Plenarprotokoll 15/93

Deutscher

Stenografischer Bericht

93. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: Antisemitische Staftaten im vierten Quartal 2003 Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- MdlAnfr 14 setzes zur Verbesserung der Rechte fraktionslos von Verletzten im Strafverfahren Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . (Opferrechtsreformgesetz – OpferRRG) 8280 C (Drucksache 15/2536) ...... 8275 B ZusFr Petra Pau fraktionslos ...... 8280 D

Von deutschen Flughäfen aus durchgeführte Tagesordnungspunkt 2: Abschiebungen 2002 und 2003 Befragung der Bundesregierung: Entwurf MdlAnfr 15 eines Gesetzes zur Verbesserung des Petra Pau fraktionslos vorbeugenden Hochwasserschutzes . . . 8275 B Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 8281 A Jürgen Trittin, Bundesminister BMU ...... 8275 C ZusFr Petra Pau fraktionslos ...... 8281 B Jürgen Koppelin FDP ...... 8276 C ZusFr Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . 8281 D Jürgen Trittin, Bundesminister BMU ...... 8276 D Maßnahmen der in Afghanistan stationierten Birgit Homburger FDP ...... 8277 A Bundeswehrtruppen gegen den Rohopiuman- Jürgen Trittin, Bundesminister BMU ...... 8277 B bau Dr. CDU/CSU ...... 8278 C MdlAnfr 7 Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos Jürgen Trittin, Bundesminister BMU ...... 8278 C Antw StM’in Kerstin Müller AA ...... 8282 A ZusFr Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . 8282 C Tagesordnungspunkt 3: ZusFr Petra Pau fraktionslos ...... 8283 B Fragestunde (Drucksache 15/2564) ...... 8279 C Schreiben des Auswärtigen Amtes vom 25. Juni 2003 hinsichtlich Gruppenreisen aus Äußerung des Bundeskanzlers zur Beteili- der Ukraine in die EU gung Deutschlands an der europäischen Groß- geräteforschung, unter anderem an ITER MdlAnfr 8 CDU/CSU MdlAnfr 3 CDU/CSU Antw StM’in Kerstin Müller AA ...... 8284 A Antw PStSekr BMBF . . . 8279 D ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . 8285 A ZusFr Michael Kretschmer CDU/CSU . . . . . 8280 A ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU ...... 8286 C II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. , Mittwoch, den 3. März 2004

ZusFr Marianne Tritz BÜNDNIS 90/ ZusFr Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU ...... 8297 A DIE GRÜNEN ...... 8287 A ZusFr Ralf Göbel CDU/CSU ...... 8297 C ZusFr Dr. Ludger Volmer BÜNDNIS 90/ ZusFr CDU/CSU ...... 8297 D DIE GRÜNEN ...... 8287 B ZusFr Clemens Binninger CDU/CSU ...... 8287 C Eventuelle Beschwerden der Schengen-Part- ner über die durch den so genannten Volmer- ZusFr Jürgen Koppelin FDP ...... 8288 A Erlass veränderte Visaerteilungspraxis ZusFr Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU ...... 8288 D MdlAnfr 12 ZusFr (Köln) BÜNDNIS 90/ Clemens Binninger CDU/CSU DIE GRÜNEN ...... 8289 B Antw StM’in Kerstin Müller AA ...... 8298 A ZusFr CDU/CSU ...... 8289 D ZusFr Clemens Binninger CDU/CSU ...... 8298 B ZusFr CDU/CSU ...... 8290 B Erteilung der Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb Inhalt des Erlasses Nr. 519 des Auswärtigen für die Reise-Schutz-Versicherungs-AG in Amtes Weinsberg MdlAnfr 9 MdlAnfr 22 Eckart von Klaeden CDU/CSU Clemens Binninger CDU/CSU Antw StM’in Kerstin Müller AA ...... 8290 C Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF ...... 8298 C ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . 8290 C ZusFr Dr. Ludger Volmer BÜNDNIS 90/ Berücksichtigung der Zuzahlungen aufgrund DIE GRÜNEN ...... 8291 C des GKV-Modernisierungsgesetzes bei der Festlegung der Regelsätze für die Sozialhilfe ZusFr Reinhard Grindel CDU/CSU ...... 8291 D MdlAnfr 39 ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU ...... 8292 A Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaft Antw PStSekr Franz Thönnes BMGS ...... 8298 D an den vorbestraften A. B. ZusFr Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . 8299 B MdlAnfr 16 Matthias Sehling CDU/CSU Gesamtbetrag der Sozialhilfeleistungen für den im Kölner Schleuserprozess verurteilten Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 8292 C A. B. und seine Familie seit 1992 Behauptete Wirkungen des so genannten MdlAnfr 40 Volmer-Erlasses betreffend Visumverfahren Matthias Sehling CDU/CSU MdlAnfr 10 Antw PStSekr Franz Thönnes BMGS ...... 8299 D Hartmut Koschyk CDU/CSU Überarbeitung des Wohngeldrechts Antw StM’in Kerstin Müller AA ...... 8292 D MdlAnfr 47 ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU ...... 8293 A CDU/CSU ZusFr Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU ...... 8293 D Antw PStSekr’in Iris Gleicke BMVBW . . . . 8300 A ZusFr Dr. Ludger Volmer BÜNDNIS 90/ ZusFr Gero Storjohann CDU/CSU ...... 8300 B DIE GRÜNEN ...... 8294 D ZusFr Marianne Tritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN ...... 8295 B Zusatztagesordnungspunkt 1: ZusFr Clemens Binninger CDU/CSU ...... 8295 C Aktuelle Stunde auf Verlangen der CDU/ CSU: Haltung der Bundesregierung zur Unterschiedliche Aussagen des Auswärtigen Erleichterung von Einschleusungen und Amtes betreffend den Erwerb eines Visums illegalen Einreisen aufgrund von Kon- im Rahmen des so genannten Reisebürover- trolllücken an deutschen Flughäfen . . . 8300 C fahrens Hartmut Koschyk CDU/CSU ...... 8300 C MdlAnfr 11 Frank Hofmann (Volkach) SPD ...... 8301 D Hartmut Koschyk CDU/CSU Dr. FDP ...... 8303 A Antw StM’in Kerstin Müller AA ...... 8296 A BÜNDNIS 90/ ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU ...... 8296 A DIE GRÜNEN ...... 8304 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 III

Thomas Strobl (Heilbronn) CDU/CSU . . . . . 8305 A Anlage 6 Hans-Peter Kemper SPD ...... 8306 C Anzahl der täglich in der deutschen Vertre- Ralf Göbel CDU/CSU ...... 8307 D tung in Pristina (Kosovo) ausgestellten Visa; Grund für die Schaffung der dortigen Visa- Dr. Ludger Volmer BÜNDNIS 90/ stelle DIE GRÜNEN ...... 8308 D Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU ...... 8310 A MdlAnfr 4, 5 Dr. Ole Schröder CDU/CSU Dr. Michael Bürsch SPD ...... 8311 C Antw StMin für Europa Hans Martin Bury . . 8320 A Dr. Ole Schröder CDU/CSU ...... 8312 D Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär BMI ...... 8314 A Anlage 7 Clemens Binninger CDU/CSU ...... 8315 D Entwicklung der Menschenrechtslage in SPD ...... 8316 D Tschetschenien MdlAnfr 6 Nächste Sitzung ...... 8318 C Dr. Egon Jüttner CDU/CSU Antw StMin für Europa Hans Martin Bury . . 8320 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 8319 A Anlage 8

Bewertung der von der Europäischen Kom- Anlage 2 mission prognostizierten Kosten eines EU- Erklärung des Abgeordneten Beitritts der Türkei für die EU und für (Neuruppin) (SPD) zur Abstimmung über den Deutschland Antrag: Gottesbezug im europäischen Ver- fassungsvertrag (82. Sitzung, Tagesord- MdlAnfr 13 nungspunkt 3 b) ...... 8319 B (Weiden) CDU/CSU Antw StM’in Kerstin Müller AA ...... 8321 A

Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Marco Bülow Anlage 9 (SPD) zur Abstimmung über den Antrag auf Zurückweisung des Einspruchs des Bun- Maßnahmen zur Unterstützung der Projekte desrates gegen das Nachtragshaushaltsge- zur europäischen Wachstumsinitiative, insbe- sondere der Bereiche Galileo und Nanoelek- setz 2003 (92. Sitzung, Zusatztagesordnungs- tronik punkt 7 b) ...... 8319 B MdlAnfr 17 Michael Kretschmer CDU/CSU Anlage 4 Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks Erklärung der Abgeordneten Ursula Mogg BMF ...... 8321 B (SPD) zur Abstimmung über den Antrag auf Zurückweisung des Einspruchs des Bun- desrates gegen das Nachtragshaushaltsge- Anlage 10 setz 2003 (92. Sitzung, Zusatztagesordnungs- punkt 7 b) ...... 8319 C Aufwendige Gesundheits- und Sicherheits- prüfungen bei den zur Bekämpfung der Schwarzarbeit freigestellten Mitarbeitern der Anlage 5 Bundesagentur für Arbeit; Weiterleitung der Ermittlungsergebnisse bei der Bekämpfung Umsetzung des Beschlusses des Bundesge- der Schwarzarbeit an die Polizeibehörden und richtshofes vom 25. Februar 2004 zur Min- Staatsanwaltschaften destvergütung für Insolvenzverwalter MdlAnfr 19, 20 MdlAnfr 1, 2 Roland Gewalt CDU/CSU Tanja Gönner CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks Antw StSekr Dr. Hansjörg Geiger BMJ . . . . . 8319 C BMF ...... 8321 D IV Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

Anlage 11 Anlage 16

Einfluss der unterschiedlichen Unterneh- Schadenersatz für das gescheiterte Projekt mensspitzenbesteuerung in Deutschland, „Virtueller Arbeitsmarkt“ der BA Tschechien und der Slowakei 2004 und 2006 auf mögliche steuerbelastungsmotivierte Ver- MdlAnfr 29, 30 lagerungen von Unternehmen in diese Länder Dr. Hermann Kues CDU/CSU

MdlAnfr 21 Antw PStSekr Albert Rupprecht (Weiden) CDU/CSU BMWA ...... 8323 D Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF ...... 8322 C Anlage 17

Erkenntnisse des Bundesministers Wolfgang Anlage 12 Clement hinsichtlich der Kostenentwicklung beim Virtuellen Arbeitsmarkt und des aus der Ausweitung der so genannten Entsenderichtli- BA angedeuteten Korruptionsvorwurfs nie auf das Busgewerbe vor dem Hintergrund der EU-Osterweiterung MdlAnfr 31, 32 Hartmut Schauerte CDU/CSU MdlAnfr 23 Ernst Hinsken CDU/CSU Antw PStSekr Gerd Andres BMWA ...... 8324 A Antw PStSekr Gerd Andres BMWA ...... 8322 C

Anlage 13 Anlage 18

Belastungen für den Bundeshaushalt aufgrund Warnung des EU-Kommissars vor einem des nicht zustande gekommenen TV-Sat-1- Missbrauch der Beschlüsse zur EU-Agrar- Vorhabens im Zeitraum 1983 bis 1989 reform vom 26. Juni 2003 zur Umverteilung zwischen den Regionen und zwischen den MdlAnfr 24 Landwirten; Empfehlung des EU-Kommis- Dr. Elke Leonhard SPD sars zur Änderung des Gesetzentwurfs zur Umsetzung der Reform der Gemeinsamen Antw PStSekr Gerd Andres BMWA ...... 8323 A Agrarpolitik hinsichtlich der Verwendung des Art. 58 Abs. 1 der EG-Verordnung 1782/2003 für die Betriebsprämienregelung Anlage 14 MdlAnfr 34 Durchführung der ausgeschriebenen Trai- Albert Deß CDU/CSU ningsmaßnahmen nach § 48 SGB III durch Subunternehmen und Honorarkräfte Antw PStSekr Dr. Gerald Thalheim BMVEL ...... 8324. . . . C, 8325 A MdlAnfr 25, 26 CDU/CSU Antw PStSekr Gerd Andres BMWA ...... 8323 B Anlage 19

Nationale Höchstgrenze zur Gewährung von Anlage 15 Sonderprämien für männliche Rinder für die Jahre 2002 und 2003; Zahl der gemeldeten Kostenentwicklung beim „Virtuellen Arbeits- Rinder, für die ein Anspruch auf Sonderprä- markt“ der BA mie besteht

MdlAnfr 27, 28 MdlAnfr 35, 36 Karl-Josef Laumann CDU/CSU Werner Lensing CDU/CSU Antw PStSekr Gerd Andres Antw PStSekr Dr. Gerald Thalheim BMWA ...... 8323 C BMVEL ...... 8325 D Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 V

Anlage 20 Anlage 24

Abrechnung von „Geschiebe“ als Halteele- Unterzeichnung des Bau- und Finanzierungs- ment für Zahnersatz nach dem Einheitlichen vertrages für die S-Bahn-Strecke Nürnberg– Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leis- Erlangen–Forchheim tungen mit den Krankenkassen; Abgrenzung der Kostenträgerschaft für die akute Kranken- MdlAnfr 45, 46 hausbehandlung von jener der Rehabilitation CDU/CSU

MdlAnfr 38 Antw PStSekr’in Iris Gleicke BMVBW . . . . 8327 D CDU/CSU Antw PStSekr’in Marion Caspers-Merk Anlage 25 BMGS ...... 8326 . . . . A, 8326 B Bau der A 73 (Suhl–Lichtenfels) im Abschnitt Ebersdorf bei Coburg bis Lichtenfels Anlage 21 MdlAnfr 48 Gesamtverluste für Spediteure nach Kündi- CDU/CSU gung der Verträge mit Toll Collect; Erhebung einer Sammelklage Antw PStSekr’in Iris Gleicke BMVBW . . . . 8328 A

MdlAnfr 41, 42 Dr. Maria Flachsbarth CDU/CSU Anlage 26

Antw PStSekr’in Kosten der Broschüre „Agenda 2010“ BMVBW ...... 8326 D MdlAnfr 49, 50 CDU/CSU Anlage 22 Antw StSekr Béla Anda BPA ...... 8328 A Einbeziehung des Bundes der Vertriebenen und der Landsmannschaften der deutschen Heimatvertriebenen in die geplante Errich- Anlage 27 tung eines Osteuropazentrums Einwände der Staatsministerin Dr. Weiss ge- MdlAnfr 43 gen den Referentenentwurf des BMWA zur Dr. Egon Jüttner CDU/CSU Änderung des Pressefusionrechts; Bewertung des von Staatsministerin Dr. Weiss vorge- Antw PStSekr’in Iris Gleicke BMVBW . . . . 8327 B schlagenen Modells

MdlAnfr 51, 52 Anlage 23 Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP Eventueller Gesetzentwurf zur Einführung ei- Antw StM’in Dr. Christina Weiss BK ...... 8328 C ner Maut für Sportboote

MdlAnfr 44 Anlage 28 Ernst Hinsken CDU/CSU Nachträglicher Abdruck der amtlichen Mittei- Antw PStSekr’in Iris Gleicke BMVBW . . . . 8327 C lungen zur 89. Sitzung ...... 8328 D

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8275

(A) (C) Redetext

93. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

Beginn: 13.00 Uhr

Vizepräsident Dr. : Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur- Die Sitzung ist eröffnet. schutz und Reaktorsicherheit: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir ha- Ich wünsche Ihnen allen einen schönen und hoffent- ben heute im Bundeskabinett diesen Gesetzentwurf be- lich andauernd sonnigen Tag. Sollte die Besetzung ähn- schlossen. Hierbei geht es darum, die Konsequenzen lich übersichtlich bleiben, wie sie jetzt ist, habe ich an aus der Jahrhundertflut im Jahre 2002 zu ziehen. Da- dem sonnigen Verlauf unserer Beratungen nicht den ge- mals sind 21 Menschen ums Leben gekommen. Es gab ringsten Zweifel. Schäden in einer Größenordnung von 9 Milliarden Euro. Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Wir alle wissen, dass sich solche extremen Wetterla- Erste Beratung des von der Bundesregierung gen in den letzten Jahren aufgrund der globalen Erwär- eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur mung gehäuft haben. Auch wenn wir ambitioniert Kli- (B) Verbesserung der Rechte von Verletzten im maschutz betreiben und dafür Sorge tragen, dass die (D) Strafverfahren (Opferrechtsreformgesetz – globale Temperatur bis zum Ende dieses Jahrhunderts OpferRRG) um nicht mehr als zwei Grad steigt, werden wir mit mehr solchen extremen Wetterlagen zu rechnen haben. Wir – Drucksache 15/2536 – haben uns also darauf einzustellen, dass die Gefahr, Überweisungsvorschlag: Hochwasser zu erleben, wächst. Deswegen müssen wir Rechtsausschuss (f) vorbeugen und Schadensvorsorge betreiben. Innenausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Dem dient der vorliegende Gesetzentwurf zur Verbes- serung des vorbeugenden Hochwasserschutzes. Durch Interfraktionell ist vereinbart worden, dass hierzu ihn werden erstmalig bundeseinheitliche, stringente Vor- keine Aussprache erfolgen soll. – Ich sehe, dass Einver- gaben gemacht. Damit wird das Fünfpunkteprogramm ständnis besteht. zur Verbesserung des Hochwasserschutzes umgesetzt, Damit kommen wir gleich zur Überweisung. Inter- das damals auf einer großen Konferenz verabredet wor- fraktionell wird Überweisung dieses Gesetzentwurfes den ist. Mit diesem Entwurf knüpfen wir an die offen- auf Drucksache 15/2536 an die in der Tagesordnung auf- sichtlich bestehenden Vollzugs- und Regelungsdefizite geführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu an- an. Dies tun wir in Form eines Artikelgesetzes. Das derweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist heißt, dass wir verschiedene Gesetze ändern, die etwas die Überweisung so beschlossen. mit dem Thema Hochwasser zu tun haben. Dabei han- delt es sich um Änderungen des Wasserhaushaltsgeset- Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 2: zes, des Baugesetzbuches, des Raumordnungsgesetzes, des Bundeswasserstraßengesetzes und des Gesetzes über Befragung der Bundesregierung den Deutschen Wetterdienst, das jetzt allerdings nicht in „Lex Kachelmann“ umbenannt wird. Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka- binettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur Der Grundsatz, der an dieser Stelle gilt, ist: Alle sind Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschut- verpflichtet, Hochwasserschäden im Rahmen ihrer Mög- zes. lichkeiten zu verhindern. Dazu sollen die Länder erstma- lig nach bundeseinheitlichen Vorgaben und ausgehend Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht vom so genannten hundertjährlichen Hochwasser Über- hat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und schwemmungsgebiete festsetzen. Dies soll innerhalb Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin. von fünf Jahren geschehen. 8276 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

Bundesminister Jürgen Trittin (A) Darüber hinaus wird erstmalig die Kategorie der verstand etwa des Bundesamtes für Naturschutz bei (C) überschwemmungsgefährdeten Gebiete eingeführt. Wir solchen Planfeststellungsverfahren künftig hinzuziehen müssen uns klar machen, dass Deiche und andere Hoch- ist. wasserschutzeinrichtungen in vielen Fällen keinen absoluten Schutz gewährleisten können. Allein beim Alles in allem ist uns ein, wie wir finden, ausgewoge- Jahrhunderthochwasser entlang der Elbe sind über ner Kompromiss gelungen. Das war nicht immer ganz einfach. Ich bedanke mich bei den Kollegen im Ministe- 100 Deiche gebrochen. In diesen Bereichen müssen da- her besondere Maßnahmen ergriffen werden. rium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und im Mi- nisterium für Verbraucherschutz, Ernährung und Land- Schließlich sollen diese Flächen, die Überschwem- wirtschaft. Ich glaube, wir haben mit diesem mungsgebiete und die überschwemmungsgefährdeten Gesetzentwurf die Konsequenzen aus der Hochwasser- Gebiete, von den Ländern in den Raumordnungs-, den katastrophe gezogen: Künftig setzen wir beim Hochwas- Flächennutzungs- und, soweit es die Kommunen betrifft, serschutz auf Vorsorge und auf Schadensvermeidung. den Bebauungplänen gekennzeichnet werden, sodass je- der weiß, worum es geht. Danke.

Dies muss auch Konsequenzen haben: In festgesetz- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: ten Überschwemmungsgebieten dürfen künftig keine Vielen Dank für den Bericht. – Ich rufe nun Zusatz- neuen Bau- und Gewerbegebiete mehr ausgewiesen wer- fragen zu dem Bericht der Bundesregierung auf. Das den. Auf Flächen in Flussauen mit Wohnsiedlungen und Wort hat der Kollege Koppelin. Gewerbeparks hätten wir nämlich die Hochwasserschä- den von morgen. Jürgen Koppelin (FDP): Ähnliches gilt für den Bereich der Landwirtschaft: Herr Minister, vielen Dank für den Bericht. – Ich habe Auch sie muss sich stärker an den Gefahren des Hoch- eine Vorbemerkung, da Sie gerade das Ministerium von wassers orientieren. Es ist heute schon so, dass Grün- Frau Künast angesprochen haben: Es erstaunt mich landumbruch in Überschwemmungsgebieten nicht der schon, dass jetzt niemand von diesem Ministerium an- im Bundesnaturschutzgesetz festgelegten guten fachli- wesend ist. chen Praxis entspricht. Wir wollen, dass bis 2012 in den Überschwemmungsgebieten der Ackerbau grundsätzlich Damit komme ich gleich zum Thema: Sie haben die eingestellt und zu anderen Formen landwirtschaftlicher Deiche und die Probleme der Landwirtschaft bei Hoch- Nutzung übergegangen wird. Das soll die Bodenerosion wasser angesprochen. Wie können Sie mir dann vermindern. Wir haben diese Forderung allerdings auf erklären – ich hätte diese Frage eigentlich gerne an das (B) jene Teile der Überschwemmungsgebiete beschränkt, in Ministerium von Frau Künast gerichtet; ich bin ja Haupt- (D) denen Hochwasser besonders schnell abfließt. Vor Au- berichterstatter für den Einzelplan 10 –, dass bei der Ge- gen hatten wir dabei die Erfahrung, die wir auch beim meinschaftsaufgabe „Verbesserung des Küstenschutzes“ Jahrhunderthochwasser gemacht haben, dass in Über- in den letzten Jahren die Mittel in erheblichem Maße schwemmungspoldern, in denen Mais angebaut wurde, gestrichen worden sind? Selbst nach der Hochwasser- Zehntausende von Fischen gestorben sind – das stank katastrophe sind noch Mittel gestrichen worden. Das buchstäblich zum Himmel. passt doch überhaupt nicht zusammen. Schließlich widmen wir uns mit dem Gesetzentwurf Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur- auch dem aktiven Hochwasserschutz: Flussgebietsbezo- schutz und Reaktorsicherheit: gene Hochwasserschutzpläne sind innerhalb von vier Jahren aufzustellen. Dazu gehören auch Maßnahmen Lieber Herr Kollege Koppelin, ich will hier nicht der wie die Deichrückverlegung, die Rückhaltung von Nie- Versuchung erliegen, auf alle Details dieser Gemein- derschlagswasser sowie die Wiederherstellung von schaftsaufgabe einzugehen. Aber Sie wissen sehr wohl, Auen. Das Bundesumweltministerium hat hier mit zwei dass diese Gemeinschaftsaufgabe keine ausschließliche Projekten – im Biosphärenreservat „Mittlere Elbe“ und Veranstaltung der Bundesregierung ist, sondern ein au- am so genannten Bösen Ort, also gegenüber vom ßerordentlich schwieriger Prozess, der mit den Bundes- Wendland – Initiativen ergriffen, wie man durch Rück- ländern abgestimmt werden muss, worauf diese großen bau von Deichen und Wiederherstellung von Auen Flüs- Wert legen. Sie wissen, dass im Rahmen dieser Gemein- sen mehr Raum geben kann und damit gleichzeitig mehr schaftsaufgabe mittlerweile wieder Mittel für den Rück- Hochwasserschutz erreicht. Der Kern dieser Maßnah- bau zur Verfügung gestellt werden, auch als Konsequenz men ist eine andere Flusspolitik: den Flüssen wieder aus der Hochwasserkatastrophe. mehr Raum zu geben. Die Bundesregierung hat in Kon- Ich habe mit Absicht darauf verwiesen, wie man sequenz des Jahrhunderthochwassers die Staupläne für Deichrückbau und Wiederherstellung von Auen betrei- die Donau ebenso gestoppt wie die Ausbaupläne für die ben kann und dass dies zurzeit zum Teil mit Mitteln des Elbe. Wir begrüßen es sehr, dass der tschechische Senat Naturschutzes entlang der Elbe praktiziert wird. Ich den Plan von Staustufen auf dem tschechischen Teil der kann und muss Ihre Frage mit dieser Einschränkung be- Elbe nicht weiter verfolgt. antworten. Schließlich haben wir festgelegt, dass Aus- und Neu- bau von Wasserstraßen künftig hochwasserneutral vor- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: zunehmen sind. Das heißt für uns auch, dass der Sach- Eine weitere Zusatzfrage, Herr Koppelin. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8277

(A) Jürgen Koppelin (FDP): (Jürgen Koppelin [FDP]: Herr Beck ruft (C) Herr Minister, ich komme aus Schleswig-Holstein. immer dazwischen!) Dort hat die rot-grüne Landesregierung die Mittel für den Küstenschutz erheblich gestrichen; die notwendigen Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur- Mittel stehen nicht zur Verfügung. Der Bund hat eben- schutz und Reaktorsicherheit: falls Mittel gestrichen. Wie erklären Sie denn den Men- Ich glaube, der Zwischenruf des geschätzten Parla- schen an der Elbe, zum Beispiel in Lauenburg, dass in mentarischen Geschäftsführers der Fraktion der Grünen dieser Weise die Mittel sowohl von der Landesregierung ist zumindest sachlich zutreffend. als auch von der Bundesregierung gestrichen wurden (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehr und Sie uns jetzt trotzdem etwas über Küstenschutz er- richtig!) zählen und darstellen, was notwendig ist? Solche Anträge werden in der Tat vom Bundestag und Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur- nicht von der Bundesregierung abgelehnt. schutz und Reaktorsicherheit: Die Bundesregierung hat diese fünf Eckpunkte umge- Lieber Herr Kollege Koppelin, ich habe mit Absicht hend im September 2002 – Sie haben zu Recht auf die über den Hochwasserschutz insbesondere entlang der Flusskonferenz verwiesen – vorgelegt. Das Bundesum- Flüsse gesprochen. Sie werden feststellen müssen, dass weltministerium hat einen Gesetzentwurf verfasst und gerade innerhalb des von Ihnen genannten Zeitraums das über diesen Gesetzentwurf sehr ausführlich und sehr Bundesumweltministerium dabei ist, mit einem erhebli- gründlich gerade mit den Betroffenen – das sind zum chem Aufwand in Millionenhöhe in diesem Bereich für Beispiel die kommunalen Spitzenverbände und die Lan- mehr Hochwasserschutz zu sorgen. Insofern kann ich desregierungen, aber auch die Verbände beispielsweise Ihre Frage nicht ganz nachvollziehen. der Landwirtschaft und die Naturschutzverbände – dis- kutiert, um am Ende zu einem Ergebnis zu kommen, von Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: dem wir glauben, dass es die Notwendigkeit, vorzubeu- Frau Kollegin Homburger. gen und sich dabei auch den Nutzungskonflikten zu stel- len, miteinander vereinbart. Birgit Homburger (FDP): Jeder, der aus der Kommunal- oder Landespolitik Herr Minister, Sie haben dargestellt, dass das Kabi- kommt, weiß, was für ein Druck beispielsweise auf Ge- nett heute einen Beschluss zu einem Gesetzentwurf zur meinden liegt, neue Wohngebiete auszuweisen. Dass Verbesserung des Hochwasserschutzes gefasst hat. Die diesem Druck in vielen Ländern – das sage ich jenseits (B) Diskussion darüber gibt es ja bereits seit längerer Zeit. aller Parteipolitik – vielfach nachgegeben wird, be- (D) Sie haben am 15. September 2002 eine Flusskonferenz schreibt die Notwendigkeit, zu einer bundesgesetzlichen durchgeführt und bereits im August letzten Jahres haben Regelung zu kommen. Sie einen Gesetzentwurf vorgestellt. Mich würde interes- All dies hat eine bestimmte Zeit in Anspruch genom- sieren, warum es bis zum heutigen Beschluss des Kabi- men. Ich glaube, dass wir jetzt für diesen Gesetzentwurf netts noch so lange gedauert hat. ein sehr solides und valides Fundament haben. Ich freue Als ich Ihnen gerade zugehört habe, habe ich einige mich auf die Beratungen. Noch mehr freue ich mich da- Punkte entdeckt, die die FDP gefordert hat, beispiels- rauf, wenn die FDP-Fraktion an dieser Stelle so nach- weise betreffend Baugebiete in Überschwemmungsge- drücklich, wie Sie es eben angedeutet haben, Frau bieten, betreffend die Hochwasserschutzpläne oder auch Homburger, Ja dazu sagt, dass in Überschwemmungsge- die Kooperation in Flussgebietseinheiten. Warum haben bieten nicht mehr geplant und keine neuen Baugebiete Sie den Antrag der FDP-Bundestagsfraktion auf mehr ausgewiesen werden dürfen. Wenn Sie so nach- Drucksache 15/1334, der bereits im Juli letzten Jahres in drücklich dafür plädieren, dass in Überschwemmungs- den Deutschen Bundestag eingebracht wurde und all gebieten künftig auch kein Ackerbau betrieben werden diese Forderungen enthielt, abgelehnt? darf, dann sind wir in dieser Frage einen ganzen Schritt weiter. Ich freue mich über die Unterstützung aus der (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE Opposition. GRÜNEN]: Die Bundesregierung kann ihn gar nicht ablehnen! Das machen wir im Parla- ment! – Gegenruf des Abg. Jürgen Koppelin Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: [FDP]: Trittin ist auch Abgeordneter!) Frau Homburger. (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Jetzt Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur- stimmt Frau Homburger zu!) schutz und Reaktorsicherheit: Ich will an der Stelle aus der Position der Bundes- Birgit Homburger (FDP): regierung den Hinweis des parlamentarischen – – Herr Minister, wir werden diesen Gesetzentwurf, den wir – im Gegensatz zu Ihnen – in der heute beschlosse- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: nen Fassung bisher nicht vorliegen haben, selbstver- Es wäre ganz gut, wenn auch zugehört würde, wenn ständlich in allen Punkten prüfen und dann im Rahmen die vom Minister erbetene Auskunft erteilt wird. der Auseinandersetzung im parlamentarischen Bereich 8278 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

Birgit Homburger (A) über die Einzelpunkte debattieren. Bei dem einen oder Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): (C) anderen Punkt werden wir sicherlich nach wie vor diver- Herr Minister, wurde bei dem nun vorgelegten Ge- gierende Meinungen haben. Ich sage es einmal so: Es setzentwurf auch berücksichtigt, dass es Untersuchun- wäre schön gewesen, wenn man die offensichtlich un- gen gibt, die eindeutig ausweisen, dass bewachsene strittigen Punkte – nicht alle Punkte sind unstrittig, aber Ackerflächen genauso gut gegen Hochwasser resistent solche gibt es – gemeinsam hier hätte beschließen kön- sind – wenn ich das so sagen darf – wie Grünlandflä- nen. Vielleicht hätte Ihnen das sogar ein wenig geholfen. chen? Wurde außerdem berücksichtigt, dass in Über- Das lasse ich aber einmal dahingestellt. schwemmungsgebieten einiger Flussläufe, zum Beispiel Herr Minister, ich würde gerne wissen, ob die Bun- der Leine, 75 Prozent der Ackerflächen aus der landwirt- desregierung im Rahmen des Versuchs, ein flussgebiets- schaftlichen Nutzung herausfallen würden? Was wurde bezogenes Hochwassermanagement einzuführen, auch in Bezug auf die Entschädigungen für die betroffenen Gespräche mit anderen Ländern geführt hat, bei denen es Landwirte geregelt? über das hinausging, was nun im Hochwasserschutz- gesetz festgelegt wurde. Wenn ja: Bezieht sich das auf Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur- alle großen länderübergreifenden – das meine ich nicht schutz und Reaktorsicherheit: bezogen auf die Bundesländer, sondern bezogen auf un- Verehrte Frau Kollegin, Sie haben mit der Leine ein sere Nachbarstaaten – Flussläufe? Wie ist der Stand der Beispiel angeführt, das mir immer vor Augen steht. Von Verhandlungen an dieser Stelle? 1985 bis Mitte der 90er-Jahre bin ich sehr intensiv, ei- gentlich jeden Tag, zwischen Hannover und Göttingen Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur- gependelt. Entlang der alten Bahnstrecke konnte ich die schutz und Reaktorsicherheit: Entwicklung erkennen, wie aus Grünland schrittweise Frau Kollegin, ich hatte es ja bewusst konditional ge- mehr und mehr Ackerland geworden ist. Schon damals sagt: Wenn Sie es denn gelesen haben und dann zu dem haben alle gesagt: Das ist eine ganz verhängnisvolle Ent- Ergebnis kommen, würde mich das freuen. Über das ent- wicklung, weil es dadurch – das haben Sie beschrieben – spannte Miteinanderumgehen der FDP und der Bundes- zur Erosion kommt. regierung gerade in den letzten Tagen freuen wir uns na- türlich ganz besonders. Ist das ein Grund, die Landwirte an dieser Stelle zu beklagen? – Nein! Die Landwirte sind über den Umstand Zu den Hochwasseraktionsplänen: Im vergangenen in diese Situation gebracht worden, dass die Grünland- Herbst haben wir einen solchen Hochwasseraktions- wirtschaft weniger Möglichkeiten wirtschaftlicher Art plan auch für den letzten großen Fluss, die Elbe, be- bietet als bestimmte Formen des Ackerbaus, der, wie ge- (B) schlossen. Für den Rhein gibt es diesen ja schon. Die- sagt, unter dem Aspekt einer guten fachlichen Praxis (D) ser umfasst alle Anliegerstaaten, also die Tschechische schon damals nicht angemessen gewesen ist. Republik und die Bundesrepublik Deutschland. Inner- halb der Bundesrepublik Deutschland umfasst er auch Wir wollen diesen Prozess mit einer Perspektive, be- alle Elbe-Anlieger. Ich muss an dieser Stelle sagen, dass zogen auf das Jahr 2012, schrittweise rückgängig ma- es mit der Tschechischen Republik zwar einen Konflikt chen. Wir werden bei diesem Verfahren selbstverständ- über die Staustufen gab. Bei dem Hochwasseraktions- lich berücksichtigen, dass es Veränderungen in der plan lagen die Probleme aber weniger auf der tschechi- Finanzierung und Subventionierung der Landwirtschaft schen als auf der deutschen Seite. Fairerweise muss ich gibt, zum Beispiel den Übergang von Maisprämien auf betonen, dass die Schwierigkeiten weniger in den ost- eine flächenbezogene Förderung, was den Abstand zwi- deutschen Bundesländern als bei den Unterliegern schen Grünlandwirtschaft und Ackerbau vermindert. Es lagen. Das ist eine bei Flussfragen nicht untypische wird auch die Möglichkeit bestehen, auf Forderungen Situation. nach Entschädigungen einzugehen. In diesem Rahmen wurde inzwischen ein umfassen- Darüber hinaus haben wir noch etwas getan – das der Plan vorgelegt. Er beinhaltet beispielsweise den knüpft an die Idee an, die Sie am Anfang genannt haben –: Rückbau von Deichen an sieben Stellen. Dabei geht es Es ist nicht so, dass wir den Ackerbau immer und überall um den Versuch, der Elbe, die als einer der letzten euro- komplett verbieten. Zurzeit reden wir von etwa päischen Flüsse noch frei durch die Landschaft mäan- 700 000 Hektar Ackerbauflächen in Überschwem- dert, dennoch aber nur noch 15 Prozent ihrer ursprüngli- mungsgebieten. In anderen Bereichen, wo es keinen chen Fläche umfasst, ein Stück mehr Raum zu geben, schnellen Abfluss gibt, glauben wir, dass man mit um so zu einer Entspannung zu kommen. Dies wurde Ackerbau unter der Voraussetzung, dass es an dieser verabschiedet. Man kann sich das beim Sekretariat der Stelle eine ganzjährige Bodenbedeckung gibt – das ha- Internationalen Kommission zum Schutz der Elbe im ben Sie angesprochen –, in solchen als Überschwem- Detail anschauen. mungsgebiete gekennzeichneten Regionen leben kann. Das heißt, wir haben sehr bewusst eine ausgewogene Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Entscheidung getroffen, die das völlige Ackerbauverbot Gibt es weitere Zusatzfragen, um die mehrfach aus- ab 2012 ausschließlich auf die Gebiete konzentriert, wo drücklich zu Protokoll gegebene Freude des Umweltmi- im Falle eines Hochwassers mit sehr schnellen Abflüs- nisters am bevorstehenden Gesetzgebungsverfahren wei- sen zu rechnen ist und die Bedeckung, die beim Acker- ter zu befördern? – Frau Kollegin Flachsbarth. bau möglich ist, nichts mehr nützt. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8279

