Plenarprotokoll 15/183

Deutscher

Stenografischer Bericht

183. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: Zusatzfragen (CDU/CSU) ...... 17269 C Fragestunde (CDU/CSU) ...... 17270 D (Drucksache 15/5818) ...... 17265 A Hellmut Königshaus (FDP) ...... 17271 A Dr. Bärbel Kofler (SPD) ...... 17271 B Mündliche Fragen 3 und 4 (CDU/CSU) ...... 17271 C Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU) Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) ...... 17272 B Verbreitung von Streichholzschachteln durch Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) . . . 17272 C das Bundesumweltministerium mit Auf- Dr. (CDU/CSU) ...... 17273 A drucken zur Atomkraft und zum Atommüll (CDU/CSU) ...... 17273 B vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu staat- lichen Informationen; Kosten der Aktion Mündliche Frage 7 Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung Michael Kretschmer (CDU/CSU) Antwort Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin Vereinbarkeit einer Eindämmung des Tank- BMU ...... 17265 D tourismus mithilfe von Tankzuschüssen ei- ner öffentlich-rechtlichen Stiftung mit Eu- Zusatzfragen roparecht Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU) ...... 17266 A Clemens Binninger (CDU/CSU) ...... 17266 D Antwort Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU) ...... 17267 A , Parl. Staatssekretär BMWA . . . 17273 C Eckart von Klaeden (CDU/CSU) ...... 17267 C Reinhard Grindel (CDU/CSU) ...... 17267 C Zusatzfragen Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) ...... 17268 B Michael Kretschmer (CDU/CSU) ...... 17273 D Dr. (FDP) ...... 17268 D Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU) ...... 17274 A Klaus Hofbauer (CDU/CSU) ...... 17274 C Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU) ...... 17275 A Mündliche Frage 5 (CDU/CSU) ...... 17275 C Eckart von Klaeden (CDU/CSU) Maßnahmen des Bundeskanzleramts gegen die unerlaubte Einreise in das Schengen- Mündliche Frage 8 Gebiet mittels erschlichener Sichtvermerke (CDU/CSU) (Touristenvisa) zum Zwecke der Arbeits- Widerspruch des Staatssekretärs im Bun- aufnahme hauptsächlich in Spanien und deswirtschaftsministerium Adamowitsch zu Portugal den Vorgaben des Gesetzgebers für eine Antwort verstärkte Stufenausbildung zugunsten des , Staatsminister BK ...... 17269 A nachgeordneten Anrechnungsmodells II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Antwort Mündliche Frage 16 Gerd Andres, Parl. Staatssekretär Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU) BMWA ...... 17275 D Unterzeichnung der dritten Teilfinanzie- Zusatzfrage rungsvereinbarung zum Ausbau der Mitte- Uwe Schummer (CDU/CSU) ...... 17276 A Deutschland-Verbindung, unter anderem Streckenabschnitt Gera–Gößnitz Antwort Mündliche Frage 9 Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) BMVBW ...... 17280 C Mögliche Absenkung des ALG II im Herbst Zusatzfrage 2005 Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU) ...... 17280 C Antwort Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMWA . . . 17276 C Mündliche Frage 17 Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU) Zusatzfragen Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) ...... 17276 C Vorlage einer Planungsvereinbarung für die (fraktionslos) ...... 17277 B Straßenüberführung L 1385 über die Sach- senmagistrale in Gößnitz Antwort Mündliche Frage 10 Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) BMVBW ...... 17281 A Notwendigkeit des Wohnungswechsels in- Zusatzfrage folge von ALG-II-Bezug Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU) ...... 17281 A Antwort Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMWA . . . 17277 C Mündliche Frage 24 Petra Pau (fraktionslos) Zusatzfrage Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) ...... 17277 D Mögliches Zugeständnis der US-Regierung an den Iran hinsichtlich einer geringfügi- gen Anreicherung von Uran Mündliche Frage 12 Antwort Jens Spahn (CDU/CSU) Kerstin Müller, Staatsministerin AA ...... 17282 A Ausscheiden des Projektleiters für das Mo- Zusatzfrage dellprojekt zur heroingestützten Behand- Petra Pau (fraktionslos) ...... 17282 A lung Opiatabhängiger

Antwort Mündliche Frage 25 Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin Petra Pau (fraktionslos) BMGS ...... 17278 C Einstufung der „Vereinigung der Verfolg- Zusatzfrage ten des Naziregimes – Bund der Antifa- Jens Spahn (CDU/CSU) ...... 17278 D schistinnen und Antifaschisten e. V.“ als linksextreme Organisation Antwort Mündliche Frage 13 , Parl. Staatssekretärin BMI ...... 17282 C Jens Spahn (CDU/CSU) Zusatzfragen Ergebnisse der ersten Zwischenauswer- Petra Pau (fraktionslos) ...... 17282 C tung nach Beendigung des ersten Studien- Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) ...... 17282 A jahres bei der heroingestützten Behand- lung Opiatabhängiger Mündliche Frage 26 Antwort Günter Baumann (CDU/CSU) Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin BMGS ...... 17279 C Umwandlung des Arbeitsvertrags des Prä- sidenten der Bundeszentrale für politische Zusatzfrage Bildung in einen Lebenszeitvertrag durch Jens Spahn (CDU/CSU) ...... 17279 D Bundesminister Schily Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 III

Antwort Aussagen der Studie „Sektorale und regio- Ute Vogt, Parl. Staatssekretärin BMI ...... 17283 B nale Strukturen der Nutztierhaltung in Niedersachsen“ zur Legehennenhaltung Zusatzfrage und zur Aufrechterhaltung der Qualitäts- Günter Baumann (CDU/CSU) ...... 17283 C und Sicherheitsstandards Antwort Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär Zusatztagesordnungspunkt 1: BMVEL ...... 17298 A Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Steu- erliche Positionen der FDP vor dem Hinter- Anlage 4 grund von Berichten über eigene Finanz- transaktionen Mündliche Frage 6 Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 17284 A Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Aufhe- bung des § 1 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes (CDU/CSU) ...... 17284 D über die Aufhebung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsge- () (SPD) ...... 17286 A biet (VwRehaG) Dr. (FDP) ...... 17287 A Antwort (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 17288 D Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ ...... 17299 A (SPD) ...... 17289 C (BÜNDNIS 90/ Anlage 5 DIE GRÜNEN) ...... 17290 C Mündliche Frage 11 Simone Violka (SPD) ...... 17291 D Hartmut Koschyk (CDU/CSU) Anteil nicht deutscher Staatsangehöriger Dr. Hermann Otto Solms (FDP) an den Arbeitslosenzahlen in Deutschland (Erklärung nach § 30 GO) ...... 17293 B Antwort Dr. Uwe Küster (SPD) Gerd Andres, Parl. Staatssekretär (Erklärung nach § 30 GO) ...... 17294 C BMWA ...... 17299 D

Nächste Sitzung ...... 17295 C Anlage 6 Mündliche Fragen 14 und 15 Anlage 1 Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU) Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 17297 A Erweiterung des § 26 SGB V bezüglich Auf- nahme zusätzlicher Früherkennungsunter- suchungen bei Kindern Antwort Anlage 2 Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin Nachträglich zu Protokoll gegebene Rede zur BMGS ...... 17300 B Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Än- derung telekommunikationsrechtlicher Vorschrif- ten (181. Sitzung, Tagesordnungspunkt 24) Anlage 7 Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ Mündliche Fragen 20 und 21 DIE GRÜNEN) ...... 17297 A (Weiden) (CDU/CSU) Einsetzung einer deutsch-tschechischen Raumordnungskommission; Vergabe von Anlage 3 Genehmigungen zum Bau so genannter Hypermärkte im tschechischen Grenzraum Mündliche Fragen 1 und 2 nur im Einvernehmen mit den deutschen (CDU/CSU) Kommissionsvertretern IV Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Antwort Anlage 10 Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMVBW ...... 17301 B Mündliche Frage 28 Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) Genehmigung der Veräußerung von Grund- Anlage 8 stücken im Gebiet der ehemaligen DDR ge- Mündliche Fragen 22 und 23 mäß Grundstücksverkehrsordnung Matthias Sehling (CDU/CSU) Antwort Visavergabe an mafiöse Kreise durch einen , Parl. Staatssekretär BMF ...... 17302 B Mitarbeiter der deutschen Visastelle in No- wosibirsk Antwort Anlage 11 Kerstin Müller, Staatsministerin AA ...... 17301 D Mündliche Fragen 29 und 30 Klaus Hofbauer (CDU/CSU) Anlage 9 Auswirkungen der beabsichtigten Reduzie- rung der Haushaltsmittel für die Finanzie- Mündliche Frage 27 rungsperiode 2007 bis 2013 auf die Struk- Hartmut Koschyk (CDU/CSU) turförderziele 1, 2 und 3; spezielle Zahl der in Deutschland lebenden nicht Fördermaßnahmen für Gebiete an den deutschen Staatsangehörigen und Bewer- ehemaligen deutschen Außengrenzen der tung dieser Zahl im europäischen Vergleich EU Antwort Antwort Ute Vogt, Parl. Staatssekretärin BMI ...... 17302 A Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF ...... 17302 D Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17265

(A) (C) Redetext

183. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Beginn: 13.00 Uhr

Vizepräsident Dr. : Staat und Gesellschaft zu erleichtern, auf Krisen schnell und Die Sitzung ist eröffnet. sachgerecht zu reagieren sowie den Bürgern zu Orientierun- gen zu verhelfen – Pressemitteilung des BVerfG Nr. 67/2002 Ich begrüße Sie alle herzlich und wünsche uns für die vom 30. Juli 2002 zum Beschluss vom 26. Juni 2002, letzten drei Plenartage vor der parlamentarischen Som- 1 BvR 558/91 und 1 BvR 1428/91, abgedruckt in der „Neuen merpause gute, konzentrierte Beratungen und, soweit Zeitung für Verwaltungsrecht“ 2002, 1088? eben möglich, konstruktive Debatten. Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 1: minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- Fragestunde heit: Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Lieber Herr Kol- – Drucksache 15/5818 (neu) – lege Fromme, wenn Sie erlauben, würde ich gerne die Die Reihenfolge der Fragen bzw. der dafür zuständi- Fragen 3 und 4 im Zusammenhang beantworten. (B) gen Ressorts ist Ihnen mitgeteilt worden. (D) Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: ministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Dann rufe ich auch die Frage 4 des Kollegen Fromme Landwirtschaft. Ich rufe auf – – auf: Wie hoch sind die Kosten für diese Aktion und welche (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Herr Präsi- Reaktionen soll sie bei den Verbrauchern hervorrufen ange- dent, die Fragen zu diesem Geschäftsbereich sichts des Umstandes, dass die offensichtlich als Vorbild die- sollen schriftlich beantwortet werden!) nenden Warnhinweise der EG-Gesundheitsminister auf den Zigarettenschachteln den Konsumenten zu einer von ihm – Ihr Zuruf entspricht meinen Unterlagen. Ich bestätige selbst zu treffenden Veränderung seines Konsumverhaltens gerne, dass die Fragen 1 und 2 der Kollegin Connemann veranlassen sollen? schriftlich beantwortet werden. Wir kommen somit gleich zum Geschäftsbereich des Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- Reaktorsicherheit. Für die Beantwortung der Fragen heit: steht die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Wolf Zu Ihrer ersten Frage: Die Nutzung der Atomenergie zur Verfügung. ist, wie Sie wissen, mit vielfältigen Risiken verbunden. Ich nenne nur das Problem der Entsorgung des Atom- Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Fromme auf: mülls und die verheerenden Unfälle. Windscale 1957, Wie rechtfertigt das Bundesministerium für Umwelt, Na- Harrisburg 1979, Tschernobyl 1986 und der jüngste turschutz und Reaktorsicherheit die Aufdrucke auf den von Störfall in der Wiederaufbereitungsanlage in Sellafield, ihm verbreiteten Streichholzschachteln „Der Bundesumwelt- bei dem 20 Tonnen eines hoch radioaktiven Uran-Pluto- minister: Atomkraft kann tödlich sein“ – Vorderseite – und „Der Bundesumweltminister: Atommüll bürdet Ihnen und Ih- nium-Gemisches aus einem Tank in der Anlage ausge- ren Nachkommen strahlende Lasten auf“ – Rückseite –, ins- laufen sind, stehen für das Risikopotenzial dieser Tech- besondere vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bun- nologie; ich denke, das ist unstreitig. desverfassungsgerichts, BVerfG, wonach – auch bei zutreffendem Inhalt eine staatliche Information in der Form Der Inhalt der Information, auf den Sie sich beziehen, weder unsachlich noch herabsetzend sein darf und die Bun- ist zutreffend. Ihre Form ist weder unsachlich noch he- desregierung aufgrund ihrer Aufgabe der Staatsleitung überall rabsetzend. Der Bundesumweltminister sieht die auf dort zur Informationsarbeit berechtigt ist, wo ihr eine gesamt- Streichholzschachteln aufgebrachten Aufdrucke als eine staatliche Verantwortung zukommt, die mithilfe von Informa- tionen wahrgenommen werden kann, sowie dass es zur Auf- notwendige Verbraucherinformation an, hält diese für gabe der Staatsleitung der Regierung gehört, durch zulässig und glaubt nicht, dass sie im Gegensatz zur rechtzeitige Informationen die Bewältigung von Konflikten in Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht. 17266 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Parl. Staatssekretärin Margareta Wolf (A) Zu Ihrer zweiten Frage, in der Sie sich nach den Kos- für die Bürger verbunden sein? Wir haben doch auch auf (C) ten erkundigen: Die Ausgaben für die Produktion der den Zigarettenpackungen Hinweise und sehen, dass ge- Streichholzschachteln betrugen 5 841,03 Euro. Die Auf- nauso geraucht wird, dass dieser Aufdruck also nichts drucke auf den Streichholzschachteln zielen auf die Sen- bewirkt. sibilisierung der Verbraucherinnen und Verbraucher in Fragen der energiepolitischen Alternativen. Sollte damit Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- eine unmittelbare Änderung des Verbraucherverhaltens minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- verbunden sein, zum Beispiel durch den Wechsel des heit: Strombezugs hin zu Anbietern von Strom aus erneuerba- ren Energiequellen, so ist diese Veränderung des Kon- Ich glaube, das sieht die Europäische Kommission an- sumverhaltens erwünscht. ders, Herr Kollege Fromme. Der Sachverhalt „Atommüll bürdet Ihnen und Ihren Nachkommen strahlende Lasten auf“, ist, glaube ich, unzweifelhaft. Sonst hätte es nicht Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: in den USA jüngst ein Urteil eines Bundesgerichts gege- Ihre Zusatzfragen, Herr Kollege Fromme. ben, wonach die Lagerzeit von 10 000 Jahren an einem Ort, an dem Atommüll gelagert werden soll, als unzurei- Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): chend angesehen würde. Es ist also gerichtlich festge- Frau Staatssekretärin, könnten Sie mir erklären, ob es stellt, dass die Information, die hinten auf den Schach- sich dabei um eine Information im Sinne der Rechtspre- teln steht, durchaus den Tatsachen entspricht. chung oder um Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregie- rung handelt? Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Frau Staatssekretärin, wenn Sie dies für so dringlich minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- halten, können Sie mir dann einmal erklären, warum Sie heit: durch die Neuerkundung von Endlagerstandorten und Herr Kollege Fromme, diese Aktion steht im Ein- durch neue Verfahren, die erfahrungsgemäß über klang mit dem von diesem Hause im Jahre 2001 verab- 30 Jahre dauern, die Einlagerung verzögern? schiedeten Atomausstiegsgesetz. Danach soll die Nut- zung der Kernenergie zur gewerblichen Stromerzeugung Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- aufgrund der mit ihr verbundenen Risiken nur noch für minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- einen begrenzten Zeitraum hingenommen werden. Da heit: die Vorsorge gegen mögliche Schäden durch den Betrieb der Anlagen laut Atomausstiegsgesetz nur nach dem je- Sehr geehrter Herr Kollege Fromme, Sie wissen, wir (B) weiligen Stand von Wissenschaft und Technik getroffen haben einen Entwurf eines Gesetzes zur Suche nach ei- (D) werden kann, lässt sich die Möglichkeit von Unfällen nem Endlager vorgelegt. Ich weiß, dass Sie sich aus- mit großen Freisetzungen nicht völlig ausschließen. Von schließlich auf Gorleben konzentrieren, aber ich möchte daher ist das, was das Bundesumweltministerium he- Sie darauf aufmerksam machen, dass wir uns ähnlich rausgegeben hat, eine Information. wie im Fall des Flughafens Schönefeld durchaus die Option offen halten müssen, im Zweifel zwei Standorte Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): zum Vergleich zu haben. Ich halte im Übrigen den Flug- Frau Staatssekretärin, halten Sie es für sinnvoll, eine hafen Schönefeld, bei dem die Form der Suche, die mit Information über etwas Negatives an einen Verbraucher- unserer Endlagerstandortsuche vergleichbar ist, gericht- kreis zu geben, den Sie ebenfalls für negativ halten? lich gewählt wird, für nicht so problematisch wie das Denn Sie wollen das Rauchen durch die Tabaksteuer be- Endlager Gorleben, das Sie favorisieren. kämpfen und jetzt nutzen Sie die Raucher sozusagen, um eine andere Kategorie zu bekämpfen. Halten Sie das für Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): sinnvoll? Wenn das so dringend ist, warum legen Sie den Ge- setzentwurf dann zu einem Zeitpunkt vor, wo Sie nicht Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- mehr handlungsfähig sind? minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- heit: Sehr geehrter Herr Kollege Fromme, man kann Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Streichhölzer nicht nur zum Anzünden von Zigaretten Dies ist leider keine zulässige Zusatzfrage mehr; die verwenden. Man kann sie in dieser warmen Jahreszeit vier zulässigen Fragen sind gestellt und beantwortet wa- auch zum Anzünden von Grills verwenden, man kann ren. – Als Nächster hat der Kollege Binninger das Wort. sie in romantischen Situationen zum Anzünden von Ker- zen verwenden. Ihnen sind vermutlich zahlreiche wei- Clemens Binninger (CDU/CSU): tere Möglichkeiten bekannt, wie man Streichhölzer zur Frau Staatssekretärin, einmal davon abgesehen, dass Anwendung bringen kann. das nicht die erste Aktion des Ministers ist, bei der man sich fragen muss, wofür Steuergelder aufgewandt wer- Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): den, Dass Sie zum Abschied eine Kerze anzünden, das kann ich ja noch verstehen. Aber meine Frage ist: Wel- (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Aus- cher Informationswert soll mit einem solchen Aufdruck stiegsparty!) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17267

Clemens Binninger (A) haben Sie gesagt, es handele sich hierbei um eine Ver- Eckart von Klaeden (CDU/CSU): (C) braucherinformation, die dazu führen soll, dass der Ver- Frau Staatssekretärin, welches sind denn die Stroman- braucher sein Verhalten ändert. Die Information lautet: bieter, die ihren Strom nach Ansicht der Bundesregie- „Atommüll bürdet Ihnen und Ihren Nachkommen strah- rung nicht an Verbraucher liefern sollten bzw. die von lende Lasten auf.“ Jetzt frage ich Sie: Welche Schlüsse Verbrauchern nicht bevorzugt werden sollten? soll der Verbraucher daraus für sich ziehen? Wie soll er sein Verhalten ändern? Soll er weniger Atommüll kaufen Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- oder was steckt dahinter? minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- heit: Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Wir bevorzugen keine Anbieter. Sie wissen vielleicht, minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- dass wir uns als Bundesregierung unter den Häusern da- heit: rauf verständigt haben – vor dem Hintergrund, dass wir Herr Kollege, ich habe das vorhin schon ausgeführt: den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen haben –, Es ist durchaus gewünscht, wenn der Verbraucher für vornehmlich Stromanbieter zu wählen, die einen hohen sich daraus die Schlussfolgerung zieht, einen anderen Prozentsatz ihres Stroms aus erneuerbaren Energien er- Stromanbieter zu wählen – Sie wissen, man kann den zeugen. Das Bundesumweltministerium zum Beispiel Stromanbieter frei wählen –, nämlich einen Stromanbie- hat einen Vertrag mit einem Anbieter, der nur Strom aus ter, der seinen Strom vornehmlich aus erneuerbaren erneuerbaren Energien anbietet. Es gibt zahlreiche An- Energien gewinnt. bieter in der Republik, die dies tun. Es gibt auch zahlrei- che Anbieter, die auf einen Energiemix setzen. Das ist (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Schreiben die Realität in unserem freien Energiemarkt. Sie das doch drauf! – Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Welcher ist das?) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: – „Lichtblick“ zum Beispiel in Berlin; es gibt zahlreiche Jetzt der Herr Kollege Grindel. Stromanbieter, die das machen. Reinhard Grindel (CDU/CSU): Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Verzeihen Sie, Frau Staatssekretärin, ich möchte die Herr Kollege Scheuer. Frage des Kollegen von Klaeden gerne konkretisieren; denn Verbraucherinformationen müssen ja konkret sein. Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): Nennen Sie bitte konkret, welche Anbieter der Nutzer dieser Streichholzheftchen wählen und welche er nicht (B) Frau Staatssekretärin, ich kann mir durchaus die (D) wählen sollte. Romantik vorstellen, wenn dieses Briefchen neben einer Kerze liegt. Nun hat der Kollege Fromme ja darauf ver- wiesen, dass das eigentlich zum Zigarettenkonsum an- Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- regt. Von daher frage ich Sie: Ist diese Aktion eigentlich minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- mit der Drogenbeauftragten der Bundesregierung – sie heit: ist ja anwesend – abgestimmt? Ich habe vorhin ausführlich dargestellt, dass dieses Streichholzheftchen dazu dienen soll, den Verbraucher dafür zu sensibilisieren, dass die Atomkraft mit zahlrei- Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- chen Problemen verbunden ist. Sie gehören doch zu der heit: Fraktion, die immer gern auf Eigenverantwortung und Eigenständigkeit der Verbraucherinnen und Verbraucher Herr Kollege, die Antwort auf unsere Fragen stimmen setzt. Ich denke nicht, dass die Informationen der Bun- wir grundsätzlich innerhalb der Bundesregierung ab. desregierung darauf abzielen sollten, dem Verbraucher Aber ich muss Ihnen sagen: Als ich das Heftchen gese- konkret zu sagen, welchen Stromanbieter er wählen soll. hen habe, bin ich nicht auf „Zigarettenschachtel“ ge- Es ist vielmehr, wie ich schon ausführte, durchaus er- kommen. Sie verfügen offensichtlich über einen hohen wünscht, wenn der Verbraucher aus dieser Information Grad an Fantasie. die Schlussfolgerung zieht, dass er einen anderen Strom- (Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Wir sind anbieter wählen sollte. – Ich antworte Ihnen gerne, aber eben kreativ!) nur, wenn Sie mir auch zuhören. – Es ist wunderbar, wenn Sie kreativ sind. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Nein, nein, ich höre zu!) (Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Deswegen kommen wir auch an die Regierung!) Es wird begrüßt, wenn sich der Verbraucher mit der Frage beschäftigt, woher der Strom, den er bezieht, ei- Dann hätte man ja etwas anderes hinten draufschrei- gentlich kommt. Diese Initiative des Verbrauchers führt ben müssen. zu mehr Mündigkeit. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Es waren Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: zwei Fragen! Deshalb darf ich eine weitere Herr Kollege von Klaeden. Nachfrage stellen!) 17268 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

