S. 131. 5 lus Stawtarium S. 315f., vgl. auch MIlUer, Offnungen S. 100f.: der Kelnhofhatte idR diese Last zu tragen. 6 lus Statutarium S. 322; dies wurde 1584 bestätigt, vgl. StiASG Bd. 1260 S. 448. 7 lus Statutarium S. 330; StAZH Dok 18/136. 8 lus Statutarium S. 316f. bzw. 318 oben. 9 lus Statutarium S. 329. 10 lus Statutarium S. 316; Rq I, S. 62ff. unter Verweis auf StiASG X 3 B 13. 11 lus Statutarium S. 317; Rq I, S. 169f. 12 lus Statutarium S. 318; StiASG Bd. 1272 S. 449. -70- zu behandeln1_ Die Kantone gestatteten dem Abt 1720 auf Leinwand, die vom Appenzellerland hergebracht wurde, in Langwatt einen Zoll von 2 1/2 Kreuzern zu erheben_ Wurde die Lein- wand nach Rorschach gebracht, so war der Zoll mit den dort erhobenen Leinwandabgaben zu verrechnen2 _ Die Stadt St. Gallen, Arbon und das Kloster vereinbarten für Waren, die über äbtisches Ge- biet von Arbon nach St_ Gallen transportiert wurden, eine Zollreduktion_ Lebensmittel für die Stadt und Früchte aus dem Thurgau waren z.T. zollfrei3.

11. Die ehehaften Rechte 1. Begründung der Rechte Diese Rechte, die auch Regalrechte waren, standen dem Abt zu, und zwar bezüglich Taver- nen, allen Gewerben, die spezieller Werkstätten bedurften, wie Bäckereien, Mühlen, Metz- gereien und Badstuben. Damit sollte gewährleistet werden, dass sich die Handwerker nicht ge- genseitig das Brot wegnahmen; auch eine Kontrolle der Bautätigkeit war dadurch möglich. Die- se Rechte waren in der Landsatzung, durch Schiedssprüche und in den Offnungen (dort vor al- lem die Tavernen) geregelt4.

2. Die einzelnen Rechte 2.1 Die Bäcker Die Bäcker waren bei Eide verpflichtet, ihr Gewerbe recht und ehrlich zu führen; der Text ihres Eides ist im letzten Artikel des Mandats vom 27. Dezember 1770 enthalten5• Das von Pa- ter Bernhard auf den Seiten 601 bis 603 angeführte Spezialmandat umfasst 11 Artikel, die das Bäckergewerbe durch Preis- und Gewichtsvorschriften sehr streng reglementierten6•

2.2 Die Müller Auch die Müller mussten sich in ihrem Eid verpflichten, ihr Gewerbe ehrlich zu führen 7• Der Art. 32 des Landmandates von 1761 schrieb die Löhne vor, die die Müller rür die einzelnen Mahlvorgänge verlangen durften; die Offnungen regelten dieses Sachgebiet kaum8. Weil sich die Müller nicht an das Landmandat gehalten hatten, erging am 10. Mai 1771 ein sehr ausführ- liches Spezialmandat, das die Rechte und Pflichten der Müller aussergewöhnlich streng nor- mierte: Sogar die Anzahl der Schweine und die Art der Pferde, die sie besitzen durften, war ih- nen vorgeschrieben9•

2.3 Tavernenrechte und Wirte 2.3.1 Das Tavernenrecht Die Art. 7 und 8 der Landsatzung enthielten die Grundsätze des Tavernenrechts, das als ho- heitliches Recht, welches aus der Vogtei entstand, verstanden wurdelO• Daneben enthielten die

1 Jus Statutarium S. 117 u. 323: Obwohl Horn eingetauscht wurde, seien der Abtei die Abgaben verblieben. Für den Abschied von 1627 vgl. StiASG Bd. 1260 S. 530ff., für jenen von 1558 vgl. vorne S. 69 FN 12. 2 Jus Statutarium S. 326 u. 117; Entscheid vom 26. Juli, vgl. StiASG Bd. 1272 S. 101ff. 3 Jus Statutarium S. 320; StiASG Bd. 1272 S. 465. Dieser Vertrag ist im Jus Statutarium als auch im Band im StiASG ohne Jahrzahl angefllhrt. 4 Jus Statutarium S. 499; Wil und Rorschach siehe § 8 S. 75ff. 5 Jus Statutarium S. 666; vgl. auch Müller, Landsatzung und Landrnandat S. 274 und Müller, Offnungen S. 109f. 6 Siehe StiASG Rubr. 42 Fasz. 10; siehe auch den Druck in der StiBSG Band R rechts n 10 Nr. 24. 7 Jus Statutarium S. 664; vgl. Text des Eides im Anhang zum Lm 1761, Edition S. 149. 8 Jus Statutarium S. 630; vgl. dazu auch Müller, Offnungen S. 109. 9 Jus Statutarium S. 631ff.; vgl. auch Müller, Landsatzung und Landmandat S. 201 u. 273; das M siehe StiASG Rubr. 42 Fasz. 10, Nr. 95; siehe auch den Druck in der StiBSG Band R rechts n 10 Nr. 28. 10 Jus Statutarium S. 500; vgl. Müller, Landsatzung und Landmandat S. 272ff. und Müller, Offnungen S. 109. ·71·

Offnungen noch ausgedehnte Vorschriften hiezu1. Der Schiedsspruch von 1525 bestätigte die alten Rechte bez. des Weinumgeldes, einer Art Umsatzsteuer, differenzierte aber zwischen ge- kauften bzw. eigenen Weinen und Most; letztere wurden vom Umgeld befreit2. Für Rotmonten wurde 1673 eine spezielle Tavernenvereinbarung abgeschlossen, in welcher der Ausschank, die Höhe der Abgaben und anderes geregelt war3• Die Hoheit über die Tavernen in Tablat wurde 1470 in einem Schiedsspruch von Schwyz dem Abt zuerkannt; eine besondere Vereinbarung über die Tavernen war geplant gewesen, aber nie in Kraft gesetzt4. Die weiteren angeführten Offnungen enthalten Beispiele für die Bussen bei Uebertretungen dieser Vorschriften5•

2.3.2 Die Pflichten der Wirte Diese wurden mit einer Vielzahl von Regeln, die im Jus Statutariurn ausführlich dargelegt sind, sehr genau normiert. Um eine Wiederholung der Ausführungen von Walter Müller zu vermeiden6, seien nur folgende Normen angeführt: die Wirte mussten beeiden, ihr Gewerbe redlich zu führen7; sie mussten alle ihnen zu Ohren kommenden Vergehen der Obrigkeit mel- den8; sie waren rigorosen Preisvorschriften unterworfen, und die Weinpreise wurden durch die Amtleute festgesetzt9• Zudem wurde den Wirten genau vorgeschrieben, wann, wem und was sie auftischen durften, keine Konsumationen auf Kredit zu gewähren und der Trunkenheit und Völlerei keinen Vorschub zu leistenlO•

2.4 Die Regelung der anderen Gewerbe Der Spruch zu Rapperswil von 1525 war auch hier grundlegend: Neue Gewerbe konnten nur durch den Abt bewilligt werden, der überprüfen liess, ob der beantragte Handwerksbetrieb wirklich nötig sei. Vorgängig konnte die betroffene Gemeinde Stellung nehmenll. Fast be- dauernd stellt Pater Hannes fest, dass er über die Höhe der Löhne anderer Gewerbe als derjeni- gen der Bäcker und Müller keine Vorschriften gefunden habel2. Für Straubenzell bestätigten die Schirmorte 1523 die alten Rechte des Klosters bezüglich der Wirtschaftsbetriebe ausdrück- lichl3.

1 Vgl. MUller, Offnungen S. 109f. und Jus Statutarium S. 500·502, wo diverse Offnungen angeführt sind. 2 Jus Statutarium S. 502; Edition, S. 179ff. A 12 für das Oberarnt, S. 237 A 13 für das Unterarnt 3 Jus Statutarium S. 513; Der Spruch von 1525 wird hier nochmals erwähnt Vereinbarung von 1673 vgl. Rq I, S. 345: sie wird auf den 9. Nov. 1672 datiert und lautete gleich wie die von TabIat, vgl. FN 4. 4 Jus Statutarium S. 514; vgI. Müller, Offnungen S. 46f.; Schiedsspruch vom 28. Mai 1470 in Rq I, S. 204. Die Ordnung von Tablat enthält aaO. S. 243 die Anfügung: "Dieser brief ist nit zu stand komen, dahero nichtig", was mit der Aussage von Pater Bemhard übereinstimmt 5 Jus Statutarium S. 515f.; nämlich diejenigen von Zuckenriedt, Kesswil, Herrenhof, Rickenbach und Geb· hardschwil. 6 Müller, Landsatzung und Landmandat S. 272lit b. 7 Jus Statutarium S. 664; vgl. Text des Eides im Anhang zum Lm 1761, Edition S. 148. 8 Jus Statutarium S. 662; A 7 Ls (in der Edition ist es A 8 der Ls von 1594/1630 aaO. S. 37) und A 31 Lm, aaO. S. 125. 9 Jus Statutarium S. 600 u. 659; A 29 Lm, Edition, S. 124. 10 Jus Statutarium S. 662-663; unter Verweis auf A 3, 24, 30 und 80 des LandrnandaIS. Deutliches Beispiel für die Systematik desselben. 11 Jus Statutarium S. 504; Edition, S. 173 A 6 für das Oberarnt, S. 241 A 20 für das Unteramt. 12 Jus Statutarium S. 636. 13 Jus Statutarium S. 512; Rq I, S. 275 A 1. -72-

F) Die Wahl, die Pflichten und Eide der Beamten Unter dem Titel "De officio judicis" behandelt Bemhard Hannes Wahl und Eid der äbtischen Beamten, ihre Aufgaben und Rechtsstellung, die Organisation des Gerichtswesens und die Appellationl .

l. Wahlen und Eid 1.1 Des Ammann und der Hauptleute Jede der sieben Hauptmannschaften im Landeshofmeisteramt wählte einen Hauptmann; er musste dem Abt schwören und war ihm zu Gehorsam verpflichtet; der Rapperswiler Spruch von 1525 bestätigte dieses Wahlverfahren2. Die Wahl des Ammanns war in den Offnungen geregelt3. In den meisten Orten schlug der Abt drei oder mehr Kandidaten vor, aus denen die Gemeinde einen wählte; in einigen Orten konnte ihn der Abt frei emennen4• Schwyz fällte für Tablat 1470 einen Schiedsspruch, der das alte Verfahren bei der Wahl des Ammannes bestätigte; ebenso wies ein Abschied von 1585 die Begehren der Romanshomer ab, das Wahlverfahren für Ammann und Weibel zu ändem5. Die Richter und Ammänner schworen einen ähnlichen Eid: ihr Amt getreu auszuführen, niemanden zu bevorteilen, die Richter zusätzlich, keine Rechte zu unterdrücken6• Der Eid in Buwil sei noch besonders erwähnt: Hier schworen sie, dem Abt und den Herren von Bürglen treu zu dienen7 • Die Offnungen von Romanshorn, Kesswil, Herrenhof, Gossau, Oberdorf und Andwil enthielten keinen eigenen Ammanneid8.

l.2 Der Weibel Die Besetzung des Weibelamtes - auch ein Gerichtsamt - war in den Offnungen unterschied- lich geregelt. Die Varianten werden von Pater Bemhard Hannes angeführt9• In Tablat flihrte ein Streit über die Wahl des Weibels 1561 zu einem Nachtrag in der OffnunglO• Die Entschädigung des Weibels flir Pfandbestellungen hing mit dem Wert der zu besor- genden Pfänder zusammen; für das Zustellen einer Vorladung waren verschiedene Regelungen bekannt: z.T. wurde er pro Vorladung bezahlt, wobei Fremde vorzuladen teurer war, z.T. er- hielt er eine Jahresvergütung und ftir besondere Aufträge Zuschläge, oder er wurde nach der zurückgelegten Wegstrecke entschädigtll. Der Eid der Weibel lautete gewöhnlich, getreu tätig zu sein und dem Ammann zu gehorchen; in Zuckenriedt schwor der Weibel den gleichen Eid wie der Ammannl2.

Jus Stabuarium S. 757ff.; Die beiden letzten Sachgebiete werden in § 10 E) Der Rechtsgang, S. I 16ff. be- handelt, die Ausfi1hrungen zu WH und Rorschach folgen in § 8 S. 75ff. 2 Jus Statutarium S. 757; Edition, S. 186ff. A 18 bes. S. 187 Z. 8 u. 29. 3 Müller,Offnungen S. 72. 4 Jus Statutarium S. 758-760, wo die Varianten der einzelnen Offnungen aufgezählt sind, vgI. auch Müller, Offnungen S. 74. 5 Jus Statutarium S. 758 bzw. 760; Tablat Rq I, S. 205f., Romanshorn StiASG Bd. 6 S. 2lff.; bez. Tablat vgI. auch Müller, Offnungen S. 46. 6 Jus Statutarium S. 779f.; der Eid umfasst fast eine Seite, zusätzlich sind einige Gerichte mit Abweichungen angeführt. 7 Jus Statutarium S. 779f. Jus Statutarium S. 781; Die 0 von Romanshorn und KesswH enthielten keinen Eidtext für den Ammann, die letzten drei 0 sahen für Ammann und Richter den gleichen Eid vor, vgI. Rq I, S. 362, 390 u. 414. 9 Jus Statutarium S. 763f.; vgI. Müller, Offnungen S. 75. 10 MüUer, Offnungen S. 50. 11 Jus Statutarium S. 704 bzw. 749; vgI. Müller, Offnungen S. 75 FN 217: der sog. Ruferlohn sei in 14 Off- nungen festgesetzl Pater Bernhard beschreibt auch das Wahlprozedere weiterer Beamter, z.B. der Holzwächter in Rickenbach, vgl. Jus Statutarium S. 36Of. 12 Jus Statutarium S. 782; vgI. auch Müller, Offnungen S. 75 FN 217, wo Beispiele für die Weibeleide an- gefilhrt sind, vgI. z.B. Zuckenriedt in StAZH Dok 5/43. -73-

1.3 Die Gerichte Die Wahl der Richter erfolgte auch nach verschiedenen Verfahren, was Walter Müller darauf zurückführt, dass früher die ganze Gerichtsgemeinde als Urteiler mitwirkte. Das häufigste Vor- gehen sah wie folgt aus: Der Ammann berief einen ersten Richter, diese beiden den zweiten und so weiter, bis das Gericht vollständig besetzt war, im Normalfall mit 12 Richternl _ Der Abt konnte gemäss fast allen Offnungen die Gerichte selbständig besetzen; sogar Fremde konnte er in ein Gericht einsetzen, wenn es aus Gründen der Befangenheit, Parteilichkeit oder Feindschaft nötig wurde2•

1.4 Die Wahl der Amtleute aufgrund der Friedensverträge von 1712/18 Für die Besetzung der Beamtenstellen in den gemischt-religiösen Gebieten, in denen der Abt nur die niedere Gerichtsbarkeit hatte, wurde ihm durch den Friedensvertrag von 1712/18 fol- gende Regel aufgezwungen3: Wenn eine Konfession zwei Drittel der Bewohner eines Gerichtes umfasste, so waren ebenso viele Richter aus der entsprechenden Konfession zu wählen; an- dernfalls waren von jedem Bekenntnis je sechs Richter zu wählen, wobei der Ammann und der erste Richter alternieren mussten, so dass keine Konfession ein Amt zwei Jahre hintereinander innehatte.

2. Die Aufgaben und Rechtsstellung 2.1 Die Pflichten aller Amtleute Unter dem Titel "De Obligationibus ex quasi-contractu" behandelte Bernhard Hannes die Pflichten und Aufgaben der verschiedenen Amtleute, aber auch der Bäcker, Wirte und Müller4. Mit dem Begriff der "Praepositi" erfasste Pater Bernhard all jene, die im Niedergericht5 ein Amt bekleideten: Ammann, Hauptleute, Richter, Weibel, Seckelmeister. Ihnen waren unter an- derem folgende Aufgaben übertragen: Den Vollzug aller Mandate durchzusetzen6, zu bevogten- de Waisen und Witwen zu melden7, die Preise der Wirte zu überwachen8• Die Ammänner wa- ren besonders gehalten, die Feuerstellen in den Häusern und die Ehebetten zu kontrollieren, um die Gelegenheiten zum Sündigen zu vermindern9. Den Wächtern gegen Fahrendes Volk waren in den Spezialmandaten besondere Pflichten aller Art auferlegtlO. Die bei den Wirten erwähnte Anzeigepflicht für Vorkommnisse jeder Art wurde später durch die Landsatzung auf alle Untertanen ausgedehnt und schliesslich in den Mandaten gefordertlI.

I Jus Statutarium S. 76lf.; sowie Müller, Offnungen S. 76ff., der die Ausführungen von Pater Bernhard in seinen Quellenuntersuchungen bestätigt 2 Jus Statutarium S. 765; z.B. in 0 von Rorschach Rq I, S. 20 A 66, bez. Sommeri in StAZH Dok 5/121. 3 Jus Statutarium S. 764; siehe EA 7,11 S. 1348. 4 Jus Statutarium S. 657ff.; für Bäcker, MüllIer und Wirte vgl. vorne S. 70f. 5 IdR des Niedergerichts, nicht der Gemeinde: Müller, Offnungen S. 107. 6 Jus Statutarium S.660; gewisse Mandate sind dann noch besonders aufgeführt, z.B.: die Hypothekarordnung von 1757 (S. 658), die Holz- und Waldordnung gemäss A 84 des Landmandates (S. 659), Mandate gegen Gesinde aller Art (S. 659), Kontrolle der Müller und Bäcker (S. 660). 7 Wiederholung von A 24 Ls; vgl. Jus Statutarium S. 292 u. 658. 8 Jus Statutarium S. 659; gemäss A 29 Lm, Edition, S. 124f. 9 Jus Statutarium S. 661. 10 Jus Statutarium S. 661; Pater Bernhard Rannes verweist auf seine Darstellung dieser Mandate, vgl. dazu § 10 S. IOlff. 11 Jus Statutarium S. 662; Müller, Landsatzung und Landmandat S. 258f. unter Verweis auf A 31 Lm, Edition, S. 125. -74-

2-2 Die Pflichten des Ammannes Der Ammann leitete das äbtische Niedergerichtl _In dieser Stellung richtete er über alle Fälle, die Güter im Gemeindeeigentum betrafen, über Realzinsen sowie leichtere Frevel, die in diesen Gütern geschahen2_In Steinach mussten Ammann und Weibel alle Untaten vor Gericht einkla- gen3_ In Kesswil waren nach einem Entscheid von 1473 des Vogtes zu Romanshom alle Untaten durch ihn im Namen des Abtes zu bestrafen, ausser sie geschahen in Freilehen; dann fielen sie nicht in die Kompetenz des Abtes4• Als Beauftragter für das Niedergericht richtete er nicht über Lehensfälle, ausser der Streit- wert war unter 10 Pfd. Pfg.; höhere Streitwerte musste er nach St. Gallen weisen. In Sommeri konnte er aber über alle Freilehen entscheidens. In Steinach waren ihm faktisch alle Lehensfälle entzogen. In Zuckenriedt konnte er nur über Sonderfälle betreffend "ainen Hag oder ain March" entscheiden6• Die sogenannten "Criminales" wurden in den Offnungen von Gossau, Oberdorf, Andwil, Steinach und Gebhardschwil ausdrücklich dem Hochgericht vorbehalten, d.h. folgende Fälle: Friedbruch mit Worten und Taten, Meineid, Fälschen von Massen, Verschiebung oder Entfer- nung der Grenzmarken und Totschlag, wenn der Täter sich nicht mit den Hinterbliebenen eini- gen konnte7•

2.3 Die Pflichten der Richter Die Offnungen verpflichteten die aufgebotenen Richter bei Busse, zu den Verhandlungen zu erscheinen8. Die Offnung von Zuckenriedt bestimmte ausdrücklich, dass nur geschworene Richter entscheiden konnten9; in der Rickenbacher Offnung stand geschrieben, dass nur verei- digte Richter über Frevel entscheiden durften 10.

1 Vgl. zur Funktion des Ammanns: Müller, Offnungen S. 74ff. 2 Jus Statutarium S. 804f[; unter Angabe vieler einzelner Offnungen. 3 Jus Statutarium S. 819; 0 von Steinach siehe Rq I, S. 166 A 39. 4 Jus Statutarium S. 806; Dieser Entscheid war nicht aufzufinden. 5 Jus Statutarium S. 804: einige Orte als Beispiele angeführt, z.T. mit geringen Abweichungen von der Regel. 6 Jus Statutarium S. 805; bez. Zuckenriedt siehe StAZH Dok 5/44. 7 Jus Statutarium S. 807. 8 Jus Statutarium S. 753; mehrere Offnungen als Beispiele erwähnt. 9 Jus Statutarium S. 816 u. 821; vgl. dazu auch Müller, Offnungen S. 76 FN 219 bez. Zuckenriedt siehe aaO. 10 Jus Statutarium S. 804,0 von Rickenbach in StAZH Dok 15n9b. Zur Stellung der Richter vgl. auch Ho- lenstein, Njbl. S. 24. -75 -

§ 8 Die beiden Städte Wil und Rorschach A) Einführung Innerhalb des Jus Statutarium sind zwei Orte besonders ausführlich behandelt, Wil und Ror- schach. Von den beinahe 100 Seiten, die Bernhard Hannes der Alten Landschaft widmet, wer- den fast 40 Seiten 1 für die Städte Wil und Rorschach aufgewendet. Der folgende Paragraph stellt nun die Stadt Wil und den Marktort Rorschach vor. Alles, was über diese beiden Orte im ganzen Jus Statutarium verteilt ist, wird in diesem Abschnitt zusanunengezogen.

B) WH I. Die Rechte des Abtes 1.1 Die Rechtsstellung des Abtes Im Jahre 1733 entschieden die Eidgenossen im sog. Rorschacherhandel, dass der Abt "der rechte, wahre, natürliche und einige Ober- und Landsherr über die Stadt und dero Inwohner" seiZ. Dies ergab sich aus allen alten Verträgen, Schenkungsurkunden, kaiserlichen Privilegien etc., besonders aber aus A 19 des Vertrages von 1492, wo es hiess: "Wyla cwn omnia proprie- tate, et omni Superioritate esse Abbatis "3. Pater Bernhard ergänzt diese Quelle mit der Feststel- lung, dem Abt stünde das "imperium merum et mixtum" in der Stadt Wil zu, d.h. die "Potestas legislativa,judiciaria et coercitiva"4.

1.2 Die Gesetzgebung durch den Abt Der Erlass von Mandaten musste in genau bestimmten Verfahren erfolgen. Nur Mandate, welche die Nichtburger betrafen, konnte der Abt allein erlassen5; Mandate dagegen, die für die Stadtburger vorgesehen waren, mussten in einem komplizierten Verfahren erlassen werden, bei dem die äbtischen Beamten zusammen mit Schulthess und Rat mitwirkten6• Der Abt konnte aber gemäss dem Vertrage von 1650 gewisses, ihm unpassendes Verhalten der Wiler selbstän- dig unterbinden7• Weil sie sich 1733 beklagten, wurden den Wilern nun Abschriften von den sie betreffenden Verhandlungen, die im Hof stattfanden, abgegeben oder der Stadtschreiber konnte daran teilnehmen8• Art. 3 der Vereinbarung von 1470 legte fest, dass die Stadt und der Abt bei Streitigkeiten das Recht vor den Eidgenossen suchen müssten, wie auch die Stadt an die Kantone gelangen müsste, wenn sie sich vom Abt ungerecht behandelt ftihlte9. Die Festlegung der Feiertagsord- nung war dem Abt vorbehalten, wohl weil er ein geistlicher Landesherr war; die Bestrafung von

1 Nämlich Jus Statutarium S. 51-86 bzw. 105-110; zur besonderen Stellung von Wil vgl. auch § 3 2.4 S. 11f. ond Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 13. 2 Jus Statutarium S. 54f.; Grav. 1 von 1733, StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a: vgl. für die Vorgeschichte dieses SChiedsspruches Steiger, Der Rorschacherhandel 1733, S. 84f. und die Aktensammlung dazu im StiASG Bd. 1218-41. 3 Jus Statutarium S. 55; A 19 von 1492 (StiASG Bd. 5 S. 42) lautet: " ... Statt WH mit eigenschaft und aller Oberkeit dem Gotzhus zuo Sant Gallen zuostadt". 4 Jus Statutarium S. 64. 5 Jus Statutarium S. 66 unter Verweis auf Grav. 3 Spec.12 von 1733. StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a 6 Bez. Erlass der Mandate vgl. Müller, Landsatzung und Landmandat S. 170 FN 37 unter Verweis auf EA VII,1 S. 177.516. 847f. und EA VII,1 S. 1302ff.; Müller, Landsatzung und Landmandat S. 232 FN 64 und Wild S. 98 und 254f. In Grav. 3 Spez. 1 wurde der Erlass von Mandaten nach altem Herkommen besllltigt. unter Verweis auf A 4 von 1650 und damit auf die Verträge von 1492 und 1518 (vgl. hinten 3.3.1 S. 81). 7 Jus Statutarium S. 795; A 2 u. 20 von 1650 vgl. StiASG Bd. 5 S. 100; vgl. auch Grav. 1 Spec. 2 von 1733. StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a. S Jus Statutarium S. 791; Grav. 6 Spec. 15 von 1733 aaO. 9 Jus Statutarium S. 795; A 3 von 1470 siehe StiASG Bd. 5 S. 33; dies wurde bestlitigt in Grav. 2 Spec. 8 von 1733 StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a. -76-

Uebertretungen derselben stand der Stadt zu, die Appellation an den Fürsten und dessen Dis- pensationsrecht blieben vorbehalteni.

1.3 Die Wehrhoheit Im Burg- und Landrecht von 1451 und im Hauptmannschaftsvertrag von 1479 wurde dem Abt das Recht zuerkannt, in Wil Soldaten ausheben zu dürfen und der Stadt Kriegskosten auf- zuerlegen. Im Rorschacherhandel 1733 wurde dem Abt dieses Recht bestätigt, das auch aus dem Vertrag von 1490 hervorging2. Ein Betrag von 18'000 Gulden, welcher der Stadt nach dem Zwölferkrieg als Kriegsabgabe auferlegt wurde, wäre ihr nur "aus purer Gütlichkeit" erlassen worden, ohne dass daraus Fol- gen für die Zukunft abgeleitet werden könnten, was aus der dafür ausgestellten Quittung ein- deutig hervorgehe3.

1.4 Die Beamten des Abtes 1.4.1 Der Reichsvogt Der Abt konnte nach dem Vertrag von 15024 jeden Eidgenossen zum Reichsvogt ernennen, was eine Aufhebung der Vereinbarung von 14645 bedeutete. Diese hatte festgesetzt, dass der Reichsvogt ein Ratsmitglied oder der Schulthess sein müsse. Dem Reichsvogt waren folgende Aufgaben übertragen6: die Fesdegung der Gerichtstermine, das Amt des Blutrichters, die Siegelung der Urteile sowie die Einberufung und der Einsitz in Ratssitzungen 7. Da der Reichsvogt den B ürgem ohne Konsens von Rat und Schulthess grund- sätzlich nichts befehlen konnte8, legte die Vereinbarung von 1654 fest, wie weit er in Kri- minalfällen allein, d.h. ohne den Rat zu informieren, handeln durfte, wenn Gefahr in Verzug war9• Im Schiedsspruch von 1733 verpflichteten ihn die Eidgenossen, bei malefizischen Exeku- tionen dafür besorgt zu sein, dass die anliegenden Güter nicht geschädigt und allfällige Schäden am Galgen behoben würden 1o. Das Schnetztor diente ursprünglich dem Reichsvogt als Kerker, später wurde es auch von der Stadt verwendet; darüber wurden 1472 und 1577 Vereinbarungen abgeschlossen, sowie eine dritte im Jahre 1693, in welcher das bisherige Gefängnis aufgehoben wurde, und das Klo- ster sich verpflichtete, auf der ,,Mangi" ein neues zu errichten 11.

Jus Statutarium S. 71f.; vgl. Grav. 3 Spec. 7 von 1733 aaO. 2 Jus Statutarium S. 58; fUr 1451: EA 2, S. 895 Nr. 29, wo es hiess: Das Stift, Wil eingeschlossen, hätte den Eidgenossen bei Bedarf militärisch zu Hilfe zu kommen. Vgl. auch die Bemerkung von W. Müller in der Edition, S. 275: Am 9. Juni 1490 seien alle Gotteshausleute aufgefordert worden, in Kriegsnöten auf eigene Kosten den 4 Schirmorten beizustehen; für 1479 EA 3, Beilage Nr. 7 S. 672; für 1490 Edition, S. 273f. mit Verweis auf 1451; bez. Grav. 1 Spec.4 von 1733 vgI. StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a. Jus Statutarium S. 58; StiASG Bd. 5 S. 183ff. 4 Jus Statutarium S. 770; fUr 4. Nov. 1502 vgl. StiASG Bd. 5 S. 47; Grav. 4 Spec. 4 von 1733 bestätigt dies, StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a. Jus Statutarium S. 770; A 1 von 1464 StiASG Bd. 5 S. 24. Jus Statutarium S. 783f. unter Verweis auf Spruch vom 4. Nov. 1502 StiASG Bd. 5 S. 48. Seinen Eid sie- he Jus Statutarium S. 773-775, vgl. StiASG Bd. 5 S. 150; Der Text sei noch im 18. Jh. aus der CCC ge- nommen: Meier, Gerichtsordnung S. 136. Für den Eid der Vögte aus der Alten Landschaft verwies Pater Bemhard auf den Text von WiI, mit dem Unterschied. dass die Passage bezüglich des Rates fehlt; vgl. Jus Statutarium S. 781. Die vier DorfschälZer. die HQuaternarii impartiales", mussten beeiden, das Amt richtig auszuüben. vgl. Jus Statutarium S. 780. Jus Statutarium S. 784; A 2 von 1577 StiASG Bd. 5 S. 85. Jus Statutarium S. 78; A 4 von 1464 StiASG Bd. 5 S. 25. 9 Jus Statutarium S. 784; StiASG Bd. 5 S. 125f. 10 Jus Statutarium S. 56; Grav. 4 Spec. 10 u. 11 StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a. 11 Vgl. Jus Statutarium S. 38lf.; jene von 1472 siehe StiASG Urk. HHH 1 Nr. 30. jene von 1577 in StiASG Bd.5 S. 86 und jene vom 28. Febr. 1693 aaO. S. 133 oder Urk. JJJ 5 (TI) Nr. 66. -77-

1.4.2 Der Hofamrnann Der Abt durfte niemanden in dieses Amt einsetzen, der nicht mindestens vier Jahre in der Stadt gewohnt hatte1• Sein Eid wurde im Vertrag von 1464 festgelegt und im Entscheid der Schirmorte 1518 so abgeändert, dass er grundsätzlich dem Eid der Räte entsprach2• Nach dem Vertrag von 1654 war die Stimmkraft des Hofammanns in Zivilfällen gleich wie die eines Ratsherrn, da auch gegen die Entscheide des Hofammanns appelliert werden konnte; in allen anderen Fällen konnte kein Ratsherr etwas gegen seinen Willen unternehmen3•

1.4.3 Die Pfalzräte Die WalIl und Einsetzung dieser äbtischen Berater war dem Abt überlassen. Die "Consiliarii Palatinii" sollten die gleichen Ehrengeschenke wie die neugewählten Ratsmitglieder erhalten; andernfalls würde dieser Brauch abgestellt'!. Die Pfalzräte, die zugleich verburgert waren, mussten sich an die geltenden Uebereinkommen halten, konnten aber die Stadt im Rahmen ilIrer Aufgaben zu Gehorsam gegenüber dem Abt mahnen5.

1.5 Die Diener des Hofes Wil Der Rat der Stadt reklamierte fur sich Hoheitsrechte über die Diener und Güter des Hofes Wil, welche bisher allein der Hoheit des Abtes unterstanden hatten. Die Eidgenossen erkannten 1733 die Rechtshoheit über diese Personen und das Haus des Scharfrichters allein dem Abt zu; ftir die anderen Häuser, die dem Gotteshaus gehörten, galten aber alle Verträge6• Im Jahre 1502 entschieden die Schirrnorte, dass die Diener (Servi) der "Aula Wylensi" den Bürgereid keinesfalls schwören müssten, der Statthalter sie aber dazu anhalte, sich gegenüber den Stadtbürgern umsichtig zu verhalten 7• Der Vertrag von 1723 bestätigte dies und befreite al- le, die Diener des Hofes und nicht Stadtbürger waren, von der Eidpflicht gegenüber dem Schulthess; auch die Knechte der Mühlen des Hofes WH, "wenn die Mühlen knechtweis ver- waltet werden", waren befreit8; waren diese Mühlen aber verliehen, hatten der Belehnte und seine Knechte wie Bürger den Eid zu schwören9• Alle erwachsenen Kinder der Bediensteten des Hofes wurden 1723 auch verpflichtet, dem Rat einen Eid zu schwören, ausser die Eltern waren PfalzrätelO• Diener des Hofes WH, die in WH wohnen wollten, waren Schulthess und Rat zu melden. Ueber die Steuern und das Wachtgeld wurde eine Uebereinkunft geschlossen; hinsichtlich der übrigen Rechte und Pflichten waren sie nach dem Vertrag von 1502 dem Reichsvogt gleichge- stelltIl.

Jus Statutarium S. 770; A 6 von 1464 vgl. StiASG Bd. 5 S. 25. 2 Jus Statutarium S. 777; A 2 von 1464 vgl. StiASG Bd. 5 S. 24; für 1518 aaO. S. 56. 3 Jus Statutarium S. 817; vgJ. StiASG Bd. 5 S. 122. 4 Jus Statutarium S. 771; Grav. 6 Spec. 1 bez. Wahl, Grav. 6 Spec. 7 von 1733 bez. der Entschädigung StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a. S Jus Statutarium S. 789; Grav. 5 Spec. 11 von 1733 aaO. 6 Jus Statutarium S. 53f., vgl. Zitat auf S. 54 aus A I des Vergleichs vom 17. Juni 1723 in StiASG Bd. 5 S. 139; Grav. 4 Spec. 1 u. 2 von 1733 StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a. 7 Jus Statutarium S. 52; III. Erkantnuß von 1502 vgl. StiASG Bd. 5 S. 52 8 Jus Statutarium S. 52; A I von 1723 siehe StiASG Bd. 5 S. 139f.; Grav. 1 Spec. 5 von 1733 bestätigte dies, vgl. StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a. 9 Jus Statutarium S. 53; dies galt auch für Unterlehen gemäss A 1 von 1723. siehe aaO. 10 Jus Statutarium S. 52f; der Eid schloss eine eine allgemeine Anzeigepflicht wie in der Alten Landschaft ein, vgl. AI von 1723 in StiASG Bd. 5 S. 139. 11 Jus Statutarium S. 406 mit Verweis auf S. 77; A 14 von 1650 (StiASG Bd. 5 S. 103) iVm A 1 von 1502 (aaO. S. 48). -78-

2. Die Rechte der Stadt 2.1 Die Stadtbewohner Die Stadtbewohner waren dem Abt untertani, nicht aber dem Rat, dessen Mitglieder auch nicht als Gnädige Herren tituliert werden mussten. Der gleiche Vertrag von 1650 gestattete ih- nen dennoch, ein Stadtsiegel zu gebrauchen, da sie sich durch dessen Gebrauch weder Eigen- tum noch Oberhoheit angemasst hätten2• Die Stadtbewohner und deren Diener mussten Schult- hess und Rat einen Eid schwören3• Alle Bürger, die älter als 14 Jahre waren, mussten dem Abt jedes fünfte Jahr schwören; dies bestimmte der von ihnen selber vorgeschlagene Art. 8 der Uebereinkunft von 16504. Wie der Eid zu leisten war, regelte der Grosse Vertrag von 1492: Rat, Schulthess, die Dreissiger und das ganze Volk mussten ihn leisten, aber erst wenn der Abt geweiht und vom Kaiser mit den Regalien belehnt worden war5. Der Abt legte der Stadt gegenüber auch einen Eid ab. Er ver- sprach, weder die Stadt noch einen ihrer Bewohner zu veräussern, sie nie zu verpfänden und auch nicht zuzulassen, dass die Stadt angegriffen würde; er schwor weiters, auch alle anderen Vorrechte zu beachten6• Der Vertrag von 1492 verpflichtete jeden Bürger zum Friedbieten kraft seines Eides7.

2.2 Das Bürgerrecht 2.2.1 Die Aufnahme ins Bürgerrecht 1536 bestätigte Abt DietheIm Blarer den Wilern das Recht, dass ihr Rat das Bürgerrecht ver- leihen könne, was in der Vereinbarung von 1635 erneut bestätigt wurde8; die Aufnahme erfolg- te durch Schulthess und Kleinen Rat im Beisein des Hofammannes9. Nach 1635 entstand ein Streit darüber, ob zur Aufnahme eines neuen Bürgers die Zustim- mung des Abtes notwendig sei, was Pater Bernhard ausführlich darstellt10. Die Wiler waren der Ansicht, dass sie aufgrund des Vergleiches über das Bürgerrecht von 1635 befugt seien, ohne Wissen und Willen des Abtes neue Bürger aufzunehmen". Dagegen opponierte der Abt; im Jahre 165412 wurde im Letztwilischen Vertrag eine neue Regelung über die Bürgerrechtsauf- nahme abgeschlossen. Im Grundsatz wurde das Recht des Schulthessen und des kleinen Rates, im Beisein des Hofarnmanns Bürger aufzunehmen, bestätigt. Doch wurden die Wiler Behörden verpflichtet, neu aufgenommene, dem Abt aber missliebige Bürger wieder auszuweisen. Die Argumentation des Klosters stützte sich auf die Verträge und das alte Herkommen. Die Wiler begründeten ihre Auffassung mit denselben Vereinbarungen von 1635 und 1492 und der

1 V gl. vorne 1.1 Die Rechtsstellung des Abtes S. 75. 2 Jus Statutarium S. 78f.; A 3 bez. des Rats. A 27 bez. des Siegels im Vertrag von 1650. vgl. StiASG Bd. 5 S. 100 bzw. 106. 3 Jus Statutarium S. 52 u. 78; A 1 des Vergleichs von 1723, vgl. aaO. S. 139. Den Wortlaut des Eides siehe Jus Statutarium S. 777f. bzw. StiASG Bd. 5 S. 150. 4 Jus Statutarium S. 58f.; vgl. StiASG Bd. 5 S. lOH. 5 Jus Statutarium S. 79f.; A 1 von 1492, vgl. StiASG Bd. 5 S. 37. Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit S. 93f. berichtet unter Verweis auf Näf, Chronik S. 252, dass noch 1696 die Stadt Abt Leodegar den Eid verweigerte. Bez. Stadtbehörden siehe hinten: 3. Rat und Schullhess S. 85f. Den Wortlaut des Eides siehe StiASG Bd. 5 S. 149. 6 Jus Statutarium S. 79f.; dies gemäss der A 14 des Vertrages von 1492. vgl. StiASG Bd. 5 S. 38. Jus Statutarium S. 835; A 17 in fine von 1492 StiASG Bd. 5 S. 41. Jus Statutarium S. 397; Bestätigung von 1536 vgl. StiASG Bd. 5 S. 65, jene vom 2. Jan. 1635 vgl. aaO. S. 97 und Wild, S. 217ff. 9 Jus Statutarium S. 397f.• Wild. S. 218. Der Ausschluss erfolgte mit Zustimmung des Abtes durch die Wiler gemäss Vertrag von 1492 A 17. vgl. StiASG Bd. 5 S. 41. 10 Auf den Seiten 399405 des Jus Statutarium. 11 Vgl. auch Wild. S. 21Sf.. dessen Ausführungen jenen Pater Bemhards entsprechen. 12 Vgl. Jus Statutarium S. 403f.; Vertrag vom 19. Nov. 1654 in StiASG Bd. 5 S. 115-119. ·79· angeblich über l00jährigen Praxis, wonach der Abt den Wilern ohne Zustimmung Aufnahmen ins Bürgerrecht gestattet habel . Den Streit um die Einbürgerungen konnte erst Abt Gallus 1665 mit einer dritten Vereinba- rung endgültig beilegen: Die bisherigen Regeln wurden bestätigt, neu aber festgelegt, wer nicht als Bürger aufgenommen werden durfte: Juden, Nicht-Katholiken, Fahrendes Volk und weitere missliebige Personen2•

2.2.2 Die Einbürgerungstaxe Die Taxe wurde zwischen Stadt und Kloster aufgeteilt. Die Höhe der Taxe betrug gemäss Vereinbarung vom 4. März 16654 Pfd. Pfg. Was darüber hinaus als Vergabung einging, war im Verhältnis 1:2 zwischen Kloster und Stadt aufzuteilen. Das Hintersassengeld durfte maximal 2 Dukaten betragen3. Die Stadt wurde im gleichen Entscheid mit 50 Talern gebüsst, weil sie zu hohe Einbürgerungstaxen verlangt hatte

2.2.3 Auswanderung und Abzug Auch über das Recht der freien Auswanderung entschieden 1733 die Eidgenossen: Für die Wiler blieben die alten Verträge bestehen, und somit waren sie bez. des "jus emigrationis" gleich eingeschränkt wie die anderen Monasterialen in der Alten LandschaftS. Die Schiedsrichter entschieden 1733 auch, dass dem Abt allein das Recht zukomme, eine Abzugsordnung aufzurichten. Den Abzug liess er aus Gnade dem Spital zukommen. Die von Pater Bernhard dargestellte Abzugsordnung lautet genau so und gestattete der Stadt, Abzugs- verträge nur mit Erlaubnis des Abtes abzuschliessen6•

2.3 Bau- und Unterhaltsordnung Im Vertrag von 1401 wurde den Bürgern das Recht bestätigt, die Stadt mit einem Graben zu umgeben7• Im Jahre 1560 vereinbarten Abt Diethelm und die Stadt, dass der Abt eine Brücke "beym Fürschlag" baue, und dass die Stadt diese und die anderen Brücken unterhalte. Es wurde auch noch bestimmt, wer welche öffentlichen Gebäude zu errichten hatte: Der Abt sollte "Manginen, Blaichinen, Färbinen und Walken" errichten8• Zum Unterhalt der Strassen, die ausserhalb der Stadt lagen, waren nach dem Vertrag von 1650 die Anstösser verpflichtet9•

3. Rat und Schulthess Die Behörden der Stadt Wil bestanden aus dem Schulthess, 12 Räten, dem Kleinen Rat, dem Weibel, dem Stadtschreiber und den Dreissigern, dem grossen Rat mit 30 MitgliedernlO•

1 Jus Slatutarium S. 4OOff. 2 Jus Slatutarium S. 404f.; vgl. StiASG Bd. 5 S. 129f. und Wild, S. 2191etzter Absatz. 3 Jus Slatutarium S. 398f.; StiASG Bd. 5 S. 129f. 4 Jus Slatutarium S. 399; siehe StiASG Bd. 5 S. 97: Diesen Betrag musste die Stadt als Busse für die uno berechtigt erhobenen Einbürgerungstaxen abliefern. 5 Jus Statutarium S. 56 unter Verweis auf S. 25; vgl. Grav. I Spec. 2 von 1733 in StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a; vgl. vorne § 7 C) S. 36ff.; Für Details siehe Wild, S. 251ff. 6 Jus SlalUtarium S. 57; Grav. 5 Spec. 2 von 1733 StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a. 7 Jus Slatutarium S. 65; A 7 von 1401; siehe UBSG IV Nr. 2218. 8 Jus SlalUtarium S. 543f.; siehe StiASG Bd. 5 S. 79ff. 9 Jus SlalUtarium S. 543; vgl. bei den Tavernen (hinten 6.5 S. 86f.), weil das Umgeld daftlr verwendet wurde; A 26 von 1650 siehe StiASG Bd. 5 S. 105; vgl. auch Wild S. 249 FN 1. 10 Jus SlalUtarium S. 766; vgl. Saile. Die Erbrechte der Stadt Wil S. 15·27, der eine übersichtliche Darstellung der städtischen Behördenorganisation gibt ·80·

3.1 Die Wahlen 3.1.1 der Räte Die Wahl des Rates war durch mehrere Verträge und Schiedssprüche im Laufe der Jahr- hunderte geregelt worden 1: Zur Zeit schlug der Abt mindestens 70 Stadtbürger vor, aus denen dann die Bürger den kleinen Rat wählten. Der gewählte SchuIthess und die 12 Kleinen Räte wählten zusammen mit dem Stadtschreiber dann aus den vorgeschlagenen Siebzig noch die Dreissiger2• Wenn vom Kleinen Rat 6 oder mehr Mitglieder nicht an der Sitzung teilnehmen konnten, durfte der Rat mit fähigen Leuten ergänzt werden, die aber gehalten waren, alles zu verschwei- gen, was sie erfuhren3. 1733 wurde der Wahltermin am Jahresanfang für Rat und Schulthess bestätigt; sobald ein Sitz frei wurde, war er wieder zu besetzen, um Wahlmanöver zu verhin- dern4.

3.1.2 des Schulthessen Die Bürger wählten aus einem Vierervorschlag des Abtes den Schulthess. Alle Vorgeschla- genen mussten Bürger sein und wenigstens ein Jahr im Rat gesessen haben; mindestens zwei Kandidaten mussten sogar das Amt eines Kleinen Rates bekleidet haben5• Jeder neu gewählte Ratsherr hatte 25 Gulden in die Rüstkammer der Stadt bezahlen, was die Wiler selber gefordert hatten6•

3.1.3 der weiteren Behördemitglieder Der Schulthess, der Kleine Rat und die Dreissiger wählten die restlichen Behördemitglieder, den Weibel und den Stadtschreiber, der zugleich Schulmeister war7. Der Weibel, der ein Gotteshausmann sein musste8, schwor seinen Eid dem Abt9. Seine Ab- setzung konnten nur Bürgerschaft und Abt gemeinsam vornehmen, da er beider Weibel warlO• Die Besetzung der weiteren Aemter wie Amtsverwalter, Lehenleute, Ratsdiener und Nachtwächter erfolgte auch gemäss Schiedsspruch von 173311 •

3.2 Der Einfluss des Abtes auf den Rat Der in Wil residierende Reichsvogt und der Hofammann nahmen im Rat Einsitzl2, wie es für den Hofammann im Vertrag von 1464 festgelegt worden war13; ihm waren die Ratssitzungen anzuzeigenl4. Der Vertrag von 1502 regelte die Teilnahme des Reichsvogts an den Ratssitzun-

Jus Statutarium S. 766; in A 2 von 1470 (StiASG Bd. 5 S. 33), A 14 von 1492 (aaO. S. 40), A 4 von 1502 (aaO. S. 49), im Spruch der Schirmorte von 1518 (aaO. S. 56), A 1 von 1650 (aaO. S. 100) und in Grav. 3 Spec. 4 von 1733 (StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a). 2 Jus Statutarium S. 767. 3 Jus Statutarium S. 772; dies erlaubte Abt Diethelm 1536, vgl. StiASG Bd. 5 S. 66. Den Eid von Schull- hess und Rat siehe S. 776f., vgl. StiASG Bd. 5 S. 149. 4 Jus Statutarium S. 769; Grav. 2 Spec. 3 von 1733 StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a. Wahlpraktiken (Jus Statu- tarium S. 73 u. 767) wurden schon im Vertrag von 1654 bestraft, vgl. StiASG Bd. 5 S. 121. 5 Jus Statutarium S. 766f. 6 Jus Statutarium S. 767; Grav. 5 Spec. 10 von 1733 aaO. FUr den Wortlaut seines Eides siehe FN 3. 7 Jus Statutarium S. 768. 8 Jus Statutarium S. 768; A 16 von 1492 vgl. StiASG Bd. 5 S. 41. 9 Text des Eides vgl. Jus Statutarium S. 775-6 und StiASG Bd. 5 S. 152; Er musste nur dem Abt schwören, obwohl er auch der Weibel der Stadt sei, so Grav. 6 Spec. 3 von 1733, vgl. Jus Statutarium S. 776, StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a. 10 Jus Statutarium S. 768; Vereinbarung von 1654, vgl. StiASG Bd. 5 S. 122. 11 Jus Statutarium S. 768; gemäss Grav. 6 Spec. 4 (StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a), die A 18 von 1650 nur bestä· tigten (StiASG Bd. 5 S. 104). 12 Jus Statutarium S. 65. 13 Jus Statutarium S. 771 u. 786; A 2 von 1464 vgl. StiASG Bd. 5 S. 24. 14 Jus Statutarium S. 786; Grav. 5 Spec. 8 von 1733 StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a. ·81· gen und den Ausstand der äbtischen Beamten. Durch diesen Vertrag wurde ihnen aber auch die Teilnahme an bestimmten Sitzungen untersagtl. Wenn der Hofammann aus VerwandtschaftsgrüDden befangen schien, konnte der Statthalter einen Vertreter schicken2. Der Entscheid der Schirmorte von 1518 fügte bei, dass er nur Strafrechtliches aus dem Rat dem Abt oder dessen Statthalter mitteilen dürfe3. Im Vertrag von 1654 wurde ihm gestattet, so schreibt Pater Bernhard, grundSätzlich an allen Ratssitzungen teilzunehmen, obwohl der Vertrag" ... rantum expresse loquirur de concessis"4.