(A) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Wie lange (C) Weitere Wortmeldungen? bleibt sie noch im Amt? – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Geht sie freiwillig? – Gegenruf (Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Ich habe des Abg. Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: noch eine Nachfrage!) Wann haben Sie einen Präsidentenkandida- – Bitte schön, Frau Flachsbarth. ten? – Gegenruf des Abg. Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Eher, als Ihnen lieb ist!) Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): – Ich vermute, dass bei diesen mehr oder weniger ernst Vielen Dank, Herr Präsident. – Wie Ackerbau mit ei- gemeinten Fragen unter den Ministern nicht so schnell ner ganzjährigen Bedeckung funktionieren soll, müssen eine Einigung herbeigeführt werden kann, wer sie reprä- Sie mir ehrlich gesagt noch einmal erklären; das habe ich sentativ für die Bundesregierung beantworten soll. nicht wirklich verstanden. Außerdem ziele ich auf eine Untersuchung ab, nach der beim Ackerbau, also dem Ich beende damit die Befragung der Bundesregierung. Aufwuchs von Pflanzen und der Neubestellung, nur der Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 3 auf: Zeitraum unmittelbar um die Neubestellung ein sehr kri- tischer Zeitraum ist. Sobald aber der Bewuchs auf der Fragestunde Fläche wieder vorhanden ist, besteht sehr wohl ein mit der Grünlandwirtschaft gleichwertiger Hochwasser- – Drucksache 15/2564 – schutz. Da dieser Zeitraum der unmittelbaren Neubestel- Die den Geschäftsbereich des Bundesministeriums lung relativ kurz ist und zum Teil von den Perioden, in der Justiz betreffenden Fragen 1 und 2 der Kollegin denen ortsüblich Hochwasser auftreten kann, deutlich Tanja Gönner werden schriftlich beantwortet. abweicht, möchte ich nachfragen, ob Sie bei Ihrem Ge- setzentwurf auch diese Untersuchung berücksichtigt ha- Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes- ben. ministeriums für Bildung und Forschung. Hier steht zur Beantwortung der Parlamentarische Staatssekretär Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur- Christoph Matschie zur Verfügung. schutz und Reaktorsicherheit: Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Michael Wir haben versucht, den Wissensstand in diesem Be- Kretschmer auf: reich bei der Ausformulierung des Gesetzes zugrunde zu Ist die Äußerung von Bundeskanzler Gerhard Schröder legen. Unser Problem ist – das muss ich an dieser Stelle – in einem gemeinsamen Brief mit Präsident Jacques Chirac aus klimapolitischer Sicht sagen –, dass heute nicht mehr (B) und Premierminister Tony Blair an den Präsidenten des Euro- (D) die klare Trennung zwischen Winter- und Sommerhoch- päischen Rates, Bertie Ahern, und den Präsidenten der Euro- wasser existiert, die es früher gab. Das heißt, die so ge- päischen Kommission, Romano Prodi, vom 18. Februar nannten typischen Zeiträume, in denen Hochwässer in 2004 –, Europa müsse sich an Projekten wie ITER beteiligen, so zu verstehen, dass sich auch Deutschland künftig in der besonderer Weise auftreten, haben sich über das Jahr Großgeräteforschung engagieren will, und wie passt diese verteilt. Deswegen sind wir zu der Herangehensweise Äußerung des Bundeskanzlers dazu, dass sich Deutschland übergegangen, dass die primäre und sinnvoll angepasste ausdrücklich nicht als Standort für ITER beworben hat? Nutzung im Bereich von Überschwemmungsgebieten Grünlandwirtschaft ist. Die Möglichkeiten zur Umstel- Christoph Matschie, Parl. Staatssekretär bei der lung verbessern wir. Den Umstieg in diesem Bereich Bundesministerin für Bildung und Forschung: können wir über die zweite Säule der EU-Agrarpolitik Sehr geehrter Herr Kollege Kretschmer, ich beant- finanzieren. worte Ihre Frage wie folgt: Deutschland war und ist sehr Hinsichtlich der ganzjährigen Bedeckung haben wir erfolgreich in der Forschung mit Großgeräten engagiert. uns auf den Sachverstand der Landwirtschaft verlassen. Beispiele sind die Beschleunigeranlagen der Gesell- Diese Praxis gibt es schon. Insofern glauben wir, einen schaft für Schwerionenforschung in Darmstadt und des vernünftigen und ausgewogenen Kompromiss zwi- Deutschen Elektronen-Synchrotrons (DESY) in Ham- schen dem berechtigten Anspruch auf Ackerbau und burg oder auch das Fusionsexperiment Wendelstein 7-X den Erfordernissen des Hochwasserschutzes gefunden in Greifswald sowie die deutsche Beteiligung am CERN zu haben. in Genf, an der ESRF in Grenoble oder dem Fusions- experiment JET in Culham. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Mit dem inzwischen auf europäischer Ebene be- Hierzu liegen offenkundig keine weiteren Fragen vor. schlossenen Standortvorschlag Cadarache in Frankreich für ITER sind alle weiteren Standortdiskussionen in Eu- Ich darf nachfragen, ob es möglicherweise Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung gibt. – ropa hinfällig. Im Übrigen hat sich die Bundesrepublik Deutschland bereits unter der Vorgängerregierung im Das ist nicht einmal beim Ersten Parlamentarischen Ge- Juli 1996 gegen eine Bewerbung um einen ITER-Stand- schäftsführer der SPD der Fall. ort in Deutschland ausgesprochen. (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wir wissen alles!) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Gibt es sonstige Fragen an die Bundesregierung? Zusatzfrage, Herr Kollege Kretschmer. 8280 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

(A) Michael Kretschmer (CDU/CSU): die drei Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundes- (C) Es ist nicht so, Herr Staatssekretär, dass Sie sich ministeriums des Innern vorziehen, da sowohl der zu- grundsätzlich an das halten, was die Vorgängerregierung ständige Parlamentarische Staatssekretär als auch die gemacht hat, was in einigen Fällen gut für dieses Land erste Fragestellerin hier sind. Kann ich dazu Einverneh- gewesen wäre. Meine Frage bezieht sich auf ITER. Die men feststellen? – Das ist so. Ich bedanke mich. Kompetenz für diesen Kernfusionsreaktor ist in Wir kommen dann zur Frage 14 der Abgeordneten Deutschland vorhanden. Wie bewertet die Bundesregie- Petrau Pau: rung, dass das Wissen jetzt offenbar abfließt und die Kosten in Zukunft die Europäische Union tragen soll? Wie viele antisemitische Straftaten wurden im vierten Quartal 2003 in der Bundesrepublik Deutschland begangen und wie viele Opfer dieser Straftaten gab es? Christoph Matschie, Parl. Staatssekretär bei der Herr Kollege Körper. Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Kretschmer, Sie wissen wahrscheinlich so gut wie ich, dass ITER ein internationales Projekt ist, Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- an dem sich viele Staaten beteiligen. Verhandelt wird das desminister des Innern: Projekt für uns von der Europäischen Union. Natürlich Herr Präsident! Ich beantworte die Frage der Abge- werden sich deutsche Forschungseinrichtungen an die- ordneten Pau wie folgt: Im vierten Quartal 2003 wurden sem Projekt beteiligen. Hätten wir uns als Sitzland be- insgesamt 339 antisemitische Straftaten, die dem Phäno- worben, dann müssten wir – das ist noch nicht ganz aus- menbereich „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“ gehandelt – etwa 10 bis 20 Prozent der Baukosten zuzuordnen sind, gemeldet. Darunter waren 52 so ge- tragen. Das sind nach den gegenwärtigen Schätzungen nannte Propagandadelikte und sechs Gewaltdelikte. Bei 500 Millionen bis 1 Milliarde Euro. Das würde bedeu- letzteren handelt es sich um fünf Körperverletzungen ten, dass wir andere Forschungsarbeiten auf diesem Ge- und eine Brandstiftung. biet, auch Wendelstein 7-X in Greifswald, nicht mehr Im vierten Quartal 2003 wurden zwei Personen ver- finanzieren könnten. Insofern war die Entscheidung der letzt. Todesfälle waren nicht zu verzeichnen. Vorgängerregierung, sich nicht um einen Standort für ITER zu bewerben, konsequent. Wir haben keinen Grund, diese Entscheidung zu ändern. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Frau Pau. Michael Kretschmer (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, der Bundeskanzler schreibt in sei- (B) Petra Pau (fraktionslos): (D) nem Brief, dass ITER ein Beispiel für Großprojekte sei, Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. – Da Sie si- die auf europäischer Ebene unterstützt werden sollen. cherlich wie immer auch auf meine Nachfrage umfas- Meine zweite Frage lautet: Welche anderen Großgeräte- send vorbereitet sind, frage ich Sie, wie sich diese Straf- forschungsanlagen sind von der Bundesregierung ge- taten auf die einzelnen Bundesländer aufteilen. plant? Wie viele dieser Anlagen sollen in Zukunft über die Europäische Union finanziert werden? Ist möglicher- weise an die Realisierung der Neutronenspallations- Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- quelle ESS gedacht? desminister des Innern: Wie Sie wissen, wird darüber keine offizielle Statistik geführt. Insofern liegt uns dazu kein zu veröffentlichen- Christoph Matschie, Parl. Staatssekretär bei der des Material vor. Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Kretschmer, Sie kennen die Schwer- Ich kann Ihnen mitteilen, dass diese Art von Straf- punkte, die die Bundesregierung bei den Großgeräten taten in allen Bundesländern vorkommen. Ich will es gesetzt hat. Das sind Großgeräte, die in internationaler nicht wagen, von einem besonderen Schwerpunkt in Kooperation gebaut werden. Dazu laufen Verhandlungen einem Bundesland zu sprechen. Das geben die Zahlen in mit anderen Partnern in Europa. Es gibt keine Empfeh- ihrer jeweiligen Zuordnung nach meinem Dafürhalten lung vom Wissenschaftsrat, die europäische Neutronen- nicht her. Es gibt vielmehr sozusagen eine relativ breite spallationsquelle jetzt zu realisieren. Deshalb verfolgen Streuung. wir dieses Projekt im Moment nicht. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Zusatzfrage. Weitere Fragen zu diesem Geschäftsbereich liegen nicht vor. Petra Pau (fraktionslos): Wir kämen jetzt zum Geschäftsbereich des Auswärti- Ich habe noch eine zweite Nachfrage. Wir wissen, gen Amtes. Da die für die Beantwortung vorgesehene dass diese Zahlen jeweils vorläufig sind und dass sich im Staatsministerin Müller auf dem Wege hierher ist und Laufe des Jahres noch Veränderungen ergeben. Haben wegen der beschleunigten Beendigung der Regierungs- Sie schon einen Überblick über die Entwicklung in den befragung, wie ich finde, zu akzeptieren ist, dass sie ersten drei Quartalen aufgrund von Nachmeldungen und nicht früher hier sein musste, schlage ich vor, dass wir Korrekturen? Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8281

(A) Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- ren ist, während die eine oder andere leider zu schwie- (C) desminister des Innern: rigsten Situationen führt. Weil sich Ihre Frage auf das vierte Quartal 2003 bezo- gen hat, habe ich sofort intern nachgefragt, ob wir nicht Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: das gesamte Jahresergebnis mitteilen können. Aber – das ist Ihnen bekannt – es ist dabei ein bestimmtes Verfahren Eine weitere Zusatzfrage. zu berücksichtigen. So hat beispielsweise im Jahr 2002 die Nachmeldequote 45 Prozent betragen. Das ist erheb- Petra Pau (fraktionslos): lich und zeigt, dass, wenn man exakte Ergebnisse über- Herr Staatssekretär, ich möchte gern noch erfahren, mitteln will, die Nachmeldequote abzuwarten ist. Ande- wie sich die Bundesregierung gegenüber der italieni- renfalls hätte ich Ihnen gerne auch das Jahresergebnis schen Initiative verhält, die auf einen Erlass des Rates mitgeteilt. zur Organisation von Sammelflügen abzielt.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- Ich rufe nun die Frage 15 – ebenfalls von der Kollegin desminister des Innern: Pau – auf: Ich glaube, bisher haben wir nur in ganz wenigen Fäl- Wie viele Abschiebungen – bitte genau nach den Ziel- len Sammelflüge organisiert. Wenn mich mein Gedächt- regionen aufschlüsseln – wurden in den Jahren 2002 und 2003 auf dem Luftweg von deutschen Flughäfen durchgeführt? nis nicht im Stich lässt, dann ist dies bisher in einem be- sonderen Fall erfolgt. Aufgrund des föderalen Systems in Deutschland – darauf habe ich schon vorhin hingewie- Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- sen – sind die Bundesländer für Abschiebungen zustän- desminister des Innern: dig. Sie schieben in der Regel diejenigen ab, für die sie Frau Kollegin Pau, über deutsche Flughäfen wurden jeweils zuständig sind. Das ist bei der Beantwortung der im Jahr 2003 insgesamt 23 944 Abschiebungen auf dem Frage nach den Sammelabschiebungen zu berücksich- Luftweg durchgeführt. Für das Jahr 2002 war eine Grö- tigen. ßenordnung von exakt 26 286 Abschiebungen zu ver- zeichnen. Im Jahr 2003 wurden insgesamt 127 Ziellän- der angeflogen. Eine Auflistung der einzelnen Länder Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: kann ich Ihnen zukommen lassen. Zu Ihrer Information: Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Dr. Lötzsch. Bei den Zielländern war 2002 fast die gleiche Größen- ordnung zu verzeichnen; statt 127 waren es 124 Ziellän- Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): (B) der. Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, ist (D) Ihnen bekannt, wie viele Menschen aus Furcht vor dro- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: hender Abschiebung einen Selbstmordversuch unter- Eine Zusatzfrage. nommen bzw. Selbstmord begangen haben?

Petra Pau (fraktionslos): Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- Herr Staatssekretär, zunächst herzlichen Dank für desminister des Innern: diese Fakten. Die erwähnte Auflistung würde ich gerne Dass es zu dem einen oder anderen von Ihnen geschil- bekommen. derten Vorfall gekommen ist, weiß jeder, der aufmerk- sam die Zeitungen liest. Aber ich kenne keine diesbe- Liegen Ihnen Angaben vor, in wie vielen Fällen Ab- zügliche statistische Auflistung. Es ist auf jeden Fall schiebungen gegen den Widerstand von Abzuschieben- wichtig, dafür Sorge zu tragen, dass der schwierige Vor- den vorgenommen wurden? gang der Abschiebung, der in der Tat sehr einschneidend für die Betroffenen ist, human gestaltet wird. Die Beam- Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- tinnen und Beamten, die damit betraut sind, sind sehr desminister des Innern: sensibel und achten darauf, dass nach Möglichkeit sol- Nein, diese Angaben liegen mir nicht im Einzelnen che Vorkommnisse nicht eintreten. Aber die Vergangen- vor. Ihre Frage bezieht sich sicherlich insbesondere auf heit hat, wie gesagt, gezeigt, dass diesbezüglich das eine die Fälle, in denen Gewalt eine Rolle gespielt hat. Zu oder andere nicht auszuschließen ist. dem Vorgang der Abschiebung kommt es immer dann, wenn jemand auf die Aufforderung, das Land zu verlas- sen, nicht eingeht, sodass er in das jeweilige Zielland ab- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: geschoben werden muss. Darauf bezieht sich Ihre Frage. Vielen Dank. – Ich wäre Ihnen dankbar, Herr Kollege Wie Sie wissen, sind für die Abschiebungen in erster Li- Körper, wenn Sie so lange warten könnten, bis der Kol- nie die Länder zuständig. Der Bundesgrenzschutz ist im lege Sehling – hoffentlich – eingetroffen ist. Wir sollten Zuge der Amtshilfe daran beteiligt. natürlich fair gegenüber allen Seiten sein. Wie schwierig sich ein Abschiebungsprozess im Ein- zelfall darstellt und wie schwierig er ist, kann statistisch Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- wohl nur sehr schwer erfasst werden. Tatsache ist, dass desminister des Innern: die eine oder andere Abschiebung leichter durchzufüh- Herr Präsident, aber ich muss nicht im Stehen warten. 8282 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

(A) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: bekämpfung nicht im Mandat des Bundeswehreinsatzes (C) Darauf können wir uns sofort verständigen. Die Ge- enthalten ist. Zentrale Aufgabe der Sicherungskompo- schäftsordnung sieht vor, dass nur die Beantwortung der nente im deutschen Wiederaufbauteam ist die Schaffung Fragen im Stehen zu absolvieren ist. Laut unserer Ge- eines Klimas der Sicherheit, in dem unter anderem schäftsordnung sind also Wartezeiten nicht mit Stehver- afghanische Kräfte zur Drogenbekämpfung ausgebildet pflichtungen verbunden. werden. (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Obwohl das für den Sport zuständige Innenministerium Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: auch einmal eine solche Übung machen Eine Zusatzfrage, Frau Dr. Lötzsch. könnte!) – Das wäre aber schon hart an der Grenze zu einer Er- Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): gänzung der Geschäftsordnung, die ich auf dem üblichen Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatsministerin, formalen Wege zu betreiben bitte. ist der Bundesregierung bekannt, dass der Suchtstoff- Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswär- kontrollrat der Vereinten Nationen, INCB, in seinem tigen Amtes. Zur Beantwortung steht die Staatsministe- Jahresbericht einschätzt, dass der Drogenanbau in rin Kerstin Müller zur Verfügung. Afghanistan trotz politischer Veränderungen nicht zu- rückgeht, sondern – im Gegenteil – ansteigt? Welche Die Fragen 4 und 5 des Kollegen Dr. Schröder sowie Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung daraus? die Frage 6 des Kollegen Dr. Jüttner werden schriftlich beantwortet. Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Ich rufe nun die Frage 7 der Kollegin Dr. Gesine Amt: Lötzsch auf: Das ist uns bekannt. Wir ziehen daraus die Schluss- Was unternehmen die Bundesregierung und die in Afgha- folgerung, dass wir uns im Rahmen unserer finanziellen nistan stationierten Bundeswehrtruppen politisch, militärisch Möglichkeiten und im Rahmen der internationalen Ar- und finanziell gegen den zunehmenden Rohopiumanbau in beitsteilung weiter für diejenigen Aufgaben einsetzen, Afghanistan und auf welche Erfolge kann die Bundesregie- rung im Kampf gegen den Rohopiumanbau verweisen? die ich Ihnen gerade genannt habe. Wir sind insbeson- dere in der Ausbildung der Polizei tätig. Dabei geht es unter anderem um den Aufbau einer Polizei, die im Be- Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen reich der Drogenbekämpfung eingesetzt werden kann. Amt: Für die Bekämpfung des Drogenanbaus und Drogenhan- (B) (D) Die Frage beantworte ich wie folgt: Deutschland leis- dels ist Großbritannien zuständig. tet einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung und zum Wiederaufbau Afghanistans. Unser Engagement haben Ich kann nur sagen: Dies ist ein Problem, das man wir durch die Übernahme eines regionalen Wiederauf- nicht von heute auf morgen lösen kann; es geht vielmehr bauteams in Kunduz, die Einrichtung einer Außenstelle um langfristige Strategien. Vor allen Dingen muss es da- der Botschaft in Herat und die Verstärkung der Hilfe rum gehen, Einkommensalternativen für die Menschen beim Polizeiaufbau erheblich ausgeweitet. Wir tragen zu entwickeln. Ich könnte Ihnen jetzt sehr ausführlich maßgeblich dazu bei, dass die Menschen in Afghanistan darstellen, was wir da machen. Sie wissen ja: Die jähr- wieder mit Optimismus in die Zukunft blicken können lichen deutschen Leistungen in Afghanistan betragen und dass von diesem Land weniger Bedrohung für die circa 80 Millionen Euro. Sie werden für die Schaffung Welt, insbesondere für Europa und Deutschland, aus- von Einkommensmöglichkeiten – Arbeitsplätze, der geht. Ausbau einer sozialen wirtschaftlichen Infrastruktur, Er- nährungssicherungsvorhaben im ländlichen Raum, die Deutschland hat im Rahmen einer internationalen Ar- Förderung der Privatwirtschaft, Maßnahmen zur Trink- beitsteilung in Afghanistan die Führungsfunktion beim wasseraufbereitung, Elektrifizierungsprogramme, die Aufbau der Polizei übernommen. Dies schließt auch den Förderung der Privatwirtschaft, Minikreditprogramme – Aufbau einer afghanischen Drogen- und Grenzschutz- eingesetzt. polizei ein und stellt einen wichtigen Beitrag zur von Großbritannien übernommenen Aufgabe der Bekämp- Durch diese Hilfe entstehen sukzessive Erwerbsalter- fung des Drogenanbaus dar. nativen zum Opiumanbau. Das dient dazu, die Lebens- verhältnisse ländlicher Familien zu verbessern. Ich Entwicklungspolitisch fördern wir Maßnahmen zur könnte Ihnen noch ausführlicher darstellen, wie genau Schaffung alternativer Einkommensmöglichkeiten für und in welchem Umfang wir dort die Polizei ausbilden. Menschen, die bisher vom Opiumanbau bzw. -handel le- ben. Ebenfalls engagieren wir uns in einem Projekt zur Zusammengefasst: Es geht hier um eine langfristige Drogenkonsumprävention. Insgesamt hat Deutschland Strategie. Im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung bisher 320 Millionen Euro für den Zeitraum 2002 bis soll sich gerade nicht jedes Land um alle Probleme in 2005 an Unterstützung für Afghanistan zugesagt. Afghanistan kümmern. Im Rahmen der parlamentarischen Behandlung des aktuellen Bundestagsmandates zur Beteiligung an ISAF Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: hat die Bundesregierung zugesichert, dass die Drogen- Eine weitere Zusatzfrage, Frau Lötzsch. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8283

(A) Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen (C) Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatsministerin, Amt: wenn Sie sagen, nicht jedes Land solle sich um alle Pro- Wie gesagt, die Polizeiausbildung ist einer der bleme kümmern, dann scheint es mir doch ein sehr zen- Schwerpunkte der deutschen Unterstützung. Dafür wur- trales Problem zu sein – aber gut. den seit 2002 9 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Dies umfasst die Ausbildung von circa 3 500 Polizeibe- In dem von mir erwähnten Bericht wird auch die amten, übrigens Polizisten und Polizistinnen. Das ist ein Einschätzung getroffen, dass Österreich für den Dro- wichtiges Pilotprojekt, das sehr interessant ist und auch genhandel als Tor in den Westen dient, dass also Vorbildfunktion für andere Länder haben wird. Es um- gerade über Österreich viele Drogen, viele Opiate fasst ferner den Aufbau einer Polizeiakademie und die direkt aus Afghanistan nach Europa kommen. Welche Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen wie Kfz und Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus die- Telekommunikationseinrichtungen. ser Erkenntnis? Wie arbeitet sie mit den österreichi- Von den bisherigen Aktivitäten beim Aufbau der An- schen Behörden zusammen, um dem Drogenhandel tidrogenpolizei, der Counter Narcotics Police of Afgha- über den Weg Afghanistan–Österreich–Europa entge- nistan, CNPA, lassen sich die Renovierung und die Aus- genzutreten? stattung zweier Gebäude, die Erstellung spezifischer Ausbildungskonzepte sowie die Durchführung von Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Schulungsmaßnahmen hervorheben, durch die die Aus- Amt: wertungs- und Informationsbeschaffungseinheit ihre Ar- Man könnte jetzt wahrscheinlich verschiedene Länder beit bereits aufnehmen konnte. nennen, über die der Opiumhandel und der Handel mit Des Weiteren unterstützt die Bundesregierung Afgha- anderen Drogen abgewickelt werden. Wir arbeiten natür- nistan beim Aufbau der Grenzpolizei, zu deren Aufga- lich im Rahmen Europas, im Rahmen der internationalen ben die Unterbindung des Schmuggels gehört. Gemeinschaft – es gibt eine entsprechende Kommission Von den von Deutschland jährlich insgesamt erbrach- im Rahmen der Vereinten Nationen – mit den Österrei- ten Leistungen von 80 Millionen Euro werden 30 Millio- chern zusammen. nen Euro vom Auswärtigen Amt und 30 Millionen Euro Noch einmal: Ich glaube, dass kurzfristige Strategien vom BMZ verwaltet. 20 Millionen Euro sind für Leis- hier nicht helfen. Man muss zum einen mit polizeilichen tungen an multilaterale Geber wie das VN-System in Maßnahmen antworten; zum anderen muss es letztlich Afghanistan, also UNAMA, vorgesehen, zum Beispiel darum gehen – davon bin ich fest überzeugt –, für die zur Bezahlung von Gehältern von Polizisten und Polizis- (B) Menschen in Afghanistan eine Einkommensalternative tinnen sowie Lehrern und Lehrerinnen über das UNDP. (D) zu entwickeln. Nur wenn das gelingt, ist es möglich, Neben den genannten Bereichen unterstützt Deutsch- dass der Bauer vor Ort eben nicht Opium, sondern etwas land Afghanistan auch auf dem Gebiet der Rechtsbe- anderes anbaut. ratung – es ist sehr wichtig, diese Institutionen aufzu- bauen –, des Universitätswesens und der politischen Bis es uns, damit meine ich die internationale Ge- Bildung. Auch Projekte im Bereich Kultur, unter ande- meinschaft, gelungen ist, eine solche Alternative zu ent- rem von der Deutschen Welle, das Projekt Goethe-Insti- wickeln, wird sicherlich – das verhehle ich nicht – einige tut – das ist eines der ersten Kulturinstitute, das in Zeit vergehen. Die internationale Gemeinschaft verfolgt Afghanistan überhaupt wieder eröffnet hat –, sowie im einen langfristigen, nachhaltigen politischen Ansatz. Bis Bereich der Bildung und Frauenförderung, zum Beispiel es so weit ist, muss man alles tun, was im Rahmen der in Kandahar, werden gefördert. Zusammenarbeit mit Österreich oder anderen Ländern möglich ist, um zu verhindern, dass hier Drogen einge- Dies alles ist im Rahmen einer Gesamtstrategie und schmuggelt werden. Langfristig muss es darum gehen, natürlich auch im Rahmen der Mittel zu sehen, die von den anderen Gebern im Zuge der internationalen Ar- die Ursachen zu bekämpfen. beitsteilung zur Verfügung gestellt werden.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Frau Pau, Sie haben das Wort zu einer weiteren Zu- Ich rufe die Frage 8 des Kollegen Eckart von Klaeden satzfrage. auf: Wie verhält sich die Aussage im Schreiben des Auswärti- gen Amts, AA, vom 25. Juni 2003 in der Angelegenheit Hans Petra Pau (fraktionslos): E. O., Dresden, an den Petitionsausschuss, dass die Auslands- Frau Staatsministerin, Sie sagten, dass Sie über die vertretungen weltweit in jedem Einzelfall prüfen, ob die Vor- Erfahrungen beim Aufbau der Polizei bzw. bei der Poli- aussetzungen gegeben sind, zu den Vorwürfen des Kölner Landgerichts an das AA im Zusammenhang mit der Urteils- zeiausbildung ausführlicher berichten können. Ich verkündung im Fall A. B. sowie zu der Tatsache, dass das so möchte Ihnen mit meiner Nachfrage diese Gelegenheit genannte Reisebüroverfahren praktiziert wurde, sowie zu der geben: Wie sind die bisherigen Erfahrungen beim Auf- Aussage im Schreiben des AA vom 2. August 2001 an den bau einer Drogen- und Grenzpolizei? Auf welche Bundesverband mittelständischer Reiseunternehmen, wo es heißt, dass bei Gruppenreisen aus der Ukraine in die EU der Schwerpunkte konzentrieren Sie sich bei der Ausbil- Reisezweck und die Umstände der Reise nur einmal für alle dung? Gruppenmitglieder geprüft werden? 8284 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

(A) Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Wir werden also aufgefordert, entgegen dem Auslän- (C) Amt: dergesetz Visa zu erteilen. Herr von Klaeden, (Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Frau Staats- NEN]: Hört! Hört! – Volker Beck [Köln] ministerin!) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rechtlose Gesellen! Bayerische Anarchie!) Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Das tun wir natürlich nicht. Das können wir auch nicht. Bei der Visumerteilung bewegen sich unsere Bot- Wir halten uns an die rechtlichen Vorgaben. schaften und Generalkonsulate in einem Spannungsfeld. Einerseits hat unser Land ein sehr großes Interesse am Ich zitiere weiter: regelmäßigen persönlichen Austausch mit dem Ausland, In meinen Augen steht diese Vorgehensweise einem sei es aus wirtschaftlichen, kulturellen oder sei es aus Land wie der Bundesrepublik Deutschland, die sich rein persönlichen Gründen. Andererseits müssen wir den üblicherweise als weltoffen und auf interkulturellen zahlreichen Versuchen der illegalen Einreise nach Austausch bedacht präsentiert, nicht gut zu Gesicht. Deutschland und Europa effektiv begegnen und zudem unserer inneren Sicherheit Rechnung tragen. Gemeint ist die restriktive Visapraxis. Nur ein Beispiel für dieses Spannungsfeld sind die Ich zitiere nicht den gesamten Brief, obwohl ich das zahlreichen Schreiben, auch von Oppositionsabgeordne- gern täte. Er endet jedenfalls damit, dass der kulturelle ten, die das Auswärtige Amt, den Bundesminister, mich und zwischenmenschliche Austausch sehr wichtig ist persönlich, den Kollegen Bury, immer wieder erreichen. und dass dies für die wirtschaftliche Entwicklung Ich kann Ihnen versichern: Bei diesen Schreiben geht es Deutschlands wichtig ist. Deshalb bittet man darum, nicht um Beschwerden des Inhalts, unser Visumverfah- doch alles dafür zu tun, dass diese Visa erteilt werden, ren sei zu lax; in aller Regel wird gefordert, die Ableh- und noch einmal zu schauen, ob im Rahmen der rechtli- nung von Visumanträgen zu überprüfen oder zurückzu- chen Möglichkeiten nicht doch eine andere Entschei- nehmen. dung in Frage kommt. Ich habe nicht alle Ordner mitgebracht, aber doch ei- Ich könnte Ihnen auch noch einen Brief des Kollegen nige Beispiele. Da gibt es ein Schreiben des Kollegen Grill vortragen. Dieser ist interessant, denn da geht es Koschyk, um die Ukraine. Dieser Brief ist vom 10. Februar dieses Jahres. (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ach!) (B) (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Haben Sie (D) der auch eine Frage dazu gestellt hat. Er bittet in diesem nicht auch noch einen Brief von mir gefun- Schreiben vom 8. Mai 2003, das an Herrn Fischer per- den?) sönlich gerichtet ist, um Unterstützung. Es geht um die Visaerteilung an junge Chinesen. Er bittet darum, die Das ist interessant, nicht wahr? Es geht um die Visumer- Visa zu erteilen. Ich zitiere: teilung für einen ukrainischen Staatsbürger Herrn I. Hier wurde die Bitte an uns herangetragen, zu prüfen, was wir Nun droht dem erfolgreichen Unternehmen die Ge- natürlich immer tun, ob man nicht ein Visum erteilen schäftsaufgabe. Grund ist die restriktive Verfah- könne. rensweise des Auswärtigen Amtes, das seit Dezember 2002 den potenziellen chinesischen Ich gebe Ihnen das als Beispiel, um deutlich zu ma- Schülern keine Visa mehr erteilt. chen, dass dieses Spannungsverhältnis existiert und dies ganz offensichtlich auch von vielen Abgeordneten Ihrer (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehr in- eigenen Fraktion so gesehen wird. teressant! – Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Die Chinesen sind keine Schlepper und Geld- (Beifall des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜND- wäscher!) NIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kluge Abge- – In China gibt es natürlich keine Schlepper; klar. – ordnete!) Wohlgemerkt: Das Schreiben ist vom Mai 2003. Es geht hier immer um die Abwägung, einerseits die (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das hat mit Sicherheitsinteressen unseres Landes zu beachten, ande- meiner Frage nichts zu tun!) rerseits natürlich wirtschaftliche Entwicklung und kultu- – Sie wollen doch zuhören. rellen Austausch zu fördern und unserem Ruf – ich möchte das noch einmal zitieren, denn ich teile ja die Ich zitiere weiter: Auffassung von Herrn Koschyk – als weltoffenes Land gerecht zu werden. In diesem Abwägungsprozess befin- Die deutsche Botschaft in Peking verweigert den den wir uns; die Abwägung erfolgt. BBI-Bewerbern, die alle vereinbarten Vorausset- zungen erfüllen, die Visa zur Berufsausbildung un- ter dem Hinweis, dass berufliche Erstausbildung für Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: ausländische Jugendliche nicht im Ausländergesetz Ich habe nun bereits eine ganze Reihe von Wünschen vorgesehen sei. nach Zusatzfragen. Zunächst hat aber selbstverständlich Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8285

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert (A) der Fragesteller die Möglichkeit, zwei Zusatzfragen zu von der gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Verpflich- (C) stellen. tung macht, dass Antragsteller von Visa persönlich bei der jeweiligen Botschaft vorsprechen müssen. Das heißt, Ich will schon jetzt darauf hinweisen, dass ich nach jeder Einzelfall wird zwar geprüft, aber beim Reisebüro- der Frage 9 die vorhin zurückgestellte Frage 16 des Kol- verfahren muss der Antragsteller dafür nicht persönlich legen Sehling aufrufen möchte, damit Staatssekretär vorsprechen. Diese Ausnahme dient der Förderung der Körper auch die erforderliche Dauer seiner Anwesenheit Reiseindustrie der EU-Mitgliedstaaten. Es handelt sich halbwegs verlässlich kalkulieren kann. also um eine Verabredung, die von allen Schengen-Staa- Zusatzfrage, Herr Kollege von Klaeden. ten im wohlverstandenen Eigeninteresse vorgesehen worden ist. Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Deutschland hat dieses Verfahren in Kiew praktiziert, Frau Staatsministerin, Ihre umfangreichen Ausfüh- und zwar so lange, wie sich keine Hinweise darauf erga- rungen zu Briefen, die die Volksrepublik China betref- ben, dass es zur illegalen Einreise missbraucht wurde. fen, haben leider überhaupt nichts mit meiner Frage zu Wie gesagt, es geht hier um das Reisebüroverfahren, tun gehabt. Ich habe Sie zu dem in der Öffentlichkeit ja nicht um die Reiseschutzversicherung und erst recht mittlerweile auch bekannt gewordenen massenhaften nicht um den so genannten Volmer-Erlass, der ganz an- Visamissbrauch – ich finde, dieser so schwer wiegende dere Kriterien der Visaprüfung betrifft. Nachdem Hin- Vorgang verdient eigentlich keine so ironische Darstel- weise auf Missbrauch im Sommer 2001 vorlagen, wurde lung – das Verfahren seitens des Auswärtigen Amtes einge- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und stellt, und zwar mit einer Anweisung vom 3. August des Abg. Jürgen Koppelin [FDP] – Hartmut 2001 zum 1. Oktober 2001. Das heißt, alle Antragsteller Koschyk [CDU/CSU]: Wer so ein schlechtes müssen seitdem wieder persönlich bei der Botschaft vor- Gewissen hat, muss so primitiv argumentie- sprechen. Da dies für deutsche Reiseunternehmen – jetzt ren! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: So komme ich zu Ihrem Brief –, ist das!) (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Zu meiner befragt und danach, ob die Aussagen, die das Auswär- Frage!) tige Amt gegenüber dem Petitionsausschuss gemacht die mit Reiseunternehmen aus der Ukraine zusammenar- hat, nämlich dass in den Auslandsvertretungen in jedem beiteten, von Bedeutung war, hat das Auswärtige Amt Einzelfall geprüft werde, vereinbar sind mit der Aussage die Verfahrensänderung in einem Schreiben an deutsche des Auswärtigen Amtes vom 2. August 2001 an den Reiseunternehmen und an den Bundesverband mittel- (B) Bundesverband mittelständischer Reiseunternehmen, in ständischer Reiseunternehmen e.V. – aus diesem Schrei- (D) der es heißt, dass bei Gruppenreisen aus der Ukraine in ben zitieren Sie – erläutert. Das Auswärtige Amt hat da- die Europäische Union der Reisezweck und die Um- rin den Grundsatz der persönlichen Vorsprache jedes stände der Reise nur einmal für alle Gruppenmitglieder einzelnen Reiseteilnehmers bekräftigt und gleichzeitig geprüft werden. Das ist eine Frage, die man ganz einfach angeboten, für ukrainische Kooperationspartner deut- mit Ja oder Nein beantworten kann und wozu man nicht scher Reiseunternehmen die Vorsprache sämtlicher Teil- Ausflüchte in Bezug auf die Volksrepublik China ma- nehmer einer Reisegruppe zu einem einzigen Termin zu chen muss. ermöglichen. Wir haben uns also selbst in diesem Fall darum bemüht, ein unbürokratisches Verfahren zu fin- Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen den. Das bedeutet, jeder Reiseteilnehmer wurde einzeln Amt: befragt, aber für das Reisebüro war es weiterhin mög- Ich finde, es stellt sich jetzt die Frage, wer die schrift- lich, die Anträge gesammelt einzureichen. liche Frage, die von einem Ihrer Kollegen an uns gestellt Dieses Beispiel – ich sage es noch einmal – zeigt wurde, ernst nimmt. Wir nehmen diese Frage ernst und doch deutlich, wie sehr die Bundesregierung bemüht ist, beantworten sie auch. in der Visumspraxis zu Lösungen zu kommen, die auf (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Können Sie Basis der geltenden Rechtslage sowohl unseren Sicher- nicht einfach einmal meine Frage beantwor- heitsinteressen als auch, wie in diesem Fall, den wirt- ten?) schaftlichen Interessen deutscher Reiseunternehmen ge- recht werden. – Doch, ich beantworte Ihre Frage, aber so, wie ich das für richtig halte. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Es gibt Nächste Zusatzfrage, Herr Kollege von Klaeden. zwei Schreiben! – Jürgen Koppelin [FDP]: Holen wir am besten wieder einmal den Au- Eckart von Klaeden (CDU/CSU): ßenminister!) Frau Staatsministerin, der Vorsitzende Richter am Bei den Schreiben, die Sie erwähnt haben – jetzt muss Landgericht Köln, der, wie in der Öffentlichkeit bekannt man einmal die Verfahren auseinander halten –, geht es ist, vor einigen Wochen ein Urteil in einem Schleuser- um das zwischen den Schengen-Partnern in Kapitel VIII prozess zu sprechen hatte, welcher sich mit den Vorfäl- Ziffer 5 ihrer Gemeinsamen Konsularischen Instruktion len in der deutschen Botschaft in Kiew auseinander ge- niedergelegte Reisebüroverfahren, das eine Ausnahme setzt hat, hat festgestellt, dass in Kiew seit dem 8286 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