(A) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das passt (C) Weil es vor der Sommerpause nicht mehr sehr viele nicht alles auf das Heftchen! – Clemens Möglichkeiten gibt, will ich das einmal so interpretieren. Binninger [CDU/CSU]: Das steht nicht drauf!) Zu den Heftchen: Ich glaube, dass zur Verbraucher- Reinhard Grindel (CDU/CSU): aufklärung auch Kampagnen gehören. Vielleicht könn- Herr Präsident, ich glaube, dass es unserer Geschäfts- ten Sie einmal ein bisschen breiter ausführen, welche ordnung auch dann entspräche, wenn es noch ganz viele Kampagnen es auch in anderen Bereichen seitens Ihres Gelegenheiten gäbe. Ministeriums gibt, mit denen man den Bürgerinnen und Bürger hilfreich zur Verfügung steht. Frau Staatssekretärin, würde es denn dem Hinweis auf dem Heftchen entsprechen, Strom von EnBW zu be- ziehen? Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- heit: Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Sehr geehrte Frau Kollegin, es ist richtig, dass wir den minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- Atomausstieg beschlossen haben. Wir haben auch das heit: Gesetz zur Förderung der erneuerbaren Energien in die- Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen, weil ich den sem Hause beschlossen, was durchaus auch mit Unter- Energiemix von EnBW nicht kenne. stützung Ihrer Fraktion geschah, Herr Kollege Fromme. Natürlich kann jeder Strom beziehen, von wem er Ich begegne auf Veranstaltungen relativ häufig Vertrete- will. rinnen und Vertretern Ihrer Fraktion, die sehr aktiv sind, was das Thema „Erzeugung und Netzeinspeisung von (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Sie haben Strom aus Biomasse“ angeht. Es wird in diesen Kreisen doch gerade das Gegenteil gesagt!) sehr dafür geworben, deutlich zu machen, dass man zum Beispiel auch aus Biomasse Strom erzeugen kann. Das – Ich habe gesagt, dass wir den Verbraucher sensibilisie- weiß nicht jede oder jeder. Das kleine Heftchen kann ren wollen, sich darum zu kümmern. Das ist kein Aufruf vielleicht wirklich dazu dienen, sich mit dieser Frage an den Verbraucher, zu EnBW, zu Lichtblick oder zu einmal zu beschäftigen. Das wäre im Interesse der Ener- Eon zu wechseln. Es ist, wie ich schon sagte, ein Instru- giewirte in Niedersachsen, in Nordrhein-Westfalen und ment, mit dem der Verbraucher angeregt werden soll, auch Hessen, woher ich komme. sich kundig zu machen. Wenn er zu dem Ergebnis kommt, zu einem Anbieter von Strom aus erneuerbaren Von daher freue ich mich auf eine hoffentlich intensiv (B) Energien zu wechseln, dann begrüßen wir das, wie Sie geführte Debatte darüber, wie wir mit diesem Erneuer- (D) sich vorstellen können, durchaus. bare-Energien-Gesetz weiter verfahren wollen: Wollen wir es puschen oder wollen wir zur Verunsicherung bei- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: tragen? Wie halten wir es mit dem Atommüll und dem Kollegin Wolff. Atomgesetz? – Ich glaube, diese Fragen werden uns in den nächsten Monaten noch intensiv beschäftigen. Der (Ute Kumpf [SPD]: Jetzt kommen die Frauen Verbraucher und die Verbraucherin, Frau Kollegin dran, die bei der CDU/CSU heute anscheinend Wolff, werden diese Debatten sicherlich ausgesprochen nichts zu sagen haben!) gerne und angeregt verfolgen.

Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Nebenbei gesagt: Die Diskussion hier finde ich ein Bitte schön. bisschen unsäglich, weil wir den Atomausstieg beschlos- sen haben. Dr. Volker Wissing (FDP): (Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Warum Frau Staatssekretärin, vielleicht können Sie dem Haus verlängern Sie sie dann?) sagen: Bezieht die Bundesregierung Energie aus Atom- strom und, wenn ja, in welchem Umfang? Frau Staatssekretärin, können Sie mir bestätigen, (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Ja!) Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- dass die Masse der deutschen Bevölkerung diesen Atom- heit: ausstieg befürwortet, und können Sie vielleicht noch ein- Ich verfüge, wie Sie sich vielleicht denken können, mal erklären, wie die Verbraucheraufklärung an dieser nicht über die Kenntnis der Vertragspartner aller Häuser. Stelle funktioniert? Ich weiß aus meinem Bereich, dass Ich kann Ihnen nur sagen, dass unser Vertragspartner, die Verbraucherinnen und Verbraucher zunehmend fra- also der des BMU, den Strom nicht aus Atomenergie ge- gen, nicht nur, wie sich die Lebensmittel zusammenset- neriert. zen, sondern auch bezüglich des Stroms, den sie zu Hause erhalten. Sie fragen, welchen Mix es da gibt und (Hellmut Königshaus [FDP]: Können Sie das wie sie dazu beitragen können, die erneuerbaren Ener- ausschließen? – Eckart von Klaeden [CDU/ gien mit zu befördern. CSU]: Ist der teurer?) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17269

Parl. Staatssekretärin Margareta Wolf (A) Es ist schon einmal abgefragt worden, wer welchen bleme, die sicherlich vorhanden sind, kennen und im (C) Stromanbieter hat. In Kooperation mit den anderen Häu- Griff haben. sern kann ich Ihnen dazu gerne eine schriftliche Antwort nachreichen. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage, Herr Kollege von Klaeden. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Damit sind wir am Ende der angemeldeten Zusatzfra- Eckart von Klaeden (CDU/CSU): gen zu den hierzu eingereichten Fragen. Ich bedanke mich bei der Parlamentarischen Staatssekretärin. Ich fasse also zusammen, Herr Schwanitz: Der Bun- deskanzler ist über diese neue Kriminalitätsform – so hat Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes- es der Zeuge im Untersuchungsausschuss ausgesagt – kanzlers. Zur Beantwortung steht der Staatsminister Rolf der Schleusung mittels erschlichener Sichtvermerke, die Schwanitz zur Verfügung. legendierte Schleusung, informiert worden. Sie meinen, Ich rufe die Frage 5 des Kollegen von Klaeden auf: das sei keine Unterrichtung gewesen. Ich kann die Diffe- renzierung zwischen einer Information und einer Unter- Was wurde im Bundeskanzleramt aufgrund der Unterrich- richtung ehrlich gesagt nicht nachvollziehen, aber lassen tung des Bundeskanzlers, Gerhard Schröder, am 16. August 2001 anlässlich seiner Sommerreise durch die neuen Bundes- wir es dabei. Er ist informiert worden und hat danach länder in Eisenhüttenstadt über das Phänomen der unerlaubten nichts veranlasst. Einreise in das Schengen-Gebiet mittels erschlichener Sicht- vermerke – Touristenvisa – zum Zwecke der Arbeitsaufnahme hauptsächlich in Spanien und Portugal als ein besonderes Phä- Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: nomen der Einschleusung von Ausländern veranlasst? Herr von Klaeden, ich will gern auf den Unterschied eingehen. Auch die Zeugenaussage, die im Untersu- Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: chungsausschuss abgegeben worden ist und die damit Herr von Klaeden, ich beantworte Ihre Frage wie öffentlich vorliegt, hat deutlich gemacht, dass selbst der folgt: Nach den Unterlagen des Bundeskanzleramtes damals dort berichtende Beamte aus seiner Erinnerung fand keine spezielle Unterrichtung des Bundeskanzlers – der Vorgang liegt mehrere Jahre zurück – nicht mehr statt. Der Bundeskanzler traf anlässlich seiner Sommer- dem Wortlaut gemäß darstellen konnte, was dort berich- reise 2001 unter anderem auch mit BGS-Beamten in tet worden ist. Das geht anderen Teilnehmern an dieser Eisenhüttenstadt zu einem Gespräch zusammen. Das Veranstaltung natürlich ähnlich, Gespräch fand nach den Unterlagen während eines (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Die Abteilung Rundgangs auf der BGS-Liegenschaft statt. Es war öf- hat Gedächtnislücken!) (B) fentlich, im Beisein zahlreicher Journalisten. Ausweis- (D) lich der Unterlagen berichtete der BGS über eine Viel- aber es gibt klare Signale. Das Kanzleramt verfügt über zahl von Themen, auch über beamtenrechtliche Fragen ein Redekonzept – ich habe es hier und bin gerne bereit, und über die Aufgaben am Standort Oder-Grenze. Von Ihnen im Anschluss an diese Frage eine Kopie dieses einer Unterrichtung des Bundeskanzlers kann daher Konzeptes zu überlassen – des vortragenden BGS-Be- nicht gesprochen werden. amten. Das Konzept hat einen Umfang von ungefähr (Hellmut Königshaus [FDP]: Was?) zwei Seiten. In diesem Konzept sind zu diesen angespro- chenen Visamissbrauchsvorgängen zwei Sätze enthalten. Dies wäre angesichts des Formats der Sommerreise auch Es sind keine Hinweise, wie ich das bereits in meiner unüblich gewesen. Antwort ausgeführt habe, bezogen auf Staatsbürger der Nach dem Redekonzept des zuständigen BGS-Beam- Ukraine enthalten. ten wurde der Bundeskanzler unter anderem über das Lagebild an der deutsch-polnischen Grenze und die Ge- Eckart von Klaeden (CDU/CSU): genmaßnahmen des BGS informiert. Kurz erwähnt Das hat ja niemand behauptet. wurde dabei auch die Zunahme von illegalen Grenzüber- tritten mittels gefälschter Visa und durch Erschleichen Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: von Visa. Es war aber ausweislich der Unterlagen in kei- Dazu, denke ich, ermittelt aber vor allen Dingen der ner Weise von der deutschen Visapolitik, geschweige Untersuchungsausschuss. denn von der deutschen Auslandsvertretung in der Ukraine die Rede. Auch ukrainische Staatsbürger wur- (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Eben gerade den ausweislich des Vortragsentwurfs nicht angespro- nicht!) chen. Vor dem Hintergrund vermute ich – – Für das Bundeskanzleramt bestand mit Blick auf den Vortrag und die Ressortzuständigkeit keinerlei Veranlas- Eckart von Klaeden (CDU/CSU): sung, tätig zu werden. Die Notwendigkeit wurde auch deshalb nicht gesehen, weil die BGS-Beamten insbeson- Das ist falsch. dere die Erfolge ihrer polizeilichen Arbeit präsentierten. Von mangelndem Rückhalt durch die zuständigen Res- Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: sorts war nicht die Rede. Ganz im Gegenteil: Man hatte Entschuldigung, in Ihrer Frage wird speziell auf den Eindruck, dass die zuständigen Behörden die Pro- Phänomene aufmerksam gemacht, die schon einen 17270 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Staatsminister Rolf Schwanitz (A) klaren Sachzusammenhang mit diesem Thema deutlich worden. Gibt es noch andere Früchte, die aus dieser (C) machen. Sommerreise resultieren, außer diesen bemerkenswer- ten Mitteilungen? (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Wo steht das Wort „Ukraine“?) (Ute Kumpf [SPD]: Etwas mehr Respekt vor dem Amt, Herr von Klaeden!) Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Spanien und Portugal sind genannt. Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Herr von Klaeden, ich habe ausdrücklich in meiner Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Antwort darauf hingewiesen, dass es keinen Termin in Man kann das in der Tat nicht eine Unterrichtung des Eisenhüttenstadt gab, bei dem der Bundeskanzler eine Bundeskanzlers nennen. Es sind zwei Sätze auf zwei spezielle Unterrichtung zu diesen Phänomenen erfahren Seiten und, was ich bei dieser Gelegenheit auch darstel- hat. Ich habe Ihnen deutlich gemacht, dass es eine um- len möchte, es ist in dieser Antwort ausdrücklich – übri- fangreiche zweiseitige Rededisposition gibt, in der auf gens auch in dem Redekonzept – auf die beim BGS ein- dieses neue Phänomen mit zwei Sätzen ohne Bezug auf geleiteten Ermittlungsverfahren verwiesen worden, die Ukraine – das ist nachlesbar – eingegangen worden sodass in den zwei Sätzen klar wurde, dass das kein Vor- ist, und dass dieser Termin in Abweichung von der ur- gang ist, der nicht in Bearbeitung ist, sondern ein Vor- sprünglichen Planung auch noch zeitlich begrenzt war. gang, dem der BGS nachgeht. Von einer Unterrichtung des Bundeskanzlers kann man nicht sprechen. Im Übrigen – das habe ich in meiner Antwort bereits dargestellt – hat die Reisestation, um die es dort konkret Für mich stellt sich die Frage, inwieweit ich mich auf geht, unter zeitlich eingeschränkten Bedingungen statt- Ihre polemischen Kommentare zu dieser Reise einlassen gefunden; sie wurde kurzfristig, am Vortag, zeitlich um- soll. disponiert. Der Gesamtvorgang entsprach – ich erwähne Sie können davon ausgehen, dass der Bundeskanzler das deswegen ausführlich, weil zwischenzeitlich Zei- genau wie seine Amtsvorgänger selbstverständlich auch tungsmeldungen erschienen sind, in denen ein anderer die Möglichkeit von Vor-Ort-Terminen nutzt. Ein wichti- Ablauf dargestellt worden ist – nicht in vollem Umfang ges Anliegen dieser Sommerreise – ich habe sie in enge- der ursprünglichen Planung. Er musste umgeplant wer- rem Sinne mit vorbereitet; deswegen will ich ausdrück- den und war somit zeitlich reduziert. Man kann davon lich darauf hinweisen – war die Würdigung der ausgehen, dass über den Umfang der zwei Sätze aus dem Regionen und der Leistungen der Menschen vor Ort. Redekonzept hinaus mit Sicherheit nichts angesprochen Das hat übrigens auch die Resonanz auf diese Reise ge- (B) wurde. (D) zeigt. Die Begegnungen mit dem Bundeskanzler, bei de- nen es vor allen Dingen um die Würdigung und Aus- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: zeichnung der Menschen in den Regionen ging, waren Zweite Zusatzfrage. sehr positiv und durch Herzlichkeit geprägt.

Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ich fasse noch einmal zusammen: Er ist unterrichtet Herr Kollege Grindel. worden und hat nichts veranlasst. Reinhard Grindel (CDU/CSU): Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Herr Staatsminister, Sie haben selber an dieser Reise Nein, er ist nicht unterrichtet worden, Herr von teilgenommen. Der Zeuge hat uns im Ausschuss gesagt, Klaeden. dass der Besuch eineinhalb Stunden gedauert hat. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, Eckart von Klaeden (CDU/CSU): dass es zwar lange zurückliegt – vier Jahre, das ist zu- Er ist informiert worden und hat nichts veranlasst. Sie treffend –, dass es aber in Bezug auf die Information des waren nicht in der Lage, den Unterschied zwischen „in- Bundeskanzlers über das schwere Zerwürfnis zwischen formiert werden“ und „unterrichten“ zu erläutern, ob- den Ministern Fischer und Schily wegen des Fischer-Er- wohl Sie das gesagt haben. lasses nur um ein Jahr geht. Er wusste, dass der Bundes- innenminister die Sorge hatte, dass diese Erlasslage zu Meine Frage ist jetzt: Welchen Nutzen haben eigent- Zuständen führt, wie sie ihm dann in Frankfurt/Oder lich solche Sommerreisen, wenn der Bundeskanzler auf vorgestellt worden sind. Probleme und Phänomene hingewiesen wird und den Sa- chen dann nicht nachgegangen wird? Ist das eine PR- Meine Frage: Hätte vor dem Hintergrund der Ausei- Maßnahme? nandersetzung zwischen den Ministern Fischer und Schily die Information in Frankfurt/Oder den Bundes- (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Eine kanzler nicht sofort dazu bewegen müssen, nachzufra- Lustreise!) gen, ob sich insofern die Befürchtungen des Ministers Der „Spiegel“ hat über eine Expedition in ein fremdes Schily realisiert haben und man diese Angelegenheit Land berichtet. Die Äußerung „Besorg mir mal ne Fla- – vor allen Dingen die Erlasslage – näher betrachten sche Bier“ auf dieser Sommerreise ist auch legendär ge- muss? Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17271