3.3 Die Gesetzgebungsgewalt der Stadt 3.3.1 Im Grundsatz Der Vertrag von 1401 gestattete, die Stadt mit einem Graben zu umgeben. Pater Bernhard schliesst daraus, dass Rat und Schulthess ein beschränktes Recht hatten, Mandate und Verbote für das Stadtgebiet zu erlassen, was der Vertrag von 1492 dann ausdrücklich gestatteteS. Der Rat durfte aber nur Mandate zu einzelnen, bestimmten Sachgebieten erlassen, z.B. zum Schuldwesen; für andere Mandate war eine besondere Erlaubnis des Abtes nötig/'. Diese Erlasse mussten zudem mit einer Formel eingeleitet werden, welche die Oberhoheit des Abtes doku· mentieren sollte7•

3.3.2 Die einzelnen Sachgebiete Im Spruch von 1518 erlaubten die Eidgenossen den Wilern, jeweils nach der Wahl von Schulthess und Rat den Abt zu bitten, ihnen die Rechtsetzung für bestimmte Sachgebiete zu ge- währen: Der Abt sollte ihnen die Bestrafung Ungehorsamer, die Regelung der Zeugenanhörung und des Vormundschaftsrechtes überlassen8• Die vom Rat verhängten Bussen durften nicht höher als 1 Pfd. Pfg. sein, ausser in Fällen, die der Stadt zu Nutzen waren, wie "Srüer, Brüech, Umbgelr, Wachrgelr"9; ebenso war Schult- hess und Rat die Begnadigung untersagt 10. Gemäss Vertrag von 1650 war der Stadt Wil nur in Anwesenheit des Hofammanns gestattet, neue Stadtsatzungen zu erlassen. Bevor die neuen Satzungen angewendet werden konnten, musste sie der Abtratifizierenll. Im Jahre 1419 dagegen hatte Abt Heinrich den Wilern sogar das Recht gewährt, sich während 15 Jahren frei verbünden zu können, mit wem sie wollten, sofern sie gewisse Bedingungen einhielten, sich vor allem nicht zum Nachteil des Stiftes zu verbÜDdenl2•

Jus Statutarium S. 66 u. 783; im A 3 von 1464 (StiASG Bd. 5 s. 24f.), in A 1 von 1502 (aaO. S. 48), im Spruch der Schirmorte von 1518 (aaO. S. 56), in A 11 von 1650 (aaO. S. 102) und zu letzt in Grav. 5 Spec. 8 von 1733 (StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a), vgJ. dies im Jus Statutarium S. 787. 2 Jus Statutarium S. 787f.; Grav. 3 Spec. 9 von 1733 aaO. 3 Jus Statutarium S. 786; vgJ. StiASG Bd. 5 S. 56. 4 Jus Statutarium S. 788; "sed generaliter id etiam verum est" fährt StiBSG Codex 1957 S. 773 fon, also Auslegung (vgJ. StiASG Bd. 5 S. 127). Jus Statutarium S. 65; A 7 von 1401 (StiASG Bd. 5 S. 2); A 17 von 1492 (aaO. S. 41), auch Müller, Landsatzung und Landmandat S. 232 FN 64 und Wild S. 98 und 254f. Bsp. fUr solche Mandate siehe Bless- Grabher, Das Alte Wil im Spiegel seiner Sittenmandate. 6 Jus Statutarium S. 67; dies nach A 1 von 1502 (StiASG Bd. 5 S. 48), der A 17 von 1492 (aaO. S. 41) be· stätigte; Grav. 3 Spec. 1 von 1733 (StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a). 7 Jus Statutarium S. 66f.; A 4 und 7 von 1650 (StiASG Bd. 5 S. 101) bestätigten die Erlasse von 1492 (aaO. S. 41) und 1518 (aaO. S. 56); vgJ. auch Grav. 3 Spec. 1 von 1733 (StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a). Die Formel stammt aus A 17 von 1492 und lautet "Unser gnediger Herr von Sant Gallen/ouch ein Schulthes und Ratt zu Wil/verbietten!/old gebiettentldas oder das by einer buoss". 8 Jus Statutarium S. 68; StiASG Bd. 5 S. 56. 9 Jus Statutarium S. 67: A 17 von 1492 vgL StiASG Bd. 5 S. 41. 10 Jus Statutarium S. 72; gemäss Grav. 2 Spec. 10 von 1733 vgI. StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a. 11 Jus Statutarium S. 68; A 5 von 1650 siehe StiASG Bd. 5 S. 101. 12 Jus Statutarium S. 82f.; vgJ. UBSG V Nr. 2766. ·82·

Rat und Schulthess konnten die sogenannten "Sicherheits und Gleittsbrief" ausstellen, sofern sie diese dem Statthalter oder dem Abt vorlegten, die sie aufheben konnten. Die Wiler durften auch den" Geburth, und Wohlverhaltensschein" ausstellen, ohne dadurch die althergebrachten Rechte des Abtes über die Stadt einzuschränkenl .

3.4 Die Rechtsprechungsaufgaben Die Stadtgrenzen entschieden über die Zuständigkeit der städtischen bzw. äbtischen Gerich- te2. Der Vertrag von 1401 regelte die Besetzung der Gerichte für den Fall, dass ein äbtischer Beamter mit einem Stadtbürger stritt: Es sollten keine Fremden zur Besetzung der Gerichte her- angezogen werden3• Der Abt oder seine Beamten mussten sich mit dem Entscheid des Rates abfmden, wenn sie mit Stadtbürgern wegen des Abtes oder des Klosters in einem Streit lagen4• Die Zusammensetzung des Jahrgerichtes wurde von Abt Ulrich VIII. 1478 so geändert, dass nicht mehr das ganze Volk, sondern nur noch Schulthess, Rat und die gewählten Richter daran teilnahmen5• Abt Bernhard beschränkte 1606 die Zuständigkeit des Jahrgerichts auf tat- sächliche Erb- und Eigenfälle; wenn sich die Wiler nicht daran hielten und andere Fälle beurteil- ten, konnte der Abt die Entscheide des Jahrgerichtes abändern. Die Jahrgerichtsentscheide wur- den an den Abt weitergezogen6• Die Appellation der übrigen Urteile wurde im Vertrag von 1654 geregelt und 1733 präzisiert7• Der Schulthess sass im Namen des Abts zu Gericht und schloss deswegen seine Urteile mit der Formel: "Einem Herrn von St. Gallen und dem Gottshauss, auch der Stadt Wyl in allweg ohne Schaden"8. Der Rat konnte in der Kirche begangene Vergehen bestrafen und entschied über die Disposition der Kirchenbänke9•

3.5 Die Zwangsgewalt von Rat und Schulthess (Potestas coercitiva) Der Rat und der Schulthess konnten nach der jährlichen Wahl verlangen, dass sie Schuldner und Widerspenstige bestrafen durften, was der Abt ihnen" nach Zimmlichkeit" gestattetelO• Ueber die Verteilung jener Bussen, die der Bürgerschaft zufielen, wurde seit 1413 verhan- delt. Damals schrieben die Wiler, sie wüssten, dass sie die Bussen nur aus Gnade erhielten und wenn diese widerrufen werde, sie wieder darauf verzichteten müssten 11. Im Jahre 1464 wurde die Verteilung zwischen Abt und Stadt im Verhältnis 2:1 festgelegt, aber schon 1492 wieder geändert: Von den in Wil anfallenden und vom Rat ausgefallten Bussen falle je eine Hälfte dem Abt und der Stadt zu, ohne den Anteil abzurechnen, der seit altersher dem Schulthess zustand; davon waren die Hochgerichtsbussen ausgenommen. Diese Verteilung wurde von den Schirm- orten im Entscheid von 1502 auf alle Bussen ausgedehnt, die ausserhalb der Stadtmauern, aber

Jus Statutarium S. 71; A 22 von 1492 bez. der Sicherheitsbriefe vgl. StiASG Bd. 5 S. 43; Grav. 1 Spec. 3 von 1733 bez. der Geburtsscheine. vgl. StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a. 2 Jus Statutarium S. 790; Entscheid von 1525 siehe StiASG Bd. 5 S. 59ff. 3 Jus Statutarium S. 772; A 9 von 1401 in UBSG IV Nr. 2218. 4 Jus Statutarium S. 796; A 11 von 1492. vgl. StiASG Bd. 5 S. 39. 5 Jus Statutarium S. 813; Erlass von Ulrich VIII. siehe StiASG Bd. 5 S. 92; Vereinbarung von 1606 siehe aaO. S. 91f.; A 12 von 1650. der die alte Vereinbarung beslätigte. vgl. aaO. S. 102. 6 Jus Statutarium S. 813f.; Der Erlass von 1606 (StiASG Bd. 5 S. 91) bestätigt nur einen Erlass von Abt Joaehim von 1577 (aaO. S. 84). 7 Jus Statutarium S. 814 u. 831; Vertrag von 1654 (aaO. S. 120f.) und Grav. 2 Spec. 5 von 1733. vgl. StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a. Jus Statutarium S. 69; der Schulthess war anfänglich ein äbtischer Beamter. vgl. dazu Wild. S. 91; Fonnel aus A 15 von 1492 StiASG Bd. 5 S. 40f. 9 Jus Statutarium S. 71; Regimentsrecess von 1728 A 10 (StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a); sowie Grav. 3 Spec. 5 und 6 von 1733 für die Vergehen. Grav. 2 Spec. 4 von 1733 für die Bänke. vgL aaO. 10 Jus Statutarium S. 72f.; Spruch von 1518 vgl. StiASG Bd. 5 S. 56. 11 Jus Statutarium S. 73f.; dieses Schreiben siehe StiASG Bd. 5 S. 5. - 83- noch innert den Eschen anfieleni. Ueber die Bezahlung der Bussen wurde 1635 eine besondere Uebereinkunft geschlossen. Obwohl diese 1650 bestätigt wurde, klagt Bernhard Rannes, wür- de sie bis heute nicht eingehalten2•

4. Der Fall Schiedsrichter entschieden 1650, dass auch zum Fall verpflichtet sei, "wer um ein halbtheil ein verstelltes Ross, oder Vieh hat"; Wer gemeinsam ein Nutztier besass, musste also den hal- ben Fall geben, wie dies schon im Gnadenbrief von Abt Kaspar von 1451 festgelegt wurde3• Der Entscheid der Schirmorte von 1502 bestimmte, " wer sich verpfründen lässt", müsse zu- erst den Fall sicherstellen. Der Vertrag von 1650 verbot betrügerische Machenschaften zwecks Umgehung der Fallpflicht bei" Verp!ründungen" und" Verleibdingungen", damit der Abt diesen nicht mit besonderer Mühe eintreiben müsse4•

5. Das Strafrecht 5.1 Die Blutgerichtsbarkeit Kaiser Sigismund gestattete dem Abt 1430, in Wil ein Blutgericht aus 12 Männem einzuset- zen, die mit dem Reichsvogt zusammen urteilen durften. Der gleiche Kaiser bestätigte dieses Recht 1433; Kaiser Friedrich III. wiederholte die Bestätitigung 14635• Im Jahre 1733 wurde dieses Recht nochmals präzisiert und endgültig dem Abt vorbehalten6•

5.2 Die Kompetenzen des Abtes Die Schirmorte erlaubten 1502 dem Abt, Fremde, die er ausserhalb der Stadtgrenzen verhaf- ten liess, in die Stadt zu bringen und dort nach seinem Gutdünken abzuurteilen. Wenn ein sol- cher Fremder dem Kriminalgericht vorgeführt wurde, weil er malefizisch gehandelt hatte, nah- men am Verhör zwei Ratsmitglieder teil, die bei grossem Aufwand durch den Statthalter zu entschädigen waren7• Im Vertrag von 1401 hatten die Wiler das Privileg zugestanden erhalten, dass in einem Bür- gerhaus niemand verhaftet werden dürfe. Ebenso wurde allen fremden Herren verboten, in der Stadt jemanden ergreifen zu lassen. Die Vereinbarung von 1492 präzisierte die frühere Fassung und dehnte sie auf das "Gevogtet werden" aus8. Die Kompetenzen des Reichsvogtes im Ver- hältnis zu Schulthess und Rat bezüglich Verhaftungen wurden in den Vereinbarungen von

1 Jus Slatutarium S. 74f.; vgl. für 1464 in StiASG Bd. 5 S. 25; A 18 von 1492 aaO. S. 4lf., diese Stelle kann auch so verstanden werden: von allen in der Stadt ausgefällten Bussen; A 2 von 1502 vgl. aaO. S. 48. 2 Jus Statutarium S. 790; vgl. Vereinbarung vom 4. Jan. 1635 (StiASG Bd. 1355 S. 213ff.); Bestätigung in A 10 von 1650 vgl. aaO. S. 102. Die Datierung dieser Bussenvereinbarung ist unsicher, da in Bd. 5 S. 189ff. die Jahrzahl im Titel mit Bleistift von 1635 auf 1735 korrigiert ist; am Schluss dagen mit Tinte nur 1735 steht In Rubr. 13 Fasz. 22 und Rubr. 82 Fasz. 2, wo weitere Exemplare liegen, sind die Datierungen eindeutig 1635. 3 Jus Slatutarium S. 59f.; A 21 von 1650 vgl. StiASG Bd. 5 S. 104; Gnadenbrief von 1451 vgl. aaO. S. 19. 4 Jus Statutarium S. 59f.; nicht 1562 wie Pater Bemhard S. 23f. schreibt; 1. Erkantnuß von 1502 in StiASG Bd. 5 S. 52; A 22 von 1650 vgl. aaO. S. 104. 5 Jus Statutarium S. 55f.; Verleihung von 1430 siehe UBSG Bd. V Nr. 3588; Bestätigung von 1433 vgl. UBSG V Nr. 3788; Bestätigung von 1463 vgl. UBSG VI Nr. 6663 (Reg.). Vgl. Cavelti, EntwiCklung der Landeshoheit S. 75. 6 Grav. 4 general von 1733, StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a. 7 Jus Statutarium S. 76f.; A 3 von 1502 (StiASG Bd 5 S. 48f.) wird bestätigt durch Grav. 4 Spec. 3 u. 5 von 1733, StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a. 8 Jus Slatutarium S. 75 u. 785; A 5 von 1401 (UBSG IV Nr. 2218) ; A 4 von 1492 vgl. StiASG Bd. 5 S. 38. -84-

1464,1492 und 1654 umschriebenl _ Die Wiler hatten bei der Verhaftung von Fremden zu hel- fen2_ Aebtische Beamte, wie z.R die Pfalzräte, die ausserhalb des Hofes eine Straftat begingen, unterstanden wie andere Bürger der Strafhoheit des Rates3• Dies galt auch für Knechte des Ho- fes: Sie waren dem Rat auszuliefern4•

5.3 Die Kompetenzen der Stadt Der Schiedsspruch von 1502 nahm alle schweren Straffälle, die Criminalia, von der Ge- richtshoheit der städtischen Behörden aus. Die Schirmorte bestätigten dieses Verbot 1518, ge- statteten aber Schulthess und Rat, in Abwesenheit des Reichsvogtes Uebeltäter bis zu dessen Rückkehr festzuhalten5. Der Rat durfte in Anwesenheit des Hofammanns Beleidigungen durch Worte, auf denen nicht beharrt wurde, bestrafen; alle anderen Fälle gehörten in den Aufgabenbereich des Reichs- vogtes6• Bei der "Laesio pacis" wurde ebenfalls differenziert: Geschah sie durch Worte, war der Rat zuständig, geschalJ sie durch Taten, der Reichsvogt7• Schulthess und Rat durften "umb Schul- den, Buessen und von Burgerlichen befelchs wegen" Eide auferlegen; deren Bruch konnten sie auch bestrafen. Alle anderen Fälle waren dem Reichsvogt vorbehalten8. Wenn einer "male ageret" gegen das Kloster (wenn einer arges zurechte, ald zufügte mit Worten oder Werken), war der Fall dem Rat zu unterbreiten, der im Beisein von Reichsvogt und Hofammann entschied; erst wenn der Rat nichts unternahm oder die Sache vertuschen wollte, durfte der Abt den Täter bestrafen9.

6. Regalrechte und Wirtschaftsrecht Hier ist nebst dem Wirtschaftsrecht auch das behandelt, was Pater Bernhard Hannes in seinem Werk unter dem Sachbegriff der Regalien anftihrtlO_

6.1 Jagdrecht Gemäss Vertrag von 1413 mussten die Wiler vom Ertrag der Auen keine Abgaben entrich- ten, dafür hatte der Abt das Jagd- und Fischereiregal; sie mussten aber alle streng bestrafen, die mit Hunden Wildschaden anrichtetenIl.

Jus Statutarium S. 785; Spruch von 1464 vgl. StiASG Bd. 5 S. 25; von 1492 aaO. S. 37ff. und von 1654 aaO. S. 126. 2 Jus Statutarium S. 76; A 5 von 1401 (UBSG IV Nr. 2218) bestätigt durch A 9 von 1492 (StiASG Bd. 5 S. 39). 3 Jus Statutarium S. 789; Grav. 6 Spec. 14 von 1733 (StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a). 4 Jus Statutarium S. 789; Vertrag von 1654 in StiASG Bd. 5 S. 119f. 5 Jus Statutarium S. 70; A 1 von 1502 vgl. StiASG Bd. 5 S. 48; dies wurde 1518 bestätigt, vgl. EA 3,I1 S. 10961it. a. 6 Jus Statutarium S. 791; A 3 von 1577 vgl. StiASG Bd. 5 S. 85f.; Der Wortlaut der Vereinbarung von 1654 (S. 792) wurde fast vollständig übernommen, aaO. S. 124f. 7 Jus Statutarium S. 793; Vereinbarung von 1654 vgl. aaO. S. 126 in fme. 8 Jus Statutarium S. 793f.; Vereinbarung von 1654 vgl. aaO. S. 127. 9 Jus Statutarium S. 795f.; A 8 von 1492 vgl. aaO. S. 38f. 10 Für eine generelle Begründung vgl. § 7 E) Die Regalien des Abtes S. 68ff. 11 Jus Statutarium S. 314f.; unter Verweis auf A 2 von 1413 (UBSG V Nr. 2542) wegen des Jagdregals und der Befreiung von Abgaben, A 12 von 1492 (StiASG Bd. 5 S. 39) bestätigt diese Befreiung, vgl. auch Wild, S. 237; Die Jagd- und auch die Weidevergehen wurden durch A 8 von 1492 (aaO.) und A 25 des Vertrags vom 20. Dez. 1650 (aaO. S. 105) mit Strafe bedroht. -85-

6.2 Weiden und Auen 6.2.1 Auen Das Eigentum an den Wiler Auen, d.h. an der Allmend, stand der Stadt zu, vom Jagd- und Fischregal abgesehenl . Solange sie Weide blieb, waren die Wiler vom Zehnten befreit, pflügten sie aber und pflanzten Frucht an, wurde vom vierten Jahr der Bebauung an der Zehnte geschul- det2• In dieser Vereinbarung wurde auch der "Ziegler", der die Tongruben in der Au ausbeutete, vom Zehnten befreit; bei der Nutzung musste auf die Rechte der armen Leute an der Allmend Rücksicht genommen werden3• Die Vereinbarung von 1650 bestätigte und präzisierte dies; zudem musste die Stadt dem Kloster zu einem gerechten Preis Ziegel verkaufen, soweit sie diese nicht selber benötigte4.

6.2.2 Weiden Es gab einen langandauemden Streit, ob die Stadt Weiderechte in den Klostergütern auf dem Wilberg hätte: Weil die Stadt in Kriegszeiten dieses Weiderecht besass, das Kloster andererseits seit 30 Jahren diese Last nicht mehr zu tragen hatte. Der Streit wurde von den Schirmorten 1502 an vier Schiedsrichter gewiesen, die einen fünften beizogen; wie der Entscheid ausfiel, ist nicht bekannts. Die Dienstleute des Hofes konnten ihr Vieh Init Einschränkungen auch auf die Thurau zum Weiden treiben6; die Fischer des Hofes Wil und der Neubauer konnten gleichzeitig sechs Stück Vieh auf die Allmend schicken; für die ersten zwei hatten der Statthalter oder der Bauer zwei Gulden in die Stadtkasse zu bezalIlen, die weiteren Tiere waren frei1.

6.3 Der Handel Init Grund und Boden Der Vertrag von 1401 gestattete den Wilern "die Verschaffung der Güter", d.h. die Einwoh- ner konnten frei über iIIre Grundstücke verfugen, sie tauschen und handeln8• Dies wurde durch den Vertrag von 1413 "expresse" bestätigt. Doch Art. 1 dieses Gnadenbriefes ergänzte: Wenn jemand einem Fremden Grund und Boden verkaufen wollte, musste er eine Bewilligung des Abtes einholen9• • Bei Streitigkeiten entschied der Rat, ausser über Lehensgüter, die in die Kompetenz des Le- hengerichtes fielenlo.

6.4 Markt- und Münzrecht Im Jahre 1464 verlieh Kaiser Friedrich Abt Ulrich VIII. das Recht, in Wil zwei Jahrmärkte zu haltenll. Abt Ulrich vereinbarte 1472 Init den Wilem eine Marktordnung, die die Erstellung der nötigen Bauten, sowie die gegenseitigen Rechte und Pflichten regelte; gleichzeitig erwarb er die Hälfte der Marktgebührenl2. Die oberste Rechtsetzungs- und -sprechungshoheit über den

1 Jus StalUtarium S. 374; unter Verweis auf A 1 von 1639 siehe StiASG Bd. 5 S. 97. 2 Jus Statutarium S. 374; A 2 von 1639, StiASG Bd. 5 S. 97f.; Wild, S. 237f. 3 Jus Statutarium S. 375; A 3 von 1639, siehe StiASG Bd. 5 S. 98. 4 Jus Statutarium S. 375; A 24 vom 20. Dez. 1650, aaO. S. 105. 5 Jus Statutarium S. 373; genau so in EA 3,II S. 189 lit. b Ziff. 4, Entscheid vom 31. Okt. 1502. Wie der Streit entscbieden wurde, war nicbt herauszufinden. 6 Jus Statutarium S. 376; siehe Vertrag vom 28. Sept. 1651 in StiASG Bd. 5 S. 113. 7 Jus Statutarium S. 408; Vergleich vom 17. Juni 1723 A 2 aaO. S. 141; vgl. Wild, S. 239. Jus Statutarium S. 2lf. bzw. 61; A 3 von 1401 in UBSG IV Nr. 2218. 9 Jus Statutarium S. 608f.; vgl. A 1 von 1413 in UBSG V Nr. 2542. 10 Jus Statutarium S. 61; vgl. A I von 1413 (UBSG V Nr. 2542) u. A 7 von 1492 in StiASG Bd. 5 S. 38. 11 Jus Statutarium S. 62; StiASG Bd. 5 S. 30. 12 Jus Statutarium S. 62f., 522; genaue Darstellung des Vertrags vom 9. März 1472 auf S. 63 des Jus Sta- tutarium, vgl. StiASG Bd. 5 S. 31; A 20 von 1650 (aaO. S. 104) bestätigte die Regelung von 1472. -86 -

Markt blieb entgegen den Begehren der Stadt von 1733 beim Abte; die alten Verträge wurden bestätigt 1_ In Art. 20 der Vereinbarung von 1650 wurde festgelegt, dass die Stadt in Sachgebieten, die ihr in der Marktordnung von 1472 überlassen wurden und ihr von Nutzen seien, beigezogen werden konnte; Art. 6 bestimmte aber, der Entscheid des Abtes gehe vor, wenn die Stadt über Markt, Geld oder Mandate mitrede. Für die Oeffnungszeiten der Wochenmärkte und die Ab- stellung von Missbräuchen konnten die Wiler nach dem Spruch von 1733 beim Statthalter ihre Begehren anmelden2. Zum Münzrecht findet sich lediglich die Bemerkung, dass den Wilern eine Auf- oder Ab- wertung des Geldes nur mit Zustimmung und in Anwesenheit des Abtes oder seines Statthalters gestattet war3.

6.5 Die Tavernen 6.5.1 Die Rechtshoheit Das Tavernenrecht gehörte .. vere ad dispositionem, et superioritatem Abbatis, ... ", was in der Vereinbarung von 1472 festgelegt wurde, die Bemhard Hannes ausführlich wiedergibt. Der Ertrag aus diesen Rechten war je hälftig aufzuteilen4• Zudem statuierte der Vertrag von 1650, dass aus dem der Stadt zufallenden Ertrag der Weinsteuer die Reparaturkosten der Strassen zu bestreiten waren5• Im Vertrag von 1650 wurde das Tavernenrecht erneut vollständig dem Abt zuerkannt, wobei nun ein Mitspracherecht der Stadt vorgesehen war, das sie mit 24 Muth Kernen, je 12 für Bäcker und Wirte, erkaufen musste. Wenn sie diesen Preis nicht bezahlte, konnte der Abt allein entscheiden; bei Differenzen ging die Auffassung des Abtes vor6. Dieser Artikel wurde 1733 bestätigt7. Das Stadtrecht von Wil erfasste die Tavernen ebenfalls: Der Ausschank war nur mit Erlaub- nis des Vogtes gestattet und war auch mit dem Umgeld belastet; lediglich Eigengewächs war davon befreit. An bestimmten Tagen durfte der Vogt selber Wein ausschenken und alle anderen nur mit seiner besonderen Genehmigung8.

6.5.2 Das Umgeld Schon die Vereinbarung von 1401 regelte das Umgeld für Wein; Abt Heinrich behielt sich 1413 in seinem Gnadenbrief das Recht vor, den Ausschank von fremdem Wein zu bewilligen9. Auch der Vertrag von 1492 enthielt Bestimmungen zum Um geld, das vom Kloster nicht mehr erhoben wurde und nun von der Stadt erhoben werden konnte. Der im Hof verkaufte Wein war davon befreit. Für die Gewährung dieses Vorteils musste die Stadt dem Kloster jähr- lich 20 Gulden 20 Kreuzer bezahlen. Die Schirmorte dehnten 1502 dieses Vorrecht auch auf die ausserhalb der Stadtmauer liegenden Tavernen aus lO• Weder erwähnten die Schiedsrichter Art. 19 aus dem Vergleich von 1492, der die Stadt verpflichtete, dem Kloster den gerade angeführ-

1 Jus Statutarium S. 63f.; Grav. 1 Spec. 6 u. Grav. 3 Spec. 10 von 1733, vgl. StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a. 2 Jus Statutarium S. 81 u. 818; A 6 und 20 von 1650 siehe StiASG Bd. 5 S. 101 bzw. 104; Grav. 5 Spec. 4 von 1733 siehe StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a. Nach Spec. 3 u.4 der Zusatzbeschwerden waren Vergantungen nach altem Herkommen durchzuführen, aaO. 3 Jus Statutarium S. 83; A 21 von 1492 in StiASG Bd. 5 S. 42; Wild S. 195. 4 Jus Statutarium S. 52lf.; Vertrag vom 9. Män 1472 vgl. StiASG Bd. 5 S. 32. 5 Jus Statutarium S. 523; A 26 von 1650 in StiASG Bd. 5 S. 105; Wild S. 249. 6 Jus Statutarium S. 522f.; A 16 von 1650 in StiASG Bd. 5 S. 103. 7 Jus Statutarium S. 523.; vgl. Grav. 6 Spec 8 von 1733 in StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a. 8 Jus Statutarium S. 527. 9 Jus Statutarium S. 519; A 4 von 1401 vgl. UBSG IV Nr. 2218; Gnadenbrief von 1413 vgl. UBSG V Nr. 2542. 10 Jus Statutarium S. 520; A 19 von 1492 siehe StiASG Bd. 5 S. 42; A 2 von 1502 vgl. aaO. S. 48; vgl. auch Wild S. 249. -87 - ten Betrag abzuliefern, ausdrücklich, noch hoben sie ihn auf. Pater Bernhard meinte deshalb, es bestünden berechtigte Zweifel, ob der Artikel nach 1733 weiter in Kraft war1•

6.6 Handwerk und Gewerbe 6.6.1 Die Bäcker Schon in den Vertrag von 1413 wurden die Pflichten und Strafen für fehlbare Bäcker auf- genommen2• Die Vereinbarung von 1492 bestimmte unter anderem Brotgewicht und -preis. Diese Artikel müssten im Zusammenhang mit der Vereinbarung von 1650 gesehen werden, schreibt Pater Bernhard3.

6.6.2 Das Müllereigewerbe Kaiser Friedrich verlieh Ulrich VIII. 1464 das Recht, in Wil vier Mühlen zu errichten; der Spruch von Rapperswil von 1525 verbot bei einer Strafe von 10 Pfd. Pfg., in der Mühle von Schneckenbund Wiler Getreide zu mahlen4• 1551 wurde verboten, den unteren Mühlen das Wasser abzugraben5. Die Löhne der Müller wurden in Art. 2 des Vertrages von 1401 festgelegt, und zwar im Ver- hältnis zur zu mahlenden Menge Getreide, also ähnlich wie in der Alten Landschaft6•

6.6.3 Die weiteren Handwerke Der Erlass der Handwerksordnung und deren Handhabung standen allein dem Abte zu 7. Der Hofammann durfte, gestützt auf den Vertrag von 1401, jährlich von den Handwerkern eine Gebühr, die .. Wystatt", erheben, wie dies von altersher gehandhabt wurde. Wenn zwei Hand- werker gemeinsam eine Werkstatt besassen, wurde nur eine Gebühr erhoben8• Wer mehr über das Leinwandgewerbe erfahren wolle, könne im "Tomum Wylensi" den 1474 über den Handel und die Herstellung von Leinwand abgeschlossenen Vertrag nachlesen. Im Vertrag von 1650 war die Verwendung der für die Leinwandproduktion erstellten Blei- chenen und weiterer Infrastruktur geregelt9•

7. Abgaben 7.1 die der Abt erhob In drei Vereinbarungen versprachen die Aebte, die Höhe der jährlich der Stadt auferlegten Steuer zu beschränken. Im Vertrag von 1401 wurde der Höchstbetrag auf 100 Pfd. Pfg. festgesetzt, Abt Heinrich versprach dann 1413, nicht mehr als 100 Pfd. Heller zu fordern. Abt Gotthard präzisierte im grossen Vertrag von 1492, dass es sich bei diesem Betrag um 50 Pfd.

Vgl. A 19 von 1492 in StiASG Bd. 5 S. 42; Grav. 6 Spec 8 von 1733 in StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a. 2 Ius Slatutarium S. 521; A 4 von 1413 siehe UBSG V Nr. 2542. 3 Jus Slatutarium S. 521; A 13 von 1492 (StiASG Bd. 5 S. 40) und A 16 von 1650 (aaO. S. 103); vgl. zum Vertrag von 1650 vorne 6.5 Die Tavernen S. 86f. 4 Jus Slatutarium S. 525; Verleihung von 1464 vgl. StiASG Bd. 5 S. 30; Spruch zu Rapperswil siehe Edition, S. 244f. A 23. 5 Jus Slatutarium S. 542, StiASG Bd. 5 S. 67ff. 6 Jus Slatutarium S. 630; A 2 von 1401 vgl. UBSG IV Nr. 2218; Diese Regelung bestätigt A 6 der Vereinbarung von 1492, siehe StiASG Bd. 5 S. 38. 7 Jus Slatutarium S. 72; Grav. 5 Spec. 5 und 6 von 1733, siehe StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a 8 Jus Slalutarium S. 524; A 10 von 1401 vgl. UBSG IV Nr. 2218; Es galt auch die Marktordnung vom 9. März 1472, vgl. S. 85 FN 12. 9 Jus Slatutarium S. 525; A 19 von 1650 vgl. StiASG Bd. 5 S. 104; Ein Vereinbarung dazu erfolgte schon 1474, vgl. StiASG Bd. 5 S. 163. Der Vertrag bez. des Marktes von 1472 regelte auch das Leinwandgewerbe, vgl. S. 85 FN 12. - 88-

Pfg_ Konstanzer Münze handlei. Der Vertrag von 1401 untersagte dem Abt grundsätzlich, den Wilern neue Steuern aufzuerlegen, er musste sich mit den bisherigen begnügen2. Abt Ulrich Rösch kaufte 1472 die Markt- und Gewerbeeinnahmen zur Hälfte, ebenso den Salzzoll von der Stadt, die sie ihrerseits von den früheren Herren erworben hatte. Nach diesem Kauf konnte Ulrich Vill. sie nach Gutdünken festlegen3•

7.2 welche die Stadt erhob Der Rat hatte die Steuerhoheit für "Umgeld, WachtGeld und andern Steür und Brüch ", die auch der Reichsvogt während der Zeit seines Aufenthaltes in Wil bezahlen musste4. Die Stadt durfte von den Bürgern Steuern erheben; wenn sich die Wiler über deren Höhe beschwerten, konnten sie den Abt um einen Entscheid angehen5• Abt Diethelm Blarer versprach 1536, der Stadt jährlich bis zum Widerruf 5 Gulden an die Kosten der Turmwächter zu bezahlen. Im Jahre 1690 kaufte sich der damalige Statthalter, P. Desiderius Eberle, von der Wachttaxe für das dem Hof gehörende Grundeigentum und Haus des Vierortehauptmanns um 73 Gulden 3 Batzen und 6 Pfenning auf immer frei, was in der Urkunde ausdrücklich erwähnt wurde6.

8. Das Spital von WH Der Gründungsvertrag wurde unter Abt Heinrich 1416 errichtet und durch den Bischof von Konstanz genehmigt7. In Art. 15 des Vertrages von 1650 wurde die Berechtigung der Wiler, ein Spital und ein Armenhaus zu führen, bestätigt und das ganze Vertragswerk bereinigt; dem Abt waren auf Aufforderung hin die Rechnungen beider Institutionen vorzulegen8. Die Finan- zierung erfolgte durch den Abzug, den die Hintersassen zu erbringen hatten9. Im Jahre 1492 einigten sich die Wiler mit Abt Gotthard dahingehend, dass auch für das Ar- menhaus Gültigkeit habe, was für das Hospital geltelO• 1602 wurde dem Armenhaus auch die Nutzung am Brunnen gewährtll.

9. Grundsätzliche Bemerkungen 9.1 Das Verhältnis zwischen Abt und Stadt Pater Bernhard Hannes schreibt in der Einleitung zum Paragraphen "De Privilegia Wylen- sium"12, dass er nun die Vorrechte der Stadt WH darstelle, dass aber dennoch die Oberhoheit des Abtes und dessen Rechte immer bestehen bleiben würde. Seine Ausführungen schloss er mit der Ermahnung, die WHer sollten sich glücklich schätzen, solche Vorrechte zu haben, und er werde noch weit mehr anführen; doch die Gewährung von Privilegien sei immer mit Gefahren verbunden, da sie die Begier nach noch mehr Freiheit wecke. Die Wiler aber ,Jeliciores essent in oboediendo. quam decertando "13.

Jus Statutarium S. 60; A 1 von 1401 vgl. UBSG IV Nr. 2218; A 3 von 1413 vgl. UBSG V Nr. 2542; A 5 von 1492 vgl. StiASG Bd. 5 S. 38. 2 Jus Statutarium S. 24; A 1 von 1401 vgl. UBSG IV NT. 2218. Jus Stabltarium S. 6lf.; Kaufverträge von 1472 vgl. StiASG Bd. 5 S. 27; Bless-Grabher, Stellung S. 46. 4 Jus Stabltarium S. 77 unter Verweis auf A 1 von 1502, vgl. StiASG Bd. 5 S. 48. 5 Jus Statutarium S. 77; Vergleich von 1654, aaO. S. 121f. Jus Statutarium S. 407; Vereinbarung von 1536 siehe StiASG Bd. 5 S. 65; Auskaufsurkunde von 1690 siehe aaO. S. 131. 7 Jus Statutarium S. 378ff.; vgl. auch Wild, S. 198ff.; UBSG V Nr. 2675. 8 Jus Statutarium S. 70 u. 377; A 15 von 1650 in StiASG Bd. 5 S. 103; vgl. auch Wild, S. 274. 9 Jus Statutarium S. 57; bestätigt in Grav. 5 Spec. I von 1733 siehe StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a. 10 Jus StabJtarium S. 380; StiASG Bd. 5 S. 45. 11 Jus Statutarium S. 380; aaO. S. 87ff. 12 Jus Stabltarium S. 64ff. 13 Jus Stabltarium S. 84. ·89·

Im übrigen war die Stadt nur insofern frei, als die Verträge und die Schiedssprüche der Eid- genossen und die "legitimas consuetudines" dies festlegten, in allem anderen konnte der Abt Mandate und Befehle erlassen, die die Wiler zu befolgen hatten; so lautete Art. 2 der Vereinba- rung von 1650, der 1733 bestätigt wurde, und wo es auch hiess, dass "ad Principem peninere, paterne monere Wylenses ... "1. Die Gefahr, dass mit jedem Vergleich die Rechte des Abtes als Stadtherr geschmälert wur- den, erkannte Pater Bernhard klar und stellt dies auch fest: "Adeoque per conventiones amica- bilis, in causa licetjustissima semper Monrium aliquid dejuribus suis perdidit'<2.

9.2 Die Charakterisierung der Stellung des Abtes Pater Bernhard Hannes schrieb zu Beginn von § 103, dass die bisher dargestellten Rechts- verhältnisse in WH, nämlich Stellung der Diener des Hofes, Wehrhoheit, Fall, Eid, Untertänig- keit und "Jus emigrationis" der Stadtbewohner, Blutgerichtsbarkeit, Markt sowie "Steura annua et VectigaJ" Ausdruck des dem Abte zustehenden "lmperim merum et mixtum" seien, das "po- testas legislativa,judiciaria et coercitiva", sowie das "Dominium altum in homines et bona" um- fasse. Das sind die gleichen Begriffe und Wendungen, mit denen er die Herrschaft des Abtes in der Alten Landschaft umschrieb".

B) Rorschach 1. Einleitung Rorschach, das vor allem als Hafen ein wichtiger Ort in den äbtischen Landen war, und auf dessen Bedeutung noch heute das Kornhaus hinweist, soll wie WH ebenfalls etwas ausführ- licher behandelt werden. Neben den Erlassen, die auch für die Alte Landschaft in Kraft waren, hatten die beiden Eid- genössischen Schiedssprüche von 1559 und 1755 entscheidenden Einfluss auf das Verhältnis zwischen dem Hafenort und der Abtei.

2. Die Rechte des Abtes 2.1 Der Erwerb der Rechte Rorschach gehörte seit der Gründungszeit des Stiftes zum Herrschaftsgebiet, und das Klo- ster war hier sehr begütert. Vor allem darin gründete die machtvolle Stellung des Stiftes im Ge- richt Rorschach. Pater Bernhard Hannes schreibt, dass dieser Ort mit allen Rechten (pleno jure cum imperio mero et mixto) dem Kloster zustehe. Die Burg Rorschach, d.h. das St. Anna- schloss, wurde im Jahre 1449 gekauft, was aus den Unterlagen in der "Oeconomia Rosacena" ersichtlich sei5• Im Jahre 1466 entzog das Kloster den Schenken von Castell die Reichsvogtei6•

2.2 Die Gerichtsrechte Die Offnung von Rorschach datiert aus dem Jahre 14697• Die Niedergerichtsbarkeit hatte immer zum Kloster St. Gallen gehört, und nicht zur Burg Rorschach; so war es auch in der Offnung niedergeschrieben. Zur Regierungszeit von Abt Franz von Gaisberg war das Stift da-

Jus Statutariurn S. 84f.; A 2 von 1650 siehe StiASG Bd. 5 S. 100 wo es heisst: ..... sollen Sie volgen und gehorsamen ... "; Grav. 2 Spec. 1 u. 2 sowie Grav. 5 Spec. 7 vgl. StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a; vgI. dazu auch die Folgerungen von Walter Müller in seiner Arbeit Landsatzung und Landmandat S. 318ff. über die Staats- auffassung der St. Galler FÜTs!äbte im 18. JahrhunderL 2 Jus Statutariurn S. 404. 3 Jus Statutariurn S. 64. 4 VgI. Jus Statutarium S. 16ff. bzw. vorne § 7 C) S. 34ff. 5 Jus Statutariurn S. 106. 6 Jus S!Btutariurn S. 108: ~q I, S. 252, unter Verweis auf die gleichen Vorgänge in Muolen. Pater Bernhard schreIbt nur: ..... redernI!. . 7 Jus Statutariurn S. 106; Rq I, S. 13. -90- her schon seit über 550 Jahren in deren Besitz: Dies könne er mit Urkunden aus der ottonischen Zeit beweisen, erklärte Abt Franz 1525 in RapperswiIl_ Die in der Offnung verankerte Pflicht aller "Hoffleuth" und aller anderen, die das entsprechende Alter erreicht hatten, den Treueeid zu erbringen, wurde noch besonders erwähnt2• Die Blutgerichtsbarkeit für Rorschach bestätigte Kaiser Friedrich dem Abt im Jahre 1466; 1487 wurde die Verleihung erneuert3• Der Vogt zu Rorschach musste den Galgen errichten und auf eigene Kosten unterhalten; die Rorschacher ihrerseits durften den "Galgenacker" nur weg- geben, wenn die Gewähr bestand, dass er weiterhin als Richtstätte gebraucht werden konnte4• Bussen fielen gemäss der Offnung vollständig an den Abt. Bei den besonders schweren De- likten "Nachtschach, Nottzog haymsuoch (Notzucht; der Verfasser) und Fridbrech wunden" war die Verteilung anders: Das Bussgeld wurde im Verhältnis 2:1 zwischen Abt und Reichsvogt aufge- teilt; doch wenn der Abt seinen Anteil verschenkte, musste auch der Vogt auf seinen verzichten. Diesem fielen dafür alle "Schüb" zu, die bei Uebeltätern gefunden wurdens.

3. Die Rechte des örtlichen Gerichtes 3.1 Die Rechtsetzungsrechte Die Rorschacher hatten eine beschränkte Gerichtsbarkeit, deren Bussen dem Ammann zufie- len. Ammann und Gericht konnten über Steg und Weg, wegen des Hütens der Schweine, Er- richtens von Zäunen und über weitere, typisch dörfliche Sachgebiete Recht setzen. Der Spruch von 1559 legte fest, dass die so festgelegten Strafen den Betrag von 15 Pfd. Pfg. nicht über- schreiten durften6• Das Gericht Rorschach durfte Mandate erlassen bez. Klostergütern, die auf Boden des Ge- richtes lagen, und die das Kloster nach Erlass der Einzugsordnung vom 1535 erworben hatte7. In der Offnung fand sich die Bestimmung, wer im Gerichtssprengel Rorschach gefangen genommen werde, dürfe nicht von hier weggebracht werden, sondern sei nach dem hier gelten- den Recht zu bestrafen8•

3.2 Die Rechtsprechungsrechte der Rorschacher Die Art. 6 und 7 des Urteils von 15599 schlossen bestimmte Fälle von der Rechtspre- chungshoheit des Gerichts in Rorschach aus; die Offnung entzog zudem alle Lehemalle mit ei- ner Streitsumme über 10 Gulden der Kompetenz des städtischen Gerichtes10. Weil der Abt sich beklagte, die Rorschacher Gerichte hielten sich nicht an die geltenden Rechtsnormen, entschieden die Eidgenossen 1559 wie folgt: Um eine Kontrolle über die Rechtsanwendung durch die Rorschacher Gerichte ausüben zu können, waren diese gehalten,

Jus Statutarium S. 106; Cavelti, Entwicklung der Landeshoheit, bestätigt dies auf Seite 44 FN 6 unter Ver- weis auf Rq I, S. 22: den Spruch zu Rapperswil von 1525. 2 Jus Statutarium S. 107. 3 Jus Statutarium S. 106-108; Pater Hannes verwies auf das Liber Regalium S. 85 u. 109. Verleihung von 1466 vgl. Rq I, S. 9f., die von 1487 vgl. StiASG Bd. 74 S. 211 oder Bd. 1260 S. 376. 4 Jus Statutarium S. 108f. S Jus Statutarium S. 110; Rq I, S. 14 A 7. Mit "Nachtschach" meinte man leichtere Delikte, wie Schläge, Viehschaden, Feld- und Flurfrevel, die in der Nacht begangen wurden (Müller, Offnungen S. 97). ,,Fridbrech wunden" waren Körperverletzungen, die mit dem Verlust der Hand bestraft wurden (His, Strafrecht des MA Bd. I S. 47). "Schüb" war der Ausdruck für die beim Uebeltäter gefundene Beute (Idiotikon, Bd. 8 Sp. 83 Ziff. 2). 6 Jus Statutarium S. 109 und 800; Rq I, S. 17 A 34 und S. 50f. A 6; vgl. auch MillIer, Offnungen S. 105. 7 Jus Statutarium S. 801; gemäss A 8 von 1559; Rq I, S. 51. 8 Jus Statutarium S. 109; Rq I, S. 15 A 12. 9 Jus Statutarium S. 802; Rq I, S. 50f. 10 Jus Statutarium S. 802; Rq I, S. 20 A 64. - 91 - jedem Appellanten ein gesiegeltes Urteil, das über den Verfahrensverlauf Aufschluss gab, zu Handen der oberen Instanz auszustellen 1.