Eckart von Klaeden (A) Jahr 2000 1,1 Millionen Visa erteilt worden seien. Das, Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (C) so der Richter, bedeute, dass alle zwei Minuten ein Vi- Nächste Zusatzfrage, Herr Kollege Koschyk. sum erteilt worden sei, und zwar bei einer Arbeitszeit von 24 Stunden am Tag. Ich frage Sie erstens, ob Sie diese Zahlen bestätigen können – von mir aus auch nur Hartmut Koschyk (CDU/CSU): die Anzahl der erteilten Visa –, und zweitens, ob das Frau Staatsministerin, sind Sie der Auffassung, dass Auswärtige Amt die notwendigen Vorkehrungen getrof- das Bemühen anerkannter Bildungsträger in Deutsch- fen hat, um eine sorgfältige Prüfung, wie von Ihnen ge- land, jungen Menschen aus der Volksrepublik China rade vorgetragen, in Kiew möglich zu machen. Aus- und Fortbildungsaufenthalte in Deutschland anzu- bieten, ein Thema ist – nach meinen Informationen hat Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen auch der Bundeskanzler bei seinem letzten Besuch in der Amt: Volksrepublik China dieses Thema angesprochen –, bei dem das Auswärtige Amt den Missbrauch im Hinblick Darf er zwei Fragen stellen? auf die Erteilung von dazugehörigen Visa so gegeben sieht wie bei dem festgestellten Missbrauch von Visa- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: erteilungen bei der deutschen Botschaft in Kiew? In der gleichen Weise, wie in der Antwort auf ver- schiedene, nicht ausdrücklich nachgefragte Briefe Bezug (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE genommen wurde. GRÜNEN]: Können Sie die Frage nicht so stellen, dass man sie versteht?) Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Wenn ja: Was hat das Auswärtige Amt unternommen, Amt: um gegenüber dem Bundeskanzleramt im Hinblick auf Ich kann die Zahlen so nicht bestätigen. das Werben für Ausbildungsaufenthalte junger Chinesen in der Bundesrepublik Deutschland den Visamissbrauch (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sind sie deutlich zu machen? falsch?) – Das ist meine Antwort. – Ich kann Ihnen nur sagen, in welchem Jahr wie viele Visa in Kiew erteilt wurden. Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Zu Ihrer zweiten Frage, die ja sehr generell war, kann Ich weiß nicht, ob ich Ihre Frage richtig verstanden ich nur Folgendes sagen: Zunächst gibt es das Problem habe, weil sie sehr kompliziert war. So weit ich sie ver- der Reiseschutzversicherung. Darum ging es in dem standen habe, will ich sie beantworten. (B) Kölner Prozess. Nachdem wir am 27. Juni 2002 Kennt- (D) nis davon erhalten haben, dass gegen den Inhaber der Ich habe das Anliegen in diesem Brief hier vorgetra- Reise-Schutz AG ein Ermittlungsverfahren eröffnet wor- gen, um zu zeigen, dass man in einem Spannungsfeld den war, haben wir sofort und unmittelbar, nämlich am steht. Natürlich haben wir ein Interesse, dass hier ausge- 28. Juni 2002, an unsere Vertretung in Kiew den Erlass bildet wird. Aus Gesprächen mit Ihrer Fraktion wissen weitergegeben, dass die Anerkennung des Reiseschutz- Sie, dass die Bundesregierung an einem Zuwanderungs- passes aufgrund dieses eröffneten Ermittlungsverfahrens gesetz arbeitet. Zugleich aber müssen wir auch unseren auszusetzen sei. Die Möglichkeit der Anerkennung von Sicherheitsinteressen gerecht werden. Reiseschutzpässen, die ja im Zusammenhang mit Finan- In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns und bewe- zierungsfragen eine Rolle spielt, haben wir dann im gen sich auch die Mitarbeiter an den Botschaften, die März 2003 grundsätzlich und weltweit eingestellt. Inso- solche Visa zu erteilen haben. Für dieses Spannungsfeld fern haben wir in Bezug auf das Problem der Reise- habe ich Ihnen ein Beispiel genannt. Natürlich ist es so, schutzpässe – und darum geht es in dem Kölner Fall; es dass wir Visa nur auf der Basis der gültigen Rechtslage geht um Missbrauch, der mit diesen Pässen im Einzelfall erteilen können. getrieben wurde – gehandelt. Bei dem Reisebüroverfahren – ich habe es eben schon Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: erwähnt – geht es um etwas ganz anderes, nämlich da- rum, dass das persönliche Erscheinen ersetzt werden Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, dass nach kann. Auch dieses Verfahren haben wir eingestellt, nach- unseren Regeln für die Fragestunde jeder Fragesteller dem Probleme aufgetaucht waren. Heute ist es so, dass zwei Zusatzfragen und jedes andere Mitglied des Hauses die Reisenden persönlich vorsprechen müssen, im Rah- eine Zusatzfrage stellen kann. Es wäre schön, wenn auch men einer Reisegruppe möglicherweise zu einem ge- die Form der Nachfrage keine Zweifel an der Einhaltung meinsamen Termin. dieser Vorgabe aufkommen lässt. Das heißt, immer wenn wir von Missbrauchsfällen er- (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Ich wollte fahren haben, hat das Auswärtige Amt unmittelbar ge- nur, dass die Frau Staatsministerin das ver- handelt. Aber ich sage Ihnen auch – das habe ich schon steht!) in der letzten Fragestunde sehr deutlich gesagt –: Bei – Ich wollte nur auf diese Regelung hinweisen. insgesamt 3 Millionen Visaanträgen ist natürlich nicht auszuschließen, dass Fehler passieren und dass Miss- Nun hat als nächste Fragestellerin die Kollegin Tritz brauch getrieben wird. das Wort. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8287

(A) Marianne Tritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): – Herr von Klaeden, ich komme Ihnen entgegen. Ich (C) Frau Staatsministerin, können Sie noch einmal aus- könnte auch sagen: der Erlass Nr. 514-516.20 vom drücklich bestätigen, dass das Reisebüroverfahren keine 3. März 2000. Dann wüssten sicher alle, was gemeint ist. deutsche Erfindung und insbesondere keine Erfindung Dieser Erlass bezieht sich auf ein Kriterium, das bei des Auswärtigen Amtes war, sondern dass es ein von den der Visaerteilung zu prüfen ist, nämlich die Rückkehrbe- Schengen-Partnern vereinbartes Verfahren ist und dass reitschaft. Wenn ein Ermessen eröffnet ist – wenn Si- dieses Verfahren auch deswegen ermöglicht wurde, um cherheitsinteressen berührt sind, steigt man überhaupt die Reiseunternehmen der Schengen-Staaten zu fördern? nicht in eine Ermessensprüfung ein –, soll nicht jeder Zweifel an der Rückkehrbereitschaft, sondern erst die Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen hinreichende Wahrscheinlichkeit der fehlenden Rück- Amt: kehrbereitschaft zur Ablehnung führen. Wenn sich die Das kann ich eindeutig bestätigen. Es handelt sich um Umstände die Waage halten, soll der Grundsatz gelten: ein Verfahren, das mit den Schengen-Partnern vereinbart im Zweifel für die Reisefreiheit. wurde. Im Übrigen haben diesem Verfahren alle Bundes- länder, also auch die CDU-regierten Länder, zuge- Alle weiteren Kriterien – die Finanzierung, die in stimmt. Form einer Verpflichtungserklärung usw. gesichert sein muss; die Einhaltung des Reisezweckes; die Rückkehr- Dieses Verfahren wurde von uns an der Botschaft in berechtigung – müssen weiterhin geprüft werden. Kiew eingestellt. An anderen Botschaften in der Welt wird es – nicht nur von uns, sondern auch von anderen Bevor alle diese Prüfungen erfolgen, erfolgt eine An- Schengen-Partnern – weiter durchgeführt. Das Ziel ist, frage beim Ausländerzentralregister, dem so genannten die wirtschaftliche Tätigkeit zu erleichtern. Deshalb be- AZR, und beim SIS, dem Schengen-Informationssys- kommen wir gerade in diesem Bereich immer wieder tem. Wenn hier eine Einreisesperre vorliegt, wird erst Briefe von mittelständischen Unternehmen oder von gar nicht in die Ermessensprüfung eingestiegen. Mitgliedern der Fraktionen dieses Hauses, in denen da- rum gebeten wird, dass man zur Erreichung dieses Zieles Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Verfahrensmöglichkeiten findet, die Visaerteilungen zu Nächste Zusatzfrage. Herr Kollege Binninger. beschleunigen. Das Reisebüroverfahren gehört dazu. Clemens Binninger (CDU/CSU): Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Frau Ministerin, Sie haben vorhin mehrfach das Span- Herr Kollege Volmer. nungsfeld – das sicher niemand bestreitet –, in dem man sich hier bewegt, beschrieben und versucht, einen Zu- (B) (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Dürfen sich (D) sammenhang zwischen einzelnen Schreiben von Abge- auch direkt Betroffene melden?) ordneten und den illegalen Schleusungen in Kiew herzu- stellen. Wären Sie bereit, zuzugeben, dass all die Fragen, Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): die wir in der heutigen Fragestunde stellen, sich nicht an Frau Staatsministerin, nachdem Sie ausgeführt haben, dem Spannungsfeld orientieren, sondern sich allein auf dass in jedem Einzelfall ein Visumsantrag nach Recht die kriminellen Machenschaften beziehen, die dazu ge- und Gesetz geprüft wird, möchte ich Sie fragen: Können führt haben, dass in der Botschaft in Kiew massenweise Sie meiner Einschätzung zustimmen, dass die Aussage Schleusungen begangen wurden wie noch nie in der Ge- der CDU-Parteivorsitzenden in der vor- schichte dieser Republik? letzten Ausgabe der „Bild am Sonntag“, (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das ist eine Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen verbotene Dreiecksfrage!) Amt: Ich weise natürlich die Behauptung zurück, dass dort dass nach den Bestimmungen des zitierten Erlasses im „massenhaft Schleusungen begangen wurden wie noch Rahmen der Visaerteilungen nicht mehr Rückkehrbereit- nie in der Geschichte dieser Republik“. schaft, Reiseziel und Reisezweck geprüft werden müs- sen, nichts anderes als falsch ist? Ich weise nicht zurück, dass dort Schleusungen pas- siert und Missbrauchsfälle vorgekommen sind. Kiew ist (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das war jetzt eine der Botschaften, bei der Visaanträge in sehr hoher ein harter Angriff! – Eckart von Klaeden Zahl gestellt wurden. Man muss Verfahren finden, des- [CDU/CSU]: Da wackelt das Adenauer-Haus!) sen Herr zu werden.

Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Ich habe das Spannungsfeld deshalb noch einmal dar- Amt: gestellt. Alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind – das will ich betonen – in einer solchen Botschaft einem un- Diese Aussage ist in der Tat falsch. Vielleicht sollte geheuren Druck ausgesetzt. Sie haben alle diese Dinge ich angesichts dieser Frage noch einmal erläutern, was in den Abwägungsprozess einzubeziehen, wenn sie in der so genannte Volmer-Erlass bedeutet. die Ermessensprüfung einsteigen. Es geht einerseits um (Lachen bei der CDU/CSU – Eckart von das Interesse der Bundesrepublik Deutschland an kultu- Klaeden [CDU/CSU]: Warum heißt der denn rellem Austausch und wirtschaftlicher Tätigkeit und an- so?) dererseits um unsere Sicherheitsinteressen. 8288 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

Staatsministerin Kerstin Müller (A) Deshalb wird die Visaerlasspraxis ständig fortentwi- Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen (C) ckelt. Es wird ständig auf neue Situationen reagiert. Amt: Ich sagte gerade, dass ich zu diesem Sachverhalt meh- (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Die Frage rere Aktenordner habe. Diese habe ich aber nicht mitge- war eine andere!) bracht. Ich werde diesen Fall aber genauso gründlich be- Wir haben hier gemeinsam die Gesetze beschlossen. arbeiten und die Frage genauso ausführlich beantworten, Nach dem 11. September wurde die Visapraxis ver- wie das meine Kollegen und ich mit allen anderen Brie- schärft. Zum Beispiel erfolgt für bestimmte Risikostaa- fen auch tun. Ich kann Ihnen jetzt nicht aus dem Stegreif ten eine besondere Prüfung. sagen, ob es hier einen Ermessensspielraum gibt. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Erteilung Sobald sich ein Ermessensspielraum öffnet, werden eines Visums immer. Wir bemühen uns natürlich, Miss- wir ihn prüfen. Wenn das möglich ist – es scheint auf brauch auszuschließen. Wenn wir von solchen Fällen hö- den ersten Blick sinnvoll –, ren, reagieren wir sofort und unmittelbar. (Jürgen Koppelin [FDP]: Alles abgelehnt worden!) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: werden wir das machen. Wir können aber nur auf der Herr Kollege Koppelin. Basis der geltenden Rechtslage vorgehen. (Jürgen Koppelin [FDP]: Ich bitte um eine Jürgen Koppelin (FDP): schriftliche Antwort!) Frau Staatsministerin, nachdem Sie aus einem Brief Wir werden die Rechtslage prüfen und wenn diese kei- eines Abgeordneten zitiert haben, was ich in der Frage- nen Ermessensspielraum hergibt, können wir die Visa, stunde unmöglich finde – das mag Ihr Stil sein –, möchte um die es hier geht, nicht erteilen. ich Sie, weil da auch junge Chinesen angesprochen wur- den, fragen: Wie beurteilen Sie, dass das Auswärtige Ihr Fall zeigt wieder einmal, wie kompliziert die Ab- Amt 25 jungen Chinesen, die aufgrund der SARS-Kata- wägung ist. Ich mache hier nur deutlich, wie sehr die strophe von einem Unternehmen in Lübeck als Hygiene- Bundesregierung und die damit befassten Mitarbeiterin- techniker an Krankenhäusern in China ausgebildet wer- nen und Mitarbeiter darum bemüht sind, diese Abwä- den sollten – alle Voraussetzungen, die Sie angesprochen gungen in jedem Einzelfall vorzunehmen. haben, einschließlich der Finanzierung waren erfüllt –, (Jürgen Koppelin [FDP]: Den Eindruck hatte kein Visum erteilt hat? man nicht!) (B) (D) Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Amt: Ich möchte darum bitten, dass sich die Zusatzfragen Jetzt geht es doch darum, dass Deutsche nach China möglichst im unmittelbaren Umfeld der gestellten Aus- gehen. gangsfrage bewegen sollten. (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Die Ant- Jürgen Koppelin (FDP): worten auch, Herr Präsident!) Nein, es gehen nicht Deutsche nach China, sondern – Die Antworten auch, wenngleich auf beiden Seiten ein Chinesen nach Deutschland, und zwar zur Ausbildung bisschen Toleranz walten sollte, weil der Gesamtkom- als Hygienetechniker; sie wollten in Krankenhäusern in plex sicher manche Verflechtungen aufweist, wie die China arbeiten. Fragen und Antworten deutlich machen. Nun hat der Kollege Uhl das Wort. Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU): Sie können mir diesen Fall gern schriftlich einreichen. Frau Staatsministerin, Sie sind in keiner sehr benei- denswerten Situation, wenn Sie die Folgen des unsägli- Jürgen Koppelin (FDP): chen so genannten Volmer-Erlasses verteidigen müssen. Erstaunlich ist es aber doch, wenn Sie sagen, dass mas- Der Schriftverkehr liegt dem Auswärtigen Amt vor; senhafter Missbrauch nicht stattgefunden habe, obwohl schade, dass Sie ihn nicht dabei haben. Ihnen bekannt sein müsste, dass die Zahlen explosions- artig angestiegen sind, von 150 000 Visa in 1999 auf Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen 210 000 Visa in 2000 und auf 300 000 Visa in 2001. Al- Amt: les in allem wurden mehr als 1 Million Visa erteilt – al- Den habe ich leider nicht dabei. lein von der Botschaft in Kiew! (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Jürgen Koppelin (FDP): NEN]: Das ist nicht per se Missbrauch!) Schade, dann haben Sie die falsche Postmappe be- Dies hat auch das Bundesinnenministerium beunru- kommen. higt. Es gibt ein Schreiben des Bundesinnenministers an Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8289

Dr. Hans-Peter Uhl (A) das Auswärtige Amt vom 13. März 2000 – das war zehn (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das hat mit (C) Tage nach dem Volmer-Erlass –, in dem die Bedenken meiner Frage gar nichts zu tun!) dargestellt wurden. Am 17. April 2000 antwortete Staatssekretär Pleuger gegenüber dem Innenministe- weder der Verlauf oder das Ergebnis eines Visaverfah- rium. Wissen Sie etwas über diese Korrespondenz? Wis- rens noch die Identität der Visa-Antragsteller hinrei- sen Sie, ob der Dissens zwischen Innen- und Außenmi- chend festgestellt werden. Damals war ein Abgleich von nisterium, der nur logisch ist, das Kanzleramt beschäftigt Visaanträgen aus verschiedenen Botschaften ganz ein- hat? Wurde der Dissens auf höherer Ebene auf ir- fach technisch nicht möglich, sodass die neue Bundesre- gendeine Weise gelöst oder hat der Innenminister gesagt: gierung seinerzeit eine Situation vorgefunden hat, in der Es ist eben so, dass die Zahlen explodieren und Hundert- die Sicherheitsinteressen in keiner Weise gewahrt wer- tausende von Missbrauchsfällen in Kiew stattfinden? den konnten. Stellt sich die jetzige Diskussion vor die- 85 Prozent der Schengen-Visa, die in Kiew ausgestellt sem Hintergrund nicht als Heuchelei dar und teilen Sie wurden, stammen aus der deutschen Botschaft, als gäbe mit mir die Auffassung, dass eine solche Sicherheitslü- es keine anderen Staaten in der EU, die auch Schengen- cke bei diesem Erlass nicht vorhanden ist? Visa erteilen können. Wissen Sie – – Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Amt: Ich weise noch einmal darauf hin, dass Sie eine Zu- Nach dem 11. September haben wir – ich bin als satzfrage stellen können. Fraktionsvorsitzende damals persönlich damit befasst gewesen – sehr gründlich nach Sicherheitslücken ge- (Kerstin Müller, Staatsministerin: Er stellt jetzt sucht. Die Visadatei spielte auch eine Rolle. Wir haben die dritte Frage!) hier mit breiter Mehrheit des Hauses Veränderungen vor- genommen, von deren Richtigkeit ich tief überzeugt bin. Sie stellen jetzt die dritte Zusatzfrage zum gleichen Sachverhalt. Sie spüren doch die Nervosität, die auf den Nach dem 11. September hat es hier also Veränderun- verteilten Plätzen herrscht. Ich bitte Sie darum, diese gen gegeben. Ich habe eben bereits gesagt, dass die Er- nicht unnötig zu strapazieren. lasspraxis ständig weiterentwickelt wird, auch den aktu- ellen Anforderungen angepasst wird, dass sie sich auch Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU): regional unterscheidet. Das Reisebüroverfahren zum Ich glaube, ich habe die Staatsministerin schon genug Beispiel, das ich erwähnt habe und das von allen Schen- belastet, ich will hier innehalten. gen-Staaten angewendet wurde, wird heute nicht mehr in Kiew, aber noch in anderen Ländern und Botschaften an- (B) gewandt. (D) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ich bedanke mich. Ich will noch einmal betonen: Auch vor dem Hinter- grund der aktuellen Debatte sehe ich überhaupt keinen Grund, den Runderlass des Auswärtigen Amtes vom Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: 3. März 2000, Nr. 514-516.20, zurückzunehmen, der – wie gesagt – durch andere Erlasse weiterentwickelt Erstens belasten Sie mich nicht und zweitens brau- wurde. Soweit mir bekannt ist, sind die Missbrauchs- chen wir nicht von Nervosität zu reden; denn die habe und Schleuserfälle, die öffentlich diskutiert werden, ich nicht. Ich kann Ihnen gern unsere Position zum so nicht auf diesen Erlass zurückzuführen. In all diesen Fäl- genannten Volmer-Erlass deutlich machen. len ging es um andere bei der Visaerteilung zu prüfende Also: Es hat diesen Brief des Innenministers gegeben Tatbestandsvoraussetzungen, insbesondere um die Frage und die Bedenken wurden ausgeräumt. der Finanzierung, deren Nachweis zeitweise durch Vor- lage von so genannten Reiseschutzpässen ersetzt werden (Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Ach konnte. so! – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Eine gute Antwort! – Gegenruf des Parl. Staatsse- kretärs Fritz Rudolf Körper: Sie hätten die Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Frage gar nicht stellen müssen!) Herr Kollege Grindel.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Reinhard Grindel (CDU/CSU): Herr Kollege Beck. Frau Staatsministerin, Sie haben auf die hohe Arbeits- belastung der Mitarbeiter in der Botschaft in Kiew hin- gewiesen. Gleichzeitig haben Sie gesagt, es habe eine Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Einzelfallprüfung gegeben, und Sie haben – wie in der Angesichts der Diskussion über die Sicherheitsrele- letzten Antwort – einige Missbrauchsfälle angesprochen, vanz dieses Erlasses gestatten Sie mir, Frau Staatsminis- die aber auf eine Fehleinschätzung hinsichtlich der terin, eine Frage zu diesem Bereich. Wir haben damals Finanzierungsfragen bezogen. im Rahmen der Einführung des Terrorismusbekämp- fungsgesetzes erstmals Ordnung in die Visadateien ge- Können Sie mir vor dem Hintergrund dessen, was Sie bracht. Bis zur Einführung des Terrorismusbekämp- gerade gesagt haben, erklären, warum in Reaktion auf fungsgesetzes konnte anhand der Visadatei den Sachverhalt, über den wir uns hier unterhalten, 8290 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

Reinhard Grindel (A) 18 Ortskräfte und ein deutscher Mitarbeiter in der Bot- (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Was denn für (C) schaft in Kiew fristlos entlassen worden sind? Was ha- Missbrauchsfälle?) ben Sie denen vorgeworfen, wenn angeblich – so wie Sie es hier darstellen – im Rahmen der Ermessensausübung Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: alles einigermaßen korrekt abgelaufen ist? Dies ist wohl Ich rufe Frage 9 des Kollegen Eckart von Klaeden ein Fall ohne Beispiel – korrigieren Sie mich –, wenn auf: 18 Ortskräfte auf einmal fristlos entlassen werden. Welchen Inhalt hat – vergleiche Schreiben des Petitions- (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Ein Drittel ausschusses an das AA vom 2. Oktober 2003 – der vom oben der Ortskräfte!) genannten Petenten benannte Erlass des AA Nr. 519?

Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Amt: Erstens waren es nicht 18, sondern 16. Auf diese Frage muss ich antworten: In diesem Zu- sammenhang existiert kein Erlass Nr. 519 des Auswärti- (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das ist natür- gen Amtes. lich ein entscheidender Unterschied! Da haben Sie Recht!) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: – Nur, um korrekt zu bleiben. – Zweitens wurden die Ihre Zusatzfrage. 16 Ortskräfte nicht fristlos entlassen. Drittens geschah dies nicht als ausschließlich unmittelbare Reaktion auf die Missbrauchsfälle. Ein Teil von ihnen wurde im Zu- Eckart von Klaeden (CDU/CSU): sammenhang mit den Missbrauchsfällen entlassen. Aber Frau Staatsministerin, ich möchte noch einmal auf die ein anderer Teil wurde aufgrund von Rationalisierungs- Missbrauchsfälle zu sprechen kommen, die Sie gerade maßnahmen entlassen, die in der entsprechenden Bot- im Zusammenhang mit den Entlassungen erwähnt ha- schaft durchgeführt wurden. ben. Habe ich Sie richtig verstanden, dass es sich dabei lediglich um solche Missbrauchsfälle gehandelt hat, bei Überdies habe ich nicht behauptet, dass Fehler auszu- denen Personen betroffen waren, welche offensichtlich schließen sind. Ich habe das genaue Gegenteil behauptet: die notwendigen finanziellen Voraussetzungen nicht Fehler sind nicht auszuschließen. Auch Missbrauch ist erfüllt haben, denen aber das Visum dennoch erteilt angesichts der großen Anzahl der zu bearbeitenden Fälle worden ist? Oder hat es auch andere Missbrauchsfälle nicht auszuschließen. Wir haben, sofern uns von Miss- gegeben – und wenn ja: welche? (B) brauchsfällen bekannt wurde, immer unmittelbar darauf (D) reagiert. Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Von „anderen Missbrauchsfällen“ habe ich nicht ge- Die letzte Zusatzfrage zu diesem Punkt, Kollege sprochen. Gewalt. Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Roland Gewalt (CDU/CSU): Genau das möchte ich wissen. Handelte es sich also, Frau Staatsministerin, eben haben Sie erklärt, dass es wie Sie selbst gesagt haben, lediglich um Fälle finanziel- sich hierbei um andere Missbrauchsfälle handelt. Wenn len Missbrauchs? dem so ist, bitte ich Sie, dem Hause zu erklären, welche Missbrauchsfälle Ihrer Schilderung zugrunde liegen, wenn nicht diejenigen, die heute zur Debatte stehen. Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Was meinen Sie mit Fällen finanziellen Missbrauchs? Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich habe gesagt, dass nicht alle 16 Ortskräfte, die ent- Eckart von Klaeden (CDU/CSU): lassen wurden bzw. deren Verträge nicht verlängert wur- Ich meine solche Fälle, in denen aufgrund der wirt- den, unmittelbar aufgrund der Missbrauchsfälle nicht schaftlichen Verhältnisse die finanziellen Voraussetzun- mehr weiter beschäftigt werden. gen für die Erteilung von Visa nicht erfüllt waren. (Dr. [CDU/CSU]: Es gab doch gar keine! – Weiterer Zuruf von der Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen CDU/CSU: Ich denke, das war Ermessens- Amt: spielraum! Das war doch kein Missbrauch!) Das kann ich Ihnen im Einzelnen nicht sagen. So verhielt es sich nur bei einem Teil von ihnen. Ein an- derer Teil wurde aus anderen Gründen nicht weiter be- Eckart von Klaeden (CDU/CSU): schäftigt, zum Beispiel aufgrund von Rationalisierungs- Aber so lautete doch gerade Ihre Antwort auf meine maßnahmen. Frage. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8291

(A) Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen schriftlich. Soweit ich weiß, sind diese Zahlen aber auch (C) Amt: schon in den entsprechenden Ausschüssen vorgelegt Welche finanziellen Voraussetzungen meinen Sie? worden. Meinen Sie die Problematik der Reiseschutzpässe, mei- nen Sie das Reisebüroverfahren? Sie müssen Ihre Frage Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: schon präzisieren. Herr Kollege Volmer.

Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatsministerin, ich greife lediglich Ihre eigene Formulierung auf, um etwas Licht in das Dunkel Ihres Frau Staatsministerin, Sie haben gerade die Ortskräfte verwirrenden Vortrags zu bringen. angesprochen, von denen einige aus besagten Gründen entlassen worden sind. Ich möchte einmal insgesamt ein Wort für den Stamm der Ortskräfte einlegen, ohne die Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen eine Botschaft im Prinzip überhaupt nicht funktionieren Amt: kann, und in diesem Zusammenhang die Frage stellen: Meine Formulierung lautete wie folgt: Ein Teil der Sind Sie angesichts der massiven Zuwächse an Visaan- Ortskräfte wurde unmittelbar aufgrund von Miss- trägen – nicht nur in Kiew, sondern auch in zahlreichen brauchsfällen entlassen. Sie haben pflichtverletzend ge- osteuropäischen Staaten sowie in anderen Staaten wie handelt. – In anderen Fällen wurden Ortskräfte aufgrund etwa der Türkei oder in außereuropäischen Staaten – der von Rationalisierungsmaßnahmen entlassen bzw. ihre Meinung, dass die Visastellen personell überhaupt hin- Verträge wurden aus diesem Grunde nicht verlängert. reichend ausgestattet sind, und können Sie bestätigen, Um eines gleich zu ergänzen: Die genauen Zahlen und dass auf unsere Initiative hin bei den im Bundeshaushalt Umstände – wer, wie viele, warum? – kann ich Ihnen vorgesehenen linearen Stellenstreichungen eine einzige hier nicht nennen, weil sie mir nicht vorliegen. Beamtengruppe ausgenommen ist, nämlich die Gruppe der Konsularbeamten, sodass wir die Möglichkeit haben, Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: den jetzigen Personalstand wenigstens zu erhalten, wenn Ich mache noch einmal folgenden Hinweis: Ich es auch eigentlich nötig wäre, ihn zu erhöhen? möchte hier nur ungern restriktiver agieren, als ich das zu tun gewohnt bin. Aber die Zusatzfragen müssen sich Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen schon im Kontext der Frage bewegen, die Gegenstand Amt: der Antwort ist. Letzteres kann ich bestätigen. Was wir in diesem Be- (B) reich im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten an (D) Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Personal aufstocken können, das tun wir sicherlich. Je Amt: nachdem, wie viel Personal zur Verfügung steht, dauert Herr von Klaeden, ich habe Ihre Zusatzfrage beant- die notwendige gründliche Bearbeitung – wichtig ist die wortet, obwohl sie nichts mit Ihrer Ausgangsfrage zu tun Prüfung aller Tatbestandsvoraussetzungen für die Ertei- hatte. lung von Visa – eben länger. Damit wären wir wieder bei dem berühmten Spannungsfeld, in dem sich die einzel- nen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der individuel- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: len Prüfung für die Visaerteilung bewegen. Ihre zweite Zusatzfrage, Herr von Klaeden.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Herr Kollege Grindel. Frau Staatsministerin, vorhin haben Sie gesagt, dass die Zahlen, die ich – den Richter zitierend – genannt habe, falsch seien und dass Sie selbst Zahlen dabei hät- Reinhard Grindel (CDU/CSU): ten, was die in Kiew erteilten Visa angeht. Hätten Sie die Frau Staatsministerin, Sie haben gerade in Ihrer vor- Freundlichkeit, diese Zahlen – nach den entsprechenden letzten Antwort gesagt, dass ein Teil dieser 16 Ortskräfte Jahren aufgeschlüsselt – vorzutragen? entlassen worden sei, weil Visaanträge missbräuchlich begutachtet bzw. beschieden worden seien. Können Sie (Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- mir schildern, in welcher Form dort Missbrauch betrie- NEN]: Statistiker!) ben worden ist? Der reine Irrtum über die finanzielle Leistungsfähigkeit kann ja für eine Entlassung nicht aus- Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen reichen: Es kann schließlich immer einmal sein, dass auf Amt: etwas unsicherer Tatsachengrundlage eine sich im Nach- Diese Zahlen würde ich Ihnen gerne schriftlich zu- hinein als falsch herausstellende Ermessensentscheidung kommen lassen, damit das alles ganz präzise ist. Ich getroffen wird. Aber wenn in diesem Umfang Ortskräfte wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir sagen, welche Jahre entlassen werden, muss schon mit Vorsatz gehandelt und welche Botschaften Sie interessieren und ob es Ih- worden sein. Können Sie mir sagen, was für Miss- nen um die erteilten oder die abgelehnten Visa geht. Es brauchsfälle das gewesen sind und inwieweit vorsätzlich würde zu lange dauern, die komplette Tabelle hier vor- Visa erteilt worden sind, die nicht hätten erteilt werden zutragen. Diese Frage beantworte ich Ihnen daher dürfen? 8292 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

(A) Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen mündlichen Fragen. Insofern möchte ich auf meine Ant- (C) Amt: worten verweisen. Ich verweise insofern auf die Antwort, die ich Eckart von Klaeden gegeben habe. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Im Übrigen möchte ich darauf aufmerksam machen, Nun rufe ich wie vereinbart die Frage 16 des Kolle- Herr Präsident, dass die Ausgangsfrage war: „Welchen gen Sehling aus dem Geschäftsbereich des Bundesminis- Inhalt hat der vom o. g. Petenten benannte Erlass des teriums des Innern auf: AA Nr. 519 (vgl. Schreiben des Petitionsausschusses an Wieso bekam A. B., obwohl er seit seiner Einreise von So- das AA vom 2. Oktober 2003)?“ Ich bin gerne bereit, zialhilfe gelebt hat und unter anderem wegen Zigaretten- schmuggels durch ein Urteil des Amtsgerichts Köln vom hier auf dieses Petitionsverfahren einzugehen, aber diese 24. Mai 1998 vorbestraft war – Ermittlungen der Staatsan- Frage hat damit nichts zu tun. waltschaft Köln –, am 28. Februar 2002 die deutsche Staats- bürgerschaft und welche ausländerrechtlichen Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus diesem fast zehnjährigen Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Sozialhilfebezug und der Erlangung der deutschen Staatsbür- Das ist leider völlig zutreffend. Zusammen mit mei- gerschaft? nen Schriftführern hatte ich eben genau dies festgehal- Ich bitte den Staatssekretär Körper, das freundlicher- ten: Dies ist die dritte aufeinander folgende Frage – das weise zu beantworten. ging quer durch die Fraktionen –, die erkennbar mit der gestellten Frage nicht in unmittelbarem Zusammenhang steht. Nach den Regeln unserer Geschäftsordnung sind Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- solche Zusatzfragen zurückzuweisen. Zweimal habe ich desminister des Innern: den freundlichen Versuch unternommen, das auf dem Herr Kollege Sehling, ich beantworte Ihre Frage wie Wege der Selbstdisziplinierung zu lösen. Dieser Versuch folgt: Der mit dem Gesetz zur Neuregelung des Auslän- ist offenkundig gescheitert. Ich werde bei weiteren Fra- derrechts vom 9. Juli 1990 – ich habe mich jetzt nicht gen von dieser Regelung der Geschäftsordnung Ge- versprochen, sondern sage dies ganz bewusst: 9. Juli brauch machen müssen. 1990 – eingeführten Anspruchseinbürgerung stehen ein Bezug von Sozialhilfe, wenn dieser nicht vom Auslän- Nun hat sich der Kollege Koschyk zu einer Zusatz- der zu vertreten ist, sowie die Verurteilung wegen einer frage gemeldet. Straftat unterhalb einer so genannten Unbeachtlichkeits- grenze nicht entgegen. Für den Vollzug der Einbür- Hartmut Koschyk (CDU/CSU): gerungsvorschriften der §§ 85 ff. des Ausländergeset- zes sind die Länder zuständig. Das ist Ihnen mit (B) Frau Staatsministerin, Sie sagten, der Erlass, nach (D) dem hier gefragt worden ist, sei dem Auswärtigen Amt Sicherheit bekannt. Die Bundesregierung hat daher nicht bekannt. keine Kenntnis von einzelnen Einbürgerungsverfahren in den Ländern. (Widerspruch der Staatsministerin Kerstin Müller) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: – So war doch Ihre Antwort, oder? Zusatzfrage? – Keine. Dann kehren wir zurück zum Geschäftsbereich des Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Auswärtigen Amtes. Ich rufe die Frage 10 des Kollegen Amt: Hartmut Koschyk auf. Die Nr. 519 existiert nicht. Erhält die Bundesregierung ihre Behauptung im Schreiben des AA vom 23. April 2003 an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages aufrecht, dass der Vorwurf, nach He- Hartmut Koschyk (CDU/CSU): rausgabe des Runderlasses des AA 514-516.20 betreffend das Können Sie sich vorstellen, dass es sich in diesem Zu- Visumverfahren bei den Auslandsvertretungen vom 3. März 2000 – so genannter Volmer-Erlass – sei der Erhalt eines Vi- sammenhang vielleicht um einen Erlass mit einer ande- sums problemlos möglich gewesen, jeglicher Grundlage ent- ren Nummer handelt? behre?

Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Amt: Das können wir uns vorstellen. Dem Petitionsaus- Herr Kollege Koschyk, Ihre Frage beantworte ich wie schuss des Deutschen Bundestages wurde daher mit folgt: Die von Ihnen zitierte Passage aus dem Schreiben Schreiben vom 24. Oktober 2003 mitgeteilt, dass davon des Auswärtigen Amts vom 23. April 2003 enthält keine ausgegangen wird, dass sich der Petent auf den Erlass Behauptung, sondern eine Darstellung allgemeiner Fak- Nr. 514-516.20 vom 3. März 2000 bezieht. Dieser ten zum Visumverfahren. An diesen Aussagen zu den Runderlass konkretisiert für bestimmte Fallgruppen den Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums im Rah- pflichtgemäßen Gebrauch des Ermessens innerhalb des men des geltenden Ausländerrechts hält die Bundes- bestehenden rechtlichen Rahmens; wir sprachen darüber. regierung fest. Der Runderlass des Auswärtigen Amts Dieser Runderlass war bereits Gegenstand der letzten vom 3. März 2000 konkretisiert für bestimmte Fallgrup- Fragestunde und ist auch in dieser Woche ausführlich pen den pflichtgemäßen Gebrauch des Ermessens in- behandelt worden, sowohl in schriftlichen als auch in nerhalb des bestehenden rechtlichen Rahmens. Dieses Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8293

Staatsministerin Kerstin Müller (A) Ermessen ist nur dann eröffnet, wenn aufgrund der auto- Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen (C) matisierten Registerabfrage beim Ausländerzentralre- Amt: gister und beim Schengener Informationssystem keine Ich kenne die Ergebnisse dieser Reisegruppe nicht. Einreisesperre besteht und die übrigen Erteilungsvoraus- Das muss ich Ihnen hier einfach sagen. setzungen gegeben sind. Hierzu gehören zum Beispiel eine gesicherte Finanzierung, die Glaubhaftmachung des (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Vielleicht Reisezwecks und anderes. Ich verweise hierzu auf die sind sie in Ihren Ordnern, Frau Staatsminis- Antworten der Bundesregierung auf die schriftlichen terin, die dort hinten stehen?) Fragen 2/196 und 2/227. – Nein, sie sind mir nicht bekannt. Ich habe deshalb jetzt auch nicht schriftlich vorliegen oder vor Augen, was Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: dort konkret kritisiert wurde. Dies war der Besuchsstand Herr Kollege Koschyk. von 2001. Im August 2001 haben wir das so genannte Reisebüroverfahren eingestellt. Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Ich erinnere noch einmal daran: Es gibt verschiedene Frau Staatsministerin, in diesem Erlass heißt es – ich Gründe für Verfehlungen und weshalb ein Visum zu Un- muss dies zitieren, Herr Präsident, um meine Nachfrage recht erteilt wurde. Das Reisebüroverfahren – ich rufe zu stellen –: noch einmal in Erinnerung: alle Schengen-Staaten füh- ren das durch – wurde in Kiew im August 2001 zum Ok- Nicht jeder Zweifel an der Rückkehrbereitschaft, tober 2001 eingestellt. Durch dieses Verfahren wurde bei sondern erst die hinreichende Wahrscheinlichkeit Reisegruppen das persönliche Erscheinen ersetzt. Es der fehlenden Rückkehrbereitschaft rechtfertigt die wurde also aufgrund der Aktenlage geprüft. Man stellte Ablehnung eines Besuchsvisums. jedoch fest, dass dies auch bei seriösen und glaubwürdi- gen Reiseunternehmen zu Problemen führen konnte. Ich möchte Sie fragen, Frau Staatsministerin, welche Deshalb wurde das Reisebüroverfahren eingestellt. Fallgestaltung Sie nennen können, bei der ein Beamter des Auswärtigen Amtes oder eine Ortskraft in Kiew zu Nun zu den so genannten Reiseschutzpässen. Diese dem Ergebnis kommen kann, dass bei dem Petent die ersetzten den Nachweis der Finanzierbarkeit. Da es eine „hinreichende Wahrscheinlichkeit der fehlenden Rück- öffentliche Diskussion ist, möchte ich es hier noch ein- kehrbereitschaft“ nicht gegeben ist. mal erklären: Der Versicherer sichert zu, dass er die Kosten übernimmt. Das ist für die Behörde sicherer und Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen für den Antragsteller einfacher. Nachdem wir am (B) Amt: 27. Juni 2002 erfuhren, dass ein entsprechendes Ermitt- (D) Dazu habe ich jetzt keinen Beispielsfall vor Augen. lungsverfahren gegen den Inhaber einer Reise-Schutz AG eröffnet wurde, haben wir am 28. Juni auch die An- erkennung der so genannten Reiseschutzpässe ausge- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: setzt. Weitere Zusatzfrage? Noch einmal: Mir ist nicht bekannt, dass irgendwel- che Missbrauchsfälle auf den hier diskutierten Erlass Hartmut Koschyk (CDU/CSU): vom 3. März 2000 zurückzuführen sind, in dem be- Ich habe eine weitere Frage: Es ist in diesem Zusam- stimmte Prüfungskriterien für die Rückkehrbereitschaft menhang, Frau Staatsministerin, am 31. Mai und 1. Juni vorgesehen sind. Die Missbrauchs- und Problemfälle be- zu einer Reise der EU-Ratsarbeitsgruppe „Visa“ nach ziehen sich immer auf das Reisebüroverfahren oder auf Kiew gekommen, in deren Rahmen beim Besuch in der die Reiseschutzversicherungen. deutschen Botschaft in Kiew die Reisenden aufgrund dieses Erlasses und des in diesem Zusammenhang prak- tizierten Verfahrens als ein erhöhtes Risiko dargestellt Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: wurden. Ich möchte wissen, wie in Anwendung dieses Herr Kollege Uhl. Erlasses nach einer Kritik der EU-Ratsarbeitsgruppe „Visa“ das Auswärtige Amt auf diese Kritik reagiert hat? Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU): Frau Staatsministerin, es geht um die Frage, ob auf- Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen grund des Volmer-Erlasses der Erhalt eines Visums pro- Amt: blemlos möglich gewesen sei. Wann war diese Reise? Wie Juristen unschwer erkennen können, beinhaltet der Volmer-Erlass eine so genannte Beweislastumkehr: Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Der Antragsteller, der Ausländer, muss seine Rückkehr- Am 31. Mai und 1. Juni 2001. Also vier Monate nach bereitschaft nicht beweisen, dem Erlass, um es der Frau Staatsministerin noch einmal (Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zu sagen, hat es eine Reise der Arbeitsgruppe „Visa“ NEN]: Doch!) nach Kiew gegeben, wo man das Verfahren und die er- teilten Visa an Reisende als ein erhöhtes Risiko bezeich- sondern die Behörde muss beweisen, dass er keine net hat. Rückkehrbereitschaft hat. 8294 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

Dr. Hans-Peter Uhl (A) (Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE – es geht also immer um eine Einzelfallprüfung – (C) GRÜNEN]: Im Innenausschuss haben Sie ge- (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das ist Teil hört, dass das nicht stimmt! – Dr. Thea der Definition eines Verwaltungsaktes!) Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nicht zugehört! – Zuruf von der SPD: die tatsächlichen Umstände, die für und gegen eine Genau das Gegenteil!) Erteilung des Besuchsvisums sprechen, die Waage halten, Die Formulierung wurde gerade vorgelesen: – nur dann – Nicht jeder Zweifel gilt: „in dubio pro libertate“, im Zweifel für die – des Beamten – Reisefreiheit. ..., sondern erst die hinreichende Wahrscheinlich- (Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: In dubio pro keit ... rechtfertigt die Ablehnung eines Besuchs- libertate!) visums. – Ja, dazu stehe ich auch. Das ist das Ansinnen vieler, Zweifel reichen also nicht aus, sondern die Wahrschein- vieler Schreiben, die aus Ihrer Fraktion kommen. Diese lichkeit muss gegeben sein. Diese kann der Beamte nie- Formulierung ersetzt in keiner Weise – das will ich hier mals beweisen, also muss er das Visum erteilen. sehr deutlich sagen – für den entsprechenden Mitarbeiter Ich komme nun zu meiner Frage an Sie. Sie haben oder die Mitarbeiterin, der bzw. die das Visum erteilt, die vorhin behauptet, diese Formulierung im Volmer-Erlass Prüfung der anderen Voraussetzungen, dass die Finan- decke sich mit EU-Bestimmungen. Teilen Sie meine zierbarkeit gegeben ist, Auffassung, dass sich diese Formulierung im Volmer- (Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Schwarz- Erlass, der die von mir behauptete Beweislastumkehr arbeit!) enthält, angesichts des Umstands, dass in den EU-Be- stimmungen genau die gegenteilige Formulierung steht, der Reisezweck eingehalten wird und die Rückkehr- gerade nicht mit diesen deckt? Die Gemeinsame Konsu- berechtigung vorliegt. All das wird geprüft. Vor dieser larische Instruktion – die einschlägige Richtlinie – be- Prüfung aber wird beim AZR und beim SIS abgefragt, inhaltet zu diesem Thema folgende Formulierung: ob eine entsprechende Einreisesperre besteht. Der Ich sage noch einmal: Mir ist auch durch das Urteil nicht bekannt – die schriftliche Urteilsbegründung liegt – ausländische – noch nicht vor –, dass bisher einer der diskutierten Miss- (B) brauchs- und Problemfälle auf diese Formulierung des (D) Antragsteller muss die mit dem Antrag befasste Erlasses vom 3. März 2000 zurückzuführen ist. Die Ur- Auslandsvertretung davon überzeugen, dass ... die sachen für die Missbrauchsfälle liegen im so genannten Rückreise in das Herkunftsland gewährleistet ist. Reiseschutzpass und im so genannten Reisebüroverfah- Die Beweislast liegt also eindeutig beim Antragsteller. ren, das – wie Sie soeben zu Recht zitiert haben – Ge- Es ist nicht so, wie Sie es sagen, dass nämlich der Be- genstand der Gemeinsamen Konsularischen Instruktion amte eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die An- der Schengen-Staaten ist und von allen Schengen-Staa- nahme haben muss, um ablehnen zu können. ten angewendet wird. Von uns wird es seit dem 3. August 2001 in Kiew nicht mehr angewendet. Darauf (Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- beziehen sich die Problemfälle; das will ich hier klar he- NEN]: Er bringt immer Kurzgeschichten!) rausstellen. Solange dies so ist, gibt es für uns überhaupt keinen Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Grund, von dieser Formulierung Abstand zu nehmen. Amt: Ich glaube, dass der entsprechende Erlass vom Jetzt diskutieren wir unter Juristen. Man weiß, dass es 3. März 2000 exakt eine Antwort auf das Spannungsfeld dabei zu einem Problem immer mehrere Meinungen ist, in dem wir uns bei der Visaerteilung befinden und gibt. worüber wir ausführlich diskutiert haben. Nach meinem unmaßgeblichen juristischen Verständ- nis beinhaltet der Volmer-Erlass vom 3. März 2000 kei- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: nesfalls eine Beweislastumkehr. Ich lese die Formulie- Herr Kollege Volmer. rung vollständig vor; denn Sie haben den Punkt zu früh (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das muss gemacht. Dort steht: aber zum Thema gehören! Darauf achten wir ... sondern erst die hinreichende Wahrscheinlichkeit jetzt!) der fehlenden Rückkehrbereitschaft rechtfertigt die Ablehnung eines Besuchsvisums. Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt kommt aber etwas Wichtiges: Meine Frage gehört zum Thema; denn die Frage 10 von Herrn Koschyk bezieht sich auch auf den Petitions- Wenn sich nach pflichtgemäßer Abwägung und Ge- ausschuss und dessen Haltung zu dem gesamten Verfah- samtwürdigung des Einzelfalls ren. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8295

Dr. Ludger Volmer (A) Meine Frage: Frau Staatsministerin, trifft es zu, dass Marianne Tritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C) nicht nur zahlreiche Einzelabgeordnete aus allen Frak- Danke. tionen, sondern insbesondere auch zahlreiche Mitglieder des Petitionsausschusses und des Menschenrechtsaus- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: schusses des Deutschen Bundestages im Jahre 1998/99, Die letzte Zusatzfrage zu der Frage 10 hat der Kollege als Rot-Grün das Auswärtige Amt gerade übernommen Binninger. hatte, zahlreiche Zuschriften an das Auswärtige Amt ge- richtet haben, in denen diese Abgeordneten und Aus- schussmitglieder eine gründliche Überprüfung und Än- Clemens Binninger (CDU/CSU): derung der bis dahin geltenden Visumpraxis forderten, Frau Staatsministerin, Sie haben gesagt, der Volmer- einer Visumpraxis, die noch auf der Weisungslage der Erlass habe nicht dazu geführt, dass problemlos Visa Minister Kanther und Kinkel fußte, und dass der Men- hätten erteilt werden können. Sie haben als Begründung schenrechtsausschuss einstimmig, also mit den Stimmen unter anderem aufgeführt, dass umfangreiche Überprü- der CDU/CSU, den damals von mir vorgelegten und hier fungsmaßnahmen durchgeführt wurden, zum Beispiel vielfach zitierten Erlass gebilligt hat? die AZR-Abfrage, die SIS-Abfrage etc. Wie erklären Sie sich dann die Diskrepanz zwischen dem dafür notwendi- (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Schleuser- gen Zeitansatz, den ich pro Visum bei mindestens einer erlass!) halben Stunde sehen würde, und der tatsächlich erteilten Anzahl von Visa, die den Rückschluss zulässt, dass man Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen maximal zwei Minuten, eher sogar noch weniger, pro Amt: Visum aufgewandt hat? Dies trifft zu. Weil der Kollege Volmer dies erwähnt hat, will ich ergänzend sagen: Das so genannte Carnet Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen de Touriste bzw. die Reiseschutzpässe gehen in der Tat Amt: auf eine Initiative des Bundesaußenministers Kinkel Ich will die Zahl von zwei Minuten nicht bestätigen. und des Bundesinnenministers Kanther zurück. Sie ha- ben mit Erlass vom 10. August 1995 an die Vertretun- (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Eine reine gen in Bulgarien, Rumänien, Estland, Lettland und Rechenaufgabe!) Litauen zu der Einführung des Carnet de Touriste des – Nein, das ist eben keine reine Rechenaufgabe. – Wenn ADAC geführt. Diese Praxis, die damals von der Vor- Sie eine Einzelfallprüfung machen – ich weiß nicht, ob gängerregierung eingeführt wurde, für Länder, die auch Sie Jurist sind –, dann brauchen Sie in dem einen Fall (B) Sie wahrscheinlich nicht für unbedingt unproblema- länger und in dem anderen Fall geht es schneller. (D) tisch halten, haben wir mit den so genannten Reise- schutzpässen fortgeführt. Wir haben dann im (Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Oktober 1999 das Carnet de Touriste auf alle Vertretun- Mal 300 000!) gen der GUS-Staaten ausgeweitet. Ich erinnere noch einmal an das Reisebüroverfahren. Ziel war – das teilen wohl alle Abgeordneten und Bei diesem Verfahren werden für eine Reisegruppe Vi- Fraktionen hier im Haus –, den kulturellen und wirt- sumanträge gesammelt vorgelegt und es wird nach Ak- schaftlichen Austausch zwischen uns und den Ländern tenlage entschieden. Dieses Verfahren geht schnell, wäh- Osteuropas zu erleichtern. rend es bei anderen Entscheidungen länger dauert. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Darum geht Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: es doch gar nicht!) Frau Kollegin Tritz. Ich halte von dieser Hochrechnung nichts und möchte sie nicht bestätigen. Solange mir nichts Gegenteiliges bekannt ist, gehe ich davon aus, dass alle Mitarbeiterin- Marianne Tritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): nen und Mitarbeiter in der Botschaft in Kiew oder in an- Frau Staatsministerin, können Sie bestätigen, dass deren Botschaften, die Visumanträge zu prüfen haben, weder das Reisebüroverfahren noch das Verfahren be- dies nach bestem Gewissen tun und alle Tatbestandsvor- züglich der Reiseschutzversicherung Gegenstand des so aussetzungen prüfen, die sie zu prüfen haben. genannten Volmer-Erlasses aus dem Jahre 2000 waren? (Clemens Binninger [CDU/CSU]: In einer Minute?) Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Das ist richtig. Die Reiseschutzpässe beziehen sich Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: auf das Kriterium der Finanzierbarkeit. Beim Reisebüro- Ich rufe die Frage 11 des Kollegen Koschyk auf: verfahren geht es darum, dass das persönliche Erschei- Wie verhält sich diese vom AA vertretene Behauptung zu nen durch eine Entscheidung nach Aktenlage ersetzt den Aussagen im Schreiben des AA vom 2. August 2001 an werden kann. Bei dem genannten Erlass vom den Bundesverband mittelständischer Reiseunternehmen, in dem von „erheblichen Problemen“ im Zusammenhang mit Vi- 3. März 2000 geht es um die Prüfungsabfolge und die samissbrauch und dem so genannten Reisebüroverfahren die Kriterien der Prüfung der Rückkehrbereitschaft. Rede ist? 8296 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

(A) Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen für ukrainische Kooperationspartner deutscher Reiseun- (C) Amt: ternehmen die Vorsprache sämtlicher Teilnehmer einer Herr Kollege Koschyk, da Sie aus demselben Schrei- Gruppenreise zu einem einzigen Termin zu ermöglichen. ben des Auswärtigen Amtes vom 2. August 2001 an den Dabei werden alle Tatbestandsvoraussetzungen indivi- Bundesverband mittelständischer Reiseunternehmen wie duell geprüft. Geprüft werden die Finanzierbarkeit, die Herr Kollege von Klaeden zitieren, verweise ich inso- Rückkehrbereitschaft und die Einhaltung des Reise- fern auf meine Antwort auf die Frage 8 des Abgeordne- zwecks. Auch wird vorab durch AZR- und SIS-Anfrage ten von Klaeden. geprüft, ob etwa eine Einreisesperre vorliegt. Das bedeu- tet, jeder Reiseteilnehmer wurde einzeln befragt, aber es Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: war für das Reisebüro weiterhin möglich, die Anträge gesammelt einzureichen. Zusatzfrage?

Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ja. – Frau Staatsministerin, in dem Schreiben vom Weitere Zusatzfrage. 2. August 2001 räumt das Auswärtige Amt ein: Aufgrund des Missbrauchs von Visa, die in diesem Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Verfahren seitens der deutschen Botschaft in Kiew Frau Staatsministerin, nachdem Sie uns berichtet ha- erteilt worden sind, kann dieses Verfahren in Kiew ben, dass man mit dem so genannten Reisebüroverfahren in der bisher praktizierten Form nicht mehr beibe- negative Erfahrungen gemacht hat und dass dieses Ver- halten werden. fahren daraufhin geändert wurde, frage ich Sie, warum sich das Auswärtige Amt auch im Benehmen mit dem Meine Frage bezieht sich darauf, dass Sie, Frau Bundesinnenminister entschlossen hat, trotzdem das sich Staatsministerin, uns gesagt haben, dass bei dem Reise- im Nachhinein als nicht minder problematisch herausge- büroverfahren außer den beiden Anfragen nichts weiter stellte Reiseschutzpassverfahren in Gang zu setzen. geprüft worden ist. Ist dann beim Reisebüroverfahren die im Volmer-Erlass vorgesehene Prüfung der Rück- kehrbereitschaft erfolgt oder nicht? Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Dabei geht es um etwas anderes. Bei dem Reisebüro- Amt: verfahren geht es um das persönliche Erscheinen, das er- (B) Natürlich. Bei dem von Ihnen erwähnten Schreiben setzt wird. Beim Reiseschutzpass geht es darum, dass (D) geht es um das zwischen den Schengen-Partnern in der Nachweis der Finanzierbarkeit durch einen solchen Kapitel VII Ziffer 5 ihrer Gemeinsamen Konsularischen Reiseschutzpass ersetzt wird. Auch hierbei möchte ich Instruktion niedergelegte Reisebüroverfahren, das eine darauf hinweisen – dies betrifft genau das genannte Ausnahme von der gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Spannungsfeld –, warum das Verfahren eingesetzt Verpflichtung macht, dass Antragsteller von Visa per- wurde. Vorläufer war übrigens das im August 1995 von sönlich bei der jeweiligen Botschaft vorsprechen müs- Innenminister Kanther und Bundesminister Kinkel ein- sen. Diese Ausnahme dient der Förderung der Reise- geführte Carnet de Touriste. Dabei geht es um den Nach- industrie der EU-Mitgliedstaaten, ist also von den weis der Finanzierbarkeit. Das macht auch durchaus Schengen-Partnern durchaus im wohlverstandenen Ei- Sinn. Es ist aus der Sicht der Behörde sicherer, weil ein geninteresse vorgesehen worden. Deutschland hat dieses Unternehmen für die Kosten garantiert. Für die Antrag- Verfahren in Kiew praktiziert, und zwar solange sich steller war es einfacher, weil sie einen Reiseschutzpass keine Hinweise darauf ergaben, dass es zu illegalen Ein- vorlegen konnten. Ich nehme an, dass dies die Motive reisen missbraucht wurde. waren, weshalb die Vorgängerregierung – also Außen- minister Kinkel und Bundesinnenminister Kanther – ge- Nachdem im Sommer 2001 solche Hinweise vorla- meinsam mit dem ADAC-Präsidenten damals ein sol- gen – darauf bezieht sich der Passus, den Sie gerade zi- ches Carnet de Touriste eingeführt haben. tiert haben; das Schreiben liegt mir vor – wurde das Ver- fahren seitens des Auswärtigen Amtes am 3. August Deshalb haben auch wir zunächst an dem anonymen 2001 zum 1. Oktober 2001 eingestellt. Das heißt, alle Reiseschutzpassverfahren festgehalten. Dabei sind ver- Antragsteller mussten wieder persönlich bei der Bot- schiedene Unternehmen, die entsprechend überprüft schaft vorsprechen. wurden, tätig gewesen. Wir haben das Verfahren aber so- fort, nachdem wir am 27. Juni 2002 Kenntnis von dem Da dies für deutsche Reiseunternehmen, die mit Rei- Ermittlungsverfahren gegen einen Inhaber einer Reise- seunternehmen aus der Ukraine zusammenarbeiteten, schutzpass AG erhalten haben, mit einem Erlass an von Bedeutung war, hat das Auswärtige Amt die Verfah- Kiew vom 28. Juni eingestellt. Inzwischen haben wir rensänderungen in einem Schreiben an deutsche Rei- dieses Verfahren mit Erlass vom 28. März 2003 leider seunternehmen und an den Bundesverband mittelständi- weltweit einstellen müssen. scher Reiseunternehmen e.V. – aus dem Schreiben haben Sie zitiert – erläutert. Das Auswärtige Amt hat darin den Grundsatz der persönlichen Vorsprache jedes einzelnen Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Reiseteilnehmers bekräftigt und gleichzeitig angeboten, Herr Kollege Uhl. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8297

(A) Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU): wegt man sich natürlich in einem Spannungsfeld – (C) Frau Staatssekretärin, wenn in fünf Jahren 1 Million unsere Sicherheitsinteressen zu beachten. Sie diffamie- Menschen aus Kiew mit der Begründung einreist, sie ren diejenigen, die ganz regulär ein Visum beantragt und wollten eine Reise nach Deutschland machen, und Sie es nicht missbraucht haben. Das ist nach unserer Er- auf das Risiko der mangelnden Finanzierbarkeit der kenntnis die übergroße Zahl derjenigen, die ein Visum Reise und vor allem der mangelnden Rückkehrbereit- bei der Botschaft in Kiew und bei anderen Botschaften schaft hinweisen, wodurch dem Staat Rückführungskos- beantragt haben. ten entstehen könnten, dann ist es von Vorteil, wenn diese Risiken versichert sind. Ich frage Sie: Ist das Pro- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: blem bei dieser 1 Million Menschen nicht ein ganz ande- Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Göbel. res? Wissen Sie überhaupt, wie viele Fälle bei dieser wahnsinnig großen Zahl aufgetreten sind, in denen der Staat den Rücktransport finanzieren musste? Bei Ralf Göbel (CDU/CSU): 1 Million müssten das mehrere Hunderttausend gewesen Frau Staatsministerin, eine zentrale Rolle bei diesem sein. Aber das Gegenteil ist der Fall. Ist das Problem ganzen Vorgang hat die Reiseschutz AG gespielt. Meine nicht vielmehr gewesen, dass die überwältigende Mehr- Frage lautet: Sind die maßgeblichen Repräsentanten der heit dieser 1 Million Menschen keine Schwierigkeiten Reiseschutz AG sicherheitsüberprüft worden, und wenn mit der Finanzierung der Rückreise hatte und sie keine ja, in welchem Umfang? Touristen waren, sondern im EU-Raum schwarzarbeiten wollten und dies auch getan haben, sich dabei nicht er- Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen wischen lassen wollten sowie auf eigene Kosten gelebt Amt: haben und zurückgereist sind? Deswegen konnte beim Das können eigentlich Sie, Herr Körper, besser beant- Staat gar kein Risiko entstehen, eine Rückführung finan- worten. zieren zu müssen. Die Versicherung hat also etwas versi- chert, was mehrheitlich gar kein Risiko war. (Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär: Ja, das kann ich tun!) Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Meines Wissens nach: Ja. Wir haben uns aber in allen Amt: Fragen betreffend die Reiseschutz AG und den Perso- Es wird schon ein Interesse daran bestanden haben. nenkreis eng mit dem BMI abgestimmt. Entweder beant- Sonst hätten die Unternehmen das nicht gemacht. Das worte ich Ihre Frage schriftlich oder der Kollege Körper scheint zunächst einmal zu einer Entbürokratisierung der antwortet jetzt mündlich; denn das fällt eigentlich in die (B) Verfahren geführt zu haben. Sonst hätte Ihre Regierung Zuständigkeit des BMI. (D) das damals nicht eingeführt. Es gab also ganz offensicht- lich einen Bedarf – wahrscheinlich auch viele Briefe aus (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Bitte den Fraktionen –, woraufhin Bundesaußenminister Kin- schriftlich!) kel und Bundesinnenminister Kanther gehandelt haben. – Ich glaube aber, dass das schon schriftlich beantwortet Wir haben, wie gesagt, festgestellt, dass diese Praxis worden ist. im Hinblick auf den wirtschaftlichen Austausch und die (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Aber nicht Förderung mittelständischer Unternehmen – ich weiß, hier in der Fragestunde!) dass das gerade Ihnen, Herr Uhl, ein großes Anliegen ist – sinnvoll war. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Billige Die letzte Zusatzfrage zu diesem Punkt hat der Kol- Arbeitskräfte!) lege Binninger. Insofern kann ich Ihre Pauschalierung nicht teilen, dass es sich bei den Visumantragstellern mehrheitlich um Clemens Binninger (CDU/CSU): Prostituierte und Schwarzarbeiter gehandelt habe. Sie Frau Staatsministerin, Sie haben gerade gesagt, dass malen hier ein Schreckensbild, das ich ganz klar und ein- nach Ihrer Erkenntnis die Mehrzahl der Visa nicht miss- deutig zurückweisen möchte. Es sind Missbrauchsfälle bräuchlich erteilt worden sei. Sind Sie bereit, uns zu sa- vorgekommen. Wir versuchen aber, solche Fälle zukünf- gen, worauf sich diese Erkenntnis stützt und was tig zu verhindern und gleichzeitig den Sicherheitsinte- „Mehrzahl“ – 500 000 oder mehr? – bedeutet? ressen der Bundesrepublik nachzukommen. Ich kann jedenfalls nur davor warnen, in dieser De- Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen batte Schreckensbilder und Zerrbilder zu malen, die mit Amt: der Realität nichts zu tun haben; denn in unserem ge- Ich kann Ihnen das nicht beziffern. meinsamen Interesse liegt – Herr Uhl, ich brauche Ihre (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sie haben Frage eigentlich nicht zu beantworten, wenn Sie sich ge- gerade gesagt, dass die Mehrzahl nicht miss- rade mit Ihren Kollegen unterhalten –, weiterhin den bräuchlich erteilt worden sei!) kulturellen und den wirtschaftlichen Austausch zu för- dern sowie unserem gemeinsamen Anspruch als weltof- – Genau, die Mehrzahl; das weiß ich. Ich kann Ihnen das fenes Land nachzukommen und gleichzeitig – hier be- in einer schriftlichen Antwort gerne genauer darstellen, 8298 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

Staatsministerin Kerstin Müller (A) soweit das möglich ist, bevor ich mich jetzt auf eine Zahl Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (C) festlege, die nicht stimmt. Die Frage 13 wird schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Den aufgetretenen Missbrauchsfällen sind wir nach- gegangen. Wir haben die entsprechenden Ursachen be- Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesminis- kämpft, Stichworte „Reisebüroverfahren“ und „Reise- teriums der Finanzen auf. Zur Beantwortung steht schutzpass“. freundlicherweise Frau Staatssekretärin Hendricks zur Verfügung. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Die Frage 17 des Kollegen Kretschmer, die Frage 18 Herr Binninger, Sie können gleich stehen bleiben. Ich der Kollegin Leonhard1), die Fragen 19 und 20 des Kol- rufe nun Ihre Frage 12 auf: legen Gewalt und die Frage 21 des Kollegen Rupprecht Hat es Beschwerden der Schengen-Partner gegenüber dem (Weiden) sind zur schriftlichen Beantwortung angemel- Bundesministerium des Innern oder dem AA im Hinblick auf det. die durch den Runderlass des AA 514-516.20 betreffend das Visumverfahren bei den Auslandsvertretungen vom 3. März Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Binninger auf: 2000 – so genannter Volmer-Erlass – veränderte Visaertei- lungspraxis gegeben und, wenn ja, wann? Verfügt die RS Reise-Schutz Versicherungs AG in 74189 Weinsberg über die nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz erforderliche Erlaubnis für den Geschäftsbetrieb und, wenn ja, Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen von wem wurde diese erteilt? Amt: Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Der Bundesre- Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim gierung sind im speziellen Zusammenhang mit dem Er- Bundesminister der Finanzen: lass des Auswärtigen Amtes vom 3. März 2000 keine Herr Präsident! Herr Kollege Binninger, der RS Beschwerden der Schengen-Partner bekannt geworden. Reise-Schutz Versicherungs Aktiengesellschaft ist durch Allerdings gab es im Sommer 2001 Hinweise von Verfügung vom 17. Dezember 2002 durch die Bundes- Schengen-Partnern auf vermehrten Missbrauch von an anstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Genehmi- der Deutschen Botschaft Kiew ausgestellten Besuchs- gung zum Geschäftsbetrieb erteilt worden. visa. Die Bundesregierung ist diesen Hinweisen nachge- gangen und hat daraufhin das so genannte Reisebürover- fahren mit Erlass vom 3. August 2001 zum 1. Oktober Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: 2001 eingestellt. Eine Zusatzfrage?

(B) (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Keine (D) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Nachfrage!) Zusatzfrage? – Dann ist auch dieser Geschäftsbereich erledigt. Clemens Binninger (CDU/CSU): Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeri- Ja, ich habe eine Zusatzfrage. ums für Wirtschaft und Arbeit auf. Hier sind die Fragen 23 bis 32 zur schriftlichen Beantwortung ange- Die Missbrauchshinweise bezogen sich meines Wis- meldet. sens nicht nur auf das Reisebüroverfahren, sondern auch auf das Reiseschutzversicherungsverfahren der Reise- Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeri- Schutz Versicherungs AG. Ihnen lagen diese Hinweise ums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirt- – Sie haben das gerade selbst eingeräumt – im Jahr 2001 schaft auf. Hier sind die Fragen 33 bis 36 zur schriftli- vor. Trotz der Hinweise aus dem Sommer 2001, dass chen Beantwortung angemeldet. Missbrauch betrieben wird, wurde mit dieser Reise- schutzversicherung ab 2002 sogar weltweit gehandelt. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeri- Warum haben Sie nicht reagiert? ums für Gesundheit und Soziale Sicherung auf. Zur Be- antwortung ist der Kollege Staatssekretär Franz Thönnes verfügbar. Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Die Fragen 37 und 38 werden schriftlich beantwortet. Meines Wissens lagen uns zu diesem Zeitpunkt ledig- Ich rufe die Frage 39 der Kollegin Dr. Lötzsch auf: lich Hinweise vor – ich kann Ihnen nach bestem Wissen und Gewissen nur diese Antwort geben –, die auf das so Wird bei der neuen Verordnung zur Höhe der Sozialhilfe bei der Festlegung der Regelsätze berücksichtigt, dass durch genannte Reisebüroverfahren zurückzuführen waren. das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenver- Deshalb haben wir dieses Verfahren eingestellt. Wenn sicherung, GKV-Modernisierungsgesetz, für viele Bezieher man glaubwürdige und überzeugende Hinweise in Be- von Sozialhilfe eine faktische Kürzung der Sozialhilfe um zug auf einen Missbrauch von Reiseschutzpässen gehabt mindestens 2 Prozent erfolgt ist, und wie will die Bundesre- hätte, dann hätte man den Handel in der Tat nicht aus- gierung die Grundsicherung und damit den Schutz vor Armut für Langzeitarbeitslose und für Altersrentner sichern in Anbe- weiten sollen. Ich gehe davon aus, dass solche Hinweise tracht steigender privater Gesundheitskosten? nicht vorlagen. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Die Ant- 1) Die Antwort lag bei Redaktionsschluss nicht vor und wird zu einem wort reicht! Danke!) späteren Zeitpunkt abgedruckt. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8299

(A) Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): (C) ministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung: Ja. Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekre- Verehrte Frau Kollegin Lötzsch, ich beantworte Ihre tär, das Gesundheitsmodernisierungsgesetz ist schon ei- Frage wie folgt: Der Entwurf der Regelsatzverordnung nige Wochen in Kraft. Es ist viel über die Auswirkungen – sie wird auf der Grundlage von § 28 Sozialgesetzbuch diskutiert worden. Es liegen schon konkrete Erfahrungen XII erlassen – berücksichtigt die Zuzahlungen aufgrund vor. Auch wenn Sie sagen, es liege selbstverständlich im des GKV-Modernisierungsgesetzes. Die in § 2 Abs. 2 Ermessen des Arztes, zu entscheiden, was verschrieben Nr. 5 des Verordnungsentwurfs genannte Abteilung 06, wird, frage ich: Gibt es Erkenntnisse darüber, welche die die Bedarfsposition Gesundheitspflege betrifft, regelt durchschnittlichen zusätzlichen Kosten auf die Versi- die Höhe der monatlichen Belastungen von Sozialhilfe- cherten, insbesondere auf Sozialhilfeempfänger, dadurch empfängern durch Zuzahlungen. Dies bedeutet eine be- zugekommen sind, dass sie nicht verschreibungspflich- wusste Gleichstellung von Sozialhilfeempfängern und tige Medikamente selbst zahlen müssen? anderen Versicherten in der gesetzlichen Krankenversi- cherung. Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- ministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung: (Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Nein, Frau Kollegin Lötzsch, darüber haben wir keine Kastner) Erkenntnisse, weil die Durchführung des Sozialhilfe- rechts den Ländern und Kommunen obliegt. Uns liegen Diese Regelung gilt gleichermaßen für die Grund- darüber keine Daten vor. sicherung von Arbeitsuchenden, also für das, was ab dem 1. Januar 2005 im Sozialgesetzbuch II geregelt wird, sowie für die Grundsicherung im Alter und bei Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: dauerhafter Erwerbsminderung. Die Belastung – das Ich rufe die Frage 40 des Kollegen Matthias Sehling muss man vor dem Hintergrund der Fragestellung noch auf: einmal sagen – beträgt höchstens – nicht mindestens – Weswegen erhielt der am 9. Februar 2004 im Kölner 2 Prozent. Sie ist zumutbar. Diese Auffassung wird auch Schleuserprozess verurteilte A. B. – nach Ermittlungen der Kölner Staatsanwaltschaft – bei seiner Einreise am von den kommunalen Spitzenverbänden geteilt, mit de- 1. November 1992 sofort eine unbefristete Aufenthaltserlaub- nen seit Ende 2003 mehrfach Gespräche über diese Fra- nis und seitdem Sozialhilfe ebenso wie seine Ehefrau, die spä- gen geführt wurden. ter nachzog, und wie hoch ist der Gesamtbetrag der Sozial- hilfe zwischen 1992 und 2004, den die Familie B. – inklusive Kind – erhielt? Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (B) Herr Staatssekretär, beantworten Sie bitte die (D) Ihre Zusatzfrage, bitte. Frage 40.

Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): ministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung: Herr Staatssekretär, die Formulierung „mindestens Ich bitte um Nachsicht, Frau Präsidentin. Vielleicht 2 Prozent“ leitet zu meiner Zusatzfrage über. Die Ge- ist meine Reaktion damit zu erklären, dass der Kollege sundheitskosten sind zusätzlich dadurch gestiegen, dass Sehling und ich vorhin schon einen Dialog über das viele Medikamente nicht mehr verschreibungspflichtig Thema hatten. Aber natürlich gehört es sich, die Frage sind, nicht mehr verschrieben werden dürfen, also vom von hier aus zu beantworten. Patienten selbst bezahlt werden müssen. Werden diese zusätzlichen Kosten bei der Neufestsetzung der Regel- Herr Kollege Sehling, ich beantworte Ihre Frage 40 sätze im Rahmen der Sozialhilfe einbezogen? wie folgt: Die Bundesregierung hat im Zusammenhang mit dem früheren Ausländer A. B., der im Kölner Schleuserprozess am 9. Februar 2004 verurteilt worden Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- ist, keine Erkenntnisse zu dem problematisierten Bezug ministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung: von Sozialhilfeleistungen. Von Verfassungs wegen ob- Nein. Ich wiederhole: Einbezogen sind die Größen- liegt die Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes, wie ordnungen, die bei der Bedarfsposition „Gesundheits- ich in der Antwort auf die vorangegangene Frage schon pflege“ erfasst werden. Bei den Zahlungen, die für Me- ausführte, den Ländern und Kommunen. Eine Rechts- dikamente geleistet werden müssen, für die seitens der oder Fachaufsicht des Bundes besteht nicht. Nähere An- Kassen keine Erstattung erfolgt, sind diejenigen, die so- gaben zu dem in der Frage angesprochenen Fall können zialhilfeberechtigt sind, genauso erfasst wie jeder andere daher nicht gemacht werden. GKV-Versicherte. Es bleibt darauf hinzuweisen, dass es Allgemein ist jedoch anzumerken, dass Ausländer mit im Verantwortungsbereich des Arztes liegt, zu entschei- aufenthaltsrechtlichem Status, die sich im Gebiet der Bun- den, welches Medikament im Hinblick auf Wirksamkeit desrepublik Deutschland aufhalten, gemäß § 120 Bundes- und Nutzen verschrieben wird. sozialhilfegesetz im Vergleich zu den übrigen Sozial- hilfeempfängern deutlich eingeschränkte Leistungen erhalten. Auch die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmi- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: gung fällt in die Kompetenz der Bundesländer, die von Sie haben eine weitere Zusatzfrage. den Ausländerbehörden wahrgenommen wird. 8300 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

(A) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers (C) Ihre Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege. – Keine Zusatz- und des Bundeskanzleramtes auf. frage. Die Fragen 49 und 50 des Kollegen Helmut Heiderich Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des sollen ebenso wie die Fragen 51 und 52 des Kollegen Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Siche- Hans-Joachim Otto schriftlich beantwortet werden. rung. Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi- nisteriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Zur Ich unterbreche die Sitzung des Deutschen Bundesta- Beantwortung steht die Frau Parlamentarische Staatsse- ges bis zum Beginn der Aktuellen Stunde um 15.35 Uhr. kretärin Iris Gleicke bereit. (Unterbrechung von 15.11 bis 15.35 Uhr) Die Fragen 41 und 42 der Kollegin Dr. Maria Flachsbarth werden schriftlich beantwortet. Die Frage 43 Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: des Kollegen Egon Jüttner und die Frage 44 des Kolle- Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder. gen Ernst Hinsken werden ebenfalls schriftlich beant- wortet. Die Fragen 45 und 46 der Kollegin Renate Blank Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: werden auch schriftlich beantwortet. Aktuelle Stunde Ich rufe die Frage 47 des Kollegen Gero Storjohann auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU auf: Haltung der Bundesregierung zur Erleichte- Bis wann und mit welcher Zielsetzung in Bezug auf den rung von Einschleusungen und illegalen Ein- künftigen Leistungsumfang plant die Bundesregierung die im reisen aufgrund von Kontrolllücken an deut- Rahmen der Verhandlungen des Vermittlungsausschusses zu Protokoll gegebene Erklärung, zeitnah das Wohngeldrecht mit schen Flughäfen dem Ziel deutlicher Einsparungen strukturell zu überarbeiten, umzusetzen? Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Hartmut Koschyk, CDU/CSU-Fraktion. Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Herr Kollege Storjohann, die Bundesregierung prüft Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und derzeit, auf welche Weise die Umsetzung der Protokoll- Kollegen! Seit Montag dieser Woche müssen wir auf- erklärung erfolgen kann. Dazu werden zunächst die Er- grund eines Berichts des Magazins „Report“ des Bayeri- (B) gebnisse des Vermittlungsverfahrens zum Hartz-IV-Ge- schen Rundfunks in München davon ausgehen, dass am (D) setz, das heißt die bereits beschlossene und zum Münchner Flughafen über lange Zeit Nicht-EU-Bürger 1. Januar 2005 erfolgende grundlegende Vereinfachung ohne Kontrolle durch den Bundesgrenzschutz nach des Systems der Leistung von Unterkunftskosten aus öf- Deutschland eingereist sind. Entgegen allen bestehenden fentlichen Kassen, in ihren Auswirkungen auf das Vorschriften soll es bis zu fünf Stunden gar keine oder Wohngeld aufbereitet. nur oberflächliche Kontrollen gegeben haben. Dies bele- gen die in dem Fernsehbeitrag des Bayerischen Rund- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: funks gezeigten Dienstpläne. Dort heißt es „Kontrollver- Ihre Zusatzfrage, bitte. zicht“ oder „keine schengenmäßige Kontrolle“. Nach diesem Bericht sollen fast täglich Ein- und Ausreisekon- trollen ausgefallen sein. Gero Storjohann (CDU/CSU): Frau Staatssekretärin, schließt die Bundesregierung Das beinhaltet natürlich drastische Verstöße gegen die Leistungskürzungen beim Wohngeld aufgrund der beab- Schengen-Verträge, wonach wir verpflichtet sind, eine sichtigten Änderungen aus? lückenlose Kontrolle der Einreise aus Nicht-Schengen- Staaten zu gewährleisten. Das bedeutet aber auch eine Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- massive Verletzung ureigener deutscher Sicherheitsinte- minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: ressen; denn infolge des Verzichts auf vorgeschriebene Herr Kollege Storjohann, wie Sie wissen, haben wir Kontrollen durch den Bundesgrenzschutz können alle ja gemeinsam im Vermittlungsausschuss die Ergebnisse möglichen Personen, ob sie nun aus dem Bereich der or- beschlossen. Wie ich Ihnen gerade gesagt habe, sind die ganisierten Kriminalität kommen, ob es illegal Einrei- von uns beschlossenen Regelungen bezüglich des Wohn- sende oder auch gesuchte Terroristen sind, leicht nach geldrechtes derzeit in Prüfung. Deutschland einreisen. Es ist doch bedauerlich, dass es eines solchen Fern- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: sehbeitrages bedarf, Eine zweite Zusatzfrage? – Nein. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sehr Die Frage 48 des Kollegen Hans Michelbach soll richtig!) schriftlich beantwortet werden. damit auf eine solch immense Kontroll- und damit Frau Staatssekretärin, ich bedanke mich für die Be- Schutzlücke auf einem der größten deutschen Flughäfen antwortung der Frage. hingewiesen wird. Ich bedaure eigentlich auch, dass eine Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8301

Hartmut Koschyk (A) Aktuelle Stunde, beantragt von der Unionsfraktion, not- (Zuruf von der SPD: Sie schrecken vor nichts (C) wendig war, um dieses Thema ins Plenum zu bringen. zurück!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – wie sich dieser „Mister law and order“ gegen den zwei- Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Haben Sie felhaften Volmer-Erlass des Auswärtigen Amtes gewehrt im Innenausschuss nachgefragt? – Dr. Ludger hat. In einem Schreiben, das er als Minister Schily an Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie Minister Fischer geschrieben hat, hat er seine Bedenken wollen doch nur reden!) deutlich gemacht. Minister Fischer hat ihm aber nicht einmal selbst geantwortet, sondern hat dies von Staats- Es gab keinen Versuch der Bundesregierung, heute im sekretär Pleuger tun lassen. Heute Nachmittag hat die Innenausschuss von sich aus einen Bericht im Hinblick Bundesregierung ausgeführt, dass die Bedenken des auf diesen Vorgang anzubieten und vor einer solchen Bundesinnenministeriums damit ausgeräumt worden Aktuellen Stunde Aufklärung zu leisten. sind. (Beifall bei der CDU/CSU – Clemens (Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Binninger [CDU/CSU]: Das schlechte Gewis- NEN]: Er hat eine kluge Antwort gegeben! – sen! – Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Das Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört!) ist unfassbar!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, man sollte Wir müssen – lassen Sie mich das sehr deutlich sich nicht immer so aufblasen, sagen – unterscheiden: Wir wollen durch diese Debatte keine Kritik an der hervorragenden Arbeit der Mitarbei- (Zuruf von der SPD: Wer bläst sich hier auf, terinnen und Mitarbeiter des Bundesgrenzschutzes üben. Herr Koschyk?) (Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Na, na!) als sei man der beste Bundesinnenminister, den diese Republik je hatte, Sie leisten hervorragende Arbeit. (Sebastian Edathy [SPD]: Das ist er ja auch!) (Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Dann können wir ja gehen!) wenn man dann vor der skandalösen Visapolitik des Auswärtigen Amtes einknickt und damit deutlich macht, Es scheint hier allerdings offensichtlich große Orga- dass man nicht einmal seinen eigenen Laden im Griff nisationsmängel zu geben. Das Schlimmste an diesem hat. ganzen Vorgang ist, dass man glaubt, durch diese Art von Öffentlichkeitspolitik des Bundesministeriums des (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Michael Bürsch [SPD]: Wenn wir den Bundesgrenz- (B) Innern – da kann man sich nur an den Kopf greifen – die (D) Gemüter beschwichtigen zu können. schutz gemeinsam loben, ist die Aktuelle Stunde damit beendet?) In einer Mitteilung des Sprechers des Bundesinnen- ministeriums heißt es, dass man diese Kontrolllücken Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: einräume; es habe sich aber um Flüge gehandelt, die im Nächster Redner ist der Kollege Frank Hofmann, Wesentlichen mit deutschen und österreichischen Tou- SPD-Fraktion. risten besetzt gewesen seien. Sie wollen der Bevölke- rung in Deutschland und der an diesem Vorgang interes- sierten Öffentlichkeit in so naiver Weise einreden, dass Frank Hofmann (Volkach) (SPD): über Stunden hinweg, tagelang, am Flughafen München Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Herr Koschyk! nur deutsche und österreichische Touristen eingereist Das, was Sie hier gesagt haben, reicht nicht einmal für sind. eine Märchenstunde, geschweige denn für eine Aktuelle Stunde. ( [Heilbronn] [CDU/CSU]: Wie bei der Maut!) (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Dazu kann man nur einen Kommentar der „FAZ“ von NEN]) dieser Woche zitieren, in dem es treffend heißt: War das tatsächlich alles? Sie wissen doch mindestens Die Grenzschützer haben nicht das Recht, öffent- genauso gut wie ich: Nicht alles, was im bayerischen lich darauf aufmerksam zu machen, dass in schwarzen Fernsehen gesendet wird, ist Realität. München – und wer weiß, wo noch – zahlreiche Planstellen unbesetzt sind. Das darf aber Schily (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sagen Sie nicht dazu verführen, Dinge schönzureden, die in doch etwas zur Sache!) Wahrheit im Argen liegen. Er ist nicht der Bundes- Die Überschrift „Flughäfen als Eldorado für illegale Ein- beruhigungsminister. wanderung“ ist völlig daneben. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Michael (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Oh! Jetzt ist Bürsch [SPD]: Der Schily schreckt vor nichts das Fernsehen schuld!) zurück!) Halten wir uns an die Tatsachen: Im Sommer 2003 Wissen Sie: In der Fragestunde des Bundestages ha- wurde am Flughafen München das Terminal 2 neu eröff- ben wir heute ja eindrucksvoll erlebt, net. Mit der Eröffnung wurde die Flughafendienststelle 8302 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

Frank Hofmann (Volkach) (A) um 300 Polizeivollzugsbeamte verstärkt. – Herr dass Sie diese Sachlage sehr gut kennen. Trotzdem schä- (C) Koschyk, wenn Sie zuhören würden, wäre das hilf- men Sie sich aber nicht, so zu tun, als würde der Bundes- reich. – Im Oktober 2003 und im Januar 2004 wurde grenzschutz Einschleusungen und illegale Einreisen er- weiteres Unterstützungspersonal zur Flughafendienst- leichtern. Das weisen wir zurück. stelle abgeordnet. Sie wissen ja, dass unbesetzte Plan- stellen auch durch Abordnungen besetzt werden können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Hier hat der Bundesgrenzschutz also Abordnungen vor- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) genommen. Hier wollen Sie aus einer Mücke einen Elefanten ma- (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Hat es nun chen. Kontrolllücken gegeben oder nicht?) An Ihre Adresse muss gesagt werden, dass Kontroll- – Hören Sie mir doch zu! Ich rede über die Realität und verzichte nicht gleichzusetzen sind mit der Unterstüt- mache nicht, wie Sie, eine Märchenstunde. zung von illegalen Einschleusungen und illegaler Ein- wanderung. Oder wollen Sie diesen absurden Vorwurf (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Aber Sie weiterhin aufrechterhalten? Wollen Sie allen Ernstes so sollen zum Thema kommen!) tun, als begünstige der Bundesinnenminister aufgrund Trotz dieser Personalzuweisungen hat die Flughafen- von längst wieder geschlossenen Kontrolllücken am dienststelle des Bundesgrenzschutzes entgegen den Vor- Flughafen München die organisierte Kriminalität? Auch schriften in einzelnen Fällen ganz auf die Passkontrolle das weisen wir zurück. bei einreisenden Auslandspassagieren verzichtet. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Aha!) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Fest steht, dass der BGS in München damit seinen ge- Mit Ihrem Antrag auf Durchführung einer Aktuellen setzlichen Auftrag verletzt hat. Stunde unterstellen Sie Sodom und Gomorrha. Sie erhe- ben sogar den Vorwurf, dass illegale Einschleusungen (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Aha!) geduldet werden. Im eigenen Verantwortungsbereich da- Das ist nicht zu entschuldigen, auch wenn es sich gemes- gegen halten Sie Ihre Hände ruhig und nehmen Sicher- sen an der Gesamtzahl der überprüften Passagiere nur heitsdefizite in Kauf. Ich finde, das ist unglaublich. Fas- um einige wenige Fälle handelt. sen gerade Sie von der CSU sich doch an Ihre eigene Nase! Während die Kontrolllücken beim BGS in Mün- Herr Koschyk, das Thema der Aktuellen Stunde, die chen geschlossen sind, der Mangel erkannt und beseitigt wahrscheinlich auf Ihre Initiative zurückgeht, lautet: ist, finden an bestimmten Stellen der bayerisch-tschechi- (B) „Haltung der Bundesregierung zur Erleichterung von (D) schen Grenze so gut wie keine Kontrollen nach dem Einschleusungen und illegalen Einreisen aufgrund von Schengen-Standard statt. Kontrolllücken an deutschen Flughäfen“. Die CDU/CSU würde die Verantwortung also gerne – so haben Sie sich (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Stimmt doch hier ja auch aufgeblasen – dem Bundesinnenminister in überhaupt nicht!) die Schuhe schieben. – Hören Sie einfach zu! – Am Grenzübergang in Bernau (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Ach, ist er wurde 70 Meter von der Straße entfernt, die nach Tsche- nicht mehr für den BGS zuständig?) chien führt, ein Haus gebaut. Im Haus sitzt ein Polizist, Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Op- der aus dem Haus heraus die Autos durchwinkt. position, das klappt nicht. Bei dieser Panne handelte es (Dorothee Mantel [CDU/CSU]: Thema!) sich um ein lokales Problem bzw. einen Management- fehler der Personalverwaltung, auf den der Bundes- Ist das der bayerische Standard? Bevor Herr Beckstein grenzschutz und der Bundesinnenminister reagiert ha- den Bundesinnenminister auf dessen gesetzlichen Auf- ben. trag hinweist, sollte er erst einmal seinen eigenen Be- reich in Ordnung bringen. (Zuruf von der SPD: Genau!) Auf keinem anderen Flughafen in der Verantwortung des Schauen Sie doch auf den Nürnberger Flughafen; Sie Bundesgrenzschutzes sind derartige Rechtsverstöße fest- fliegen ja oft genug auch nach Nürnberg. gestellt worden. (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Da wird her- (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sind Sie da vorragend kontrolliert!) sicher?) Auch dort ist die bayerische Polizei zuständig. Dort wer- So weit zum Ersten. den laxe Einreisekontrollen zu Spitzenzeiten sehenden Auges in Kauf genommen und auch künftig nicht abge- Zum Zweiten: Erste personelle Konsequenzen wur- stellt. den gezogen. Die Kontrolllücken sind geschlossen. Auch die in engen Grenzen möglichen Lockerungen (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das ist doch werden nicht hingenommen. ein völliger Unsinn!) Da Sie, Herr Koschyk, dazu im Innenausschuss keine Das bayerische Innenministerium denkt nicht daran, das Nachfragen gestellt haben, muss ich davon ausgehen, Personal dort aufzustocken. Im Gegenteil: Das vorgese- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8303

Frank Hofmann (Volkach) (A) hene Sparprogramm von Stoiber und Beckstein sieht für Frage – da sind wir mit unserer Diskussion noch nicht (C) Bayern einen Abbau von 1 500 Beamten vor. am Ende –, ob im Extremfall ein Flugzeug sogar abge- schossen werden darf, wenn es als Waffe gegen Men- Wir dagegen haben ein Offensive zur Verbesserung schen oder Gebäude eingesetzt wird. In der damaligen der Personal- und Planstellenstruktur beim BGS einge- Diskussion hat Schily zu Recht gesagt: Es kommt im leitet. Trotz der schwierigen Haushaltslage hat die innere Luftverkehr darauf an, dass die Kontrollen am Boden Sicherheit bei dieser Koalition höchste Priorität. Neh- optimal sind. Das schafft Sicherheit und gilt sowohl für men Sie sich an uns ein Beispiel! die Kontrollen beim Einsteigen in ein Flugzeug als auch (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ für die Einreisekontrollen. Deswegen fordern wir als DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: FDP: Da dürfen Lücken nicht geduldet werden. Lieber nicht!) Die Lücken, die hier aufgetreten sind und offenbar auf Organisations- und Personalmängel zurückzuführen Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: sind, werfen natürlich weitere Fragen auf. Derselbe Bun- Das Wort hat der Kollege Dr. Max Stadler, FDP-Frak- desinnenminister hat auf der letzten EU- tion. Innenministerkonferenz gegen die Haltung der EU- Kommission biometrische Merkmale in Reisepässen Dr. Max Stadler (FDP): durchsetzen wollen, darunter auch Fingerabdrücke. Ich Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und frage mich, wer denn dann diese Fingerabdrücke kon- Herren! Diese von der CDU/CSU-Fraktion beantragte trollieren soll, Aktuelle Stunde hat einen sachlichen Aspekt, den wir als (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Da haben Sie FDP ausdrücklich teilen, aber auch einen leicht durch- jetzt mal Recht, Herr Stadler!) schaubaren politischen Zweck. Der politische Zweck be- steht darin – auch das ist durchaus die Aufgabe einer Op- wenn jetzt schon die normale Passkontrolle nicht funk- positionspartei –, zu versuchen, in letzter Zeit verstärkt, tioniert. Bundesinnenminister Otto Schily als Unsicherheits- minister hinzustellen. Meine Damen und Herren von der Das führt mich des Weiteren zu einer Schlussfolge- CDU/CSU, auch wenn die FDP ebenfalls in Opposition rung – Sie werden mir verzeihen, wenn ich auf einen zu Schily steht – diesen Vorwurf kann man ihm nicht Grundsatz Bezug nehme, den ich hier für die FDP häufig machen. formuliert habe –: Es kommt für die innere Sicherheit of- fenbar nicht darauf an, dass man ständig neue Gesetze (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ fordert oder neue Gesetze macht, sondern es kommt da- DIE GRÜNEN) (B) rauf an, dass man bestehende Vollzugsdefizite angeht. (D) Unsere Sorge ist eher, dass die schwierige Balance (Beifall bei der FDP – Silke Stokar von zwischen innerer Sicherheit und innerer Liberalität bei Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: diesem Innenminister und dieser Koalition nicht in bes- Richtig!) ten Händen ist. Wir brauchen nicht ständig neue Gesetze, sondern wir (Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE brauchen eine optimale finanzielle, technische und per- GRÜNEN]: Doch, ist sie!) sonelle Ausstattung der Sicherheitsbehörden und der Ich finde, die heutige Entscheidung des Bundesverfas- Polizei. Daran fehlt es offenbar. sungsgerichts zum großen Lauschangriff sollte uns allen In der kurzen Zeit seit Montag – am Montag lief die eine Mahnung sein, die Aspekte des Grundrechtsschut- entsprechende Fernsehsendung – haben natürlich auch zes in diesem schwierigen Spannungsfeld wieder stärker wir versucht, zu recherchieren. In München sind offen- zu betonen. bar 20 Stellen am Flughafen unbesetzt, rein praktisch so- (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sie haben das gar 50, am Stuttgarter Flughafen 75; nicht mitgetragen? – Reinhard Grindel [CDU/ (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Aha!) CSU]: Sie waren nicht dabei, Herr Stadler?) es gibt nach unseren Informationen in Frankfurt 200 bis – Die FDP hat es mitgetragen. Ich habe ausdrücklich ge- 250 unbesetzte Dienstposten und es gibt Probleme an sagt: Wir alle sollten in diesem schwierigen Spannungs- den Regionalflughäfen, etwa in Paderborn und Dort- feld, in dem es darum geht, die innere Sicherheit zu ge- mund. währleisten, ohne dabei die innere Liberalität zu verlieren, versuchen, die Gewichte richtig zu setzen. Sie Ich fordere die Bundesregierung auf, bei der heutigen werden doch wohl nicht bestreiten, Herr Grindel, dass Gelegenheit Stellung zu nehmen, ob dies zutrifft. Wenn das unsere Aufgabe ist. das nämlich nur durch Abordnung gelöst werden kann, dann fehlen die abgeordneten Beamten woanders. Auch (Beifall bei der SPD) das kann nicht richtig sein. In der Sache selbst, dass es am Münchner Flughafen (Beifall bei der FDP) offenkundig Kontrolllücken gegeben hat, die in keiner Weise akzeptiert werden können, hat die Union Recht. Wir sollten um optimale Arbeitsbedingungen für un- Wir haben vor kurzem hier in diesem Hohen Hause sere Polizei bemüht sein. Die Aschermittwochsdemons- über das Luftsicherheitsgesetz diskutiert und über die tration am letzten Mittwoch in Passau, bei der alle drei 8304 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

Dr. Max Stadler (A) Polizeigewerkschaften erstmals gemeinsam beim CSU- sion eingesetzt hat, nachdem sie Kenntnisse von diesen (C) Aschermittwoch darauf hingewiesen haben, dass sich Verstößen erlangt hatte. auch die Arbeitsbedingungen in Bayern drastisch ver- schlechtern, sollte auch eine Mahnung für uns sein, an Ich möchte auch sagen, dass es für mich wenig nach- dieser Stelle nicht nachzulassen. vollziehbar ist, wie es möglich ist, dass es im Intranet des BGS, zugänglich für die gesamte BGS-Führung, zu- Insbesondere brauchen wir keine Wasserköpfe. Wir mindest die des Grenzschutzpräsidiums Süd, über Wo- haben offenbar in vielen Bereichen zu viele Häuptlinge chen eine Dokumentation von Kontrollverzichten gibt, und zu wenig Indianer. Es ist unsere Aufgabe und Auf- die – das weiß jeder BGS-Beamte – rechtswidrig sind, gabe der Bundesregierung, dafür zu sorgen, dass sich ohne dass die Führung hier ihre Verantwortung wahr- dies ändert, damit der Bundesgrenzschutz seine Aufga- nimmt und eingreift. ben optimal erfüllen kann. Ich teile auch nicht die Auffassung – unbesetzte Plan- Vielen Dank. stellen haben wir in allen Bereichen der Landespolizei –, dass wir hier ein Problem in Bezug auf die Personal- (Beifall bei der FDP) stärke haben. Wir haben in diesem Bereich ganz offen- sichtlich ein Problem in der Frage des Personalmanage- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: ments. Man kann es vielleicht mit der Neueröffnung des Nächste Rednerin ist die Kollegin Silke Stokar, Terminals 2 auf dem Münchner Flughafen begründen. Bündnis 90/Die Grünen. (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das ist schon länger her!) Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): – Ihr Einwand ist richtig. Deswegen verstehe ich über- haupt nicht, wie Sie den BGS trotz eines solchen Verhal- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Scharf- tens hier so pauschal loben können. sinnig hat der von mir hoch geschätzte Kollege Stadler erkannt, (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Weil die Mehrheit ordentliche Arbeit macht!) (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das haben Sie noch nie gesagt, Frau Stokar! – Hartmut Es ist natürlich nicht zu loben, dass es die zuständige Koschyk [CDU/CSU]: Oh!) Führung in diesem Flughafen über Wochen geduldet hat, dass gegen den Verzicht auf Kontrollen, wodurch gegen dass es zu dem eigentlichen Thema der Aktuellen Stunde das Schengen-Abkommen verstoßen wurde, recht wenig zu sagen gibt. Deswegen nutze auch ich die (B) Gelegenheit, zu betonen: Das war heute ein guter Tag für (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das stimmt!) (D) die Bürgerrechte. Wir haben uns über das Urteil des nicht vorgegangen wurde und dass er im Intranet doku- Bundesverfassungsgerichtes sehr gefreut, mentiert wurde. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich denke, die Frage, wie viele Abordnungen des das den heiß umstrittenen großen Lauschangriff in vielen BGS es in diesem Zeitraum zur Unterstützung der baye- Punkten für verfassungswidrig erklärt hat. rischen Landespolizei gegeben hat, ist ebenfalls wichtig. Diese würde ich gerne an Herrn Beckstein richten. (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Andere aber auch für verfassungsgemäß!) (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Ganz wenige!) Ich muss um der Wahrheit willen allerdings auch sa- gen: Meine Fraktion war die einzige, die vehement dage- Als Beispiele nenne ich Großeinsätze, die Unterstützung gen gekämpft hat. bei Fußballspielen usw. Ich denke, wir sollten dies zum Anlass nehmen – ich habe das hier in anderen Zusam- (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig!) menhängen bereits gesagt –, darauf zu achten, dass sich der BGS auf seine grenzpolizeilichen Kernaufgaben Sie haben die sehr sympathische Justizministerin konzentriert. Wir sollten den Mut haben, den Ländern Leutheusser-Schnarrenberger damals auf dem Weg zum mitzuteilen, dass die Dauerabordnungen zur Unterstüt- großen Lauschangriff geopfert. Ich freue mich, dass sie zung der Landespolizei keine Bundesaufgabe sind. mit ihrer Klage jetzt einen späten Sieg errungen hat. (Beifall des Abg. Josef Philip Winkler (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und der Abg. Jetzt komme ich zum Thema. Es gibt wirklich nicht Ute Kumpf [SPD]) so viel dazu zu sagen. Zu den Berichten über den Ich erinnere an unseren Landkreis Lüchow-Dannen- Münchner Flughafen muss man zu Beginn eines ganz berg. Hier hat kein Mensch Verständnis dafür, dass der deutlich machen: Es hat hier Verstöße gegen das Schen- niedersächsische Innenminister Schünemann die Lan- gen-Abkommen gegeben. Kontrolllockerungen sind er- despolizei in der Fläche ausdünnt und gleichzeitig der laubt. Kontrollverzichte sind jedoch ein eindeutiger Ver- BGS einschreitet, um die fehlenden Streifen zu ersetzen. stoß gegen die Schengen-Bestimmungen. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass das Ich denke, der BGS gehört an die Flughäfen. Dort hat Bundesinnenministerium umgehend eine Prüfkommis- er seine Arbeit zu erledigen. Das Personal dafür ist vor- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8305

Silke Stokar von Neuforn (A) handen. Ich erwarte, dass es dort, wo es hingehört, auch So war es auch. Ein offizieller Ministeriumssprecher (C) eingesetzt wird. räumte die Mängel zunächst ein. Danach wurde wider- sprochen. Der Kollege von der SPD-Fraktion kommt Danke schön. dann hierher und sagt, dass doch eigentlich alles in Ord- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nung ist. Ich kann nur sagen: Das ist das blanke Chaos. und bei der SPD) Die Dosen-Maut-Helden Trittin und Stolpe sind nicht weit. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (Sebastian Edathy [SPD]: Was haben das Do- Das Wort hat der Kollege Thomas Strobl, CDU/CSU- senpfand und die Maut mit dem BGS und dem Fraktion. Münchner Flughafen zu tun?) Im Übrigen: Der Bundesinnenminister hat personelle Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Konsequenzen angedroht. Ich würde wirklich gerne ein- Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle- mal zusammenzählen. Die Zahl der Beamten, die unter gen! Es ist bekannt: Der Bundesinnenminister lässt keine der politischen Führung dieses Bundesinnenministers Gelegenheit aus, sich wegen seiner so hervorragenden und unter politischen Fehlentscheidungen und Versäum- Politik im Bereich der inneren Sicherheit zu loben. nissen zu leiden haben (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Showman!) (Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Na! – Die Realität sieht aber leider anders aus. Es fehlt vor al- Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Das lem an Taten. glauben Sie doch alles selbst nicht!) (Beifall bei der CDU/CSU) und die dafür den Kopf hinhalten müssen, steigt jede Woche. Der Herr Bundesinnenminister wird mit seinem Es zieht sich wie ein roter Faden durch diese rot-grüne Staatssekretär irgendwann allein im Innenministerium in Bundesregierung: große Überschriften, große Sprüche, Moabit sitzen. aber wenige Taten. (Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der (Dr. Michael Bürsch [SPD]: Das trifft uns jetzt SPD – Sebastian Edathy [SPD]: Besser als mit hart!) Ihnen im Ausschuss!) Der Bundesinnenminister legt Sätze wie Eier; aber er Vor dieser Vorstellung graust selbst dem Herrn Staats- vergisst, sie auszubrüten. sekretär Körper. (B) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Unfug!) (D) Die Realität ist folgendermaßen: Seit einigen Tagen Wir führen im Augenblick eine Debatte über die Neu- wissen wir, dass bei den Personenkontrollen am Flug- regelung unseres Zuwanderungsrechtes. Rot-Grün, vor hafen München eindeutige Sicherheitslücken bestehen, allem der grüne Teil dieser Koalition, möchte mehr Zu- weil der BGS nicht genügend Personal hat, um die er- wanderung in unser Land, die Union eine restriktivere forderlichen Einreisekontrollen zu gewährleisten. Ich Zuwanderungspolitik. Darüber streiten wir. Ich stelle mir möchte klar sagen: Der Fehler liegt nicht beim BGS oder nur die Frage, ob es eigentlich sinnvoll ist, sich de lege bei den anderen Sicherheitsorganen. Die Mitarbeiterin- ferenda darüber im Rahmen eines Vermittlungsverfah- nen und Mitarbeiter des BGS und der anderen Sicher- rens zu unterhalten, wenn nebenbei durch Verwaltungs- heitsbehörden machen einen schweren und hervorragen- vorschriften und Runderlasse, durch eine laxe Verwal- den Job. Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion möchte tungspraxis und eine schludrige Kontrollpraxis auf ich den Polizeien und dabei insbesondere den Polizei- kaltem Wege dafür gesorgt wird, dass mehr Zuwande- beamtinnen und Polizeibeamten des BGS auch an dieser rung in unser Land stattfindet. Stelle unseren Respekt und unsere Anerkennung für ihre Arbeit aussprechen. (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Das glaubt Im Übrigen entsteht der Eindruck: Es ist völlig egal, Ihnen niemand!) wer in unser Land kommt. Typisch ist jedoch, wie Rot-Grün und auch das Bun- (Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Stillos ist desinnenministerium reagieren. das, was Sie machen!) (Sebastian Edathy [SPD]: Ich dachte, wir tun Das ist unter Sicherheitsgesichtspunkten eine Katastro- nichts!) phe. Mir liegt eine Meldung von „Spiegel online“ vor. Dies (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) war auch anderswo nachzulesen. Herr Kollege, das Wem nützen Einreisegesetze, wenn sie nachlässig oder klingt etwas anders als das, was Sie hier vorgetragen ha- gar nicht umgesetzt werden? Wem nützen Visaregelun- ben: „Bundesregierung räumt Sicherheitsmängel ein“. gen und Regelanfragen bei der Ausländerbehörde, wenn (Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Haben wir in deutschen Botschaften auf Erlass des Außenministeri- doch auch getan!) ums sowieso jeder ein Visum bekommt, ohne dass 8306 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

Thomas Strobl (Heilbronn) (A) vorher genau geprüft wird, ob überhaupt eine Berech- Hans-Peter Kemper (SPD): (C) tigung vorliegt? Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem ich die Rede des Kollegen Strobl gerade ge- (Sebastian Edathy [SPD]: Das ist doch Un- hört habe, bin ich schon ein bisschen überrascht. sinn! – Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Das Thema hatten wir doch schon!) (Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!) Wozu haben und brauchen wir Gesetze zur Verbesse- rung der inneren Sicherheit, wenn Terrorgruppen oder Er kritisiert hier Dinge, die sicherlich kritisiert werden deren Sympathisanten mehr oder weniger ungehindert in müssen. unser Land eingeschleust werden können, weil die Be- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – hörden bzw. das Auswärtige Amt und das Innenministe- Zurufe von der CDU/CSU: Aha!) rium offensichtlich kein gesteigertes Interesse daran ha- ben, Einreisende überhaupt zu überprüfen, geschweige – Danke für den Applaus. Sie müssen aber zunächst ein- denn zu verhindern, dass diese Leute gefasst bzw. an der mal eine saubere und ehrliche Analyse abliefern. Dazu Einreise nach Deutschland gehindert werden? sind Sie ganz offensichtlich nicht bereit. Darauf komme ich gleich noch zu sprechen. (Sebastian Edathy [SPD]: Abenteuerlich, was Sie erzählen!) Es wird von uns überhaupt nicht bestritten, dass es am Flughafen in München Missstände beim Bundesgrenz- Wir haben in dieser Debatte und in diesem Parlament schutz gegeben hat. Das hat weder der Kollege Hofmann noch nicht ausreichend über den verantwortungslosen noch sonst jemand von uns beschönigt; dazu stehen wir. Leichtsinn gesprochen, der im Zusammenhang mit der Bei 127 Flügen ist die notwendige Kontrolle unterblie- massenhaften und ungeprüften Erteilung von Visa durch ben. Dabei sage ich ganz deutlich: Es ist völlig unerheb- die Botschaft in Kiew zutage getreten ist. lich, ob es Ferienflieger oder Flieger aus irgendwelchen gefährlichen oder verdächtigen Ländern sind. Das ist (Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nicht zu entschuldigen. Das sind massive Dienstpflicht- NEN]: Wir haben eine ganze Stunde darüber verletzungen. geredet!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Offensichtlich sind hier über einen langen Zeitraum Hin- Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Da könnt ihr weise der Sicherheitsbehörden ignoriert worden. Wir ruhig mitklatschen! – Gegenruf des Abg. werden darüber noch sehr viel länger zu reden haben, Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Zu- (B) Herr Kollege Volmer. Sie persönlich tragen zusammen hören!) (D) mit dem Herrn Außenminister Fischer ein gerütteltes Maß an Verantwortung dafür, Es hat nicht nur durch die Kollegen und Beamten vor Ort erhebliche dienstliche Verletzungen gegeben, son- (Beifall bei der CDU/CSU) dern es hat auch ganz erhebliche Mängel in der Dienst- aufsicht gegeben. Dazu sage ich Ihnen: Das darf nicht dass Tausende, ja Hunderttausende Illegale, Kriminelle, beschönigt werden; das hat niemand getan. Auch das In- Prostituierte, Schwarzarbeiter und auch Terroristen in nenministerium hat dies nicht getan. Es hat bereits per- dieses Land einreisen konnten. sonelle Konsequenzen gegeben. Der Amtsleiter wurde suspendiert und auch der Inspektionsgruppenleiter wird (Ute Kumpf [SPD]: Millionen! Jetzt übertrei- zur Verantwortung gezogen. Hier wird überhaupt nichts ben Sie!) beschönigt und verschleiert. Aber wenn Sie hier tränen- Aus dieser Verantwortung werden wir Sie nicht entlas- reich den angeblichen Personalmangel in München und sen. Bayern bejammern, dann sage ich Ihnen: Auch durch ständiges Wiederholen wird das nicht wahrer, Herr (Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Machen Strobl. Sie Schluss!) Bei der Eröffnung des Terminals 2 sind zusätzlich Der Bundesinnenminister sollte nicht zum Bundesbe- 300 Beamte zum Flughafen München versetzt worden. schwichtigungsminister werden. Reden Sie nicht, son- Weitere 30 Beamte sind im Juni dazugekommen. dern handeln Sie, bevor Schlimmeres passiert und bevor (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Stel- es zu spät ist! len! – Dr. Max Stadler [FDP]: Die Beamten Besten Dank. fehlen!) (Beifall bei der CDU/CSU – Michael – Nicht Stellen. Das zeigt, dass Sie sich nicht schlau ge- Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Kein Wort macht haben. zur Sache!) (Sebastian Edathy [SPD]: Wie immer!) Die Stellen mögen fehlen, die Köpfe sind da. Es ist ein Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Unterschied, wenn jemand abgeordnet und dort nicht ge- Nächster Redner ist der Kollege Hans-Peter Kemper, führt wird. Als Arbeitskraft ist er da. Es fehlt niemand in SPD-Fraktion. München. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8307

Hans-Peter Kemper (A) (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Haben die dient, niedergemacht oder angemacht zu werden. Das ist (C) Skat gespielt, statt zu kontrollieren?) mit uns nicht zu machen und das werden wir nicht zulas- sen. Sie müssen sich erst einmal schlau machen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Clemens DIE GRÜNEN) Binninger [CDU/CSU]) Unterstellt, es würden wirklich 20 oder 30 Leute feh- Sie haben erfolgreich gearbeitet. In den Jahren 2000 bis len: Das Grenzschutzpräsidium Süd verfügt über 2003 sind über 100 000 unerlaubt Eingereiste festge- 7 000 BGS-Bedienstete. Wollen Sie uns wirklich weis- nommen und zurückgewiesen worden. Davon waren machen, dass es nicht möglich gewesen wäre, im inter- 30 000 Personen, die geschleust worden sind. Es sind nen Austausch diese Lücken zu schließen? Das gibt es über 8 000 Schleuser festgenommen worden. Das ist überhaupt nicht. eine Erfolgsstory, die für sich spricht. Sie wissen, dass ich über 30 Jahre lang selbst Polizei- Wir haben ein höchstmögliches Maß an Sicherheit. beamter gewesen bin. Die Personalfrage war immer ein Dass es hundertprozentige Sicherheit nicht gibt, wissen Problem bei der Polizei. Es sollte immer mehr Personal wir alle. Wenn dem so wäre, wäre das Leben nicht mehr geben. Ich glaube, es geht Ihnen gar nicht darum. Hier lebenswert. Wir haben eine gute Balance zwischen per- ist zeitnah gehandelt worden. Das Personal ist da. Es sönlicher Freiheit und innerer Sicherheit garantiert. Da- geht Ihnen um etwas ganz anderes – das ist gerade bei ran werden wir weiter arbeiten. Wir werden uns in dieser der Rede des Kollegen Strobl deutlich geworden –: Frage auch nicht von der CDU/CSU beeinflussen lassen. (Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Wenn Sie vernünftige Innenpolitik und innere Sicher- Wohl wahr!) heit wollen, dann arbeiten Sie mit uns zusammen. Aber Sie versuchen, die Sicherheitsarchitektur in der Bundes- unterlassen Sie unnötige Anwürfe! Die sind nicht glaub- republik infrage zu stellen und schlechtzureden. Das würdig und die nimmt Ihnen keiner ab. wird bei der Verquickung mit dem Volmer-Erlass deut- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ lich, der damit nichts zu tun hat. Sie scheuen sich noch DIE GRÜNEN – Silke Stokar von Neuforn nicht einmal, die Maut oder das Dosenpfand in diesem [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen Zusammenhang in die Diskussion zu bringen. wir lieber alleine! Die brauchen wir nicht!) (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Überall das gleiche Chaos! – Hartmut Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (B) Koschyk [CDU/CSU]: Chaos überall!) Der nächste Redner ist der Kollege Ralf Göbel, CDU/ (D) Das ist sehr durchsichtig. Es wird Ihnen nicht gelin- CSU-Fraktion. gen, die innere Sicherheit in der Bundesrepublik (Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: schlechtzureden. Ihr Versuch ist nicht neu. Sie haben das Aber jetzt etwas Polizeifachliches!) oft versucht, aber es ist Ihnen nie gelungen. Das kann Ih- nen auch gar nicht gelingen. Ralf Göbel (CDU/CSU): (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und DIE GRÜNEN) Herren! In einer Rede im Deutschen Bundestag am 11. Oktober 2001 führte Bundesminister Otto Schily Denn wir haben einen hervorragenden Innenminister aus: und einen guten Staatssekretär. Das ist keine Frage. Aber was noch viel wichtiger ist: Wir haben in dieser Koali- Sicherheitssysteme dürfen nicht so aufgebaut sein, tion gute Innenpolitiker. dass nach dem Versagen der ersten Stufe auch die zweite nicht funktioniert. Die verbrecherischen An- (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Man müsste schläge in New York und in Washington waren mal nach der Kompetenz fragen!) nicht mehr zu verhindern, als sich die Flugzeuge Diese Innenpolitiker gehen Mängeln nach. Deswegen ist auf das World Trade Center und auf das Pentagon die Innenpolitik in dieser Koalition in guten Händen. zubewegt haben. Sie wären zu verhindern gewesen, wenn bei der Fluggastkontrolle und auf anderen Es geht hier um ein regional begrenztes Fehlverhalten Gebieten einige andere Möglichkeiten genutzt wor- im Süden unserer Republik. Das ist durch eine Kombi- den wären. nation von Leistungsverweigerung und fehlender Dienstaufsicht möglich geworden. Die Konsequenzen (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Aha!) werden gezogen. Aber ich will auch ganz deutlich sagen: Heute haben wir leider Veranlassung, im Deutschen Polizei und Bundesgrenzschutz liefern gute Arbeit ab. Bundestag über diese fehlenden Kontrollen zu debattie- Sie arbeiten motiviert und engagiert, oft unter Zurück- ren. stellung ihrer persönlichen Belange. Die Europäische Union hat mit dem Schengen- (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: So ist es!) Acquis, dem die europäischen Staaten beigetreten sind, Sie sorgen dafür, dass die innere Sicherheit bei uns in der einen europäischen Sicherheitsstandard definiert, an den Bundesrepublik in Ordnung ist. Sie haben es nicht ver- sich die Mitgliedstaaten zu halten haben. Im Einzelnen 8308 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