(A) Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: dass es dabei bleibt, dass der Bundeskanzler erstmals im (C) Herr Kollege Grindel, aus der Kenntnis der beiden Zusammenhang mit dem Kölner Schleuserprozess Sätze aus dem Redekonzept, die ich bereits erwähnt Kenntnis von den konkreten Problemen im Zusammen- habe, kann ich dies klar verneinen. Die Erlasslage wurde hang mit der Visaerteilungspraxis an einigen Auslands- nicht erwähnt. vertretungen erlangt hat. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das fällt Ih- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: nen aber spät ein!) Herr Kollege Königshaus. Daran ändert dieser Termin nichts. Aber auch das ist, Hellmut Königshaus (FDP): denke ich, im Untersuchungsausschuss intensiv bespro- Herr Staatsminister, ist es richtig, dass auch Staatsse- chen worden. Dazu gibt es außerdem entsprechende Un- kretär Körper anwesend war und dass er zu diesem Zeit- terlagen, über die der Untersuchungsausschuss verfügt. punkt über alle Probleme, die vom BKA, vom BGS und von anderen Seiten im Zusammenhang mit legendierter Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Schleusung – insbesondere im Zusammenhang mit dem Herr Kollege Binninger. Fischer-Erlass, wie wir ihn jetzt nennen sollen, und den Vorgängererlassen vom Herbst 1999 – berichtet wurden, Clemens Binninger (CDU/CSU): informiert war? Sollen wir aus Ihrer Antwort wirklich Herr Staatsminister, entscheidend ist ja nicht, ob es den Schluss ziehen, dass die Anwesenheit des Staatssek- sich um eine Unterrichtung, eine Information oder eine retärs aus dem Innenministerium nicht zur Folge hatte, Kenntnisnahme, wie Sie es versucht haben darzustellen, dass er, wenn dieses Thema angesprochen wurde, von gehandelt hat. Entscheidend ist vielmehr, dass der Bun- sich aus den Bundeskanzler auf die Problemlage hinge- deskanzler – das haben Sie nicht bestritten; das hat auch wiesen hat? der Zeuge in der letzten Woche im Untersuchungsaus- schuss gesagt – seit 2001 über ein neues Kriminalitäts- Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: phänomen informiert war. Er wusste also Bescheid; das Der Kollege Körper hat an diesem Termin nicht teil- ist entscheidend. Wenn Sie ständig auf das Redekonzept genommen. Ich weiß nicht, woher diese Information mit angeblich nur zwei Sätzen zu dieser Problematik ab- stammt. heben, dann möchte ich nur darauf hinweisen: Der (Hellmut Königshaus [FDP]: Das wurde im Zeuge hat nach meiner Erinnerung im Untersuchungs- Ausschuss so berichtet!) ausschuss sinngemäß gesagt, der Termin mit dem Kanz- ler sei über insgesamt 90 Minuten gegangen. Es war also (B) (D) Diese Information ist falsch. ausreichend Zeit, dieses Thema anzusprechen. Ohnehin wird bei der Zeugenaussage deutlich – das Meine Frage an Sie lautet: Der Bundeskanzler, der ist kein Vorwurf –, dass es nach einem so langen Zeit- gehört hat und informiert war, dass es hier ein neues Kri- raum in der Tat schwierig ist, die Dauer und die einzel- minalitätsphänomen mit illegalen Schleusungen über die nen Abläufe dieses Ereignisses hundertprozentig exakt deutschen Grenzen in den Schengen-Raum gibt, wird ja aus dem Gedächtnis zu reproduzieren. Das begann – be- von einem großen Tross begleitet, dem Sie selber mögli- zogen auf die Zeugenaussage im Untersuchungsaus- cherweise bei diesem Termin angehört haben. Ist nie- schuss – auch bei anderen Fragen, insbesondere bei den mand in diesem Tross dafür zuständig, bestimmte The- großen Spannbreiten, was die Dauer dieses Termins be- menfelder, die an den Kanzler herangetragen werden, trifft. Deswegen entziehen sich die nachfolgenden Fra- mitzuzeichnen, nachzuberichten und nachzubereiten? gen, die Sie damit verbunden haben, der Möglichkeit der War jemand in diesem Tross dabei, der für die Themen Beantwortung. „Sicherheit“, „BGS“ und „Kriminalität“ zuständig war, und, wenn ja, hat der Betreffende mitgezeichnet und Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: nachberichtet? Frau Kollegin Kofler. Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Dr. Bärbel Kofler (SPD): Auf allen Reisen, die der Bundeskanzler unternimmt, Herr Staatsminister, sind Sie nicht auch der Meinung, sind selbstverständlich Mitarbeiter dabei, die Probleme dass diese Fragen – auch in ihrer Polemik – besser im aufnehmen, so sie denn in entsprechender Quantität und Visa-Untersuchungsausschuss aufgehoben wären, statt Qualität vorgetragen werden. Diesen Problemen wird sie im Plenum zu stellen? – davon können Sie ausgehen – intensiv nachgegangen. Ihre Frage ist für mich allerdings Anlass, die Vorstel- Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: lung auszuräumen, es habe sich dabei um einen 90-mi- Das sehe ich genauso. Unabhängig davon hat das nütigen Unterrichtungstermin oder Ähnliches gehan- Kanzleramt, wenn nach einem konkreten Reisetermin delt. Dem war nicht so. Der Termin hat insgesamt etwa gefragt wird, die Verpflichtung, hier zu antworten. Dem 45 Minuten gedauert. Er ist geändert worden. Es hat bin ich nachgekommen. keine Unterrichtung des Bundeskanzlers an Bord eines Ich will in diesem Zusammenhang noch einmal beto- Patrouillenbootes oder in einem geschlossenen Raum nen – Kollege Grindel fragte ausdrücklich danach –, gegeben. Vielmehr ist dieser Termin aufgrund der 17272 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Staatsminister Rolf Schwanitz (A) Umstellungen in der Vormittagsdisposition, der Abläufe dass in diesem Vertragswerk – diesen Donnerstag wird (C) der Termine, auf 45 Minuten und auf einen Rundgang im Bundestag darüber debattiert – kein Wort von „in des Bundeskanzlers in Begleitung der BGS-Beamten am dubio pro libertate“ steht? Vielmehr gilt dort das Prinzip Standort reduziert worden. Natürlich wurden dabei bei „in dubio pro securitate“, was mehr Kontrollen an den Kontrollen und anderen Tätigkeiten beschlagnahmte Ge- Grenzen bedeutet. Ist Ihnen auch bekannt, dass die genstände in Augenschein genommen. Während dieses Frage, ob eine Lockerung der Visapolitik die Schleuser- Rundgangs hat es einen mündlichen Vortrag gegeben. tätigkeit begünstigt, in diesem Vertragswerk überhaupt nicht angesprochen wird, da man das bei einem Kon- Das ist ein zeitlich wesentlich eingeschränkteres For- trolldelikt als selbstverständlich unterstellen kann? mat als das, was Sie gerade beschrieben haben.

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Der Zeuge Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: hat es gesagt!) Kollege Kauder, ich kann nicht erkennen, dass diese In dem vorhin von mir angesprochenen Redekonzept, weitreichende Frage noch in einem Sachzusammenhang das für den vollständigen Termin ausgelegt war, finden zu der eingereichten Frage steht. sich zur Beschreibung des Gesamtvorgangs nur die Worte „Erschleichen von Visa nach Deutschland“. Das (Ute Kumpf [SPD]: Wir sind hier nicht im ist übrigens ausdrücklich mit dem Hinweis verbunden, Ausschuss, Herr Kauder! – Michael Hartmann dass bereits Ermittlungsverfahren eingeleitet sind. [Wackernheim] [SPD]: Keinerlei Zusammen- hang!) Noch zwei Sätze: Ich glaube nicht, dass man vor die- sem Hintergrund – Sie können das alles nachlesen, ich Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: bin gern bereit, Ihnen meine Unterlagen zur Verfügung zu stellen; ich hatte das ja schon ausgeführt – das kon- Herr Kollege Hartmann, bitte. struieren kann, was in Ihrer Frage angelegt ist, Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Meine Frage war, ob jemand für diesen Bereich zu- Herr Staatsminister, können Sie uns etwas darüber sa- ständig war!) gen, ob der BGS bei diesem – wie Sie überzeugend dar- gelegt haben – nämlich dem Bundeskanzler zu unterstellen, er habe be- reits im Sommer 2001 eine vollständige Unterrichtung (Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP) über dieses Phänomen erhalten und er habe es unterlas- recht kurzen Rundgang und bei dieser kurzen Unterrich- sen, entsprechende Aktivitäten infolge dieser Unterrich- (B) tung nicht nur dargestellt hat, welche Probleme es gibt, (D) tung auszulösen. Ich sage ausdrücklich: Eine solche Un- sondern auch, was er tut, um diese Probleme zu lösen, terrichtung hat nicht stattgefunden. Ich finde, es wäre und welche Erfolge er dabei erzielt hat? Können Sie uns einfach auch ein Akt der Redlichkeit, das einmal zur etwas darüber sagen, ob die Frage „Erlasse/Visapolitik“ Kenntnis zu nehmen. im Gespräch mit dem BGS zumindest gestreift wurde? (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Herr Präsi- dent, mit Verlaub, ich habe gefragt, ob zu die- Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: sem Tross jemand gehörte, der für den Bereich Sicherheit verantwortlich ist! Diese Frage Ich will ausdrücklich sagen – das habe ich schon in wurde nicht beantwortet!) meiner Antwort auf die eingereichte Frage zum Aus- druck gebracht –, dass die Visapolitik nicht Gegenstand – Das habe ich beantwortet. des Redekonzepts gewesen ist. Die Erfolge des BGS ha- ben in diesem Gespräch eine ganz große Rolle gespielt. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Dabei ist natürlich nicht nur die Lage im Bereich der Unsere Geschäftsordnung sieht vor, dass jeder fragen deutsch-polnischen Grenze zum damaligen Zeitpunkt kann, was er will. Andererseits kann auch jeder antwor- dargestellt worden, sondern auch, welche Ermittlungs- ten, was er will. erfolge, welche Kontrollerfolge der Bundesgrenzschutz in diesem Bereich zu verzeichnen hat. Herr Kollege Kauder, bitte. Wenn die Opposition an dieser Stelle unbedingt eine gewisse kritische Distanz zur Regierung pflegen möchte: Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/ Es gab eine Reihe von unmittelbar Beteiligten an diesem CSU): Termin, beispielsweise Journalisten, die darüber im An- Herr Staatsminister, auch wenn ich um die Gefahr schluss öffentlich berichteten. Ich habe hier einen Arti- weiß, dass jeder antworten kann, was er will, erlaube ich kel vom 20. August 2001 aus der „Welt“, in dem über mir, eine Frage zu stellen. Es gibt einen Vertrag zur Be- diesen Termin berichtet worden ist. Darin ist über diese kämpfung der organisierten Kriminalität, des Menschen- Frage „Erlasse/Visapolitik“ ebenfalls kein einziges Wort handels und der Schleusertätigkeit auf UN-Ebene aus zu finden. dem Jahr 2000. Dieser Vertrag ist von 147 Staaten der Welt unterzeichnet worden, von Deutschland bisher noch nicht. Ist dieser Vertrag einmal Gegenstand eines Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Gesprächs in der Regierung gewesen? Ist Ihnen bewusst, Herr Kollege Scheuer, bitte. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17273

(A) Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (C) Herr Staatsminister, auch wenn der Kollege Hartmann Weitere Zusatzfragen gibt es nicht. – Wir schließen gesagt hat, dass Ihre Ausführungen überzeugend waren diesen Geschäftsbereich mit einem Dank an den Staats- – wir sehen das anders –, will ich einen weiteren Versuch minister. starten, für Klarheit zu sorgen – ich greife die Frage des Kollegen Binninger auf –: Wer in dieser Delegation war Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes- für den Themenblock Sicherheit zuständig? Waren Sie ministeriums der Justiz. Die Frage 6 des Kollegen dies vielleicht? Jüttner wird schriftlich beantwortet. Das war auch für die Frage 7 angekündigt, hat sich (Ute Kumpf [SPD]: Natürlich wurde der Bun- aber durch Anwesenheit des Kollegen Kretschmer offen- deskanzler abgesichert durch seine Body- kundig erledigt. Wir kommen also zum Geschäftsbereich guards!) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Gerd Andres zur Verfügung. Was meinen Sie mit „Sicherheit“? Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Michael Kretschmer auf: Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): Inwieweit sind die Vorschläge des Bundesministers für Wer war für die Nachbereitung der Themen, die mit Wirtschaft und Arbeit, Wolfgang Clement, zur Eindämmung Sicherheit zu tun haben, zuständig? des Tanktourismus mithilfe von Tankzuschüssen einer öffent- lich-rechtlichen Stiftung mit Europarecht vereinbar?

Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Dieser Termin ist mit den zuständigen Behörden, ins- minister für Wirtschaft und Arbeit: besondere mit dem Bundesgrenzschutz, selbstverständ- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kol- lich eng abgestimmt worden. Das hat auch zur Konse- lege, nach Ansicht der Spezialisten, die das so genannte quenz gehabt – daran erkennen Sie die sorgfältige Stiftungsmodell erarbeitet haben, vermeidet es unter an- Vorbereitung –, derem die Kollision mit solchen europarechtlichen Re- gelungen, die dem lange Zeit diskutierten italienischen (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Nein, die Modell entgegenstehen. Nachbereitung ist entscheidend, nicht die Vor- bereitung!) (B) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (D) dass das Redekonzept des vortragenden BGS-Beamten Zusatzfrage. dem Kanzleramt auch in schriftlicher Form zur Verfü- gung gestellt worden ist. Michael Kretschmer (CDU/CSU): (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Seit wann?) Herr Staatssekretär, Sie wenden sich kurz vor der Wahl einer sehr sensiblen Frage zu, die Sie über Jahre So gehört sich das auch bei anderen Kanzlerterminen. nicht gelöst haben. Das nährt den Verdacht, dass es sich hier um Wahlkampf handelt. Ich möchte deswegen ganz Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: konkret fragen: Mit wem in der Europäischen Kommis- Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Kretschmer. sion ist dieses Modell besprochen worden? Anders for- muliert: Ist es richtig, dass es über diesen Vorschlag keine Abstimmung mit der europäischen Ebene gab? Michael Kretschmer (CDU/CSU): Herr Staatsminister, es ging auch bei dieser Frage um Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- die Nachbereitung: Wer war dafür zuständig – war wo- minister für Wirtschaft und Arbeit: möglich kein zuständiger Mitarbeiter dabei? –, diesen Es ist ein Vorschlag, den Bundesminister Clement Themenblock im Nachhinein zu bearbeiten und zu eruie- entwickelt hat. Wir haben von Fachleuten prüfen lassen, ren: „Was ist da Sache?“? Wer war das? Waren Sie es? inwieweit der Vorschlag in bestimmten Bereichen mit War es jemand anders? Gab es niemanden? Warum ist europäischem Recht übereinstimmt. das untergegangen? Sie hatten die Frage gestellt, inwieweit die Vorschläge Rolf Schwanitz, Staatsminister beim Bundeskanzler: im Zusammenhang mit einer öffentlich-rechtlichen Stif- tung mit dem Europarecht vereinbar sind. Das ist ent- Selbstverständlich sind bei jedem Kanzlertermin sprechend geklärt worden. Die europarechtlichen Fra- mehrere Mitarbeiter, Beamte aus dem Bundeskanzleramt gen, die bei dem italienischen Modell eine Rolle spielen, anwesend. Wenn die Berichterstattung von der Art ge- stellen sich beim Stiftungsmodell nicht. wesen wäre, dass es eine spezielle Unterrichtung des Bundeskanzlers zu den von Ihnen in der Frage angespro- chenen Sachverhalten und Phänomenen gegeben hätte, Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: dann wäre dem auch nachgegangen worden. Weitere Zusatzfrage. 17274 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

(A) Michael Kretschmer (CDU/CSU): stimmungsprozess, sodass ich Ihnen zu dem konkreten (C) Es geht nicht um das italienische Modell, sondern um Zeitplan nichts sagen kann. den Vorschlag des Bundeswirtschaftsministers. Für uns stellt sich die Frage, ob das, was Sie vorgeschlagen ha- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: ben, rechtlich überhaupt durchsetzbar ist. Deswegen Herr Kollege Hofbauer. möchte ich wissen, welche konkreten Schritte zur Um- setzung seit der öffentlichen Ankündigung bereits unter- nommen wurden. Klaus Hofbauer (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, diese schöne Grenzstadt Furth im Wald liegt in meinem Wahlkreis. Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Wirtschaft und Arbeit: (Gerd Andres, Parl. Staatssekretär: Das ist sehr Nach unserer Auffassung vermeidet das Modell mit gut!) der Stiftung eine Reihe von Hemmnissen steuerrechtli- cher, kartellrechtlicher und wettbewerbsrechtlicher Ich bin dankbar – das sage ich ohne Umschweife –, dass Art. Zur Umsetzung und Durchsetzung dieses Modells ein Minister in diese Region kommt und sich mit ent- sind natürlich entsprechende Initiativen, insbesondere sprechenden Themen beschäftigt. Der Herr Minister hat des Finanzministeriums und des Justizministeriums, not- aber nicht nur gesprochen, sondern er hat auch sehr viel wendig. versprochen. Wir müssen feststellen, dass viele dieser Versprechungen in den letzten Jahren nicht gehalten wurden. Zum Tanktourismus hat er unter anderem klar Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: und deutlich gesagt: Es kommt eine Lösung und es Herr Kollege Scheuer. kommt notfalls auch eine nationale Lösung. Wie kann solch eine nationale Lösung aussehen, die der Herr Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): Minister in Furth im Wald versprochen hat? Herr Staatssekretär, da kommt ein Bundeswirtschafts- minister an die Grenze nach Furth im Wald und ver- Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- spricht mal eben alles: Straßen, Modell zur Eindämmung minister für Wirtschaft und Arbeit: von Tanktourismus usw. Wenn auf dem Gebiet fünf Ich kann es Ihnen nicht sagen, weil ich in Furth im Jahre nichts passiert und vom Bundeswirtschaftsminister Wald nicht dabei war. Sie haben ja nicht gefragt, was in alles abgeblockt wird, ist schon die Frage, warum man Furth im Wald alles gesagt wurde. Wenn Sie aber die damit ein paar Wochen vor einer möglichen Neuwahl Medien verfolgen, dann wissen Sie, dass die Frage des kommt. Es ist ja grundsätzlich zu begrüßen, aber die (B) Tanktourismus in der Tat ein Problem ist, und zwar nicht (D) Frage ist eben: Wie ist der Zeitplan für die Umsetzung nur in Furth im Wald. Das Problem haben wir auch in des Modells? Was haben Sie da in petto? Ist das schon anderen Regionen. mit dem Bundesfinanzministerium abgesprochen? Da hört man ja auch andere Stimmen. Wie wird der Zeitplan (Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Das ha- für die nächsten Schritte sein, auch um einige Punkte des ben Sie immer abgestritten!) Modells, die sicherlich noch offen sind, mit der europäi- schen Ebene abzustimmen? Deshalb muss man sich mit der Frage auseinander set- zen, ob es irgendwelche Möglichkeiten gibt, wie man diesem Tanktourismus Einhalt gebieten kann. Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Wirtschaft und Arbeit: (Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Sie veräp- Es ist ganz wichtig – das will ich zunächst einmal peln doch die Leute! Das haben Sie immer ab- unterstreichen –, dass der Bundeswirtschaftsminister in gestritten!) Furth im Wald war, dort gesprochen hat und sich mit den Das ist anhand von mehreren Modellen geprüft worden; Problemen der Region auseinander gesetzt hat. das habe ich hier schon dreimal gesagt. Ich kann es (Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Wenn es gerne wiederholen. Ich erläutere Ihnen auch gerne das nur Ankündigungen sind, nützt es der Region Stiftungsmodell und die europarechtlichen Vorteile, die nicht!) es hat. Andere Modelle sind nämlich aus steuer-, kartell- und beihilferechtlichen Gründen in Europa nicht mög- Wir alle wissen – Sie wahrscheinlich auch –, dass der lich. Tanktourismus ein Problem ist, das insbesondere die Grenzregionen quält. Deswegen hat man sich mit der Ich habe schon in der Antwort auf die Frage des Kol- Frage auseinander gesetzt, wie man mit diesem Problem legen, der sich eben so ereifert hat und der vor Ihnen umgehen kann. sitzt, gesagt, dass wir in den Ressorts entsprechende Ge- spräche führen. Der Vorschlag, den Minister Clement Eine Möglichkeit wäre gewesen, sich sozusagen dem gemacht hat, ist ein Vorschlag seinerseits. Er ist auch anzuschließen, was die Italiener schon über viele Jahre entsprechend untermauert worden. Man muss schauen, praktizieren. Das ging aber aus europarechtlichen Grün- wie das Ganze weitergeht. Dazu ist eine entsprechende den nicht. Der Bundeswirtschaftsminister hat prüfen las- Klärung innerhalb der Ressorts notwendig. sen, ob es andere Modelle und Möglichkeiten gibt. Diese Modelle und Möglichkeiten müssen mit anderen Res- (Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Armse- sorts noch abgestimmt werden. Wir sind in diesem Ab- lige Antwort!) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17275

(A) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (C) Herr Kollege Vogel. Herr Kollege Spahn.

Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU): Jens Spahn (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, können Sie mir ganz kurz die Herr Staatssekretär, wenn man den Vorschlag so hört, Eckdaten des eben vorgeschlagenen Stiftungsmodells er- möchte man meinen, man sollte einfach etwas in der klären? Steuerpolitik tun, denn dadurch könnte das Ganze dra- matisch vereinfacht werden. Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- (Gerd Andres, Parl. Staatssekretär: Mit dem minister für Wirtschaft und Arbeit: Bierdeckel!) Das kann ich gerne tun. Man gründet eine Stiftung. Unabhängig davon möchte ich fragen, ob es denn schon Gespräche mit dem Bundesfinanzministerium und Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: dem Bundesjustizministerium gegeben hat, wenn nicht, Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass für die wann die stattfinden sollen und ob wir damit noch vor Fragestunde insgesamt zwei Stunden vorgesehen sind. der Sommerpause oder in der Sommerpause rechnen können. Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- nister für Wirtschaft und Arbeit: Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Herr Präsident, das Schöne ist auch, dass diese Frage minister für Wirtschaft und Arbeit: mit der eigentlichen Frage nichts mehr zu tun hat. Es hat schon Gespräche gegeben. (Lachen bei der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: – Das ist doch eine klare Antwort. Wenn nicht – – Sie haben es nur leichtsinnigerweise gerade selber an- geboten. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Sie wollen das doch nicht zurückholen! Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- nister für Wirtschaft und Arbeit: Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Ja, ich habe es angeboten. – Also, man gründet eine minister für Wirtschaft und Arbeit: Stiftung. Nein, will ich nicht. (B) (Volkmar Uwe Vogel [CDU/CSU]: Herr (D) Staatssekretär, Sie haben eben auch gesagt, Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: dass Sie gerne bereit sind, die Eckdaten zu er- Dann lassen wir das so stehen. läutern!) Ich rufe die Frage 8 des Kollegen Uwe Schummer – Ich mache das gerne. Der Präsident hat ja nur darauf auf: hingewiesen, dass für die Fragestunde nur zwei Stunden Mit welcher Begründung widerspricht der Staatssekretär zur Verfügung stehen. im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Georg- Man gründet also eine Stiftung. Diese Stiftung ge- Wilhelm Adamowitsch, den Vorgaben des Gesetzgebers – Quelle: Rede bei der Mitgliederversammlung des Kurato- währt in Grenzregionen ansässigen Privatpersonen riums der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung am 6. April Tankzuschüsse, wenn sie auf unnötige Tankfahrten in 2005, www.kwb-berufsbildung.de – für eine verstärkte Stu- preiswertere Nachbarländer verzichten. Der Bürger fährt fenausbildung zugunsten des nachgeordneten Anrechnungs- zu einer Tankstelle im deutschen Grenzgebiet, legt eine modells? Chipkarte vor, die er zuvor erhalten hat, und zahlt einen Preis, der in etwa dem Kraftstoffpreis des Nachbarlandes Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- entspricht. Die Alternative, eine direkte Auszahlung minister für Wirtschaft und Arbeit: durch den Bund vornehmen zu lassen, wie das beispiels- Herr Kollege Schummer, Herr Staatssekretär weise in Italien geschieht, ist in Deutschland keine Op- Adamowitsch hat sich nicht gegen gestufte Ausbil- tion, denn dann würde man ja mit direkten staatlichen dungsgänge ausgesprochen. Gestufte Ausbildungsgänge Zahlungen Bürger fördern, was die Gefahr in sich birgt, stellen gerade für praktisch begabte Jugendliche ein gu- gegen beihilferechtliche Regelungen der EU zu versto- tes Angebot für einen Einstieg in eine Berufsausbildung ßen. Das italienische Modell ist auch aus steuerrechtli- dar. Herr Staatssekretär Adamowitsch hat vielmehr auf chen Gründen nicht möglich; das habe ich eben schon die Problematik hingewiesen, dass die ausbildende Wirt- einmal dargestellt. schaft in vielen Fällen keinen Bedarf an formaler Stufen- Über die Frage, wie das mit einer solchen Stiftung ausbildung hat und bei mangelnder Alternative eher auf funktioniert, wer, wie und wo beteiligt sein muss, um das die Ausbildung verzichten würde. Das Berufsbildungs- sozusagen wasserdicht zu machen, gibt es eine Reihe gesetz schreibt vor, dass bei der Erarbeitung einer Aus- von Vorstellungen. Über diese Vorstellungen ist es aller- bildungsordnung zu prüfen ist, ob Stufenausbildung oder dings noch nicht zu einer Abstimmung innerhalb der Anrechnungsmodell sinnvoll und möglich sind. Beide Bundesregierung gekommen. Dazu sind entsprechende Alternativen werden vom Gesetzgeber als gleichwertig Prozesse notwendig, die noch im Gange sind. anerkannt. 17276 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Parl. Staatssekretär Gerd Andres (A) Um die Ziele des Ausbildungspaktes und die Auffor- Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- (C) derung des Bundestages aus dem Entschließungsantrag nister für Wirtschaft und Arbeit: der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU und des Bünd- Liebe Frau Abgeordnete Dr. Lötzsch, die für die nisses 90/Die Grünen zum Gesetzentwurf der Bundesre- Regelsatzbemessung notwendigen Daten zum gesamten gierung „Entwurf eines Gesetzes zur Reform der berufli- privaten Verbrauch der Einkommens- und Verbrauchs- chen Bildung“ zu erfüllen, ist es daher erforderlich, je stichprobe 2003 werden laut Statistischem Bundesamt nach Beruf und Branche zusammen mit den Sozialpart- voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2005 vorlie- nern nach der besten Lösung für die Neuordnung oder gen. Erst nach Auswertung dieser Daten wird sich zei- Modernisierung eines Ausbildungsberufes zu suchen. gen, ob und gegebenenfalls welche Änderungen sich er- geben können. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob und gegebenenfalls welche Veränderungen bei den Re- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: gelleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch Zusatzfragen. erforderlich werden.