3.3 Die Privilegien der Rorschacher Im Jahre 1780 gestattete die äbtische Kanzlei dem Gericht Rorschach, Pässe, wie sie z.B. Pilger benutzten, selber auszustellen2; des weiteren war es befugt, gewisse Rechtsgeschäfte zu verbürgen3. Das Gerichtssiegel durfte zwar jeder Ammann verwenden, aber nicht ohne Einver- ständnis der Obrigkeit; auch dies wurde 1780 durch die Kanzlei so entschieden4. Die Bestätigungen, welche für Auswanderer die ehrenhafte Geburt belegten, konnte der Stadtschreiber im Namen des Abtes ausstellen5; die Mannrechtsbriefe dagegen, d.h. die Bestä- tigungen, dass der Inhaber keinen nachjagenden Herrn habe, stellte nur der Abt aus6•

3.4 Die Rechte der örtlichen Beamten Die Wahl des Ammans und des Weibels erfolgte gemäss Vertrag von 1559: Aus je einem Dreiervorschlag des Abtes, der nur Hofleute umfasste, wählte das Gericht einen Weibel und ei- nen Ammann7• Der Ammann konnte als eine Art Stellvertreter des Reichsvogtes, wenn dieser abwesend war und die Sache keinen Aufschub vertrug, Haft und Verbote aussprechen8• Die Wahl des Gerichts nach dem gewöhnlichen Verfahren wurde im Spruch von 1559 fest- gelegt und 1755 bestätigt9. Art. 4 und 6 des letzteren Entscheides brachten den Ammann und das Gericht in eine starke Abhängigkeit vom Kloster: So konnte das Stift den Ammann allein absetzen, wenn er amtsunfähig war, und alle Amtleute zur Rechenschaft ziehen, wenn sie sich strafbar gemacht hattenlO•

4. Die Leibeigenschaft Ulrich Rösch erliess im Jahre 1459 den Rorschachern und den anderen Untertanen die Zei- chen der Leibeigenschaft11 ; er gab ihnen ebenfalls das Recht der freien Auswanderung. Aber dennoch waren die Rorschacher leibeigen. Wie alle anderen Untertanen der Alten Landschaft hatten sie einen nachjagenden Herrn und konnten sich nur mit Mannrechtsbriefen einem neuen Herrn unterwerfenl2. Auch jene Rorschacher, die sich ausserhalb des Gerichtes aufhielten, sich aber nicht von ihren Untertanenpflichten losgekauft hatten, waren verpflichtet, Fall und Fasnachtshuhn zu erbringen. Diese Praxis des Stiftes stützte sich auf die Schiedssprü- che von 155913.

1 Jus Statutarium S. 802; A 4 von 1559, Rq I, S. 50; siehe auch hinten § 10 E) 3.4 S. 120. 2 Jus Statutarium S. 198; Dieser Entscheid war nicht aufzufinden. 3 Jus Statutarium S. 800; Dieser Entscheid war nicht aufzufinden. 4 Jus Statutarium S. 803; Dieser Entscheid war nicht aufzufinden. 5 Jus Statutarium S. 191; Spruch von 1559 in fine, Edition, S. 306f. 6 Jus Statutarium S. 797; Spruch von 1559, Edition, S. 306f. vgl. auch Müller, Freie und leibeigene GOltes- hausleute, S. 18. ,,Nachjagender Herr" bedeutete: Wenn sich ein Leibeigener ohne Erlaubnis des Herrn aus dem Gericht fortbe- gab, konnte ihn der Herr zurückfordern, bzw. die Anerkennung der Eigenschaft als Leibeigener fordern und die Erfüllung der damit verbundenen Leistungen verlangen (Holenstein, Njbl. S. 48). 7 Jus Statutarium S. 159 bzw. 163; Rq I, S. 49f: A 1 für den Ammann, A 2 für den Weibel. 8 Jus Statutarium S. 191; A 5 von 1559, Rq I, S. 50. 9 Jus Statutarium S. 76lf.; A 3 von 1559 vgl. Rq I, S. 50; A 4 von 1155 vgl. Rq I, S. 65; vgl. auch vorne § 7 F) S. 73. 10 Jus Statutarium S. 80lf.; A 4 u. 6 von 1755, Rq I, S. 64. 11 Jus Statutarium S. 106; es steht hier zwar 1489 (im Codex 1957 steht 1459), doch ist dies falsch. Vgl. die Originalbelege in Rq I, S. 9 Nr. 1 und in der Edition S. 263. V gl. auch die Ausführungen vorne § 7 C) 1.3 Die Herrschaftrechte über die Untertanen S. 36f. 12 Jus Statutarium S. 107. 13 Jus Statutarium S. 107; vgl. Edition, S. 292ff., bes. S. 363f. -92 -

Für die Pflicht, die Fasnachtshühner zu erbringen, sah die Offnung eine Sonderregelung vor: Wer kein Vieh hatte oder ausserhalb des Hofes wohnte, musste ein Huhn abliefern; wer aber innerhalb der Grenzen des Hofes wohnte und Vieh besass, musste ein Fuder Mist abliefern. Wer beim Laden half, erhielt das sog. Mistmahl als Entschädigungi.

5. Regalrechte und Wirtschaftsrecht 5.1 Markt- und Münzrecht Schon am 12. Juni 947 verlieh Kaiser Otto I. Abt Craloh das Recht, in Rorschach Markt zu halten und Münzen zu prägen2. Das Markt- und Münzrecht zu Rorschach wurde Abt Bernhard durch Friedrich II. bestätigt; Friedrich III. gewährte 1485 gar einen besonderen Freiheitsbrief, der das Marktrecht, die Zollerhebung, die Tavernen, das Gredhaus, das Weinrnass sowie die Brot- und Fleischgewichte erfasste3. Die Einzugsordnung von 1535 verbot Fremden, in Ror- schach Handel zu treiben: Sie durften nur den Markt beschicken4.

5.2 Das Tavernenrecht Die Tavernenrechte standen auch hier allein dem Abt zu5• Unter Abt Gotthard wurde im Jah- re 1494 eine erste ausführliche Tavernenordnung erlassen. Sie legte genau fest, welches Um- geld zu entrichten und welche Masse zu verwenden waren6• Der Spruch zu Rapperswil von 1525 ermässigte das Umgeld auf Wein7• Wer als Auswärtiger Wein verkaufen wollte, dem auferlegte die Einzugsordnung aus dem Jahre 1535 die doppelten Taxen8. Der Entscheid von 17559 bestätigte die Geltung der Tavernenordnung von 1494 für das Ge- biet des Hofes, also innert der "Etter"; ausserhalb galt wieder die Offnung von 1469, die das Tavernenrecht dem Abt allein zuerkannte. Die neue Vereinbarung erliess das Umgeld innerhalb der Grenzen des Hofes.

5.3 Weitere Gewerbe- und Handwerksvorschriften Im Jahre 1605 wurde eine Vereinbarung über die "Freyheit der Handwerker" geschlossen, die 1631 von Abt Pius bestätigt wurde. Bernhard Hannes schrieb, dass er diese Bestätigung nicht gefunden habe10• Der Abt musste sich an gewisse Beschränkungen halten, wenn er Entscheide traf, die das Bürgerrecht und den daraus fliessenden Nutzen tangierten; aber der Abt war frei, jedermann eigenen Grund und Boden ftir Handwerk- und Gewerbeausübung zu geben J1. Eine Regelung der anderen Gewerbe (Ehehaftinen) wurde 1693 erlassen. Danach wurde die Bewilligung, ein neues Gewerbe zu beginnen, bei Bedarf gebührenfrei erteilt. Eine einmal ge- währte Bewilligung für die Gewerbeausübung war mit dem bestimmten Gebäude verbunden und konnte nicht veräussert werden. Veräusserungen bedurften eines von der Obrigkeit ausge-

1 Jus Statutarium S. 107; 0 von 1469 A 9 in Rq I, S. 14 und Entscheid von 1559 in Rq I, S. 27f. 2 Jus Statutarium S. 109; siehe UBSG III Nr. 796; diese Urkunde liegt im Original und nicht nur in einem Vidimus von 1484 vor, wie auch damals Abt Craloh Vorsteher des Klosters war, und nicht Salomon, wie Bemhard Hannes schrieb. Die ebenfalls erwähnte Urkunde Bischof Heinrichs 11. von Konstanz von 1240 war eine Münzordnung für Konstanz, St. Gallen und weitere Städte am Bodensee, nicht aber für Rorschach. 3 Jus Statutarium S. 109; StiASG Bd. 1260 S. 374. 4 Jus Statutarium S. 59lf.; Rq I, S. 45 A 8. 5 Jus Statutarium S. 509. 6 Jus Statutarium S. 507; Rq I, S. 21; vgl. StiASG Bd. 1262 S. 379 oder Bd. 1272 S. 29f. 7 Jus Statutarium S. 507; Rq I, S. 28 letzter Artikel. 8 Jus Statutarium S. 509; Einzugsordnung vom 4. Feb. 1535, Rq I, S. 45 A 9. 9 Jus Statutarium S. 508f.; vgl. StiASG Bd. 1260 S. 105ff. bes. S. 109-111. 10 Jus Statutarium S. 511f.; auch Gmür fand sie nicht, vgl. dessen Bemerkung in Rq I, S. 53 FN 1; Die Ordnung siehe Rq I, S. 53ff. 11 Jus Statutarium S. 432. -93- stellten Kaufbriefes wie andere Immobilienkäufe_ Im übrigen war der Schiedsspruch von 1559 einzuhalten 1. Im Jahre 1681 hob die äbtische Kanzlei das Recht auf, die Bewilligung zum Metzgen ohne Einverständnis des Abtes zu übertragen2•

6. Das Bürgerrecht Die Offnung bestimmte, wer nach Rorschach ziehen wolle, müsse einen Beitrag leisten, dass sich das Gericht von der "riCM steÜT" freikaufen könne, oder 1 Pfd. Pfg. bezahlen; sobald aber aus des Zuzügers Haus Rauch aufstieg, genoss er die Vorteile des Bürgerrechts3• Ob diese Be- stimmung heute noch gelte, sei aber wegen der 1535 erlassenen Einzugsordnung, die wohl vorgehen dürfte, zweifelhaft". Wer als Fremder nach Rorschach heiratete, musste, wenn die Gemeinde seiner Aufnahme überhaupt zustimmte, das Bürgerrecht um den halben Preis kau- fens. In Rorschach konnte jeder auswandern wohin er wollte, aber er verlor dann das Bürgerrecht und auch das Recht, Holz zu schlagen6• Die äbtische Kanzlei erliess im Jahre 1679 die Wei- sung, wer im Gericht Rorschach wohne, ohne Bürger zu sein, müsse ein Hindersitzgeld be- zahlen, dessen Höhe der Statthalter, der Vogt, der Ammann und die Hauptleute festlegen könn- ten; die lfälfte davon fiel der Gemeinde zu 7• Wer eine Hofstätte am Bodensee besass, musste den HofstattschiIling bezahlen. Dieser stützte sich auf die Kaufbriefe für die Burg Rorschach und deren Umland sowie auf die alten Steuerröde18•

7. Vormundschafts- und Waisenrecht Im 18. Jahrhundert wurde dem Gericht eine grössere Autonomie im Vormundschafts- und Waisenrecht gewährt. Es durfte einfachere Fälle selber verwalten, nicht aber adelige Waisen oder Waisenfälle, die mehrere Aemter betrafen. Dies wurde in den An. 7 und 8 der Verein- barung von 1755 festgelegt, welche die bisherige Regelung aus dem Rapperswiler Entscheid von 1525 bestätigten9•

8_ Holz-, Wald- und Weideordnung Die Berechtigung zum Holzfällen und die Bestrafung von Waldfrevel war auch in Rorschach wie andernorts in der Alten Landschaft in verschiedenen Erlassen geregelt. Zum einen galt die Offnung, welche verbot, Holz zu schlagen, um es dann aus der Gemeinde auszuführen. Das sog. "Tannen schwemmen" war ausdrücklich verbotenlO• Zum anderen galt die Einzugsordnung, in der die Holzzuteilung an die Dorfbewohner fest- gelegt war. Diese Ordnung unterschied zwischen Hölzern, die der Gemeinde unterstanden, und solchen, die unter der Hoheit des Abtes standen. Für Vergehen in ersteren konnten die Ror- schacher selber Strafbestimmungen erlassen, für die anderen war der Abt zuständig. Die Schiedssprüche von 1559 bestätigten diese Regelungenll.

1 Jus Statutarium S. SI0f.; vgl. StiASG Bd. 1260 S. 93ff. 2 Jus Starutarium S. 511; vgl. StiASG Bd. 1260 S. 91. 3 Jus StabJtarium S.433; Rq I, S. 17 A 33. 4 Jus Statutarium S. 433; Text der Einzugsordnung vom 4. Februar 1535 siehe Rq I, S. 43ff. 5 Jus StabJtarium S. 411; aufgrund der Einzugsordnung von 1535 A 3. und deren Ergänzung von 1550, vgl. Rq I. S. 44 u. 48. 6 Jus Starutarium S. 418f.; siehe in der Einzugsordnung von 1535 A 4 in Rq I. S. 44. 7 Jus Statutarium S. 434; siehe StiASG Bd. 1272 S. 87. 8 Jus Statutarium S. 432; Entscheid von 1525 in Rapperswil. siehe Rq I. S. 26f. A 4. 9 Jus StabJtarium S. 798-800; Entscheid von 1525 vgl. Rq I, S. 23ff.; A 7 u. 8 von 1755 vgl. Rq I, S. 65- 67. 10 Jus Statutarium S. 353; 0 von 1469 A 53 in Rq I, S. 19. 11 Jus Starutarium S. 353f.; für 1535 vgl. Rq I. S. 54 A 7, für 1559 Rq I, S. 51 A 8. - 94-

Bezüglich der Wiesen waren ähnliche Vorschriften in Kraft. Vor allem ein Erlass hatte das ganze geordnet, doch wurde er von Pater Bemhard nicht angeführtl. Die Rorschacher hatten kein Weiderecht auf den Wiesen des Klosters. Als Ausgleich dazu untersagte der Rapperswiler Entscheid von 1525 dem Abt, ausserhalb des Klosters gelegene Weiden zu umzäunen; diese musste er den Rorschachem zur Nutzung überlassen2.

9. "Seelachen " und Baunormen Dem Kloster war durch die Offnung ein Gut, "Seelachen " genannt, reserviert, dessen Ertrag einzig und allein dazu diente, dem Abt und seinen Beamten zu ermöglichen, kostenlos über den See gefahren zu werden3• Der Entscheid zu Rapperswil von 1559 gab dem Abt das Recht, jedermann das Bauen an der Landstrasse zu gestatten, da die Strasse eine Reichsstrasse sei und damit der Hoheit des Abtes unterstehe4.

1 Jus Statutarium S. 354. 2 Jus Statutarium S. 371; Rq I, S. 27f. 3 Jus Statutarium S. 108; Rq I, S. 15 A 16. 4 Jus Statutarium S. 504f.; Rq I, S. 52 A 10. -95 -

§ 9 Die Offnungen und Einzugsordnungen

Der Aufbau dieses Paragraphen lehnt sich an die Gliederung von Walter Müllers Arbeit über die Offnungen anl. Die Herrschaftsrechte, die einen beträchtlichen Teil des Inhalts der stift- sanktgallischen Offnungen ausmachen, werden hier nicht mehr dargestellt, da sie schon in § 7 behandelt wurden.

A) Die Ordnung auf Wiesen und Feldern 1. Umzäunung der Weiden In einigen Offnungen war jegliches Umzäunen von Weiden verboten, um arme und reiche Dorfbewohner gleichzustellen; sehr viele Offnungen verboten das unerlaubte Errichten von Feldwegen, Zäunen und Aeckem grundsätzlich; andere Gerichte kannten in dieser Hinsicht sehr detaillierte Regelungen2. Wer der Gemeinde durch Zäune oder Marken Allmendboden entzog, wurde in der Regel mit 10 Pfd. Pfg. bestraft3. Es gab auch Offnungen, die die Pflicht kannten, dass jeder von April bis zum Gallustag sein Vieh durch Hirten oder durch Zäune von den Wei- den des andern weghalten musste4• Krankes Vieh durfte nicht ausgebracht werdenS. Auch der Unterhalt der Zäune und der Weidegauer war vorgeschrieben6• War ein Zaun defekt, wurde normalerweise bei einer immer höheren Busse dreimal befohlen, ihn zu reparie- ren; einige Offnungen wichen von dieser allgemeinen Regel ab7. Die Landsatzung ihrerseits verbot das Beschädigen von Zäunen bei 5 Pfd. Pfg. Busse8•

2. Der KeInhof sowie Weide- und Ernterechte Der Keinhof, einst ein wirtschaftliches Zentrum der Klosterverwaltung, war im 18. Jahr- hundert in seiner Bedeutung stark gesunken und wird von Pater Bernhard entsprechend knapp behandelt. Er führt vier Gerichte an, in denen der KeInhof noch gewisse Aufgaben im Interesse der ganzen Gemeinde wahrnahm: Seine Bewirtschafter mussten den Dorfeber und den -stier füttern9• Auch die Weiderechte, die eigentlich eine Domäne der Offnungen sein sollten, wurden durch das LandmandatlO im Grundsatz geregelt: Erst nach der Ernte und Abgabe des Zehnten durfte Vieh auf die Weide getrieben werden. Weiter führt Bernhard Hannes in diesem Sachzusam- menhang beispielsweise folgende Regelungen an: eine Beschränkung der Weiderechte der Hin- tersassen, eine Einschränkung der Weiderechte wegen Weinanbaus oder die Erlaubnis, dass der Herr von Dozwil auch vier Schweine wie jeder andere Dorfbewohner austreiben dürfeli.

I Walter Müller, Die Offnungen der Fürstabtei St. Gallen (Ein Beitrag zur Weistumsforschung), bes. S. 61ft 2 Für Andwil vgl. Jus Statutarium S. 370; für Buwil vgl. S. 372; eine grössere Anzahl von Gerichten ist auf Seite 387f. angefUlut. 3 Jus Statutarium S. 385; in Gaissau war es gestattet, einen Teil des AIlmendbodens einzuzäunen, Jus Statu- tarium S. 386; vgl. auch Müller, Offnungen S. 92. 4 Z.B. in Steinach, Jus Statutarium S. 370; in Goldach, Jus Statutarium S. 440. 5 Jus Statutarium S. 730. 6 Jus Statutarium S. 532-533; Bemhard Hannes fUhrt etliche Offnungen als Beispiele an. Das Schliessen der Weidegatter wurde in einigen Offnungen vorgeschrieben, z.T. fiel es unter das Beschädigen von Zäunen, vgl. Jus Statutarium S. 393f. 7 Jus Statutarium S. 389-392. 8 Jus Statutarium S. 394; A 26 Ls (In der Edition entspricht der Text von A 28 der Ls von 1594/1630, S. 41 der BelegsteIle), vgl. auch Müller, Landsatzung und Landrnandat S_ 258. 9 Jus Statutarium S. 539: Muolen und Rorschach, wobei hier die Mühle den Stier versorgt; S. 540: Wängi und Rickenbach, vgl. auch Müller, Offnungen S. 108. 10 Jus Statutarium S. 368; Die Offnungen regelten dies noch detaillierter; vgl. Müller, Landsatzung und Landrnandat S. 270 bez. A 37 Lm, Edition, S. 127_ 11 Buwil Jus Statutarium S. 372; Bronschhofen S. 373, 1525 in Rapperswil bestätigt, Edition, S. 245 A 24; Zuzwil S. 443; Dozwil S. 453. -96 -

Zur Festlegung des Emtezeitpunktes für Getreide und Trauben bestand in einzelnen Orten eine Kommission; Walter Müller sieht darin ein Beispiel für den absolutistischen Anspruch der Klosterherrschaft I.

3. Durch Tiere verursachte Schäden Unter dem Titel "Si quadrupes pauperiemjecisse dicatur" behandelt Pater Bemhard die Haf- tung für von Tieren verursachte Schäden2• Die normale Strafe gemäss den Dffnungen betrug drei Pfd. Pfg. pro Tier; ausserdem war der Schaden zu ersetzen. Die Busse war höher, wenn das Vieh Zäune zerstört hatte; es konnte u.U. retiniert werden3. Für Schweine und Gänse lagen eigene Regelungen vor; in fast allen Dffnungen fand sich das Sprichwort: "Wenn der Pflug in der Fasten in das Feld gehet, soll man die Schweinjür den Hirten treiben"4.

B) Das Bürgerrecht oder "Jus Communitatis" Die Darstellung des Bürgerrechts, wobei unter diesem Institut Verschiedenes - Passendes und weniger Passendes - behandelt wird, nimmt über 70 Seiten in AnspruchS, wovon ein gros- ser Teil der Stadt Wil gewidmet ist.

1. Alte Landschaft und MalefIzorte 1.1 Grundsätzliches Das Landmandat schrieb vor, dass man zuerst Gotteshausmann sein musste, bevor man sich um ein Ortsbürgerrecht bewerben konnte, und dafür musste man Belege für seine ehrbare Ab- kunft beibringen6. Derselbe Artikel auferlegte den Hintersassen auch die Pflicht, jährlich nach der Verkündung der Landsatzung um eine Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung nachzu- suchen7•

1.2 Der Erwerb des Gemeindebürgerrechts Ein Gemeindebürger erwarb mit der Heirat für seine Frau und die gemeinsam gezeugten Kinder das Bürgerrecht des betreffenden Ortes; Kinder aus einer früheren Ehe der Frau sowie uneheliche Kinder mussten das Bürgerrecht kaufen8• Das Landmandat verbot, bei Verlust des Landrechtes, fremde Frauen, die nicht mindestens 150 Gulden Vermögen ihr Eigen nannten, zu heiraten. Die Stiftslande sollten damit vor einer Belastung mit allzu vielen Armen geschützt werden9. Einzelnen Gemeinden war diese Heirats- beschränkung noch besonders verliehen worden; in diesem Fall wurde sie gleichzeitig auf alle Frauen ausgedehnt, die nicht aus der Gemeinde stamrntenlO• Im umgekehrten Fall, wenn der Mann in die Gemeinde der Ehefrau zogl1, musste er sich in einigen Orten das Bürgerrecht im ordentlichen Verfahren kaufen, in anderen wurde es ihm zu

1 Jus Statutarium S. 395; Müller, Offnungen S. 56, und auch Engensperger S_ 46f., sowie Rq I, S_ XVf. und S. 9, 104 u. 529. 2 Jus Statutarium S. 729ff.; Müller,Offnungen S. 94. 3 Jus Statutarium S. 729f.; einige Orte werden detaiUiert angeführt, vgl. S. 73lf. 4 Jus Statutarium S. 732ff.; Die 0 von Tablat erwähnte auch Gänse, vgl. Müller, Offnungen S. 94. Jus Statutarium S. 397 bis 469; Die AusfUhrungen zu Wil und Rorschach vgl. in § 8 S. 75ff. Jus Statutarium S. 412; A 20 Lm in Edition, S. 119f.; Müller, Landsatzung und Landmandat S. 247f. Jus Statutarium S. 430; Müller, Landsatzung und Landmandat S. 248 FN 39 u. 40: Der Begriff des Hinter- sassen sei hier schon modem verstanden, nicht mehr mittelalterlich, vgl. Engensperger S. 60. S Jus Statutarium S. 409f.; dies sei der Normalfall in allen Offnungen. 9 Jus Statutarium S. 286 bzw. 442; vgl. A 18 Lm, Edition, S. 119. 10 FUrGoldach 1721; Steinach 1732, wo auch fUr MlInnerein Vermögensnachweis gefordert war (Rq I, S. 174); Tübach 1756, siehe Jus Statutarium S-441. In Zuckenriedt (S. 444; Müller,Offnungen S. 51) und RossrUtti (S. 446) waren in diesem Fall besondere GebUhren an Abt und Gemeinde zu leisten. 11 Jus Statutarium S. 410ff. -97- erleichterten Bedingungen gewährt; im Extremfall konnte er es gar nicht erwerben, dann näm- lich, wenn er als Fremder nicht in der Lage war, einen Mannrechtsbrief beizubringeni. Ausserdem konnte nur vollberechtigter Gemeindeangehöriger werden, wer ein Haus sein Eigen nannte. Wer dieses gekauft hatte, wurde aber erst nach Bezahlung einer Taxe eingebür- gert, sofern Abt und Gemeinde zustimmten2• Wenn man während eines Jahres, 6 Wochen und 3 Tagen ohne Widerspruch der anderen Bürger in einer Gemeinde gewohnt hatte3, wurde das Bürgerrecht durch Ersitzen erworben. Wenn die Gemeinde jemanden aufnehmen wollte, war der Abt berechtigt, ohne Widerspruch der Gemeinde jedem, der unehrenhaft lebte, seine eheliche Abkunft nicht belegen konnte oder sich schlecht aufflihrte, die Aufnahme zu verweigern4• Neu aufgenommene Bürger mussten sich am nächsten Jahrgericht anmelden5• Die Bevorzugung der Einheimischen zeigt sich auch in den 1620 erlassenen Ordnungen, die den Verkauf von unbeweglichem Gut, ewigen Gülten, Zehnten etc. an Fremde vollständig ver- boten6• Da die Gaissauer, denen 1606 auch eine solche Ordnung verliehen worden war, bei deren Anwendung die Einheimischen zu stark bevorzugten, meldeten die das Rheintal regieren- den Kantone Widerspruch an. Der Streit wurde 1652 im sog. Ewigen Verspruch entschieden7•

1.3 Der Verlust des Bürgerrechts Der Verlust des Bürgerrechts war aus verschiedenen Gründen möglich. So verlor es jeder, der auswärts heiratete und dort zur Kirche gingS; ebenso wer bei Auswanderung alles Eigentum aufgab. Ein solcher musste bei seiner Rückkehr das Bürgerrecht wie ein Fremder mit Ein- verständnis von Abt und Gemeinde neu erwerben9• Wer mit obrigkeitlicher Bewilligung auswanderte, konnte bei seiner Rückkehr ohne Einkauf die Vorteile des Bürgerrechts wieder nutzenlO• Wer aus Armut allen Grundbesitz verkaufen musste, verlor sein Gemeindebürgerrecht nicht, wenn er im Haus eines Dritten wohnen konntell. Auch wer bei der Auswanderung sein Grundeigentum behielt und die Abgaben weiter bezahlte, behielt das Bürgerrecht12: Die Nutzungen des Bürgerrechts wurden suspendiert; bei der Rückkehr lebten sie wieder auf13•

1 Jus Statutarium S. 412. 2 Jus Statutarium S. 413; Die Regelung fUr Buwil aus der Einzugsordnung vom 29. April 1598 (vgl. StadtASG BOA Bd. 2 S. 576ff.) ist auf S. 414 angeführt. Die EinbUrgerungstaxe fiel je zur Hälfte an Abt und Gemeinde, vgl. aber die Sondervereinbarung für Bronschhofen über Höhe und Verwendung derselben von 1646, vgl. Jus Statutarium S. 448 bzw. Rq I, S. 627f. 3 Jus Statutarium S. 414ff. und 551; Die Offnung von Tablat ist als Beispiel angeführt; in Rorschach könne es nach I 1/2 Jahren gewährt werden, müsse aber nicht (S. 415). 4 Jus Statutarium S. 428; einzelne Gerichte kannten darüber besondere Erlasse; fUr Romanshom erging 1575 sogar ein Abschied (Jus Slatutarium S. 450), der aber nicht aufzufinden war. 5 Jus Statutarium S. 429; dies verlangten einzelne Offnungen. 6 Jus Statutarium S. 594; Müller, Landsatzung und Landmandat S. 280 FN 154 schreibt, diese seien für das Hofmeister- und Rorschacheramt ergangen, Pater Bernhard führte sie auch für Gemeinden aus dem Oberber- geramtan. 7 Jus Slatutarium S. 594b; vgl. StiASG Bd. 1260 S. 451ff., wo der ganze Briefwechsel zu diesem Handel ab- gedruckt ist. NiederbOren erbat sich 1647 das gleiche Recht. 8 Jus Statutarium S. 422; in vielen Offnungen enthalten; die Regelungen von Zuzwil, Rorschach und Buwil sind speziell erwähnt, S. 423. 9 Jus Statutarium S. 425. 10 Jus Statutarium S. 425f. 11 Jus Statutarium S. 427. 12 Jus Statutarium S. 418; einige Offnungen mit Differenzierungen sind angeführt. 13 Jus Statutarium S. 420. - 98-

1.4 Die Offnungen und Einzugsordnungen der einzelnen One Dieser Abschnitt ist ein Konglomerat vieler verschiedener Rechtsmaterien, die Pater Bern- hard Hannes aus den einzelnen Gerichten anführtl, nämlich Einzugsordnungen, Bauordnun- gen, Vorschriften über die Bewirtschaftung der Felder, die Anzahl der Kühe usw.

1.4.1 Viehbewirtschaftung In Oberdorf durfte einer nur so viele Kühe besitzen und sömmern, wie er mit Heu von sei- nem Boden überwintern konnte; wer keinen eigenen Boden besass, durfte eine Kuh und ein Rind haben, ein Pferd nur unter bestimmten Bedingungen2. Eine ähnliche Vorschrift erging 1673 auch für Zuckenriedt3.

1.4.2 Der Erwerb des Bürgerrechts Wer das Gericht Tablat einst verlassen hatte, konnte durch Erbantritt an Grundeigentum, das die Eltern oder Grosseltern hinterliessen, wieder Gemeindebürger werden; ebenso, wer als Bürger innert 9 Jahren wieder zurückkeJrrte4. Die Bernhardzeller Einzugsordnung von 1559 wurde vollständig abgeschrieben5; sie wurde 1580 dahingehend ergänzt, dass wieder Bürger werden könne, wer zeitweise landesabwesend war, z.B. wegen fremder Dienste uäm.6• Die Gemeindeordnung für Buwil erliessen Abt, Stadt St. Gallen und der Landvogt des Thurgaus 1664 gemeinsam. Sie regelte die Rechte der Hintersassen genau, statuierte die Pflicht aller Einwohner, eine Wuhr zu unterhalten und schränkte den Verkauf des Holzanteils ein; 1684 wurde sie aber aufgehoben und dem Ort das Siegel entzogen7 • Der Erwerb des Bürgerechts war in Zuzwil, Weiern und Niederhofen8 gleich wie in Goldach und Tromentsried9 geregelt. In Zuckenriedt wurde die Einbürgerung und der daraus fliessende Nutzen 1673 neu abgefasst1o. In Kesswil mussten gemäss Vereinbarung von 1520 Abt und Gemeinde der Einbürgerung zustimmen. In der gleichen Vereinbarung wurde auch die Neuverteilung der Einzugsgelder geregeltli.

1.4.3 Bauvorschriften Das Landmandat verbot, ein neues Haus zu bauen, wo noch keines gestanden hanel2; eben- so schrieb es die Grenzabstände von Bäumen vorl3. Dem Abt dagegen war durch den Ent- scheid der Schirrnorte von 1490 gestattet, überall auf seinem Boden nach Belieben zu bauenl4.

Jus Statutarium S. 432-463; vgl. hiezu Müller, Offnungen S. 105f. 2 Jus Statutarium S. 436f. 3 Jus Statutarium S. 444; am 26. Juni 1673, vgl. StAZH Dok 5/46 in fine. 4 Jus Statutarium S. 415f. 5 Jus Statutarium S. 438; siehe Rq I, S. 323ff. Jus Statutarium S. 416; siehe Rq I, S. 326; die Dozwiler Einzugordnung von 1590 ist auf S. 452 dargestellt, war aber nicht aufzufmden. 7 Jus Statutarium S. 454f. u. 594b bez. Holzanteil; der Erlass war nicht aufzufinden; eine Abschrift der Auf- hebung vom 6. Juni 1684 siehe StadtASG BüA Recess Nr. 1450. Jus Statutarium S. 443. 9 Jus Statutarium S. 440; vgl. StiASG Bd. 1272 S. 249. LO Jus Statutarium S. 444; dabei wurde die Offnung geändert, vgl. Müller, Offnungen S. 51. 11 Jus Statutarium S. 451; Die Offnung wurde deswegen neu gefasst, vgl. Müller, Offnungen S. 51; vgl. die gedruckte Einzugsordnung von 1520 in StAZH Dok 13/159b. 12 Jus Statutarium S. 504; A 45 Lm, Edition S. 130. 13 Jus Statutarium S. 528; vgl. auch Müller, Landsatzung und Landmandat S. 270. 14 Jus Statutarium S. 504; siehe Edition, S. 271 A 2; Zuckenriedt (S. 444f.) und Rossrütti (S. 446) werden noch besonders erwähnt. -99-

2_ Die übrigen Thurgauischen Orte In den Orten, wo die Landesherrschaft den Kantonen zustand, also in allen Orten des Thur- gaus, wo der Abt nur partielle Rechte besass, galten die Friedensverträge von 1712/181: In Gemeinden gemischten Glaubens durften neue Bürger oder Beisassen nur mit Zustimmung der Mehrheit aller Bürger aufgenommmen werden; wegen der Konfession durfte keine Benach- teiligung erfolgen; Heiden, Zigeuner und Juden wurden weggewiesen. In Herrenhof erfolgte die Aufnahme ins Bürgerrecht nur mit Zustimmung des Abtes, wobei der Entscheid des Abtes vorging2• Aus der Offnung von Rickenbach wurden die Aufnahme ins Bürgerrecht, Bauvorschriften für Haus und Hof sowie die genaue Regelung der Weiderechte recht ausführlich zitiert3. Die Offnung von Wängi regelte die Weiderechte, den Unterhalt der Zäune, den Erwerb des Bürgerrechts und enthielt Bauvorschriften4•

C) Volksversammlungen Die Gemeinden waren zwar selbständig, aber es war ihnen nicht gestattet, ohne Bewilligung des Abtes, des Statthalters oder des Vogtes Volksversammlungen abzuhalten, und zwar wegen der - besonders bei nächtlichen Versammlungen - damit verbundenen Gefahren. Die Eidgenos- sen hatten dies 1490 und 1525 ausdrücklich bestätigt5. Für Romanshorn erging 1585 ein Abschied, der bestimmte Versammlungen zuliess, aber sog. "Lichtstubeten" verbot6; auch die Offnung von Herrenhof liess gewisse Zusammenkünfte zu7. Bei der legal einberufenen Volksversammlung bestand in Buwil für alle, die älter als 14 Jahre waren, Erscheinungspflicht mit Bussandrohung. Bei Abstimmungen entschied die Mehr- heit der Anwesenden8•

D) "De Servitutibus" Unter diesem Titel behandelt Pater Bemhard Hannes die Lasten und Pflichten, die von ein- zelnen im Interesse der Allgemeinheit getragen werden mussten, wie Strassen- und Wegunter- halt. Die Offnungen regelten den grössten Teil dieser Materie9•

1. Die Pflichten in den Gerichten Die Landsatzung und die Offnungen bestimmten, dass deIjenige, dessen Güter an die Stras- sen grenzten, diese zu unterhalten und die Zäune zurückzuschneiden habe etc.10• Bei schweren Schäden half die ganze Gemeinde mit 11. Das Gericht Oberdorf wurde 1645 in einem besonde-

1 Jus Statutarium S. 457; vgl. EA 7,II S. 1348 u. 1349. 2 Jus Statutarium S. 459. 3 Jus Statutarium S. 460f.; Offnung von 1495 in StAZH Dok 15n9, jene vonl485 bzw. 1506 siehe StiASG LA 99 S. 214 oder Bd. 1032 S. 145ff.; 1502 wurde noch Trib und Tratt für den Hof Lamperschwil geregelt. 4 Jus Statutarium S. 463; siehe StAZH Dok 18/136. 5 Jus Statutarium S. 469; das Verbot stand in mehreren Offnungen: nach Müller, Offnungen S. 64 in Zuzwil. Zuckenriedt und Wängi; Entscheid von 1490 vgl. Edition, S. 271 A 4; jenen von 1525 vgl. Edition, S. 178f. für das Oberamt, S. 241 A 18 für das Unteramt. 6 Jus Statutarium S. 471 u. 845; StiASG Bd. 6 S. 21ff. "Lichtstubeten" waren nächtliche ZusammenkUnfte von Burschen und Mädchen, bei denen oft lockere Sitten herrschten (Menolfi, St. Gallische Untertanen im Thurgau S. 280). 7 Jus Statutarium S. 472. 8 Jus Statutarium S. 474; Müller, Offnungen S. 105 FN 368 u. S. 127f. 9 Jus Statutarium S. 530ff. 10 Jus Statutarium S. 531; A 35 Ls; in der Edition ist es A 37 des Lm von 1594/1630 auf S. 42. Die Dorford- nung für Gaissau von 1515 ist besonders erwähnt S. 534. 11 Jus Statutarium S. 531f.; vgl. auch Müller, Offnungen S. 111. -100 - ren Entscheid zum Strassenunterhalt verpflichtetl. Sog. Winterwege waren vom Grundeigentü- mer zu gestatten, durften aber erst bei gefrorenem Boden befahren werden2• Die Gemeinden waren auch gehalten, die Brunnentröge und Quellen zu unterhalten. Nach Walter Müller ist dies eine typische Materie der Offnungen3.

2. Die Pflichten der Stadt St. Gallen Aufgrund der 1549 und 1559 ergangenen Abschiede musste die Stadt zwei Pferde für den Unterhalt der Strassen in Straubenzell stellen, Straubenzell dagegen nur ein Pferd4• Die "Kretzern-Brugg" über die Sitter bei Straubenzell musste die Stadt nach dem Vertrag von 1549 allein unterhalten; 1572 wurde auch noch eine Vereinbarung geschlossen, die den Unterhalt der Landstrasse und den Bau eines Wuhrs bei dieser Brücke regelte, was nach Pater Bemhard aus- sergewöhnlich war5. Für die Grundstücke, welche die Stadt in Straubenzell besass, musste sie auch Abgaben ent- richten. Der Streit über die Höhe derselben wurde von den vier Schirmorten 1560 entschieden6• In einer weiteren Vereinbarung von 1561 wurde festgelegt, dass alle Güter, die nach 1549 von Stadtbürgern oder dem Spital der Stadt erworben worden waren, diesen Abgaben unterlagen; ein neuer Vergleich 1572 befreite aber bestimmte Güter wieder von diesen Abgaben 7.

1 Jus Statutarium S. 536; Entscheid vgl. StiASG Rubr. 63 Fasz. 1, er erging am 24. Sept. 1646 und nicht 1645; bez. Strassenrecht vgl. Müller, Landsatzung und Landmandat S. 276f. bes. FN 142 u. 143. Abgaben für den Strassenunterhalt gehörten zu den Regalien, vgl. Jus Statutarium S. 29. 2 Jus Statutarium S. 538; A 72 Lm Edition S. 141. Nach Müller, Offnungen S. 109 war dies auch in den Offnungen geregelt, doch trat das obrigkeitliche Recht an deren Stelle. 3 Jus Statutarium S. 533; Müller, Offnungen S. 111. 4 Jus Statutarium S. 535; A 4 von 1549 vgl. StiASG Bd. 3 S. 273ff.; den Entscheid von 1559 vgl. StiASG Bd. 74 S. 625. Pater Bemhard schrieb, die Stadt hätte zwei Drittel des StrassenunterlJalts zu tragen. 5 Jus Statutarium S. 536; Entscheid von 1549 siehe FN 4; jenen von 1572 vgl. StiASG Bd. 74 S. 635ff. 6 Jus Statutarium S. 535; den Entscheid von 1560 siehe StiASG Bd. 74 S. 626ff. 7 Jus Statutarium S. 41 u. 535f.; Rq I, S. 283; Druck des Vergleichs von 1561 siehe StiASG Rubr. 71 Fasz. 2 oder in Bd. 74 S. 629ff.; jenen von 1572 vgl. aaO. S. 635ff. -101 -

§ 10 Landsatzung und Mandatswesen

Die Landsatzung und Mandate der Fürstabtei St. Gallen wurden bereits von Walter Müllerl sehr gründlich untersucht. Er hat sowohl die Entstehungsgeschichte der stiftsanktgallischen Mandate als auch das Verhältnis der verschiedenen Erlasse zueinander dargestellt2• Der nun folgende Paragraph soll weder eine Neuauflage der Untersuchung noch eine Nachschrift der erwähnten Monographie sein. Es soll lediglich das Mandatsrecht dargestellt werden, das Bern- hard Hannes in sein Jus Statutarium aufgenommen hat.

A) Das Personen-, Familien- und Fremdenrecht 1. Das Ehewesen Das Ehewesen wird von Pater Bernhard zusammenfassend auf den Seiten 284 bis 290 be- handelt, wobei es sich ausschliesslich um Polizeivorschriften im Zusammenhang mit der Ver- heiratnng handelt. Zur Bestätigung, dass die äbtischen Vorschriften über das Ehewesen zurecht bestünden, zitierte er einen eidgenössischen Abschied von 15853• Im Landmandat befassten sich die Artikel 13, 14, 18 und 27 mit der Ehe. Die Uebersetzun- gen Pater Bernhard Hannes' sind wörtliche Uebertragungen des deutschen Wortlauts und stim- men mit dem edierten Text des Landmandates von 1761 überein4• Art. 13 des Landmandats verlangte das Vorwissen der Eltern oder des Vormundes und ver- bot leichtfertige Eheversprechen. Pater Bernhard Hannes führt die Gerichtspraxis der Abtei an, die jene Eheversprechen, die gemäss erwähntem Artikel vor den Eltern bzw. deren Vertretern eingegangen wurden, allein schon deshalb schützte, weil damit den Vorschriften nachgelebt wurde5. Wenn aus Eheversprechen Streitigkeiten entstanden, war der Entscheid darüber dem Consi- storium vorbehalten; Pfarrer oder Laienamtleute durften sich nicht einschalten. Dispensationen konnten nur Abt oder Offizial erteilen6. Besonders detailliert waren die Vorschriften rür das Hochzeitsfest selber: Die Zahl der Gäste durfte nicht grösser als 40 sein, für jeden zusätzlichen Gast bezahlte der Bräutigam 6 Batzen Busse. Versäumten das Brautpaar und seine Begleiter am Tage danach den Kirchenbesuch, so wurden sie gebüsst. Jegliche Gelage am nächsten Tag waren strikte verboten wie auch der Ver- kauf von Schleckzeug an Hochzeiten, Kirchweihen und anderen Festivitäten7_ Bei der Heirat konnten die Ehegatten für ihre eingebrachten Güter die Gütertrennung bean- tragen, indem sie diese im Waisenbuch eintragen liessen; so war zu verhindern, dass die Gläu- biger eines Ehepartners auf Vermögenswerte des anderen greifen konnten8.

1 Walter Müller, Landsatzung und Landmandat der Fürstabtei St Gallen. 2 AaO. S. 185-210. 3 Jus Statutarium S. 289; A 7 des Abschieds vom 6. Juli 1585 in StAZH Dok 15/251; Raub und Wechsel werden gesondert in § 11 S. 134ff. behandelt 4 Vgl. die erwähnten Ades Lm in der Edition, S. 116f., 119 u. 123; siehe auch Müller, Landsatzung und Landmandat S. 266f. lit. a. 5 Jus Statutarium S. 290; Die Offnung von Wängi (Jus Statutarium S. 284 u. 846, vgl. StAZH Dok 18/136) kannte zwei Delikte: Wer die Tochter gegen den Willen des Vsters entführte und heiratete, wurde mit 5 Pfd. Pfg. bestraft. Wer eines Fremden Kind gegen den Willen der Eltern zur Ehe gab, wurde mit 10 Pfd. Pfg. bestraft 6 Jus Statutarium S. 285; Edition, S. 116ff. A 13 bzw. 14 Lm. "Consistorium" oder "OffIzialat" sind synonyme Begriffe für die Bischöfliche Gerichtsbehörde, welche das Kloster St Gallen besass, da es für sein Territorium auch Bistumsaufgaben wahrnahm (vgl. Duft, Glaubens- sorge); "Offizial" ist der Titel des Leiters dieser Behörde (Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 7 Sp. 1119). 7 Jus Statutarium S. 288; A 27 Lm aaO. S. 123, vgl. Müller, Landsatzung und Landrnandat S. 263f. 8 Jus Statutarium S. 302 in fine; A 27 der Erbrechtsrevision von 1646, vgl. § 10 H) Das Erbrecht S. 128ff. -102 -

2. Das Vormundschaftswesen 2.1 Grundsätzliches Das Problem der Vormundschaft wird von Pater Bernhard Hannes geschlossen behandelt, und zwar auf den Seiten 292 bis 303. Die Abtei erliess am 23. März 1741 ein Spezialmandat, das den Problemkreis detailliert und durchaus modern regelte und Landsatzung und Landman- dat ergänzte!. Obwohl früher zwischen Tutor und Curator unterschieden wurde, hiessen jetzt beide gemeinhin Vögte2; ausserdem wurde jede Vormundschaft durch die Behörden errichtet. Alle Beamten hatten bei 5 Pfd. Pfg. Busse die Pflicht, Witwen und Waisen sowie alle ande- ren zu bevormundenden Personen zu melden, damit ihnen Tutoren oder Curatoren beigesteIlt werden konnten3•

2.2 Der Vormund Nach Art. 3 des Spezialmandats wurde mit Einverständnis der Verwandten durch die Obrig- keit ein naher Verwandter oder sonst ein ehrlicher und wenn möglich in Geldangelegenheiten erfahrener Mann aus dem Dorf als Vormund eingesetzt. Bei reformierten Mündeln galt gemäss Friedensvertrag von 1712/18 - dies auf Veranlassung von Zürich und Bern -, dass solchen Mündeln Tutoren gleichen Glaubens gegeben werden mussten4. Im gleichen Artikel wurde der Vogt angehalten, die Vormundschaft sorgfältig zu führen. Seine Haftung war ebenfalls nach Art. 3 geregelt: Was durch seine Nachlässigkeit verloren ging, musste er ersetzen. In schweren Fällen konnte er gemäss Art. 24 der Landsatzung von 1761 auch an Leib, Ehre und Leben gestraft werden. Eine Rechnungslegungspflicht war im Turnus von 3 Jahren vorgesehen5• Die Gebühren waren gleich wie bei der Inventarsierung6. Die Entschädigung des Vormunds wurde durch die Obrigkeit nach dem Vermögen des Mündels und der angefallenen Arbeit jeweilen bei der Rechnungsablage festgelegt.

2.3 Die Mündel Ein im Stiftsgebiet Bevogteter war in seiner Geschäftsfähigkeit völlig eingeschränkt. Alle seine Handlungen waren ohne Einwilligung des Vormundes ungültig7• Das Mandat warnte auch jeden, der mit Mündeln Geschäfte machte, sich vor Schaden zu hüten. Pater Bernhard er- läutert dazu, dass diese Bestimmung keinen Sinn hätte, wenn sich die Mündel doch verpflichten könnten8• Die Bevogtung wurde für Frauen bis zur Verheiratung aufrechterhalten, für Männer bis zum zurückgelegten 25. Altersjahr, sofern sie dann belegen konnten, dass sie nun in der Lage wä- ren, ihre Geschäfte selbständig zu führen. Die Beibehaltung der Bevogtung bzw. die Wieder- bevormundung waren möglich; sie wurden sehr einprägsam im äbtischen Erlass von 1741 be- gründet: Wenn also zu befürchten ist, "dass ein solcher Mensch wegen Abmangel volkommner Vernunfftl oder auß übler Gewonheitl das Seinige Verthuenl und in Armmh gerathen möchte:

Original des Vormundschaftsmandates siehe StiASG Rubr. 13 Fasz. 32a oder Rubr. 28 Fasz. 4; vgl. auch MüUer, Landsatzung und Landmandat S. 268f. Nach GmUr, Rq I, S. 66 FN 1 erliess das Stift eine "HoheitI. Instruktion und Verordnung bezüglich des Verfahrens bei Erbteilungen und der Vermögensbesorgung bevog- teter Personen" am 4. Dezember 1722, erneuert 1728 und 1741, siehe im StiASG Rubr. 42 Fasz. 13. 2 Jus Statutarium S. 292. 3 Jus Statutarium S. 292 u. 658; A 24 der Ls von 1761 in StiBSG Codices 1270 und 1679; vgl. auch FN 46 zu A 26 Ls von 1594/1630 Edition, S. 41. 4 Jus Statutarium S. 303; Friedensvertrag A 68 in EA 7,n S. 1348. 5 Nur in A 3 des M vom 23. März 1741 sind drei Jahre vorgesehen. fUr die Fristen gemllss Lm vgl. A 75 in der Edition S. 143. 6 Vgl. A 8 des M vom 23. März 1741. 7 A 5 des M vom 23. März 1741 schrieb sehr bildhaft: Was ein Mündel tue, "ganz und gar ohne einige Ver- bündtlichkeit istl ausser was etwann zum Besten und Vortheil derselben gereichen möchte; ...... Aehnlich auch in A 24 der Ls von 1761 und A 26 der Ls von 1594/1630, Edition, S. 41. Jus Statutarium S. 300. -103 - welchen FahIs ein Ober=Beambter! au/vorhergegangene genugsamme Erkundigung! schuldig ist! einem solchen Verschwender! wann er schon verheuratet! oder der Vogtey sonst vorher ent- lassen worden wäre! doch nichts desto minder von Ambts= und Obrigkeits wegen! wenigist so lang ein Vogt zusetzen! bis eine daurhaffte Besserung sich bey ihme hervor thuen wird"l.