Ralf Göbel (A) heißt es, dass alle Personen zumindest einer solchen Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Reden Sie (C) Kontrolle zu unterziehen sind, die die Feststellung ihrer das BKA nicht schlecht!) Identität anhand der Reisepapiere ermöglicht. Von einer ganz abgesehen von dem arroganten Umgang mit den Ausnahme, nach der nur bestimmte Personen zu kontrol- Innenministern der Länder. lieren sind, ist im Schengener Durchführungsüberein- kommen nicht die Rede. Im Gegenteil: Nach diesem Wenn es noch eines weiteren Beweises bedurft hätte, Übereinkommen ist das sogar ausgeschlossen. so ist er mit der SMS-Fahndung erbracht worden. Mit dem Vorkommnis, über das wir heute diskutieren, (Zurufe von der CDU/CSU: Ja! – Hartmut hat Deutschland eindeutig gegen die europäischen Si- Koschyk [CDU/CSU]: Schily sucht per SMS cherheitsvorschriften verstoßen, und zwar deswegen, Zustimmung bei der Koalition!) weil die personellen Voraussetzungen für die Einhaltung Wie geht der Bundesinnenminister mit seinen Länder- der europäischen Normen offensichtlich nicht gegeben kollegen um? Wie geht er mit Ihnen um? Sie wussten ja sind. Nach verschiedenen Pressemeldungen fehlen am auch nichts. Herr Tauss hat sich dazu hinreißen lassen, Flughafen München mehr als 60 BGS-Beamte. Nach von „Blockwartmentalität“ zu reden. Ich teile diese Auf- Gewerkschaftsangaben, die auch im Internet nachzule- fassung des Kollegen Tauss nicht. Ich halte aber das Vor- sen sind, sollen auch an anderen deutschen Flughäfen gehen des Ministers in dieser Frage für genauso arrogant zum Teil erhebliche Personallücken bestehen. Ich kann wie seinen Umgang mit dem Bundeskriminalamt. Dieses das von hier aus nicht nachvollziehen. Verhalten des Ministers ist vor allem im Umgang mit Defiziten in dieser Größenordnung kann auch durch den Ländern schädlich, die für die innere Sicherheit ge- eine flexible Dienstplangestaltung vor Ort nicht begeg- nauso Verantwortung tragen wie der Bund. net werden. Hier ist vielmehr eindeutig eine politische (Beifall bei der CDU/CSU) Priorisierung der Personalverteilung notwendig. Ich bin der Auffassung, dass wir uns bei der derzeit an- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) gespannten Sicherheitslage solche Mätzchen nicht län- Deswegen ist es aus meiner Sicht zu kurz gesprungen, ger leisten können. die Verantwortung vom Bundesinnenminister auf die lo- Ich will abschließend aus der „Welt am Sonntag“ vom kale Ebene zu delegieren. 22. Februar 2004 zitieren. Darin wird kolportiert: (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei Jeden Morgen lässt sich Bundesinnenminister der SPD) Schily die Positionen seiner Patrouillenboote mit- Bei diesen Verstößen frage ich mich, wie wir auf eu- teilen. (B) (D) ropäischer Ebene insbesondere von den neuen Beitritts- Ich meine, das wird sicherlich dann wichtig werden, ländern, die künftig unsere Ostgrenze bilden, ernst ge- wenn die Koalition unserem Antrag zur Schaffung einer nommen werden wollen. Wie wollen wir diesen Ländern nationalen Küstenwache zugestimmt hat. klar machen, dass sie den Schengen-Standard erfüllen sollen, wenn wir selber in personeller Hinsicht nicht in (Dr. Michael Bürsch [SPD]: Das ist jetzt aber der Lage sind, diesen Standard zu gewährleisten? Von ein weiter Weg vom Flughafen München bis der Technik bzw. dem Digitalfunk will ich in diesem Zu- zur Ostsee!) sammenhang gar nicht reden. Bis dahin aber, meine ich, ist es für die Sicherheitslage (Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Obwohl es der Bundesrepublik wichtiger, dass sich Bundesminister Thema ist!) Schily mit den täglichen Stärkemeldungen des BGS be- schäftigt und die erkannten Defizite dann durch entspre- Was den Bundesinnenminister angeht, bin ich etwas chende Personalzuweisungen korrigiert. anderer Auffassung als der Kollege Stadler. Ich will auch nicht schlechtreden, (Beifall bei der CDU/CSU) (Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Das geht ja Erst dann bringt er sein Reden und Handeln wieder in auch nicht!) etwa in Kongruenz. was der Kollege Kemper dargestellt hat. Ich will nur da- Danke schön. rauf hinweisen, dass sich der Bundesinnenminister aus (Beifall bei der CDU/CSU) unserer Sicht innerhalb der Bundesrepublik Deutschland langsam zu einem Problem entwickelt. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei Das Wort hat der Kollege Dr. Ludger Volmer, Bünd- der SPD) nis 90/Die Grünen. Nehmen wir nur den Umzug des BKA, bei dem in völlig (Zuruf von der CDU/CSU: Schleuser, Schlep- unprofessioneller Weise gehandelt worden ist und eine per, Bauernfänger!) der wichtigsten Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik über Wochen und Monate lahm gelegt wurde, Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Beifall bei der CDU/CSU – Frank Hofmann Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Anders [Volkach] [SPD]: Die arbeiten! – Michael als Herr Strobl gerade behauptet hat, hat sich das Parla- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8309

Dr. Ludger Volmer (A) ment sehr wohl mit den Vorgängen an der Botschaft in Frau aufopferungsvoll. Schließlich musste er aber aus- (C) Kiew, mit dem Schleuserprozess in Köln und mit der Vi- reisen, weil sein Visum abgelaufen war, und durfte nicht sumreform des Auswärtigen Amtes auseinander gesetzt. wieder einreisen. Ergebnis: Die todkranke Frau war Herr Strobl, wären Sie in der Fragestunde anwesend ge- ohne Pflege in ihrer Wohnung. So sah die Weisungslage wesen, hätten Sie eine Stunde lang dieses Thema verfol- von Kinkel und Kanther aus. Auch diese Entscheidung gen können und hätten Ihre völlig unsinnigen Behaup- haben wir überprüft. Ich habe wirklich Schwierigkeiten, tungen unterlassen; denn das Auswärtige Amt hat gerade im Zusammenhang mit diesen Fällen, von denen es noch alle unqualifizierten Anschuldigungen überzeugend zu- mehr gibt, den Begriff „Menschenrechtsverletzung“ zu rückgewiesen. vermeiden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dritter, ganz absurder Fall, der aber leider auch Reali- und bei der SPD) tät ist: Einer der besten russischen Violinisten war von Ich möchte die Gelegenheit nutzen, Ihnen zu den Münchner Symphonikern zu einem öffentlichen sagen – hören Sie gut zu! –, welches Motiv es für die Vi- Konzert eingeladen worden. Er kam zu spät, weil er sumreform des Auswärtigen Amtes gab. Als ich 1998 nicht rechtzeitig sein Visum erhalten hatte. Hier bestand Staatsminister im Auswärtigen Amt wurde, habe ich ei- also wirklich Reformbedarf. nen ganzen Stapel an Beschwerden, und zwar auch von Wir haben aber nur Reformen in dem Bereich vorge- Abgeordneten Ihrer Fraktion, nommen, für den ausschließlich das Auswärtige Amt zu- (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: ständig ist, nämlich bei den Besuchervisa. Hier haben Hört! Hört!) wir den Ermessensspielraum so geändert, dass solche gruseligen bzw. absurden Fälle nicht mehr vorgekom- die heute anwesend sind, vorgefunden, in denen darum men sind. Diese Visumreform war absolut überfällig. Sie gebeten wurde, bestimmte ablehnende Visumbescheide ist vom Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bun- noch einmal zu überprüfen, weil es hier zu unzulässigen destages einstimmig, also mit den Stimmen von CDU Härten gekommen sei. Die damalige Weisungslage war und CSU, gebilligt worden. von Innenminister Kanther und Außenminister Kinkel gebilligt worden. Ich möchte Ihnen an drei Einzelfällen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN deutlich machen, wie Sie entschieden haben. und bei der SPD) Erster Fall: Ein Mann aus Nordafrika, der einen Ge- Selbstverständlich gab es Anfragen des Innenministe- hirntumor hatte, wollte sich in Deutschland operieren riums. Das ist auch völlig in Ordnung; denn das Innen- lassen. Er hatte bereits einen Operateur an einer deut- ministerium muss ein und denselben Sachverhalt immer (B) schen Universitätsklinik gefunden. Er musste in Alge- aus einem anderen Blickwinkel betrachten als das Au- (D) rien einen Papierkrieg führen, um nachzuweisen, dass er ßenministerium. Die unterschiedlichen Sichtweisen die- rückkehrbereit ist und dass er seinen Aufenthalt in ser beiden Ministerien müssen immer wieder abgegli- Deutschland finanzieren kann. Obwohl er alle notwendi- chen werden. Wenn ein Haus eine Reform vornimmt, gen Unterlagen beigebracht hatte, wurde er wochenlang dann ist klar, dass man sich mit dem anderen Haus ins hin und her geschickt. Zum Schluss sollte er eine Garan- Benehmen setzt. Wir haben dies in gutem Einvernehmen tieerklärung des operierenden Chefarztes einer deut- getan. schen Universitätsklinik beibringen, dass die Gehirnope- Wir arbeiten an der Errichtung eines modernen ration auf keinen Fall den Betrag übersteigt, der ihm per Grenzmanagementsystems, das einen reibungslosen und Bürgschaft zugesichert worden ist. Da er eine solche Er- unbürokratischen internationalen Austausch, den wir aus klärung nicht beibringen konnte, bekam dieser Mann außenpolitischen, außenwirtschaftlichen, interkulturel- kein Visum. Er sollte also an seinem Gehirntumor ster- len und touristischen Gründen dringend brauchen, ben. So sah die Weisungslage von Kinkel und Kanther ermöglicht und das dafür sorgt, dass Menschenrechtsver- aus. Dies war unser Motiv, eine gründliche Reform des letzungen, wie sie vorher vorgekommen sind, unterlas- Visumwesens vorzunehmen, und zwar auf Drängen des sen werden. Auf der anderen Seite muss die Arbeit ef- Menschenrechtsausschusses des Deutschen Bundesta- fektiver werden, sodass die Schurken – also diejenigen, ges. die illegal einreisen wollen, oder diejenigen, die hier (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Straftaten begehen wollen – herausgefiltert werden. und bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/ CSU – [CDU/CSU]: Blöd- Um das Letzte zu gewährleisten, wäre es wirklich sinn! – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Was sinnvoll – auch das ist die Aufgabe und ist die Ver- haben Sie gemacht?) antwortung des Parlaments –, dass wir im jetzigen Haushaltsverfahren einen Beschluss fassen, den wir – Ich habe um Überprüfung gebeten. Der Mann hat seine schon einmal gefasst haben, nämlich dass die Personen- Operation bekommen. gruppe der Konsularbeamten von der linearen Stellen- kürzung im Bundeshaushalt ausgenommen wird. Die (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Und dann?) Visastellen sind unterbesetzt. Man ist auch baulich teil- Zweiter Fall: Eine deutsche Touristin verliebte sich in weise überhaupt nicht mehr in der Lage, den Ansturm Asien, lebte dort mit einem Asiaten zusammen, wurde zu bewältigen. Man brauchte zum Beispiel Geld dafür, schwer krank und musste nach Deutschland zurückkeh- um neue Liegenschaften kaufen zu können. Sie selbst ren. Der Asiate begleitete sie und pflegte die todkranke sind gefordert – Sie haben teilweise zu Recht einige 8310 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

Dr. Ludger Volmer (A) Fehlentwicklungen kritisiert –, im Haushaltsverfahren martialisch vor jede Kamera tritt und sagt: Ich werde je- (C) dafür zu sorgen, dass ein modernes Grenzmanagement- den Illegalen und jeden Kriminellen eigenhändig in system möglich wird und dass das Auswärtige Amt so- Handschellen in die Haftanstalten führen. In Wahrheit wie unsere Visastellen die notwendigen Mittel zur Verfü- kommt 1 Million nach Deutschland. Die Mehrzahl von gung haben. ihnen Danke. (Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: „Die Mehrzahl“? Sie sind ein fanati- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN scher Ausländerfeind!) und bei der SPD – Hartmut Koschyk [CDU/ CSU]: Ach, jetzt sind wir schuld!) – Herr Volmer, das wissen Sie genauso gut wie ich – sind bestenfalls Schwarzarbeiter und viele sind Kriminelle. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Frau Kollegin von den Grünen, viele von den Frauen Das Wort hat der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl, CDU/ sind zwangsweise nach Deutschland verschleppte Prosti- CSU-Fraktion. tuierte. Zurzeit gibt es einen ganz prominenten Fall, den Sie alle kennen. Es kamen Kriminelle, ja sogar Terroris- ten. Dennoch sagen Sie: Wo gehobelt wird, da fallen Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU): Späne; daran kann man nichts ändern. Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich zum Thema „Einreisen (Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: aufgrund von Kontrolllücken an deutschen Flughäfen“ Wer sagt das denn? Sie sagen das!) reden. Zum Ende seiner Rede hat der mittlerweile entlas- Sie sind mit dieser Politik – grinsen Sie nicht so, Herr sene Staatsminister Volmer Volmer! – ein Sicherheitsrisiko für Deutschland gewor- (Sebastian Edathy [SPD]: „Entlassene“?) den. Das wissen Sie ganz genau. das Beispiel mit den Münchner Symphonikern gebracht. (Beifall bei der CDU/CSU – Sebastian Edathy Dazu muss ich schon sagen: Das darf ja wohl nicht wahr [SPD]: Was bilden Sie sich eigentlich ein?) sein. Herr Volmer, wollen Sie uns allen Ernstes weisma- Das ist nun einmal das Credo grüner Einwanderungs- chen: Weil ein Musikant nicht rechtzeitig nach München politik. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die rot- gekommen ist, müssten wir die Visabestimmungen so grüne Regierungspolitik. erleichtern, dass 1 Million Ukrainer nach Deutschland kommen konnten? (Sebastian Edathy [SPD]: Sie sind Ideologe, Herr Kollege! Das ist sehr bedauerlich!) (B) (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und (D) der FDP – Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/ Sie sagen: Das Boot ist noch nicht voll. DIE GRÜNEN]: Das war nur ein Beispiel von (Widerspruch bei der SPD und dem BÜND- vielen Absurditäten! Ich könnte Ihnen noch NIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Hartmann zig weitere Beispiele nennen!) [Wackernheim] [SPD]: Nein, Herr Beckstein Sind Sie noch ganz bei Trost, Herr Volmer? Daran er- sagt das!) kennt man doch auch den Grund, meine lieben Kollegen Sie sagen: Im Zweifelsfall für die Reisefreiheit! Außer- von der SPD, für Ihre Betroffenheit und für die Art, wie dem sagen Sie – ich bitte Herrn Stadler, darauf nicht Sie dasitzen. Sie merken plötzlich, was dieser einwande- hereinzufallen – in dubio pro libertate. Sie benutzen eine rungspolitische Triebtäter angerichtet hat. solche Formulierung, obwohl Sie genau wissen, dass es (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – um organisierte Kriminalität, um miesesten, finstersten Widerspruch bei der SPD und dem BÜND- Menschenhandel, NIS 90/DIE GRÜNEN – Sebastian Edathy (Sebastian Edathy [SPD]: Das stimmt doch gar [SPD]: „Triebtäter“! Das möchte ich wieder- nicht!) holen! Das ist eine unglaubliche Beleidigung! Wollen Sie sich für diesen Begriff nicht ent- um international organisiertes Schleusertum geht. Es schuldigen? – Ute Kumpf [SPD]: Kein Wun- geht um eine Art von Kriminalität, mit der eine Person der, dass Sie bei so viel Intoleranz kein OB in am Tag – so hat es jemand im Schleuserprozess ausge- München geworden sind! – Michael Hartmann sagt – mindestens 15 000 Euro verdient. Herr Volmer, [Wackernheim] [SPD]: Demagoge!) Sie haben die Geschäftsgrundlage dafür geschaffen. Wissen Sie, was Sie sind? – Sie sind Mittäter bei dieser Das ist doch der Punkt, nicht wahr? Sie merken es plötz- Form von Kriminalität. lich: Es ist gut, dass er entlassen worden ist. Ein einwan- derungspolitischer Triebtäter, nichts anderes ist er! (Sebastian Edathy [SPD]: „Mittäter“ und „Trieb- täter“, jetzt wird es aber immer besser!) (Widerspruch bei der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Ludger Volmer Sie sind ein Mittäter im strafrechtlichen Sinne. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind ein Der Kölner Richter hat Recht – wir werden das Urteil fanatischer Ausländerfeind!) ja bald bekommen –: Nicht nur die Schleuser, sondern Herr Wiefelspütz, Sie werden an Ihren Taten gemes- auch so einer wie Ludger Volmer gehört auf die Ankla- sen. Da nützt es gar nichts, dass der Innenminister Schily gebank. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8311

Dr. Hans-Peter Uhl (A) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – (Beifall bei der CDU/CSU – Sebastian Edathy (C) Widerspruch bei der SPD und dem BÜND- [SPD]: Das ist ja nicht zu glauben! Ist der Be- NIS 90/DIE GRÜNEN – Sebastian Edathy griff „Triebtäter“ jetzt parlamentarisch gewor- [SPD]: Das ist ja unglaublich! Jetzt reicht es den? – Gegenruf von der CDU/CSU: Und der aber!) Begriff „Rechtsradikaler“? – Zuruf von der SPD: Auf einen groben Klotz gehört ein gro- Das alles werden wir auch noch erleben. ber Keil!) Sie werden auch in Brüssel erklären müssen, warum Sie für diesen rechtsbeugenden Erlass gesorgt haben. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (Sebastian Edathy [SPD]: Ungehörig, was Sie Das Wort hat der Kollege Michael Bürsch, SPD-Frak- da sagen!) tion.

– Hören Sie doch zu! Dr. Michael Bürsch (SPD): (Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Ih- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr nen zuhören? Schwer möglich! Nehmen Sie Uhl, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, haben Sie erst einmal den Schaum vom Mund!) Jura studiert. Wenn das so ist, dann braucht man Sie nur auf die einschlägigen Straftatbestände der üblen Nach- Wenn Sie Jura studiert haben, dann müssen Sie verste- rede und der Verleumdung hinzuweisen, um zu definie- hen, worüber ich jetzt rede. ren, was Sie mit dem Kollegen Volmer gemacht haben. In dem Erlass ist eine Beweislastumkehr vorgenom- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ men worden. Das ist contra legem. Das europäische DIE GRÜNEN) Recht sagt: Der Ausländer muss überzeugend darlegen, dass er wirklich als Tourist einreisen und als solcher in- Es ist schon beispiellos, wie Sie dieses Thema behandeln nerhalb von drei Monaten wieder ausreisen will. Was ha- und wie Sie Kollegen verunglimpfen, die das in sachli- ben Sie zynischerweise in den Volmer-Erlass hineinge- cher Form und mit einem Engagement, das man als Ab- schrieben? – Der Beamte in der Botschaft ist es, der geordneter haben darf, dargestellt haben. So viel Münch- beweisen soll, was er niemals beweisen kann, nämlich ner Beton haben wir im Innenausschuss zum Glück nicht dass der Ausländer innerhalb von drei Monaten nicht mehr. Dafür sind wir dankbar, Herr Uhl. wieder ausreist und in Wirklichkeit nicht als Tourist, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ sondern als Schwarzarbeiter nach Portugal, Deutschland DIE GRÜNEN – Hartmut Koschyk [CDU/ (B) oder Spanien einreisen will. Das haben Sie hineinge- CSU]: Na, na!) (D) schrieben. Das ist Zynismus. Vielleicht kann ich zur Versachlichung beitragen. Das (Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ist etwas, was in der Politik häufiger geschehen sollte. NEN]: Sie sind ein fanatischer Rechtsradika- Herr Uhl, Herr Strobl und andere, schauen wir doch ein- ler!) mal ins Gesetz! Die Kenntnis des Gesetzes und der Als die Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Kiew Grundlagen des Gesetzes erspart manche nicht so licht- gesagt haben: „Wir saufen ab; Auswärtiges Amt, gib uns vollen Ausführungen. Worüber reden wir? Herr Uhl, wir Personal, gib uns mehr Entscheider“, reden über das Schengener Abkommen. Dazu gibt es ein Durchführungsübereinkommen. Das ist vom 19. Juni (Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- 1990. In Art. 6 heißt es: NEN]: Sie reden wie Schönhuber!) Der grenzüberschreitende Verkehr an den Außen- haben Sie erwidert: Nein, das kriegen Sie nicht; wir wol- grenzen unterliegt der Kontrolle durch die zuständi- len ja nicht, dass so genau geprüft wird. Wir wollen gen Behörden. Diese wird nach einheitlichen nicht, dass am Münchner Flughafen so genau geprüft Grundsätzen, in nationaler Zuständigkeit … durch- wird; kein Personal für den BGS. Wir wollen nicht, dass geführt. … die Visaanträge so genau geprüft werden; kein Personal Alle Personen sind zumindest einer solchen Kon- für die Botschaft in Kiew. – Das ist Ihre Linie. Glauben trolle zu unterziehen, Sie ja nicht, dass die Menschen so blöd sind, das nicht zu erkennen! Sie werden an Ihren Taten gemessen. Herr (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Schily muss sich dafür rechtfertigen und sagen, warum Alle!) er diese Taten zugelassen hat die die Feststellung ihrer Identität anhand der vor- (Sebastian Edathy [SPD]: Das ist ja nicht zu gelegten oder vorgezeigten Reisepapiere ermög- glauben!) licht. und wie sich die Verschärfungen der Visabestimmungen (Zuruf von der CDU/CSU: Exakt!) nach den Terroranschlägen zu dem Treiben dieser Leute Dann heißt es allerdings – bitte weiterlesen! –: verhalten. Das ist die ganz große Frage. Wir werden keine Ruhe geben, bis das schonungslos aufgedeckt ist. Können solche Kontrollen wegen besonderer Um- Sie werden dann hoffentlich an unserer Seite sein und stände nicht durchgeführt werden, sind Schwer- nicht bei diesem Herrn Ludger Volmer. punkte zu setzen. 8312 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

Dr. Michael Bürsch (A) (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Ach, Sie unerlaubt eingereiste Personen festgestellt, von denen (C) rechtfertigen den Kontrollverzicht? – Weitere 30 000 eingeschleust waren. Diese Erfolgsdaten kann Zurufe von der CDU/CSU) sich der Bundesgrenzschutz auf die Fahne schreiben. Es ist also viel passiert und es werden auch weiterhin vom Das zum Beispiel ist möglich. Bundesgrenzschutz die Aufgaben wahrgenommen, die Weiter heißt es: er im Rahmen des Schengen-Abkommens wahrzuneh- men hat. Im Schengen-Abkommen wird eindeutig fest- Die Vertragsparteien verpflichten sich, geeignete gelegt, dass nicht auf Kontrollen verzichtet werden darf, Kräfte in ausreichender Zahl für die Durchführung sie aber unter bestimmten Umständen gelockert werden der Kontrollen und die Überwachung der Außen- dürfen. Nichts weiter verlangt das Schengen-Abkom- grenzen zur Verfügung zu stellen. men, und das wird gemacht. Das wäre Ihnen auch ohne (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Was heißt das diese Aktuelle Stunde bekannt gewesen. jetzt?) Ich weise noch auf einen anderen Aspekt hin, wo- Bitte schön! Was ist Faktum? Was hat das Innenmi- durch vielleicht das allzu kleine Karomuster, das Sie hier nisterium dazu bereits gesagt? Dazu bedurfte es keiner anlegen, überwunden werden kann: Von der UN-Gene- Aktuellen Stunde in diesem Hohen Hause. Was hat das ralversammlung wurde im Dezember 1998 die Ausarbei- Innenministerium dazu schon gesagt? Alles das können tung eines Übereinkommens gegen die grenzüberschrei- Sie nachlesen. Das ist über Internet und über die Dienste, tende organisierte Kriminalität in die Wege geleitet. Wir die auch Sie beziehen, verfügbar. alle sind der Meinung, dass etwas gegen Menschenhan- del, gegen Schleusung und gegen Schusswaffen getan Vom Innenministerium heißt es: Auf dem Münchner werden muss. All das wird in diesem Abkommen behan- Flughafen steht eine ausreichende Zahl von Beamten zur delt. Dieses Abkommen wird uns in Kürze zur Ratifizie- Verfügung, um den Reiseverkehr gemäß den Vorgaben rung vorgelegt werden. Dort ist, ähnlich wie beim des Schengener Abkommens zu kontrollieren. Überdies Schengen-Abkommen, niedergelegt, was wir internatio- wird am Flughafen München ein bedarfsorientiertes, fle- nal brauchen. Ich bitte Sie, das kleine Karomuster zu xibles Schichtmanagement praktiziert, um gerade auf überwinden, das man mit dem bloßen Auge kaum erken- Verkehrsspitzenzeiten reagieren zu können. nen kann, Ihren Blick auf die größere europäische und In der offiziellen Erklärung, die auch Sie kennen, internationale Ebene zu richten und gemeinsam mit uns heißt es dann noch: vorzugehen. (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Wir wussten Danke schön. (B) gar nicht, dass Sie der neue Sprecher des Bun- (D) desinnenministeriums sind!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zudem ist bei der Eröffnung des 2. Terminals am Münchner Flughafen im vergangenen Jahr das BGS-Per- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: sonal dort durch 300 Beamte verstärkt worden. Weiteres Unterstützungspersonal aus den BGS-Verbänden des Nächster Redner ist der Kollege Dr. Ole Schröder, Grenzschutzpräsidiums Süd wurde der Flughafendienst- CDU/CSU-Fraktion. stelle im Oktober 2003 zur Verstärkung zugeführt. Dr. Ole Schröder (CDU/CSU): (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sind Sie jetzt der Verleser von Pressemitteilungen?) Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um die Debatte zu versachlichen, Es ist alles geregelt. (Sebastian Edathy [SPD]: Das ist sehr gut! – Was zu diesem Einzelfall München zu sagen ist, ha- Weiterer Zuruf von der SPD: Mal was Neues ben Hans-Peter Kemper und Herr Hofmann gesagt. Es bei Ihnen!) ist ein Dienstvergehen vor Ort gewesen. Es ist nir- gendwo greifbar, dass es sich dabei um eine politische möchte ich festhalten: Wir sind uns darüber klar, dass In- Entscheidung handelte, die irgendwie nach Berlin weist. nenminister Schily die Verantwortung für die Sicherheit in unserem Land trägt. Da wollen wir uns doch einmal (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten anschauen, wie es mit der Umsetzung von praktischen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Maßnahmen für den effektiven Schutz unserer Bevölke- Der BGS, den Sie so wunderbar gelobt haben, macht rung aussieht. Aktuell reiht sich ein weiteres Defizit bei hervorragende Arbeit. Den menschlichen Faktor, Herr der Gewährleistung der inneren Sicherheit in die inzwi- Koschyk, gibt es überall, schen schon umfangreiche Mängelliste ein: (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Vielleicht (Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Seien Sie gibt es einen neuen Runderlass!) vorsichtig, Herr Schröder, was Sie sagen!) insbesondere, wenn so viele Beamte eine Rolle spielen. Am Münchner Flughafen fielen fast täglich Personen- Herr Kemper hat darauf hingewiesen – das kann man kontrollen bei der Einreise aus – das ist Fakt – und, Herr vielleicht für alle noch einmal sagen –: Der Bundes- Bürsch, die Kontrollen sind nicht Schengen-konform grenzschutz hat in den letzten vier Jahren über 100 000 durchgeführt worden. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8313

Dr. Ole Schröder (A) (Dr. Michael Bürsch [SPD]: In einem Einzelfall! Die Verlagerung soll 1 Milliarde Euro kosten. Diese (C) Das ist schon hinlänglich gesagt worden!) Milliarde fehlt bei der wichtigen Ausstattung unserer Polizeien und des Bundesgrenzschutzes. Die vorgeschriebene Trennung von EU-Bürgern und Passagieren aus Drittstaaten fand nicht statt. Ausweise (Beifall bei der CDU/CSU – Sebastian Edathy von möglichen Terroristen wurden nur flüchtig einer [SPD]: Abenteuerliche Argumentation! – Sichtkontrolle unterzogen. Welche Folgen haben diese Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Märchen- Versäumnisse? Unzählige Ausländer konnten unkontrol- stunde!) liert in unser Land kommen. Die Bundesrepublik ist in Europa Schlusslicht beim Auf- (Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Wie viele bau eines leistungsfähigen Digitalfunks. denn? 1 000, 10 000?) (Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Meine Darunter befinden sich möglicherweise Terroristen und Güte!) Kriminelle. Wie wollen Sie den Bürgerinnen und Bür- Der geplante Starttermin, 2006, ist – in Mautmanier – gern im Falle eines Anschlages erklären, dass das mög- nicht mehr zu halten. Der Kalif von Köln konnte nicht lich war? ausgewiesen werden und Terroristen wie Mzoudi wird es (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – in Deutschland viel zu leicht gemacht. Zuruf von der CDU/CSU: Zwei sind schon zu (Dr. Michael Bürsch [SPD]: Das hat alles der viel!) BGS zu verantworten, oder was?) Meine Damen und Herren, nicht nur die innenpoli- Auch der Bereich der Küstenwache gehört natürlich tischen Konsequenzen von Versäumnissen wie am zur inneren Sicherheit. Die Vorschläge, die das Bundes- Münchner Flughafen sind zu bedenken, auch die Außen- innenministerium hierzu gemacht hat, greifen viel zu wirkungen sind fatal. Wie können wir denn ernsthaft den kurz. neuen Mitgliedstaaten der EU höchste Schengener Si- (Ute Kumpf [SPD]: Wie haben Sie eigentlich cherheitsstandards abverlangen, wenn wir selbst sie Ihren Doktortitel erworben, Herr Kollege Ole noch nicht einmal einhalten? Schröder?) (Beifall bei der CDU/CSU) Das Schengener Abkommen wird von der Bundes- Wir bekommen so ein erhebliches Glaubwürdigkeitspro- regierung immer wieder bewusst verletzt. Die mangel- blem gegenüber unseren polnischen, slowakischen und haften Flughafenkontrollen am Münchner Flughafen ungarischen Freunden. sind nur ein Beispiel. Ein weiteres Beispiel ist der Skan- (B) dal um den Volmer-Erlass aus dem Auswärtigen Amt. (D) Eines ist klar: Die Verantwortung für diesen Vorfall trägt der Bundesinnenminister. (Sebastian Edathy [SPD]: Wo ist denn da der Skandal?) (Sebastian Edathy [SPD]: Wieso?) Die Einschleusung Tausender Illegaler wurde ermög- Der Bundesinnenminister hat es zugelassen, dass am licht; darunter sind natürlich auch Frauen, die hier in Flughafen München 60 von 300 notwendigen neuen Deutschland zur Prostitution gezwungen werden. Stellen nicht besetzt wurden. (Sebastian Edathy [SPD]: Waren Sie auch (Widerspruch bei der SPD) nicht bei der Fragestunde? – Weiterer Zuruf von der SPD: Der hat ja keine Ahnung!) Das sagt jedenfalls der Präsident von Eurocop, Herr Kiefer. Er bescheinigt, dass die mangelhaften Kontrollen Liebe Kolleginnen und Kollegen, Anspruch und in München auf Personalmangel zurückzuführen sind. Wirklichkeit müssen bei der Gewährleistung der inneren Sicherheit endlich zusammengebracht werden. (Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Es ist nor- males Geschäft der Gewerkschaften, sich da- (Beifall bei der CDU/CSU – Frank Hofmann rum zu kümmern!) [Volkach] [SPD]: Das sehen wir auch so! – Sebastian Edathy [SPD]: Vor allem bei der Es darf daher nicht wie bei der BKA-Katastrophe nach CDU/CSU!) Sündenböcken gesucht werden. Die Selbstdarstellung des Bundesinnenministeriums, (Zuruf von der SPD: Peinlich, peinlich!) nach der angeblich alle erforderlichen Maßnahmen mit Wir werden es nicht zulassen, dass der Bundesinnen- höchster Priorität umgesetzt werden, hat mit der Realität minister sich wie bei der Katastrophe um den BKA-Um- überhaupt nichts zu tun. zug aus der Verantwortung stiehlt. (Dr. Michael Bürsch [SPD]: Diese Rede auch nicht!) (Beifall bei der CDU/CSU) Die Bürger haben nichts davon, wenn bloß immer versi- Die Versäumnisse am Münchner Flughafen sind nicht chert wird, dass alles für die Sicherheit in Deutschland die einzigen. Die Reihe der Pannen und Fehler der Bun- getan werde. Innere Sicherheit wird mit Taten erreicht, desregierung wird gerade im Bereich der inneren nicht mit Sonntagsreden. Sicherheit immer länger. Der geplante Umzug war mit Blick auf die Arbeit des BKA und des BND ein Debakel. (Beifall bei der CDU/CSU) 8314 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

(A) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: eine großzügige Anerkennung von Asylbewerbern aus- (C) Herr Kollege, achten Sie bitte auf Ihre Redezeit. gesprochen hat. Wie der Bayerische Rundfunk am Montag berichtete, sagte Beckstein am Sonntag zum Dr. Ole Schröder (CDU/CSU): Auftakt der Misereor-Fastenaktion in Bamberg, er sei für Ich kann nur sagen: Herr Innenminister, übernehmen die Maxime, lieber einen zu viel anzuerkennen als einen Sie die Verantwortung für die Sicherheit unseres Landes, zu wenig. Er sagte weiter, es komme dabei nicht auf und achten wir als Parlamentarier gemeinsam darauf, 100 oder 1 000 an; das Boot sei nicht so voll, als dass dass die Kriterien des Schengener Abkommens endlich wirklich verfolgten Menschen in Deutschland nicht in ganz Deutschland eingehalten werden. mehr geholfen werden könnte. Ich hoffe, dass dieser Mi- nister nicht nur vor Kirchenkreisen so redet. (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Es gibt solche und solche Schröders!) (Beifall bei der SPD – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! Macht er leider! Er ist nämlich schein- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: heilig! – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Jeder Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär muss selbst wissen, was er sagt!) Fritz Rudolf Körper. Dieser Bundesinnenminister und diese Koalition wa- ren es, die in der Zeit nach dem 11. September sofort und Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- schnell die notwendige Sicherheitsgesetzgebung auf den desminister des Innern: Weg gebracht haben. Sie können sich einmal ein Bei- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren, insbe- spiel daran nehmen, wie schnell und konsequent politi- sondere meine Damen und Herren von der Opposition! sches Handeln sein kann. Sie können noch so viel reden und lamentieren: Otto Schily ist ein erfolgreicher Innenminister. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ich will jetzt auf den eigentlichen Punkt zu sprechen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – kommen. Dabei will ich gar nicht darum herumreden, Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das musste dass am Münchner Flughafen ein Fehler gemacht wor- jetzt mal gesagt werden! – Hartmut Koschyk den ist. Ich will diesen Fehler auch nicht beschönigen. [CDU/CSU]: Frau Stokar hat auch geklatscht!) Aber ich denke, dass bei genauerem Hinsehen ganz deutlich wird, dass dieser Fehler nicht aufgrund des Per- – Ich habe das wohlwollend registriert; ich war auch da- sonalmangels passierte – dieser Grund wird vorgescho- von überzeugt, dass ich überzeugend war. ben –, sondern dass es an den Problemen im Bereich der (B) (D) Innere Sicherheit „made in “ ist, glaube ich, Organisation und des Managements lag. Das ist so und für unser Land ein ganz wesentlicher Standortfaktor, den das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. wir der Innenpolitik und Otto Schily zu verdanken ha- All das, was Sie zur Personalsituation im Bereich des ben. BGS am Münchner Flughafen gesagt haben, ist nicht (Beifall bei der SPD) richtig. Wir hatten im Jahr 2003 ein Planstellensoll von 789 und haben einen Istzustand von 769. Sie wären froh Ich sage auch ganz deutlich und einfach: Deutschland ist gewesen, wenn Sie in Ihrer Regierungszeit solche Quo- eines der sichersten Länder dieser Welt und darauf kön- ten zwischen Ist und Soll erreicht hätten. nen wir stolz sein. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der SPD – Thomas Strobl [Heil- DIE GRÜNEN) bronn] [CDU/CSU]: Aber das soll auch so bleiben! – Zuruf von der SPD: Leider haben Sie wären auch froh gewesen, wenn es Ihnen bei- wir nicht die beste Opposition!) spielsweise gelungen wäre, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesgrenzschutzes im Hinblick auf Lieber Kollege Uhl, ich habe die herzliche Bitte, dass Beförderungen oder auf die Erweiterung des Personal- Sie die Möglichkeit ergreifen, einmal nachzulesen, was körpers das zu erreichen, was unter Otto Schily in den Sie heute hier an diesem Pult insbesondere gegenüber letzten fünf Jahren geschehen ist. dem Kollegen Volmer gesagt haben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Zuruf von der SPD: Er sollte sich entschul- DIE GRÜNEN) digen!) Es ist völlig klar, dass es bestimmte Verfahren und Vielleicht haben Sie dann die Größe, sich wenigstens bei Regularien gibt. Es ist auch völlig klar, dass es gewisse Herrn Volmer zu entschuldigen. Kriterien gibt, die nach dem Schengener Übereinkom- men einzuhalten sind. Es gibt den Bereich der so ge- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ nannten Kontrolllockerung, die nach dem Schengener DIE GRÜNEN – Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/ Durchführungsübereinkommen zulässig ist, wenn unver- CSU]: Eher weniger!) hältnismäßig lange Wartezeiten bei der grenzpolizei- Angesichts dessen, was aus Ihren Reihen zu dieser lichen Kontrolle abgebaut werden müssen. Das heißt Thematik gesagt wird, bin ich froh, dass es den bayeri- aber nicht, dass die Reisenden ohne Kontrollen durch die schen Innenminister Günther Beckstein gibt, der sich für Kontrollstellen gewunken werden. In jedem Fall ist die Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8315

Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper (A) Identitätsfeststellung anhand der vorgelegten Reisedoku- (Heiterkeit bei der SPD und dem BÜND- (C) mente vorzunehmen. NIS 90/DIE GRÜNEN) Was die Kontrollverzichte anbelangt, so ist zu sagen, Die Prüfgruppe des Bundesgrenzschutzes nimmt ihre dass sie nicht zu verantworten sind. Arbeit auf. Auch Bundesinnenminister Schily hat eine Gruppe eingesetzt, um beispielsweise die Informations- (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das heißt, abläufe und die Verantwortlichkeiten aufzuarbeiten und Herr Bürsch hat Unrecht!) zu ermitteln. Ich denke, das ist die angemessene Reak- Sie verstoßen gegen das Schengen-Regime und sind des- tionsweise in dieser Angelegenheit. halb unzulässig. Meine Damen und Herren, ich sage ganz offen: All (Zuruf von der CDU/CSU: Herr Bürsch hat et- Ihre Versuche, unsere innenpolitische Kompetenz nega- was anderes gesagt!) tiv zu beurteilen, werden nicht gelingen. Wir haben mit Ich versichere Ihnen, dass die Probleme an dieser Stelle diesem Bundesinnenminister Otto Schily erfolgreich ge- angegangen werden. arbeitet und werden das noch lange Zeit tun – so lange, dass es Ihnen nicht angenehm sein wird. Das garantiere Damit Sie nicht ein Horrorszenario aufbauen können, ich Ihnen jetzt schon. will ich Ihnen Folgendes sagen: Nach sorgfältiger Schät- zung blieben durch diese Kontrollverzichte – gemessen Schönen Dank für die Aufmerksamkeit. am kontrollpflichtigen Fluggastaufkommen – im Zeit- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ raum von August 2003 bis Januar 2004 von circa DIE GRÜNEN) 4,2 Millionen Reisenden etwa 0,04 Prozent kontroll- pflichtiger Personen aus Nicht-Schengen-Staaten bei der Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Einreise nach Deutschland und – hören Sie bitte zu! – 0,08 Prozent derartiger Personen bei der Ausreise aus Nächster Redner ist der Kollege Clemens Binninger, Deutschland unkontrolliert. CDU/CSU-Fraktion. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: (Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Gebt auf! Einer kann zu viel sein!) Die Aktuelle Stunde ist gescheitert! Ihr könnt aufgeben! – Sebastian Edathy [SPD]: Viel- Diese Zahlen sollen nichts entschuldigen. Sie sollen aber leicht einmal eine sachliche Rede! Das wäre überzogenen Vorstellungen vorbeugen. Deswegen habe eine Fortschritt! – Weiterer Zuruf von der ich sie genannt. SPD: Erzählen Sie mal, wie schön München (B) (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Da klatscht ist!) (D) niemand! – Beifall des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Clemens Binninger (CDU/CSU): – Herr Winkler, schönen Dank, dass Sie geklatscht ha- Frau Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und ben. Kollegen! Aufgefallen ist mir an den Redebeiträgen von Rot-Grün in der letzten Stunde, Personalknappheit kann nicht als Argument dienen; denn sie gab es am Münchner Flughafen nicht. Die Kol- (Zuruf von der SPD: Die gute Qualität!) leginnen und Kollegen haben vorhin schon einmal auf dass der Satz „Wir wollen Sicherheit für unsere Bevöl- die Situation im Bereich des Personals und auch auf die- kerung“ nicht einmal vorgekommen ist. Sie denken nur jenige Situation hingewiesen, die im Zusammenhang mit an sich selber, an Ihren Innenminister, an Selbstbeweih- dem Terminal 2 und dessen Eröffnung steht. Für diesen räucherung. Von Selbstkritik ist bei Ihnen keine Spur. Zweck wurde zusätzliches Personal in der Größenord- nung von 330 Personen eingesetzt. (Beifall bei der CDU/CSU – Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Der Kollege hat nicht zuge- Es wird immer wieder gefragt, was getan worden sei. hört!) Es gibt eine Anweisung des Inspekteurs des Bundes- grenzschutzes vom 14. Juni 2001, die Schengen-Krite- Die Kernaufgabe ist doch, an unseren Außengrenzen rien bei der Grenzkontrollarbeit einzuhalten und die or- oder, wenn wir solche nicht mehr haben, an unseren ganisatorischen Maßnahmen so zu treffen, dass diese Flughäfen alles zu tun, um Personen, die wir in unserem Kriterien erfüllt werden. Ich denke, das ist wichtig und Land nicht wollen, nicht hineinkommen zu lassen. – So macht deutlich, worum es geht. sinngemäß auch Otto Schily in der Fernsehsendung. Meine Damen und Herren, wir haben die personellen (Dr. Michael Bürsch [SPD]: Das haben alle Konsequenzen gezogen oder sind dabei, sie zu ziehen. Redner von Rot-Grün gesagt!) Der Bundesgrenzschutz muss sich damit beschäftigen Wenn wir feststellen, dass an einem Flughafen wie und das aufarbeiten. dem in München die Kontrollen offensichtlich über ei- (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Fünf Minuten nen langen Zeitraum nicht mehr stattgefunden haben, können aber lang sein!) dann müssen wir Ursachenforschung betreiben. – Ich habe zehn Minuten, lieber Herr Koschyk. Das un- (Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Das haben terscheidet uns. Das ist gut so und soll auch so bleiben. wir auch getan!) 8316 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

Clemens Binninger (A) Es ist meines Erachtens viel zu kurz gegriffen, zu sagen: ren, dass die Sicherheitslücken immer größer werden. (C) Der BGS war selber schuld; das war ein Management- Das, was Sie machen, hat schon Methode. fehler. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Dieter Herr Staatssekretär Körper, wenn Sie für eine Auf- Wiefelspütz [SPD]: Das ist unglaublich! – gabe nicht genügend Personal haben – die Aufgabe am Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Die Muni- Flughafen München ist neu –, dann können Sie organi- tion für das Thema der Aktuellen Stunde ist sieren, wie Sie wollen: Es wird nicht reichen. Genau das schon verbraucht!) war die Ursache für die fehlenden Kontrollen in Mün- chen: Es ist zu wenig Personal vorhanden. – Nein. Ich habe Ihnen gesagt, das hat Methode. Ich komme noch auf weitere Flughäfen zu sprechen. (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Was müssen denn die Leute tun, wenn sie nicht genügend (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Ein Rohr- Personal haben?) krepierer!) – Mehr Personal einsetzen. Das ist doch keine Frage. Ihre Politik ist für die Sicherheitslücken verantwort- lich. Sie gehen das alles mit großer Arroganz an. Uns ge- (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sie haben doch genüber können Sie sie an den Tag legen – das stört da unten nicht jede Menge Leute vor der Tür! mich nicht weiter –, aber nicht gegenüber der deutschen Das glauben Sie doch selber nicht, Herr Bevölkerung. Die Art und Weise, in der Sie die Themen Binninger!) Sicherheit an den Flughäfen und die Situation der Bot- – Vielen Dank, dass Sie so betroffen reagieren. Das schaft in Kiew angehen – hier haben Sie gesagt, es habe zeigt, dass ich ins Schwarze getroffen habe. keine Vorfälle gegeben, obwohl es aufgrund politischer Rahmenbedingungen zu Schleusungen in noch nie da (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Etwas mehr Niveau gewesenem Ausmaß gekommen ist –, zeigt, was für eine kann man hier doch wohl erwarten?) Einstellung Sie eigentlich zur Sicherheitspolitik in unse- Ich garantiere Ihnen: Der Flughafen in München wird rem Land haben. nicht der einzige Flughafen sein (Beifall bei der CDU/CSU) (Sebastian Edathy [SPD]: Doch, ist er!) Es wäre in der Tat besser, wenn der Innenminister et- – nein –, bei dem diese Probleme auftreten. Ich habe was weniger Showauftritte wahrnehmen würde, bei de- mich bei einem Flughafen umgehört. Der BGS ist dort nen er sich vor ein Biometrielesegerät am Flughafen zum Stillschweigen verpflichtet worden. Die Flughafen- stellt oder sich mit einem Ausweis mit biometrischen (B) betreiber selber sagen: Wir wundern uns manchmal, dass Merkmalen zeigt. Damit will er nur den Eindruck erwe- (D) bei gewissen Flügen nur ein Schalter besetzt ist, sodass cken, es gäbe bald solche Kontrollmethoden, obwohl wir durchgewunken werden muss. – Diese Geschichte wird noch sehr weit von ihrer Einführung entfernt sind. So nicht so schnell zu Ende sein. wird ein Nebelschleier über die Sicherheitslücken ge- legt. (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Was erwarten Sie von einem Vorgesetzten, wenn er mit sei- (Beifall bei der CDU/CSU) ner Arbeit nicht klarkommt?) Zu Otto Schily und seinen Showeinlagen kann ich nur Mir geht es darum, festzustellen: Wer trägt dafür die sagen: politische Verantwortung? Der Kollege Stadler – von der FDP ist im Moment niemand hier; es ist nicht so, dass (Zuruf von der SPD: Respekt, Junge!) ich das gerade heute bedauerte – Sonntagnacht wurde für gute Showeinlagen dem Film (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Die FDP ist „Der Herr der Ringe“ der Oscar verliehen, für seine In- überflüssig!) nenpolitik kann ich dem Minister nur den Titel „Der Herr der Sicherheitslöcher“ verleihen. hat vorhin gesagt: Wir brauchen nicht so viele Häupt- linge; wir brauchen mehr Indianer. Ich frage: Was ist das Vielen Dank. für ein Bundesinnenministerium, in dem es vier Staats- (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Dieter sekretäre und einen Minister gibt und das trotzdem nicht Wiefelspütz [SPD]: Helau!) funktioniert? Dort gibt es auch zu viele Häuptlinge. Sie brauchen daher die Schuld nicht bei der BGS-Führung abzuladen, auf keinen Fall. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Auch die fehlenden Kontrollen sind kein Einzelfall. Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Beim Luftsicherheitsgesetz unternehmen Sie ebenfalls Sebastian Edathy, SPD-Fraktion. den Versuch, immer mehr Aufgaben auf Subunterneh- men, also auf Private zu delegieren. Sebastian Edathy (SPD): (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Binninger, man kann dank- Sie ziehen sich auch dort immer mehr aus den eigentli- bar sein, dass nur relativ wenig Zuschauer auf der Besu- chen Sicherheitsaufgaben zurück und das wird dazu füh- chertribüne gewesen sind, Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8317

Sebastian Edathy (A) (Zuruf von der CDU/CSU: Das dient alles Deutschland pro Jahr gibt, dann tun wir als exportorien- (C) Ihrem Selbstschutz!) tiertes und weltoffenes Land gut daran, nicht zu unter- stellen, dass jeder dieser 3 Millionen Antragsteller ein als Sie Ihre Rede hielten; denn sie hätten den Eindruck potenzieller Krimineller oder Terrorist ist. gewinnen müssen, einer sehr seltsamen Veranstaltung beizuwohnen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sicherheits- politik macht für Sie keinen Sinn, das wissen Das ist doch aberwitzig! wir ja!) Es ist deutlich geworden, dass dort, wo es Probleme Ich habe mich zu Beginn der Aktuellen Stunde ge- gegeben hat, nämlich in der Ukraine, in der Botschaft in fragt, welchen Sinn sie hat; denn sie erschien mir sehr Kiew, gegen geltendes Recht gehandelt worden ist. Nun substanzlos. Mittlerweile sehe ich diese Vermutung völ- haben Sie den Versuch gemacht, einen Erlass aus dem lig bestätigt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Jahre 2000 damit in einen inhaltlichen Zusammenhang Union. Das, was Sie hier veranstalten, ist organisierter zu bringen. Diebstahl von parlamentarischer Arbeitszeit. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Herr (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Volmer hat ihn hergestellt!) DIE GRÜNEN – Clemens Binninger [CDU/ CSU]: Zum Thema, Herr Kollege!) Die beiden Dinge haben aber überhaupt nichts miteinan- der zu tun. Ganz im Gegenteil. Ich erlaube mir, auf den Titel der Aktuellen Stunde zurückzukommen. Er heißt: Haltung der Bundesregie- (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Warum hat rung zur Erleichterung von Einschleusungen und illega- denn dann Herr Volmer dazu gesprochen?) len Einreisen aufgrund von Kontrolllücken an deutschen Ich kann mich noch gut daran erinnern: Ich bin wie Flughäfen. Die Debatte hat gezeigt, wir sprechen über viele andere Kolleginnen und Kollegen 1998 in den einen konkreten Fall, wir sprechen über den Flughafen Bundestag gewählt worden. Ich komme aus einem Wahl- München und über sonst nichts. Sie haben darauf hinge- kreis, wiesen, dass nach Ihrer Mutmaßung das ursächliche Pro- blem ein Personalmangel ist. Ich will Ihnen dazu ein (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Thema! Wo paar Zahlen nennen, weil es vielleicht hilft, etwas dazu- Sie herkommen, spielt keine Rolle!) zulernen. in dem es eine Kooperation eines Landkreises mit demo- (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Ver- kratischen Organisationen aus Weißrussland gibt. Bevor (B) (D) schweigen und vernebeln!) Herr Volmer ins Amt gekommen ist, musste jeder Teil- nehmer einer Reisegruppe aus der Region Witebsk, meh- Ich möchte die Flughäfen Frankfurt, Stuttgart und rere hundert Kilometer von Minsk, der Hauptstadt von München vergleichen und dabei die Zahl der jährlichen Weißrussland, entfernt, die einreisen wollte, persönlich Einreisen zu der Zahl der eingesetzten BGS-Beamten in in der deutschen Botschaft vorstellig werden, obwohl Relation setzen. In Frankfurt ist die Relation ein Beam- auch durch einen Datenabgleich festgestellt werden ter zu 16 000 Einreisen, in Stuttgart ein Beamter zu konnte, dass sie untadelig sind und einreisen können. 10 200 Einreisen und in München ein Beamter zu 10 400 Dieser bürokratische Unsinn ist mit dem Volmer-Erlass Einreisen. Offenbar hat es die Probleme, die in München überwunden worden. zu verzeichnen waren, in Stuttgart und Frankfurt nicht gegeben. Herr Uhl, ich hätte mir gewünscht, es wäre hier bean- standet worden: Einem Kollegen des Deutschen Bundes- ( [CDU/CSU]: Doch!) tages zu unterstellen, er sei ein Triebtäter, ist unter aller – Das kann dann ja wohl nicht an einem Personalmangel Sau, um das ganz deutlich zu sagen. gelegen haben, sondern eindeutig an einem Fehlmanage- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ment. Das ist mehr als deutlich geworden. Sie haben also DIE GRÜNEN – Thomas Strobl [Heilbronn] versucht, einen Popanz aufzubauen, der völlig unange- [CDU/CSU]: So viel zum Thema Manieren!) messen ist. Der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Fragen Sie Körper hat darauf hingewiesen, dass die Grenzschutz- die Polizeigewerkschaften!) präsidien mit einem Rundschreiben des Inspekteurs des Darüber hinaus haben einige der Rednerinnen und Bundesgrenzschutzes vom 14. Juni 2001 darauf hinge- Redner der Union den Versuch unternommen, sach- wiesen worden sind, dass bei den Kontrollen die Maßga- fremde Inhalte in die Debatte hineinzubringen, die mit ben des Schengen-Abkommens unbedingt einzuhalten dem Thema der Aktuellen Stunde überhaupt nichts zu sind. Insofern sind vor Ort am Münchner Flughafen Feh- tun haben. ler gemacht worden. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Warum war Herr Volmer!) denn?) Lassen Sie mich etwas Grundsätzliches sagen: Wenn Herr Kollege Koschyk, ich kann mir aber nicht wir feststellen, dass es 3 Millionen Visaanträge für vorstellen, dass Sie beispielsweise den bayerischen 8318 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

Sebastian Edathy (A) Innenminister dafür verantwortlich machen würden, tik zu machen und zu kritisieren, wo nichts zu kritisieren (C) wenn in einer einzelnen Polizeidienststelle einmal ein ist. Fehler gemacht würde. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Innenpolitik (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Der Flug- zum Abgewöhnen!) hafen in München ist einer der größten Flug- In diesem Sinne lassen Sie uns gleich in unsere Büros häfen in Deutschland!) gehen und unsere Arbeitszeit sinnvoller verbringen als Das machen Sie aber hier auf Bundesebene und das ist mit überflüssigen Aktuellen Stunden wie der von Ihnen völlig daneben. beantragten. Vielen Dank. Lassen Sie mich abschließend bemerken: (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Gott sei DIE GRÜNEN – Hartmut Koschyk [CDU/ Dank!) CSU]: Ihnen zuzuhören war wirklich überflüs- sig!) (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert) Es ist schlimm genug, liebe Kolleginnen und Kollegen Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: von der CDU, dass Sie die Frage der Besetzung des Am- Wir sind damit ganz offensichtlich am Ende der Aktu- tes des Bundespräsidenten zu einer Frage der Parteipoli- elle Stunde. Bedauerlicherweise sind weitere Redner tik gemacht haben. nicht gemeldet, die ich natürlich mit Vergnügen aufgeru- fen hätte. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Was kommt denn jetzt? Welch eine Qualität! – Weitere Zu- Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages- rufe von der CDU/CSU) ordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, 9.30 Uhr, ein. Sie sollten aber hier, wo wir miteinander diskutieren, zu- Die Sitzung ist geschlossen. mindest davon Abstand nehmen, die Frage der Innenpo- litik in Deutschland zu einer reinen Frage der Parteipoli- (Schluss 16.57 Uhr)

(B) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8319

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C) Anlage 1

Liste der entschuldigten Abgeordneten Nachtragshaushaltsgesetz 2003 (92. Sitzung, Zusatztagesordnungspunkt 7 b)

entschuldigt bis In der Abstimmungsliste ist mein Name nicht aufge- Abgeordnete(r) einschließlich führt. Mein Votum lautet Ja.

Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 03.03.2004 Marieluise DIE GRÜNEN Anlage 4 Erklärung Connemann, Gitta CDU/CSU 03.03.2004 der Abgeordneten Ursula Mogg (SPD) zur Ab- Deligöz, Ekin BÜNDNIS 90/ 03.03.2004 stimmung über den Antrag auf Zurückweisung DIE GRÜNEN des Einspruchs des Bundesrates gegen das Nachtragshaushaltsgesetz 2003 (92. Sitzung, Flach, Ulrike FDP 03.03.2004 Zusatztagesordnungspunkt 7 b) Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 03.03.2004 In der Abstimmungsliste ist mein Name nicht aufge- Hartnagel, Anke SPD 03.03.2004 führt. Mein Votum lautet Ja. Höfer, Gerd SPD 03.03.2004* Anlage 5 Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/ 03.03.2004 DIE GRÜNEN Antwort des Staatssekretärs Dr. Hansjörg Geiger auf die Fragen Kramme, Anette SPD 03.03.2004 der Abgeordneten Tanja Gönner (CDU/CSU) (Druck- Dr. Küster, Uwe SPD 03.03.2004 sache 15/2564, Fragen 1 und 2): Wie gedenkt die Bundesregierung den Beschluss des Bun- Lanzinger, Barbara CDU/CSU 03.03.2004 desgerichtshofes vom 25. Februar 2004 zur Mindestvergütung für Insolvenzverwalter umzusetzen? Lehder, Christine SPD 03.03.2004 (B) Wann wird die Bundesregierung einen entsprechenden (D) Gesetzentwurf vorlegen, und welchen Inhalt wird er haben? Röspel, René SPD 03.03.2004 Ich gehe davon aus, dass in den Fragen die beiden Be- Rupprecht (Weiden), CDU/CSU 03.03.2004 schlüsse des Bundesgerichtshofs vom 15. Januar 2004 Albert angesprochen sind, in denen der Bundesgerichtshof Mindestvergütung für den Insolvenzverwalter und für Welt, Jochen SPD 03.03.2004 den Treuhänder in masselosen Verfahren entschieden hat. * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- Mit dem Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung sammlung der NATO und anderer Gesetze vom 26. Oktober 2001 wurden aus sozialpolitischen Überlegungen die Grundlagen geschaf- fen, damit auch völlig mittellose Schuldner ein Insol- Anlage 2 venzverfahren durchlaufen können, um in den Genuss einer Restschuldbefreiung zu gelangen. Dies bedeutet Erklärung aber, dass zunächst die Staatskasse für die Vergütung des des Abgeordneten Ernst Bahr (Neuruppin) Insolvenzverwalters im Regelinsolvenzverfahren und (SPD) zur Abstimmung über den Antrag: Got- des Treuhänders im Verbraucherinsolvenzverfahren auf- tesbezug im europäischen Verfassungsvertrag zukommen hat und somit diese Kosten zulasten der Jus- (82. Sitzung, Tagesordnungspunkt 3 b) tizhaushalte der Länder gehen. In der Abstimmungsliste ist mein Name nicht aufge- Die Höhe der Vergütung bemisst sich nach der Insol- führt. Mein Votum lautet Nein. venzrechtlichen Vergütungsverordnung (InsVV). So ist für das Regelinsolvenzverfahren in § 2 Abs. 2 InsVV eine Mindestvergütung von 500 Euro vorgesehen. Für das vereinfachte Insolvenzverfahren schreibt § 13 Abs. 1 Anlage 3 InsVV eine Mindestvergütung von 250 Euro vor. Die Erklärung Höhe dieser Vergütung wurde vom BGH in den ge- nannten Entscheidungen als nicht zureichend kritisiert des Abgeordneten Marco Bülow (SPD) zur Ab- und insofern ein Verstoß gegen Artikel 12 Abs. 1 GG stimmung über den Antrag auf Zurückweisung angenommen. Gleichzeitig sieht der Bundesgerichtshof des Einspruchs des Bundesrates gegen das den Verordnungsgeber als verpflichtet an, bis zum 8320 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

(A) 1. Oktober 2004 eine verfassungskonforme Neuregelung nannten Gastländern und Bedienstete der dortigen Visa- (C) mit Rückwirkung zum 1. Januar 2004 zu treffen. stellen nicht länger zumutbar. Vor dem Hintergrund, dass bereits in der Vergangen- heit mehrere Gerichte von den genannten Vergütungs- sätzen für masselose Verfahren abgewichen sind und Anlage 7 deutlich höhere Vergütungen gewährt haben, hat das Antwort Bundesministerium der Justiz bereits im November let- zen Jahres das Gespräch mit den Ländern gesucht, um des Staatsministers Hans Martin Bury auf die Frage des für eine maßvolle Erhöhung der Vergütung zu werben. Abgeordneten Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) (Druck- Dieser Meinungsfindungsprozess ist innerhalb der Län- sache 15/2564, Frage 6): der noch nicht abgeschlossen. Ich möchte Sie deshalb Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die um Verständnis bitten, dass ich noch keine Einzelheiten Entwicklung der Menschenrechtslage in Tschetschenien seit zur notwendigen Erhöhung der Vergütung nennen kann. der Abschaffung des Amtes des Menschenrechtsbeauftragten Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass das Bundes- für Tschetschenien, und inwieweit unterstützt die Bundes- regierung tschetschenische beziehungsweise russische Men- ministerium der Justiz als Verordnungsgeber die vom schenrechtler und Menschenrechtsorganisationen, die sich für Bundesgerichtshof genannte Frist zur Anpassung der die Menschenrechte in Tschetschenien einsetzen (DIE WELT Vergütung einhalten wird. vom 23. Januar 2004)? Die Menschenrechtslage in Tschetschenien gibt An- lass zur Sorge. Das Auswärtige Amt hat hierüber mehr- Anlage 6 fach im Menschenrechtsausschuss des Bundestages be- Antwort richtet, zuletzt ausführlich am 5. November 2003. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über eine des Staatsministers Hans Martin Bury auf die Fragen des Veränderung der Menschenrechtslage in Zusammenhang Abgeordneten Dr. Ole Schröder (CDU/CSU) (Druck- mit der Abschaffung des Amtes des Menschenrechts- sache 15/2564, Fragen 4 und 5): sonderbeauftragten am 20. Januar vor. Dies mag auch Wie viele Visa werden in Deutschland pro Tag in der deut- damit zusammenhängen, dass der Einfluss des Amtes schen Vertretung in Pristina (Kosovo) ausgestellt? eher beschränkt war. Generell hat sich, nach Angaben Was ist der Hintergrund dafür, dort eine Visa-Stelle einzu- der Menschenrechtsorganisation Memorial, die Men- richten? schenrechtslage in Tschetschenien in letzter Zeit eher verschlechtert. Zwar gingen flächendeckende Säuberun- Zu Frage 4: gen zurück, die Zahl der Verschwundenen sei aber nicht (B) (D) Die Visastelle in Pristina hat seit Eröffnung im Fe- gesunken. Laut der Vorsitzenden der Menschenrechts- bruar 2003 bis 31. Dezember 2003 23 198 Visaanträge kommission beim Präsidenten, Ella Pamfilowa, habe bearbeitet; davon 20 644 Visa erteilt. Dies entspricht ei- sich das Verhalten russischer Truppen gebessert, Über- nem Durchschnitt von 108 Visa pro Arbeitstag. In der griffe würden strenger geahndet, dafür stiege jedoch die Visastelle arbeiten derzeit drei Entscheider und sieben Zahl der Übergriffe durch die Leibwache des tschetsche- Ortskräfte. nischen Präsidenten Kadyrow. Die Bundesregierung be- obachtet die Menschenrechtslage in Tschetschenien und Zu Frage 5: von Tschetschenen in anderen Landesteilen Russlands aufmerksam und steht dazu in ständigem Kontakt mit Die Entscheidung, eine Visastelle in Pristina zu eröff- russischen und internationalen Nichtregierungsorganisa- nen, hat rechtliche, politische und wirtschaftliche tionen wie etwa Memorial. Vom 23. bis 27. Februar be- Gründe: Die Sicherheitsratsresolution 1244 vom 10. Juni suchte die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregie- 1999 verpflichtet die Vereinten Nationen, im Kosovo rung, , Inguschetien und Moskau. Sie eine funktionierende, autonome Zivilverwaltung zu machte sich ein Bild von der Menschenrechtslage in schaffen. In dem Maße, wie diese Aufgabe erfüllt wird, Flüchtlingslagern in Inguschetien und traf mit vor Ort tä- sind auch die Anforderungen an das Deutsche Verbin- tigen Menschenrechtlern und Vertretern internationaler dungsbüro im Kosovo gestiegen, was die Ermöglichung Nichtregierungsorganisationen und VN-Agenturen zu- politischer, wirtschaftlicher und persönlicher Kontakte sammen. Im Auswärtigen Amt findet zudem regelmäßig umfasst. Deutschland beheimatet neben der Schweiz ein Informationsaustausch mit Vertretern russischer und eine große Gruppe von Auslands-Kosovo-Albanern; die internationaler Menschenrechtsorganisationen statt, zu- VN-Übergangsverwaltung im Kosovo, UNMIK, stellt letzt am 17. Februar 2004. Reisedokumente für Angehörige des Kosovo aus. Eine Visaantragstellung in Belgrad ist für Inhaber von Die Bundesregierung spricht ihre Sorge über die UNMIK-Pässen bzw. im Kosovo wohnhaften Personen Menschenrechtslage in Tschetschenien regelmäßig in albanischer Volkszugehörigkeit nicht zumutbar; vor Öff- der gebotenen Deutlichkeit an, zuletzt hat dies Bundes- nung der Visastelle mussten die Antragsteller Anträge minister Fischer am 12. Februar in Moskau gegenüber bei den Visastellen in Skopje (Mazedonien) oder Tirana Präsident Putin und Außenminister Iwanow getan. Die (Albanien) einreichen; dies war mit beschwerlicher An- Bundesregierung fördert Projekte von Nichtregierungs- reise und großem Andrang auf die genannten Visastellen organisationen zur Unterstützung der Menschenrechtsar- in Albanien und Mazedonien verbunden und auf Dauer beit in Tschetschenien. Im Vordergrund stehen dabei für Antragsteller sowohl aus dem Kosovo als aus den ge- Vorhaben zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit und ins- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8321

(A) besondere zur strafrechtlichen Aufarbeitung von Men- Aussicht gestellt, basierend auf einem zwischen Frank- (C) schenrechtsverletzungen. Die Bundesregierung steht vor reich, Belgien und Deutschland abgestimmten Konzept dem Abschluss der Prüfung mehrerer Projektanträge rus- der mitwirkenden Forschungseinrichtungen LETI (La- sischer Nichtregierungsorganisationen, die 2004 geför- boratoire d’Electronique, de Technologie et d’Instru- dert werden könnten. Hinzu kommen Projekte humanitä- mentation), IMEC (Interuniversity Micro Electronics rer Hilfe im Nordkaukasus (2003: 1,8 Milliarden Euro). Center) und FhG (Fraunhofer Gesellschaft zur Förde- Die Bundesregierung unterstützt die Aktivitäten interna- rung der angewandten Forschung e.V). Zur Realisierung tionaler Organisationen zur Verbesserung der Menschen- wurden Gespräche mit der Industrie, FhG und der säch- rechtslage in Tschetschenien. Sie begrüßt die Verhand- sischen Landesregierung geführt. Das vorgeschlagene lungsbemühungen des OSZE-Vorsitzes Bulgarien mit Finanzierungsmodell sieht Invest-Beihilfen, EFRE-Mit- Russland über die Durchführung entsprechender Pro- tel (Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung) und jekte in Tschetschenien. Landesmittel vor. Die FhG hat einen eigenen Beitrag zu- gesagt. Kurzfristig soll ein Memorandum of Understan- ding abgestimmt werden. Anlage 8 Zur weiteren Ausgestaltung dieser und weiterer FuE- Vorhaben, die in die Wachstumsinitiative aufgenommen Antwort werden könnten, wurde die Europäische Investitions- der Staatsministerin Kerstin Müller auf die Frage des bank zu einer für Mitte März geplanten Informationsver- Abgeordneten Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) anstaltung ins BMBF eingeladen. Die Bundesregierung (Drucksache 15/2564, Frage 13): engagiert sich stark für die Realisierung des europäi- Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die von der Eu- schen Satellitennavigationssystems Galileo. Sie hat das ropäischen Kommission bei unveränderter Fortführung der Projekt nicht nur maßgeblich auf europäischer Ebene mit Subventionspolitik prognostizierten Kosten eines Beitritts der initiiert, sondern unterstützt die Arbeit in den zuständi- Türkei von 20 Milliarden Euro für die Europäische Union pro gen Gremien nachhaltig. Die Bundesregierung hat für Jahr und einem entsprechenden Anteil von 5 Milliarden Euro die Entwicklung des Vorhabens insgesamt über 100 Mil- pro Jahr für Deutschland korrekt sind (vergleiche Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29. November 2002)? lionen Euro bereit gestellt und erreicht, dass die deutsche Raumfahrtindustrie führend an der Entwicklung von Ga- Die Kosten eines Beitritts der Türkei zur EU lassen lileo beteiligt ist. sich heute nicht seriös beziffern. Aus diesem Grund hat auch die Europäische Kommission bislang keine derar- tigen Prognosen abgegeben. Die Kosten hängen im We- (B) sentlichen von drei zum Teil nicht vorhersagbaren Fak- Anlage 10 (D) toren ab: von der weiteren Wirtschaftsentwicklung der EU wie auch der Türkei; vom Ergebnis künftiger Bei- Antwort trittsverhandlungen, insbesondere vom Tempo der Ein- der Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf die beziehung in EU-Politiken; vom zukünftig geltenden Fragen des Abgeordneten Roland Gewalt (CDU/CSU) Acquis, insbesondere der dann geltenden Gemeinsamen (Drucksache 15/2564, Fragen 19 und 20): Agrar- sowie der Strukturpolitik. Trifft die Pressemeldung zu (Frankfurter Rundschau vom 29. Januar 2004), wonach Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit, die zusammen mit dem Zoll Schwarzarbeit verfolgen Anlage 9 sollen, zunächst aufwendige Gesundheits- und Sicherheits- prüfungen durchlaufen, die so organisiert sind, dass weder in Antwort diesem noch im nächsten Jahr alle Mitarbeiter geprüft und einsatzfähig sein werden? der Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf die Wie soll das Ziel der Bundesregierung, organisierte Krimi- Frage des Abgeordneten Michael Kretschmer (CDU/ nalität intensiver zu bekämpfen, erreicht werden, wenn der CSU) (Drucksache 15/2564, Frage 17): Entwurf eines Gesetzes zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuerhin- Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung bis- terziehung nicht vorsieht, dass Ermittlungsergebnisse der lang unternommen, um die im Sofortmaßnahmenprogramm Zollverwaltung zu typischen „Begleit“-Straftaten in diesem zur europäischen Wachstumsinitiative genannten Projekte Bereich, wie etwa Menschenraub, Geldwäsche, Urkundenfäl- – im Sinne der Erzielung der Lissabon-Vereinbarung unter be- schung etc., an die Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften sonderer Berücksichtigung der Bereiche Galileo und Nano- weitergeleitet werden dürfen (§ 6 i. V. m. § 2 Abs. 1 des oben elektronik – von nationaler Seite zu unterstützen? genannten Gesetzentwurfs)? Die Bundesregierung hat dem Generalsekretariat des Rates eine Reihe von Projekten gemeldet, die sie für Zu Frage 19: wachstumsfördernd und von grenzüberschreitendem europäischem Interesse hält. Diese sind auch in nennens- Im Rahmen der Bündelung der Zuständigkeit für die wertem Umfang in das Sofortmaßnahmenprogramm der Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäf- Kommission einbezogen worden. Zu diesen Projekten tigung bei der Zollverwaltung sind durch das Dritte Ge- gehören auch Galileo und Nanoelektronik. setz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt rund 2 600 Beschäftigte der Arbeitsmarktinspektionen der Die Europäische Union hat die Förderung einer euro- Bundesanstalt für Arbeit zum 1. Januar 2004 in die Zoll- päischen Forschungsplattform „Nanoelektonics 2020“ in verwaltung übergeleitet worden. 8322 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

(A) Die Beschäftigten können aufgrund ihrer umfangrei- Anlage 11 (C) chen Erfahrungen und Kenntnisse die bisher wahrgenom- Antwort menen Tätigkeiten – Prüfungen und Ermittlungen ohne vollzugspolizeiliche Aufgaben – auch weiterhin in der der Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf die Zollverwaltung wahrnehmen. Sie sind einsatzfähig. Für Frage des Abgeordneten Albert Rupprecht (Weiden) die Zollverwaltung steht die Bekämpfung krimineller ge- (CDU/CSU) (Drucksache 15/2564, Frage 21): werblicher Strukturen im Bereich der Schwarzarbeit im Wie schätzt die Bundesregierung den Einfluss der unter- Vordergrund. Diese Ausrichtung bringt es zwangsläufig schiedlichen effektiven Unternehmensspitzenbesteuerung in mit sich, dass die Bediensteten mit gewaltbereiten Täter- Deutschland, Tschechien und der Slowakei in den Jahren 2004 und 2006 in Bezug auf mögliche steuerbelastungsmoti- gruppen konfrontiert werden. Um den Belangen der vierte Verlagerungen von Unternehmen in diese Länder ein? Eigensicherung gerecht zu werden, sollen deshalb die bisherigen Beschäftigten der BA eine Gesundheitsunter- Eine wissenschaftlich-exakte Einschätzung, welche suchung zur Außendiensttauglichkeit durch den arbeits- Auswirkungen Unterschiede in der Unternehmenssteuer- medizinischen Dienst und einen zweiwöchigen Lehrgang belastung auf die Standortentscheidungen von Unterneh- „Einführung in die vereinfachte Eigensicherung, verein- men haben, ist nicht möglich. Repräsentative Unterneh- fachtes Einsatztraining, Waffenlose Selbstverteidigung mensbefragungen – wie sie beispielsweise das und Einsatztechniken in vereinfachter Form und Einfüh- Fraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovations- forschung regelmäßig durchführt – zeigen aber, dass die rung in das Vollzugsrecht“ absolvieren. Unternehmenssteuerbelastung nicht zu den wichtigsten Bis Ende Juni werden voraussichtlich alle Betroffe- Beweggründen für die Auslandsansiedlung von Unter- nen untersucht sein und am Eigensicherungslehrgang nehmen zählt. teilgenommen haben. Um keine Prüflücken entstehen zu lassen, erstreckt sich die gesamte Schulungsmaßnahme über einen Zeitraum von mehreren Monaten. Eine Ei- Anlage 12 gensicherungsschulung vor Einsatz im Außenbereich Antwort – wie ursprünglich vorgesehen (siehe Artikel in der Frankfurter Rundschau) – konnte wegen der Kürze der des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Frage des Vorbereitungszeit nicht erfolgen. Die neuen Beschäftig- Abgeordneten Ernst Hinsken (CDU/CSU) (Drucksache ten müssen allerdings weitergebildet werden, wenn sie 15/2564, Frage 23): Polizeivollzugsaufgaben oder sonstige spezielle Aufga- Wird die Bundesregierung, um katastrophale wirtschaftli- ben, wie die Sicherung von Daten auf Computern, che Schwierigkeiten abzuwenden, auf die EU-Kommission (B) einwirken, eine Ausweitung der so genannte Entsenderichtli- (D) Vermögensabschöpfung usw. übernehmen sollen. Auch nie auf das Busgewerbe durch die bevorstehende EU-Ost- die hierfür erforderlichen Fortbildungen werden über ei- erweiterung im Grenzland noch zu erreichen, oder welche an- nen längeren Zeitraum durchgeführt. Damit bleibt die deren Schritte prüft sie, um dem Busgewerbe zu helfen? Funktionsfähigkeit des Arbeitsbereichs sichergestellt. Die EU-Entsender Richtlinie erlaubt es den Mitglied- Auf Bitten von Kollegen Prof. Dr. hat staaten schon jetzt, in ihren nationalen Entsenderegelun- das BMF am 17. Februar 2004 einen Sachstandsbericht gen bezüglich tarifvertraglicher Arbeitsbedingungen zum Stand der Bündelung der Zuständigkeiten für die auch andere Branchen als die Bauwirtschaft einzubezie- Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäfti- hen. Eine Änderung der Entsenderichtlinie wäre daher gung bei der Zollverwaltung, der auch auf diese Fragen gemeinschaftsrechtlich nicht erforderlich. Eine Ausdeh- eingeht, an den Finanzausschuss des Deutschen Bundes- nung des bestehenden deutschen Arbeitnehmer-Entsen- tages übersandt. degesetzes würde allerdings wegen der Strukturen des Busgewerbes keine nennenswerte Hilfestellung zuguns- Zu Frage 20: ten der deutschen Busunternehmen leisten können: Denn die beiden wesentlichen Voraussetzungen für eine effizi- Es ist nicht richtig, dass die Behörden der Zollverwal- ente Anwendung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes tung die Ermittlungsergebnisse zu „Begleit“-Straftaten wären im Busgewerbe nach meiner Einschätzung nicht nach dem genannten Gesetzentwurf nicht an die zustän- erfüllbar: Zum einen ist die Tariflandschaft im Busge- digen Strafverfolgungsbehörden weiterleiten dürfen. werbe zu sehr zersplittert. Es kann daher nicht davon Nach § 6 Abs. 1 des Gesetzentwurfs übermitteln die Be- ausgegangen werden, dass in dieser Branche der erfor- hörden der Zollverwaltung den Strafverfolgungsbehör- derliche bundesweite Mindestlohntarifvertrag oder eine den die erforderlichen Informationen für die Verfolgung vergleichbare Lösung mit einem sinnvoll austarierten von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, die in unmit- Mindestlohn zustande käme. Zum anderen wäre ein sol- telbarem Zusammenhang mit einem der in § 2 Abs. 1 des cher Tarifvertrag, selbst wenn er geschlossen würde, we- Entwurfs genannten Prüfgegenstände stehen. Dazu kön- gen des mobilen Einsatzes der Busfahrer kaum kontrol- nen auch Straftaten wie Geldwäsche und Urkundenfäl- lierbar. schung gehören. Ermittlungsergebnisse, die nicht im un- Im Bereich anderer wettbewerbsrelevanter Arbeitsbe- mittelbaren Zusammenhang mit einem der in § 2 Abs. 1 dingungen, wie zum Beispiel bei den Lenk- und Ruhe- des Gesetzentwurfs genannten Prüfgegenstände stehen, zeiten, bestehen bereits jetzt einschlägige EU-Normen, leiten die Behörden der Zollverwaltung nach wie vor auf die mit dem Beitritt auch für die neuen Mitgliedstaaten Grundlage des § 163 StPO der Staatsanwaltschaft zu. verbindlich sein werden. Eine Kontrolle dieser Arbeits- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8323