Uwe Schummer (CDU/CSU): Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfragen, bitte schön. Nach dem Redemanuskript von Herrn Staatssekretär Adamowitsch, das mir vorliegt, wird der Vertrag über die dreijährige Ausbildung, die formal als Stufenausbil- Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): dung angesehen wird, als potenziell ausbildungshem- Vielen Dank, Herr Präsident! – Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Es ist ja, denke ich, in der Öffentlichkeit mend bezeichnet. Nun stellt die Stufenausbildung ja nicht unbekannt, dass wir als PDS von Anfang an die auch eine Alternative – die aufgewertet werden sollte – Hartz-IV-Gesetze scharf kritisiert haben und insbeson- zur normalen dreijährigen Ausbildung mit einer obliga- dere scharfe Kritik an der Tatsache geübt haben, dass der torischen Zwischenprüfung dar. Hält die Bundesregie- Zahlbetrag des Arbeitslosengeldes II im Osten 14 Euro rung denn generell Verträge über dreijährige Ausbildun- niedriger ist als im Westen. Wenn man jetzt die Diskus- gen für ausbildungshemmend? sion der letzten Tage verfolgt hat, hat man den Eindruck, dass niemand in diesem Hause die unterschiedlichen Re- Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- gelsätze beschlossen hat. In Talkshows äußern sich Mit- nister für Wirtschaft und Arbeit: glieder der Bundesregierung und auch Mitglieder des Bundesrates dahin gehend, dass es dafür keine Begrün- Nein. dung gäbe. Nun haben wir alle der Presse entnehmen (B) können, dass Mitglieder von SPD, CDU und Grünen der (D) Uwe Schummer (CDU/CSU): Auffassung sind, das Arbeitslosengeld II Ost solle an das Ist denn der Auftrag, den wir hier im Deutschen Bun- Arbeitslosengeld II West angeglichen werden. Wenn das destag gemeinsam in einer Resolution beschlossen so wäre, wäre das sehr schön. haben, nämlich dass der Hauptausschuss des Berufsbil- Ich möchte ganz konkret wissen: Planen die Bundes- dungsinstitutes in Bonn alle vorhandenen 360 Berufs- regierung oder auch die Fraktionen – Sie gehören als bilder dahin gehend überprüft, ob sie stufenweise orga- Staatssekretär ja auch der Fraktion an –, dem Bundestag nisiert werden können, umgesetzt worden und, wenn ja, einen entsprechenden Gesetzentwurf noch vor der Som- in welchem Zeitrahmen werden Ergebnisse von Ihnen merpause bzw. in absehbarer Zeit zuzuleiten? präsentiert werden können? Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Wirtschaft und Arbeit: minister für Wirtschaft und Arbeit: Die Frage, ob das noch vor der Sommerpause ge- schieht, kann ich mit Nein beantworten. Je nachdem wie Der Auftrag wird Zug um Zug erledigt. Sie wissen, Sie „absehbare Zeit“ definieren, kann ich auch diese dass wir unterschiedlich an der Modernisierung von Frage mit Nein beantworten. Wir müssen einmal darüber Ausbildungsordnungen arbeiten. Hier sind auch die So- reden, was Sie darunter verstehen. zialpartner gefordert. Überall da, wo eine Modernisie- rung erfolgt, wird diese Frage geprüft. Wir können das Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: nicht für alle über 300 Ausbildungsordnungen gleichzei- Das könnten Sie jetzt in einer zweiten Zusatzfrage tig angehen, sondern arbeiten das für jede Ausbildungs- verdeutlichen, Frau Kollegin. ordnung einzeln ab. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, Ich rufe die Frage 9 der Kollegin Gesine Lötzsch auf: Ihnen ist sicherlich aus Briefen und Gesprächen bekannt, dass es für Menschen, die mit dem Arbeitslosengeld II Trifft es zu – „Märkische Allgemeine“ vom 17. Juni 2005 –, auskommen müssen, sehr schwierig ist, ihren Lebensun- dass nach Auswertung der Einkommens- und Verbrauchs- stichprobe im Herbst dieses Jahres eine Absenkung des terhalt zu bestreiten. Daher möchte ich gerne wissen, ob Arbeitslosengeldes II möglich wäre, und wird die Bundesre- Sie der Auffassung sind, dass es Ihnen noch in diesem gierung von dieser Möglichkeit Gebrauch machen? Jahr gelingen wird, dem Parlament einen Gesetzentwurf Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17277

Dr. Gesine Lötzsch (A) zuzuleiten, der ein einheitliches Arbeitslosengeld II in (Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos]: Mitglieder (C) Ost und West vorsieht, und darüber eine Beschlussfas- der Bundesregierung!) sung herbeizuführen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Bundesregierung in Person des Wirtschafts- und Arbeitsministers erklärt hat: Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Wenn die Auswertung der Einkommens- und Ver- minister für Wirtschaft und Arbeit: brauchsstatistik andere Tatsachen zutage fördern würde, Die Bundesregierung hat die unterschiedlichen Re- würde man sicherlich anpassen. Das ist mein Kenntnis- gelsätze im SGB II für Ost und West nach der Einkom- stand. mens- und Verbrauchsstatistik früherer Jahre festgesetzt. Dies lag auch dem Gesetzgebungs- und Vermittlungsver- Im Übrigen verweise ich auf die Antwort, die ich vor- fahren zugrunde, im Rahmen derer die großen Volkspar- hin auf die Frage der Kollegin Lötzsch gegeben habe, teien diese Ecksätze gemeinsam beschlossen haben. Ich nämlich dass ich nicht in der Lage bin, zu erklären, dass möchte noch einmal ausdrücklich betonen, dass diese es die Veränderungen noch vor der Sommerpause oder in Regelung mit sehr breiter Mehrheit im Deutschen Bun- „absehbarer Zeit“ geben wird, da ich nicht weiß, wie sie destag beschlossen worden ist und von einer großen „absehbare Zeit“ definiert. Mehrheit für richtig gehalten wurde. Wir haben immer gesagt, dass wir die Regelsätze neu festlegen, wenn die Auswertung der neuen Einkommens- und Verbrauchs- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: statistik ergibt, dass es hier Veränderungen gegeben hat. Ich rufe die Frage 10 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch Nun haben Sie sicherlich registriert, dass die Vorbe- auf: reitungen für den Wahlkampf in diesem Lande bereits Wie viele Arbeitslosengeld-II-Empfänger werden nach angelaufen sind; die Parteien positionieren sich schon Schätzungen der Bundesregierung in diesem Jahr ihre Woh- entsprechend. Ob er allerdings stattfindet, weiß man ge- nung wechseln müssen? genwärtig noch nicht. Heute hat der für Hartz IV zuständige Ombudsrat ge- Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- tagt und einen Zwischenbericht veröffentlicht. In diesem minister für Wirtschaft und Arbeit: Zwischenbericht empfiehlt der Ombudsrat, zu prüfen, ob Frau Lötzsch, der Bundesregierung liegen die Daten, diese Sätze angepasst werden können. Da es bisher im- die für die Beantwortung der Frage erforderlich wären, mer die Position der Bundesregierung war, sowohl den nicht vor. Die Bewilligung von Leistungen für Unter- Empfehlungen des Ombudsrates zu folgen als auch Ver- kunft und Heizung fällt in die Zuständigkeit der kommu- änderungen in der Einkommens- und Verbrauchsstatistik nalen Träger. Die Aufsicht wird insoweit von den obers- (B) zu berücksichtigen, würde ich vermuten, dass es noch in ten Landesbehörden ausgeübt. (D) diesem Jahr zu einer Anpassung kommen könnte. Das hängt aber davon ab, ob es Neuwahlen gibt und wie diese ausgehen. Daher kann ich Ihre letzte Frage, ob das Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: noch in diesem Jahr stattfinden wird, nicht verbindlich Zusatzfrage. beantworten. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, Frau Kollegin Pau. erst einmal möchte ich eine persönliche Bemerkung ma- chen. Da Sie mich in Ihrer Antwort auf meine erste Petra Pau (fraktionslos): Frage als „liebe Kollegin“ bezeichnet haben, möchte ich Herr Staatssekretär, wie Sie schon zutreffend bemerk- Sie darum bitten, meinen Nachnamen richtig auszuspre- ten, weiß in diesem Hause keiner, ob es in diesem Jahr chen, nämlich mit langem ö. Danke schön. Neuwahlen gibt. Insofern interessiert mich, ob die der- zeitige Bundesregierung bereit ist, in der Zeit – mag sie Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- nun länger oder kürzer sein –, in der sie noch die Verant- minister für Wirtschaft und Arbeit: wortung hat, hier eine Korrektur vorzunehmen. Immer- hin haben Mitglieder der Bundesregierung quer durch Ich bitte um Verzeihung. Das tue ich gerne. beide Regierungsparteien in den letzten vier Wochen den Wählerinnen und Wählern eine Angleichung verspro- Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): chen. Sie wollen doch sicherlich dem Eindruck entge- gentreten, dass es nur Wahlkampfgetöse ist und dass die Das ist gut. Versprechen am Tag nach der Wahl wieder kassiert wer- Jetzt zur Frage: Sie haben gesagt, Ihnen lägen keine den. Informationen vor, es werde Sie aber sehr beschäftigen, Informationen zu bekommen. Welche Aktivitäten hat Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- denn die Bundesregierung unternommen, um aus den minister für Wirtschaft und Arbeit: einzelnen Bundesländern und von den einzelnen Kom- Mir ist nicht bekannt, dass die Bundesregierung eine munen Informationen darüber zu bekommen, welche Angleichung versprochen hat. Da wissen Sie mehr als und wie viele Arbeitslosengeld-II-Empfänger höchst- ich. wahrscheinlich umziehen müssen? 17278 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

(A) Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- dass es ein so großes Massenphänomen ist, dass man (C) minister für Wirtschaft und Arbeit: steuernd eingreifen müsste. Es handelt sich um eine Zu- Keine. ständigkeit der Kommunen; daher müssen sich die obersten Landesbehörden damit auseinander setzen. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Eine weitere Zusatzfrage. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Keine Nachfragen. – Die Frage 11 soll schriftlich be- antwortet werden. – Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes- auch wenn Sie keine Bemühungen unternommen haben, ministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Zur um Informationen zu bekommen, gehe ich doch davon Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretä- aus, dass sich die Bundesregierung zumindest Gedanken rin Marion Caspers-Merk zur Verfügung. über die Auswirkungen eines Gesetzes macht, das sie Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Jens Spahn auf: hier in den Deutschen Bundestag eingebracht und in der Trifft es zu, dass der Projektleiter für das Modellprojekt vom Vermittlungsausschuss veränderten Form mit be- zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger ausge- schlossen hat. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, schieden ist, und, wenn ja, was waren die Gründe hierfür? dass aufgrund des hohen Wohnungsleerstandes in Ost- deutschland und aufgrund der fehlenden Wohnungen in Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der Westdeutschland mehr Arbeitslosengeld-II-Empfänger Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung: in den neuen Ländern umziehen müssen bzw. von Kom- Herr Präsident! Herr Kollege Spahn, Sie fragen nach munen oder Ländern zum Umzug gedrängt werden, als dem Modellprojekt heroingestützte Behandlung Opiat- es in den alten Bundesländern der Fall ist? abhängiger, das wir derzeit in sieben Städten auf aus- drücklichen Wunsch der Städte und der beteiligten Län- Gerd Andres, Parl. Staatssekretär beim Bundes- der durchführen. Zutreffend ist, dass die Person des minister für Wirtschaft und Arbeit: Projektleiters gewechselt hat. Der Wechsel liegt aber be- Sehr verehrte, liebe Frau Kollegin Dr. Lötzsch, ich reits einige Zeit zurück. Der bisherige Leiter des Modell- bilde mir ein, mich insbesondere mit den Gesetzen aus- projekts hat das Zentrum für Interdisziplinäre Suchtfor- zukennen, die mein Ressort in dieses Haus einbringt. Ich schung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf habe schon darauf hingewiesen, dass nach der im Gesetz zum 30. September 2003 auf eigenen Wunsch verlassen, enthaltenen Aufteilung für die Frage der Unterkunfts- um neue berufliche Perspektiven wahrnehmen zu kön- (B) und Heizkosten die kommunale Seite zuständig ist. Im nen. Wir haben über diesen Personalwechsel damals (D) Gesetz steht, wie Sie sicherlich wissen, eine Verord- auch die beteiligten Städte und Länder informiert. nungsermächtigung für den Bund, die angemessenen Die hohe wissenschaftliche Qualität dieser klinischen Mietkosten und ähnliche Fragen per Verordnung regeln Studie, die nach einem festgelegten Prüfplan durchge- zu können. Davon hat der Bund bisher ganz absichtlich führt wird – es gibt einen wissenschaftlichen Beirat und Abstand genommen, weil man bei der neuen Konstruk- viele weitere Beteiligte –, ist durch den Wechsel in der tion des SGB II und den dort geregelten Zuständigkeiten Führung in keinster Weise beeinträchtigt worden. nach unserem Verständnis sehr genau darauf achten muss, dass man in Bereiche, die der kommunalen Selbst- verwaltung obliegen und für die ausschließlich und aus- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: drücklich die Kommunen zuständig sind – dies habe ich Bitte schön, Ihre Nachfrage. bereits zu beantworten versucht –, nicht hineinregiert. Jens Spahn (CDU/CSU): (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Da ich weder Solms) auf kommunaler noch auf Landesebene tätig bin, war Zum dritten Teil Ihrer Frage: Ich glaube nicht, dass mir diese Information so noch nicht zugänglich. Ich besonders viele Menschen in den neuen Bundesländern möchte fragen, ob tatsächlich ausschließlich der Wunsch umziehen müssen, weil dort so viel Leerstand zu ver- nach einem beruflichen Wechsel des Studienleiters oder zeichnen ist. Dies hat mit dem Leerstand zunächst ein- ob nicht auch persönliches Fehlverhalten und Vorwürfe, mal gar nichts zu tun. Vielmehr hat es etwas damit zu die erhoben wurden, zu diesem Wechsel geführt haben. tun, ob man der Meinung ist, dass Menschen, die Leis- tungen nach dem SGB II beziehen, überwiegend in an- Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der gemessenem Wohnraum wohnen oder nicht. Diese Frage Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung: muss man erst einmal definieren; dann muss man sagen, Der Beteiligte, Herr Professor Kraus, hat uns in einem was man an Kosten für Wohnraum pro Person, für die Brief vom 4. September 2003 darüber informiert, dass er Bedarfsgemeinschaft, beispielsweise für eine mehrköp- gefragt worden sei, ob er sich als Staatssekretär beim Se- fige Familie, und Ähnliches zugrunde legt. Hier gibt es nator für Wissenschaft in Berlin bewerben wolle. Er hat unterschiedliche Aussagen, wie Sie wissen. Das muss uns mitgeteilt, dass er einen Wechsel möchte und des- man sich im Einzelnen anschauen. Aber ich habe eben halb von seinen Aufgaben als Studienleiter entbunden schon die Antwort gegeben, dass wir dem gegenwärtig werden möchte. Erst im Nachgang zu dieser Bewerbung nicht nachgehen, weil wir nicht der Auffassung sind, um ein öffentliches Amt wurden in der Öffentlichkeit Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17279

Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk (A) Vorwürfe laut – es ging dabei um Ereignisse, die weit schaft geklärt werden. Dieses Verfahren ist noch nicht (C) zurücklagen –, er solle für pharmazeutische Unterneh- abgeschlossen. Insofern kann ich nur sagen: Ich bin sehr men Studien, die nicht deklariert worden sind, erarbeitet froh, dass für die Bereiche, in denen wir eine Schnitt- haben. Das geschah aber zu einem Zeitpunkt, zu dem stelle hatten, schon mit seiner Bewerbung der Studien- schon klar war, dass er sein Amt niederlegt, und zu dem leiterwechsel klar war. Dass die Studie völlig problemlos die Nachfolgeregelung schon längst getroffen worden weitergeführt wurde, sehen Sie daran, dass sie in der Öf- war. fentlichkeit seit dem 4. September 2003 nie ein Thema war. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Zweite Nachfrage, bitte. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Dann kommen wir zur Frage 13 des Kollegen Spahn: Jens Spahn (CDU/CSU): Welche Ergebnisse hat die erste Zwischenauswertung nach Beendigung des ersten Studienjahres bei der heroinge- Auf die Nachfolge möchte ich kurz eingehen. Wie ist stützten Behandlung Opiatabhängiger geliefert? der Nachfolger gefunden worden? Wer ist es und ist si- chergestellt, dass er nicht auch ein Stück weit ähnlich voreingenommen ist wie der vorherige Projektleiter, der Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der schon vor Beendigung dieser Studie in Interviews den Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung: möglichen Ausgang, dass nämlich am Ende Heroin auf Sie haben gefragt, ob uns schon erste Ergebnisse vor- Rezept zu erhalten ist, dargestellt hat? Ist sichergestellt, liegen. Ich führe dazu aus: Die erste Phase der klinischen dass der neue Projektleiter nicht so voreingenommen ist? Studie wurde prüfplangemäß Ende Dezember 2004 ab- geschlossen. Es handelt sich dabei um eine klinische Studie mit 1 000 Probanden. Ich möchte Ihnen erklären, Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der um welche Auswertungsdichte es dabei genau geht. Es Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung: werden über 250 000 so genannte Case Report Forms er- Zunächst einmal weiß ich nicht, auf welche Äußerung stellt. Es muss täglich über den Gesundheitszustand der Sie sich beziehen. Wir jedenfalls haben festgelegt, dass Probanden und über Strukturveränderungen berichtet es eine klinische Arzneimittelstudie mit einem offenen werden. Es muss geklärt werden, ob die Abgabe des Ausgang sein wird. Wir werden dann prüfen, ob die Ab- Stoffs oder der Beikonsum reduziert werden können und gabe von Heroin in klinischer Form in speziell ausge- ob die Leute bereit sind, in eine abstinenzorientierte wiesenen Studienzentren unter hohen Sicherheitsaufla- Therapie oder in Methadonprogramme zu wechseln. gen dazu führt, dass die Zahl der Drogentodesfälle zurückgeht und dass diejenigen, die behandelt werden, Die 250 000 Files sind noch nicht ausgewertet. Des- (B) (D) eine größere Überlebenschance haben. halb kann ich Ihnen auch noch keine Zwischenergebnisse präsentieren. Wir rechnen damit, dass die Zwischen- Ich glaube, wir sind uns alle darin einig, dass es ange- ergebnisse zwischen August und Oktober vorgelegt wer- sichts von 120 000 Heroinabhängigen in Deutschland den. Zunächst einmal werden sie mit den betroffenen oberstes Ziel sein muss, den Ausstieg aus der Sucht zu Städten diskutiert und anschließend der Öffentlichkeit ermöglichen, das Überleben zu sichern und alle Maß- zugänglich gemacht. nahmen zu ergreifen, um den Gesundheitszustand zu verbessern. Ich erinnere an die in der Vergangenheit er- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: folgte Ausbreitung übertragbarer Krankheiten wie HIV/ Nachfrage, bitte. Aids durch gemeinsame Nadelbenutzung. Wir haben viele Bausteine von Hilfen geschaffen. Einer dieser Bau- steine ist das Modellprojekt zur kontrollierten heroinge- Jens Spahn (CDU/CSU): stützten Behandlung. Frau Staatssekretärin, Sie hatten in der Antwort auf eine Kleine Anfrage, die meine Fraktion im Juli des letz- Auch der neue Leiter kommt vom Universitätsklini- ten Jahres gestellt hat, die Ergebnisse für den Sommer kum Hamburg-Eppendorf. Er ist ein ausgewiesener 2005 – nun kann man, wenn man mag, den Sommer bis Suchtforscher. Ich habe ausdrücklich darum gebeten, zum Oktober ausdehnen – in Aussicht gestellt. Ich hoffe, dass sich die Studienleiter mit öffentlichen Aussagen zu- dass die Ergebnisse bald vorliegen. Dennoch möchte ich rückhalten, solange die Studie läuft. Wenn eine Studie noch eine Frage stellen: Wie bewertet die Bundesregie- abgeschlossen ist, hat jeder Wissenschaftler das Recht, rung den Umstand, dass die Bundesärztekammer bereits die Ergebnisse zu bewerten. Ich gehe davon aus – Sie Fachgremien zur Erarbeitung von Richtlinien – zumin- werden in der Öffentlichkeit von dem neuen Leiter dest ist meines Wissens dazu Ende März eingeladen nichts gehört haben, was gegenteiliger Art wäre –, dass worden – zur Behandlung von Heroinabhängigen durch er sich an diese Verabredung hält. Originalstoffabgabe einlädt, bevor das entsprechende Ich will an dieser Stelle sagen: Ob die Vorwürfe, die Modellprojekt abgeschlossen ist? in der Öffentlichkeit gegen Herrn Professor Kraus erho- ben wurden, zutreffen oder nicht, ist nicht klar. Es han- Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der delte sich um anonyme Anschuldigungen. Wir beide Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung: wissen: Wer im Rampenlicht steht, muss damit rechnen, Ich halte das für ein sehr seriöses Vorgehen. Sie wis- dass er anonymen Vorwürfen ausgesetzt ist. Ob die zu- sen, dass die Bundesärztekammer in das Studiendesign treffen oder nicht, muss dann seitens der Staatsanwalt- einbezogen war und dass die Studie wissenschaftlich 17280 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk (A) begleitet wird. Niemand kann ein Interesse daran haben, Ich rufe zunächst die Frage 16 des Kollegen Volkmar (C) dass ein Zeitverzug aufgrund der relativ spät erfolgten Uwe Vogel auf: Beantragung entsteht. Ein solcher Zeitverzug hätte zur Bis wann wird die Bundesregierung die dritte Teilfinanzie- Folge, dass wir die Gruppe, die sich jetzt zum Ausstieg rungsvereinbarung zum Ausbau der Mitte-Deutschland-Ver- bereit erklärt hat und bereit ist, in Methadon- und ande- bindung – unter anderem Streckenabschnitt Gera–Gößnitz – ren Programmen weiterzumachen, verlieren würden. Die unterzeichnen, damit sichergestellt ist, dass die dringend er- vorbereitenden Arbeiten müssen unabhängig davon, ob forderliche Bahninfrastruktur – besonders im Bereich der DB Station & Service – rechtzeitig zum Beginn der Bundes- später ein Antrag gestellt wird oder nicht, geleistet wer- gartenschau 2007 zur Verfügung steht? den. Wir wollen nicht in die Situation kommen, dass ein Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Teil der Studienteilnehmer wieder auf „Straßenheroin“ minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: umsteigt. Das kann niemand politisch verantworten. In- Sehr geehrter Herr Kollege Vogel, der Bund wird die sofern müssen wir dafür sorgen, dass alles rechtzeitig dritte Teilfinanzierungsvereinbarung zum Ausbau der so vorbereitet ist. Zu dem Zeitpunkt, an dem die Auswer- genannten Mitte-Deutschland-Verbindung – Ausbaustre- tung vorliegt, wird politisch zu entscheiden sein, ob ein cke Paderborn–Chemnitz – voraussichtlich in den nächs- Antrag gestellt wird oder nicht. ten Tagen unterzeichnen.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ihre zweite Nachfrage. Ihre Nachfrage.

Jens Spahn (CDU/CSU): Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU): Kurz nachgefragt: Sie glauben also nicht, dass auf- Vielen Dank, Herr Präsident, und vielen Dank für Ihre grund der Tatsache, dass sich die Bundesärztekammer konkrete Antwort. – In diesem Zusammenhang habe ich und andere möglicherweise Betroffene schon auf eine nur noch eine Nachfrage: , die bis zur Originalstoffabgabe einstellen und diese vorbereiten, in BUGA 2007 für die notwendigen Maßnahmen, die jetzt gewisser Weise ein Präjudiz geschaffen wird? entlang der Bahnstrecke erforderlich sind, zur Verfügung steht, ist ja recht knapp bemessen. Ist für den Fall, dass Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der es bei der Unterzeichnung der dritten Teilfinanzierungs- Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung: vereinbarung doch noch zu Verzögerungen kommen sollte, damit zu rechnen, dass die Bundesregierung die (B) Herr Kollege Spahn, da es sich um eine klinische Arz- (D) Mittel für einzelne, konkret notwendige Maßnahmen neimittelstudie handelt und ich weiß, dass das ein Thema auch vorab freigeben wird? ist, das eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit genießt, möchte ich, dass damit sehr sorgfältig umgegangen wird. Ich möchte auf jeden Fall vermeiden, dass es bei den be- Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- troffenen Städten zu Unsicherheit kommt. Natürlich gibt minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: es vorab die Kommunikation mit den Städten. Ich kenne Kollege Vogel, der Antrag auf Entsperrung der Mittel die Zwischenberichte aus Karlsruhe und Bonn. Beide ist gestellt. Sobald das BMF diese Mittel entsperrt, wird sprechen von einer hohen Haltequote, das heißt, nie- die Teilfinanzierungsvereinbarung unterschrieben. Das mand steigt vorher aus dem Modellprogramm aus; das wurde auf der Fachebene bereits geklärt. Ich erwarte da- ist ein Erfolg. Daneben ist eine deutliche Verbesserung her keine Verzögerungen, auch nicht hinsichtlich des des Gesundheitszustands der Gruppe zu verzeichnen. Maßnahmenbündels, das im Zusammenhang mit der Diese Schilderungen liegen uns vor, dabei handelt es Bundesgartenschau abzuarbeiten ist. Ich bin sehr zuver- sich aber nicht um eine wissenschaftliche Auswertung sichtlich, dass wir das bis zu diesem Termin erledigt ha- einer Arzneimittelstudie. ben werden. Diese positiven Zwischenmeldungen führen dazu, dass man sich Gedanken über vorbereitende Maßnah- Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU): men macht, damit man auf jeden Fall auf der sicheren Vielen Dank. Seite ist. Diese Maßnahmen werden getroffen, aber die Entscheidung darüber, ob und, wenn ja, in welcher Form Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: es weitergehen wird, wird erst getroffen, wenn validierte Ergebnisse vorliegen. Dann kommen wir zur Frage 17 des Kollegen Vogel: Wird die Bundesregierung nach Maßgabe des Gesprächs am 10. Mai 2005 – unter anderem mit thüringischen Abgeord- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: neten der Fraktion der SPD – die Fixierung eines Sondertitels Die Fragen 14 und 15 werden schriftlich beantwortet. für die Finanzierung der Planungen vornehmen sowie dafür Sorge tragen, dass die DB Netz AG für die Straßenüberfüh- Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bun- rung Landstraße L 1358 über die Sachsenmagistrale in Göß- desministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. nitz die notwendigen technischen Parameter bis zum 30. Juni 2005 mitteilt und die notwendige Planungsvereinbarung ge- Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische mäß den §§ 3 und 12 Nr. 1 des Eisenbahnkreuzungsgesetzes Staatssekretärin Iris Gleicke zur Verfügung. bis zum 30. Juni 2005 vorlegt? Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17281

(A) Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C) minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Ihre zweite Nachfrage, bitte schön. Lieber Kollege Vogel, die DB Netz AG erhält die Pla- nungsmittel über eine Planungskostenpauschale, die Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU): nach Auffassung des Bundes grundsätzlich auskömm- An diesem Weg arbeite ich mittlerweile schon drei lich ist. Die DB Netz AG verausgabt diese Planungsmit- Jahre. Einerseits versuche ich, diese Angelegenheit auch tel allerdings nach Maßgabe eigener unternehmerischer mit meinen Möglichkeiten hier im Plenum voranzubrin- Prioritätensetzung. gen. Andererseits – hier muss ich Ihnen widersprechen, Frau Staatssekretärin; deshalb geht auch meine Frage in Bei der Straßenüberführung der Landstraße L 1358 diese Richtung – ist es natürlich so, dass an das Brücken- über die so genannte Sachsenmagistrale in Gößnitz han- bauwerk Bedingungen, die vonseiten der Bahn vorgege- delt es sich um eine Straßenbrücke im Zuge einer im ben werden, und Angaben, die vonseiten der Bahn ge- Eigentum des Landes Thüringen stehenden Straße. Ein macht werden müssen, geknüpft sind: in Bezug auf Zusammenhang zu den vom Bund geförderten Investi- einen Mittelpfeiler, der nicht mehr vorhanden sein darf, tionen in die Sachsenmagistrale ist nicht erkennbar. und in Bezug auf die entweder vorübergehende oder Sofern der Straßenbaulastträger, das Land Thüringen, dauerhafte Umsetzung eines Stellwerkes. Zwischen den eine Erneuerung der Brücke vornehmen möchte, ist nach Fachleuten auf beiden Seiten ist daher einvernehmlich dem Eisenbahnkreuzungsgesetz eine Kreuzungsverein- vereinbart worden, dass eine Planungsvereinbarung er- barung mit der DB AG zu schließen. forderlich ist, um diese notwendigen Anpassungen vor- nehmen zu können. Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU): Meine Frage lautet ganz einfach, ob dann die notwen- Frau Staatssekretärin, die heutige diesbezügliche Fra- digen finanziellen Mittel auch vonseiten der Bundesre- gestunde hätten wir uns zwar sparen können, wenn der gierung mit zur Verfügung gestellt werden, gegebenen- von mir vorgeschlagene Besprechungstermin – entweder falls auch zusätzlich zu den pauschalen Mitteln, die der in Ihrem Hause oder an einem anderen Ort – hätte statt- Bahn zur Verfügung stehen. finden können. Aber ich möchte an dieser Stelle noch eine Nachfrage zu den notwendigen Finanzierungen ei- Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- ner Planungsvereinbarung stellen, die nach meinem minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Kenntnisstand schon vorliegt, aber natürlich noch nicht Ich will noch einmal sehr deutlich sagen: Die Bahn unterzeichnet ist: Stehen Sie in Kontakt mit der Deut- bekommt Planungsmittel in pauschaler Höhe und kann schen Bahn AG und empfehlen Sie ihr, diese Planungs- sie selber bei konkreten Projekten und Maßnahmen ein- (B) vereinbarung zu unterzeichnen und die ihr, wie Sie eben setzen. Hier handelt es sich aber um eine Maßnahme der (D) geschildert haben, pauschal zur Verfügung stehenden Straßenbauverwaltung des Freistaates Thüringen; es ist Mittel dafür einzusetzen? also keine Bahnmaßnahme. Es ist völlig klar, dass, wenn sich Straße und Schiene kreuzen, bestimmte Kriterien einzuhalten sind, was Sicherheit und Technik angeht. Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Das bedeutet, dass für einen solchen Ersatzbau für eine minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: vorhandene Kreuzung selbstverständlich eine Kreu- Herr Kollege Vogel, Sie wissen, dass ich insbesondere zungsvereinbarung zu treffen ist; dort werden die techni- den Kolleginnen und Kollegen der Opposition gerne Ge- schen Kriterien festgelegt. Hier hat der Freistaat Thürin- sprächstermine einräume. An dieser Stelle ist es uns gen zusammen mit der Bahn zu handeln und das dann nicht gelungen, einen passenden Termin zu finden. Aber auch schriftlich zu fixieren. ich freue mich immer, Sie in der Fragestunde zu treffen. Die gesetzlichen Grundlagen in der Bundesrepublik (Volkmar Uwe Vogel [CDU/CSU]: Ich freue Deutschland dazu sind allgemein bekannt. Es ist auch mich auch!) nicht das erste Mal, dass ein Bundesland eine Straßen- brücke, die über eine Bahnschiene führt, in eigener Ver- Nun zu der Vereinbarung: Dem Land Thüringen ge- antwortung erneuern muss – das ist eine geübte Praxis. hört eine sehr marode Stahlbrücke; wir beide kennen das Insofern bin ich zuversichtlich, dass dieses noch gelin- Bauwerk. Bei der Sanierung handelt es sich um eine Lan- gen wird, auch wenn Ihr zähes Ringen mit der Regierung desstraßenmaßnahme. Da die Brücke über eine Bahnstre- des Freistaates Thüringen cke führt, kann das Land Thüringen hier auf die Bahn zu- (Volkmar Uwe Vogel [CDU/CSU]: Auch und rückgreifen und mit ihr eine Vereinbarung schließen nach vor allen Dingen mit der Bundesregierung!) dem Motto: Ihr seid schon vor Ort und baut, also könnt ihr das mit übernehmen. Natürlich kann der Freistaat da noch nicht zum Erfolg geführt hat. Thüringen die Sanierung auch selbst übernehmen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich sehe mich außerstande, hier eine Weisung zu er- teilen. Sie wissen, dass das nicht funktionieren würde. Danke schön, Frau Staatssekretärin. – Die Fragen 18, 1) Ich kann nur empfehlen, noch einmal mit Minister 19 , 20 und 21 sollen schriftlich beantwortet werden. Trautvetter zu sprechen und darauf hinzuwirken, hier möglichst schnell einen Weg zu finden, damit diese alte 1) Die Antworten zu den Fragen 18 und 19 werden zu einem späteren und verschlissene Brücke ordentlich saniert wird. Zeitpunkt abgedruckt. 17282 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Aus- Worin sieht die Bundesregierung – vergleiche Verfas- (C) wärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht die Staatsmi- sungsschutzbericht 2004, Seite 159 – die Einstufung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Anti- nisterin Kerstin Müller zur Verfügung. faschistinnen und Antifaschisten e. V., VVN-BdA, als links- Die Fragen 22 und 23 sollen ebenfalls schriftlich be- extreme Organisation begründet? antwortet werden. Deswegen kommen wir zur Frage 24 der Kollegin Ute Vogt, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister Petra Pau: des Innern: Sind der Bundesregierung Überlegungen der US-Regie- Sehr verehrte Kollegin, die Bundesregierung verweist rung bekannt – siehe „Süddeutsche Zeitung“ vom 16. Juni auf ihre auch noch heute gültige Antwort zu den 2005 –, dem Iran eine geringfügige Anreicherung von Uran Fragen 2 und 3 der Kleinen Anfrage – Drucksache zuzugestehen? 14/6815 – der Abgeordneten und der Frak- tion der PDS. Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Der Bundesregierung sind Überlegungen der USA, Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: dem Iran eine geringfügige Anreicherung von Uran zu- Eine Nachfrage? – Frau Pau, bitte. zugestehen, nicht bekannt. Der in Ihrer Frage angeführte Zeitungsartikel zitiert entsprechende Mutmaßungen des damaligen Präsidentschaftskandidaten Rafsandschani. Petra Pau (fraktionslos): Frau Staatssekretärin, Sie verwiesen schon darauf, Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: dass diese Kleine Anfrage wie auch die Beantwortung Eine Nachfrage, bitte. und die damit verbundene Positionierung schon einige Jahre zurückliegt. Nun befinden wir uns ja immer noch Petra Pau (fraktionslos): im 60. Jahr der Befreiung Deutschlands vom Faschis- Danke, Frau Staatsministerin. – Ich habe nur eine mus. Deshalb treibt mich die Frage um, warum die Bun- Nachfrage: Gehe ich recht in der Annahme, dass die desregierung ihre diesbezügliche Positionierung nicht Bundesregierung solche Vorhaben auch nicht unterstüt- geändert hat; denn sie steht aus meiner Sicht in einem di- zen würde? rekten Gegensatz zum Umgang mit Mitgliedern des Bundes der Antifaschisten, VVN. Ich denke nur an die Würdigung des Ehrenpräsidenten des Internationalen Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen (B) Amt: Auschwitz-Komitees, Kurt Julius Goldstein, durch den (D) Bundeskanzler während der Feierlichkeiten einerseits Wie gesagt, ein derartiges Zugeständnis ist uns nicht und durch den Bundespräsidenten andererseits. Dieser bekannt. Die E3/EU – also Deutschland, Frankreich und hat Kurt Julius Goldstein vor wenigen Tagen das Bun- Großbritannien; mit der Unterstützung des Hohen Re- präsentanten der EU – führen mit Iran Verhandlungen desverdienstkreuz verliehen. Wie verträgt sich das mit über ein langfristiges Abkommen. Ziel ist es, für die im der Einstufung dieses einen Vorsitzenden der VVN-BdA Zusammenhang mit dem iranischen Nuklearprogramm im Verfassungsschutzbericht als linksextrem? entstandenen Sorgen der internationalen Gemeinschaft eine Lösung zu finden. Hier ist von zentraler Bedeutung – das ist unsere Position –, ob es gelingt, vom Iran ob- Ute Vogt, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister jektive Garantien zu erhalten, dass sein Nuklearpro- des Innern: gramm ausschließlich für friedliche Zwecke genutzt Die Einschätzung bezieht sich auf die Organisation werden kann. Aus Sicht der E3 der EU sind solche ob- als Ganzes. Es ist immer so, dass solche Organisationen jektiven Garantien nur gegeben, wenn Iran auf sensitive auch Einzelmitglieder haben, die nicht in jedem Punkt Nukleartechnologien des Brennstoffkreislaufes wie die die extremistischen Tendenzen der eigenen Organisation Wiederaufbereitung und die Anreicherung verzichtet. vorweisen. Dieser Verhandlungsansatz der E3/EU findet breite Un- terstützung der internationalen Gemeinschaft einschließ- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: lich der USA. Zweite Nachfrage, bitte.

Petra Pau (fraktionslos): Danke schön. Petra Pau (fraktionslos): Abgesehen von meinem Hinweis darauf, dass dieses Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Einzelmitglied immerhin Ehrenpräsident dieser Vereini- Danke schön, Frau Staatsministerin. gung ist, habe ich eine weitere Frage: Womit begründet die Bundesregierung nun auch noch die Aufnahme der Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi- Kämpfer in der Résistance in den Verfassungsschutzbe- nisteriums des Innern. Zur Beantwortung steht die Parla- richt? Wir erinnern uns: Vor einem Jahr hat der Präsident mentarische Staatssekretärin Ute Vogt zur Verfügung. Frankreichs Vertreter ebendieser Vereinigung zu den Zunächst Frage 25 der Kollegin Petra Pau: Feierlichkeiten zur Landung in der Normandie nach Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17283

Petra Pau (A) Frankreich eingeladen und ihren aktiven Widerstand ge- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C) gen den Faschismus gewürdigt. Eine Nachfrage, Herr Baumann.