2.4 Das Waisenbuch Bei jedem Vonnundschaftsantritt war eine Inventarisierung des gesamten Witwen- und/oder Waisenvennögens vorgeschrieben. Aebtische Beamte hatten sie durchzuführen und im Waisen- buch einzutragen. Der Vonnund erhielt einen Auszug davon2• Der Eintrag ins Waisenbuch ko- stete eine Gebühr, die sich nach der Höhe der einzutragenden Vennögenswerte richtete3•

2.5 Witwen und Waisen im Erbfall Wenn bei einer Erbteilung Witwen und Waisen betroffen waren, so durfte diese nur vorge- nommen werden, wenn ein äbtischer Oberbeamter die Erlaubnis dazu gegeben hatte und per- sönlich anwesend watl. Wenn ein Elternteil starb, mussten gemäss Art. 6 des Mandats vom 23. März 1741 die Erb- teile der Kinder ins Waisenbuch eingetragen werden, damit der überlebende Elternteil sie nicht verschwenden konnte; wenn dies dennoch geschehen sollte, war doch noch ein Vonnund zu bestellen, der dafür zu sorgen hatte, dass die Kinder standesgemäss und christlich auferzogen würden. Wenn sich Elternteil und Vonnund über die Vennögensverwaltung nicht gütlich ei- nigen konnten, war ein Entscheid beim Pfalzrat einzuholen.

3. "Hausvolck", Fremde, Bettler und Landstreicher 3.1 "Hausvolck" "Hausvolck", also Untermieter, durfte man nur mit Erlaubnis der Obrigkeit aufnehmen; die Aufgenommenen ihrerseits durften weiteres Hausvolk nur mit Einwilligung von Obrigkeit und Hausherr aufnehmen. Wenn Untermieter einen Schaden angerichtet hatten, haftete das Haus, in dem sie aufgenommen worden warens. Ledige Knechte und Mägde durften keinen eigenen Haushalt führen, sondern hatten bei den Leuten zu wohnen, bei denen sie im Dienst standen. Walter Müller sieht die Begründung dieses Verbots in wirtschaftlichen Motiven, d.h. um einem Mangel an Dienstboten entgegenzuwir- ken6.

3.2 Das Recht für Fremde Seit 1498 war es verboten, ohne Erlaubnis der Obrigkeit fremde Leute für mehr als eine Nacht aufzunehmen. Die Offnungen sahen z.T. die gleichen Regelungen vor wie die Erlasse gegen Bettler, Landstreicher und fahrendes Volk7• Die Offnung von Herrenhof bestimmte so- gar, dass der Gastgeber für aufgenommene fremde Leute bürgen musste, damit allfällige Bus- sen und Schäden gedeckt wären8•

1 A 4 des M vom 23. März 1741. 2 VgJ. A 24 Ls von 1761 (Edition, S. 121) und A 3 des M vom 23. März 1741. 3 VgJ. A 7 des M vom 23. März 1741. 4 Dies legte A 1 des M vom 23. März 1741 fest; A 2 bestimmte die Gebühr für diese Arbeit. S Jus Statutarium S. 546 bzw. 689; A 21 Lm. Edition, S. 120; vgJ. Müller, Landsatzung und Landmandat S. 260f. 6 Jus Statutarium S. 547; A 22 Lm. aaO. S. 121; Müller, Landsatzung und Landmandat S. 266 FN 104. 7 Jus Statutarium S. 431; A 19 Lm aaO. S. 119; vgl. auch Müller, Landsatzung und Landrnandat S. 260. 8 Jus Statutarium S. 459 u. 691; 0 von Herrenhof siehe StiASG Rubr. 65 Fasz. 1. - 104-

Die Landsatzung setzte fest, dass jeder frevelnde Fremde die Bezahlung der Busse und des Schadens beeiden oder "Trostung" geben musste, damit die Begleichung der Strafe und des Schadens gesichert war; andernfalls wurde er der Obrigkeit übergeben1_ In Zuckenriedt und Wängi mussten Gäste, wenn sie das Gericht in Anspruch nahmen, für den Streitwert Sicherheiten hinterlegen, damit der Vollzug des Urteils gesichert war; wer als Fremder mit Einheimischen ein Verfahren hatte, musste einen Bürgen stellen oder beeiden bzw_ schriftlich erklären, dass er sich an den Entscheid halten werde2.

3.3 Erlasse gegen Bettler und Landstreicher Auf 20 Seiten stellt Pater Bernhard die Mandate dar, die sich mit der Regelung des Bettel- wesens und mit dem fahrenden Volk befassten3; Diese Erlasse lägen im öffentlichen Interesse; sie wären "pro communi utilitate"4. Normen zu diesem Sachgebiet fanden sich seit der Land- satzung von 1498 in den Erlassen des Stiftes5. Damit hielt die Abtei mit den andern Herrschern Schritt, denn allerorten entstanden Gebote, die "zu einer förmlichen Zigeunerjagd" aufriefen. Die Obrigkeit begnügte sich damit, den Bettel und seine Konsequenzen zu bekämpfen, nicht aber dessen Ursachen6• Das erste Spezialmandat gegen Bettler und Landstreicher datiert von 1602, bis 1798 folgten dann etwa 30 weitere Mandate7. Das erste angeführte Spezialmandat von 1639 bestimmte, dass solche Leute sofort wieder aus den Stiftslanden ausgeschafft werden müssten. Zudem wurden die ersten Wachttruppen gegen Landstreicher und fahrendes Volk geschaffen8• In den Mandaten gegen die Bettler vom 28. März 17429 und vom 13. März 176010 war das Grundanliegen, dass jede Gemeinde für ihre eigenen Bettler besorgt warlI; die Bettler wurden registriert, es waren Abzeichen für sie vorgesehen, und ihnen war vorgeschrieben, wann und wo sie betteln durften. Sie sollten zur Arbeit angehalten werden; kranken Bedürftigen waren Vorrechte eingeräumt. Das Mandat gegen Fahrende und Vagabundenl2, ebenfalls vom 28. März 1742, sah die Ein- führung von besonderen Truppen für "die Jagd auf Fahrende" vor und führte Pässe für die Handwerksburschen ein. Besonders streng wurde gegen Heiden und Zigeuner vorgegangen13. Wer mit Brandstiftungen die Leute erpresste, wurde ausgepeitscht oder zur Galeerenstrafe ver- urteilt14• Die Mandate über die Bettelpatrouillen15 regelten die Organsation, die Pflichten und die Ent- schädigung dieser Wachmannschaften. Im Spezialmandat von 1760 wurden die Organisation, die Pflichten und die Bezahlung der Patrouillen bestätigt und präzisiert. Alle Gotteshausleute

Jus Statutarium S. 737; A 2 Ls von 1594/1630, Edition, S. 36; Müller, Landsatzung und Landmandat S. 259. "Trostung geben" bedeutete die Busse sieherzusteUen, zu verbOrgen (Maller, aaO.). 2 Jus Statutarium S. 738f.; 0 von Zuckenriedt siehe StAZH Dok 5/44; jene von Wängi siehe aaO. 18/136. Jus Statutarium S. 478497. 4 Jus Statutarium S. 478; vgl. dazu auch Müller, Landsatzung und Landrnandat S. 260f. 5 A 23 Ls von 1498, Edition S. 17; A 23 Lm, aaO. S. 121 FN 61-63; Müller, Landsatzung und Landrnandat S.26Of. 6 Mitteis/Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 303 VI und S. 306 VII 1 Iit. d. 7 Müller, Landsatzung und Landrnandat S. 261. 8 Jus Statutarium S. 478f.; Dieses Mandat war nicht aufzufinden. 9 Jus Statutarium S. 479481; Druck siehe StiASG Rubr. 42 Fasz. 10. 10 Jus Statutarium S. 481483; Druck siehe StiASG Rubr. 42 Fasz. 10. 11 Vgl. zu diesem Grundsatz auch Müller, Landsatzung und Landmandat S. 308 fN 71. 12 Jus Statutarium S. 484491; Druck siehe StiASG Rubr. 42 Fasz. 10. 13 Jus Statutarium S. 488; A 7 dieses M, aaO. 14 Jus Statutarium S. 488; A 8 dieses M. aaO. 15 Jus Statutarium S. 49lf. M vom 12. Nov. 1752 war nicht aufzufinden; Jus Statutarium S. 493497; M vom 13. März 1760 siehe StiASG Rubr. 42 Fasz. 10. Vgl. auch Jus Statutarium S. 661. -105- wurden in diesen Mandaten zur Anzeige verdächtiger Vorkommnisse und zur Hilfe verpflichtet Die Offiziere hatten über diese Bettlerjagden ein genaues "Kriegstagebuch" zu fUhren.

B) Das Sachen- und Obligationen recht 1. Kauf und Verkauf 1.1 Errichten von Schuld- und Kaufverträgen Gemäss Art. 67 des Landmandates waren alle Zins-, Kauf- und Schuldbriefe vor Gericht zu errichten, und in der Kanzlei ausfertigen zu lassen; dabei mussten alle Belastungen angegeben werden. Die Errichtung solcher Briefe musste innert zwei Monaten erfolgenl . Die älteren Off- nungen enthielten zusätzliche Fertigungsvorschriften über die Errichtung von Zins- und Grund- stückkaufverträgen, die ebenfalls vor Gericht oder Ammann zu erfolgen hatte2•

1.2 Die einzelnen Vertragsarten 1.2.1 Verträge über gelegene Sachen Geschäfte, die Käufe von gelegenen Sachen betrafen, oder Schuldbriefe, deren Zinsen in Waren erbracht werden mussten, waren der Obrigkeit vorzulegen, die sie kassieren oder ge- nehmigen konnte; andernfalls waren sie ungültig, und die Parteien hatten schwere Strafen zu gewärtigen3• Das Landmandat erlaubte der Obrigkeit, Immobilienkäufe, die im Wirtshaus getä- tigt wurden, zu kassieren; betrafen sie gar ehrschätzige Güter, wurden die Parteien bestraft!. Bei allen Grundstückgeschäften hatte der Verkäufer die Pflicht, alle auf dem Grundstück lie- genden Belastungen anzugeben5• Wenn Güter verkauft wurden, bevor deren Ernte (der Nuzen) eingebracht worden war, gehörte letztere noch dem Verkäufer6.

1.2.2 Viehverkauf und weitere Verträge Kälber unter drei Wochen durften nicht verkauft werden7. Dies war hauptsächlich eine ge- sundheitspolizeiliche Vorschrift. Das Kloster erliess verschiedene Mandate im Zusammenhang mit der Seuchenpolizei, doch Pater Bernhard erwähnte keine davon in seiner Arbeits. An Sondervorschriften für den Viehverkauf fanden sich eine Beschränkung der Gewährlei- stung für Vieh auf 30 Tage9 und eine Regelung über den Verkauf von Vieh, das im Besitz mehrerer ist: Ohne Einwilligung der anderen Eigentümer war der Verkauf nicht gestattetlO•

Ius Statutarium S. 567 u. 606; Müller, Landsatzung und Landmandat S. 277f.; die Frist von 2 Monaten steht in der Ls in Codex 1270 in der StiBSG, vgl. auch Edition, S. 42 FN 58. 2 Jus Statutarium S. 567f. und 607, wo einige Gerichte angeführt sind. Die Bemerkung von Legras, Grundriss S. 204f., dass das Fertigungswesen in SI. Gallen durch die Gerichte beherrscht worden sei, was sich in der ausführlichen Legiferierung über das Vertragswesen und den GrundstUckhandel zeige, wird durch diese Aussa- gen aus dem Jus Statutarium bestätigt. 3 Jus Statutarium S. 563f.; A 51 Lm in Edition, S. 132; Müller, Landsatzung und Landmandat S. 279 FN 150. 4 Jus Statutarium S. 611; A 60 Lm, Edition, S. 136. Ehrschätzige GUter waren solche Güter, die mit dem Ehrschatz, einer Art Handänderungssteuer, belastet waren (Menolfi, SI. Gallische Untertanen im TG S. 41). 5 Jus Statutarium S. 591; Müller, Landsatzung und Landmandat S. 279 FN 151. 6 Jus Statutarium S. 591; A 61 Lm, Edition, S. 136f. 7 Jus Statutarium S. 590; A 29 Ls (Es ist A 31 der Ls von 1594/1630, aaO. S. 41). 8 Müller, Landsatzung und Landmandat S. 262 bes. FN 90-92. 9 Jus Statutarium S. 613; A 56 Lm, Edition, S. 134. 10 Jus Statutarium S. 653; Der gemeinsame Besitz von Vieh wurde unter dem Titel: "De Societatibus" von Pater Bemhard dargestellt. Es ist A 28 der Ls von 1525 (Edition, S. 26), der 1575 durch ein M betreffend "Gmaind Vech" ersetzt wurde (StiASG Rubr. 42 Fasz. 13). -106-

Der Art 34 des Landmandates statuierte ein Verbot, gesottenes Garn zu verkaufenI. Wer den Getreidehandel ausüben wollte, bedurfte einer Sonderbewilligung, die in einem Spe- zialmandat vom 29. I uli 1771 vorgesehen war2.

1.3 Justum Pretium Die Festlegung gerechter Preise für Waren und Dienstleistungen war in jener Zeit ein Haupt- anliegen jeder Obrigkeit Es ergingen Höchstpreisvorschriften, Zinsbegrenzungen, überhaupt wurde jedes Gewerbe streng reglementiert. Mittels dieser ausführlichen Vorschriften sollte aus- serdem eine genügende Versorgung der Bevölkerung sichergestellt werden3. Auch die Abtei St. Gallen erliess eine grosse Zahl von Mandaten, die diese Ziele erreichen helfen sollten: So waren der Fürkauf verboten4, Güter mussten auf dem öffentlichen Markt an- geboten werden5; es war verboten, arme Leute zu übervorteilen6, der sog. Kauf auf Wieder- kauf? wie auch der Weinkauf waren reglementiert8.

1.4 VeIjährung und Ersitzung Als Vetjährungsfrist hatte ein Gläubiger ,,9 Laubrisenen", d.h. 9 Jahre, zu beachten. Wenn er in dieser Frist sein Guthaben nicht einforderte und der Schuldner starb, war es verfallen. Die Obrigkeit konnte bei Vorliegen besonderer Umstände Ausnahmen bewilligen9• Die Ersitzung von Sachen wurde in der Offnung von Rickenbach folgendermassen geregelt: Gegenüber einheimischen Vorbesitzern genügte ein unangefochtener Besitz von drei Iahren sechs Wochen und drei Tagen, gegenüber fremden Vorbesitzern neun Jahre10•

2. Darlehen, Hypotheken und Pfandbestellungll 2.1 Zinsvorschriften und Wucherverbot12 Auch das Kloster SI. Gallen kannte in Art. 52 des Landmandates Zinsbegrenzungen13• Art. 53 bestimmte zusätzlich, dass derjenige sein Kapital verlor, der durch einen simulierten Vertrag mehr als 5% Zins vedangtel4. Der Spruch zu Rapperswil von 1525 bestätigte die Zinsbegren- zungl5 fUr das Unterarnt ausdrücklich.

1 Jus Statutarium S. 590; Müller, Landsatzung und Landmandat S. 274. 2 Jus Statutarium S. 591; siehe StiASG Rubr. 42 Fasz. 10. Vgl. Müller, Landsatzung und Landrnandat S. 275f. u. 283f. 4 Jus Statutarium S.597; A 48 Lm in Edition, S. Blf. Unter Fürkauf wurde ein preistreibender Spekulationskauf verstanden, der die Versorgung gefährdete (Müller, Landsatzung und Landmandat S. 275). Jus Statutarium S. 597f; A 49 Lm in Edition, S. 132; Entscheid zu Rapperswil von 1525, aaO. S. 240 A 17 gegen das Unteramt 6 Jus Statutarium S. 598; A 50 Lm, aaO. S. 132, vg\. auch Müller, Landsatzung und Landrnandat S. 283. 7 Jus Statutarium S. 598; A 58 Lm, aaO. S. 135f. Kauf auf Wiederkauf war ein Verkauf, bei dem eine Rückkaufsvereinbarung von Anfang an vorgesehen war (Müller, Landsatzung und Landmandat S. 281). 8 Jus Statutarium S. 604; A 63 Lm, aaO. S. 137, vg\. auch Müller, Landsatzung und Landmandat S. 280f. 9 Jus Statutarium S. 550; A 69 Lm, Edition, S. 140f.; vg\. auch MilUer, Landsatzung und Landmandat S. 287 und MilUer, Offnungen S. 82. 10 Jus Statutarium S. 551; diese Regelung scheint allgemeingültig gewesen zu sein, vg\. dazu Müller, Offnun- gen S. 82. 1I Der grösste Teil dieser Ausfilhrungen ist unter dem Titel "Quibus modis reo contrahitur obligatio': angeführt, Jus Statutarium S. 562ff. 12 Vg!. zum ganzen Problemkreis Müller, Landsatzung und LandmandatS. 282f. 13 Jus Statutarium S. 562. 14 Jus Statutarium S. 565; vg!. Edition, S. 132f.; A 70 Lm, aaO. S. 141. verbot auch. auf künftiges Erbe zu leihen, unter der Gefahr. die Schuld zu verlieren. Jus Statutarium S. 563; Müller, Landsatzung und Land- mandat S. 284. 15 Jus Statutarium S. 566; A 16 in Edition, S. 239. ·107·

Ausserdem war die Leihe auf Naturalien, d.h. auf Leinwandtücher verbotenI, wie auch zum Teil nur Geldzinse zulässig waren; es durfte auch auf Zinsen kein weiterer Zins erhoben wer· den2• Besonders erwähnt und verboten wurden Wuchergeschäfte, bei denen "ein Viertel linset" geliehen wurde, dann aber noch ein Pfund Werch zurückgegeben werden musste3. Der Spruch zu Rapperswil von 1525 befasste sich auch mit den Darlehen und Zinsen: Soge· nannte unlösbare Zinsen, die schon bestanden, blieben im Unteramt in Kraft, neue dagegen konnten nicht mehr errichtet werden4. Die Eidgenossen schrieben auch vor, dass Darlehen mit Zins mittels einer öffentlichen Urkunde zu errichten seien, andernfalls das Kapital nicht zurück- gefordert werden könne5•

2.2 Das Spezialmandat vom 5. April 1757 Dieses Mandat wurde in Erläuterung von Art. 67 des Landmandates erlassen. Das Land- mandat wies dann auch wieder auf dieses Spezialmandat hin6• Walter Müller bezeichnet es als die Hypothekarordnung der Stiftslande7• Es wurde darin auch die Aufhebung des Artikels über die Zinsverschreibungen der Landsatzung von 1562 bestätigtB. Dieses Spezialmandat regelte die Errichtung und Löschung der Schuldbriefe9 wie auch deren Uebertragung, die mit einer Formel mit Indossamentscharakter vorgenommen werden muss- te10. Uebertragungen, die nach Erlass dieses Mandates vorgenommen wurden, aber nicht den Vorschriften entsprachen, entkräfteten die Schuldbriefell.

2.3 Das Recht der Pfänder 2.3.1 Pfänder als Sicherheiten bei Darlehensverträgen Art. 67 des Landmandates bestimmte, dass immer zwei Pflinder oder ein Pfand im doppelten Wert des fraglichen Schuldbriefes beizubringen und allfällige, schon bestehende Belastungen der Pfänder anzugeben waren12. Das schon erwähnte Spezialmandat von 1757 regelte auch die Bestellung von Pfändern als Sicherheiten. Vor allem sollte verhindert werden, dass die gleichen Pfänder mehrmals verwendet wurden, was schon im Landmandat verboten worden warl3. Zur Bestimmung des Wertes der Pfänder wurden spezielle Beamte, sog. Schätzer eingesetzt. Wenn diese sich im Wert vergriffen und der Gläubiger bei einer Versteigerung zu Schaden kam, hafteten sie persönlich14. Die Urkunden durften erst nach der amtlichen Schätzung errichtet werden.

Jus Statutarium S. 563; A 49 Lm, aaO. S. 132. 2 Jus Statutarium S. 565; A 52 Lm, aaO. S. 132. 3 Jus Statutarium S. 566. "Linset" sind Flachssamen (Müller, Landsatzung und Landmandat S. 336). 4 Jus SlatUtarium S. 564; vgl. Edition S. 232f. A 5; im ,,Librum censuum" sei dieser Entscheid auch ersicht- lich, worauf der Entscheid tatsächlich verweist, aaO. S. 232 Z. 35. 5 Jus SlatUtarium S. 569; vgl. Edition S. 238 A 16 gegen das Unteramt, wo es heisst, wer Darlehensverträge nicht schriftlich abschliesse, könne vom Abt bestraft werden. 6 Jus Statutarium S. 569ff.; Original siehe StiASG Rubr. 42 Fasz. lO Nr. 63; vgl. auch Müller, Landsatzung und Landmandat S, 198; A 67 Lm enthält einen Hinweis auf dieses Spezialmandat, aaO. S. 139. Druck siehe StiBSG Codex 1679. 7 Vgl. Müller, Landsatzung und Landmandat S. 140 FN 159 sowie Lutz, Fertigung und Keel, Hypothekar- recht. 8 Jus Statutarium S. 569; Aufhebung siehe Edition, S. 32ff. 9 Jus Statutarium S. 570f. 10 Jus Statutarium S. 571ff.; Formel in Deutsch siehe S. 572 und StiBSG Codex 1679. 11 Jus Statutarium S. 572; vgl. auch A 82 Lm in Edition, S. 145. 12 Jus Statutarium S. 573. 13 Jus Statutarium S. 584; A 36 Lm (Es muss aber A 20 Lm von 1562/64 sein, aaO. S. 97) u. A 4 des M vom 5. April 1757; nach Müller, Landsatzung und Landmandat S. 264 FN 100 u. S. 278f. erging für das Oberbergeramt schon 1654 ein solcher Erlass. 14 Jus Statutarium S. 573ff.; vgl. auch A 67 Lm in Edition, S. 139. -108 -

Das Hofgericht hatte 1736 einen Erlass vorbereitet, der die Aufnahme von Geld und Pfän- dern im Ausland einschränken und regeln sollte. Dieser wurde aber nicht in Kraft gesetzt, schrieb doch Pater Bemhard "conclusorum ratijicatio non legitur"l. Das von der Ehefrau eingebrachte oder in der Ehe erworbene Gut konnte der Gatte ohne ihre Zustimmung und die eines besonderen Vogtes weder zur Sicherung einer Hypothek verwenden noch als Pfand gebrauchen. Wenn sich das Frauengut ohne Verschulden des Mannes oder we- gen beider Verschulden verkleinerte, entschied ein Gericht, welchen Teil davon das Mannesgut und welchen das Frauengut tragen musste2.

2.3.2 Die Bestellung der Pfander aufgrund eines Gerichtsurteils3 Ein Schuldner, der in einem Urteil zur Bezahlung eines bestimmten Betrages verurteilt wur- de, hatte idR drei Tage Zeit, dies zu tun. Kam er dieser Pflicht nicht nach, konnten Pfänder zur Sicherstellung der Forderung beschlagnahmt werden. Vom ersten, dem Schuldner angekündig- ten Tag an, konnten während 14 Tagen Pfänder beschlagnahmt werden, wenn dieser sich nicht von der Schuld befreite; dann wurden sie während drei Tagen ausgerufen und nach der dritten Auskündigung verkauft. Wenn sie zur Deckung nicht ausreichten, konnte der Weibel weitere Pfänder holen und versteigern, bis die ganze Forderung gedeckt war4. Wer in Rickenbach Pfänder beschlagnahmen wollte, musste beim nächsten Gerichtstermin Klage erheben, andernfalls verlor er alle Verarrestierungsrechte5•

2.3.3 Vergehen bei der PfandbesteIlung Wer sich weigerte, rechtmässige Pfänder freiwillig zu stellen, so dass der Weibel sie holen musste, wurde gemäss den Offnungen bestraft, gewöhnlich mit 6 oder 9 Pfd. Pfg. Wer sich überhaupt weigerte, Pfander herauszugeben, dem wurde bei Busse oder schwereren Strafen befohlen, dies zu tun; zuletzt holten Ammann oder Weibel die Pfänder selber6. Wer Pfänder forderte, ohne dazu berechtigt zu sein, wurde gemäss den Vorschriften der Offnungen mit einer Busse bestraft7•

2.3.4 Sonderfälle im Zusammenhang mit der Pfänderbestellung Wenn ein Fremder in der Gemeinde ein Pfandrecht geltend machen konnte, durfte ihm der Gastgeber mit Erlaubnis eines äbtischen Amtmannes bei der Durchsetzung seines Rechtes hel- fen8• Wer völlig mittellos war, also weder Pfand noch Geld hatte, wurde dem Kläger als Geisel (zu Gast) übergeben; so schrieben es die Offnungen von Zuckenriedt und Wängi vor9. Andere Offnungen zwangen den Schuldner, innert acht Tagen den Gerichtssprengel zu verlassen; er

1 Jus Statutarium S. 578f. 2 Jus Statutarium S. 580; geregelt in A 27 des Erbrechts, vgl. hinten § 7 H) 2.4.4 S. 132; vgl. die Regelung in Art. 177 ZGB vor der Revision von 1984. 3 vgl.lus Statutarium S. 697ff.: "de actionibus". 4 Jus Statutarium S. 70If.; von dieser generellen Regelung wichen die Offnungen von Goldach, Wängi, Zuckenriedt und Rorscbach leicht ab. 5 Jus Statutarium S. 751; 0 von Rickenbach StiASG Bd. 1032 S. 147. 6 Jus Statutarium S. 709f.; Müller, Offnungen S. 94f. 7 Jus Statutarium S. 711. 8 Jus Statutarium S. 711; so lauteten die Offnungen von Zuckenriedt (StAZH Dok 5/45) und Wängi (aaO. 181137). 9 Jus Statutarium S. 712; Müller, Offnungen S. 83 FN 256 beschreibt es genau umgekehrt, dass sich der Gläubiger beim Schuldner einquartiert, auch erwähnt er die 0 von Wängi (StAZH Dok 18/138) nicht, wo es hiess: "Welcher auch weder Pfand noch Pfenning in der Vogtey zu geben hat, den soll man dem Kleger zegast geben und erlaben." -109- durfte erst wieder zurückkehren, wenn der Gläubiger dies gestattete oder er die Schulden be- zahlt hatte1• Ein Erlass, der in Tablat, Oberdorf und Sommeri den Offnungen angefügt worden war, be- stimmte, dass ein Gläubiger, der bei der Gant nicht selber dabei war, einen Dritten bezeichnen durfte, der für ihn mitbieten konnte2•

3. BUrgschaftsrecht Die Errichtung einer Bürgschaft konnte rechtmllssig nur mit Einwilligung der Obrigkeit oder Fertigung vor .. offenem Recht" erfolgen3• Eine Bürgschaft für Auswärtige einzugehen bedurfte einer besonderen Bewilligung, die schon Ulrich VIn. verlangt hatte und dann auch Abt Joseph durchsetzen liess. Es mussten der Vertrag, die Höhe der Bürgschaftsumme und der Name des Gläubigers auf der Hofkanzlei in St. Gallen angegeben werden4• Art. 55 des Landmandates und die Ergänzung der Gantordnung von 1761 regelten die Frage, wie ein Bürge, der für seinen zahlungsunfähigen Hauptschuldner bezahlt hatte, auf diesen Rückgriff nehmen konnte': Wer rechtmässig Bürge geworden war, wurde bei der Versteige- rung der Habe seines Hauptschuldners in die gleiche Klasse gestellt, die dem Gläubiger zuge- kommen wäre. Wer die Bürgschaft heimlich errichtet hatte, konnte nicht auf den Hauptschuld- ner Regress nehmen, wenn er zahlen musste.

4. Arbeitsvertragsrecht Normen über die Arbeits- und Dienstvertragsverhältnisse fmden sich kaum in den stiftsankt- gallischen Rechtser1assen6• So beklagte Pater Bernhard, dass nur für die Löhne der Müller eine bestimmte Höhe festgesetzt worden sei, nicht aber auch für andere Berufe7• In der Landsatzung fand sich eine Regelung für die ungerechtfertigte Auflösung der Arbeits- verträge. Knechte und Mägde, die ohne "merklich ursachen" aus dem Arbeitsverhältnis davon- liefen, verloren ihren Lohnanspruch. Arbeitgeber, die Dienstboten ohne triftigen Grund entlies- sen, blieben den ganzen Lohn für die vereinbarte Zeit schuldigll. Knechte und Mägde, die ihren Arbeitsvertrag verlängerten und dann die Stelle ohne recht- mässigen Grund doch nicht antraten, verloren einen Viertel des Jahreslohnes. Ausserdem mussten sie dem Meister den Schaden ersetzen und konnten mit Trülle oder Gefangensetzung bestraft werden. Arbeitgeber, die entlaufene Dienstboten ohne obrigkeitliches Vorwissen ein- stellten, wurden mit 5 Pfd. Pfg. gebüsst9•

lus Statularium S. 712f. 2 lus Stalularium S. 726; z.B. TabJat Rq I, S. 216 A 33 oder Oberdorf Rq I, S. 396 A 32. 3 Jus Statutarium S. 586; A 55 Lm, Edition, S. 133f.; vgl. auch Darstellung bei MÜller, Landsatzung und Landmandat S. 284. 4 lus Statularium S. 583; A 55 Lm aaO. schrieb dies zwar auch vor; Pater Bemhard fUhrt diesen A auf S. 586 an. S lus Statutarium S. 586f. u. 725; Details zur Gantordnung siehe hinten § 7 D) Das Schuldbetreibungsrecht S. 114ff. 6 Vgl. MUlIer, Landsatzung und Landmandat S. 277. 7 Jus Statularium S. 636. 8 Jus Statularium S. 636 unter Verweis auf A 28 Ls (in der Edition, S. 26 ist es A 29 der Ls von 1525); vgl. auch MUller, Landsatzung und Landmandat S. 277. 9 Jus Statutarium S. 636f.; vgl. A 29 Ls 1525 Edition, S. 26. ,.Bei der ,TrUlle' handelte es sich um einen mannshohen, zylinderfönnigen Kasten, der um zwei oben und unten angebrachte Zapfen gedreht werden konnte. In ihm wurde der Missetllter eingesperrt und dann solange gedreht, bis er ohnmllchtig wurde" (Leisi, S. 223). -110-

C) Die Lehens- und Zugrechte 1. Lehensrecht 1.1 Die verschiedenen Arten von Lehen Die Lehen wurden zum einen nach der Dauer der Belehnung unterschieden: So waren Lehen auf Lebenszeit des Abtes oder auf Lebenszeit des Beliehenen ausgegeben; beim Tode eines der heiden war eine neue Belehnung faIligl. Zum anderen wurde eine Unterscheidung nach Uebergang der Lehen getroffen: Die Erb- lehen, die einen bestimmten Zins abwarfen, mussten nach dem Tode des Lehensträgers seinem Erben übertragen werden; die Nicht-Erblehen oder "Schupf/ehen" dagegen konnten nach dem Tode des Lehensträgers frei weiterverliehen werden. Der Spruch zu Rapperswil flihrte nur die- sen Unterschied an, nicht aber den Umstand, dass Erblehen vom neuen Lehensträger, dem Er- ben, nicht mehr empfangen werden mussten2• In diesem Zusammenhang ist auch bemerkenswert, dass die in Art. 35 des Landmandates statuierte Pflicht, den Zehnten ordnungsgemäss abzuliefern, von Pater Bernhard Hannes nicht ins Jus Statutarium aufgenommen wurde.

1.2 Der Lehensempfang Im Grundsatz war der Lehensempfang durch Art. 45 der Landsatzung und den Schieds- spruch der Kantone von 1490 geregelt, der die Vorschriften der Landsatzung bestätigte3• Für den Lehensempfang im Erbgang schrieb Art. 42 des Erbrechts vor, dass, wenn mehr als ein Erbe flir ein Lehensgut vorhanden wäre, alle gemeinsam das Lehen zu empfangen hätten. Die Teilung konnte erst danach vorgenommen werden, und jeder musste dann seinen Teil er- neut zu Lehen nehmen. Dies hatte innert 1 Jahr und 3 Tagen zu geschehen, andernfalls fiel das Lehen an den Lehensherm zurücIc4. Die Offnungen hatten diese Art des Lehensempfanges generell bestätigt und dem äbtischen Lehengericht die Kompetenz zur Ausstellung der Lehensurkunden übertragen, was die Eid- genossen für Rorschach 1525 ausdrücklich festgehalten hattens. Die Freilehen wurden vom Abt, ehrschätzige Hofgütervom Hofammann vergeben6• Einem bevormundeten Lehensträger gereichte es nicht zum Nachteil, wenn sein neuer Vor- mund nach dem Tod des früheren Vormundes vergass, das Lehen zu empfangen; wohl aber musste nach dem Tod des Vaters der erste Vormund im Namen des Kindes das Lehen gegen die normale Gebühr empfangen, und jeder Nachfolger sollte es auch7•

Jus Statutarium S. 639; A 15 des Entscheides von Rapperswil von 1525 gegen das Unterarnt, siehe Edition, S. 238f. Pater Bernhard Hannes gebrauchte die beiden Begriffe "Feuda" und "Emphyteusium" ohne Unter- schied, vgl. Jus Statutarium S. 638. 2 Jus Statutarium S. 639f.; auch dies gemäss Spruch zu Rapperswil von 1525 gegen das Unteramt, vgl. Edi- tion, S. 238ff. A 15. "Schupflehen" waren, vereinfacht gesagt, jederzeit kUndbare Lehen (Menolfi, SI. Gallische Untertanen im TG S.45). Jus Statutarium S. 638; A 45 Ls von 1525 Edition, S. 30 (nicht A 39 wie Pater Bemhard schrieb); Enl- scheid von 1490 vgl. Edition, S. 271 A 3. 4 Jus Statutarium S. 640f. u. 852: im Erbrecht erneut beschrieben. 5 Jus Statutarium S. 64, wo noch weitere Orte angeführt sind; A 29 des Spruches zu Rapperswil, Edition, S. 212ff., bes. S. 214 Z. 20ff., wo auf die 0 von Rorschach, A 64 in Rq I, S. 20 verwiesen wurde. Jus Statutarium S. 64lf.; Müller, Offnungen S. 64, bes. FN 170. Jus Statutarium S. 639; Spruch zu Rapperswil von 1525 gegen das Oberamt, vgl. Edition, S. 170 A 4. ·111 .

1.3 Die Uebertragung gekaufter Lehensgüter Die Eigentumsübertragung von Lehensgütern musste grundsätzlich vor dem Lehensherrn er- folgenl ; auch Zinsbriefe über Lehensgüter waren vor dem Lehensherr auszufertigen. Dadurch wurde die Fertigung von Lehens- und Hofgütern den Niedergerichten immer mehr entzogen2• Verschiedene Offnungen wichen von diesen generellen Regelungen ab. Eine Anzahl bei- spielhafter Abweichungen aus einigen Gerichten fUhrt Bernhard Hannes im einzelnen auf den Seiten 607 bis 610 seines Werkes an. Auch geringfügige Aenderungen an Lehensgütern bedurften des gleichen Verfahrens wie die Uebertragung eines ganzen Gutes. Art. 34 der Landsatzung schrieb vor, dass Bäume auf ehr- schätzigen Gütern nur mit dem Boden und allen Zinsen verkauft werden durften; andernfalls wurde man bestraft, und der Kauf "soll weder kraft, noch Macht haben". Art. 43 des Land- mandates von 1761 bestätigte dies: Solche Geschäfte mussten mit einer Lehensurkunde abge- schlossen werden3•

1.4 Die Taxen und Abgaben auf den Lehensgütern4 1.4.1 Die Erblehen Bei den Erblehen, die den Erben des bisher Beliehenen wieder vergeben werden mussten, konnte der Abt nur den bisher erhobenen Zins verlangen, ihn aber nicht erhöhen wie bei den Nicht-Erblehen5• Die Nicht-Freilehen oder Ehrschätzigen Lehen mussten den Lehensschilling und den Ehr- schatz erbringen, und zwar jedesmal wenn sie verkauft, Aenderungen an ihnen vorgenommen oder sie sonstwie veräussert wurden6. Der Lehensschilling war dann zu erbringen, wenn ein neuer Abt gewählt worden war oder ein neuer Beliehener (z.B. auch der Sohn durch Erbschaft) das Lehen angetreten hatte; Er be- trug 15 Schilling, die von jedem zu bezahlen waren, der einen Teil des Lehens besass. Er musste innert einem Jahr und drei Tagen erbracht werden7• Der Ehrschatz oder Laudemium war bei jedem Verkauf und bei der Wahl eines neuen Abtes zu erbringen, nicht aber beim Uebergang durch Erbfall; dies bestätigten die Eidgenossen 1525 in RapperswiL Diese Gebühr war recht hoch, betrug sie doch pro 100 Gulden Grundwert 5 bis 15 Gulden; in einigen Fällen noch mehr, wenn nämlich das Gut doppelt oder dreifach ehrschät- zig war. Der Entscheid zu Rapperswil bestimmte gleichzeitig, dass der Ehrschatz nicht allzu streng eingefordert werden dürfe. Wer behauptete, seine Güter seien dem Laudemium nicht un- terworfen, konnte dies vom Lehensgericht in St. Gallen feststellen lassen8• Der Ehrschatz war gemäss Vorschrift des Landmandates innert drei Monaten zu bezahlen. Wurde er nicht bezahlt, so wurde er ohne Nachlass eingefordert, da sich der säumige Schuldner als einer solchen Gnade "indignus" erwiesen hätte9• Die Freilehen waren vom Ehrschatz befreit und unterlagen nur dem Lehensschilling, der nur die Hälfte desjenigen der Nicht-Freilehen betrug. Er musste beim Empfang, bei Veränderungen

1 Jus Statutarium S. 607; vgl. auch Müller, Landsatzung und Landmandat S. 250f. 2 Jus Statutarium S. 568; MUlIer, Offnungen S. 118f. u. 123: Die Niedergerichte verloren immer mehr Auf- gaben, die sie früher ausgefOhrt hatten, vgl. auch Jus Statutarium S. 647. 3 Jus Statutarium S. 643; Müller, Landsatzung und Landmandat S. 281; A 34 Ls (Es passt aber A 36 der Ls von 1594/1630, Edition S. 42); A 43 Lm, aaO. S. 129. 4 Vgl. zu diesem Problemkreis Müller, Offnungen S. 64f. 5 Jus Statutarium S. 645. 6 Jus Statutarium S. 646. Der Ehrschatz war eine Art Handänderungssteuer (vgl. S. 105 FN 4). 7 Jus Statutarium S. 646 u. 648. 8 Jus Statutarium S. 647f.; Spruch zu Rapperswil von 1525, siehe Edition, S. 167ff. A 3. 9 Jus Statutarium S. 648; A 36 Lm aaO. S. 127. ·112·

und beim Tod des Abtes erlegt werden. Ueber die Bezahlung dieser Taxen lagen keine Urkun- den vor, sie waren nur in den "Ubri Feudorum" verurkundetl.

1.4.2 Die Nichterblehen Diese fielen sowohl beim Tode des Abtes als auch beim Tode des Beliehenen an den Abt zu- rück. Der Abt war bei der neuen Belehnung völlig frei, er konnte also auch einen dritten beleh- nen. Wer mit einem Nichterblehen belehnt wurde, hatte doppelte Gebühren zu bezahlen: Bei der Belehnung musste ein bestimmter Betrag, "quasi als Ehrschatz" , bezahlt werden, sowie ein jährlicher Zins. Die Höhe dieser Gebühren konnte von den beiden Parteien, Abt und Lehens- nehmer, frei vereinbart werden2.

1.5 Bauten und deren Unterhalt auf Lehensgütem3 Die vier Schirmorte entschieden 1525 gegen das Unteramt, im Besonderen gegen Hel- fenschwil, dass alle Bauten auf Lehensgütern beim Tode des Lehensnehmers an den Lehens- herrn, den Abt, zurückfallen sollten. Der neue Lehensträger, im Normalfall der älteste Sohn, musste alle damit verbundenen Aufwendungen allein tragen. Er konnte diese Kosten nicht auf die anderen Erben abwälzen; diese mussten dafür aber auch auf den dadurch geschaffenen Mehrwert verzichten. Bauten, die ohne Bewilligung auf Lehensgütern errichtet worden waren, fielen beim Tode des Bauherrn an den Lehensherrn. Wer dagegen um eine Bewilligung nachsuchte, erhielt dafür normalerweise vom Lehensherrn das notwendige Baumaterial zur Verfügung gestellt, so dass durch diese Praxis dem Beliehenen kein Nachteil erwuchs. Jeder Beliehene war gehalten, das Lehen in gutem Zustand zu halten; wenn aber die Bau- und Unterhaltskosten sehr gross waren, wurde der Ehrschatz öfters ermässigt.

2. Das Zugrecht 2.1 Das Verfahren Das Zugrecht, das schon im Jus Commune geregelt war, wurde durch Normen in den Off- nun gen, den Einzugsordnungen sowie durch besondere Mandate ergänzt. Obwohl das Zugrecht für die Kaufverträge und dgl. geregelt war, fehlte eine Regelung für den Erbfall4• Das Land- mandat sah für Tauschgeschäfte "umb besserer Komlichkeit" kein Zugrecht vor, ausser wenn eine Partei über die Hälfte des Wertes aufgat>5. Wer seinen Anspruch auf das Zugrecht geltend machen wollte, musste ihn am rechten Ort anmelden; andernfalls konnte man das Zugrecht nicht ausüben. Bei Immobilien war es der Ort der gelegenen Sache, bei Mobilien dort, wo der Verkauf hätte stattfinden sollen6• Der Verkäufer einer Sache, an der Zugrechte ausgeübt werden konnten, musste die Zugbe- rechtigten über den geplanten Kauf informieren, z.B. durch Anschlag an öffentlichen Orten, Verlesen in der Kirche, Verkündung durch den Weibel ete. Bernhard Hannes zweifelt, ob bei Mobilienverkäufen, Holzverkäufe ausgenommen, eine Verkündigung nötig sei, bei Immobilien

Jus Statutarium S. 646 u. 649; 0 von Helfenschwil sprach explizit von ,,Freie hand Lehen", vgl. Jus Statu· tarium S. 93; vgl. dazu auch die Dissertation Karl F.M. Schabingers Freiherr von Schowingen: Das St. Gallische Freilehen (Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Grundeigentums), und die Kritik bei MUlIer, Offnungen S. 65 FN 171. Zum Lehensarchiv des Stiftes vgl. Paul Staerkle, Archiv für schweiz. Fa· milienkunde 2, Zürich 1945, S. 202 (vgl. Müller, Landsatzung und Landmandat S. 175 unter Verweis aufRq I, S. 162). 2 Jus Statutarium S. 644f. 3 Jus Statutarium S. 65Of.; Spruch von Rapperswil1525 aaO. S. 242f. A 22. 4 Jus Statutarium S. 551 u. 614f.; beachte bes. das Mandat vom 20. Dezember 1763 in StiASG Rubr. 42 Fasz. 10; vgl. auch MUlIer, Offnungen S. 106 und MUlIer, Landsatzung und Landmandat S. 2811it. b. 5 Jus Statutarium S. 615; es ist aber A 65 Lm (Edition, S. 138) nicht A 66, wie Bemhard Hannes schrieb. 6 Jus Statutarium S. 614 u. 618; Art. 8 des M vom 20. Dez. 1763 (vgl. FN 4); A 66 Lm aaO. S. 138. ·113· dagegen war dies durch einen Erlass vorgeschrieben 1. Die Offnung von Zuzwil führt Pater Hannes als Beispiel für eine solche Verkündigung an: Wer eine Wiese verkaufen wollte, musste sich in der Kirchentüre aufstellen und verkünden, dass er sie zu verkaufen beabsichtigte2. Wer im Zugrecht ein Gut erwarb, musste dieses gemäss Art. 62 des Landmandates minde- stens drei Jahre behalten. Wenn es nicht drei Jahre behalten wurde, hatte der erste Käufer wie- der einen Anspruch auf das Objekt. Die Obrigkeit konnte bei Vorliegen von "erheblichen Ursa- chen" eine Ausnahme gestatten3•

2.2 Die Zugberechtigten Die Zugberechtigtung der Klosterleute untereinander wurde im Mandat vom 20. Dezember 1763 festgelegt, welches das Zugrecht auch noch auf Heu-, Stroh-, Holz- und Mobilienver- käufe ausdehnte, weil Art. 66 des Landmandates nur die Immobiliengeschäfte erfasst hatte'!. Die Rangfolge der Zugberechtigung wurde durch das Landmandat festgelegt: unter Aus- schluss "aller Schwagerscluift das nächste Bluet der Gerichts- und Gemeindts-Genossen bis auf den 4. Grad einschliesslich, darnach die Mitzünser und dann die Anstösser, die Gerichts- und Gemeindts-Genossen seynd". Wer auf die Ausübung eines ihm zustehenden Zugrechtes ver- zichtete, verlor es, ausser das Objekt wurde einem anderen Käufer billiger angeboten als es ihm offeriert worden wars. Die Zugrechtsregelungen der Offnungen von Herrenhof und Zuzwil wurden speziell aufge- führt Auch hierin zeigt sich wieder der Vorrang des Partikularrechtes6• In Zuzwil galt eine be- sondere Regelung für sog. vogtbare Güter. Wenn kein Gotteshausmann ein solches Gut im Zugrecht erwerben wollte, konnte es der Verkäufer an jeden beliebigen Käufer oder Pächter ab- geben. Wenn es dabei aus den vogtbaren Gütern herausfiel, war dem Abt eine Gebühr von 3 Hellem zu bezahlen7• Wenn bei GotteshausgUtem mehrere Monasterialen das Zugrecht bean- spruchten, konnte es jener ausüben, der am nächsten daran angrenzte8•

2.3 Fristen und Zugpreis Die Fristen, innerhalb derer ein Zugrecht ausgeübt werden konnte, waren sehr unterschied- lich. Zum einen hingen sie davon ab, ob der Zug gegen Fremde oder gegenüber Monasterialen ausgeübt werden konnte, zum andem davon, um welche Sachen es sich handelte. So war die Frist bei Immobilien länger als bei Mobilien; für Heu und Stroh galten wieder andere Fristen. Gegenüber Fremden betrug die ordentliche Frist ein Jahr sechs Wochen und drei Tage, ge- genüber Monasterialen in der Regel sechs Wochen und drei Tage. Da für die Monasterialen bez. stehendem Holz und Immobilien nichts bestimmt wurde, würden wohl die normalen Fristen gelten, vermutete Pater Bemhard9• Nach Art. 4 des Mandats vom 20. Dezember 1763 begann der Fristenlauf mit dem Datum der Verkündigung, das vom Weibel genauestens zu notieren warlO• Die Offnungen kannten z.T. andere Fristen, so vor allem für die Zugrechtsausübung unter Gemeindegenossen: Hier waren es oft nur sieben Nächtell.