(A) bedingungen wird über das vorgeschriebene EG-Kon- Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, (C) trollgerät ermöglicht. Auch für eine Prüfung des techni- dass bei solchen Ausschreibungen der Auftragnehmer Hono- rarkräfte einsetzt und im Rahmen der Maßnahmen abrechnet, schen Zustands der eingesetzten Fahrzeuge steht der die zugleich als Ich-AG durch das Arbeitsamt gefördert wer- erforderliche Rechtsrahmen mit der Verordnung über den, und wenn ja, in welchen konkreten Fällen? technische Kontrollen von Nutzfahrzeugen auf der Straße vom 21. März 2003 zur Verfügung. Zu Frage 25: Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse dazu vor. Die Bundesagentur für Arbeit ist bei der Beauftra- Anlage 13 gung von Trägern mit Trainingsmaßnahmen an das Ver- Antwort gaberecht gebunden. Die Allgemeinen Vertragsbedin- gungen für die Ausführung von Leistungen (VOL/B) des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Frage der sind dabei Bestandteil jedes Vertrages. Sie schreiben Abgeordneten Dr. Elke Leonhard (SPD) (Drucksache verbindlich vor, dass der Auftragnehmer die Leistungen 15/2564, Frage 24): grundsätzlich im eigenen Unternehmen durchführt. Welche Belastungen entstanden dem Bundeshaushalt durch das nicht zustande gekommene TV-Sat 1-Vorhaben in Zu Frage 26: dem Zeitraum 1983 bis 1989? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor. Das TV-Sat l-Vorhaben (Direktrundfunksatellit) war Die BA hat durch das Ausschreibungsverfahren Kennt- ein Vorhaben des Forschungsministers. Vorgesehen war, nisse über das zahlenmäßige Verhältnis von fest ange- dass die damalige Deutsche Bundespost den Betrieb des stellten Lehrkräften zu Honorarkräften, erfasst diese Satelliten übernehmen sollte. Bau und Start des Satelli- aber nicht. ten wurden im Wesentlichen aus Forschungsmitteln des Bundeshaushalts und die notwendigen technischen Ein- richtungen am Boden aus dem Sondervermögen Deut- Anlage 15 sche Bundespost finanziert. In der Kürze der Zeit durch- geführte Nachforschungen des BMBF ergaben folgendes Antwort Bild: Die Akten zum Projekt TV-Sat lagern bereits im Archiv; daher war keine Akteneinsicht möglich, sondern des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Fragen des lediglich eine Abfrage der Datenbank „profi“, die die Abgeordneten Karl-Josef Laumann (CDU/CSU) vom BMBF geförderten Projekte enthält. Bei dieser (Drucksache 15/2564, Fragen 27 und 28): Suche ergaben sich für den Zeitraum 1978 bis 1990 Wie bewertet der Bundesminister für Wirtschaft und Ar- beit, Wolfgang Clement, die Kostenentwicklung beim Virtuel- (D) (B) 26 Vorhaben mit einem Gesamtfördervolumen von len Arbeitsmarkt insgesamt? 230 889 679,98 Euro, die nach der jeweiligen Vorha- Gibt es aus Sicht der Bundesregierung eine Kostenober- bensbeschreibung mit großer Wahrscheinlichkeit dem grenze, ab der das Projekt endgültig eingestellt werden sollte? Projekt „TV-Sat“ zuzuordnen sind. Auf die in der Frage explizit erwähnten Jahre 1983 bis 1989 entfiel davon ein Zu Frage 27: Betrag von 113 415 272,10 Euro. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Ferner findet sich im Bundesbericht Forschung 1988 begrüßt grundsätzlich die Einführung des Virtuellen (Teil III, Seite 132, 4. Absatz) folgender Hinweis: „Aus Arbeitsmarktes. Die Frage nach Einschätzung der Kos- dem Sondervermögen der Deutschen Bundespost sind tenentwicklung werden zurzeit vom Vorstand der Bun- zusätzlich für den Rundfunksatelliten TV-SAT folgende desagentur für Arbeit geprüft. Das zuständige Kontroll- Mittel anzusetzen: 1984 bis 1987 ca. 80 Mio. DM für gremium, der Verwaltungsrat, hat um Bericht bis zum terrestrische Einrichtungen. Und 1984 bis 1987 rund 5. März 2004 gebeten. Erst dann wird über das weitere 140 Mio. DM für das Raumsegment.“ Ein vergleichbarer Verfahren entschieden werden können. Hinweis findet sich im Bundesbericht Forschung 1984; die Zahlen lauten dort: „1982 bis 1984 ca. 40 Mio. DM Zu Frage 28: für terrestrische Einrichtungen, 1984 und 1985 je 70 Mio. DM für das Raumsegment“. Es ist im Rahmen des genehmigten Haushalts Auf- gabe des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit, über Zweckmäßigkeit und Angemessenheit des Virtuellen Ar- Anlage 14 beitsmarktes zu entscheiden. Antwort Anlage 16 des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Fragen der Abgeordneten Gitta Connemann (CDU/CSU) (Druck- Antwort sache 15/2564, Fragen 25 und 26): des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Fragen des Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, Abgeordneten Dr. Hermann Kues (CDU/CSU) (Druck- dass bei Ausschreibungsverfahren der Bundesagentur für Ar- beit zu Trainingsmaßnahmen gemäß § 48 Drittes Buch Sozial- sache 15/2564, Fragen 29 und 30): gesetzbuch (SGB III) der Auftragnehmer die Maßnahme gar Ist das Projekt „Virtueller Arbeitsmarkt“ gescheitert, und nicht selbst durchführt, sondern komplett an ein Subunterneh- wenn ja, was unternimmt die Bundesregierung, die in Ansatz men vergibt, und wenn ja, in welchen konkreten Fällen? gebrachten Mittel sicherzustellen? 8324 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

(A) Inwiefern stellt sich für die Bundesregierung die Frage des Die BA hat in ihrer Pressemitteilung Nr. 28 vom (C) Schadensersatzes? 11. Februar 2004 eine Kostenexplosion beim VAM be- stritten, gleichwohl aber darauf hingewiesen, dass sie Zu Frage 29: Erweiterungswünsche mit einem Volumen von zirka Nein. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat die erste 22 Millionen Euro prüft. In der Presseinformation vom Stufe des Projektes „Virtueller Arbeitsmarkt“, die den 25. Februar 2004 teilte die BA mit, dass eine Risikoana- Kunden der BA über das Internet zugänglich ist, wie ge- lyse des Projektes erhebliche Risiken bei Kosten und plant zum 1. Dezember 2003 eingeführt. Der Vorstand Funktionsfähigkeit des VAM ergeben habe, die zu einem der BA hat derzeit die zweite Stufe des Projektes, die in Anstieg der Gesamtkosten auf zirka 165 Millionen Euro erster Linie die Arbeitsabläufe der Bediensteten der BA führen könnten. Die BA hat daraufhin die geplanten Er- betrifft, ausgesetzt, da insbesondere zu prüfen ist, ob im weiterungsstufen des VAM verschoben und die Innenre- Zusammenhang mit zusätzlichen Anforderungen an das vision mit der Prüfung des gesamten Projekts beauftragt. Projekt und der damit verbundenen Kostenentwicklung Das Präsidium des Verwaltungsrates der BA hat den Aufträge neu ausgeschrieben werden müssen. Vorstand der BA am 25. März 2004 aufgefordert, die Kostenentwicklung des Projektes Virtueller Arbeits- Zu Frage 30: markt aufzuklären und den Verwaltungsrat hierüber bis zum 5. März 2004 umfassend zu informieren. Wie in der Antwort auf Ihre erste Frage deutlich wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht von einem Scheitern Zu Frage 32: des Projektes gesprochen werden. Durch den vom Vor- stand der Bundesagentur für Arbeit ausgesprochenen Der in der Frage angesprochene Korruptionsvorwurf Stopp der zweiten Stufe des Projektes wird sich die da- ist im Rahmen der Dienstaufsicht zu prüfen. Die Dienst- mit angestrebte und wünschenswerte Optimierung des aufsicht über die Beschäftigten der Bundesagentur für Vermittlungsprozesses verschieben. Zurzeit arbeitet die Arbeit wird gemäß § 387 Abs. 2 Drittes Buch Sozialge- BA daran, die Grundprobleme zu analysieren und mögli- setzbuch vom Vorstand ausgeübt. che Handlungsalternativen darzustellen.

Anlage 18 Anlage 17 Antwort Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerald Thalheim auf die Fragen des Abgeordneten Albert Deß (CDU/CSU) (B) des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Fragen des (D) (Drucksache 15/2564, Fragen 33 und 34): Abgeordneten Hartmut Schauerte (CDU/CSU) (Drucksache 15/2564, Fragen 31 und 32): Trifft ein Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 5. Februar 2004 zu, wonach EU-Kommissar Franz Welche Erkenntnisse lagen dem Bundesminister für Wirt- Fischler in einem Brief an die Bundesministerin für Verbrau- schaft und Arbeit, Wolfgang Clement, hinsichtlich der Kos- cherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast, tenentwicklung beim Virtuellen Arbeitsmarkt wann vor, vor und an die anderen EU-Regierungen davor gewarnt hat, die dem Hintergrund, dass der Abteilungsleiter aus dem Bundes- Beschlüsse der EU-Agrarreform vom 26. Juni 2003 zur Um- ministerium für Wirtschaft und Arbeit, Bernd Buchheit, nicht verteilung zwischen den Regionen und zwischen den Land- nur als Vertreter der Bundesregierung im Verwaltungsrat der wirten zu missbrauchen? Bundesagentur für Arbeit (BA), sondern auch in dessen Präsi- Legt dieser Brief zwingend nahe, den Gesetzentwurf der dium vertreten ist? Bundesregierung zur Umsetzung der Reform der Gemeinsa- Welche Erkenntnisse liegen dem Bundesminister für Wirt- men Agrarpolitik (Bundesratsdrucksache 80/04 vom 30. Ja- schaft und Arbeit, Wolfgang Clement, hinsichtlich des aus der nuar 2004) dahin gehend zu ändern, dass für Deutschland der BA angedeuteten Vorwurfs der Korruption vor (vergleiche Regelfall der Betriebsprämienregelung nach Artikel 58 Abs. 1 Süddeutsche Zeitung vom 27. Februar 2004), und was wird der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. Sep- der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Wolfgang Cle- tember 2003 (ABl. EG Nr. L 270/1) gewählt wird, und wenn ment, dagegen unternehmen? nein, welche hinreichenden Begründungen und objektiven Kriterien nach Artikel 59 Abs. 1 und Artikel 63 Abs. 3 der oben genannten Verordnung kann die Bundesregierung für ihr Zu Frage 31: Modell der regionalen und betrieblichen Umverteilung in ih- Herrn Bundesminister Wolfgang Clement lagen die rem oben genannten Gesetzentwurf anführen? gleichen Erkenntnisse vor, die auch den Mitgliedern des Zu Frage 33: Verwaltungsrats der Bundesagentur für Arbeit (BA) vor- lagen. Zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung betrug EU-Kommissar Fischler hat ein gleich lautendes das Auftragsvolumen für den Virtuellen Arbeitsmarkt Schreiben an die zuständigen Ministerinnen und Minis- (VAM) 65,5 Millionen Euro inklusive Mehrwertsteuer. ter aller Mitgliedstaaten geschickt. Vor dem Hinter- Der Verwaltungsrat der BA wurde durch eine Vorlage grund, dass derzeit in den Mitgliedstaaten über die Um- des Vorstands der BA vom 18. Dezember 2003 sowohl setzung der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik über das ursprüngliche Auftragsvolumen des VAM in beraten wird, nimmt er grundsätzlich zu dem neuen Sys- Höhe von 65,5 Millionen Euro als auch über die Erhö- tem der Direktzahlungen Stellung und erläutert die In- hung des Auftragsvolumens auf knapp 77 Millionen tention des von der EU-Kommission vorgeschlagenen Euro aufgrund erhöhter technischer Anforderungen der Standardmodells der Entkopplung. Er erkennt dabei aus- BA informiert. drücklich an, dass in Übereinstimmung mit Artikel 59 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8325

(A) der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 von dem Standard- werden. Um zu große Umverteilungen zu vermeiden, (C) modell in hinreichend begründeten Fällen abgewichen soll ebenso im Rahmen der Verteilung des Prämienvolu- werden kann und die Mitgliedstaaten den Gesamtbetrag mens auf die Regionen nur ein Teil der historisch be- der festgelegten regionalen Obergrenze nach objektiven dingten Unterschiede zwischen den Regionen (bezogen Kriterien ganz oder teilweise auf alle Betriebsinhaber auf das durchschnittliche Prämienvolumen je Hektar) aufteilen können, deren Betriebe in der betreffenden Re- ausgeglichen werden, die bisher aufgrund unterschiedli- gion gelegen sind. Die Entscheidung des Mitgliedstaates cher Produktionsstrukturen und Referenzerträge bei den sowohl für eine volle Regionalisierung als auch für ein Ackerkulturen bestehen. Bei Umsetzung eines Kombi- Kombinationsmodell müsse in voller Transparenz und in nationsmodells ergeben sich grundsätzlich für jeden Be- Übereinstimmung mit dieser Regelung erfolgen. trieb sehr unterschiedliche Werte je Einheit für die Zah- lungsansprüche. Diese sollen dann schrittweise zu regional einheitlichen Werten je Zahlungsanspruch an- Zu Frage 34: geglichen werden. Nach Auffassung der Bundesregierung ist es nicht er- Die Umsetzung der Betriebsprämienregelung in der forderlich, den Gesetzentwurf zur Durchführung der ein- vorgeschlagenen Form soll auch deswegen erfolgen, um heitlichen Betriebsprämie dahin gehend zu ändern, dass von Beginn an eine möglichst gleich hohe Zahl von für Deutschland der Regelfall der Betriebsprämienrege- Zahlungsansprüchen und begünstigungsfähiger Fläche lung zur Anwendung kommt. Für die Wahl des im zu erreichen. Damit wird das Ziel verfolgt, ein möglichst Gesetzentwurf zur Durchführung der einheitlichen Be- ausgewogenes Verhältnis auf den Märkten für Zahlungs- triebsprämie gewählten Kombinationsmodells sind ins- ansprüche und landwirtschaftliche Flächen zu erreichen besondere nachfolgende Gründe ausschlaggebend. und abrupte Änderungen oder Brüche auf den Pacht- Durch die Einführung der Betriebsprämienregelung und Bodenmärkten zu vermeiden. Die Eckpunkte dieses (Entkopplung) sind die einbezogenen Direktzahlungen Kombinationsmodells, die im Gesetzentwurf ihren Nie- nicht mehr an eine bestimmte Produktion gebunden. derschlag gefunden haben, sind auch ausführlich mit den Alle Betriebsinhaber unterliegen insoweit künftig von Dienststellen der Kommission erörtert worden und dabei der Produktionsseite her den gleichen Markt- und Wett- auf keine Bedenken gestoßen. bewerbsbedingungen. Für alle Betriebsinhaber, die Di- rektzahlungen erhalten, gelten zudem einheitlich für alle landwirtschaftlich genutzten Flächen die Vorschriften Anlage 19 zur Einhaltung von Standards in den Bereichen Umwelt, Tierschutz und Nahrungsmittelsicherheit sowie zur Er- Antwort (B) haltung der Flächen in gutem landwirtschaftlichen und (D) ökologischen Zustand. Die Direktzahlungen sind inso- des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerald Thalheim auf die weit immer weniger ein Preisausgleich, sondern zuneh- Fragen des Abgeordneten Werner Lensing (CDU/CSU) mend eine allgemeine Einkommensstützung, die auch (Drucksache 15/2564, Fragen 35 und 36): den vielfältigen Gemeinwohlleistungen der Landwirt- Wie wurde die nationale Höchstgrenze zur Gewährung schaft Rechnung trägt. Dieser geänderten Zielsetzung von Sonderprämien für männliche Rinder von 1 536 113 Tie- der Direktzahlungen, den einheitlichen Anforderungen ren für die Jahre 2002 und 2003 errechnet? an ihre Gewährung und dem Ziel einheitlicher Wettbe- Wie viele männliche Rinder mit Anspruch auf die Sonder- werbsbedingungen tragen ein einheitlich hoher Zah- prämie wurden von den einzelnen Bundesländern an das Bun- desmisterium für Verbraucherschutz, Ernährung und Land- lungsanspruch und damit eine einheitliche hektarbezo- wirtschaft für die Jahre 2003 und 2003 gemeldet? gene Einkommensstützung angemessen Rechnung. Daher soll in Deutschland ein Regionalmodell zur An- Zu Frage 35: wendung kommen. Im Zuge der BSE-Krise ist der für Deutschland vorge- Die Umsetzung der Entkopplung über ein reines Sys- sehene Prämienplafond für die Sonderprämie für männ- tem gleich hoher flächenbezogener Zahlungsansprüche liche Rinder im Juni 2001 durch den EU-Ministerrat für bereits zu Beginn der Neuregelung würde jedoch zu ei- die Jahre 2002 und 2003 auf 1 536 113 Tiere vorüberge- ner abrupten Umverteilung von Prämienvolumen zwi- hend abgesenkt worden. Bei der Berechnung wurden schen den Betriebsinhabern fuhren. Dies würde die An- hierbei die tatsächlich geförderten Prämien in den Jahren passungsfähigkeit vieler Betriebe mit teilweise erheblich 1997 bis 2000 berücksichtigt. über dem Durchschnitt liegenden Prämienzahlungen je Hektar bewirtschafteter Fläche überfordern und die Ge- Zu Frage 36: fahr struktureller Brüche beinhalten. Deswegen soll von der Option Gebrauch gemacht werden, die Betriebsprä- Im Rahmen des föderalen Staatsaufbaues sind die mienregelung über ein Kombinationsmodell umzuset- Bundesländer für die Durchführung der EU-Vorschriften zen, in dem bei der Festsetzung der Zahlungsansprüche über die Gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch bzw. der zugrunde liegenden Referenzbeträge für be- und damit auch für die Rinderprämien zuständig. Die stimmte Prämienanteile die Vorschriften des Standard- Einzeldaten der Bundesländer können daher aus Grün- modells (das heißt Orientierung an den gewährten Zah- den des Vertrauensschutzes seitens der Bundesregierung lungen in einem Bezugszeitraum) zugrunde gelegt nicht veröffentlicht werden. 8326 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

(A) Anlage 20 setzlichen Rentenversicherung erbracht wird. Jegliche (C) medizinische Rehabilitation ist grundsätzlich Bestandteil Antwort der gesamten medizinischen Versorgung. Eine ausdrück- der Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf die liche Definition der medizinischen Rehabilitation oder Fragen des Abgeordneten Dietrich Austermann (CDU/ Frührehabilitation ist weder im Fünften und Sechsten CSU) (Drucksache 15/2564, Fragen 37 und 38): noch im Neunten Buch Sozialgesetzbuch enthalten. Be- schrieben werden demzufolge nur Leistungen nach ihren Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass neben von Zahntechnikern gefertigten Klammern und Teleskop-Kronen Zielen und Inhalten entsprechend dem erforderlichen auch „Geschiebe“ als Halteelemente für Zahnersatz nach dem faktischen Versorgungsgeschehen. Der Gesetzgeber hat Einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistun- durch die Einbeziehung der Frührehabilitationsmaßnah- gen (BEMA) mit den Krankenkassen abgerechnet werden men in die allgemeine Krankenhausleistung (§ 39 Abs. 1 können? Satz 3 SGB V) deutlich gemacht, dass auch Frührehabi- Nach welcher Definition grenzt die Bundesregierung die litationsanteile Krankenhausleistungen sind, die unter Kostenträgerschaft für akute Krankenhausbehandlung (Kran- Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Kranken- kenkasse) der Rehabilitation (Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) ab? hauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krank- heit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Zu Frage 37: Versorgung des Patienten notwendig sind. Sie sind im Rahmen der für die jeweilige Akutbehandlung erforder- Nach den zum 1. Januar 2004 in Kraft getretenen lichen Verweildauer zulasten der Gesetzlichen Kranken- Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses für versicherung zu erbringen. Entsprechend ist es der Ge- eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche setzlichen Rentenversicherung untersagt, Leistungen zur vertragszahnärztliche Versorgung mit Zahnersatz und medizinischen Rehabilitation in der Phase akuter Be- Zahnkronen können Geschiebe gemäß Nummer 29 Satz 4 handlungsbedürftigkeit einer Krankheit zu erbringen, es „… bei einem Lückenschluss durch eine geteilte Brücke sei denn, die Behandlungsbedürftigkeit tritt während der bei disparallelen Pfeilerzähnen“ für eine bedarfsgerechte Ausführung von Leistungen zur medizinischen Rehabili- und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten ange- tation ein. Zugleich hat der Gesetzgeber ausgeschlossen, zeigt sein. Die Abrechenbarkeit dieser Maßnahmen hat dass die Rentenversicherung Leistungen zur medizini- die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung mit den schen Rehabilitation anstelle einer sonst erforderlichen Spitzenverbänden der Krankenkassen gemäß § 87 Fünf- Krankenhausbehandlung erbringt (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 tes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) im Einheitlichen SGB VI). Im Übrigen erfordert die Erbringung von Leis- Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen ver- tungen zur medizinischen Rehabilitation durch einen einbart. Der geltende Einheitliche Bewertungsmaßstab Träger der Gesetzlichen Rentenversicherung insbeson- (B) für zahnärztliche Leistungen sieht bei Verwendung die- dere Rehabilitationsbedürftigkeit und Rehabilitationsfä- (D) ser Verbindungselemente eine Abrechenbarkeit durch higkeit. Beides unterliegt ausschließlich der medizini- die Ziffer 91 e) vor. Vor diesem Hintergrund dürfte es schen Beurteilung im Einzelfall. über die Abrechenbarkeit dieser Leistungen in der Praxis keine unterschiedlichen Auffassungen geben. Durch die aufgrund der gesetzlichen Vorgaben zur Modernisierung der Richtlinien und Neubewertung des Einheitlichen Be- Anlage 21 wertungsmaßstabs für zahnärztliche Leistungen zum Antwort 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Neuregelungen der gemeinsamen Selbstverwaltung gehören Geschiebe al- der Parl. Staatssekretärin Angelika Mertens auf die Fra- lerdings nur in den genannten Fällen, also bei geteilten gen der Abgeordneten Dr. Maria Flachsbarth (CDU/ Brücken mit disparallelen Pfeilerzähnen, zur vertrags- CSU) (Drucksache 15/2564, Fragen 41 und 42): zahnärztlichen Leistung. Geschiebe bei anderen Indika- Wie hoch schätzt die Bundesregierung nach Kündigung tionen sowie andere Verbindungselemente wie Stege, der Verträge mit dem Toll-Collect-Konsortium die Gesamt- Riegel, Anker und dergleichen gehören – mit Ausnahme verluste für Spediteure durch den Nutzungsausfall von Last- kraftwagen ein, die infolge des bis zu einen Tag dauernden der Indikationen nach § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V – aus Einbaus der On-Board-Unit-Maut-Zahlgeräte (OBU), der Gründen von Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versor- häufigen Reparaturaufenthalte sowie des nunmehr notwendi- gung nicht mehr zur vertragszahnärztlichen Versorgung. gen Ausbaus dieser Geräte entstehen? In diesen Fällen gibt es Behandlungsalternativen, die Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit einer weiterhin zur vertragszahnärztlichen Versorgung gehö- diesbezüglichen Sammelklage der deutschen Spediteure ge- ren. gen die Bundesregierung?

Zu Frage 38: Zu Frage 41: Die Frage zielt offenbar ab auf eine definitorische Ab- Die Bundesregierung kann keine Aussage dazu tref- grenzung der gebotenen Frührehabilitation, die – zulas- fen, wie hoch die Gesamtverluste für Spediteure durch ten der Gesetzlichen Krankenversicherung – von der den Nutzungsausfall von Lastkraftwagen infolge des akutstationären Krankenhausbehandlung umfasst ist, Einbaus und eventuell Austausches von Fahrzeuggeräten von der medizinischen Rehabilitation im Übrigen, die sind. Der Einbau einer On-Board-Unit (OBU) dauert in gegebenenfalls im Anschluss an die Krankenhausbe- der Regel zwischen zwei und vier Stunden. Wie hoch der handlung insbesondere auch von den Trägern der Ge- dabei entstehende Nutzungsausfall ist, kann nicht ein- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8327

(A) deutig ermittelt werden, da dieser zwischen den Spedi- ihre Sachkunde in die Arbeit des Osteuropazentrums (C) tionen und Fahrzeugen differiert. Zu berücksichtigen ist einbringen. ferner, dass viele Werkstätten die OBU’s auch an Wo- chenenden einbauen. An Sonntagen unterfallen die meisten LKWs dem Sonntagsfahrverbot, sodass dann Anlage 23 keine Nutzungsausfälle entstehen. Antwort Zu Frage 42: der Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke auf die Frage des Abgeordneten Ernst Hinsken (CDU/CSU) (Drucksache Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass eine 15/2564, Frage 44): Klage gegen die Bundesregierung keine Aussicht auf Er- folg haben wird. Maßgeblich für die Kostentragung auch Treffen Informationen zu, wonach das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen einen Gesetzentwurf der den Spediteuren entstehenden Kosten sind die Rege- erarbeitet, der für die Benutzung deutscher Wasserstraßen lungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der durch Sportboote eine Maut (Sportboot-Vignette) vorsieht? Toll Collect GmbH. Danach hat der Benutzer alle Kos- ten zu tragen, die im Zusammenhang mit dem Ein- oder Der Bundesrechnungshof hat in seinen Prüfungs- Ausbau des Fahrzeuggerätes oder für Arbeiten am Fahr- bemerkungen 2000 den niedrigen Kostendeckungsgrad zeuggerät, bei Kennzeichenwechsel sowie für andere in der Freizeitschifffahrt gerügt und eine höhere Kosten- vom Benutzer im Verhältnis zum Servicepartner veran- beteiligung angeregt. Der Rechnungsprüfungsausschuss lasste Arbeiten entstehen. Ausgenommen sind die Kos- hat in seiner Sitzung am 10. Dezember 2003 einver- ten, die durch von Toll Collect zu erbringende oder ver- nehmlich das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und anlasste Wartungs- und Pflegearbeiten am Fahrzeuggerät Wohnungswesen aufgefordert, aufgrund der Prüfungs- bemerkungen des Bundesrechnungshofes nunmehr ohne sowie betriebsnotwendige Anpassungsarbeiten der weitere Verzögerungen: eine Rechtsgrundlage für die Er- Hard- oder Software des Fahrzeuggerätes entstehen und hebung von Schifffahrtsabgaben zu schaffen, die Rea- ihre Ursache im Verantwortungsbereich von Toll Collect lisierung einer Vignettenlösung für Sportfahrzeuge zu haben. Die Spediteure haben sich somit zur Klärung von betreiben und über das Erreichte bis zum 1. Oktober Schadensersatzansprüchen an die Firma Toll Collect zu 2004 zu berichten. Derzeit wird ein Gesetz erarbeitet, wenden. das eine Ermächtigungsgrundlage zur Einführung einer Vignette im Bereich der Freizeitschifffahrt enthält.

(B) Anlage 22 (D) Anlage 24 Antwort Antwort der Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke auf die Frage des Abgeordneten Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) (Drucksa- der Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke auf die Fragen der che 15/2564, Frage 43): Abgeordneten Renate Blank (CDU/CSU) (Drucksache Inwieweit bezieht die Bundesregierung den Bund der Ver- 15/2564, Fragen 45 und 46): triebenen und die Landsmannschaften der deutschen Heimat- Ist die Bundesregierung bereit, nachdem der bayerische vertriebenen in die geplante Errichtung eines Osteuropazen- Wirtschafts- und Verkehrsminister, Dr. Otto Wiesheu, den trums ein (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11. Februar Bau- und Finanzierungsvertrag für die S-Bahn-Strecke Nürn- 2004)? berg–Erlangen–Forchheim für den Freistaat unterzeichnet hat, ebenfalls den Bau- und Finanzierungsvertrag zu unterzeich- Die Bundesregierung beabsichtigt die Einrichtung ei- nen und im Rahmen der Gemeindeverkehrsfinanzierungsmit- nes Osteuropazentrums für Wirtschaft und Kultur. Zur tel die Strecke mit 60 Prozent, wie im Anti-Stau-Programm Entscheidungsfindung stützt sich die Bundesregierung aus dem Jahr 2000 vorgesehen, zu finanzieren? dabei auf die Fachkompetenz der folgenden Einrichtun- Wenn ja, wann wird die Bundesregierung den Bau- und gen: Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deut- Finanzierungsvertrag für die S-Bahn-Strecke Nürnberg–Erlan- schen im östlichen Europa; Deutsche Gesellschaft für gen–Forchheim unterzeichnen? Osteuropakunde; Südosteuropa-Gesellschaft; Herder- Der Bau- und Finanzierungsvertrag für die S-Bahn Institut Marburg; Ost-West-Wissenschaftszentrum Kas- Nürnberg–Erlangen–Forchheim wird zwischen dem sel; Institut für Regionalentwicklung und Strukturpla- Land und der Deutschen Bahn AG (DB AG) abgeschlos- nung; Deutsche Industrie- und Handelskammer; Bundes- sen. Der Bund ist daran nicht beteiligt. Der Bau- und amt für Bauwesen und Raumordnung; Bundesagentur Finanzierungsvertrag erfüllt eine notwendige Voraus- für Außenwirtschaft und Ostausschuss der deutschen setzung für eine Förderung der S-Bahn Nürnberg–Erlan- Wirtschaft. gen–Forchheim mit Mitteln aus dem Bundesprogramm gemäß § 6 (1) Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, in- Die Vielzahl der Einrichtungen spiegelt gesellschaft- dem damit die Gesamtfinanzierung des S-Bahn-Vorha- liche und fachliche Vielfalt der in Deutschland gebün- bens abgesichert wird. Maßgeblich für die Finanzierung delten Kompetenz in Osteuropafragen wieder. Im Übri- des Vorhabens mit Bundesmitteln ist ein Förderantrag, gen können auch der Bund der Vertriebenen und die der von der DB AG mit Zustimmung des Landes zu stel- Landsmannschaften der deutschen Heimatvertriebenen len ist. Dies ist bisher nicht geschehen. 8328 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004

(A) Anlage 25 fragen. Die Kosten dafür belaufen sich nach derzeitigem (C) Stand auf 342 581 Euro. Antwort der Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke auf die Frage des Abgeordneten Hans Michelbach (CDU/CSU) (Druck- Anlage 27 sache 15/2564, Frage 48): Antwort Wann gedenkt die Bundesregierung nach der Entschei- dung des Bundesverwaltungsgerichts, Az. 4 A 11.02 vom der Staatsministerin Dr. Christina Weiss auf die Fragen 15. Januar 2004, wonach der Bau der Bundesautobahn A 73 des Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (Suhl–Lichtenfels) im Abschnitt Ebersdorf bei Coburg bis (FDP) (Drucksache 15/2564, Fragen 51 und 52): Lichtenfels freigegeben wurde, und nachdem zudem das Haushaltsgesetz 2004 in Kraft getreten ist, den Bau des vorbe- Was sind die „massiven Einwände“, die die Beauftragte nannten Autobahnabschnitts zu beginnen, und sind hierfür der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin ausreichende Finanzmittel vorhanden? Dr. Christina Weiss, laut einem Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 18. Februar 2004 gegen den Referentenentwurf Abschließende Entscheidungen über Baubeginne des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit zur Ände- 2004 können erst nach Abschluss der Bund-Länder-Ge- rung des Pressefusionsrechts hat, und welche „Bedenken des Bundeskartellamtes“ teilt die Staatsministerin Dr. Christina spräche getroffen werden. Dies schließt auch den süd- Weiss? lichsten Abschnitt der Bundesautobahn A 73 von Ebers- Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das von dorf nach Lichtenfels ein. der Staatsministerin Dr. Christina Weiss vorgeschlagene Modell einer „Stiftung samt Aufsichtsgremium“ geeignet ist, die publizistische Selbstständigkeit von Verlagen oder Anlage 26 Zeitungen zu wahren, und inwieweit decken sich die diesbe- züglichen Vorstellungen des Bundesministers für Wirtschaft Antwort und Arbeit, Wolfgang Clement, mit denen der Staatsministe- rin Dr. Christina Weiss? des Parl. Staatssekretärs Béla Anda auf die Fragen des Abgeordneten Helmut Heiderich (CDU/CSU) (Druck- Zu Frage 52: sache 15/2564, Fragen 49 und 50): Der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Ar- In welchen Mengen und unterschiedlichen Auflagen hat beit vorgelegte Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Än- die Bundesregierung bisher das Werbeheft „Agenda 2010“ derung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkun- drucken lassen, und welche Kosten sind dabei insgesamt – einschließlich Beratung und Entwurf – entstanden? gen, der unter anderem Vorschläge zur Änderung des Pressekartellrechts enthält, befindet sich derzeit in der In welcher Weise und zu welchen Kosten ist diese Bro- (B) schüre bisher verteilt worden? regierungsinternen Abstimmung. Die Bundesregierung (D) wird sich zur Frage der Neuordnung des Pressekartell- Zu Frage 49: rechts äußern, sobald diese Abstimmung abgeschlossen ist. Die Auflagenhöhe für die 1. Auflage (Stand: Novem- ber 2003) beträgt 2,623 Millionen Exemplare. Die Pro- Zu Frage 52: duktionskosten – einschließlich Beratung und Entwurf – belaufen sich nach derzeitigem Stand auf 586 653 Euro. Es wird auf die Antwort auf Frage 51 verwiesen. Die Auflagenhöhe für die 2. Auflage (Aktualisierte Neu- auflage, Stand: Februar 2004) beträgt 3,2 Millionen Exemplare. Die Produktionskosten – einschließlich Be- Anlage 28 ratung und Entwurf – belaufen sich nach derzeitigem Nachträglicher Abdruck Stand auf 392 902 Euro. der amtlichen Mitteilungen zur 89. Sitzung

Zu Frage 50: Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU- Die Verteilung der 1. Auflage erfolgte als Beileger in Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische „Die ZEIT“, in der „Süddeutschen Zeitung“, der „Frank- Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera- furter Allgemeinen Sonntagszeitung“ sowie durch Ver- tung abgesehen hat. teilung auf Bahnhöfen und im Rahmen der Bustour Ad- lerauge; weiter durch Auslage in Dinamix-displays in Restaurants etc. sowie durch Direktvertrieb des BPA un- Innenausschuss ter anderem an alle Mitglieder des Bundestages sowie an Drucksache 15/345 Nr. 6 die Bürgerinnen und Bürger aufgrund von Onlinebestel- Drucksache 15/713 Nr. 1.3 lungen oder telefonischen Anfragen. Die Kosten dafür belaufen sich nach derzeitigem Stand auf 907 130 Euro. Rechtsausschuss Die Verteilung der 2. Auflage erfolgte als Beileger in Drucksache 15/345 Nr. 33 der „BILD am Sonntag“ und „Die ZEIT“ sowie durch Direktvertrieb des BPA unter anderem an alle Mitglieder Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit des Bundestages sowie an die Bürgerinnen und Bürger Drucksache 15/1280 Nr. 2.38 aufgrund von Onlinebestellungen oder telefonischen An- Drucksache 15/1765 Nr. 2.18 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. März 2004 8329

(A) Drucksache 15/1948 Nr. 1.3 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und (C) Drucksache 15/1948 Nr. 1.10 Reaktorsicherheit Drucksache 15/1948 Nr. l. 18 Drucksache 15/1948 Nr. 1.34 Drucksache 15/1948 Nr. 1.25 Drucksache 15/2028 Nr. 2.9 Drucksache 15/2104 Nr. 2.8 Drucksache 15/2028 Nr. 2.12 Drucksache 15/2217 Nr. 2.21 Drucksache 15/2028 Nr. 2.13 Drucksache 15/2217 Nr. 2.23

Ausschuss für Verbraucherschutz, Ausschuss für Bildung, Forschung und Ernährung und Landwirtschaft Technikfolgenabschätzung Drucksache 15/2104 Nr. 1.7 Drucksache 15/2217 Nr. 2.28 Drucksache 15/2104 Nr. 2.14 Drucksache 15/2104 Nr. 2.20 Drucksache 15/2104 Nr. 2.21 Drucksache 15/2104 Nr. 2.22 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Drucksache 15/2104 Nr. 2.27 Entwicklung Drucksache 15/2104 Nr. 2.2 Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Drucksache 15/1547 Nr. 1.10 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Drucksache 15/1547 Nr. 2.72 Union Drucksache 15/1547 Nr. 2.76 Drucksache 15/1948 Nr. 1.1 Drucksache 15/1765 Nr. 1.1 Drucksache 15/1948 Nr. 1.29 Drucksache 15/2104 Nr. 1.2 Drucksache 15/2217 Nr. 2.6 Drucksache 15/2217 Nr. 2.14

(B) (D)

Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Amsterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 340, Telefax (02 21) 97 66 344 ISSN 0722-7980