Ute Vogt, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister Günter Baumann (CDU/CSU): des Innern: Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Da Herr Krüger Die Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht er- seit etwa fünf Jahren als Präsident bei diesem Amt tätig folgt immer, wenn man in einer Organisation Tendenzen ist, ergibt sich natürlich die Frage, warum gerade jetzt, festmacht, an denen man erkennen kann, dass verfas- da von Neuwahlen in Deutschland gesprochen wird, die- sungsfeindliche Bestrebungen zumindest geduldet oder ser Arbeitsvertrag verändert wird. auch unterstützt werden. In diesem Sinne sind die Auf- nahmen begründet. Ute Vogt, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister des Innern: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Es gibt keinen Zusammenhang mit den möglicher- Eine weitere Frage der Kollegin Lötzsch. weise anstehenden Neuwahlen; denn die Entscheidung für die unbefristete Anstellung erfolgte durch den Minis- ter Anfang April, als die möglichen Neuwahlen noch Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): nirgends auf der Tagesordnung standen. Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin, dann können Sie sicher eine Auskunft darüber erteilen, Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: worin die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Eine weitere Nachfrage, bitte. Kämpfer in der Résistance bestehen sollen. Günter Baumann (CDU/CSU): Ute Vogt, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister Ich habe noch eine zweite Nachfrage. Ich würde des Innern: gerne wissen, um was für einen Arbeitsvertrag es sich Diese Auskunft müsste man in Rücksprache mit dem jetzt handelt. Handelt es sich um ein normales Angestell- Bundesamt für Verfassungsschutz erteilen. tenverhältnis oder um ein beamtenähnliches Verhältnis? (Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos]: Sie können also keine Auskunft darüber geben?) Ute Vogt, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister des Innern: – Ich kann Ihnen zu dieser konkreten Frage bzw. zu den Es ist ein normales, unbefristetes Angestelltenverhält- konkreten Vorwürfen in diesem Fall zum jetzigen Zeit- (B) nis im öffentlichen Dienst. (D) punkt keine Auskunft geben. (Günter Baumann [CDU/CSU]: Danke!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vielen Dank. – Wir kommen dann zur Frage 26 des Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Kollegen Günter Baumann: Danke schön, Frau Staatssekretärin. Die Frage 27 des Abgeordneten Koschyk wird schriftlich beantwortet. Trifft es zu, dass der Bundesminister des Innern, , den Arbeitsvertrag des Präsidenten der Bundeszentrale Auch die Fragen 28 bis 30 aus dem Geschäftsbereich für politische Bildung, Thomas Krüger, in einen Lebenszeit- des Bundesministeriums der Finanzen sollen schriftlich vertrag umwandeln wird – vergleiche Meldung der „Frankfur- ter Allgemeinen Zeitung“ vom 17. Juni 2005, Seite 2 –, und, beantwortet werden. wenn ja, aus welchen Gründen erfolgt diese personalpoliti- sche Entscheidung? Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr. Dann wird die Ute Vogt, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister Aktuelle Stunde aufgerufen. des Innern: (Unterbrechung von 14.29 bis 15.00 Uhr) Lieber Herr Kollege Baumann, die Berufung des Prä- sidenten der Bundeszentrale für politische Bildung Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: erfolgt üblicherweise in Form eines unbefristeten Ar- beitsverhältnisses. Dementsprechend war auch der Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Amtsvorgänger, Herr Dr. Günter Reichert, CDU, in ei- Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: nem unbefristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt. Aktuelle Stunde Die zeitliche Befristung und damit die Abweichung auf Verlangen der Fraktion des BÜNDNIS- von dieser Praxis erfolgten bei der Einstellung von Herrn SES 90/DIE GRÜNEN Krüger auf dessen eigenen Wunsch. Herr Krüger leitet Steuerrechtliche Positionen der FDP vor dem die Bundeszentrale für politische Bildung in hervorra- Hintergrund von Berichten über eigene gender Weise. Er nimmt die Aufgaben dieses parteiüber- Finanztransaktionen greifenden Amtes in vorbildlicher Weise wahr. Deshalb soll sein Amtsverhältnis nach Ablauf dieser Befristung Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu- im Einvernehmen mit ihm in ein unbefristetes Amtsver- nächst der Kollegin Christine Scheel, Bündnis 90/Die hältnis umgewandelt werden. Grünen. 17284 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert (A) (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Die Heu- man einen Einkommensteuertarif so weit unterlaufen (C) schrecke in Rosa! – Gegenruf des Abg. kann, dass die reale Steuerlast gegen 0 Euro tendiert. Die Dr. Uwe Küster [SPD]: Herr Michelbach, an Sozialisierung der Parteischulden war und ist das Ziel. das eigene Näschen fassen!) Als Wahlprogramm wird ein milliardenschweres Steuersenkungskonzept angepriesen, Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Herr (Dr. Uwe Küster [SPD]: Wir schreiben die Michelbach ist heute ganz schön frech, aber das ist FDP ab!) nichts Neues. – Wir diskutieren heute darüber, wie die das vorrangig Subventionen zugunsten von Arbeitneh- FDP – so der „Spiegel“ – trickreich Schulden los wird merschichten und kleinen Sparern streicht und auf der und Teilhabern einer parteinahen Firma hilft, Steuern zu staatlichen Ausgabenseite Haushaltseinsparungen vor- sparen. Das ist die Grundlage dieser Aktuellen Stunde. legt. Wenn man sich die einzelnen Punkte anschaut, (Dr. [FDP]: Donner- stellt man fest, dass sich die Annahmen, was alles an wetter!) Geldern in Milliardenhöhe in die Kassen hineingespült werden soll, um die Steuersätze massiv zu senken, in Wir wissen – das steht schon lange in den Zeitungen –, Luft auflösen. Das ist Blendwerk. Man sieht, wenn man dass sich die selbst ernannte Steuersenkungspartei durch sich die arbeitsmarktpolitischen Vorschläge anschaut, die Immobilien für ihre beiden Parteizentralen in Bonn dass Sie so daneben liegen, dass man sich schon fragen und Berlin hoch verschuldet hat und sich deshalb die muss: Hat diese Partei überhaupt noch ein bisschen An- Frage stellen musste: Wen kann ich anzapfen und wen stand? kann ich belasten, um die Partei von den Schulden lang- fristiger Finanzierungen zu befreien? Die FDP wollte (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ihre Schulden also einerseits schultern, sie aber anderer- und bei der SPD – Dr. Uwe Küster [SPD]: Für seits durch die Nutzung von steuervermeidenden Ver- Anstand ist diese Partei nicht zuständig!) lustzuweisungen zugunsten von privaten Anlegern auf die öffentliche Hand, also den Staat, abwälzen. Fakt ist: Die FDP bedient sich jeglicher Steuervermei- dungsstrategie, um nicht aus eigener Kraft Zins und Til- Herr Dr. Solms, gung für die beiden Parteizentralen abtragen zu müssen. (Dr. Karlheinz Guttmacher [FDP]: Ein guter Sie fordern den schlanken Staat, saugen ihn aber selbst Mann!) aus. Sie fordern die Privatisierung staatlicher Aufgaben, zapfen aber den Steuerzahler an, um die eigenen maro- Sie als oberster Schatzmeister der FDP wissen genau, den Parteifinanzen zu sanieren. Die Quintessenz ist die (B) worum es geht. Sie haben kürzlich gesagt – ich zitiere –: Sozialisierung der Verluste (D) In Deutschland ist das Bemühen um Steuervermei- (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: dung stärker als der Sexualtrieb. Jetzt kommen gleich die Heu- (Florian Pronold [SPD]: Dann muss die FDP schrecken! – Gegenruf des Abg. Dr. Uwe jetzt aussterben!) Küster [SPD]: Das sind Heuschrecken!) Ich weiß nicht, wie viel die FDP vom Sexualtrieb ver- und die Privatisierung der Gewinne. Das ist die eigentli- steht. Aber ich weiß, dass Sie offensichtlich sehr viel che Moral der FDP von heute. Da kann ich mit Blick auf von der Umfinanzierung von Parteischulden aus Immo- den Wahlkampf den Bürgern und Bürgerinnen nur sa- bilienobjekten zum Zweck des Steuersparens verstehen. gen: Schauen Sie sich das an und entscheiden Sie sich nicht für diese Partei! (Peter Dreßen [SPD]: Seine Vorgänger auch schon!) Danke. Die nicht mehr benötigte Parteizentrale wird veräu- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ßert und rückgemietet, ohne dass ein Beleg dafür vor- und bei der SPD – Elke Wülfing [CDU/CSU]: liegt, wie mit den laufenden Mieteinnahmen die Finan- Existenzangst!) zierungslasten, die sich aus den Hypotheken ergeben, geschultert werden können. Eventuell besteht auch gar Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: keine Gewinnerzielungsabsicht, sondern dieses Geschäft Das Wort hat der Kollege Hans Michelbach für die dient lediglich der Organisierung von Verlustzuweisun- CDU/CSU. gen für vermögende Privatpersonen zum Zweck des Steuersparens. Dazu sage ich nur: Eine derart prakti- (Beifall bei der CDU/CSU) zierte Steuerpolitik bringt die Doppelmoral der Partei der FDP zum Vorschein. Hans Michelbach (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kolleginnen und Kollegen! Die Beantragung dieser sowie bei Abgeordneten der SPD) Aktuellen Stunde ist so etwas wie das steuerpolitische In der Konsequenz hat sich die FDP ihrer Schulden auf Eigentor des Jahres von Rot-Grün. Sie schießen zwar im Immobilienvermögen zulasten des Staates entledigt. Die Moment sehr viele Eigentore – in dieser Woche wollen Steuersenkungspartei hat schon immer gewusst, wie Sie noch mehrere Eigentore schießen –, aber zumindest Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17285

Hans Michelbach (A) im Bereich der Steuerpolitik ist das Ihr Eigentor des Jah- Es ist doch sehr widersprüchlich, wenn Rot-Grün eine (C) res. Es zeigt die Zerrissenheit und Doppelzüngigkeit Ih- Sache moniert, die es in siebenjähriger Verantwortung rer Steuerpolitik. Sie sitzen im Glashaus und wer im für die Steuer- und Finanzpolitik nicht geändert hat. Dies Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Frau zeigt doch: Auch steuerpolitisch sind die Irrungen und Scheel, das, was Sie hier gerade an Wahlkampfrhetorik Wirrungen riesengroß – einmal so und einmal so! Sie geboten haben, war eigentlich weit unter Ihrem Niveau waren es doch, die mit ihrer Mehrheit die Kapitalgesell- als Vorsitzende des Finanzausschusses. schaften von Steuerzahlungen auf Veräußerungsgewinne befreit haben. (Elke Wülfing [CDU/CSU]: Jetzt machst du ihr auch noch ein Kompliment!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) – Ich habe das wohlgemerkt etwas positiv formuliert. Das waren doch nicht wir. (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Also, von wegen trickreicher Schuldenreduzierung: NEN]: Was hat das damit zu tun?) Wenn ein Steuerzahler das geltende Steuerrecht nutzt, dann ist das natürlich legal. Sie haben es versäumt, eine Steuerreform zu machen und ein radikal vereinfachtes Steuersystem vorzulegen. (Simone Violka [SPD]: Aber moralisch verwerflich! – Peter Dreßen [SPD]: Da war Jetzt, vor den Neuwahlen, treibt Sie die blanke Not, nicht immer alles legal! Da gab es einen Herrn die blanke Existenzangst; sonst würden Sie etwas Ver- Lambsdorff!) gleichbares wie heute nicht veranstalten. Legale Möglichkeiten – diese hat auch eine rot-grüne Jetzt vor den Neuwahlen machen Sie so etwas wie Bundesregierung erlaubt – können natürlich von allen eine Rolle rückwärts. Es ist eher ein Salto rückwärts; genutzt werden, auch von Ihrer Konkurrenz, meine sehr denn Sie reden doppelzüngig. geehrten Damen und Herren von Rot-Grün, ob Ihnen das (Simone Violka [SPD]: Passen Sie nur auf, gefällt oder nicht. Das geltende Fördergebietsgesetz dass Sie nicht demnächst wieder über einen kann von allen Investoren gleichermaßen genutzt wer- schwarzen Koffer stolpern! Da liegen be- den. stimmt noch ein paar rum) (Simone Violka [SPD]: Welche Investoren Auf einmal produzieren Sie eine Neidsteuer. Heute ha- sind denn da zugange?) ben Sie insbesondere die FDP aufs Korn genommen, ob- wohl sie ihre Steuermöglichkeiten auf legale Weise Mich würde auch sehr interessieren, ob der Investor, nutzt. (B) der für die Grünen gebaut hat, nicht auch dieses Förder- (D) gebietsgesetz in Anspruch genommen hat. Meine Damen und Herren von Rot-Grün, statt immer wieder plumpe Ablenkungsmanöver zu starten, hätten (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Hört! Sie Ihre Kraft lieber darauf verwenden sollen, eine große Hört! Wollen wir mal nachprüfen!) Steuerreform – auch der Einkommen- und Unterneh- Es ist immer wieder das alte Spiel in der Öffentlichkeit: mensteuer – in Angriff zu nehmen. rot-grüne Gutmenschen und ach so böse Heuschrecken. (Peter Dreßen [SPD]: Wo waren Sie die letzten Ich halte davon gar nichts. Wenn SPD und Grüne so et- vier Jahre?) was wahrnehmen, ist das nach Ihrer Denke in Ordnung, wenn es von anderen wahrgenommen wird, dann stellen Dann hätten Sie dem Standort Deutschland wirklich ge- Sie sie gnadenlos an den Pranger. dient. So haben Sie aber dem Standort nicht gedient. Deshalb können Sie auch nicht wieder gewählt werden. (Zuruf von der SPD) Der heutige Tag ist ohnehin ein Tag der steuerpoliti- – Was heißt hier „zulasten des Staates“? – Gewinne müs- schen Trauer. Seit heute ist klar, dass Sie die Gesetze zur sen in diesem Staat versteuert werden – da müssen wir Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen und Transparenz haben – und Verluste müssen angerechnet zur Sicherung der Unternehmensnachfolge zu Grabe tra- werden. gen. Sie wollen sie nicht weiterverfolgen. Sie haben sie mehr oder minder verlagert. (Dr. Uwe Küster [SPD]: Besteht eine Gewinn- erzielungsabsicht? Das ist doch die (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Frage! – Gegenruf der Abg. Simone Violka NEN]: Eigentlich müssten Sie jetzt ziemlich [SPD]: Nein!) rote Ohren kriegen!) So einfach ist Steuerpolitik. Sie dagegen haben immer Warum haben Sie keine Kompromisse für ein steuer- wieder versucht, in die Substanzbesteuerung einzugrei- politisches Signal gesucht? Warum haben Sie nicht nach fen. Sie haben das Prinzip, dass Gewinne versteuert und einer Möglichkeit gesucht, um die Jobgipfelvereinbarun- Verluste angerechnet werden, zerstört. Das ist das ei- gen für den Standort positiv umzusetzen? Warum haben gentliche Problem dabei. Sie so viele Versäumnisse in der Steuerpolitik zu verant- worten? Sie haben in den letzten sieben Jahren (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Uwe Küster [SPD]: 50 Steuergesetze auf den Weg gebracht und damit das Sie bieten dafür noch Flankenschutz!) deutsche Steuerrecht immer weiter verwüstet. 17286 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Hans Michelbach (A) Sie haben letzten Endes keinen Grund zur Besserwis- wäre das nicht ganz so leicht gewesen. Deren Name ist (C) serei. Sie haben vielmehr Versäumnisse ohne Ende zu – auch Namen sind für uns eine wichtige Größe; es wird verantworten. Sie sind am Ende. Danken Sie ab! ja immer wieder darüber gewitzelt, dass der Begriff Steuervergünstigungsabbaugesetz so lang ist –: „Liberal (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Vermögensverwaltungs GmbH & Co. Vermögensfonds neten der FDP) KG“. Das ist nicht gerade ein kurzer Name. Dahinter verbirgt sich die Kombination aus dem Wunsch, keine Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Verantwortung übernehmen zu müssen und Haftungs- Das Wort hat jetzt der Kollege Lothar Binding, SPD- risiken zu begrenzen, sowie der Zielsetzung, ein Steuer- Fraktion. minimierungsmodell aufzulegen. Des Weiteren gibt es einen Geschäftsführer, den FDP- Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Manager Eschweiler, der – das schreibt der „Spiegel“ – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen „mal als Bevollmächtigter des Bundesschatzmeisters, und Herren! Hans, ich glaube, während du sonst immer mal als Rechnungsprüfer oder im Team des parteieige- relativ fair für die kleinen und mittelständischen Unter- nen ‚zentralen Spenden- und Beitragsservices‘“ tätig nehmen sprichst, hast du ihnen heute einen großen Bä- wird. Das ist eine interessante Kombination im Wechsel- rendienst erwiesen. spiel einer Persönlichkeit in verschiedenen Rollen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des (Simone Violka [SPD]: Es bleibt alles in der BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Familie!) Was du hier verteidigt hast, ist eigentlich ein bisschen Interessanterweise haben sich in dieser Kapitalsam- unter der Würde der ehrlichen Handwerker. melstelle laut „Spiegel“ 34 Millionen Euro angesam- Hans Michelbach (CDU/CSU): Ich habe das melt. Die FDP haftet mit 9 Millionen Euro, Klaus Floto, Steuerrecht verteidigt!) ein FDP-Ortsvereinsvorsitzender und Steuerberater, mit 1 Million Euro und eine Gabriele Baronin von M. haftet – Ja, ich weiß. Was du eigentlich verteidigt hast, ist et- für die Liberal KG mit fast 20 Millionen Euro. Sie ist au- was, das wir vielleicht den Grohe-Zyklus nennen kön- ßerdem an einer Berliner Privatbank beteiligt. Das In- nen. Oder denken wir an die Gestaltungsmuster von vestment warf bisher, so sagen Sie laut „Spiegel“, keine Boss, die in Metzingen die Steuern abziehen und sich Gewinne ab. Es gab keine Ausschüttungen, weil zum dann in der Schweiz, in Zug, ansiedeln, um die Gewinn- Beispiel auf dem neuen Grundstück des Thomas-Dehler- ausweisung zu begrenzen. Hauses in Berlin 32 Millionen Euro Schulden lasten. (B) Über die Schulden, die auf dem alten Haus lasten, spre- (D) (Zuruf von der SPD: Deshalb wollen sie che ich jetzt nicht. Die FDP weist 2003 für die 20 Prozent Mehrwertsteuer! Das muss ja fi- Liberal KG 20 Millionen Euro Schulden aus mit dem nanziert werden!) Hinweis auf „Sonderabschreibungen nach dem Förder- Ähnlich war es mit der Flick-Collection, die den Umweg gebietsgesetz“. Das ist ohnehin ein sehr kritisches Ge- über die Cayman Islands suchte. Und nun die FDP. setz. Es hat ein Geschmäckle, wenn man eine Kommandit- (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Was macht gesellschaft gründet, die die Schulden aus einer Immo- die SPD?) bilie übernimmt, sie dann rückmietet, um anschließend – Das haben wir abgeschafft; das gibt es nicht mehr. über die Refinanzierung durch eine Bank möglicher- Aber leider werden wir noch acht oder neun Jahre darun- weise eine – wie soll ich mich ausdrücken? – nicht als ter zu leiden haben. solche deklarierte Spende zu erhalten. Ich meine, es würde zu einer größeren Transparenz beitragen, wenn Die Investments seien gleichwohl, so wird Kollege man dabei ehrlich vorgeht. Deshalb habe ich eine Reihe Solms zitiert, sehr „gelungen“. Das ist eine interessante von Fragen; denn der Kollege Solms kommt ja noch. Aussage. Wenn diese gelungen sind, obwohl man nur Verluste macht, fragt man sich doch – das ist das Meine Fragen beziehen sich auf den „Spiegel“-Arti- Spannende –, wie es eigentlich möglich ist, ein „gelun- kel, dessen Einzelaussagen ich noch nicht verifizieren genes“ Modell auf der Basis von Verlusten zu installie- konnte. Denn die Quellenrecherche ist relativ schwierig. ren. Die Nachsteuerrendite sei – das ist die Antwort – Sie werden auch gleich erkennen, warum. Denn während überdurchschnittlich. Nun frage ich mich, wer das ei- uns die FDP hier oft mit einem unmöglichen so genann- gentlich bezahlt hat. Hans, das waren die Handwerker, ten Einfachsteuermodell und den Begriffen Subventions- für die du sonst immer so kämpfst. Die Baronin und ihre abbau, Transparenz und Bürokratieabbau gequält hat, steuerpflichtigen Mitanleger können Verluste aus der stellen wir jetzt fest, dass wir innerhalb der FDP fol- FDP-KG mit Verlusten aus anderen Geschäften verrech- gende Akteure finden – ich werde Herrn Solms nachher nen. bitten, diese Akteure so miteinander zu verknüpfen, dass wir verstehen, ob es sich um ein korrektes, ehrliches und Nun sieht man, wie dieses Modell in volkswirtschaft- staatsorientiertes Modell handelt –: Es gibt eine Fonds- liche Zusammenhänge eingreift und wie sehr es sich um gesellschaft, die wahrscheinlich das Ziel hat, dass pri- ein Modell zur Organisation von öffentlicher Armut und vate Anleger Verluste, die dort entstehen, steuerlich gel- privatem Reichtum handelt. Das halte ich für sehr be- tend machen können; denn mit allen anderen Modellen denklich, jedenfalls mit Blick auf die sonst so häufig Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17287