1 Jus Statutarium S. 616f.; A 4 und 5 des M vom 20. Dez. 1763 (vgl. S. 112 FN 4). 2 Jus Statutarium S. 617; Rq I, S. 493f. A 32. 3 Jus Statutarium S. 620. 4 Jus Statutarium S. 614. S Jus Statutarium S. 621; vgl. A 57 Lm in der Edition, S. 135; "mit Ausschluss aller Schwägerschaft" erst im Lm von 1761, aaO. FN 137. 6 Jus Statutarium S. 622. 7 Jus Statutarium S. 89; vgl. 0 in Rq I, S. 493. 8 Jus Statutarium S. 622. 9 Jus Statutarium S. 623f.; vgl. A 64 Lm aaO. S. 137 und A 6 des M vom 20. Dez. 1763 (vgl. S. 112 FN 4). 10 Jus Statutarium S. 624. 11 Jus Statutarium S. 624f.; Pater Bemhard führte ein gutes Dutzend Offnungen auf S. 625 an. -114-

Der Preis für die Ausübung des Zugrechts wurde aufgrund des Spezialmandates durch amt- liche Schätzer bestimmt Wenn beim Verkauf einer diesen Preis überbot, musste der Preistreiber die Schätzer bezahlenI. Damit der Sinn des Zugrechtes gewährleistet werden konnte, ergingen Vorschriften über Verzinsung von Kaufdarlehen, Nutzenausgleich, Rückkaufsvereinbarungen uäm. So wollte man verhindern, dass das Zugrecht zu Spekulationen missbraucht wurde2•

D) Das Schuldbetreibungsrecht Die Ausführungen zum Schuldbetreibungsrecht im Jus Statutarium von Pater Bernhard Hannes umfassen neben den beiden Schuld- oder Gantordnungen, die das Stift erlassen hatte, nur noch einige wenige Rechtssätze, die zu diesem Rechtsgebiet gezählt werden können3•

1. Die Schuldordnung für das Landeshofmeisterarnt Diese Schuldordnung erliess Abt Gallus 1675 für das Landeshofmeisteramt4. Sie unter- schied zwischen drei Schuldenarten, die mit unterschiedlichen Verfalrren zwangsvollstreckt werden konnten. Für anerkannte Schulden wie Löhne, Darlehen ohne Zins, Pfründen, als erste Art, musste vor Gericht keine Klage auf Bezahlung erhoben werden. Es erging an den Schuldner eine erste Zahlungsaufforderung mit einer Bussandrohung, dann eine zweite unter Eid, zuletzt eine dritte mit der Androhung des Schuldturms; vor jeder Aufforderung hatte der Schuldner acht Tage Zahlungsfrist. Wenn keine Mittel zur Begleichung der Schulden vorhanden zu sein schienen, war der Kirchenruf anzuwenden. Der Gläubiger konnte alternativ zu diesen Vorrechten dennoch die Versteigerung von Pfändern verlangen. Die zweite Art der Vollstreckung, die schon im Toggenburg in Kraft war, wurde für nicht privilegierte Schulden wie Darlehen mit Zinsen eingeführt. Beim säumigen Schuldner erfolgte eine Pfandnahme unter gleichzeitiger Einräumung einer Zahlungsfrist von 8 Tagen; wenn er in- nerhalb dieser Zeitspanne die Pfänder nicht auslöste, konnte sich der Gläubiger daraus Deckung verschaffen. Bei den sog. "verbrieften Schulden", der dritten Gruppe, konnte der Gläubiger sofort Pfän- der verlangen. Der Weibel musste dann dreimal nach je zwei Wochen verkünden, dass die Pfänder zur Versteigerung bereit seien. Wenn der Schuldner sie in dieser Zeit nicht auslöste, fielen sie dem Gläubiger anheim.

2. Die neue Schuldordnung von 1761 2.1 Grundsätzliches Diese Schuldordnung5 datierte vom 1. Mai 1761 und umfasst 13 Klassen. Der Titel lautet im Original: "Ganth Ordnung der hochfürstlichen Stift St. Gallen ... ". Diese Gantordnung ist, im Gegensatz zu allen anderen Rechtserlassen des Stiftes aus jener Zeit, in einer recht knappen Sprache verfasst. Die Ausflihrungen von Pater Bernhard dagegen sind weitschweifig und ver- hüllen die Probleme eher, als dass sie sie klären. Die Regelung war von Anfang an sehr detailliert und völlig unübersichtlich. Gewisse Klas- sen waren nur bedingt zur Kollokation zugelassen, wie die 10. und 11. Klasse, in der die Tog- genburger und die Nachbargegenden eingeteilt waren, aber eben nur, wenn sie Gegenrecht

1 Jus Statutarium S. 620; A 4 M vom 20. Dez. 1763 (vgl. S. 112 FN 4). 2 Jus Statutarium S. 620; vgl auch Müller, Landsatzung und Landmandat S. 281 in fine. 3 Vgl. dazu Müller, Landsatzung und Landmandat S. 287f. 4 Jus Statutarium S. 707-709; siehe Rq I, S. 285f. und auch aaO. S. 57 u. 510. 5 Jus Statutarium S. 714-725; StiASG Rubr. 42 Fasz.l0 Nr. 74 oder den in StiBSG Codex 1679 eingeklebten Druck; vgl. auch Müller, Landsatzung und Landmandat S. 288 und Müller, Offnungen S. 136 FN 457. -115 - hielten. Die Einteilung war so differenziert, dass z.B. Handwerker ihren Lohn in der 4. Klasse anmelden konnten, ihre Materialkosten aber nicht, weil sie darauf Gewinn machen würdeni. Bei der 3. Klasse erläutert Pater Bernhard den Begriff der laufenden Schulden oder "curren- tia debita": Er umfasst alle Schulden, die nicht schriftlich niedergelegt und ohne Pfänder gesi- chert waren, wie Kosten des Offizialats, des Dekanats oder die des Stockarnts, des Hospitals und des Linsenbühleramtes2• Bei den in Klasse 8 erwähnten Steuern3 fragt sich Pater Bern- hard, um welche Art Steuern es sich dabei handelte: Seiner Ansicht nach konnten es nur Ge- meindesteuern sein, denn wenn es dem Kloster zustehende wären, müssten sie in der 2. Klas- se4 kolloziert werden, in der" Grund-, Boden- und Lehenzins " enthalten waren.

2.2 Ergänzungserlasse zur Schuldordnung Obwohl die Gantordnung schon beim Erlass sehr verschachtelt war, wurde sie laufend re- vidiert und ergänzt; dabei wurden immer wieder neue Forderungen in die einzelnen Klassen eingefügt. Es ergingen auch selbständige Erläuterungserlasse, die einzelne Probleme hoheitlich entschieden. Von diesen seien drei kurz angeführt. Die 1. Klasse5 enthielt alle obrigkeitlichen Kosten und Gebühren. Bezüglich diesen legte der Fürstabt fest, dass sie gegenüber allen anderen, auch pfandgeschützten Forderungen vorgingen, d.h. diese Gebühren wurden zuerst gedeckt, ungeachtet, ob deswegen Pfandgläubiger Verluste erlitten6. Die gerade erwähnten Gebühren wurden voll erhoben, wenn der Kirchenruf stattge- funden hatte und der Kauf bei der Versteigerung erfolgt war. Wenn sich Gläubiger und Schuldner aber vor dem Kirchenruf einigten, dass bei der Versteigerung kein Verlust eintreten solle, wurden die Gebühren ermässigt7• Ein Erläuterungserlass zur 8. Klasse8, in welcher die Forderungen aller Einwohner der Ge- richtsgemeinden aufgenommen waren, präzisierte, dass mit dem Ausdruck "die verburgeret seynd" nur solche Einwohner gemeint waren, die sowohl zum Gericht gehörten als auch Ge- meindebÜTger waren. Erfüllte ein Gläubiger nicht beide Voraussetzungen, fielen seine Forde- rungen in die 9. Klasse, zusammen mit denjenigen der Gotteshausleute; nur in Gosssau konn- ten alle Einwohner des Gerichtes ihre Forderungen in der 8. Klasse kollozieren.

3. Strafnormen aus dem Schuldbetreibungsverfahren Bezüglich der GJäubigerbegünstigung erging am 6. Februar 1771 ein besonderes Mandat9, das später ins Landmandat eingefügt wurde. Wer Gläubiger begünstigte, wurde an Leib und Ehre streng bestraft; er wurde mit einer Schandschrift um den Hals der Oeffentlichkeit vorge- führt.

1 Vgl. Jus Statutarium S. 720. 2 Vgl. Jus Statutarium S. 7l9f. Bez ...OffIZialat" vgl. vorne S. 101 FN 6; .. Dekanat" ist der Name für die Verwaltungsbezirke einer Diözese (Lexikon für Theologie und Kirche. Bd. 3. Sp. 203f.) Der Begriff .. Stockamt" wurde für jene Behörde verwendet, der die ArmenfOrsorge oblag (Moser-Nef, Bd. III S.791ff.). Das ,,Linsenbühleramt" war ein Fonds, der für das Siechenhaus verwendet wurde und ein ansehnliches Ver- mögen umfasste (Moser-Nef. Bd. m S. 947 u. S. 955 FN 5). 3 Vgl. Jus Statutarium S. 724. 4 Vgl. Jus Statutarium S. 7l6f. 5 Vgl. Jus Statutarium S. 7l4f. 6 Siehe StiASG Bd. 1272 S. 393; Entscheid vom 18. Aug. 1760. 7 Siehe StiASG Bd. 1272 S. 394; Dieser Entscheid ist vom l. Mai 1761, nicht auch vom 18. Aug. 1760. wie Bemhard Hannes schreibL 8 Jus Statutarium S. 723; Der Erläuterungserlass ist vom l. Mai 1761 datiert. nicht vom 18. Aug. 1760, vgl. StiASG Bd. 1272 S. 394f. 9 Jus Statutarium S. 592f.; vgl. Edition Nr. 15, S. 151; StiBSG RR 11 10 oder StiASG Rubr. 42 Fasz. 13 und auch Müller. Landsatzung und Landmandat S. 288; dieses M wurde dann als A 85 dem Lm angefilgL -116 -

Die Verfugung über gepfandete Sachen oder deren Unterschlagung wurde nach Nonnen der Offnungen bestraft. Die Offnungen kannten dafUr verschiedene Strafeni_ Wer in den persönlichen Konkurs fiel und derart viele Schulden hinterliess, dass die Gläubi- ger Verluste erlitten, wurde gemäss Landmandat an Leib und Ehre bestraft, durfte die Waffen nicht mehr tragen und erhielt Wirtshausverbot2•

4. Privilegierung des Klosters Für Wil wurde schon im Vertrag von 1492 - und im Spruch von Rapperswil von 1525 auch für das Oberamt - festgelegt, dass Schulden gegenüber der Obrigkeit, d.h. dem Kloster, vor al- len anderen Vorrang hatten und zuerst gedeckt werden mussten; dies galt auch für noch g;:- schuldete Bodenzinsen3• In mehreren Offnungen waren ähnliche Regelungen zu finden, welche die Schulden gegen- über der Abtei vor allen anderen privilegierten4.

5. Versteigerungen und Ganten Art. 66 des Landmandates schloss Fremde von Ganten und Versteigerungen aus, um den Gotteshausleuten bessere Chancen zu geben. Wenn ein Fremder Güter ersteigerte, die in diesem Artikel aufgeführt waren, so hatten die Monasterialen ein Zugrecht5• Die Offnungen von Gossau, Oberdorf, Andwil und Gebhardschwil regelten zusätzlich noch das Versteigerungswesen; vor allem den Fall, wenn der Schuldner versuchte, den Gläubiger zu täuschen6. Die Gebühren bei Versteigerungen, z.B. die Steigerungsbewilligung, wurden durch die Offnungen bestimmt7.

E) Der Rechtsgang 1. Die Gerichtsorganisation Bemard Hannes unterschied bei der Darstellung der Gerichte zwischen fremden und eigenen, einheimischen Gerichten. Die letzteren waren "in ipsa Communitate autTerritorio competente"8.

1.1 Die ordentlichen Gerichte 1.1.1 Die Jahrgerichte Die Jahrgerichte traten je nach Offnung ein bis drei Mal pro Jahr zusammen. Vorgängig zu den Geschäften wurde die Offnung verlesen9. Alle über 14 Jahre alten männlichen Gerichtsge- nossen mussten erscheinen; die Frauen durften auch dabeisein, aber keine unverbürgerten Ein- wohner und keine AuswärtigenlO•

1 Jus Statutarium S. 672; Müller, Offnungen S. 91f. 2 Jus Stalutarium S. 712f.; A 68 Lm in Edition, S. 140. 3 Jus Statutarium S. 717f.; vg!. A 20 von 1492 in StiASG Bd. 5 S. 42; A 9 von 1525 in Edition, S. 176f. gegen das Oberaml, A 10 aaO. S. 236 gegen das Unteramt. 4 Jus Statutarium S. 718; z.B. in der 0 von Rickenbach in StiASG Bd. 1032 S. 150. 5 Jus Statutarium S. 713. 6 Jus Statutarium S. 726f. 7 Jus Statutarium S. 726; Ganten waren nach altem Herkommen durchzuführen, gemäss A 9 des Spruchs zu Rapperswil von 1525 für das Oberamt, vg!. Jus Statutarium S. 718 bzw. Edition, S. 176 bzw. A 10 aaO. S. 236 für das Unteramt. 8 Jus Statutarium S. 808ff.: bez. der auswärtigen Gerichte siehe § 7 C) 1.2.3 S. 35f. und Müller, Offnungen S.77f. 9 Jus Statutarium S. 8IOf.; vg!. auch Müller, Offnungen S. 144 FN 470. 10 Jus Statutarium S. 752; Die Gerichte durften Fremden nicht verkündet werden, vg!. z.B. 0 von Wlingi, StAZH Dok 18/136. -117 -

Für die Jahrgerichte bestand eine feststehende Tagesordnung. Pater Bernhard führte die von Muolen als Beispiel für alle anderen Gerichte an. Diese Tagesordnung schloss die Blutgerichts- barlreit immer von der Zuständigkeit der Jahrgerichte aus!. Die TraktandenHste lautete2: 1. Erb und Eigen 2. Witwen und Waisen 3. Frauen3 4. Fremde oder Gäste 5. Gemeinde-Einwohner (Hofgenossen) 6. Klostergut4 Ueber Klostergut bzw. Sachen, die den Abt betrafen, konnte täglich gerichtet wer- den, und zwar in Jahrgerichten, geschworenen Gerichten und in Muthgerichten.

1.1.2 Die Wochengerichte Gemliss Offnung tagten diese Gerichte einmal wöchentlich ab 10 Uhr am gewohnten Tag; sie beendeten nonnalerweise zur Vesperzeit ihre Sitzung, konnten die anstehenden Klagen aber auch zu Ende beraten. In Goldach tagte das Wochengericht nur alle 14 Tage, sofern Fälle vor- lagenS• In Wängi verabredeten der Ammann, der Vogt und die Beamten einen passenden Tag und richteten auch über Bussen und Untaten. Daneben bestand hier noch ein besonderes Verfahren, das "Kundschaften", welches bei kleineren Streitigkeiten, wie Nachbar-, Weg- sowie Holz- und Weiderechten zur Anwendung gelangte6•

1.2 Die ausserordentlichen Gerichte 1.2.1 "Judicium communitatis extraordinaria, seu emta" Das Landmandat schrieb vor, ausserordentliche Gerichte solle man nur aus einem rechtmäs- sigen Grund einberufen lassen. Den einheimischen Richtern war eine Entschädigung von einem Gulden für Speis, Trank und als Honorar zu entrichten 7. Diese Gerichte hiessen gekaufte Gerichte, weil der Kläger die Kosten übernehmen musste. Da sie täglich tagen konnten, ausser an Hochzeiten und gebotenen hohen Feiertagen, wurde vor ihren Schranken oft gegen Fremde und Gäste verhandelt8•

1.2.2 Die "Muthgerichte" Dies war der Name für Sondergerichte, die zwischen den ordentlichen Gerichten einberufen wurden; gemäss Pater Bemhard Hannes für schwere Fälle; nach Walter Müller war es die Bezeichnung für alle Gerichte zwischen den regulären Terminen9•

1 Müller, Offnungen S. 79. 2 Jus Statutarium S. 812; sie galt auch far das Muthgericht (Begriffserldärung siehe unten 1.2.2) in Zuckenriedt, StAZH Dok 5/44. 3 Dieser Punkt fehlte in den Offnungen von Muolen, Wllngi und Tablat 4 Jus Statutarium S. 812f.; In Sommeri (StAZH Dok 5/118) und in Tablat (Rq I, S. 214 A 18) wurde das Klostergut den Einwohnem vorgezogen. S Jus Statutarium S. 815; vgl. Offnung von Goldach in Rq I, S. 118 A 11. 6 Jus Statutarium S. 815 u. 817; 0 von Wllngi in StAZH Dok 18/139 mitte. 7 Jus Statutarium S. 808 u. 810; A 76 Lm, Edition, S. 143; vgl. auch M(J}ler, Landsatzung und Landmandat S.286. 8 Jus Statutarium S. 815; vgl. MUlIer, Offnungen S. 78. 9 Jus Statutarium S. 753; Müller, Offnungen S. 74 oben. Bez. des Lehensgerichtes vgl. § 10 C) S. IIOff. - 118-

2_ Das Verfahren 2.1 Die Vorladungen Unter dem Originaltitel "de jus vocando, quorsum Citationes", behandelt Pater Bernhard beispielsweise, wie gegen äbtische Beamte oder Gerichte vorgegangen werden musste, ohne dass der Bittsteller gleich verhaftet wurde. Verhaftungen waren nur auf Anordnung des Abtes oder seiner Amtleute zulässig gewesen1. Wer gegen einen Ammann oder Weibel vorgehen wollte, musste vom Abt einen Richter erbitten, der "juxta communitatis jura, et conventiones" über diese Amtleute richtete2. Fremde, "Hospes" oder "Peregrini", konnten einen anderen Gast im Gerichtsbezirk nicht "heften" lassen, d.h. rechtlich nicht belangen; das war eine allgemeine RegeJ3. Die Offnung von Rickenbach verbot Wilern, Lichtensteigern und Uznachern, einen Rickenbacher verhaften zu lassen und umgekehrt. Pater Bernhard Hannes zweifelt, ob in Straffällen dieses Verhaftungs- verbot auch gelte, oder ob es nicht eher sei wie in Rorschach, wo Gäste in Malefizsachen auch durch Gäste festgehalten werden konnten4• Vorladungen hatten direkt an den Angeklagten zu erfolgen. Seine Erscheinungspflicht war in den Offnungen geregelt. Wer auf eine Vorladung hin nicht zum Gerichtstermin erschien, wurde wegen Ungehorsams bestraft, ausser er hatte einen wichtigen Grund für sein Ausbleiben. Zu- dem musste er Bürgschaft leisten; solange er diese Sicherstellung nicht geleistet hatte, war er im Stande des U ngehorsamsS_ Die Landsatzung auferlegte allen, die ohne Grund einer Vorladung keine Folge leisteten, 20 Batzen Busse6• Wer Frevels halber vorgeladen war und auf die erste Vorladung hin nicht erschien, wurde mit der Busse bestraft, die das Vergehen forderte, dessentwegen er vorgeladen war; diesen Nachteil konnte er abwenden, wenn er einen rechtmässigen Grund für das Fernbleiben hatte7.

2.2 Die Klagearten 2.2.1 Verfahren vor Ammann und Amtleuten Wenn anvertrautes Gut nicht zurückgegeben wurde, musste man den Offnungen gemäss an den Ammann gelangen, der darauf die Herausgabe befahl8. Wer aus den Stiftslanden auswandern wollte, musste zuvor bestehende Schulden begleichen; dies wurde ihm dreimal befohlen. Wer seinen Verpflichtungen daraufhin nicht nachkam, wurde eingesperrt und seine Güter beschlagnahmt, wie es die meisten Offnungen vorschrieben9. Die Landsatzung bestimmte, dass Zinsen rechtzeitig zu bezahlen wärenlO• Wenn über diese Zinszahlungspflicht eine Urkunde bestand, wurden Pfänder gemäss dem Recht der Zinsen (jura censuum) und Inhalt der Urkunde fällig; bestand keine Urkunde, wurde der Fall nur nach dem Recht der Zinsen beurteiltll. Wenn die ausstehenden Zinsen Kloster und Abt zustanden, konnte jeder Beamte Pfänder für die ausstehenden Zinsen verlangenl2.

1 Jus Statutarium S. 745; vgl. A 5 Ls von 1594/1630 in Edition. S. 36f., ausserdem stehe dies in allen Off- nungen. 2 Jus Statutarium S. 750. 3 Jus Statutarium S. 746; Müller, Offnungen S. 79 FN 235. 4 Jus Statutarium S. 746; 0 von Rickenbach in StiASG Bd. \032 S. 148; 0 von Rorschach in Rq I, S. 17 A 30. S Jus Statutarium S. 747f. 6 Jus Statutarium S. 748; A 16 Ls, Edition, S. 39 FN 35 in fine. 7 Jus Statutarium S. 748; A 27 Ls von 1594/1630 (Edition, S. 41), nicht A 25; vgl. auch Müller, Landsat- zung und Landrnandat S. 259 bes. FN 79. 8 Jus Statutarium S. 697f. 9 Jus Statutarium S. 698f. 10 Jus Statutarium S. 705; A 37 Ls (in der Edition, S. 29 ist es A 43 der Ls von 1525). 11 Jus Statutarium S. 699. 12 Jus Statutarium S. 700. - 119-

2.2.2 Das Verfahren vor Gericht Wer wegen Zinsen, Lidlohn oder Darlehen eingeklagt war, wurde zuerst bei Busse aufge- fordert, die eingeklagten Schulden innert 3 Tagen zu bezahlen. Wenn er der Aufforderung nicht nachkam, wurden Pfänder fällig. Bestritt der Beklagte die Zahlungspflicht, entschied der Am- mannl. War die fragliche Schuld vor Gericht anerkannt, hatte der Beklagte vier Wochen Zeit, sie zu begleichen; tat er es nicht, konnten Pfänder geholt werden: Diese durften nach 14 Tagen ver- kauft werden2• Die Offnungen von Andwil, Goldach und Zuckenriedt kannten z.T. nur sieben Tage Frist für die Pfänder oder sahen eine andere Art der Vollstreckung vor3. Wenn jemand dem Gericht eine Rechnung vorlegte, die zu erheben ihm "durch ein Spruch" gestattet worden war, wurde dem Schuldner befohlen, sie zu bezahlen. Kam er dieser Auf- forderung nicht nach, wurde der Fall dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt4.

2.2.3 Einschränkung des Klagerechts Es fmden sich im Jus Statutarium gewisse Institute, die wohl unnötige Rechtshändel verhin- dern sollten5. So schrieb Art. 15 der Landsatzung von 1594/1630 vor, dass, solange ein Urteil, Vergleich oder Vertrag erfüllt werde, kein Recht mehr in dieser Sache ergehen dürfe; sobald eine Partei sich nicht mehr daran hielt, konnte die andere" die grossen pott" erlangen und zuletzt sogar die Verhaftung, um die Erfüllung zu erzwingen. Dies war eine Art Verbot, ,Res judicata' wieder vor Gericht zu bringen6• Wenn ,Fixgeschäfte' nicht erfüllt wurden, konnte der Richter nach den Offnungen des Oberbergeramtes die nachlässige Partei zur Erfüllung innert 8 Tagen anhalten_ Die gleichen Offnungen ermöglichten auch bei Bürgschaften (assecurationes) uäm., nicht sofort ein Urteil erlassen zu müssen. Der Ammann konnte zuerst die ,Realleistung' befehlen, um eine Klage zu vermeiden7.

3. Die Regelung der Appellation 3.1 Die Berufungsinstanzen Berufungsinstanzen waren entweder das Hofgericht in St. Gallen in letzter Instanz oder das Hofgericht zu Wil8• Wie die Berufungsmöglichkeiten tatsächlich gewesen waren, ob Zug oder Appellation, ist unklar. Die verwendeten Begriffe sprechen aber für einen Einfluss des römi- schen Rechts auf diese Institute des stiftsanktgallischen Rechts9.

3.2 Voraussetzungen der Appellation Wer appellieren wollte, musste zuerst der Gegenpartei für den Streitwert Rechtsvertröstung leisten; dann war innert zehn Tagen die Berufung in der Kanzlei einzuschreiben und das Recht zu verlangenlO. Das Landmandat schrieb einen Mindeststreitwert von zehn Gulden als Appella- tionsvoraussetzung vorli.

1 Jus Statutarium S. 701. Lidlohn war das Arbeitsentgelt der Dienstboten (Müller, Landsatzung und Landmandat S. 336). 2 Jus Statutarium S. 702. 3 Jus Statutarium S. 703. 4 Jus Statutarium S. 822; einige 0 kannten diese Regelung. 5 Jus Statutarium S. 823f.; vgl. Müller, Offnungen S. 9Of. 6 Jus Statutarium S. 823; vgl. auch unten 4.2 S. 128f. 7 Jus Statutarium S. 824; nämlich in den 0 von Gossau, Oberdorf, Andwil und Gebhardschwil. 8 Jus Statutarium S. 827. 9 Müller,Offnungen S. 83f. und Müller, Landsatzung und Landmandat S. 286f. 10 Jus Statutarium S. 738 u. 827; A 16 Ls, Edition, S. 39. Jus Statutarium S. 753: Die Frist von 10 Tagen war in einigen 0 zu fmden, Pater Bemhard erwähnt die von Wängi, StAZH Dok 18/138. II Jus Statutarium S. 828; A 77 Lm in Edition, S. 143. ·120·

Den Fürsprechern war innert weiteren zehn Tagen das Honorar zu bezahlen, ansonsten fiel die Appellation dahin. Danach hatten diese 14 Tage Zeit, die Rechtsschriften einzureichen1.

3.3 Das Verfahren der Appellation Wenn ein Appellant die Appellation zurückzog, während das Gericht noch tagte, musste er die gleiche Busse bezahlen, die jede Partei erbringen musste, die erfolglos die Appellation anbegehrte, nämlich zehn Batzen. Wer die Appellation nach Einschreibung in der Kanzlei oder Ankündigung des neuen Gerichtstermins zurückzog, bezahlte 25 Batzen Busse. Jene Partei, welche die Appellationsverhandlung grundlos verpasste, verlor die Berufung; das Urteil der er· sten Instanz blieb in Kraft2• Der Spruch zu Rapperswil von 1525 griff auch in das Appellationsverfahren des Stiftes ein. Art. 1 bestätigte die Einführung eines oberen Gerichtes, das für alle Zivil- und Kriminalfälle, aber auch für alle "gravamina subditorum", d.h. für alle Arten von Beschwerden der Unterta- nen, zuständig war. Gleichzeitig bestätigte er, dass jeder Fall zuerst vor Gericht, wie von al- tersher, verhandelt werden müsste, bevor der Abt Zwangsmassnahmen anordnen konnte. Den Beklagten wurden im selben Artikel bestimmte Rechte zugesichert, vor allem eine seriöse Un- tersuchung3. Art. 10 regelte die Fristen des Strafverfahrens4.

3.4 Weitere Nonnen zur Appellation Von den einzelörtlichen Regelungen zur Appellation, die normalerweise in den Offnungen5 enthalten waren, führt Pater Bernhard Hannes die nachfolgenden an: Aus den Gerichten Muolen, Mörschwil und Rorschach war die Appellation, ausser" ... in frej1inen und buossen", immer gestattet6• In Rorschach änderte sich durch den Vertrag von 1755 die Appellationsordnung folgendermassen7: Wenn ein Appellant vor der Berufungsinstanz Recht erhielt, konnte er für seine Kosten Rückgriffsansprüche an die erste Instanz stellen. Aus dem Gericht Steinach ging die Appellation an das Hofgericht oder an den Statthalter in Rorschach8• In Zuckenriedt und Andwil konnte jeder Fall appelliert werden9• In Andwil hatte die unterliegende Partei zudem die andere voll umfänglich zu entschädigenlO• Aus gewissen Gerichten konnten Urteile bez. falscher Masse an das äbtische Obergericht appelliert werdenlI.

4. Gerichtsgebühren und -polizei 4.1 Gerichtsgebühren In einigen Gerichten hatte man eine Gebühr zu bezahlen, bevor das Gericht seine Arbeit auf- nahm und der eigene Anwalt die Sache vortragen konnte. In Goldach erhielt ein obsiegender Kläger diese Gebühr wieder zurück, in Rorschach dagegen mussten Kläger und Beklagter sie

1 Jus Stalutarium S. 827; A 18 und 19 Ls aaO. S. 39f. 2 Jus Statutarium S. 828 u. 829; A 16 Ls von 1594/1630 aaO. S. 39. 3 Jus Statutarium S. 18; aaO. S. 16lff. Algegen das Oberamt und S. 230 A 2 gegen das Unteramt; vgl. auch vorne § 7 C) 1.2.3 S. 35f. 4 Jus Stalutarium S. 18f.; aaO. S. 177f. A 10. 5 Müller, Offnungen S. 128: Die Offnungen unterschieden kaum zwischen Zug und Appellation. Jus Statutarium S. 830; z.B. in 0 von Mörschwil, Rq I, S. 189 A 58. 7 Jus Statutarium S. 829; A 6 von 1755 siehe Rq I, S. 65. 8 Jus Statutarium S. 830; 0 von Steinach siehe Rq I, S. 165 A 35. 9 Jus Stalutarium S. 830; ebenso in den 0 von Thurstuden, HelfenschwiI, NiederbUren und RossrOti, wo aber nichts von der Kostentragung stand. Weitere erwähnte Offnungen: Dozwil und Wllngi, vgl. Jus Statutarium S.830. 10 Jus Statutarium S. 830 Z. 15: Rq I, S. 415 A 24: wer die Appellation verlor, musste der anderen Partei ,,allen costen und schaden" ersetzen. 11 Jus Statutarium S. 674 mitte. -121 - bezahleni. Der Ammann und die Richter hatten zusätzlich Anspruch auf eine Entschädigung von einem Pfd. Pfg.2. Für die Gebühren bei Urkundenausstellungen verwies Pater Bernhard Hannes auf die Seiten 6(J7 bis 726 seines Jus Statutarium, für die Gebühren bei sog. gekauften Gerichten auf Art. 76 des Landmandates. Für Gewaltsbriefe betrug die Gebühr gemäss Offnungen sechs Schilling3• Bei Klagen über Lohn- und Darlehensforderungen schuldeten Kläger und Beklagter dem Abt und dem Gericht eine Gebühr, lediglich die Offnung von Goldach sah eine Ausnahme v0r4.

4.2 Gerichtspolizei Wer leichtsinnig klagte und verlor, musste eine Busse bezahlen. Wer ein Verfahren anhob, aber seinen behaupteten Anspruch nicht durchsetzen konnte, wurde gebüsst5• Wer wegen der Nichtbezahlung von Löhnen eingeklagt wurde und sie dann bezahlen musste, wurde auch noch zu einer Busse verurteilt6. Gemäss den Offnungen wurde ungebührliches Benehmen vor Gericht mit der doppelten Busse bestraft; auch freches, vorlautes Reden wurde geahndet7• In Andwil war auch strafbar, den Richtern vorzuwerfen, sie hätten nicht richtig entschiedenB. Wer jemanden wegen ,Res ju- dicata' zur Rede stellte, wurde in der Offnung von Steinach mit drei Pfd Pfg. bestraft9• Vergehen beim Abstimmen im Gericht wurden aufgrund der Offnungen bestraft, so war be- sonders verboten, für beide Parteien abzustimmenlO•

5. Zeugen und Anwälte 5.1 Zeugen Die Zeugenentschädigung wurde in Art. 17 der Landsatzung festgelegt: Zeugen sollten keine grössere Entschädigung erhalten als für Speise und Lohn, ausser der Richter billige ihnen mehr zu; eine Partei, die mehr gab, wurde mit fünf Pfd. Pfg. gebüsstll. Für Zuzwil entschieden die 4 Schirmorte 1517, dass das Zeugnis des Vogtes bei Mandats- verletzungen, Friedbrüchen und Untaten gleich gelte wie das des Weibels, nämlich für sieben Männer12•

5.2 Die Anwälte Ueber die Anwaltstätigkeit finden sich im Jus Statutarium kaum Hinweise. Die Parteien, die sich durch einen Anwalt vertreten liessen, mussten diesen reden lassen, sonst wurden sie mit einer Busse belegtl3•

1 Jus Statutarium S. 819. 2 Jus Statutarium S. 821. 3 Jus Statutarium S. 821. 4 Jus Statutarium S.700; vgl. auch MOUer, Offnungen S. 9Of. S Jus Statutarium S. 74lf. u. 744; z.B. bei Ansprache von liegendem Gut, bei Klagen wegen Grenzen, wer ei- nen selber verlangten Eid nicht erbrachte; vgl. dazu auch MüUer, Offnungen S. 89-91. Die 0 von Ricken- bach ist diesbezüglich noch gesonden angeführt, vgl. Jus Statutarium S. 751, Offnungstext in StiASG Bd. 1032 S. 149. 6 Jus Statutarium S. 741; Müller, Offnungen S. 90. 7 Jus Statutarium S. 819; Müller, Offnungen S. 89. B Jus Statutarium S. 820: H'" non recte judicarint ...... 9 Jus Statutarium S. 744; Müller, Offnungen S. 90; Rq I, S. 168 A 56. 10 Jus Statutarium S. 82Of; einige 0 als Beispiele erwähnt 11 Jus Statutarium S. 816; in der Edition ist es A 19 FN 42 in fine der Ls 1594/1630 auf S. 40; Vgl. auch Müller, Landsatzung und Landmandat S. 286. 12 Jus Statutarium S. 816; Rq I, S. 495. 13 Jus Statutarium S. 818. ·122·

Die Offnungen regelten auch die Anzahl der Reden und Widerreden im Gerichtsverfahren. Nonnalerweise waren es dreil .

F) Die Holz- und Waldordnungen "Es sei wohl in jedennanns Interesse, dass die Wälder in einem guten Zustand erhalten blie- ben". So leitete Bernhard Hannes seine Ausführungen über die Wald- und Holznutzung im Klosterstaate ein2• Die seit dem Mittelalter oft übernutzten Wälder erfreuten sich einer steten obrigkeitlichen Fürsorge, die sich in einer grossen Anzahl von Erlassen ausdrückte3. Anfäng- lich ergingen diese Nonnen in den Offnungen, später wurden sie ins Landmandat und in die Spezialmandate aufgenommen, wie sich das in der Darstellung von Pater Bernhard zeigt4.

I. Die Regeln für die ganze Stiftslandschaft 1.1 Die Vorschriften im Landmandat Das Landmandat verbot in Art. 39, ohne obrigkeitliche Erlaubnis Holz zu schlagen oder dies übennässig zu tun; wer keine eigenen Hölzer besass, durfte keinen Handel mit Holz treiben (Holz auf Für- und Wiederkauf kaufen). Zudem durften nicht mehr als 5 Stumpen Bauholz aus der Alten Landschaft heraus verkauft und junge Tannen nicht für Zäune und dergleichen ver- wendet werdenS. Art. 40 verbot, bei Nacht "Rüthenen" abzubrennen6• Das Landmandat stellte schwere Waldschädigungen nicht mehr unter bürgerliche, sondern unter Diebstahlsstrafe; dies ungeachtet des Ausgangs der zivilrechtlichen Einigung zwischen Schädiger und Schadensstifter, die vom Strafverfahren getrennt war7• Jedennann war gehalten, Holzfrevel der Obrigkeit zu denunzieren: Wer Delikte nicht anzeig- te, wurde gleich wie der Täter bestraft. Ein Monasteriale, der in Wäldern der Stadt Holz frevel- te, durfte sich nicht den Gerichten der Stadt St. Gallen stellen, sondern wurde von den äbti- schen Behörden abgeurteilt8• Der letzte Artikel des Landmandates hielt nochmals zur Beachtung der Art. 39 bis 42 an und verbot erneut, Holz ohne obrigkeitliche Bewilligung nach auswärts zu verkaufen, ohne es vorher Landsleuten angeboten zu haben9• Der gleiche Artikel schrieb vor, dass für ehrschätzige Hölzer nicht nur die Vorschriften bez. der Wald- und Holznutzung gelten würden, sondern auch die Regeln für die ehrschätzigen Güter überhaupt1o.

1.2 Das Mandat vom 20. Dezember 1763 Dieses ausführliche Mandatll wird von Pater Bernhard Hannes teilweise wiedergegeben. Es enthielt ein beinahe vollständiges Verbot, Holz nach auswärts zu verkaufen. Auch der Heu-,

Jus Statutarium S. 819. 2 Jus Statutarium S. 338. VgI. zum ganzen Problemkreis: Müller, Landsatzung und Landmandal S. 27lf.; Literatur siehe S. 271 FN 124. 4 Vgl. auch MUlIer, Offnungen S. 93f. Jus Statutarium S. 338. "Stumpen" waren kurze Baumstämme (Müller, Landsatzung und Landmandat S. 338). 6 Jus Statutarium S. 339 u. 679; bei den feuerpolizeilichen Vorschriften erneut aufgeführt (vgl. unten S. 128). ,,RUthenen" meinte roden und urbar machen durch Abbrennen (Idiotikon, Bd. 6 Sp. 1807). 7 Jus Statutarium S. 340; A 41 Lm, Edition, S. 129. 8 Jus Statutarium S. 338 u. 340; A 39 und 42 Lm aaO. S. 128 bzw. 129. 9 Jus Statutarium S. 341 u. 596; A 84 Lm aaO. S. 145f. 10 Jus Statutarium S. 343. 11 Jus Statutarium S. 341-343,596 u. 615; Original siehe StiASG Rubr. 42 Fasz. 10, Nr. 79; Müller, Land· satzung und Landrnandat S. 201 und 271. Pater Bernhard erwähnt ältere Mandate von 1724 und 1732; weitere Mandate, die Walter MUller anführt, werden nicht erwähnt: M vom 21. Nov. 1697 (StiASG Rubr. 42 Fasz. 10 Nr. 27), das die Verlesung der Ls erwähnte (Müller, Landsatzung und Landrnandat S. 185 FN 32 u. S. 271), M von 1693 über Holzverkauf (StiASG Rubr. 42 Fasz. 10, X 46 Nr. 34 und 51, Müller, Landsatzung und Landmandat S. 200 FN 82). - 123-

Emd- und Strohverkauf nach auswärts wurde eingeschränkt'. Wenn die Obrigkeit Verkäufe zugelassen hatte, konnten die Monasterialen ein ausgedehntes Zugrecht geltend machen. Amt- leute durften nur beschränkt Ausnahmen gewähren, um den Sinn des Erlasses nicht auszuhöh- len2• In diesem Mandat wurden Arme, die auf den Holzverkauf angewiesen waren, privilegiert: Sie durften zu erleichterten Bedingungen kleinere Mengen Holz nach auswärts verkaufen3•

2. Die einzelörtlichen Regelungen 2.1 Orte mit eigener Holzordnung Für Bernhardzell wurde im Jahre 1496 eine ausführliche Holzordnung mit rund 18 Artikeln erlassen, die mit allen Einzelheiten im Jus Statutarium geschildert wird4. Die Schiedssprüche zu Rapperswil von 1525 bestätigten diese Holz- und Waldordnung5. Jedes Delikt wurde mit der Einheitsstrafe von zehn Pfd. Pfg. bestraft. Das Verkaufsverbot für Bauholz in Bernhardzell von 1704 wird von Bernhard Hannes nicht erwähnt6• Eine eigene Waldordnung erhielt Gaiserwald 1479. Auch diese wurde 1525 in Rapperswil bestätigt7. In Rotmonten, wo der Boden ohnehin im Eigentum des Klosters stand, wurde eben- falls eine Holzordnung erlassen, deren Inhalt aber Pater Bemhard nicht genauer anführt8.

2.2 Orte, in denen die Offnungen die Holz- und Waldnutzung regelte In Buwil verteilte die Gemeinde Holzanteile; Anteile, die innert zwei Monaten nicht abgeholt wurden, nahm die Gemeinde zum Weiterverkauf zurück. Seinen Holzanteil durfte man nur verkaufen, wenn man mit eigenem Holz genügend versorgt war9. Die Offnung von Andwil sah Delikte und Strafen vor, die von den anderen Offnungen etwas abwichen1o• Die Regelung aus dem Gericht Rickenbach wird sehr ausführlich beschrieben, sogar die Einsetzung und Bezahlung des Holzwächters. Für das Recht, Holz zu hauen, hatten die Einwohner dem Abt jährlich zwei Pfd. Pfg. und zwei Hühner zu geben, der "Kellerus" so- gar ein Fuder Heu". Die Offnungen führten noch weitere Delikte auf, die im Wald oder an Bäumen begangen werden konnten und auch deren Bestrafungl2; nämlich das Holzfreveln in einem anderen Ge- richtsbezirk, das Ausgraben von Bäumen, die auf Wiesen standen und das Ausstocken von Baumwurzeln mit Werkzeugen. Das Strafmass für diese Taten unterschied sich je nach Baum- art: Das Schlagen von Eichen und treibenden Bäumen wurde am härtesten geahndet.

1 Jus Statutarium S. 596: Die Offnung von Rorschach dehnte dies noch auf Mist aus. 2 Jus Statutarium S. 343. 3 Jus Statutarium S. 616. 4 Jus Statutarium S. 344-348; Druck siehe StiASG Rubr. 47 Fasz. 2. 5 Vgl. Müller, Landsatzung und Landmandat S. 174 FN 7; Rq I, 322. 6 VgI. in StiASG Bd. 1103 S. 542; Müller, Landsatzung und Landmandat S. 197 FN 71. 7 Jus Statutarium S. 349; vgI. Rq I. S. 296: Hier wird aber auf eine Holzordnung von 1479 unter Abt U1rich VIlI. Bezug genommen. Pater Bernhard schreibt wohl 1497. doch in Codex 1957 heisst es 1479. Da er die Namen der Aebte auch andernorts verwechselte. darf man wohl annehmen. dass er die Ordnung von 1479 meint. siehe diese in StAZH Dok 11/162. 8 Jus Statutarium S. 350; Pater Bemhard Hannes meint wahrscheinlich die Holzordnung für die 18 Höfe von 1526. vgI. StiASG Bd. 11 S. 289f. Im gleichen Band finden sich auf den Seiten 269-291 Urkundendrucke. die den HolzschIag in Rounonten betreffen. 9 Jus Statutarium S. 356 u. 594. 10 Jus Statutarium S. 358; auch Waldkirch kannte eine strenge Regelung der Holzverkäufe. Jus Statutarium S. 359; die Offnung von Wängi kannte auch 2 Monate Zugrechtsfrist bei Holzverkäufen. Jus Statutarium S. 362. Druck siehe StAZH Dok 18/136. 11 Jus Statutarium S. 228 u. 360; in Zuzwil musste der Waldwächter (Vorster) dem Abt 100 Eier geben. Jus Statutarium S. 355. vgl. StAZH Dok 3/257. 12 Diese sind beschrieben im Jus Statutarium S. 364-367. - 124-

2.3 Die Regelung der Waldnutzung durch Eidgenössische Schiedssprüche Für das Gericht Straubenzell erging 1502 ein Schiedspruch über die Waldnutzung, der 1525 in Rapperwil bestätigt wurdel. Die Holznutzung in Helfenschwil wurde ebenfalls 1525 im Rapperswiler Entscheid gerege1t2• Für Untereggen, dessen Waldordnung in die Kaufurkunden aufgenommen worden war, er- ging eine Bestätigung derselben durch den Schiedsspruch von RapperswiJ3. Die besondere Holzordnung für Zihlschlacht, die in einem Abschied zu Baden auch im Jahre 1525 bestätigt wurde, fand Pater Bernhard Hannes nicht4.

G) Oeffentliche Ordnung 1. Generelle Ausführungen Die Nonnen zur öffentlichen Ordnung, dem Strafrecht im weitesten Sinne, wurden im Jus Statutarium hauptsächlich in drei Abschnitten dargestellt: Die Delikte gegen Leib und Leben sind unter den Titeln "de Lege aquilia" und "de Injuriis" zu finden, fast alle restlichen Straftatbe- stände unter dem Titel "De Publicis Judiciis"5. Weitere Vergehen wie z.B. Grenzdelikte, Ver- stösse gegen Mass und Gewicht wurden gesondert dargestellt. Das Kloster kannte ursprünglich keine Freiheitsstrafen. Die Offnungen enthielten noch ein Taxationssystem, welches stark an Germanenrechte wie beispielsweise das Edictum Rothari er- innert6• Erst das Landmandat und die Einzelmandate führten die Galeerenstrafe und später z.T. auch Freiheitsstrafen ein.

2. Die einzelnen Delikte 2.1 Vergehen gegen Leib und Leben 2.1.1 Die Tötung eines Menschen7 Die Offnungen sahen als Strafe für die Tötung eines Menschen eine Busse vor, und zwar betrug sie bei einem Monasterialen 50 Pfd. Pfg., bei einem Nicht-Monasterialen 25 Pfd. Pfg. Der Täter musste sich zudem mit den Verwandten über den Schadensausgleich einigen. Gelang ihm dies nicht, kam er vor das HochgerichtS. Die Offnungen unterschieden, ob die Tötung im Frieden oder im Streit oder zufällig erfolgte.

2.1.2 Jemanden verletzen oder bedrohen Wenn jemand einen Pfeil, ein Messer oder ähnliches gegen einen anderen warf und dabei ein Schaden entstand, war dieser durch das Gericht festzustellen und neben der Busse zu beglei- chen9; wer das nächtlicherweise tat, verfiel der doppelten Busse. Wer sein Opfer verfehlte, musste nur die Busse bezahlen 10.