Lothar Binding (Heidelberg) (A) selbstgerechten Einlassungen der FDP an diesem Pult. das nicht, weil Parteien nicht Gegenstand der Besteue- (C) Die Zeche zahlen die anderen Steuerzahler und die öf- rung sind. Was haben die Grünen gemacht? Sie haben fentliche Hand. nicht, wie wir, eine Kommanditgesellschaft gebildet, sondern eine Bauherrengemeinschaft, und zwar zusam- Nun – das nur als kleine Ergänzung – beklagt die FDP men mit einem privaten Investor. Hier ist nicht das die Probleme bei der Haushaltsaufstellung. Ich bitte Sie, Eigentum an der Gesellschaft, sondern an dem Haus ge- mir vor dem Hintergrund Ihres Verhaltens und des Ver- teilt. Ein Teil des Hauses gehört einem privaten Investor. haltens vieler anderer Gestaltungskünstler unserer Na- Warum haben Sie das gemacht? Weil auch Sie es sich tion zu erläutern, warum Ihre Klage begründet ist. nicht hätten leisten können, dieses Haus selber zu bauen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Peter Dreßen [SPD]: Wie viel Miete zahlen Sie denn da?) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: – Moment! – Der private Investor hat die Abschrei- Das Wort hat nun der Kollege Dr. Hermann Otto bungsmöglichkeiten des Fördergebietsgesetzes natür- Solms, FDP-Fraktion. lich genutzt. (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Dr. Hermann Otto Solms (FDP): NEN]: Für seinen Teil!) Ich bedauere, dass man aufgrund eines Zeitungsarti- kels eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragt, – Das ist doch das Gleiche! ohne selbst überprüft zu haben, was bei der eigenen Ge- (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- schäftsstelle in Berlin geschehen ist, Frau Scheel. NEN]: Wir zahlen für vier Stockwerke die (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Zinsen ab!) NEN]: Da täuschen Sie sich!) Sie haben genau das Gleiche gemacht, nur in einer an- Ich will das einmal in Ruhe erklären; denn Sie machen deren rechtlichen Konstruktion. zwar große Worte, haben aber sichtlich keine Ahnung. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie ist die Sache entstanden? Ganz sachlich, Herr Nein, das ist nicht wahr!) Küster: Am 24. Juni 1991 ist das Fördergebietsgesetz verabschiedet worden, und zwar mit Zustimmung der Natürlich hat derjenige, dem ein Teil des Hauses gehört, Sozialdemokraten. Oder haben Sie dagegen gestimmt? – die entsprechenden Möglichkeiten zur steuerlichen Ab- schreibung genutzt. Sie haben im Endeffekt genau das (B) Nein. Alle Parteien hatten nach dem Umzugsbeschluss (D) die Verpflichtung, nach Berlin zu gehen und neue Ge- Gleiche getan. Während es bei Ihnen allerdings so ist, schäftsstellen aufzubauen. Alle Parteien waren dadurch dass eine Gesellschaft einen Teil des Hauses besitzt, ist zunächst finanziell überfordert. Die Ersten, die eine neue es bei uns so, dass eine Gesellschaft über einen Teil des Geschäftsstelle gebaut haben, waren die Sozialdemokra- Eigentums verfügt. Ich wiederhole: Im Ergebnis ist das ten, und zwar in Kreuzberg; das ist ja bekannt. Sie haben aber völlig das Gleiche. Wenn man im Glashaus sitzt, natürlich Fondsmodelle entwickelt, um diese Geschäfts- soll man nicht mit Steinen werfen. stelle aufzubauen, und Sie haben sich die steuerlichen Was ist der Hintergrund des Artikels im „Spiegel“? Abschreibungsmöglichkeiten des Fördergebietsgesetzes Jetzt wird es noch interessanter. Wir sind dem Parteien- zunutze gemacht. gesetz gefolgt und haben im Rechenschaftsbericht 2003 (Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört! – alles im Detail dargelegt; deswegen konnte der „Spie- Peter Dreßen [SPD]: Zu dieser Zeit gab es gel“ die Beteiligungsverhältnisse genau eruieren. Was doch bei Ihnen einen Lambsdorff und einen haben die Grünen gemacht? Sie haben es vertuscht. Sie Möllemann!) haben ihre Immobilien in fünf Treuhandvermögen auf- geteilt und nicht erläutert, wer hinter diesen Treuhand- Die FDP konnte sich eine neue Geschäftsstelle alleine vermögen steht ebenfalls nicht leisten. Wir haben eine Grundstücksge- sellschaft in Form einer Personengesellschaft gebildet (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Hört! Hört!) und haben nach Mitfinanziers gesucht, die dann Eigen- tum an der Gesellschaft, das heißt an der Immobilie, er- und welche Bauherrengemeinschaft Partner bei der worben haben. Die Immobilie gehört uns nur zu Finanzierung des Baus ihrer Bundesgeschäftsstelle ist. 30 Prozent und privaten Eigentümern zu 70 Prozent. Ein (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- völlig normaler Vorgang! So sind Tausende und Aber- NEN]: Sie meinen den Vermögensverwal- tausende neue Gebäude in Ostdeutschland und gerade in tungsverein? Das ist der Bundesvorstand!) Berlin entstanden. Hätte es das Gesetz nicht gegeben, wäre in Berlin-Mitte noch immer eine Trümmerland- Was haben die Sozialdemokraten gemacht? Sie haben schaft. Ein ganz einfacher, geschlossener Immobilien- ihr Immobilienvermögen in neun verschiedenen Grund- fonds! Das ist wirklich Tagesgeschäft. stücksgesellschaften verborgen und damit ebenfalls nicht dem Transparenzgebot des Parteiengesetzes ge- Natürlich haben die beteiligten Privaten die steuerli- nügt. chen Abschreibungsmöglichkeiten nutzen können. Die FDP, die SPD oder die Grünen beispielsweise können (Zuruf des Abg. Peter Dreßen [SPD]) 17288 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Dr. Hermann Otto Solms (A) – Hören Sie einmal zu! Sie müssen sich das anhören. Ich fache Konstruktion und zulässig nach dem Förderge- (C) hätte diese Aktuelle Stunde an Ihrer Stelle nicht bean- bietsgesetz, welches alle anderen Parteien – übrigens tragt. auch die CDU – bei der Errichtung ihrer neuen Ge- schäftsstelle im Kern genutzt haben. Das Parteiengesetz schreibt in § 24 Abs. 7 eindeutig vor, dass die Grundstücksbeteiligungen einzeln bewertet Das Fördergebietsgesetz ist von Ihnen nicht abge- und aufgeführt werden müssen. schafft worden; vielmehr ist seine Geltungsdauer abge- laufen; sie war nämlich befristet. (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Dann muss der Bundestagspräsident einschrei- (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Es wurde ten!) nicht verlängert! Sie haben Recht!) – Nein, es gibt eine Übergangsvorschrift, von der die Ohne Fördergebietsgesetz sähe es hier in Berlin, in Pots- SPD Gebrauch gemacht hat; insofern beschuldige ich sie dam, in Dresden und in Leipzig natürlich ganz anders nicht und werfe ihr das nicht vor. Nur darf man uns nicht aus, als es heute der Fall ist. vorwerfen, dass wir von dieser Übergangsvorschrift kei- nen Gebrauch gemacht haben; denn wir haben im Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Rechenschaftsbericht 2003 alles im Detail aufgeführt. Kollege Solms! (Beifall bei der FDP) Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Wir sind unseren Verpflichtungen nachgekommen. Die Man kann vielleicht sagen, dass dieses Gesetz in sei- Grünen haben nichts dergleichen getan. nen Möglichkeiten übertrieben war; seinen Zweck hat es jedenfalls erfüllt. (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sie verwechseln da was!) Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Sie haben das verborgen und Sie sind anscheinend noch (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten nicht einmal jetzt bereit, zuzugestehen, dass diese Bau- der CDU/CSU) herrengemeinschaft genau das gleiche Ziel wie wir mit unserer Grundstücksgemeinschaft verfolgt. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ich erteile das Wort der Kollegin Anja Hajduk, Bünd- NEN]: Das ist ein Vermögensverwaltungsver- nis 90/Die Grünen. ein! Das ist eine normale Eintragung im (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: (B) Grundbuch, sonst gar nichts!) Jetzt wollen wir mal hören, wie das bei den (D) – Frau Scheel, hören Sie auf! Sie haben hier grob zuge- Grünen gelaufen ist!) langt. Jetzt müssen Sie das auch ertragen. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Ich weiß, dass Ihr Schatzmeister dringend darum gebe- Herren! Liebe Kollegen, richtig ist: Man sollte nicht ten hat, diese Aktuelle Stunde nicht zu beantragen. gleich unterstellen, dass in einem Zeitungsbericht alles korrekt beschrieben ist. Herr Solms, ich bedauere aber, (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- dass Sie dazu gar nicht Stellung bezogen haben: Ist das NEN]: Das ist überhaupt nicht wahr!) eigentlich so, wie das im „Spiegel“ aufgeschrieben ist, oder ist das nicht so? – Bitte, ich bin besser informiert als Sie. (Hellmut Königshaus [FDP]: Das hat er doch (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Aber Sie gesagt!) bestätigen das, was im „Spiegel“ steht?) Darum geht es auch. Ich will Ihnen dazu etwas ganz – Nein, darin sind einige Fehler. deutlich sagen; ich komme dann auch auf die Grünen zu sprechen. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Es geht darum, dass wir als Politiker oder als Vertreter Herr Kollege Solms, denken Sie bitte an die Zeit. einer Partei Maßstäbe, die wir in die politische Debatte einführen, auch an uns anlegen und durchhalten müssen. Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Meine Redezeit geht zu Ende. (Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Wenn Sie mir noch einmal fünf Minuten geben, mache (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Es wäre ich auch den letzten Teil!) nett, wenn Sie das aufklären könnten, was im – Lassen Sie mich bitte aussprechen. Ich habe Ihnen „Spiegel“ steht!) auch ganz ruhig zugehört. – Ich habe Ihnen den Kern der Geschichte erklärt. Einfa- Ich habe das so verstanden, dass sich die FDP – ganz cher kann man es nicht darstellen. Es handelt sich um im Unterschied zu den Grünen – auf diese Weise ihrer eine Kommanditgesellschaft, an der wir zu 30 Prozent Schulden entledigt hat. und Private zu 70 Prozent beteiligt sind. Das ist die Quintessenz des ganzen Geschäfts. Das ist eine ganz ein- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17289

Anja Hajduk (A) Wir von den Grünen – das will ich hier ganz deutlich sa- (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ich habe ge- (C) gen – sind aufgrund des Hauses mit einem Bankkredit sagt: Gewinne müssen versteuert und Verluste belastet. Sie aber bauen die Verschuldung Ihrer Partei müssen geltend gemacht werden!) – zu diesem Vorwurf des „Spiegel“-Artikels hätte ich Unser Interesse muss sein: Die Ausnutzung von Steu- von Ihnen gern etwas gehört; denn ich kann das nicht ergestaltungsmodellen zugunsten der Parteien und zulas- beurteilen – über ein Steuersparmodell für ziemlich gut ten der Allgemeinheit darf sich keine Partei, die im verdienende Leute ab. In dem „Spiegel“-Artikel wird Deutschen Bundestag vertreten ist, leisten wollen. Damit nahe gelegt, dass Sie nicht nur Steuergesetze nutzen müssen wir aufräumen und Transparenz schaffen. – Herr Michelbach hat ja sehr viel Wert darauf gelegt, dass man Steuerschlupflöcher nutzen muss, solange sie (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wer hat denn bestehen –, sondern gezielt eine Gesellschaft konstruieren, sieben Jahre regiert?) um sich damit als Partei der Schulden zulasten der Ge- sellschaft zu entledigen. Das ist der Kern des Vorwurfs. Das ist die Aufgabe dieser Aktuellen Stunde und sie ist auch in der Zukunft, in der Wahlkampfzeit, die wir vor (Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Der ist uns haben, notwendig. Sie können sicher sein, dass wir falsch!) dieser Sache noch nachgehen. Ich hätte es gut gefunden, wenn Sie als der jetzt verant- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wortliche Schatzmeister dazu Stellung genommen hät- und bei der SPD – Hans Michelbach [CDU/ ten. CSU]: Wer hat denn sieben Jahre regiert? – Zuruf von der FDP: Gehen Sie mal Ihren eige- Die Parteien sind es der Öffentlichkeit schuldig – das nen Dingen nach!) ist nicht nur ein Klein-Klein der Parteien –, an sich be- sondere Maßstäbe anzulegen, selbst dann, wenn sie in ei- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: ner Notsituation sind. Mein Vorwurf ist ja nicht der, dass Sie verschuldet sind – in der Parteiarbeit kann man im- Das Wort hat der Kollege Florian Pronold für die mer mal Schwierigkeiten bei der Finanzierung bekom- SPD-Fraktion. men –, sondern dass Sie in einer besonders findigen Art eine Konstruktion gewählt haben, die zulasten der Allge- Florian Pronold (SPD): meinheit geht. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Michelbach, wenn Sie der FDP einen Dass wir Grünen das als Partei genauso gemacht ha- Persilschein für dieses Finanzgebaren ausstellen, dann ben – wie Sie uns das unterstellen –, könnte das daran liegen – das ist eine Möglichkeit –, (B) (D) (Zuruf von der FDP: Aber sicher!) dass Sie aus der CSU Schlimmeres gewohnt sind. weise ich wirklich zurück. Wenn Sie sich erkundigt ha- (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie arbeiten ben, dann wissen Sie, dass es bei uns eine solche Kon- nur mit Unterstellungen und Suggestion!) struktion nicht gibt. Sie sollten zu den aktuellen Debatten, auf die Sie Be- zug nehmen, die Wahrheit sagen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Reden Sie Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Bauherrenge- mal von den SPD-Unternehmen!) meinschaft! – Weitere Zurufe von der FDP: Bauherrengemeinschaft!) Wir haben versucht, die beiden Gesetze, die auf dem Jobgipfel vereinbart worden sind, mit Ihrer Unterstüt- Ich finde, Sie machen sich das jetzt ein bisschen zung durchzubekommen. leicht. Wir werden Sie mit dem Thema weiter konfron- (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: tieren, wenn Sie hier nicht zu der Frage Stellung bezie- Ich war dabei! Ich weiß: Das Gegenteil von hen, wie sich das auf die Verschuldungssituation Ihrer dem, was Sie sagen, ist der Fall!) Partei auswirkt. Dazu möchte ich von Ihnen eine Aus- sage haben. Vielleicht spricht ja doch noch jemand von Sie haben keinen einzigen Vorschlag dazu gemacht, wie Ihnen. Wenn das im Rahmen dieser Debatte nicht ge- wir das hinbekommen. Sie haben nur Nein gesagt. Wir schieht, werden wir Sie damit weiter traktieren. hätten sowohl bei der Körperschaftsteuer wie bei der Frage der Unternehmensnachfolge etwas vorgelegt, was Ich möchte die Union ausdrücklich fragen: Was soll wir mit Ihrer Zustimmung gerne verabschiedet hätten. diese Ablenkungsdiskussion? Hier muss es doch um So viel dazu. Aufklärung gehen. Es ist schon eine moralische und eine Wertefrage in der Gesellschaft: Wie konstruieren wir Nun zum „Spiegel“-Artikel. Erstens ist interessant da- Steuergesetze? Wir sind uns – angeblich – alle so einig ran, dass die FDP nicht mit Geld umgehen kann, darüber, dass sie vereinfacht werden müssen. Da muss (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Der „Spiegel“ ich Sie aber einmal fragen, Herr Michelbach: Soll denn sollte sich einmal mit SPD-Unternehmen be- die Botschaft sein, dass Sie das billigen und verteidigen, fassen!) weil Sie das Vorgehen der FDP für ein Modell halten, das Sie selbst pflegen? Das kann doch nicht Ihr Interesse weder mit dem Geld der Steuerzahler noch mit dem ei- sein! genen. 17290 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Florian Pronold (A) Zweitens ist es spannend, dass Sie etwas Neues erfun- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: (C) den haben, nämlich eine Schuldenwaschanlage. Das Wort hat nun der Kollege Jerzy Montag, Bündnis 90/Die Grünen. (Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Sie haben nichts kapiert!) (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Zweiter Versuch, das grüne Sparmodell zu er- Bisher kannte man nur Geldwäsche. Jetzt gibt es also die klären! – Hellmut Königshaus [FDP]: Letzte Schuldenwaschanlage der FDP, mit der man das Partei- Möglichkeit!) engesetz umgehen kann, indem besonders Reichen die Möglichkeit gegeben wird, Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Zuruf von der FDP: Wo denn?) Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegin- nen und Kollegen! Ich möchte gerne aus einem Be- über Verlustzuweisungen Spenden an eine Partei zu ge- schluss des Präsidiums der FDP vom 6. Oktober 2003 zi- ben, um diese von Schulden zu befreien. tieren. Es handelt sich um einen Präsidiumsbeschluss (Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Sie fantasie- über ein neues Steuerrechtsmodell der FDP. Da heißt es, ren! Sie haben überhaupt nichts verstanden!) dass die FDP auf Vorschlag des Kollegen Dr. Solms gerne Folgendes machen möchte: Dieser Vorwurf steht im „Spiegel“-Artikel; den haben Sie hier nicht entkräftet, vermutlich ganz bewusst nicht. Das Einkommensteuerrecht wird … durch … den Wegfall von Sondertatbeständen, Steuerbefreiun- Dieser Immobilienfonds der Liberalen ist eine Ver- gen und Steuervergünstigungen radikal vereinfacht. lustzuweisungsgeschichte, von der nur Reiche profitie- ren können. Wenn man sich die aktuellen Steuerkon- (Zuruf von der FDP: Hätten wir schon längst zepte der FDP anschaut, wird einem relativ schnell klar, haben können!) dass hier auch eine Verlustzuweisung stattfinden soll, So gut, so schön. Das sind Sonntagsreden auf Papier. nur diesmal an die kleinen Leute. Mit dem, was Sie vor- Jetzt zur Realität. haben, gehen Sie nämlich nur an den Geldbeutel der kleinen Leute. Sie wollen die Pendlerpauschale strei- Herr Kollege Dr. Solms, ich rede von der Entschul- chen, Sie wollen die Steuerfreiheit bei der Nacht- und dung Ihrer Partei durch die Behandlung der Immobilie in Schichtarbeit streichen, Sie wollen die Gewerbesteuer Bonn. Ich rede nicht über die Situation hier in Berlin. abschaffen. Damit würden Sie 29 Milliarden Euro den Dazu könnte man vieles sagen, auch bezüglich der Fi- großen Firmen schenken. Diese Lücke könnte nur da- nanzierung, die Sie hier betrieben haben. Bleiben wir (B) durch gefüllt werden, dass Sie entsprechende Belastun- einmal bei Bonn. Was ist jetzt schon klar, nachdem Sie (D) gen auf die Bürgerinnen und Bürger abwälzen. Das ist nicht auf die Fragen antworten? die Art von Verlustzuweisung an die Wählerinnen und Erstens. Reiche Freunde der FDP zahlen deren Schul- Wähler, die Sie vorhaben. den bei der Bank und erhalten dafür die Möglichkeit, (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Diese Mär- jede Menge Steuern zu sparen. Das ist Entschuldung auf chenstunde wird nicht besser!) Kosten der Steuerzahler. Ihre Klientel bedienen Sie über solche dubiosen Schul- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN denwaschanlagen, die mit Sicherheit vor dem Hinter- und bei der SPD) grund des Parteiengesetzes viele Fragen aufwerfen. Die FDP gewinnt, der Staat zahlt die Zeche. Klären Sie hier – das ist doch der Kernvorwurf, der Zweitens. Sie reden vom Stopfen vielfältiger Steuer- hinter dem „Spiegel“-Artikel steckt –, ob Sie dadurch schlupflöcher, sitzen aber selbst ganz tief in einem sol- Ihre Partei von Schulden entlastet haben und ob Sie chen Loch drin. diese Konstruktion gewählt haben, um über das beste- hende Parteiengesetz hinaus gut verdienenden Privatleu- (Simone Violka [SPD]: Vielleicht ist es auch ten die Möglichkeit zu verschaffen, sich auf Kosten der schon zu!) Steuerzahlerinnen und -zahler für eine Partei einzuset- Diese Scheinheiligkeit und dieses Reden mit gespaltener zen. Zunge sind inzwischen Methode im aufkommenden (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Was machen Wahlkampf. denn die SPD-Unternehmen mit ihren Verlus- Insbesondere gerieren Sie sich als eine Bürgerrechts- ten?) partei und schwenken in Ihrer Argumentation bezüglich Das ist die Kernfrage. Darauf müssen Sie eine Antwort Ihrer Position hin und her. Ich will das an drei Beispielen geben. Da können Sie nicht drum herumreden. Hier ist ganz kurz aufzeigen. Aufklärung gefragt. Es ist keine brutalstmögliche Auf- Erstens Ihre Stellungnahme zur Sicherungsverwah- klärung nötig, es langt uns schon einfache. rung, ein ganz sensibles Bürgerrechtsthema. Am Vielen Dank. 22. März 2002 hat Ihr Kollege van Essen hier im Hohen Haus gesagt, die FDP sei für die Sicherungsverwahrung, (Beifall bei der SPD – Zuruf von der FDP: So sie solle so schnell wie möglich eingeführt werden. Als ein Stuss!) wir nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hier Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17291