Jus Statutarium S. 351; Entscheid von 1502 siehe StiASG Bd. 11 S. 343f.; von 1523 Rq I, S. 279. 2 Jus Statutarium S. 352; Rq I, S. 528. 3 Jus Statutarium S. 357; Rq I, S. 137f. 4 Jus Statutarium S. 355; Weder Ordnung noch Abschied waren aufzufmden. 5 Vgl. Jus Statutarium S. 677ff. u. 833ff. 6 MfIller, Offnungen S. 101; vgl. z.B. Cap. 77ff. im EdiCblm Rothari. 7 Vgl. zum ganzen Sachbereich MfIller, Landsatzung und Landmandat S. 257 und Müller, Offnungen S. 100 bez. Totschlag. S Jus Statutarium S. 677f.; vgI. auch Müller, Offnungen S. 88 FN 282 u. S. 100. 9 Jus Statutarium S. 678 u. 686; so lauteten die Offnungen. lO Jus Statutarium S. 686; Müller, Landsatzung und Landmandat S. 257 u. Müller, Offnungen S. 98. -125-

Wer einen anderen mit dem Beimesser verwundete, verfiel zweifacher Bussel • Die Offnun- gen wie auch die Landsatzung bedrohten auch jenen mit Busse, der gegen einen anderen ein Messer zog, ohne ihn dabei zu verletzen2•

2.1.3 Jemanden niederschlagen Hier ergehen sich die Offnungen in bildhafter Detailtreue. Sie unterschieden, ob jemand mit der Faust niedergeschlagen wurde und ob dabei Blut floss oder nicht. Das letztere war eilJ ei- genständiges Delikt, das z.T. mit höherer Strafe belegt war. Wenn Blut floss, sahen die einen Offnungen eine bestimmte Busse vor, andere legten die Strafe nach Schaden und Umständen fest3•

2.1.4 Nachtschachen Das Nachtschachen war auch in den Offnungen aufgeführt und mit Strafe bedroht. Unter diesem Begriff verstand man leichtere Delikte aller Art, die den Sonderfrieden der Nacht ver- letzten; aber offenbar wurde dieses Wort schon im 16. Jahrhundert nicht mehr überall verstan- den4•

2.2 Vergehen gegen das Vermögen Der Fruchtdiebstahl war ein eigenes Delikt in der Landsatzung, doch gingen die Regelungen der Offnungen vorS. Einige Gerichte bestraften das Auflesen von Holz oder Früchten auf frem- dem Boden als besonderes Deliktli. Der Gebrauch falscher Masse wurde nach den Offnungen bestraft. Die Masse hatten nach al- tem Herkommen zu sein; das wurde durch die Landsatzung bestimmt7• Die Offnungen und das Landmandat verboten in Art. 74 das Ueberpflügen der Ackergren- zen; man musste sich einen Schuh breit von der Grenze fernhalten8• Viele Offnungen bestraften auch das Versetzen von Grenzsteinen9•

2.3 Vergehen gegen Sittlichkeit und Hoffahrt 2.3.1 Sittlichkeitsdelikte Die Darstellung der Strafnormen für Sittlichkeitsdelikte erfolgt auf den Seiten 843ff. im Jus Statutarium. Die angeführten Tatbestände wurden aus dem Landmandat übernommenlO• Die Notzucht als eigenes Delikt fehlte in den Offnungen, da es ein Delikt des Hochgerichts war, die Offnungen aber nur für Niedergerichte erlassen wurdenll. Den sogenannten "Uchtstubeten" oder "Chorea" waren zwei Artikel des Landmandates ge- widmet. Zum einen waren Tanz und Spiel sowie nächtliche Zusammenkünfte, eben "Lichtstu-

1 Jus Statutarium S. 839f.; A 31 Ls (in der Edition. S. 42 ist es A 34 von 1594/1630). vgI. auch Müller. Landsatzung und Landmandat S. 257f. 2 Jus Statutarium S. 685; A 32 Ls (in der Edition. S. 42 ist es A 33 von 1594/1630): Das sog. scherzweise Ziehen von Messern gegeneinander. 3 Jus Statutarium S. 682f. 4 Jus Statutarium S. 679; MOller. Offnungen S. 97f.• der mehrere Offnungen erwähnt, die von diesem Begriff einen falschen Gebrauch machten. 5 Jus Statutarium S. 670; A 26 Ls (in der Edition. S. 25f. ist es A 27 von 1525). 6 Jus Statutarium S. 672f; nämlich Buwil. Andwil. Steinach und Zuzwil. vgl. auch Müller. Landsatzung und Landmandat S. 258 und MÜller. Offnungen S. 92f. 7 Jus Statutarium S. 674; A 6 Ls (in der Edition. S. 21 ist es A 7 von 1525). vgl. Müller. Landsatzung und Landmandat S. 274 und MOller. Offnungen S. 94. Die Massnahmen der Abtei gegen schlechtes Geld werden im Jus Statutarium völlig übergangen. vgl. MÜller. Landsatzung und Landmandat S. 275. 8 Jus Statutarium S. 670f.; MÜller. Landsatzung und Landmandat S. 270. 9 Jus Statutarium S. 671; MÜller. Offnungen S. 88 FN 280. 10 Jus Statutarium S. 843-45; vgl. die ArL 15-18, 25 und 26 des Lm. Edition. S. U8ff. Es sei daher auf die Ausfllhrungen von Walter Müller. Landsatzung und Landmandat S. 265ff. verwiesen. 11 MOller. Offnungen S. 99f. -126 - beten", ohne Bewilligung verboten; Hausväter, die dagegen verstiessen, verfielen doppelter StrafeI. Zum anderen durften sich Knaben und Mädchen an Lichtstubeten nicht zusammenset- zen und mussten sich anständig benehmen.

2.3.2 Kleidervorschriften Das Landmandat verbot, ohne Rock und Mantel in die Kirche, zu Hochzeiten oder anderen Anlässen zu gehen2• Diese knappe Darstellung bei Pater Bernhard Hannes erstaunt doch an- gesichts der ausführlichen Mandate, die gegen die Hoffahrt erlassen wurden. Lässt diese Aus- lassung, da auch die Artikel über die Religion und das Zutrinken aus dem Landmandat3 fehlen, den Schluss zu, dass das Jus Statutarium eine politische Dimension aufweist?

2.4 Vergehen gegen Ruhe und Ordnung 2.4.1 Friedbieten4 Jeder Einwohner hatte die Pflicht, Frieden zu bietens. Der Ammann war zur Trennung Strei- tendex: kraft seines Amtes besonders verpflichtet Alle Einwohner waren gehalten, Streitende bei Abwesenheit ihrer Amtleute zu trennen. Ein Streitender wurde zuerst bei Busse, dann bei sei- nem Eid und zuletzt beim Eid der Umstehenden zur Trennung aufgefordert. Wer nicht half, Frieden zu bieten, oder den Ammann daran hinderte6, wurde ebenfalls bestraft. Wer beim Friedbieten, wozu er verpflichtet war, von den Streitenden verletzt wurde, konnte von diesen Ersatz des Schadens und der Kosten verlangen; der Täter verfiel doppelter Busse7. In einigen Orten musste von einem Friedbrecher sofort Sicherheit für die Busse geleistet werden, andernfalls wurde er dem Abt überantwortet. Die angeführten Vorschriften stammen alle aus den Offnungen und lauten ähnlich. Die Landsatzung schrieb nochmals das gleiche vor. Pater Bernhard Hannes verweist auf die Art. 19 bis 22, die er wortgetreu ins Latein übertrug8. Bei Mittäterschaft sah die Offnung von Rikken- bach folgendes vor: Wenn zwei frevelten, zahlte jener beide Bussen, der als erster begonnen hatte, falls sich das "mit Rechte" feststellen liess9• Seine Ausführungen zu diesem Abschnitt schliesst Pater Bernhard mit der Feststellung, dass die Landsatzung durch die Offnungen der einzelnen Gerichte bestätigt würde. Die Offnungen sahen für diese Vergehen z.T. bestimmte Strafen vor10. Auf derselben Seite umschreibt er den Begriff des Hochgerichtes, mit dem eher die Institution des obersten Gerichtes gemeint sei als der Ort, wo es tagte und Recht sprach 11.

1 Jus Statutarium S. 844f.; A 25 u. 26 Ls in Edition, S.122; vgl. Müller, Landsatzung und Landrnandat S. 263; die 0 von Wängi (StAZH Dok 18/136) ennöglichte auch ein Verbot solcher Veranstaltungen (Jus Statutarium S. 845f.). Walter Müller meint, diese Verbote seien kaum durchsetzbar gewesen. 2 Jus Statutarium S. 693; A 30 Ls (Es ist aber A 31 Ls 1525, in der Edition, S. 26 u. A 28 Lm, aaO. S. 124.); siehe Müller, Landsatzung und Landrnandat S. 264f. 3 Vgl. Müller, Landsatzung und Landrnandat S. 255. 4 Jus Statutarium S. 834ff.; vgl. zum Problemkreis des Friedbietens: Müller, Offnungen S. 95 und MüHer, Landsatzung und Landrnandat S. 256f. 5 In einigen 0 hiess es explizit, dass aUe herbeieilen mUssten, um beim Friedbieten zu helfen. 6 Das stand in der 0 von Zuckenriedt, vgl. StAZH Dok 5/45. 7 Jus Statutarium S. 679 u. 836 Ziff. 5; A 20 (in der Edition, S. 40 ist es aber A 22 der Ls von 1594/1630, vgl. auch Müller, Landsatzung und Landmandat S. 256f. 8 Jus Statutarium S. 836f.; es sind aber tatsächlich die A 21-24 der Ls von 1594/1630, siehe Edition, S. 40f. Für die Kommentierung der erwähnten Artikel sei auf Müller, Landsatzung und Landrnandat S. 256 ver- wiesen. 9 Jus Statutarium S. 822; Müller, Offnungen S. 102 FN 354, vgl. StAZH Dok 15/80. 10 Jus Statutariun, S. 837f.; vgl. z.B. 0 von Muolen Rq I, S. 267 A 22, Tablat in Rq I, S. 213 A 14. 11 Jus Statutarium S. 837 in fine. -127 -

2.4.2 Aufruhren In Rapperswil verboten 1525 die Schinnorte jeden Aufruhr, Tumult, Zulauf oder Störerei bei Hochzeiten, Kirchweihen und dergleicheni. Die Amtleute mussten dieses Verbot vorgängig verkünden. Dies wurde 1527 zu WH von den Schinnorten, ausgenommen Zürich, bestätigt. Es wurde auch untersagt, eine Strafbefreiung unter dem Vorwand, man habe die Verkündigung nicht gehört, zuzulassen2•

2.5 Vergehen gegen die Rechtspflege Wenn ein Monasteriale einen anderen tödlich verwundete, so musste jedermann helfen, den Uebeltäter der Obrigkeit auszuliefern. Alle Bewohner der Alten Landschaft waren bei ihrem Eid gehalten, jeden Verdächtigen der Obrigkeit zu melden oder zu ergreifen; auf keinen Fall durften sie ihn warnen, damit er fliehen konnte3• Die Offnung von Tablat verpflichtete den Ammann, jeden vor Gericht zu bringen, der sich weigerte, Sicherheit zu geloben, bzw. "sicher sagen "4. Den Meineid bestraften die Offnungen5• Wer zu einer rechtskräftigen Busse verurteilt worden war, hatte diese innert einem Monat zu bezahlen; fUr arme Täter, die eine Familie zu versorgen hatten, bestand eine Sonderregelung6• Wer eine Busse nicht bezahlte, konnte bis zur Bezahlung in Haft genommen werden. Land- mandat und Landsatzung forderten auch die fristgerechte Bezahlung von Bussen7.

2.6 Ehrverletzungsdelikte Wer einen Mann mit Worten beleidigte oder herausforderte, wurde normalerweise mit 18 Pfd. Pfg. bestraft; das gleiche Vergehen gegen eine Frau wurde nur mit neun Pfd. Pfg geahn- det. In der Offnung von Rickenbach war die Misshandlung von äbtischen Amtleuten unmittel- bar nach diesem Artikel erwähnt8• Wer jemanden vor dem Haus mit Worten provozierte, wurde mit einer Busse gemäss Off- nung belegt; die gleiche Strafe sahen die Offnungen auch fUr Täter vor, die jemanden dreist bis in dessen Haus hinein verfolgten9• Gemäss der Offnung von Tablat wurden Ehrverletzungen, sogenannte" laesio Jumoris", nach der Schwere des Vergehens bestraft, in Sommeri dagegen einheitlich mit fUnf Pfd. Pfg. Bus- selO•

Jus Statutarium S. 833; vgl. Edition, S. 237 A 14 für das Unteramt, für das Oberamt fehlt ein solcher Artikel; vgl. auch Müller, Landsatzung und Landmandat S. 255 bes. FN 63; Die 0 von Zuckenriedt enthielt dieses Verbot auch, siehe Rq I, S. 544 A 45. 2 Jus Statutarium S. 834; A 3 Ls (in der Edition, S. 36 ist es A 4 der Ls von 1594/1630), vgI. auch Müller, Landsatzung und Landmandat S. 255; Abschied vom 25. Mai 1527 in Edition, S. 249f. 3 Jus Statutarium S. 839; A 2 bzw. 11 der Ls von 1594/1630 Müller, Landsatzung und Landmandat S. 259f.; die 0 von Wängi schrieb dies auch vor, vgl. Jus Statutarium S. 840 und StAZH Dok 18/138, wo vom Warnen aber nichts stehL 4 Jus Statutarium S. 840; Rq I, S. 222 A 87. 5 Jus Statutarium S.841; Müller, Offnungen S. 89. 6 Jus Statutarium S. 705; Müller, Offnungen S. 102 FN 352-354; Müller, Landsatzung und Landrnandat S. 259. 7 Jus Statutarium S. 705; Pater Bernhard schreibt von A 37 Ls (Inhaltlich passt aber nur A 43 der Ls von 1525, Edition, S. 29) und A 38 Lm, welcher mit der Edition, S. 128 übereinstimmt. Einige Offnungen kannten keine solche Regelung. 8 Jus Statutarium S. 681; es gab daneben auch Offnungen, die andere Bussensätze kannten. Für die 0 von Rickenbach vgI. StiASG LA 99 S. 219. 9 Jus Statutarium S. 687; Müller, Offnungen S. 96f. 10 Jus Statutarium S. 688; vgI. 0 von Tablat in Rq I, S. 221 A 81: ..... gestrafft werden nach des gerichtz erkanttnuss ..... ; 0 von Sommeri in StAZH Dok 5/121. ·128·

Wer sich als unschuldig rühmte, aber dennoch überführt werden konnte, wurde gebüsst1• Dies galt IUr jeden, der einen anderen Iälschlich beschuldigte, ihn aber nicht übenuhren konnte; zudem musste er den fälschlicherweise Beschuldigten entschädigen2•

2.7 Feuerpolizeiliche Vorschriften3 Die Landsatzung verbot, offenes Feuer herumzuttagen4• Die Organisation der Feuerwache in Rickenbach5 wird von Pater Bemhard angeflihrt. Auch hier war vorgeschrieben, wie man Feuer herumtragen und wie man im Haus dörren durfte6. Die Offnung von Wängi verbot aus- drücklich gefährliches Feuem in Oefen und Herden 7. In dieses Sachgebiet gehört auch das Verbot, Märzen-Funken anzuzünden8. Weitere Ver- bote, die auch anderes Fasnachtstreiben einschlossen, wurden mit einer grösseren Anzahl von SpeziaImandaten verfugt9.

H) Das Erbrecht 1. Aufbau der Darstellung Das Erbrecht wurde im Jus Statutarium in zwei Teilen behandelt. Zum einen verfasste Bem- hard Hannes auf den Seiten 554ff. einen Abschnitt mit dem Titel "De Testamentis", in welchem er nur die Testierfreiheit, die Formvorschriften flir Testamente sowie einige Punkte aus dem Wiler Vergleich von 1733, das Erbrecht betreffend, beschrieb. Im übrigen verwies er auf die Abhandlung von Pater Iso Walser, die sich am Schluss des Jus Statutarium auf den Seiten 848ff. findet. Diese Abhandlung wurde 1755 abgefasstlO• Sie behandelt das 1633 von Abt Pius erlassene Erbrecht, die Neuredaktion von Art. 27 aus dem Jahre 1646 und die Gesamterneuerung von 1680 durch Abt Gallus. Auf dem Einleitungsblatt steht, mit dieser Arbeit werde angestrebt, einen praktischen und leichten (commodo etfacilitate) Zugang zum Erbrecht des Klosters zu er- möglichen 11.

2. Die Normen des stiftsanktgallischen Erbrechts 2.1 Allgemeine Bestimmungen Die Art. 1 und 2 des Erbrechts definierten in langen Aufzählungen ohne jegliche Abstraktion die Immobilien und Mobilien12. Pater Bemhard erwähnte diese Definitionen schon früher, im Abschnitt über Kauf und Verkauf, weil sie auch in anderen Rechtsverhältnissen, nicht nur im

Jus Statutarium S. 743; Müller, Offnungen S. 90. 2 Jus Statutarium S. 743f.; Müller, Offnungen S. 89f. 3 Vgl. Müller, Landsatzung und Landmandat S. 26lf. 4 Jus Statutarium S. 679 u. 690; A 18 Ls; nach der Edition muss es A 20 der Ls von 1594/1630 aaO. S. 40 sein. V gl. vorne § 7 D) 11. 1.2.2.4 S. 62: Rickenbach, dessen 0 ja stadtrechtIich beeinflusst war. 6 Jus Statutarium S. 691; vgl. Engensperger, S. 71 fiIr Feuerordnungen der einzelnen Gemeinden. 7 Jus Statutarium S. 692; 0 siehe StAZH Dok 18/139; vgl. auch das M vom 23. September 1650 in StiASG Rubr. 42 Fasz. 10 und Müller, Landsatzung und Landmandat S. 262 FN 89. 8 Jus Statutarium S. 690; A 71 Lm, Edition S. 141. 9 Vgl. Müller, Landsatzung und Landmandat S. 264 FN 99. 10 Jus Statutarium S. 848; nach dem Titelblatt zu schliessen. Die Abhandlung von Pater Iso ist derart ausführ- lich, dass sich eine eigene Untersuchung rechtfertigen wUrde, dies umso mehr, als das Erbrecht des Stiftes noch nie umfassend besrbeitet wurde. Da eine solche Aufgabe den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen würde, erfolgt nur eine Darstellung in den Grundzügen. 11 Jus Statutarium S. 848; vgl. zum Aufbau des stiftsanklgallischen Erbrechts auch Müller, Landsatzung und Landmandal S. 269f. Das Erbrecht von 1633 siehe StiASG Rubr. 13 Fasz. 22. 12 Jus Statutarium S. 854f. -129-

Erbrecht, galteni. Die Offnung von Steinach, die dem Erbrecht vorging, zählte ungemauerte Häuser zu den Mobilien, in Tablat dagegen waren "Törggel, Ho/stätt und Ewige Gülten" Im- mobilienz. Ein Ausländer konnte in der Alten Landschaft und im Toggenburg nur erben, wenn er von seiner Obrigkeit bestätigte Urkunden beibrachte, dass dort, wo er herkam, Klosterleute eben- falls erben konnten, wenn ihnen ein Erbe zufiel. Nur dann wurde er unter Vorbehalt der Zug- rechte als Erbe zugelassen3. Erbrechtsfälle, die von den Statutarrechten nicht geregelt wurden, mussten nach "jus com- mune scriptum, et aequitate" entschieden werden; auch hier galt das Jus Commune subsidiäJ4. Ehe- und Mitgiftsverträge, sog. "heuraths contract", die Neuverheiratete frei abschliessen konnten, gingen dem Statutarrecht vor: "Bedingt Recht, bricht Landrecht"s. Das Erbrecht schränkte bestehende Vorrechte des Klosters und der Untertanen nicht ein6• Wenn Lehen zu vererben waren, mussten diese gemäss den lehensrechtlichen Bestimmungen vererbt werden, was Art. 42 des Erbrechts vorsah7•

2.2 Das Verfahren Bevor die Teilung vorgenommen werden konnte, mussten die Schulden beglichen werden. Die Erben hatten Schulden, die von Immobilien her stammten, mit zu übemehmen8• Danach waren die Legate auszurichten, und erst dann konnte die Erbschaft angetreten werden9• Wer seine Erbsache nur zur Nutzniessung erhielt, musste sie in einem guten Zustand halten und ermöglichen, dass sie der legitime Erbe an sich ziehen konntelO. Objekte, an denen der Erblasser nur die Nutzniessung gehabt hatte, fielen mit dessen Tod wieder an den Eigentümer bzw. dessen Erben zurück; dies trat auch ein, wenn die Nutznies- sung durch Tod beendet oder sonstwie verwirkt wurdell.

2.3 Die Erbfolge nach Testament Die Gotteshausleute kannten seit 1451 eine allgemeine Testierfreiheit, die ihnen Abt Kaspar 1451 vor dem Abschluss des Burg- und Landrechts mit den vier Orten verliehen hatte. Sie wurde im Erbrecht von Abt Pius 1633 ausdrücklich bestätigtlZ. Für die Abfassung der Testamente bestanden strenge Formvorschriften: Die Testamente mussten vor sogenannten "ojfnen Rechten" im Beisein der nächsten Intestaterben errichtet und dem Pfalzrat zur Genehmigung vorgelegt werdenl3. Die Praxis sei aber flexibler gewesen, schrieb Bernhard Hannes, da die Genehmigung im Normalfall ohne Rücksicht auf die Rechte Dritter erfolgtel4. Auch das mündliche Nottestament war bekannt und genauestens geregeltlS.

1 Jus Statutarium S. 59Off., bes. S. 595: sie galten " ... in Erbfilllen und sonsten", A 1 des Erbrechts. Wenn im folgenden vom ,,EJbrechl" gesprochen wird, so isl immer auf die Druckausgabe von 1739 in der StiBSG (Sig. R rechts vm 1) Bezug genommen. Z Jus Stalutarium S. 595; 0 von Steinach siehe Rq I, S. 165 A 31; für Tablal siehe Rq I, S. 242: Die Ord- nung belreffend den Verkauf liegender Gürer vom 22. Febr. 1620. 3 Jus StalUtarium S. 852; A 41 des Erbrechts. 4 Jus Stalutarium S. 851; A 39 des Erbrechts, wo es hiess: ..... den ordenlichen geschribnen Rechten ...... S Jus Stalutarium S. 851; A 38 des Erbrechts. 6 Jus Statutarium S. 851; A 43 des Erbrechts. 7 Jus Statutarium S. 852 u. 640f.; vgl. vorne § 10 C) 1.2 S. 110. 8 Jus StalUtarium S. 853; A 33 des Erbrechts. 9 Jus Statutarium S. 853; A 34 des Erbrechts. 10 Jus StalUtarium S. 853f.; A 35 des Erbrechts. 11 Jus StalUtarium S. 854; A 36 u. 37 des Erbrechts. 12 Vgl. Jus StalUtarium S. 554 u. 850. 13 Jus S18lUtarium S. 554 u. 850; A 40 des Erbrechts und A 81 Lm, Edition S. 144. 14 Jus Statutarium S. 555. IS Jus StalUtarium S. 850 u. 556; A 40 des Erbrechts. -130 -

Wenn der Wille des Testierenden klar war, konnte die Obrigkeit sogar ein nicht fonnrichtiges Testament genehmigen, besonders bez. Legaten und Vergabungen!. Einschränkungen erfuhr die Verfligungsfreiheit über das Vennögen durch Art. 79 des Land- mandates. Dort war nämlich bestimmt worden, dass die Verwandten überlebende Kinder, s0- fern sie bedürftig waren, zu unterstützen hatten. Die Verwandten waren auch vetpflichtet, ver- schwenderische Leute der Obrigkeit zu melden, damit diese Vorsorge treffen und solche Perso- nen bevogten konnte, ehe sie ihr Vennögen vertan hatten und völlig mittellos waren2•

2.4 Die Intestaterbfolge Die Intestaterbfolge war im Klosterstaat auf Klassen aufgebaut. Pater Iso stellt die fünf Klassen in seiner Abhandlung ausführlich dar. Die Erbrechte der Landesabwesenden führt er auf S. 870ff. als eine eigene 6. Klasse ein. Es galt folgende Klasseneinteilung: 1. Klasse: Die Deszendenten 2. Klasse: Die Aszendenten und gleichzeitige Nebenlinien 3. Klasse: wenn nur Nebenlinien vorhanden sind 4. Klasse: Die Ehegatten 5. Klasse: Der Staat (6. Klasse: Das Erbrecht der Landesabwesenden)

2.4.1 Die Klasse der Deszendenten Die Nachkommen, Kinder und Kindeskinder des Erblassers, erbten allein. Die ehelichen Kinder erbten die Eigengüter des verstorbenen Elternteils nach Köpfen, der überlebende andere Elternteil hatte kein Erbrecht daran3• Die Söhne hatten vor der Gattin und den Töchtern ein Wahlrecht, den "Mannsvorrheil"4. Die überlebende Ehegattin "erbte" nach dem Tode des Mannes vor allen anderen Erben ihr eingebrachtes Gut, die Morgengabe, ihre Bettstatt mit Kleidern und den Schmuck. Diese Vor- schrift, obschon im Erbrecht enthalten, war keine erbrechtliche, sondern, um in heutiger Terminologie zu sprechen, eine Regel für die güterrechtliche Auseinandersetzung, die damals nur beim Tod eines Ehegatten stattfand5• Der überlebende Ehegatte erbte einen Kindsteil zu Eigentum, was Abt Gallus in der Erb- rechtsergänzung vom 27. Jan. 1680 festgesetzt hatte6• Die Rechte des überlebenden Ehepart- ners gegenüber den Kindern hingen weiters davon ab, ob er oder sie Witwe(r) blieb und die Kinder gut erzog oder wieder heiratete; im ersten Fall konnte er alle Güter in seinem Besitz be- halten, im andern Fall, oder wenn er verschwenderisch war, wurde die Teilung nach den Arti- keln des Erbrechts vorgenommen7. Wenn ein Grosselternteil Erblasser war, hatten die Enkel und Urenkel ein Eintrittsrecht und erbten nach Stämmen. Der überlebende Grosselternteil erbte einen Kindsteil, d.h. er zählte auch als Stamm. Bei dessen Tod erbten die Enkel und Urenkel auch wieder nach Stämmen. Dies war das einzige materielle Erbrecht in Landsatzung und Landmandat. Es war seit 1514 bekannt und später ins Erbrecht aufgenommen worden. Dieses Eintrittsrecht ist römisch-rechtlichen Ur- sprungs8•

! Jus Statutarium S. 850f. u. 557. 2 Jus Statutarium S. 555f.; A 79 Lm, Edition, S. 144. 3 Jus Statutarium S. 856; A 12 des Erbrechts. 4 Jus Statutarium S. 858. 5 Jus Statutarium S. 857; A 6 des Erbrechts. 6 Jus Statutarium S. 857; siehe StiASG Rubr. 13 Fasz. 25. 7 Jus Statutarium S. 857f.; A 6 des Erbrechts; der ganze Artikel ist in Deutsch angeführt 8 Jus Statutarium S. 856 u. 858f.; A 13 u. 14 des Erbrechts bzw. Ls 1525 A 42 und Ls 1594/1630 A 39, Edition S. 29 bzw. 43 sowie Müller, Landsatzung und Landmandat S. 216, S. 269 Iit. c u. S. 303f. - 131 -

Uneheliche Kinder und selbst deren eheliche Kinder beerbten den Vater nicht, ausser sie wurden durch eine nachfolgende Ehe legitimiert; es wurde ihnen nur der Lebensunterhalt billi- gerweise gewährt Dieser Art. 32 durfte nicht auf die Mutter ausgedehnt werden, weil diese von unehelichen Kindern gemäss Jus commune beerbt wurde, ausser das Kind stammte aus schändlicher Verbindung, d.h. Ehebruch oder Inzest'.

2.4.2 Die Aszendenten und gleichzeitige Nebenlinien Wenn der Erblasser weder Kinder noch Seitenverwandte hinterliess, erbten die Eltern alles. War ein Elternteil vorverstorben, erbte der andere alles, unter Ausschluss der Grosseltern. Wenn Vater und Mutter vorverstarben, erbten die beiden Grosselternstämme je die Hälfte, auch wenn auf einer Seite nur noch ein Grosselternteillebte2• Wenn der Erblasser keine Kinder, aber Seitenverwandte hinterliess, erhielten die Eltern, auch wenn nur noch ein Elternteil lebte, die eine Hälfte, die andere wurde an die Geschwister zu gleichen Teilen verteilt3• Neffen und Nichten vorverstorbener Geschwister hatten ein Eintritts- recht und erbten nach Stämmen4• Den unklaren Schluss teil von Art. 17 des Erbrechts legte Pater Iso wie folgt aus: Wenn beide Elternteile vorverstarben und nur noch die Grosseltem zusammen mit Seitenlinien überlebten, erbten die beiden grosselterlichen Linien einen Kindsteil, den sie auf die beiden Linien, un- abhängig von der Kopfzalll, verteilen mussten5.

2.4.3 Die Erbberechtigung der Nebenlinien Wenn keine ab- und aufsteigenden Verwandten vorhanden waren, erbten die ehelichen Ge- schwister nach Köpfen, deren Kinder aber nur nach Stämmen. Vollbürtige Geschwister schlossen halbbürtige Geschwister aus6• Wenn der Erblasser weder ab- noch aufsteigende Verwandte und auch keine direkten Ge- schwister hinterliess, sondern nur noch Kinder der Geschwister, erbten diese "rechte geschwi- strige Kind" nach Köpfen; vollbürtige Geschwister schlossen auch hier halbbürtige aus7• Le- bende Geschwister und/oder deren Kinder schlossen die Brüder und Schwestern des vorver- storbenen Vaters vom Erbe gänzlich aus8• Waren nur Stiefgeschwister, d.h. keine gemeinsamen Kinder, Erben, so erliielten diese von ihrem richtigen Elternteil das eingebrachte Gut, Morgengabe etc. Das in der Ehe erwirtschaftete Gut wurde nach Köpfen geteilt9. Wenn der Erblasser nur Halbgeschwister hinterliess, erbten diese nach Köpfen, unabhängig davon, woher das Erbgut des Erblassers stammte. Die Kinder vorverstorbener Halbgeschwister erbten nichts, solange noch Halbgeschwister lebten; waren dagegen nur Kinder der Halbge- schwister als Erben vorhanden, erbten sie nach Köpfen. Kindeskinder von Halbgeschwistern erbten aber wieder nur nach Stämmen10• Dieser Art. 24 barg ein Problem: Wie war die Erbberechtigung, wenn nur Halbbrüder, gleichzeitig aber von einem vorverstorbenen Halbbruder Kinder als die einzigen Erben in Frage karnen? Wären dann die Kinder des Halbbruders ausgeschlossen, oder erbten sie nach Stäm- men mit den Halbbrüdern, die ja nach Köpfen erbten? Dazu verfasste Hofkanzler AnIOn Schuler

, Jus Statutarium S. 859f.; A 32 des Erbrechts. 2 Jus Statutarium S. 86Of.; A 17 des Erbrechts. 3 Jus Statutarium S. 861; A 15 des Erbrechts. 4 Jus Statutarium S. 861- 862; A 15 des Erbrechts. 5 Jus Statutarium S. 861 bzw. 862; A 17 des Erbrechts, der eben unklar gewesen sein soll. 6 Jus Statutarium S. 862; A 18 u.19 des Erbrechts. 7 Jus Statutarium S. 863; A 20 des Erbrechts. 8 Jus Statutarium S. 864; A 21 u. 22 des Erbrechts. 9 Jus Statutarium S. 864; A 22 des Erbrechts. '0 Jus Statutarium S. 865f.; A 24 des Erbrechts. -132 -

1741 ein Gutachteni, das zu Gunsten der Kinder der Halbgeschwister entschied, welche neben den Halbbrüdern, die nach Köpfen erben konnten, nach Stämmen erbten. Der Entscheid wurde aus dem Jus commune, besonders Novelle 118 c.3, aus A 19 und Art. 24 selber begründet2• Für alle Vorverstorbenen aus den vorerwähnten Gruppen traten die nächsten Verwandten, sowohl mütterlicher- wie väterlicherseits, des gleichen Grades ein und schlossen damit alle aus, die einen anderen Grad hatten; es galt: "der nächste beym blut, ist auch der nächst beym Gutt"3.

2.4.4 Die Ehegatten Gemäss Erlass vom 27. Januar 1680 erbte der überlebende Ehegatte, sowohl in erster wie in zweiter Ehe, wenn keine Nachkommen vorhanden waren, die Hälfte aller Güter, die andere Hälfte fiel ins Eigentum der nächsten Verwandten4• Wenn Nachkommen vorhanden waren, erhielt der überlebende Ehegatte, wie vorne bei Klasse 1 erwähnt, einen Kindsteil5. Wenn weder Nachkommen des Gatten noch Nebenver- wandte vorhanden waren, erhielt der überlebende Teil das ganze Erbgut zu vollem Eigentum, ausser in zwei Fällen: Der verstorbene Partner hatte ein Testament hinterlassen, oder er war un- ehelich geboren; dann beerbte ihn der Staatli. Eine grosse Bedeutung hatte Art 27 auch rür das Ehegattenerbrecht. Dieser Artikel und seine Revision von 1646 betrafen Güter der Ehefrau, die sie in die Ehe eingebracht oder während der Dauer der Ehe erworben hatte? Es sollte garantiert werden, dass das erwähnte Frauengut von allen laufenden Schulden unberührt blieb und der Ehemann es nicht ohne Zustimmung der Frau mit einer Hypothek belasten konnte. Der Schutz gegen letzteres bestand nur dann, wenn das Frauengut vor "offnem Recht" ver- schrieben und gesiegelt oder im Waisenbuch eingetragen wurde. In folgenden fUnf Fällen kam aber auch dieser Schutz nicht zum Tragen8: Wenn das Gut durch höhere Gewalt unterging, durch alte Schulden belastet war, die bestanden, bevor das Gut dem Manne durch die Ehe zu- fiel, wenn die Schulden Grundstücke oder geheime Hypotheken betrafen, wenn die Schuld in beider Interesse gemacht worden war, oder die Frau die Schulden selber gemacht hatte. Die Morgengabe wurde sowohl im Erbrecht als auch in besonderen Erlassen geregelt. Sie durfte 5% des Wertes der anderen ausgetauschten Geschenke nicht übersteigen. Was bei einer Morgengabe darüber hinausging, fiel beim Tode der Frau wieder an den Mann zurück9• Auf eine zu grosse Morgengabe konnte auch kein Zins gefordert werdenlO•

2.4.5 Der Staatll Der Staat beerbte zum einen alle Erblasser ohne Erben, wenn weder in auf- oder absteigender Linie Erben oder Seitenverwandte vorhanden waren. Damit wurden Uneheliche und deren Kin- der von der Erbschaft ausgeschlossen. Zum anderen fielen dem Staat die Vermögenswerte aller

1 Jus Statutarium S. 87lf.; Original siehe ACl Monrij T. 38 S. 359. heutige Signatur StiASG Bd. 331 S. 352ff. 2 Jus Statutarium S. 871-872; vgl. auch Aemi. S. 287 RN 393. 3 Jus Stalutarium S. 866; A 28 des Erbrechts. 4 Jus Statutarium S. 866 u. 867; A 3 u. 4 des Erlasses von 1680. 5 Jus Statutarium S. 867; vgJ. StiASG Rubr. 13 Fasz. 25. 6 Jus Statutarium S. 868; A 32 des Erbrechts . ? Jus Stalutarium S. 868f.; im Druck liegt es vor in der ZB Sig. 1981.2; vgl. auch die Ausführungen im Jus Statutarium S. 580ff und 719. 8 Jus Statutarium S. 868f.; vgJ. auch die Regelung für Sondergnt im ZGB vor der Revision von 1984. 9 Jus Statutarium S. 873; A 3 des Erbrechts. 10 Jus Statutarium S. 873; Erlass von Abt Beda vom 5. Febr. 1773. siehe StiASG Bd. 1272 S. 396. 11 Jus Statutarium S. 869; A 31 des Erbrechts. ·133· unehelich Geborenen zu, wenn keine anderen Erben vorhanden waren, auch wenn der/die Erb- lasserfm verheiratet gewesen warl .

2.4.6 Die Beerbung Landesabwesender Obwohl Pater Iso nur von fIlnf ErbenkIassen sprach, fUhrte er fUr dieses Sonderproblem ei- ne sechste Klasse ein2• Der ganze Problemkreis wurde in drei Erlassen geregelt. Das erste Dekret von 1719 regelte die Fristen, die verstreichen mussten, bis das Erbe Ver- schollener unter den möglichen Erben verteilt werden konnte. Wenn jemand über 25 Jahre ab- wesend war, und man von ihm nicht wusste, ob er noch lebte, wurden seine im Klostergebiet zurückgelassenen Güter ins Waisenbuch eingetragen, und der jährliche Zinsertrag floss ohne Erstattungspflicht - im Fall, dass er doch zurückkehren sollte - den Erben zu. Wenn jemand 30 Jahre abwesend war, wurden alle seine Güter unter den Erben verteilt. Diese mussten entweder Bürgen stellen oder die Güter gerichtlich "versichern" lassen, damit sie sie zurückgeben konn- ten, sofern der Verschollene wieder auftauchen sollte3• Der zweite Erlass regelte das Verfahren, wie die Erben zu bestimmen waren, wenn das Dek- ret von 1719 angewendet werden musste. Es war immer von den tatsächlichen Verhältnissen auszugehen: Wer nach 25 Jahren die Zinsen erhielt, musste nicht nach 30 Jahren das Gut zu Ei- gentum erhalten4. Das dritte Dekret regelte die Dauer der Sicherungsmassnahmen für verteilte Vermögen von Landesabwesenden. Es waren 50 bzw. 40 Jahre. Die Frist begann nicht mit der Abwesenheit, sondern mit dem Tag, an dem vom Vermissten die letzte Nachricht bekannt geworden war. Sie erstreckte sich nur auf das Kapital, da ja die Zinsen von der Rückerstattung befreit warens.

3. Ergänzungserlasse zum Erbrecht 3.1 In Mandaten Von den Ergänzungen des klösterlichen Erbrechts durch Landsatzung und Landmandat wur- de schon in den bisherigen Ausfllhrungen gesprochen, so dass hier auf eine Wiederholung ver- zichtet werden kann6• Es bleibt nur Art. 70 des Landmandates zu erwähnen, der bei Verlust der Schuld verbot, auf künftige Erbschaft zu leihen7. Sondermandate bez. der Morgengabe, die das Erbrecht ergänzten, wurden vorne schon dargestellt8• Der Inhalt des Erlasses von Abt Gallus ,in Erbsachen der Eheleüthen wegen Leib- dings de 1680" wurde bereits dargestellt; der Text desselben fmdet sich auf den Seiten 874 bis 877 des Jus Statutarium.

3.2 Besondere Regelungen fUr Wil Pater Bernhard Hannes beschreibt in seinem Erbrechtsteil noch die erbrechtlichen Stellen aus dem grossen Vergleich von 17339: In Grav. 2 Spec. 6 wurde die Errichtung der Testamente nach altem Herkommen bestätigt; in Spec. 5 der Sonderbeschwerden wurde die Siegelung des Erbgutes verstorbener Kleriker, die innerhalb der Stadtgrenzen gewohnt hatten, dem Abt vor- behalten; die Verteilung musste nach altem Herkommen erfolgen.

1 Vgl. die Aussage von Müller in Landsatzung und Landmandat S. 269 FN 116, die, nach A 32 in den Aus· fllhrungen zu Klasse 4: Die Ehegatten, bestätigt wird. 2 Jus Statutarium S. 870ff. 3 Erlass vom 23. November 1719; StiASG Rubr. 13 Fasz. 30. 4 Erlass vom 8. Januar 1773; StiASG Bd. 1272 S. 395f. 5 Erlass vom 25. Januar 1782; StiASG Rubr. 42 Fasz. 10. 6 Vgl. vorne 2.3 bez. Testament S. 129f. und 2.4.1 bez. Eintrittsrecht der Enkel S. 130f. 7 Jus Statutarium S. 563; A 70 Lm, Edition, S. 141; vgl. MOlIer, Landsatzung und Landmandat S. 284. 8 Vgl. vorne 2.4.4 Die Ehegatten S. 132. 9 Jus Statutarium S. 558; Entscheid von 1733 siehe StiASG Rubr. 82 Fasz. 3a. -134-

§ 11 Staatsverträge und Nachlese

A) Staatsverträge und SChiedssprüche 1. Verträge mit den Eidgenossen Die Beziehungen zu den Eidgenossen waren aus verständlichen Gründen sehr eng. Die Ver- einbarungen zwischen dem Klosterstaat und den Kantonen ergingen in grosser Zahl, doch kön- nen sie, ohne unvollständig zu sein, hier vernachlässigt werden. Zum einen ist es sinnvoller, sie im Zusammenhang mit den anderen juristischen und historischen Vorgängen darzustellen, statt sie hier gesondert anzuführen. Zum zweiten ist es fraglich, ob diese Vereinbarungen tatsächlich Verträge zweier gleichberechtigter Parteien waren, denn die Eidgenossen als die stärkere Partei legten den Inhalt der Vereinbarungen oft einseitig fest Besonderer Erwähnung bedarf aber der Vertrag über die Vindikation abhandengekomrnener Sachen, den Abt Dtrnar 1571 mit 12 Kantonen abschloss, und der ermöglichte, Sachen, die in den vertragsschliessenden Staaten abhandengekomrnen waren, auch aus dritten oder vierten Händen zurückzufordern. Später schloss sich die Grafschaft Kyburg ebenfalls diesem Vertrag an!.

2. Raub- und Wechselverträge2 Ueber den Raub und Wechsel schloss das Kloster arn 21. Juni 1560 einen Vertrag mit den umliegenden Klöstern und geistlichen Herrschaften, den sogenannten 12 1/2 Gotzhüser Ver- trag. Dieser Vertrag sei wie seit altersher zu halten, schreibt Pater Bernhard Hannes in seiner Arbeit3. Ein gleicher Vertrag wurde am 25. Februar 1563 mit den Schenken von Kastell ge- schlossen4. Die Erläuterung, sprich Präzisiernng dieses Vertrages vom 13. Juni 1589, wurde nicht ins Jus Statutarium aufgenomrnen5. In den Dffnungen waren im Normalfall freier Zug und Wechsel verbürgt; die einzige Ein- schränkung war, dass vorher alle Schulden beglichen werden rnussten6• Die Landsatzung und das Landmandat begannen Raub und Wechsel strenger als in den Dffnungen einzuschränken; dies war Ausdruck der leibherrlichen Befugnisse7, auf welche sich das Kloster verstärkt berief, aber auch Ausdruck seiner absolutistischen Herrschaftsansprüche im 17. und 18. Jahrhundert.

3. Verträge mit dem Bistum Konstanz Im Jahre 1668 schloss das Stift St. Gallen mit dem Bischof von Konstanz eine Vereinbarung über Abgaben- und Zollerhebung in Horn, die den Abschied von 1627 präzisieren und ersetzen sollte8• Der Abtei wurde in diesem Vertrag gestattet, auf Waren, die auf dem Seeweg nach Horn gebracht wurden, einen Zoll zu erheben. Einen weiteren Handelsvertrag über die Zollerhebung in den Häfen von Arbon und Steinach schlossen St. Gallen und Konstanz im Jahre 1700. Güter aus dem Thurgau und aus Konstanz, die von Arbon über Steinach nach der Stadt St Gallen transportiert wurden, waren weitgehend von Zöllen befreit. Dies galt auch für Waren, mit Ausnahme gewisser Güter wie Textilien und Getreide, die für SI. Galler Stadtbürger bestimmt waren9.

1 Jus Statutarium S. 669; Abschluss von 1571 siehe StiASG Bd. 5 S. 185f.; Der Vertrag über den Anschluss von Kyburg war nicht aufzufmden. 2 Vgl. zu diesem Sachgebiet Müller, Die Erneuerung der Heiratsgenossame. 3 Jus Statutarium S. 27f.; Edition, S. 27f. 4 Jus Statutarium S. 28; Edition, S. 314. 5 Edition. S. 317. 6 Müller, Dffnungen S. 69 u. 76; vgl. im Jus Statutarium S. 698; siehe auch Holenstein, Njbl. 1943 S. 35. 7 Vgl. Müller, Landsatzung und Landrnandat S. 216f. u. 250. 8 Jus Statutarium S. 324f.; Vertrag vom 29. Mai 1668 vgl. StiASG Ruhr. 13 Fasz. 24. Er wurde von Pater Bernhard sehr genau übertragen; Abschied vgl. StiASG Bd. 1260 S. 530ff. 9 Jus Statutarium S. 318f.; StiASG Bd. 1272 S. 461. -135 -

Die gleichen Parteien befreiten 1691 in einem Vertrag die Auswanderer aus diesen beiden Staaten vom Abzug, um damit den katholischen Glauben zu förderni. Lediglich zwei Orte, Ar- bon und Horn, wurden von dieser Regelung ausgeklammert, was umgehend zu Komplikatio- nen führte: Pater Bernhard Hannes erwähnt den Fall des D. de Albertis, der von Rorschach nach Arbon zog und "mortuario et emancipatione" bezahlen musste2•

4. Die Grenzverträge Angesichts der grossen Zahl verschiedener Herren und der dementsprechenden Verschach- telung ihrer Herrschaftsgebiete war die Notwendigkeit, Grenz- und Herrschaftsbereinigungen vorzunehmen, offensichtlich. Solche ,Begradigungen' der Herrschaftsverhältnisse wurden auch öfters vorgenommen. Pater Bernhard Hannes führte nicht weniger als 26 Grenzverträge an, was für die Akribie spricht, mit der er die Quellenbestände des Stiftes sichtete. Damit waren aber noch nicht alle Grenzbeschreibungen, die das Gebiet des Klosters St. Gallen betrafen, erfasst, denn die Off- nun gen enthielten ihrerseits oft auch eine genaue Abgrenzung des Gebietes, für das sie erlassen wurden und in Geltung standen. Eine genauere Darstellung der erwähnten Verträge erübrigt sich, da sie materiell nicht mehr enthalten als Aufzählungen aller Orte, die im betreffenden Vertrag neu zugeteilt wurden, oder deren Zugehörigkeit bestätigt wurde. Sofern deren Bedeutung grosser war, wurden sie schon vorne bei den jeweils erfassten Orten erläutert, so dass hier lediglich auf die Zusammenstellung aller Grenzverträge im Anhang verwiesen wird3•

B) Nachlese 1. Das Schützenhaus in St. Fiden Im Jahre 1751 übertrugen die Amtleute und Hauptmänner des Landeshofmeisteramtes das Schützenhaus, eine Art Zeughaus, in das Eigentum des Klosters, sofern ihnen im übergebenen Gebäude ein Raum verbleibe, in welchem sie ihre Waffen reinigen und aufbewahren könnten. Sie würden auch "die Schiessstände, und Scheibenstöcke" wieder herstellen und später aus den ihnen gnädigerweise konzedierten Bussen auf eigene Rechnung erhalten4•

2. Die Anhänge Die Quellentexte, die den ersten Teil des Anhangs im Jus Statutarium bilden, wurden schon bei der codiciologischen Untersuchung angeführt5. Sofern sie materiell für die Darstellung der untersuchten Quelle von Bedeutung waren, wurden sie beim fraglichen Sachgebiet behandelt. Die Quaestio über die Steuerpflicht der Eigengüter des Klosters wurde materiell ebenfalls bereits dargestellt/'. Sie sei an dieser Stelle nur noch der Vollständigkeit halber erwähnt. Das deutschsprachige Register wurde, wie Stichproben zeigten, recht genau und sehr aus- führlich angelegt. Es eignet sich hervorragend, einzelne Sachprobleme schnell und sicher auf- zufmden.

I Jus Statutariwn S. 33; dieser Vertrag war nicht aufzufinden. 2 Jus Statutariwn S. 33; dieser Fall sei in "Oeconomiae Rosacenas Iibros" verzeichnet. 1698 wurde dann auch eine Vereinbarung geschlossen, die den Abzug in Horn und Arbon regelte, vgl. StiASG Bd 1272 S. 469. 3 Eine vollständige Zusammenstellung dieser Verträge siehe in Anhang 3 S. 165. Man beachte auch die Arbeit von Rösli Lüchinger, FUrstäbtisch-st. gallische Marchenbeschreibungsbücher und Grenzkarten als Quellen geographischer Forschung. 4 Jus Slatutariwn S. 383; Die Einordnung mitten unten den Weide- und Zaunordnungen ist auffällig. 5 Vgl. vorne § 4 2.2 S. 19ff. 6 Vgl. vorne § 7 C) 1.4.3 S. 39. ·136·

Kapitel 3: Würdigung

§ 12 In systematischer und juristischer Hinsicht A) Struktur und Handhabung L Das Systemstreben Es war zweifellos ein Hauptanliegen von Pater Bernhard Hannes, eine bestimmte Ordnung in die Rechtsquellen des Klosters zu bringen. Dies zeigt sich sowohl in der Anlage der Arbeit als auch in den Aussagen, die er im Werk machte. Er übernahm ein bestehendes, entwickeltes System - das eines Kommentars zum Corpus Iuris Civilis1 - als Grundschema für sein Werk. Den Abschnitt über die Organisation der Wiler Behörden, den er aus verschiedenen Erlassen neu zusammengestellt hatte, schloss er mit den Worten: " ... , qua tandem aliquad systema de eo jormari possit''2. Mit der Uebernahme dieses Systems erreichte er eine Ordnung, die sich in der Behandlung der Offnungen, der Landsatzung und der Mandate klar auswirkte. Die Offnungen wurden zweigeteilt: Die Herrschaftsrechte behandelte er geschlossen im ersten Buch. Alles andere aus den Offnungen, was die verschiedensten Rechtsgebiete erfasste, wurde in die restlichen drei Bücher aufgenommen. Dabei wurde die gewachsene Ordnung der Offnungen völlig übergan- gen, um sie der übernommenen Systematik anpassen zu können. Das gleiche gilt für die Darstellung von Landsatzung und Mandaten. Nur jene Artikel, die Herrschaftsrechte wie Er- bringung der Fasnachtshenne, Eidpflicht oder die ausschliessliche Gerichtszuständigkeit be- schlugen, wurden im ersten Buch angeführt. Alle anderen Artikel wurden auch wieder getrennt, um sie in die übernommene Ordnung einfügen zu können. Die Uebernahme des fremden Systems führte manchmal zu eigenartigen Konsequenzen, denn das stiftsanktgallische Recht passte nicht in das übernommene System hinein3• So nahm Pater Bernhard in den Abschnitt "De Personarum "4 Rechtsnormen auf, die gemäss der über- nommenen Systematik gar nicht hineingehörten. Gelegentlich merkte auch der Verfasser, dass Titel und behandelte Materie nicht harmonierten, aber er hielt die übernommene Einteilung streng durch. So schrieb er in der Einleitung zum Kapitel "De actionibus"5, dass es im äbti- schen Statutarrecht eigentlich gar keine entwickelten Actiones gebe, aber er behandle die weni- gen, bekannten Klagen dennoch wie Actiones.

2. Die Verwendung von Literatur und Quellen 2.1 Die Literatur Literatur wurde von Pater Bernhard Hannes kaum verwendet, doch ist es schwer denkbar, dass er sein Werk ohne genauere Kenntnis der Literatur zum Gemeinen Recht schuf. Die von ihm verwendeten Begriffe stammen aus der damaligen Rechtsliteratur6. Zitiert hat er nur aus drei Büchern: Zwei Handschriften, die im Kloster selber geschaffen wurden7, sowie aus der "Gerrnania" des Tacitus8•

1 V gl. vorne § 6 S. 27ff. 2 Jus Statutarium S. 796. 3 Das Recht des KIosterstaates war nämlich kaum römisch-rechtlich beeinflusst: VgI. Müller, Landsatzung und Landmandat S. 29lf. unter Verweis auf GmUr, Uebersicht der Rechtsquellen des Kantons SI. Gallen bis zum Jahre 1798. 4 Jus Statutarium S. 3-281. 5 Jus Statutarium S. 697ff. 6 Vgl. unten 3.1 Die verwendeten Begriffe S. 137f. 7 Im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grund und Bodens in der Alten Landscbaft aus der Chronik des Jo- dokus Metzler (Jus Statutarium S. 14 u. 15) und dem Martyrologium S. Nolkeri (aaO. S. 14). 8 Bez. der Stellung der Leibeigenen bei den Germanen auf die .. Germania" (S. 21). -137-

Auf weitere Literatur, die er verwendet haben muss, fand sich im Jus Statutarium kein Hin- weis. Sowohl seine Begründung der äbtischen Regalrechte1 als auch seine Aussage, dass die .. Civilistes", die Juristen des Jus Commune, vier verschiedene Jurisdictiones unterschieden2, wurden zweifellos aus der Literatur übernommen; aber beide Begründungen wurden ohne jeden Hinweis auf ihre Herkunft angeführt.

2.2 Die Quellen Rechts- und Geschichtsquellen dagegen führte Pater Bernhard Hannes in grosser Zahl an. In den beiden Codices fanden sich über 1000 Quellenangaben. Er scheint das Stiftsarchiv richtig- gehend durchsucht zu haben, belegte er doch seine Ausführungen mit Hinweisen auf die ver- schiedensten Quellenwerke3. Grundsätzlich nahm Pater Bemhard kaum ein historisches Ereignis in sein Buch auf, ohne es mit einer Quelle zu belegen; er verarbeitete mit grosser Akribie Quellen in sein WerJc4. Seine Zitate wurden mit den ursprünglichen Quellen verglichen. Dabei konnte, wie die UnterSuchung gezeigt hatS, eine sehr genaue Arbeitsweise festgestellt werden. Seine Auszüge wurden nicht aus dem Kontext gerissen, und die Zitation genügt auch wissenschaftlichen AnspfÜChen6• Schwerwiegende Fehler sind in der Arbeit von Pater Bernhard keine auszumachen. Wenn als Massstab die Editionen Walter Müllers genommen werden, sind bei der Numerierung der Landsatzungsartikel kleinere Abweichungen festzustellen; der Inhalt selber jedoch ist sehr genau wiedergegeben7• Bei der Darstellung der Rapperswiler Entscheide von 1525 unterliefen ihm ebenfalls keine gravierenden Fehler: Er differenzierte nicht immer, ob der Entscheid für das Ober- und Unteramt oder nur für eines der beiden ergangen sei. Ausserdem datierte er einige wenige Abschiede um ein paar Tage falsch. Warum er die früheren äbtischen Offnungen von 1469 für Helfenschwil8 und Lenggenwil9 nicht erwähnte, ist unerklärlich. Dies widerspricht nämlich seiner sonstigen Gewohnheit, die ganze Rechtsentwicklung einer Gerichtsgemeinde darzustellen.

3. Das Begriffsinstrumentarium 3.1 Die verwendeten Begriffe Die von Pater Bernhard Hannes verwendeten Begriffe sind, neben der Uebernahme der Systematik, der deutlichste Hinweis auf seine Kenntnis des gemeinen Rechts und dessen lite- ratur. Die folgenden Begriffe sind typisch und wurden häufig gebraucht: imperium merum, im- perium mixtum, imperium merum et mixtum, jus gladium, jurisdictio, potestas territorialis und superioritas. Dies sind charakteristische Begriffe aus der gemeinrechtlichen Literaturio.

1 Jus Statutarium S. 312f. 2 Jus Statutarium S. 203f. 3 Bei den verwendeten Quellen handelt es sich in alphabetischer Reihenfolge um: acta in Oeconomia Rosacena (S. IS), acta Turg. (S. 258), archivo (S. 117), archiv P. 1 des Rorschacheramtes (S. 11S, 120), Chronico S. G. (S. WS), HofgerichtsprolOkolle (S. 143), Libri censuum (S. S64), Libr. Feud. (S. 649), Libr. Regalium (S. 106), Markenbuch (S. 224), Oeconomia (S. 42, 121, 123, 124), Oeconomenicis P. 1 (S. S06 wegen der Städler Walke in Straubenzell), Oeconomicorum Pars 1 (S. S14), Oeconomiae Rosacenae libros (S. 33, 106), Specialis Liber Regalium in Archivo S.G (S. 36), Tom de Lignatu (S. 114), Tomum in quo Oeconomi instruuntur (S. 314) und Tom: Wylensi (S. 9S, S22, S44, 642). 4 Vgl. die grosse zahl zitierter Belegstellen, z.B. im Abschnitt Ober den Thurgau, S. 46-68. S Vgl. die ganze Darstellung in Kap. 2: Das Jus Statutarium. 6 Vgl. bez. der Interpretation der Quellen auch B) Der juristische Hintergrund S. 138ff. und §13 Zweck und Bedeutung des Jus Stalutarium S. 144ff. 7 Jus Stalutarium S. 30 bzw. 36; so verbot A 6 und nicht A S Ls das Reislaufen. 8 Jus Statutarium S. 93. 9 Jus Statutarium S. 94. 10 Vgl. Willoweit, RechlSgrundlagen der Territorialgewalt S. 121ff. -138-

Die Begriffe wurden aber von Pater Bernhard Hannes nicht sehr genau verwendet; im Ge- genteil: Er brauchte oft flir die gleiche Sache eine grosse Zahl verschiedener Begriffe oder den gleichen Begriff für verschiedene rechtliche Tatsachen. Ein gutes Beispiel ist die Verwendung des Begriffs des "imperium merum"l. Er schrieb sowohl, der Abt hätte es, als auch, es stünde den Kantonen und dem Kaiser zu. Er sprach aber auch davon, der Abt habe mehr als nur das ,Jmperium merum" im Thurgau inne, um dann wieder festzustellen, er habe es nicht. Weil also ein einheitlicher Gebrauch fehlt und man auch Begriffserklärungen vergeblich sucht, ist es nicht möglich, die lateinischen Wendungen einheitlich zu übersetzen und zu erklä- ren. Angesichts der geringen Beeinflussung der Klosterjurisprudenz durch das gelehrte Recht ist es fast selbstverständlich, dass bei der Einzwängung der Klosternormen in das Korsett einer aus dem gemeinen Recht übernommenen Systematik begriffliche und andere Probleme auf- tauchten. Dies umso mehr, als die Anwendung römisch-rechtlicher Begriffe auf deutsch- rechtliche Institute seit je mit Problemen verbunden ist2•

3.2 Die Folgen im Jus Statutarium So verwendete Bernhard Hannes nicht weniger als fünf verschiedene Begriffe flir das, was heute als Offnung bezeichnet wird, nämlich "conventio" und den Namen des Gerichtes3, "con- ventio locorum"4, "conventio specialis"5, "mutua conventio"6 oder auch "singularis conven- tio "7. Die Einzugs- und Holzordnungen bezeichnet er ebenfalls als "conventio "8, gelegentlich als "conventio particularis''9, aber auch als "jus communitatis"IO oder "orOO specialis"ll. Die Gaissauer Dorfordnung von 1515 hiess "conventio specialis"12. Auch Rechtsquellen, die wir als Vertrag oder Vereinbarung kennen, nannte Pater Bernhard "Conventio". Vor allem die verschiedenen Uebereinkommen zwischen Abtei und Stadt WH be- zeichnete er mit diesem Begriffl3. Aber auch für Entscheide, die durch Schiedsgerichte ergin- gen, benutzte er plötzlich dieses Wort, obwohl er vorher fast immer "sententia" daflir gebraucht hattel4. Pater Bernhard kannte die von Montesquieu eingeführten Begriffe von Legislative, Judika- tive und Exekutive zur Einteilung der Staatsgewaltl5; aber auch hier gelang es ihm nicht, die rechtlichen Tatsachen und die Begriffe in die richtige Beziehung zu bringen: Er führte unter den einzelnen Titeln auch Siaatsaufgaben an, die unter einen anderen Titel gehört hättenl6.

B) Der juristische Hintergrund 1. Das Rechtsdenken Pater Bernhard betrachtete das Recht unter dem Begriffspaar von Recht und Pflicht, d.h. je- dem Recht entsprach auch eine Pflicht. Diese Rechtsauffassung war zur Zeit des aufgeklärten

1 Jus Statutarium S. 129ff. 2 Vgl. Legras. S. 199f. und Müller. Landsarzung und Landmandat S. 289ff. 3 Jus Statutarium S. 20 u. 353. 4 Jus Statutarium S. 19 u. 20. Jus Statutarium S. 46. 88 u. 152. 6 Jus Statutarium S. 93. Jus Statutarium S. 97. Jus Statutarium S. 3lf.; Dies wäre aber wieder verständlich. weil nach Müller. Offnungen S. 136f. FN 458 diese Einzugsordnungen im Original z.T. auch "Offnung" hiessen. 9 Jus Statutarium S. 344. 10 Jus Statutarium S. 353. 11 Jus Statutarium S. 411 u. 433. 12 Jus Statutarium S. 113 und Müller. Offnungen S. 26 FN 53. 13 Jus Statutarium S. 65. 73 u. 76; siehe auch S. 281 für den Weinfelder Vertrag von 1752. 14 Jus Statutarium vor S. 172 bzw. auf den Seiten 176 u. 178. 15 Vgl. Jus Statutarium S. 16.64.69 bzw. 72. 16 Vgl. Jus Statutarium S. 64-87 im Abschnitt über WH. -139 -

Absolutismus in Europa weit verbreitet. Samuel Pufendorr war wohl der bekannteste Rechts- theoretiker und Philosoph, der dieser Auffassung zu weiter Verbreitung verhalf. Dessen Werke wurden auch vom Kloster erworben 1, und wir dürren deren Kenntnis bei Pater Bemhard Han- nes voraussetzen. Dieses Denken wurde bei der Darstellung der äbtischen Hoheitsrechte besonders deutlich: Dem Recht des Abtes, Gesetze zu erlassen, entsprach die Pflicht der Untertanen zur Huldigung; zum Recht des Abtes, seine Erlasse durchzusetzen, gehörte die Gehorsamspflicht seiner Unter- tanen2•

2. Die juristische Bildung 2.1 Fehlen einer theoretischen Grundlage Das ganze Jus Statutarium ist sehr pragmatisch aufgebaut. Es gibt keinen eigentlichen theo- retischen Teil in dieser Arbeit. Der Aufbau ist immer derselbe: Pater Bernhard führte alte Ent- scheide und Verträge an, die ein Problem in der Regel zu Gunsten des Klosters regelten. Ge- stützt darauf entwickelte sich eine langjährige Praxis, die dem Kloster umfassende Kompeten- zen gab3. Die von den Eidgenossen geltend gemachten Ansprüche standen im Gegensatz dazu und waren demzufolge in den Augen Bernhard Hannes' unrechtmässig. Dieser Aufbau wurde im staatsrechtlichen Teil ziemlich konsequent durchgehalten, wobei die Ausführungen zu den thurgauischen Herrschaftsgebieten mit weit mehr Quellen belegt wurden als die zur Alten Land- schaft. Dies war wohl eine Folge davon, dass in der Alten Landschaft die Herrschaft des Stiftes völlig unbestritten war, im Thurgau dagegen sehr umkämpft. Die vielen Wiederholungen von Quellen und Fakten fallen auf. Im Abschnitt über den Thur- gau taucht dieses stilistische Merkmal besonders oft auf. Sie scheinen sogar das Denken des Verrassers beeinflusst zu haben, denn er begründete Aussagen mit dem, was er eigentlich be- weisen wollte. So schrieb er, weil der Abt die Territorialgewalt habe - was es zu belegen galt - stünden den Kantonen wenig Rechte zu4• Auch brachte er Begründungen, die nichts oder kaum etwas Verständliches aussagens. Solche Passagen lassen die sonst vorherrschende neutrale Darstellungsweise völlig vermissen, denn hier argumentierte Bernhard Hannes plötzlich einsei- tig und wechselte jeweils in eine recht polemische Sprache. Dies könnte ein Hinweis auf die politischen Absichten seiner Arbeit sein, denn diese Stellen lassen sich nur aus dem einen Zweck erklären, die Rechtspositionen des Stiftes zu verteidigen. Die Darstellung des übrigen geltenden Rechts im Klosterstaate ist rein beschreibend und bringt nichts Neues, auch keine Erkenntnisse über Herkunft und allfällige Einflüsse, wie aus dem zweiten Teil der vorliegenden Arbeit ersichtlich wird.

2.2 Mangel an Gestaltung und Stil Pater Bernhard Hannes gelang es nicht, sich von den dargestellten Rechtsnormen zu lösen. Er konnte gleichartige Sachen nicht durch Defmitionen errassen, sondern blieb auf dem Niveau der bearbeiteten Quellen stehen. So übernahm er die endlosen Aufzählungen aus dem Erbrecht: Das eine ist die Aufzählung des Gutes, das die Frau beim Tode des Gatten vor allen anderen Erben an sich ziehen kann6• Das zweite sind die Immobilien- und Mobiliendefinitionen der

1 VgI. Hauntingers Verzeichnis der Zugänge in der Stiftsbibliothek von 1780 bis 1792 in Codex 1285, das Werlc:e von Pufendorf enthält. 2 VgI. Jus Statutarium S. 17, 18 u. 21. 3 Z.B. schrieb Pater Bernhard, dem Abt stehe das Recht zu, Mandate zu erlassen. Dann führt er einige Erlasse oder Entscheide der Eidgenossen an, die diese Aussage bestätigen; vgI. z.B. Jus Statutarium S. 128 iVm S. 189ff. 4 Vgl. Jus Statutarium S. 19 u. 198. 5 Vgl. Jus Statutarium S.195f.: So folgerte er aus der äbt. Hilfe beim Einmarsch der Eidgenossen in den Thurgau 1460 die Unabhängigkeit der Abtei von den Kantonen. 6 Jus Statutarium S. 857; A 6 des Erbrechts. -140 -

Artikel 1 und 2 des Erbrechts!, die er wortwörtlich abschrieb. Auch seine Strafrechtsdarstellung behielt die Detailtreue der Quellen bei2• Das fehlende Abstraktionsvennögen zeigt sich in nachfolgendem Beispiel: Was zu tun sei, wenn beschlagnahmte Pfänder zur Deckung der Schulden nicht ausreichten. Auf Seite 701 schrieb er, in diesem Fall könne man zusätzliche Pfänder holen. Auf der folgenden Seite stellte sich das gleiche Problem erneut; hier schrieb Pater Bernhard nun, darüber stehe nichts in den Offnungen. Er war also nicht fahig, eine übereinstimmende Lösung zu finden. P. Iso Waser dagegen gelangte in seiner Abhandlung zu einer gewissen Eigenständigkeit in der Darstellung. Seine Abfassung der Rechtsnonn über die Erbberechtigung der Stiefgeschwi- ster in Latein ist klarer und straffer als die entsprechende Originalstelle in Deutsch. Die lateini- sche Fassung zeigt durchaus Tendenzen, den Rechtsstoff zu abstrahieren und allgemeingültig zu fassen3.

2.3 Stellungnahmen zur Auslegung Die Frage nach der Zulässigkeit der Auslegung von Rechtsnonnen durch die Rechtsanwen- der wurde im Jus Statutarium zwar angeschnitten, aber nicht eindeutig entschieden; es fanden sich Stellen, die eher fIir, aber auch solche, die gegen die Auslegung gerichtet sind. Pater Bem- hard führte auch die sogenannten Erläuterungserlasse an, ein Instrument, das von der Obrigkeit recht häufig eingesetzt wurde und sozusagen eine autoritative Auslegung durch den Gesetzgeber selber darstellte. Diese ergingen auf zwei Arten. Zum einen waren es selbständige Erlasse, die bestehende Nonnen erläutern und erklären sollten, die aber auch der Fortentwicklung des Rechts dienten. Damit sollte die Auslegung des geltenden Rechts durch die Rechtsanwender verhindert werden. Pater Bernhard erwähnte Erläuterungserlasse im Schuldbetreibungsrecht zur 1. und zur 8. Klasse der Schuldordnung von 176()4 sowie im Erbrecht, wo Art. 27 in einem besonderen Er- lass erläutert und neu gefasst wurde5• Zum zweiten können auch die erklärenden und erläuternden Bemerkungen in den Artikeln der Mandate, besonders im Landmandat selber, als Erläuterungserlasse verstanden werden, die neben obrigkeitlicher Interpretation zugleich noch Materialen und Anwendungsrichtlinie für die Amtleute waren. Den gleichen Zweck hatte auch die klösterliche Praxis, unklare oder nicht be- achtete Artikel bei der nächsten Ueberarbeitung noch ausführlicher und moralisierender zu fas- sen6• Ganz am Anfang des Jus Statutarium finden sich Belegstellen, die für eine Ablehnung der Zulässigkeit der Auslegung sprechen. Die Einleitung beginnt mit einem Verbot der Auslegung, schrieb doch Pater Bernhard ..... , abstrahere nee !ieet, nee expedit"7, und endet auch mit einer Wendung, die für ein Auslegungsverbot zu sprechen scheint, heisst es doch: ..... , si easus in iis eontineatur"8. Im ganzen Werk sind keine Belegstellen vorhanden, welche die Auslegung grundSätzlich zulassen. Es kann nur festgestellt werden, dass Bernhard Hannes öfters Auslegung betrieb. Zum Beweis sei auf Textpassagen hingewiesen, die der Lückenfüllung dienten9 oder Analogie-

! Jus Statutarium S. 595 u. 854f. 2 Jus Statutarium S. 677ff.; jemanden "einfach" zu Boden schlagen oder mit der Faust, floss dabei Blut oder nicht, jemanden mit einem Wurfgegenstand verletzen elC. Jus Statutarium S. 864f. 4 Vgl. Jus Statutarium S. 714ff., 008. S. 715 bzw. 723. 5 Siehe den Erllluterungserlass zu Art. 27 von 1646 vorne § 7 H) 2.4.4 S. 132. 6 Vgl. dazu die AusfUhrungen von Walter Müller in Landsatzung und Landmandat, bes. S. 197ff. 7 Jus Statutarium S. 1. 8 Jus Statutarium S. 2. 9 Jus Statutarium S. 624 bez. Zugrechtsfristen oder S. 746 bez. des Einklagen von Fremden in Malefizsachen. ·141 • schlüsse darstellteni. Auch fanden sich Stellen, die eindeutig Auslegung sind: Wenn er z.B. schrieb, es seien alle Krimina1fä1le erfasst, nämlich jene, die explizit erwähnt seien, wie auch jene, die als solche zu betrachten seien2; oder auch seine Feststellung, die in der 8. Klasse der Schuldordnung von 1760 erwähnten Steuern müssten Gemeindesteuern sein, Klostersteuern wären nämlich in der 2. Klasse zu kollozieren3• Den Wiler Vertrag von 1654 legte er ebenfalls aus: Dort seien ausdrücklich nur "concessis" erwähnt, bei denen der Hofammann anwesend sein müsse, dies gelte aber für alle Verhandlungen4• Auch Pater Iso betrieb in seiner Abhandlung Auslegung. Er schrieb, dass der Art. 17 des Erbrechts "obscurus" sei; auf der folgenden Seite hiess es dann, er könne so verstanden werden, dass die Grosseltern einen Kindsteil erbten5• Weitere Stellen aus dem Jus Statutarium sind nicht eindeutig als pro oder contra Auslegung zu verifizieren, aber sie zeigen, dass Pater Bernhard Hannes das Problem als solches bekannt war6•

3. Das Verhältnis der verschiedenen Rechtsordnungen untereinander 3.1 Die Bedeutung des Gemeinen Rechts 3.1.1 für das Jus Statutarium Wie schon vorne gezeigt, wurde die Systematik des Jus Statutarium aus dem gemeinen Recht genommen, da Pater Bernhard auf den Aufbau von Kommentaren zum CICiv zurück- griff. Ebenso offensichtlich ist die Verwendung von Begriffen, die aus der gemeinrechtlichen Jurisprudenz stammen. In formeller Hinsicht war also der Einfluss des römischen Rechts be- deutend. In materieller Hinsicht dagegen ist praktisch kein Einfluss des gemeinen Rechts festzustellen, da Bernhard Hannes ja auch nur das geltende Recht des Klosterstaates darstellte, von dem Wal- ter Müller in seinen Untersuchungen schrieb, nur im Erbrecht und in der Ausgestaltung der Ab- gaben von Todes wegen seien römisch-rechtliche Einflüsse sichtbar7• Es handelt sich um ein Werk, das die Aussage von Carlen8 bestätigt, dass das gelehrte Recht oft nur die termini technici geliefert habe, ohne dass sich das Rechtsinstitut selber durchgesetzt hätte. Der Abschnitt "De Societatibus "9 ist die Bestätigung daf'Ur: Es wurde ein Begriff aus dem gelehrten Recht übernommen, darunter aber nur das gemeinsame Eigentum an Vieh behandelt. Oder auch bei den Actiones, wo Pater Bernhard Hannes selber feststellte, dass das Klosterrecht kaum ausgefeilte Actiones wie das Jus Commune kennelO.

3.1.2 flir das Recht des Klosterstaates Im Erbrecht war ausdrücklich bestimmt, dass Fälle, die durch das Statutarrecht nicht erfasst würden, gestützt auf das geschriebene Jus commune, oder "ex aequo et bono" zu entscheiden seien. Die von W alter Müller aufgeworfene Frageil , ob das römische Recht zur Ausfüllung von

1 Jus Statutarium S. 586f.; Analogieschluss aus A 55 Lm fUr heimliche Bürgschaften. 2 Jus Statutarium S. 147. 3 Jus Statutarium S. 724. 4 Jus Statutarium S. 788; Vertrag von 1654 siehe StiASG Bd. 5 S. 127; in Codex 1957, S.773 endet diese Stelle wie folgt: n'" quae quidem tantum expresse loquitur de concessis sed generaliter etiam vernm est" 5 Jus Statutarium S. 861 bzw. 862. 6 Vgl. z.B. Jus Stalutarium S. 616 oder 702. 7 Vgl. Müller, Offnungen S. 129 und Müller, LandsalZung und Landmandat S. 269. Carlen, Rechtsgeschichte der Schweiz, S. 20f.; Als Beispiele für seine Aussage führt er u.a. eben Rechtsnor- men aus den Klöstern EinsiedeIn und St. Gallen an. Siehe auch vorne A) 3. Das Begriffsinstrumentarium S. 137f. 9 Jus Statutarium S. 653. 10 Jus Statutarium S. 697; Auch dies wieder ein Hinweis darauf, dass Bemhard Hannes das Jus Commune ge' kannt haben muss. 11 Vgl. Müller, LandsalZung und Landmandat S. 293. -142-

Lücken subsidiär beigewgen worden sei, kann für das Erbrecht also bejaht werden. Dies mit umso grösserer Berechtigung, als ja auch Kanzler Anton Schuler das Corpus Iuris Civilis zur Lösung eines erbrechtlichen Problems beizog!. Der Beizug des Gemeinen Rechts lag hier na- türlich näher als bei anderen Rechtsgebieten, da das Erbrecht ja schon römisch-rechtlich beein- flusst war. Dieser Artikel zeigt aber auch, dass das Problem, eine lückenlose Kodifikation zu schaffen, schon erkannt worden war; und man hatte daflir eine Lösung gefunden2• Angesichts der Aussage, dass die "luri Civili communi ex continua consuetudine et praxi"3 die wichtigste Rechtsquelle im Zivilrecht wären, wenn keine Spezialerlasse vorlägen, war die Bedeutung des Gemeinen Rechts rur das Rechtssystem des Klosters St. Gallen wohl gross. Da auch die Carolina vollständig übernommen wurde4, und sich auch ein expliziter Verweis auf das Jus Commune im Erbrecht fand, wie oben gezeigt, darf man mit guten Gründen eine mehr als nur subsidiäre Geltung des Jus Commune annehmen. Weil sich im Jus Statutarium aber keine weiteren Hinweise mehr finden, muss die Frage offen bleiben, wie weit sich die rechts- anwendenden Organe tatsächlich auf das Gemeine Recht stützten, also eine Rezeption in der Rechtswirklichkeit stattfand, oder ob dies nur eine theoretische Aussage von Pater Bernhard Hannes war.

3.2 Das Verhältnis der verschiedenen Rechte des Klosterstaates zueinander Das von oben gesetzte Recht, sei das nun Landsatzung, Landmandat oder ein Spezialmandat, trat mehr und mehr an die Stelle der Offnungen. Die Offnungen wurden weder erneuert noch geändert. Der Weiterentwicklung des Rechts dienten die neuen Erlassfonnen5• So wurden die Offnungen wie auch die Holz- und Waldordnungen partiell ersetzt6. In die neueren Offnungen wurde alles, was in Landsatzung und Landmandat schon geregelt war, auch wenn es eine typische Offnungsmaterie war, nicht mehr aufgenommen7. So kon- statierte Pater Bernhard Hannes, dass "in antiquissimis Conventiones·.g noch Vorschriften über das Fertigungswesen zu finden seien. In den neueren aber nicht mehr, denn als diese erlassen wurden, standen ja diese Nonnen schon in der Landsatzung und vor allem im Landmandat9• Die Mandate, Landmandat wie Einzelmandate, begannen sogar die Landsatzung zu ersetzen, da erstere von der Abtei selbständig erlassen werden konnten, die Aenderung der letzteren aber der Zustimmung der Eidgenossen bedurft hätte, worauf diese die Abtei mehnnals aufmerksam machten. Mit dem Landmandat konnte sie diese Beschränkung ihrer Unabhängigkeit umge- hen!o. Diese Entwicklung beschrieb Pater Bernhard nicht; er stellte die Rechtsordnung des Stiftes so dar, wie er sie vorfand. Die Derogation des Offnungsrechtes ist nur insofern feststellbar, als er Nonnen aus Landmandat und Landsatzung anflihrte und dann ergänzte: Die Offnungen sähen eine gleiche, ähnliche, abweichende oder keine Regelung mehr vor! 1. Das Landesrecht hatte gegenüber den Partikularrechten aus dem Stiftsgebiet zurückzutreten, das Recht des kleineren Staatsteiles ging also vor; das Institut der salvatorischen Klausel wie in der CCC galt grundSätzlich auch im Staatsgebiet des Klosters St. Gallen. Es fand sich im Jus

1 Vgl. Jus Statutarium S. 871. 2 Vgl. Jus Statutarium S. 851; A 39 des Erbrechts. 3 Vgl. Jus Statutarium S. 1 bzw. vorne § 7 B) l.l S. 32. 4 Vgl. vorne § 7 B) 12 S. 32f. 5 Müller, Offnungen S. 137ff. 6 Vgl. vorne § 10 F) S. 122ff. 7 Müller, Offnungen S. 52ff. bes. FN 134 u. 135. Jus Statutarium S. 567. 9 Vgl. Müller, Landsatzung und Landmandat S. 277ff. IO Müller, Landsatzung und Landmandat S. 184 FN 30 unter Verweis aufEA 6 S. 1226. 11 Vgl. z.B. Jus Statutarium S. 531. -143 -

Statutarium zwar keine generelle Bestätigung dafür, doch können mehrere Beispiele angeführt werden: So gingen die Defmitionen für Mobilien in der Offnung von Steinach bzw_ für Im- mobilien in Tablat denjenigen des für den ganzen Staat geltenden Erbrechts vor!. Die Sonder- regelungen in den Offnungen von Herrenhof und Zuzwil bez. des Zugrechts gingen der allge- meinen Regelung von Art. 57 des Landmandat vor2, wie auch im Lehensrecht die Offnungen Vorrang hatten3• Sogar im Strafrecht ging die Regelung des Diebstahls von Früchten gemäss Offnung dem Artikel aus der Landsatzung vor4. Pater Bernhard Hannes schrieb sogar: ,.Ita (lauten; der Verf_) quatuor praedicta Mandata Territorialia, quae in diversis particu/arium locorum conventionibus confirmantur"5. Dieser Satz zeigt die Bedeutung der Offnungen noch im 18. Jahrhundert klar und deutlich. Er ist aber auch eine Qualifikation der klösterlichen Rechtsentwicklung, die den Anschluss an die Entwicklun- gen der Aufklärungsepoche nicht gefunden hatte6.

! Jus Statutarium S. 594 bzw. 595. 2 Jus Statutarium S. 621. 3 Jus Statutarium S. 641ff. 4 Jus Statutarium S. 670; A 26 Ls wurde also derogiert. 5 Jus Statutarium S. 837. 6 Die zitierte Aussage bezieht sich auf die Art zum Friedbieten. die schon in der ersten Ls von 1468 A 4 (vgl. Edition S. 7) angetönt sind. Da ein Teil der Offnungen nach 1468 erlassen wurde (vgl. z.B. Müller,Offnun- gen S. 35: die dortige Tabelle), bestätigt auch dies die obige Aussage. -144 -

§ 13 Zweck und Bedeutung des Jus Statutarium

A) Möglicher Anlass zur Abfassung des Jus Statutarium 1. Politische und historische Hintergründe Wie schon in der Einleitung dargestellt, versuchten die Eidgenossen, das Kloster St. Gallen von seinen Hoheitsrechten im Thurgau zu verdrängen, um dort die Herrschaft selber anzutreten. Diese Bestrebungen begannen zur Regierungszeit von Abt Coelestin 11. im Jahre 1759. Danach wurden sie regelmässig wiederholt; während der Regierungszeit Abt Beda Angehrns versuchten die Kantone wiederum, vor allem in den Jahren 1772 und 1775, ihre Ansprüche in die Tat umzusetzen 1. Johann A. Pupikofer setzte den Beginn der Zwistigkeiten über die äbtischen Malefizgerichte zwischen den Kantonen und dem Kloster in der Mitte der fünfziger Jahre des 18. Jahrhunderts an. Der Abt regierte in diesen Orten selbstbewusst und schränkte damit die Oberhoheit der zehn Orte auf die Blutgerichtsbarkeit ein. Er interpretierte die ilun zustehenden Strafrechtskompeten- zen sehr extensiv, was zur Folge hatte, dass er auch Fälle, die eigentlich den Eidgenossen zu- gestanden wären, aus eigener Machthoheit entschied. Weiters waren auch die Frage der Ver- käufe von Gütern an die tote Hand, an Stifte und Klöster also, sowie die Einziehung von Lehen Streitpunkte2• Daraus entstand die grundsätzliche Frage, wem die Hoheit in diesen Gerichten zukomme. Die Eidgenössischen Stände liessen darüber durch das Landvogteiamt einen Bericht ausarbei- ten, der 1767 fertig wurde und zum Schluss kam, der Abtei komme die Landeshoheit nicht zu3. Dieser Streitpunkt wurde nun alljährlich auf der Tagsatzung verhandelt, ohne dass man zu einer Lösung gelangte. Schliesslich einigte man sich darauf, dass der Abt mit Urkunden beweisen an einer Tagfahrt zu Baden 1773 belegen solle, "dass das Stift die Malefizorte von einem Landes- herrn erobert oder erkauft oder geschenkt erhalten habe"4. Diese Beweise wurden aber vergeb- lich gefordert; das Kloster hatte sie bis 1781 noch nicht vorgelegt. In diesem Jahr wollten einige Gesandte mit einem Vertragsentwurf, der eine Aufteilung der äbtischen Besitzungen und eine genaue Ausscheidung der gegenseitigen Rechte vorsah, diesem Streit ein Ende setzen. Doch es kam nicht zum Abschluss des Vertrages, weil die reformierten Stände Nachteile für die Neu- gläubigen in den Orten sahen, die vollständig der Abtei zugeteilt werden sollten. Als auch dieser Lösungsversuch gescheitert war, ging die Intensität der eidgenössischen Bemühungen zurück: Man beliess alles beim Alten. Die Tagebucheinträge Abt Bedas5 und die Protokolle des Geheimen Rates6 zeigen ein ana- loges Bild des Streites um die Landesherrlichkeit im Thurgau. Dieser Streit schien in den sieb- ziger Jahren die Kräfte des Klosters in politischer Hinsicht völlig absorbiert zu haben. Eintra- gungen über mehrere Tage in Bedas Diarium beschäftigten sich ausschliesslich damit7• Auch das Schwergewicht in den Geheimratsprotokollen lag bei Ausführungen zu den Malefizorten. Dann aber, nachdem im Frühjahr 1781 das Vergleichsprojekt gescheitert war, verschwanden die Malefizorte aus den Aufzeichnungen. Beide Parteien schienen von diesem Streit, der nach mehr als 20 Jahren noch nicht entschieden worden war, genug zu haben; der alte Zustand be- züglich der Herrschaftsverhältnisse wurden also beibehalten.

Vgl. von Arx. Bd.m S. 631ff. 2 Vgl. Pupikofer. Bd. II Kap. 14 S. 791-797: Die Fmge der Landesherrlichkeit in den thurgauischen Gerichten der Abtei SL Gallen. 3 Vgl. aaO. S. 794f. 4 AaO. S. 795. 5 StiASG Bd. 282-285. 6 StiASG Bd. 861 umfasst die Jahre 1765-80. Bd. 862 die Jahre 1780-89. 7 Z.B. 8. bis 15. April 1774 oder 27. bis 31. März 1781. -145 -

Es ist auffallend, dass Pater Bernhard nur einen Stand aus der Eidgenossenschaft namentlich heraushob: Gegen den Vorort Zürich richtete er ausdrückliche Vorwürfe, es wolle der Abtei die Rerrschaft im Thurgau streitig machen. So hätten die Zürcher 1658 das Abschiedsprotokoll nur darum gefälscht, weil sie im Thurgau mitregieren wollten!. Er warf auch nur den Zürchern ex- plizit vor, ihre Vorfahren hätten das Burg- und Landrecht von 1451 beschworen; dennoch wür- den sie sich heute gegenüber dem Kloster derart anmassend verhalten2• Im Tagebuch Abt Bedas und in den Geheimratsprotokollen ist diese Sonderstellung ebenfalls festzustellen: Die Einträge sprechen auch hier allgemein von den Eidgenossen; nur der Name Zürichs wurde speziell er- wähnt. Seltener tauchte auch noch Bern auf. Zürich musste also die treibende Kraft hinter dem ganzen Streit gewesen sein.

2. Was war das Jus Statutarium? 2.1 Feststellungen in zeitgenössischen Quellen Es scheint zum Jus Statutarium keine Belegstellen oder Kommentare aus seiner Entste- hungszeit zu geben. Schon Walter Müller3 stellte fest, dass die Geschichte zu dieser Statutar- rechtssammlung schweigt. Stiftsarchivar Karl Wegelin schrieb 1844, sechzig Jahre nach Abfassung des Jus Statutarium, im Vorwort zu seinem Verzeichnis der Statutarrechte des Klo- sters, es sei noch nie eine solche offizielle Sammlung erstellt worden4• Meine eigene Suche bestätigte dieses Resultat: Die offiziellen Quellen schweigen über das Werk. Weder in den Tagebüchern von Abt Beda noch in den Protokollen des Geheimen Rats fand sich irgendeine Stelle .. die auch nur im entferntesten mit dem Werk von Pater Bernhard in Ver- bindung zu bringen gewesen wäre. Auch die Tagebücher von P. Gerold BrandenbergS, der zu- sammen mit Bernhard Rannes in der Oppositionsgruppe gegen Beda aktiv war, enthielten kei- nen Fingerzeig auf die untersuchte Quelle. Dieses Schweigen ist umso erstaunlicher, als Bern- hard Rannes in seiner Arbeit die offizielle Klosterpolitik vertratt. Seine Ausführungen entspra- chen den Ueberlegungen, die sich auch in den äbtischen Diarien und den Protokollen des Ge- heimen Rates fanden.

2.2 Deutungsversuche Damit ist natürlich die Freiheit bei der Interpretation sehr gross. Sie darf aber nicht spekulativ missbraucht werden. Weil keine Belegstellen gefunden werden konnten, sind die folgenden Deutungsversuche mit einem gewissen Unsicherheitsfaktor behaftet. Das Arbeiten mit Annah- men ist aber solange gerechtfertigt, als sich diese mit überzeugenden Argumenten begründen lassen. Die Quelle selber hilft nicht weiter, da sie weder Vorwort oder Einleitung noch persön- liche Bemerkungen enthält, die allenfalls Rückschlüsse auf die Entstehungsgeschichte zulies- sen. Aufgrund dieser Restriktionen sind vier Varianten wahrscheinlich, die nachfolgend dis- kutiert werden.

2.2.1 Eine Politische Verteidigungsschrift Als erste Variante sei jene der sogenannten Deduktion behandelt, mit der ein Rechtsstand- punkt in einem Streitverfahren der Oeffentlichkeit zugänglich gemacht und erläutert werden sollte, was vielfach sogar in einer Publikation geschah. Für diese Möglichkeit spricht der seriö- se Aufbau und die sehr gute Dokumentation der Arbeit mit Quellen. Die ganze Arbeit kann als juristisch-wissenschaftliches Sachbuch bezeichnet werden. Wenn man nun annimmt, das Jus Statutarium sei zu spät beendet worden, wäre für das Schweigen eine Erklärung gefunden. Wie

1 Jus Statutarium S. 192; es ist ein Abschied vom 7. Juli 1658, vg!. EA 6,1 S. 45lf. und auch EA 6,II S. 1173 Art. 201. 2 Jus Statutarium S. 197. 3 Vg!. Müller, Landsatzung und Landmandat S. 291. 4 Vg!. FN 3. 5 Vg!. StiBSG Codices 1411 und 1412. -146 -

gezeigt wurde, war der eigentliche Streit um die Malefiwrte im Frühjahr 1781 abgeklungen. Das Jus Statutarium1 enthält aber noch Rechtsprobleme aus dem Jaltre 1782, kann also frühe- stens ein Jahr nach der Beendigung des Streites um die Malefiwrte fertiggestellt worden sein. Wurde es nun nicht mehr gebraucht, wäre nicht nur die fehlende Resonanz begründet, sondern auch die nicht erfolgte Drucklegung.

2.2.2 Eine offIzielle, aber interne Klosterschrift Diese zweite Variante hängt tnit der ersten zusammen: Das Jus Statutarium war wohl ein of- fizielles Werk, aber nicht für die Oeffentlichkeit bestimmt, sondern eine klosterinterne Studie, um Argumente zur Verteidigung der stiftischen Position zusammenzustellen. Für diese Vermu- tung sprechen die gleichen Gründe wie oben. Gegen diese, wie auch gegen die erste Variante, spricht das vollständige Fehlen von Hinweisen in den zeitgenössichen Quellen. Da die äbtischen Diarien voller Details über die Tätigkeiten der einzelnen Mönche sind, ist es schwer erklärlich, warum ausgerechnet der Auftrag für eine so zeitraubende Arbeit nicht aufgezeichnet worden sein sollte.

2.2.3 Eine Privatarbeit Das Fehlen jeglicher Hinweise auf diese Arbeit in den offIziellen Quellen kann auch als Zei- chen für den privaten Charakter dieser Arbeit interpretiert werden. Für eine reine Privatarbeit, von Pater Bemhard in seiner Freizeit ohne weitere Absichten verfasst, scheint uns das Buch aber zu umfangreich und der Aufwand zu gross. Es würde auch der sehr praxisbezogenen Ausrichtung der damaligen Klosterjurisprudenz widersprechen. Es scheint wenig wahrschein- lich, dass ein Mönch in einem Kloster des 18. Jahrhunderts ein solches Werk verfassen, sich dazu in ausgedehnter Art und Weise der Bibliothek und des Archives bedienen konnte, ohne dass die Oberen sich dazu äusserten. Gegen den Charakter der Privatarbeit spricht auch die Tat- sache, dass ein Mönch als Verfasser auftritt und ein zweiter als sein Schreiber. Da weder ein Nachlass von Pater Bemhard noch vom Schreiber, Pater Rudolf, überliefert ist, wird schwer- lich zu klären sein, ob dieses mehrbändige Werk nur ihre Liebhaberei oder mehr war.

2.2.4 Eine Schrift der Oppositionsgruppe Eine weitere denkbare These wäre, das Jus Statutarium der innerklösterlichen Oppositions- gruppe zuzuordnen. Dadurch wäre auch eher verständlich, warum in den offIziellen Quellen dieses Werk geradezu totgeschwiegen wird. Die beiden Verfasser, Pater Bemhard und Pater Rudolf, gehörten in führender Position dieser Gruppe an. Die Mönche um Pankraz Vorster und Gerold Brandenberg hielten dem Abt auch vor, den materiell-weltlichen Niedergang des Klo- sters herbeizuführen. Der Zweck des Jus Statutarium hätte darin bestanden, dem Abt die Ge- samtlteit der Rechte des Stiftes vorzulegen, weIche er nicht oder nur unvollständig durchsetzte. Aber auch für diese Zuordnung gibt es keine zusätzlichen Indizien; nicht einmal im Tagebuch von P. Gerold Brandenberg war ein Hinweis zu finden.

2.3 Welche Variante ist die waltrscheinlichste? Aufgrund der angeführten Argumente, die jede der diskutierten Zuordnungen möglich scheinen lassen, halten wir die QualifIkation des Jus Statutarium als politische Kampfschrift zur Verteidigung der Rechtspositionen des Klosters für die waltrscheinlichste. Diese Auffassung soll tnit folgenden Ausführungen erhärtet werden.

2.3.1 Aufbau und Inhalt des Jus Statutarium Der Aufbau spricht für die Zuordnung des Jus Statutarium in diese Kategorie der juristi- schen Literatur. Dies zeigt sich in der sehr detaillierten Behandlung der Hoheitsrechte der Abtei,

Vgl. Jus Statutarium S. 413 und 872. -147 - vor allem für die Gebiete im Thurgau. Denn wie die Untersuchung zeigte!, sind die Ausfüh- rungen bei der Darstellung des Thurgaus eindeutig als Verteidigungsschrift angelegt: Es gab ei- ne langandauernde Praxis, die auch durch Urkunden abgesichert war; dann aber kamen die Eidgenossen und bestritten diese oder rnassten sich Rechte an, die dem Kloster zustanden. Diese Beurteilung wird durch die Tatsache gestützt, dass der Rest des Jus Statutarium eine (mehr oder weniger) kritiklose Abschrift der Landsatzung, des Landmandates und vieler Ein- zelmandate sowie der Offnungen ist, die gegenüber den beschriebenen Erlassen, von der Sy- stematik abgesehen, nichts Neues erbrachte. Zudem fehlen alle Hoffahrtserlasse in der Arbeit von Pater Bernhard Hannes; ein typischer Inhalt des Polizeirechts des 17. und 18. Jahrhunderts wurde hier vom Verfasser übergangen2• Ebenso liess er all jene Artikel aus dem Landrnandat, die Kirche und Seelsorge betrafen3, weg. Diese Gewichtung deutet daraufhin, dass das Jus Statutarium politischer Natur war und viel- leicht sogar konkrete Absichten in der damaligen Tagespolitik unterstützen sollte. Die beiden ausgelassenen Materien wären typische Sachgehalte absolutistischer Polizeirechtssammlungen gewesen. Deren Auslassung gibt daher der untersuchten Quelle eine andere Gewichtung, eine betont politische Dimension. Beim Vergleich der Ausführungen zur Alten Landschaft mit jenen zu den äbtischen Orten im Thurgau fällt das grössere Gewicht auf, welches die Religion erhielt; dies könnte die These von der politischen Ausrichtung der Quelle untergraben. Es gilt aber zu beachten, dass die Alte Landschaft vollständig rekatholisiert worden4 und die Herrschaft der Abtei St. Gallen von kei- ner Seite bedrängt, sondern stabil und gefestigt war5. Die Stellung des Klosters als Landesherr im Thurgau war dagegen keineswegs unangefochten. Die religiöse Gegensätze dienten nicht selten als Auslöser für Streitigkeiten und wurden oft für politische Zwecke ausgenützt. Hatte doch Zürich dauernd versucht, altgläubige Untertanen in Gebieten, in denen es eine gewisse Macht hatte, zu bekehren und damit völlig unter seinen Einfluss zu bringen. Deshalb kam im Thurgau der Religion auch eine politische Bedeutung zu. Unter diesen Voraussetzungen scheint es mehr als verständlich, dass Pater Bernhard Hannes auch die Religion einbeziehen musste. Wenn er für den Thurgau belegen konnte, dass dem Abt sogar das Weisungsrecht über reformierte Prädikanten zustand6, dann hatte er bewiesen, dass der Abt der eigentliche Herr des betreffenden Gebietes war und nicht die Eidgenossen, die nur vage Ansprüche gegen das Kloster geltend machen konnten.

2.3.2 Parallele Schriften Solche Schriften zur Verteidigung bestrittener Rechtspositionen waren durchaus "modern"; sie entstanden oft zur Verteidigung von Rechtspositionen geistlicher Herrschaften7• Von Art und Aufbau her ist das Jus Statutarium also keine Einzelerscheinung. Was aber die Zuordnung doch wieder fraglich erscheinen lässt, ist die zeitliche Verzögerung, mit der dieses St. Galler Werk auftaucht: Es entstand ja erst um 1780 und damit etwa 100 Jahre später als der über- wiegende Teil solcher Kampfschriften, die vorwiegend im späten 17. Jahrhundert verfasst wurden.

1 Vgl. § 1 D) S. 46ff. 2 Nur auf S. 693 des Jus Statutarium ist A 30 (A 32 in der Ls von 1594/1630, Edition, S. 41) angeführt, der verbot, ohne Rock und Mantel zu festlichen Anlässen zu gehen. Die ausführlichen Kleidermandate wurden nicht erwähnt, vgl. Müller, Landsatzung und Landmandat S. 264f. 3 Nämlich die AI, 2 sowie 4-12 des Lm; vgl. auch Müller, Landsatzung und Landmandat S. 238-245. 4 Duft. Glaubensorge S. 286ff. 5 Meier. Pankraz Vorster S. 54ff. 6 Vgl. z.B. Jus Statutarium S. 191. 7 Vgl. Merten. Die «Libertas Einsidlensis» S. 72ff. und Willoweit, Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt S. 4ff. -148-

Ausserdem passt die Arbeit aus dem Galluskloster auch deswegen nicht ganz in das Ge- samtbild dieser Gattung von Rechtsschriften, weil sie - im Gegensatz zum grössten Teil ihrer Vorgänger - nicht mehr gedruckt wurde. Der Adressatenkreis, für den sie gedacht war, dürfte sie daher kaum zur Kenntnis genommen haben. Doch die Zeit und die äusseren Umstände wa- ren wohl die Hauptgründe dafür, dass es zu keinem Druck mehr kam. So kurze Zeit vor dem Untergang hatte die Abtei wohl andere, gewichtigere Sorgen, als die Publikation eines Rechts- gutachtens zu veranlassen. Weil seit dem Frühjahr 1781 der Druck der Eidgenossen auf das Kloster nachgelassen hatte, das Jus Statutarium wahrscheinlich aber erst 1782 beendet wurde, kam es zu spät und war schon bei der Fertigstellung überholt. Dies würde auch das heute uner- klärliche Schweigen der Quellen zu dieser Statutarrechtssammlung etwas plausibler machen.

B) Die Bedeutung aus heutiger Sicht 1. Als Juristisches Werk Das Jus Statutarium scheint vom gros sen Vorsatz getragen worden zu sein, eine Gesamtdar- stellung des Rechts der Alten Landschaft, die thurgauischen Gebiete eingeschlossen, zu schaf- fen. Dieses Ziel hat Pater Bernhard beinahe erreicht. Er beschrieb in seiner Arbeit praktisch das gesamte geltende Recht des Klosters, von wenigen Ausnahmen abgesehenl . Aber das Jus Sta- tutarium ist noch mehr: Es ist auch eine Darstellung der Rechtsentwicklung im Klosterstaat; zwar ebenfalls keine vollständige, aber die wesentlichsten Entwicklungslinien wurden vom Autor, Pater Bernhard Rannes, dargelegt. Das Jus Statutarium ist aber doch keine Kompilation, weil es mehr als nur eine Zusammen- stellung geltender Rechtsnormen ist. Die Eingliederung der geltenden Erlasse in eine fremde, übernommene Systematik geht über eine reine Kompilation hinaus. Aber das Jus Statutarium ist noch keine Kodifikation. Es fehlt ihm sowohl an Lückenlosigkeit als auch am Bestreben, gene- rell-abstrakte Normen zu schaffen. Es verharrt in den alten Formen, die es nur wiedergibt, aber nicht weiterentwickelt. Das Jus Statutarium war in dieser Hinsicht keine Neuschöpfung: Das Werk Pater Bernhard's enthält keine eigene, selbständige Leistung. Daraus erklärt sich auch der fehlende Einfluss auf die Rechtsentwicklung, für welche die untersuchte Quelle als bedeutungslos einzustufen ist. Wie schon vorne gezeigt2, fand es weder in den zeitgenössischen Quellen einen Niederschlag, noch wirkte es in der Zukunft nach. Dieses umfangreiche Werk wurde nicht einmal zur Kenntnis genommen, denn sonst hätte Stiftsarchi- var Wegelin nicht 60 Jahre später schreiben können, er sei der erste, der eine Zusammenstel- lung der st gallischen Statutarrechte mache. Die politische Zwecksetzung der Arbeit, die sich unzweifelhaft in der Auswahl und der Dar- stellung der Quellen manifestiert, erklärt wohl zum Teil die fehlenden juristischen Neuschöp- fungen, die Voraussetzung für eine nachhaltigere Wirkung gewesen wären.

2. Als Historisches Dokument Trotz der relativ bescheidenen Bedeutung für die rechtsgeschichtliche Forschung über den Klosterstaat ist das Jus Statutarium in rechtstheoretischer und -soziologischer Hinsicht ein umso eindrücklicheres Dokument für die damalige juristische Denkweise von Vertretern der Benedik- tinerabtei St Gallen. Im Jus Statutarium kam die gewandelte Rechtsauffassung des 18. Jahrhunderts sehr deutlich zum Ausdruck: Recht wurde nicht mehr vereinbart, sondern als obrigkeitlicher Gesetzesbefehl erlassen. Dies zeigte sich in der Rechtsetzung des Klosterstaates, die zu neuen Formen fand. Waren es anfänglich die Offnungen, die auf Vereinbarung beruhten, kam im 15. Jahrhundert die Landsatzung dazu. Beide Formen wurden dann durch die Mandate bzw. das Landmandat ergänzt und abgelöst. Diese Ablösung trat in der Arbeit von Bernhard Rannes auch klar zu

1 Vgl. vorne A) 2.3.1 S. 146f. 2 VgI. vorne A) Möglicher Anlass S. 144ff. -149 -

Tage, wie gezeigt wurde. Ein lehrreiches Beispiel für diese Entwicklung ist das Verbot, sich fremden Gerichten zu unterstellen: Obwohl dies 1483 vereinbart wurde, wird es im 18. Jahr- hundert als obrigkeitlicher Befehl dargestellt und auch so aufgefasstl . Die gewandelte Staatsauffassung zeigte sich ebenso deutlich im Jus Statutarium. Die Macht des Abtes grundet nicht mehr auf der Vereinbarung, wie es den historischen Tatsachen ent- sprach, sondern wurde dargestellt, als ob sie dem Abt von oben, in letzter Instanz von Gott, verliehen worden wäre2• Auch das Kloster war zu einem Obrigkeitsstaat mit absolutistischen Tendenzen geworden3. In dieses Bild passt auch die Betonung der leibherrlichen Rechte im Jus Statutarium4• Dies, sowie das Betonen von Fall und Henne zeigen deutlich die absolutistischen Herrschaftsansprüche, die das Kloster gleich wie ein weltlicher Herrscher geltend machte. Die Darstellung der Auseinandersetzung zwischen der Abtei und den Ständen der Eidgenos- senschaft entbehrt nicht einer gewissen Spannung. Der Streit ging ja darum, wer in den fragli- chen Gebieten die Herrschaft besass: Dieser Streit wurde nicht mit ,,klassischen Machtmitteln" geführt, sondern als "Auseinandersetzung um das Recht". Die beiden Parteien versuchten zu beweisen, dass ihr Standpunkt mit den älteren Rechten abgesichert und geschützt war, dem alten Herkommen entspreche. Damit verhielten sie sich konträr zu ihren sonstigen Positionen: Dort, also nach innen, galten die alten Rechte nicht mehr viel, wie sich das auch in den Ausfuh- rungen Pater Bernhards zeigt; aber nach aussen berief man sich doch noch auf alte, seit Jahrhunderten geltende Traditionen. Das Jus Statutarium ist wohl kein Markstein in der Rechtsentwicklung des Klosterstaates, noch viel weniger darüber hinaus, rief es doch weder zu seiner Entstehungszeit noch danach je irgendwelche Entwicklungen hervor. Das Jus Statutarium ist aber ein sehr eindrückliches Zeugnis für die Staats- und Rechtsauffassungen von Patres aus der Abtei St. Gallen im späten 18. Jahrhundert.

Vgl. vorne § 12 B) 3.2 S. 142f.; vgl. auch Jus Statutarium S. 19 und Müller, Landsatzung und Landmandat S. 178 u. 285 sowie Edition Nr. 2, S. IOff. 2 Jus Statutarium S. 1-36 u. S. 128 Zeilen 11-14 iVm. S. 13ff. Vgl. aber die tatsächliche Entstehung bei Müller,Offnungen: Kapilel B. Ursprung, Bedeutung und Ende der SL Galler Offnungen, S. 33-61. Müller, Landsatzung und Landmandat S. 294f.: .. Das sL gallische Staatskirchentum gründete im Absolu- tismus"; vgl. auch Meier, Pankraz VorsIer S. 54f. u. 56ff. 4 Vgl. Jus Statutarium S. 16f., 21fr. u. 107, wo die Schiedssprüche für Rorschach von 1559 bez. der Leib- eigenschaft erwähnt wurden.

Anhang

Anhang 1 Seite 153

Inhaltsverzeichnis des Jus Statutarium Veteris Territorii

Liher primus Einleitung Recbtsquellen des Kloslerstaates ...... •...... •...... 1 Staatsrecht Pars Prima de J ure Personarum De Servis ...... 3 De Divisione Territorii nostri (vgL Anhang 2) ...... •...... 4 Sectio Prima: Territorij veteri in genere extra limites Turgoja Grenzbeschreibung ...... •...... 13 Entslehung der Recble des Abtes ...... ~ ...... 15 Die Rechle des Ables ...... 16 ~~::~j~~~~:a~·~~iti~~::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::. ~~ FalL ...... 21 Fasnachtshenne ...... •...... • 22 Leibeigenschaft...... 24 Vectigalia et Detractus ...... 29 Collectationes ...... •.... 34 Regalien ...... •...... •. 36 Sectio Secunda: Oe Praefectura et locis in specie Das Landeshofmeisleramt Das Hofgericht ...... •...... 37 Bernhardzell ...... •...... 37 Straubenzell ...... •...... 40 Rotmonlen ...... 42 Die übrigen Hauptmannschaflen ...... 43 Tablat ...... •...... 44 Muolen ...... 46 Das Wileramt Einleitung ...... 51 Stadt Wil Verhältnis Stadt· Ablei...... 51 Pflichlen und Rechle der Stadt ...... 54 Blutgerichtsbarkeit in der Stadt WiI ...... 55 Oe Jure Emigrationis ...... 56 Militärpflicht und Kriegsabgaben ...... 58 OerFall ...... 59 Sleuem und Abgaben ...... 60 Das Marktrecht ...... 62 Oberhoheit des Ables ...... 64 Gesetzgebung durch den Rat ...... 65 Gesetzgebung durch den Abt ...... 66 Verhältnis Rat·Abt ...... 67 Rechtsprechung durch den Rat...... 69 Zwangsgewalt des Rates ...... 72 Verhaftungskompelenzen von Rat und Abt ...... 75 Städt. Steuern und Abgaben ...... 77 Der Eid der BOrger und des Abtes ...... 78 Befugnisse des RaIeS bez. der Märkle ...... 80 DasBUndnisrecht ...... 82 Schlussbetrachtung ...... 84 Zuzwil. Ziberwangen und Wigern ...... 87 Zuckenriedt. Oberheinen und Gabris ...... 91 Helfenschwil...... 93 Lenggenwil. AmpleDzell.Thurstuden ...... 94 Ober- und Niederbüren ...... 96 Das Rorschacheramt Klosler Rorschach (Mariaberg) ...... 105 Das Gericht Rorschach Rechle des Abtes hier ...... 106 Fall ...... 107 Anhang 1 Se~e 154

Blutgerichtsbarkeit...... 108 Madct und Geld ...... · ...... 109 Strafen und Bussen ...... 110 Die zugehörigen Hauplmannschaften ...... 111 Untereggen ...... 111 Gaissau und Wettler...... 112 Goldach ...... 114 Steinach ...... 117 Mörschwil ...... 119 Tübach ...... 120 Das Oberbergeramt Gossau, OberdOlf, Gebhardschwil...... 121 Amegg, Niederwil...... 122 Waldkirch...... 123 Andwil...... 124 Sectio Tertia: De J uribus Monrii S. Galli in Turgoja in genere Begründung der Rechte der Abtei ...... 126 Warum diese Orte zur Alten Landschaft gehören ...... 127 Aufzählung der "Malefitz-Orth" ...... 130 Die weiteren Orte im TG, in denen die Abtei Rechte hat ...... 131 Jurisdictio in diesen Orten in 5 Grundsätzen ...... 132 1. Malefitzorte seit Urzeiten unter der Abtei...... 132 2. Kaiser behielten sich nur das Jus Gladium vor ...... 134 3. Abt war der alleinige Gerichtsherr Abt übte immer jurisdictio aus ...... 136 Abt erhob immer Abzug ...... 141 Abt besass Potestas judiciaria et coercitiva ...... 142 Abt hatte Strafhoheit...... 142 Den Kantonen standen nur Criminalia Majora zu ...... 147 Treueeid der Untertanen ...... 150 MannschaflSrecht...... 150 Fasnachtshenne und Fall ...... 152 FeudaigerichlShoheit...... 153 Abt hatte Bündnishoheit fUr Thurgau ...... 154 4. Abt kam plena Potestas Territorialis zu Kantone schUtzten Rechte des Abtes gegen Untertanen ...... 156 Abt konnte Bott und Verbott erlassen ...... 160 Schuld und Erbfälle fielen in die Hoheit des Abtes ...... 164 Strafgerichtsbarlceit stützte Auffassung der Aebte ...... 168 Heirat zwischen thurg. und äbt. Einwohnern ...... 175 Verhältnis Abt-Landvögle ...... 176 Territorialhoheitsstreit von 1567 ...... 177 Untertanen schwören Eid dem Abt...... 178 SchiedsprUche gelten fUr alle Kantone...... 179 Abt hat Dominium etJurisdictio suprema in Krieg und Frieden ...... 181 Abt hat Gewalt über unehelich Geborene ...... 182 Abt bezieht Fall und Fasnachtshenne von Vagabundis ...... 184 Abt bezieht Fall von Unehelichen ...... 185 5. Kantone hätten sich nur Criminalia vorbehalten Kantone wUrden Hoheit des Abtes nicht beschneiden ...... 189 Kantone gestanden Abt alle Gerichtsherrlichkeit zu ...... 190 Zusammenfassung der 5 Grundsätze Jurisdictio Territorialis ist bewiesen ...... 194 Anspruche der Kantone sind widerlegt Abt herrschte, bevor Kantone im TG einzogen ...... 195 Abt übertrug 1451 den Kantonen keine Rechte ...... 196 Kaiser bestlltigen Exemtionen auch nach 1451...... 197 Kantone anerkannten Vorrechte des Abtes 1491...... 198 Schwabenkrieg änderte nichts am Grundsatz ...... 199 Sonderstellung des Klosters bez. des Jus gladium ...... 200 Streit um Hochgerichtsbarkeit der Kantone ...... 201 Versch. Gerichtsherren miteinander war möglich ...... 202 Heute gebe es vier Arten der J urisdictio ...... 203 Grenzverträge bez. der Gebiete im Thurgau ...... 205 Anhang 1 Seite 155

Sectio Quarta: Oe Locis Turgoja in specie Oie "Malefitz-Onh" Sommeri, Hemerschwil, Kumbertshausen ...... 212 "Bergknecht", Wuppenau, Wilen, Ambtzell, Waiblingen, Buwil uäm .•••••••••.•...... •••.•.••.•.•••.... 216 Unterer Schneckenbund ...... 222 Sonderfall für Wuppenau, Rickenbach und Schneckenbund ...... 223 Hosenrock, Rüedewil ...... 224 Rickenbach, Wilen, Buswil ...... 226 Hüttenschwil...... •...... 231 Katzensteig, Blasenberg, Siebenhausen ...... 237 Aich (vgl S. 259), Enetach ...... 238 Freigericht unter den Thurlinden ...... 240 Sitterdorf...... 242 Romanshorn ...... 246 Salmsach ...... •...... 250 Kesswil...... 253 Herrenhof...... •...... 256 Gennanshausen ...... 257 Aich (vgl S. 238) ...... •...... 259 TG-Orte mit imperfecta jurisdictio Einführung ...... •....•.... 260 Uuwil...... •...... 261 Silva Uttwilensis ...... 263 Oozwil ...... 264 Blidegg. Hagcnwil...... 268 Zuben ...... •.•...... 267 Zihlschlacht, Hefenhofen ...... •...... 271 Hauptwil. Augia bzw. Au ...... 271 Roggwil...... 272 Wängi ...... 273 Vertrag von Weinfelden von 1752 ...... •...... •.•...•...... 279 Oe Nuptiis ...... 284 De Tutelis et Curatelis ...... 292

liber secundus De acquirend rerum Dominio ...... 310 Sectio 1: de rebus publicis, seu quae olim fuemnt publicae ...... 312 Regalien des Abtes, allg. BegrUndung ...... 312 Jagd., Fisch- und Vogelfangregal ...... 313 Schiffahrtsregal anf Bodensee und Rhein ...... 316 Schliesst Zollerhebung auf verschifften Gütern ein ...... 316 Hafen von Steinach, Pflichten der Schiffer ...... 317 HandelsvertIilge Vertrag zwischen Abtei und Konstanz über Warenhandel...... 318 Vertrag zwi. Kloster. Stadt SG und Arbon über Warenhandel...... 320 Zollrecht des Abtes in Horn ...... 323 Zollerbebung in Langwatt, Streit von 1720 ...... 326 Erlass von Fischereiordnungen ...... 327 Regalrechte in Wängi ...... 330 Sectio 2: de rebus universitatis ...... 337 Wald- und Hotzordnung Landmandatsartikel...... 338 Spezialmandate...... 341 Holzordnung für Bernhardzell ...... 344 Holzordnungen bzw. Vergehen in Wäldern in weiteren Gerichten ...... 349 Rechtsnormen flir Wiesen und Weiden (Pascua) ...... 368 Hospital und Armenhaus in Wil ...... 377 Schnetztor in Wil ...... 381 Schützenhaus in St Fiden ...... 383 Regelungen für Wege, Zäune. Hölzer. Fluren und Grenzen ...... 385 Erntekommission flir Getreide und Trauben ...... 395 Bürgerrecht oder Jus Communitatis Regelung in der Stadt WH ...... 397 Anhang 1 Seile 156

Die andem Orte der Alten Landschaft Erwerb des Gemeindebürgerrechts (Jus Communitatis) Mann heiratet Frau aus fremdem Dorf ...... 409 Mann heiratet und zieht ins Dorf der Frau ...... 410 Voraussetzungen für vollberechtigtes Gemeindeglied ...... 413 Erwerb durch Ersitzung ...... 414 Behalten des Jus Communitatis trotz Abwesenheit ...... 418 Gänzlicher Verlust des Jus Communitatis ...... 422 Veto des Abtes bei Aufnahme durch die Gemeinde ...... 428 Pflichten der neu ins Bürgerrecht aufgenommenen ...... 429 Pflichten der Hintersllssen gemäss Lm A 20 ...... 430 Verteilung der Einbürgerungstaxen ...... 431 Verbot, arme Frauen zu ehelichen, Lm A 18 ...... 442 Einzelne Orte anband der Offnungen und Einzugsordnungen Rorschach ...... 432 Oberdorf...... 436 BernhardzeIL ...... •...... 438 Goldach ...... 440 Steinach, Tübach ...... 441 Zuzwil, Weihern und Niederhofen ...... 443 Zuckenriedt ...... 444 Rossrütti...... 446 Bronschhofen ...... 448 Romanshorn ...... 450 Kesswil ...... 451 Dozwil...... 452 Buwil...... 454 Thurgau Friedensverträge von 1712 bzw. 1718 gelten ...... 457 Die einzelnen Orte gemllss der Offnungen und Einzugsordnungen ...... 459 Volksversammlungen und Zusammenkünfte Nur mit Erlaubnis des Abtes zulässig ...... 469 Einzelne Orte besonders erwähnt ...... 471 Grenzziehung in WiJ ...... 475 Erlasse gegen Bettler und Fahrende Landmandat ...... 478 Spezialmandat vom 28.3.1742 gegen Bettler ...... 479 Spezialmandat vom 28.3.1742 gegen Fahrende ...... 484 Spezialmandat vom 12.11.1752 ...... 491 Spezialmandat vom 13.3.1760 ...... 493 Sectio 3: de rebus singulorum ...... 498 Allgemeine Einführung, was darunter flUlt ...... 499 Tavernen ...... 500 Bewilligung anderer Gewerbe, Lm 45 ...... 504 Die einzelnen Orte Straubenzell, StlldierWalke ...... 506 Rorschach ...... 507 StraubenzeJl, Rounonten ...... 512 Tablat ...... 514 Zuckenriedt, Kesswil ...... 515 Herrenhof, Rickenbach ...... 515 Gebhardschwil...... 516 Buwil, Rickenhueb ...... 517 Wil Weinsteuer im Vertrag von 1401...... 519 Tavernenrecht ...... 519 Bäcker...... 521 Steuern der Handwerker an Abtei...... 524 Erlaubnis, Mühlen errichten zu dürfen...... 525 Vorschriften für das Leinwandgewerbe...... 525 Weitere Tavernenvorschriften ...... 527 Grenzabstände von Bäumen, Lm A 44 ...... 528 Anhang 1 Seite 157

De Servitutibus ...... 530 Allgemeine Einführung ...... 530 Unterhalt der Sttassen gem. Offnungen und Lm 35 ...... 531 Unterhalt der Quellen und Brunnentröge ...... 533 Sttassenunterhaltspflichten der Stadt St Gallen ...... 535 Winterwege sind zu gestatten und zu unterllalten ...... 538 Ueber den KeInhof...... 539 WH: servitutes publicis Wasser und Weiderechte fiIr Kloster und Abtei...... 542 Baupflichten des Abtes ...... 543 Weitere DienstbaIkeiten siehe andernorts ...... 544 De usu et habitatione...... 546 Hausvolk nur mit Erlaubnis aufnehmen, Lm 21...... 546 Knechte dürfen kein eigenes Haus haben, Lm 22 ...... 547 De usu capionibus ...... 550 Schulden innen 9 Jahren einkIagen, Lm 69 ...... 550 Frist, um Monasteriale zu werden ...... 551 Abweichungen vom Zugrecht (vgI. S. 614ff) ...... 551 Offnung von Rickenbach, Ersitzung ...... 551 De Testamentis ...... 554 Testierfreiheit der Klosterleute ...... 554 Vorschriften für Testamentserrichtung von 1635 ...... 554 Einscluänkungen der Testierfreiheit(Lm 79 u. 81) ...... 555 Mündliches Nottestament ...... 556 Erbrechtssonderregelungen für Wil ...... 558

Iiber tertius Quibus modis reo contrahitur obligatio...... 562 Einfilhrung: Darlehen, Zinsen, PllInder...... 562 Zinsen Nur Zins auf Geld gestattet, Lm A 52 ...... 562 Verbot, auf künftige Erbschaft zu leihen, Lm A 70...... 563 Wie Schuldbriefe errichtet werden, Lm A 51...... 563 Spruch von 1525 bestätigt Grund- und Bodenzins ...... 564 Höchstzinsvorschriften ...... 565 Errichten von Schuld- und Zinsbriefen Errichtung vor Gericht ...... 567 Vorschriften darüber in den Offnungen ...... 567 SpeziaImandat vom 5. April 1757 ...... 569 Vorschriften über die pfandbestellung Erlass des Hofgerichts von 1736...... 578 PIlInder nach Erbrecht, für Frauengut, Missbrauch ...... 580 Für Auswärtige zu bürgen bedarf einer Bewilligung ...... 583 Verbot, PIlInder doppelt zu bestellen ...... 584 De Fidejussoribus ...... 586 Bewilligung nötig, um Bürge zu sein ...... 586 Gantordnung und Lm regeln Bürgschaft ...... 586 De Emtione et Venditione ...... 590 Vieh und Textilverkauf reglementiert...... 590 Weitere GeschlIfte, die einer Bewilligung bedürfen ...... 591 Was Auswärtige nicht kaufen dürfen ...... 594 Immobilien, Mobiliendefiniton durch Art. 1 des Erbrechts ...... 595 SpeziaImandat vom 20. Dezember 1763 ...... 596 Justum Pretium Verbot des Fürkaufs ...... 597 Marlctvorschriften ...... 597 Regelung des Kaufs auf Wiederkauf...... 598 Preise für Gastwirte und Schenken (vgl. S. 662) ...... 600 Mandat vom 27.12.1770 für Bäcker (vgl. S. 666) ...... 601 Sog. Weinkauf, Lm A 63 ...... 604 Pflichten beim Verkauf GeschlIfte sind innen 2 Monaten zu besiegeln ...... 606 Belastungen von Grundstücken sind anzugeben ...... 606 Uebertragung gekaufter Lehensgilter...... 607 Anhang 1 Seite 158

Immobilienkllufe im Wirtshaus, Lm A 60 ...... 611 Gewährleisnmg fiIr Vieh ...... 613 Zugrecht (vgl. S. 551) Wie Zugrecht ausüben ...... 614 On, wo Zugrecht ausgeübt werden kann, muss ...... 614 Käufer muss die Zugberechtigten informieren ...... 616 Anspruch am rechten On anmelden ...... 618 Gerogenes Gut ist best. Zeit zu behalten ...... 619 Zugpreis wird amtlich festgelegt ...... 620 Wer ist zugberechtigt ...... 621 Fristen, in denen Zugrecht ausgeübt werden kann ...... 623 Gemäss Lm 64 gegenüber Fremden ...... 623 Gegenüber Monasterialen gemäss Mandat von 1763 ...... 623 Sonderregelungen je nach Art des Kaufgutes ...... 624 Offnungen sehen z.T. andere Fristen vor ...... 625 De Locatione et conductione ...... 629 Einführung ...... 629 Vorschriften für Handwerker Wil: über die Müller ...... 630 Spezialmandat für die Müller vom 10. Mai 1771...... 630 Erlasse für andere Handwerker ...... 636 Arbeitsrecht...... 636 Lehenswesen oder Emphyteusin Receptio feudorum Lehensempfang grundsätzlich, Lm 39 ...... 638 Verschiedene Arten von Lehen Nach Dauer der Belehnung ...... 639 Nach Uebergang der Lehen ...... 639 Wie erfolgt der Lehensempfang ...... 640 Konstanz anerkennt Käufe von Zehntlehen ...... 642 Permutatio von Lehensgütern ...... 643 Taxa seu Laudernium Hängt ab von der Art des Lehens ...... 644 Welche Taxen fallen an ...... 646 Bezahlung der Taxen ...... 647 sumtus in rem emphyteutica ...... 650 De Societatibus ...... 653 De Obligatione ex quasi.contractu ...... 657 Die Pflichten aller Beamten des Abtes ...... 657 Die Pflichten der Wächter ...... 661 Von den Pflichten der Wirte(vgl. S. 600) ...... 662 Von den Pflichten der Müller(vgl. S. 630) ...... 664 Von den Pflichten der Bäcker(vgl. S. 601) ...... 666

liber quartus De obligationibus ex delicto, ubi de furto agitur ...... 669 Vertrag über Vindikation gestohlener Güter...... 669 Einzelne Delikte FrUchte von fremden Bäumen stehlen, Lm 26 ...... 670 Ackergrenze überpflügen ...... 670 Grenzsteine verschieben ...... 671 Gut weggeben, das einem nicht gehört ...... 672 Auf fremdem Boden Holz oder Früchte auflesen ...... 672 Fälschung von Mass und Gewicht...... 674 de Lege aquilia ...... 677 Tötung eines Menschen, nach Offnungen ...... 677 Etwas gegen jemanden werfen(vgl S. 686) ...... 678 Nachtschachen ...... 679 Feuer nicht richtig bewachen ...... 679 Rüthinen anzünden verboten, Lm 40 ...... 679 De Injuriis ...... 681 Jemanden mit Worten verletzen od. herausfordern ...... 681 Jemanden mit der Faust niederschlagen ...... 682 Jemanden zu Boden schlagen ...... 684 Anhang 1 Seite 159

Gegen jemanden ein Messer ziehen ...... 685 Gegen jemanden etwas werfen und nicht treffen ...... •...... 686 Jemanden vor dem Haus provozieren ...... •...... 687 Jemanden in sein Haus verfolgen ...... 687 Ehrverletzungen ...... •...... 688 De Obligationibus ex quasi-delicto ...... 689 Wer haftet, wenn Knechte einen Schaden anrichten ...... 689 Wie Feuer herumgettagen werden darf...... 690 Verbot best. Jagdarten, Ls 38 ...... •...... 690 Verbot, Märzen-Funken anzuzünden, Lm 71 ...... •...... 690 Sonderregelungen für einzelne Orte...... 691 Ohne Rock und Mantel ausgehen, Ls 30 ...... 693 De actionibus ...... 697 Einleitung ...... 697 Die Klagearten Anvertrautes Gut wird nicht zurtickgegeben ...... 697 Schulden bei Auswanderung nicht bezahll ...... 698 Zinsen nicht bezahlt, wie Pllinder errichten ...... 699 Klagen über Löhne und Darlehen ...... 700 Pfilnder Sinn des PflInderstellens ...... 701 Weibellohn für PfandbesteIlungen ...... 704 Wer rechtrnllssige PflInder verweigert ...... 709 Wer gar keine Pfänder geben wilL ...... 709 Wer unberechtigt Pf'Jnder fordert...... 711 Wer weder pfand noch Geld hal ...... 712 Wer bei Pfandbestellung nicht dabei isl ...... 726 Was geschieht, wenn Schuld vor Gericht anerkannt ...... 702 Fristen für Bezahlung von Bussen ...... 705 Versteigerungen und Ganten Fremde sind davon ausgeschlossen, Lm 66 ...... 713 Von Gut eines Ueberschuldeten, Lm 68 ...... 712 Gebühren für Versteigerungen ...... 726 Offnungen zu Versteigerungen ...... 726 SchKG-Recht Schuldordnung für LHA von 1675 ...... 707 Neue Schuldordnung vom 1. Mai 1761...... 714 Sonderrregelung für Bürgschaften ...... 725 Si quadrupes pauperiem fecisse dicatur ...... 729 Normale Strafe gemäss vielen Offnungen ...... 729 Wenn das Tier noch Zäune zerstört ...... 729 Sonderfälle in einigen Orten ...... 731 Wenn Schweine Schäden anrichten ...... 732 Gänse z.T. auch noch erwähnL ...... 734 De Satisdationibus...... 737 Fremde, die Sttaftat begehen, müssen bürgen ...... 737 Wer appellieren will, muss für Streitwert bürgen ...... 738 Fremde müssen Recht des Gerichtes anerkennen ...... 738 De poena temere Iitigantium et de in jus vocando ...... 741 Wer leichtsinnig klagt, muss Kosten und Busse tragen ...... 741 Wer sich flIIschlicherweise als unschuldig rühmt...... 743 Wer jemanden beschuldigt und es nicht beweisen kann ...... 743 Wer res judicata wieder "aufwärmt" (vgl. S. 823) ...... 744 Citationes, oder wer wen wie vorladen kann Allg. Regel kenne jede Offnung ...... 745 Ob, wann und wie Fremde vorzuladen sind ...... 746 Formvorschriften für Vorladungen ...... 747 Weibellohn für zustellen einer Vorladung ...... 749 Wie den Weibel oder Ammann einberufen, Zuckenriedt ...... 750 Vor Arrestbegehren ist Klage zu erheben, Rickenbach ...... 751 Regeln für das Jahrgericht...... 752 Pflichten der Richter Die aufgebotenen Richter müssen erscheinen ...... 753 Sonderform der sog. Muthgerichte ...... 753 Anhang 1 Seite 160

Eine Art Aufsichtsbeschwerde über Richter in Wängi ...... 753 De officio judicis ...... 757 Electiones Officialiwn et oorum juramentum ...... 758 Wahlen Des Capitaneatus in den 7 Hauptmannschaften im LHA ...... 758 Des Amrnanns nach vielen Offnungen ...... 758 Des Gerichtes gemäss den Offnungen ...... 761 Des Weibels ...... 763 Der Beamten in gemischt·relig. Gebieten ...... 764 Abt kann z.T. Gerichte selbständig besetzen ...... 765 WH Die Beamtungen der Stadt Rat...... 766 Schulthess ...... 766 Stadtschreiber...... 767 Weibel...... 767 Die weiteren Beamten gemäss der Verträge ...... 768 Die Beamtungen des Abtes Reichsvogt...... 770 Ammanus Aulicus oder Hofammann ...... 770 Consiliarii Palatinii oder Pfalzrllte ...... 771 Gerichtsprobleme Ausstandsregelungen ...... 772 Abt oder seine Beamten klagen gegen Stadt ...... 772 Eide WH Des Reichsvogtes ...... 773 Des Magnus Apparitor (Oberweibels) ...... 775 Von Schulthess und Ral ...... 776 Der Stadtbilrger ...... 777 In den übrigen Orten Des Ammmans ...... 779 Der Richter ...... 780 Der Quatemarii impartiales ...... 780 Der Weibel...... 782 De Officio, Potestate et privHegiis ...... 783 WH (vgl. auch S. 5lff.) Reichsvogt Wenn er an Ratsitzungen teilnimmt ...... 783 Kann selber Ratssitzungen einberufen ...... 784 Kompetenzen in Criminalia ...... 784 Bei Verhaftungen ...... 785 Der Hofammann oder Ammanus Aulicus Er nimmt an allen Ratssitzungen teiL ...... 786 Er urteilt über Poenas und Temeritates ...... 786 Wenn er nicht an die Sitzungen darf...... 787 Bei Befangenheit, Stellvertreter ...... 788 Bei allem andem ist er dabei...... 788 Die Consiliarii Palatini...... 789 Vertlrechen ausserhalb der Aula Wylensis ...... 789 Stellung der Knechte der Aula ...... 789 Die Rechte des Rates Gerichtshoheil ...... 790 In Criminalia diff. Regelung ...... 791 Er kann bestrafen (vgl. auch S. 51·85) Laesio pacis mit Worten ...... 793 gewisse Eidbrüche...... 793 Verhllltnis Abt - Stadt Abt kann Stadt gew. Befehle erteilen ...... 795 Stadt kann bei Streit Schirmorte rufen ...... 795 Wenn ein Wiler gegen Kloster Untat machl ...... 795 Rorschach Verhältnis Reichsvogt·Ammann ...... 797 Wer die Mannrechtsbriefe ausstellt ...... 797 Anhang 1 S9~9 161

Wer die Pässe ausstellt...... •...... 798 Regelungen für das Waisenrecht...... •...... 798 Ammann und Gericht können Mandate erlassen ...... •...... •...... 800 Gericht...... 80 I Entscheid der Kanzlei zum Siegelgebmuch ...... 803 Die übrigen Orte Ammann richtet nicht über: Lebenstlllle ...... 804 Wenn, dann nur bis best. Streitwert ...... 804 Auch nicht über Temeritates, Rickenbach ...... 804 Ammann richtet über: Fälle, die Wiesen betreffen ...... 805 Ueber Realzinsen ...... 805 Temeritates, die in Praedüs geschahen ...... 806 Criminales stehen dem Hochgericht zu ...... 807 Die Gerichte an sich, die Tagesordnungen ...... 808 Einteilung der Gerichte I. Art der Gerichte Extera Judicia Verbot, sich fremden Gerichten zu unterwerfen ...... 808 Verbot, sich an fremde Gerichte zu wenden ...... 808 Abt kann Ausnahmen gewähren ...... 809 in ipsa Coite aut Territorio competente ...... 808 2. Art der Gerichte Judicium coitatis ordinaria 1-3maljährlich ...... 810 Imal w1lchentlich ab 10 Uhr ...... 815 Täglich für Gäste, ausser an hohen Festtagen ...... 815 Judicium coitatis extraordinaria, seu emta ...... 808 Besetzung der Gerichte Nur gewählte Richter können abstimmen ...... 816 Zeugenentschädigung, Ls 17 ...... 816 Tagesordnungen der Gerichte In den einzelnen Orten Ordentliche Tagesordnung ...... 812 Ausnahmen an einigen Orten gemäss den Offnungen ...... 812 Wil Jahrgericht...... 813 Rechtskraft verschiedener Urteile Urteil des Hofammanns in Ziviillil1en ...... 817 Urteil des Hofammanns in StrafflUlen ...... 818 Urteile der Räte der Stad!...... 818 Wie ausgeflUlte Strafen eingetrieben werden ...... 822 Thurgau Landvogt kann keine geheime Strafverfahren durchführen ...... 817 Vorschriften für die Landvogtei von 1718...... 825 Mandat gegen übermässiges Trinken ...... 825 SonderflUle Zuzwil: Vogt als Zeuge ...... 816 Wängi: bes. Gericht...... 817 Wie Schulden einklagen ...... 822 Rickenbach: MiUllterscbafL ...... 822 Res Judicata, Ls 15(vgl. S. 744) ...... 823 "Fixgeschäfte" in den Offnungen ...... 824 Bei Bürgschaften ...... 824 Wenn Anwälte vor Gericht auftreten ...... 818 Gerichtspolizei Ungebührliches Benehmen ...... 819 Freches, vorlautes Reden vor Gericht ...... 820 Sonderfiille ...... 820 Gerichtsgebühren Gewisse Gebühren, dass Gericht überhaupt tagt ...... 819 Weitere Gerichtsgebühren ...... 821 Für Urkundenausstellung ...... 607 Anhang 1 Seite 162

FUr Sondergerichte ...... 810 FUr Gewaltsbriefe ...... 810 Jus appellationis Voraussetzungen der Appellation gemäss Ls 16 ...... 827 Verfahren der Appellation ...... 828 Die einzelnen Orte Rorschach bes. Regelung, Vertrag von 1755, Art 6...... 829 Offnungen regeln einiges ...... 830 WH Vgl. S. 71, 77, 814, 817 u. 831...... 830 Vertrag von 1733 grav. 2 spec. 5...... 831 Apellation auch an den Abt möglich ...... 831 Thurgau ...... 831 De Publicis Judiciis ...... 833 Einleitung ...... 833 Verbot alle FriedensslÖrungen ...... 833 Friedbieten ...... 834 Delikte gems Ls A 19 - 22 Friedbieten ...... 836 Wem Fried geboten wird, muss sich fügen ...... 836 Alle Beteiligten müssen sich fügen ...... 836 Wenn ein Friedbieter verletzt wird ...... 836 Friedbruch mit Worten, gemäss Offnung strafen ...... 836 Friedbruch durch Tat und Gegner blutel ...... 837 Friedbruch, nachdem Friede geboten wurde ...... 837 Wer nicht hilft, Friedbrecher zu fangen ...... 837 Einzelne Offnungen bestätigen diese Ls Artikel...... 837 Weitere Delikte gemäss Landsatzung Verdächtige sind zu ergreifen, A 11...... 839 Einen anderen tödlich verletzen, A 2...... , ...... 839 Mit dem Beymesser jemanden verletzen, A 31...... 839 Delikte gemäss Offnungen Wllngi, Verdächtige ergreifen ...... 840 Meineid, viele Offnungen ...... 841 A1lg. Pflicht, den Beamten zu folgen ...... 842 Vergehen gegen die Sittlichkeit...... 843 Weitere Verbote Verbot von sog. Chorea, Reigen ...... 845 Romanshorn, Versammlungsverbot...... 845 Verbot von nächtlichen Zusammenkünften ...... 845 Dieses letzte auch in Offnung von Wängi ...... 845

Erbrecht Traktat von Pater Iso Walser...... 848 De jure testando ...... 850 De successione inleStalO in genere ...... 851 De successione intestato in specie ...... 855 1. Klasse ...... 856 2. Klasse ...... 860 3. Klasse ...... 862 4. Klasse ...... 866 5. Klasse ...... 869 6. Klasse ...... 870 Die Morgengabe ...... 873 Dekret wegen der Leibdinge der Eheleute von 1680 ...... 874 Abzugsordnung vom September 1696 ...... 878 Register Anhang Gnadenbrief von Abt Kaspar von 1451 Schiedsspruch der Eidgenossen vom 9. März 1461 Spruch der vier Schirmorte vom 7. Mai 1490 Quaestio über die Steuerpflicht der Klostergüter Anhang 2 Seite 163 Die Einteilung der äbtischen Lande (gemllss der Zusammenstellung aus dem Jus Statutarium S. 4 bis 12) I. Im Jus Statutarium Veteris Territorii werden behandelt: A) Alte Landschaft oder Territorium Vetus a) Laodeshofmeisteramt Hofgericht (bestehend aus 7 Hauptmannschaften) - Sttaubenzell - Wittenbach - Lömmenschwil - Gaiserwald -Berg - Rounonten - Bemhardzell Tablat - St. Fiden -St.Georgen Muolen Sommeri im TG gelegen Roggwil im TG gelegen Hagenwil im TG gelegen b) Wileramt HofWil (Aula Wilensis) StadtWil Zuzwil Zuckenriedt Helfenschwil Lenggenwil Oberbüren Niderbüren "Bergknechten" - Gericht Oberer und Niderer Schneckenbund Rickenbach, im TG gelegen Wuppenau, im TG gelegen Hüttenschwil, im TG gelegen Freigericht an der Thurlinden -Oel1wil - A1mensperg - Welfensperg - GrIlthensperg -Wupichen - SchÖDholzerswil - Waiblingen - Zum heiligen Kreuz -NolIenberg -Oberbuwil - und weitere Orte in der Alten Landschaft, im Toggenburg und im TG Herrschaft Wängi Anhang 2 Seite 164 c) Rorschacheramt Kloster Rorschach/Mariaberg Hof Rorschach - ROIl>Chacherberg - Eggersriet -Grub - Untereggen - Gebiete am Alten Rhein zusammen mit Gaissau Goldach Steinach Mörschwil d) Oberbergeramt Gossau Oberdorf Arnegg Niderwil Waldkirch Andwil Sitterdorf im TG gelegen e) Romanshorneramt Romanshorn Kesswil Gennanshausen Herrenhof Zuben Dozwil Sylvae Uttwilensis f) Orte im TG mit unserer Jurisdiction Uttwil Blidegg Zihlschlacht Moos Augia, oder Au Hefenhofen Hauptwil

11. Im Jus Statutarium Veteris Territorii werden nicht behandelt: B) Grafschaft Toggenburg C) Gebiete im Rheintal D) Gebiete ennet dem Bodensee Anhang 3 Sehe 165 Die Grenzverträge aus dem Jus Statutarium in Chronologischer Reihenfolge

Jahr Seite Welche Orte waren einbezogen: 1472 95 Vertrag bez. Gerichtszugehörigkeit von Lenggenwil. 1478 91 Grenzvertrag für Zuckenriedt und Umgebung. 1501 128,205 1. Grenzvertrag zur Scheidung der Gerichtsrechte im Thurgau. 1505 218 Gerichtsgrenzen zwischen Tobel und Ambtenzell neu geregelt. 1508 242 Abschluss eines Grenzvertrages bez. Sitterdorf. 1540 242 Abschluss eines Grenzvertrages bez. Sitterdorf. 1549 242 Abschluss eines Grenzvertrages bez. Sitterdorf. 1553 205 2. Grenzvertrag, der die Grenzen zwischen dem Toggenburg und dem Thurgau bez. der hohen Gerichtsbarkeit regelt, in Wil geschlossen. 1556 218 Bestätigung des Vertrages von 1505 für Tobel und Ambtenzell. 1560 264 Schiedsurteil, das die Grenzen zwischen Kesswil und Dozwil festlegL 1603 242 Abschluss eines Grenzvertrages bez. Sitterdorf. 1630 120 Grenzvertrag für Goldach, Tübach und Horn. 1633 321 Grenzvertrag mit Konstanz bez. Goldach. 1646 85 Grenzvertrag zwischen Tannegg und Wil. 1648 249 Grenzbereinigung zwischen Romanshorn, Kesswilund Uttwil. 1649 224 Grenzvertrag für Hosenrock und RUedewil. 1665 321 Bestätigung des Vertrages von 1633 bez. Goldach. 1674 220 Festlegung der Niedergerichtsgrenzen für Buwil und Umgebung. 1675 220 Gerichtsgrenzenvertrag bezüglich Buwil und Moos zwischen der Stadt SL Gallen und dem Kloster. 1682 279 Grenzvertrag bez. Wängi und Sonnenberg. 1691/92 206 3. Grenzvertrag für den Thurgau. 1694 279 Grenzvertrag für Grenzen rund um Wängi. 1722 206 4. Grenzziehung für den Thurgau. 1729 321 Erneute Bestätigung der früheren Verträge bez. des Thurgaus. 1733 475 Grenzvertrag zwischen Wil und äbL GebieL 1775 275 Geplanter Gebietstausch zwischen Eidgenossen und dem Kloster für Gebiete im Thurgau, vgl. Cavelti S. 11. Anhang 4 Seile 166

Der Grundbesitz des Klosters St. Gallen um 920

Karte aus: Thürer, St. Galler Geschichte, Band I, S. 109. Anhang 5 Seile 167

Die Entwicklung des Klosters SI. Gallen bis ins 18. Jahrhundert

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Karte aus: Thürer, SI. Galler Geschichte, Band I, S. 327.

Legende:

~A1~l.andIdIaft(fÜ"I.nIand) ___ H,uUg. Kanlonsgrwen _•••••• - &renten der inder J~miWtj Gtalsdlaft ToggenbUlg Henau. zum Un!eraml ~HofKriessem ~(Millegi ...ngd .. Abl ..) 1490 etWOrbena Gebiete: r.mmmmI NiedwgericJIle deI Abtei Gerichi Ober·Steinach ~imlhUl'gauundftheinlal Unler-stetnach Schioss Ober berg rru1 d!ll GendlIefI Oberdort und And.D Anhang 6 Seile 168

Der Wirrwarr der thurgauischen Genchtsheirschaften im 18. Jahrhundert

EEB Unmittdb.tr unter den regll:,rendcn Orten EJ In Geistlicher Hand UD Im Besitz einz.clncr Stande oder Sudle § In der Hand von Printen m Unter mehreren Herren Der' Wirrwarr der thurgauischen Gcrichtshcrrsch3ftcI ...... Grcn-zen der Gcridltshcrnchaftcn im '8. Jahrhundert -- - Heutige Kamonsgrcnu

Karte aus: Herdi. Geschichte des Thurgaus. S. 181. Lebenslauf

Ich wurde am 2. Juni 1959 als erstes von drei Kindern der Eltern Ida und Otto Staub-Hutter in Stans geboren. Die ersten drei Lebensjahre verlebte ich in Buochs. Nach einem kürzeren, durch den Beruf des Vaters bedingten Aufenthalt in Ro- manshorn zogen meine Eltern nach Goldach. Dort besuchte ich alle Schulen bis und mit 2. Sekundarklasse. Seit Frühjahr 1975 wohne ich in Heerbrugg.

Die Matura Typus B erlangte ich im Herbst 1978 an der Kantonsschule St. Gallen. Ich begann das Jurastudium an der Hochschule St. Gallen im Herbst 1978. Das obligatorische Praktikum und verschiedene militärische Dienstleistungen unterbra- chen das Studium im Jahre 1980. Ich schloss meine Studien im April 1984 mit dem Lizentiat ab. Danach arbeitete ich von Mai bis Oktober 1984 als ausserordentlicher Gerichtsschreiber auf dem Bezirksgericht Unterrheintal in Altstätten. Vom 1. Nov. 1984 bis Ende März 1987 war ich als Assistent von Prof. Dr. Soliva wieder an der Hochschule tätig. Die Doktorandenseminare besuchte ich von Herbst 1984 bis Sommer 1985. Während meiner Assistentenzeit schrieb ich die vorliegende Disser- tation und bestand die Doktorprüfungen im November 1986. Seit dem 1. April 1987 arbeite ich im Advokaturbüro Dr. A. Furrer in Heerbrugg als Substitut.

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