Jerzy Montag (A) in diesem Haus am 18. Juni 2004 über diese Frage disku- Die geringe Zahl der Betrüger und Steuerhinterzie- (C) tiert haben, hat der gleiche Kollege, der Kollege van her ist doch nur ein Vorwand, um unseren Big- Essen, plötzlich auf die europäische Menschenrechts- Brother-Staat weiter auszubauen. konvention verwiesen und gesagt, die FDP sei gegen jegliche Sicherungsverwahrung und lehne unsere Ge- (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie haben das setze ab. Das hat sich inzwischen dort, wo Sie Regie- Bankgeheimnis abgeschafft!) rungsverantwortung haben, geändert. Der FDP-Justizmi- Deswegen sage ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kol- nister aus Baden-Württemberg, Herr Goll, hat sich am legen von der FDP: Wir haben in Deutschland keinen 29. April 2005, also ganz kürzlich, dem Antrag ange- Big-Brother-Staat, aber wir wollen auch nicht, dass Sie schlossen, die Sicherungsverwahrung sogar für Jugend- verhindern, dass wir Steuerhinterziehern hinterherjagen liche einzuführen. können; denn der Staat braucht dieses Geld. Wir sind auch für das Stopfen der Steuerschlupflöcher, was Sie ( [Münster] [FDP]: Was hat denn uns in den letzten sieben Jahren verweigert haben. Wir das mit dem Thema zu tun?) sind dafür, damit Sie selbst und Ihre Freunde nicht zu Das ist Ihr Zickzackkurs in solchen Fragen. solchen Mitteln greifen können wie jetzt in Bonn bei der Entschuldung Ihrer Parteizentrale. Zweites Beispiel: die Einführung der DNA-Strich- muster. Danke schön. (Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Was hat das (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hiermit zu tun?) und bei der SPD – Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Also wieder nichts zum Da haben Sie ebenfalls taktiert, einmal hü und einmal grünen Sparmodell!) hott. Ich verweise nur auf das, was Ihre FDP-Minister Goll und Werwigk-Hertneck dazu schon gesagt haben. Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Jetzt kommt der Punkt Nummer drei – da schließt Das Wort hat nun die Kollegin Simone Violka, SPD- sich der Kreis unserer Debatte –, nämlich Ihr Verhalten Fraktion. zu dem Gesetz über die Verbesserung der Steuerehrlich- (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: keit in Deutschland. Folgende Zahlen der Steuergewerk- Die hat gerade schon mit Zwischenrufen so schaft sind bisher nicht bestritten worden – ich glaube, viel geredet!) sie sind leider auch nicht bestreitbar –: 1980 ein Verlust (B) durch Steuerhinterziehung für den Staat in Höhe von (D) 21 Milliarden Euro, 2004 ein Verlust von 85 Milliar- Simone Violka (SPD): den Euro. Wenn wir dieses Geld eintreiben könnten, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! wenn alle, die in Deutschland Steuern zu zahlen haben, Nicht alles, was nicht ausdrücklich verboten ist, ist auto- ehrlich Steuern zahlen würden, dann müssten wir über matisch moralisch erlaubt. Ich denke, gerade in der Poli- viele der Probleme, über die dieses Haus seit Jahren re- tik hat man die Verpflichtung, besonders sorgfältig und det, überhaupt nicht mehr diskutieren. sensibel mit solchen Themen umzugehen; denn wir wis- sen alle, dass das Vertrauen in die Politik, gleich welche (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Partei, in der Bevölkerung leider immer mehr schwindet. SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Hans Dazu tragen solche Beispiele wie das von der Entschul- Michelbach [CDU/CSU]: Sie haben doch sie- dung der FDP-Parteizentrale in Bonn bei. Es gibt viele ben Jahre regiert! Weinen Sie doch nicht der Unternehmer hier im Land, die sich wünschen würden, Vergangenheit nach!) über ein solches Konstrukt ihre Schulden loszuwerden. Aber sie können es nicht; sie müssen jeden Monat ihre Was sagt dazu Ihr Justizminister, Herr Goll, in einem Zinsen zahlen und ihre unternehmerischen Risiken tra- Interview mit „Focus-Money“ genau zu dieser Frage? gen. Keine KG kommt und bietet an: Ich entschulde dir Ich darf zitieren das und nehme das auf mich; nebenbei können gute (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie weinen Freunde auch noch Steuern sparen, die sie vielleicht doch Ihrer eigenen Vergangenheit nach!) spenden können. – jetzt hören Sie mir einen Moment zu; das ist Ihr Partei- Das ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen Unterneh- genosse, mer, die sich bewusst eine Schuldenlast aufbürden. Denn sie können sich nicht auf diese Art und Weise entschul- (Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Partei- den. freund!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ und zwar einer, der in Baden-Württemberg Regierungs- DIE GRÜNEN) verantwortung hat –: Es ist wichtig, dass die Parteien mit gutem Beispiel Wegen ein paar Steuerhinterziehern werden nun vorangehen. Sie sollten sich nicht darauf berufen, dass alle Bürger wie Terroristen behandelt. ihr Handeln nicht illegal ist, und sie sollten sich auch nicht hinter Paragraphen verstecken. Denn andere kön- Weiter heißt es in „Focus-Money“: nen auch nicht auf diese Weise handeln. 17292 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Simone Violka (A) Schauen wir uns einmal die Auswirkungen des För- weil die CDU/CSU und die FDP den Abbau von Sub- (C) dergebietsgesetzes im Osten an. ventionen dort blockiert haben. (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Jetzt kommt Sie sind doch Mitgesellschafter in einem Be- dieses Märchen wieder!) trieb!) Das Steuervergünstigungsabbaugesetz ist im Bundesrat – Ja, ich bin Mitgesellschafter in einem Betrieb. Ich stecken geblieben. ziehe daraus aber keinen Pfennig Rendite. Ich habe auf (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: eigenes Risiko 10 000 DM hereingesteckt wie hundert Wann haben Sie den Gesetzentwurf einge- meiner Kollegen, bracht?) (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Und die Ver- 16 Milliarden Euro entsprechen 2 Prozentpunkten bei luste setzen Sie ab!) der Mehrwertsteuer. Überlegen Sie sich einmal, was Sie um den eigenen Arbeitsplatz zu retten und den Betrieb durch Ihre Blockadehaltung in den letzten Jahren der nach vorne zu bringen. Gesellschaft angetan haben! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Frau Violka, das ist DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/ doch Quatsch! Das wissen Sie ganz genau!) CSU]: Die Verluste machen Sie doch geltend, Sie haben durch Ihre Blockadehaltung allein den Kom- oder?) munen 6 Milliarden Euro entzogen. Fragen Sie einmal Da ist kein einziger Pfennig an irgendeiner Steuererspar- Ihre Vertreter in den Kommunen, wie dort die Finanz- nis geflossen. Sie sollten sich einmal erkundigen, wie es ausstattung ist! dort gelaufen ist. In solchen Fällen läuft es anders als bei ( [CDU/CSU]: Sie haben der Neubauprojekten. Im Osten Deutschlands gibt es sehr Großindustrie 48 Milliarden geschenkt und ih- viele leer stehende Bürogebäude auf der grünen Wiese, nen die Körperschaftsteuer erlassen! – Gegen- die keiner braucht. ruf des Abg. Dr. Uwe Küster [SPD]: Lesen ist (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- eine Grundvoraussetzung, um zu urteilen! Sie NEN]: Das ist genau das Problem!) können es nicht!) Trotzdem investieren nach wie vor Menschen dort ihr Sie können nicht groß herumtönen, dass Sie eine Geld, um Steuern zu sparen, wohl wissend, dass diese Steuervereinfachung wollen, wenn Sie im Bundesrat ge- (B) Büroflächen gar nicht gebraucht werden. gen den Abbau von Subventionen sind. Ihre Kompetenz (D) in Finanzfragen ist erschütternd. (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Sind Sie also gegen Fördergebiete?) Ich muss ehrlich sagen, dass ich auf die Antworten von Herrn Solms auf die konkreten Fragen von Herrn Ich bin entsetzt darüber, dass die CDU zu diesem Binding ein bisschen gespannt war. Thema überhaupt nichts zu sagen hat. Denn es hat nur ein Vertreter der CSU gesprochen. Ich frage mich, ob das (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Absicht oder Angst ist. Wenn die CDU das toleriert und Dann lassen Sie ihn noch einmal reden!) verteidigt, was die FDP hier macht, dann weiß ich nicht, Aber anstatt auf diese Fragen einzugehen, hat Herr warum man dann ins Auge fasst, die Mehrwertsteuer auf Solms fast fünf Minuten Zeit darauf verschwendet, auf 20 Prozent hochzusetzen. Letztendlich trägt der Steuer- alles Mögliche einzugehen. Als er dann endlich die Fra- zahler diese Last. Wenn die Einnahmen nicht mehr rei- gen beantworten sollte, konnte er nur darauf hinweisen, chen, dann macht die CDU halt einen Schnitt und setzt dass seine Redezeit leider um ist. Auch das ist eine Mög- die Mehrwertsteuer auf 20 Prozent hoch. Die FDP ist lichkeit, Fragen nicht zu beantworten und den schwarzen zwar dagegen. Aber durch Ihr Verhalten, das Sie hier ge- Peter anderen zuzuschieben. Das ist ein bisschen billig. zeigt haben, setzen Sie nichts dagegen, um diese Erhö- Ich glaube nicht, dass wir diesen Stil in Zukunft fortfüh- hung zu verhindern; denn die Mehreinnahmen werden ren können. Es ist schon interessant, zu erfahren, wer für die Finanzierung von solch halbseidenen Modellen wie viel Steuern gespart hat. gebraucht. An die, die durch dieses Steuersparmodell Geld ge- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ spart haben, kann ich nur appellieren, dieses Geld zu DIE GRÜNEN) spenden und der Gesellschaft wieder zuzuführen. Denn Wer dann sagt, das Steuersystem muss einfacher wer- sie haben es durch ihr Handeln der Gesellschaft entzo- den und „Ihr habt doch regiert!“, den will ich auf gen. Sie sollten sich ein bisschen ehrlich machen. Folgendes hinweisen: Im Bundesrat liegen 16 Milliar- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ den Euro fest – Geld, das die Kommunen dringend brau- DIE GRÜNEN) chen –, (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Zu diesem Thema habe ich keinen einzigen Meine Damen und Herren, wir sind am Ende einer Gesetzentwurf gesehen!) hochstreitigen Debatte, bei der es außer dem Streit in der Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17293

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert (A) Sache auch einen Streit unter den Fraktionen über die (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (C) Zulässigkeit weiterer Wortmeldungen gibt. Nach dem Das können Sie nicht einfach behaupten!) Verlauf der Debatte und der tatsächlichen Verteilung der Redezeiten hätte ich es für folgerichtig gehalten, dass – Ich weiß es genau, es ist so. Ich habe Ihnen auch er- klärt, wie Sie es genutzt haben. der mehrfach zu einer erneuten Klarstellung aufgefor- derte Kollege Solms auch Gelegenheit erhalten hätte, (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: dieser Aufforderung zu folgen. Keine Arroganz!) (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Jetzt kommt die zweite Frage, die Sie mir von beiden Das ist richtig, Herr Präsident!) Seiten gestellt haben und die auf den Verkauf des Nach dem Wortlaut unserer Geschäftsordnung lassen Thomas-Dehler-Hauses in Bonn abzielte. Auch dies ist ein ganz einfacher Vorgang. Die Grundstücksgesell- die Regeln für die Aktuelle Stunde das nicht zu, weil schaft, die die Immobilie hier in Berlin hält – 70 Prozent dort eindeutig festgehalten ist, dass, wenn weniger Mit- dieser Gesellschaft halten private Eigentümer, glieder einer Fraktion sprechen, als aus deren Mitte das 30 Prozent die FDP –, hat das Thomas-Dehler-Haus in Wort erhalten können, sich die Aussprache um die ihnen Bonn gekauft, das zu 100 Prozent der FDP gehörte. zustehende Redezeit verkürzt. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben hier, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Jetzt sind Sie entschuldet!) regelmäßig eine andere Praxis gehabt. – Moment, das hat mit Entschulden gar nichts zu tun. Sie (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: hat es gekauft. – Diese Grundstücksgesellschaft hat nun Richtig!) auch Eigentum am Thomas-Dehler-Haus in Bonn. Wir Ich empfinde es als ein bisschen bedauerlich, dass trotz haben noch 30 Prozent Anteil daran. dieser ständig und nicht nur im Einzelfall anderen Praxis Das Thomas-Dehler-Haus in Bonn ist zu nahezu kein Einvernehmen unter den Fraktionen über die Ab- 100 Prozent – 150 Quadratmeter sind nicht vermietet – weichung vom Wortlaut der Geschäftsordnung herzu- fremdvermietet; alle Mieter haben keinerlei Beziehun- stellen ist. gen mit der FDP. Das ist ein völlig normaler Geschäfts- (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: vorgang. Wirklich beschämend! – Hans Michelbach Bezüglich des Erwerbs des Thomas-Dehler-Hauses in [CDU/CSU]: Vorwürfe machen und dann nicht Bonn gibt es keinerlei Sonderabschreibungen oder Son- erwidern lassen!) dervergünstigungen, die übertragen werden könnten. Es (B) Der amtierende Präsident kann aber sein Ermessen nur unterliegt den normalen Abschreibungen wie jedes Ge- (D) im Rahmen der Festlegungen der Geschäftsordnung aus- werbegebäude auch. Dass aus der Berliner Konstruktion üben; der Wortlaut ist eindeutig. irgendwelche Vergünstigungen übertragen werden könn- ten, ist rechtlich gar nicht möglich. Wer mit solchen Din- Ich schließe daher die Rednerliste für die Aktuelle gen befasst ist, weiß, dass dies nicht geht. Auch waren Stunde und erteile nach § 30 unserer Geschäftsordnung Gebäude in Bonn vom Fördergebietsgesetz überhaupt dem Kollegen Solms das Wort zu einer Erklärung zur nicht betroffen. Lediglich Westberlin war in das Förder- Aussprache. gebietsgesetz einbezogen. Deswegen betrifft dies die SPD-Geschäftsstelle und die CDU-Geschäftsstelle. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind die Aussagen im „Spiegel“ falsch?) Dr. Hermann Otto Solms (FDP): – Der „Spiegel“ muss ja nicht immer Recht haben. Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich bedauere, dass der Geschäftsführer der SPD-Fraktion, obwohl Mitglieder (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: seiner eigenen Fraktion mich aufgefordert haben, noch Deswegen sollen Sie das beantworten!) zu anderen Punkten Stellung zu nehmen, versucht hat, Aber was viel schlimmer ist: Der „Spiegel“ hat einige dies mithilfe der Geschäftsordnung zu verhindern. wahre und unwahre Dinge miteinander vermischt, um (Hellmut Königshaus [FDP]: Schäbiges Ver- Unklarheit zu erzeugen und Verdacht zu erwecken. halten!) Aber die rechtliche Situation ist völlig klar. Sie brau- Ich will daher jetzt das Mittel der persönlichen Erklä- chen nur in den Rechenschaftsbericht der FDP zu gu- rung nutzen, cken, in dem dies auch aufgeführt ist. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu diesen Fragen!) Es wird ja auch nicht rechtlich angeprangert, sondern von den Wertmaßstäben angepran- genau auf diese Fragen einzugehen. gert!) Ich habe vorhin das Grundmodell dargestellt. Dieses – Es ist auch von den Wertmaßstäben normal. Grundmodell haben alle in diesem Hause vertretenen Parteien in dieser oder einer anderen Rechtskonstruktion (Hellmut Königshaus [FDP]: Sie wollen hier genutzt. nur einen anderen Eindruck erwecken! Von 17294 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

Dr. Hermann Otto Solms (A) Steuerhinterziehung haben Sie gesprochen! heimnissen. Ich würde Sie allerdings bitten, Ihre Dinge (C) Diffamierung ist das! Schämt euch!) genauso offen darzulegen. Dann hätten wir eine viel bes- sere Gesprächsbasis. Auch von den Wertmaßstäben her ist es ein völlig nor- maler Vorgang: Vom Thomas-Dehler-Haus in Berlin nut- Vielen Dank. zen wir 30 Prozent. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Zuruf der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] – Gegenruf des Abg. Hans Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Michelbach [CDU/CSU]: Lesen Sie einmal Nun hat der Parlamentarische Geschäftsführer der Ihre Rede nach! Unverschämt!) SPD-Fraktion um eine persönliche Erklärung zur Aus- sprache gebeten, wozu ich ihm nach der gleichen Logik – Hören Sie bitte zu; Sie wollten ja die Antworten haben. das Wort erteile. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Hellmut Königshaus [FDP]: Der soll einmal Ich höre zu!) etwas von Fairness erzählen!) Wir nutzen 30 Prozent und uns gehören 30 Prozent. 70 Prozent sind fremdvermietet. Diese Gesellschaft be- Dr. Uwe Küster (SPD): sitzt mittlerweile auch das Thomas-Dehler-Haus in Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Bonn, das, wie ich bereits ausführte, völlig fremdver- Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erstens ist die mietet ist. Aus den Mieteinnahmen werden natürlich Aktuelle Stunde nach den uns bekannten Regeln im Hin- Zins und Tilgung bezahlt. blick auf die Rednerfolge aufgestellt worden und auch so abgelaufen. Es handelt sich um einen völlig normalen Vorgang. Ir- gendwelche besonderen Steuervergünstigungen haben Zweitens hat in dieser normalen Debatte Herr sich daraus nicht ergeben und konnten auch gar nicht Dr. Solms als Redner seiner Fraktion und als Schatz- übertragen werden. Diese Grundstücksgesellschaft be- meister seiner Partei Gelegenheit gehabt, die Dinge, die sitzt jetzt beide Gebäude und wir haben einen Anteil von angefochten worden sind, richtig zu stellen. 30 Prozent daran. (Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Das hat er über- (Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Jetzt ist die Story zeugend gemacht!) kaputt!) Er hat diese Chance nicht genutzt und sich hinterher da- Das war die einfache Antwort auf einen völlig einfa- rüber aufgeregt, dass er nicht ein zweites Mal in diese Debatte eingreifen konnte. (B) chen Vorgang, der im „Spiegel“ ausgesprochen verwir- (D) rend dargestellt worden ist. Aber alle diejenigen, die sich (Hellmut Königshaus [FDP]: Das ist ja lächer- in Immobiliengeschäften auskennen, haben mir bestä- lich! Unglaublich!) tigt, dass da wirklich überhaupt nichts dran ist. Er hat andere Parteien angegriffen und wundert sich nun, Polemik gehört zum Wahlkampf; das weiß auch ich. dass er dann aus diesen Reihen kritisiert wird. Aber der Vorgang hier gibt nichts her. Die Polemik ist in der Sache völlig falsch. Drittens stelle ich fest, dass die Erklärung zur Aus- sprache gemäß der Geschäftsordnung vonseiten Herrn (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Sie woll- Dr. Solms keine Erklärung zur Aussprache war. Das ten eigentlich Ihre Sachen und unsere Fragen Nachlesen des Protokolls wird eindeutig sein. erklären!) (Hellmut Königshaus [FDP]: Er hat die erbe- – Ich habe Ihre Fragen jetzt wirklich abschließend er- tene Erläuterung gegeben!) klärt. – Wir haben im Rechenschaftsbericht alle Details Insofern bitte ich, in Zukunft die Geschäftsordnung aufgeführt. Bei Ihnen steht nur, dass Grundstücksgesell- einzuhalten. Sie sollten die Sache hier klar erklären, da- schaften bestehen, ohne dass die Hintergründe erläutert mit jeder hinterher weiß, was Sie dort eigentlich getan sind. Ich werfe Ihnen das gar nicht vor; aber Sie werden haben. das dann im nächsten Rechenschaftsbericht erläutern müssen. Das ist Ihre Aufgabe. (Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Also ich habe es begriffen!) (Florian Pronold [SPD]: Kann die Teilhaberin der KG das nun steuerlich geltend machen?) War es eine Schuldenwaschanlage oder nicht? – Ich glaube, Sie verstehen den ganzen Zusammenhang (Hellmut Königshaus [FDP]: Was war denn nicht. mit dem Willy-Brandt-Haus? Erklären Sie das doch auch einmal!) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Ihre Redezeit ist zu Ende. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, Herr Kollege Küster, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Dr. Hermann Otto Solms (FDP): man bei strenger Orientierung am Wortlaut des § 30 der Meine Redezeit ist zu Ende. Ich habe abschließend Geschäftsordnung in der Tat die Auffassung vertreten Auskunft gegeben. Da ist überhaupt nichts hineinzuge- kann, dass die vom Kollegen Solms gerade vorgenom- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17295

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert (A) mene Erklärung keine nach § 30 der Geschäftsordnung Ich schließe die Aussprache. (C) war. Wenn man dieser Interpretation folgt, war Ihre Er- klärung aber auch keine nach § 30 der Geschäftsord- Damit ist die Tagesordnung für heute beendet. nung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – destages auf morgen, Donnerstag, den 30. Juni 2005, Dr. Uwe Küster [SPD]: Ich bin persönlich an- 9 Uhr, ein. gesprochen worden!) Die Sitzung ist geschlossen. – Eben darum. (Schluss: 15.53 Uhr)

(B) (D)

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17297

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 ein besonders offenes Ohr für die Alltagsprobleme von Verbrauchern haben, jedenfalls haben wir vor allem in Liste der entschuldigten Abgeordneten Bezug auf die Fernsehwerbung und undurchsichtige Ta- rife viele Beschwerden bekommen. Diese Anliegen ha- ben wir jetzt berücksichtigt. entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Wir wollen deshalb, dass immer, wenn der Telefon- kunde vor einem Gespräch eine Kennzahl wählt, eine Kolbe, Manfred CDU/CSU 29.06.2005 Preisinformation gegeben wird. Verbindliche Preisan- sagen vor der Inanspruchnahme von so genannten Pre- Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 29.06.2005 miumdiensten – früher sagte man Mehrwertdienste oder 0190er-Nummern – und für alle Call-by-Call-Verbin- Thiele, Carl-Ludwig FDP 29.06.2005 dungen im Festnetzbereich schaffen umfassende Klar- heit ab dem ersten Cent. Das entspricht auch den Erwar- Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 29.06.2005 tungen der Verbraucher: 80 Prozent der Festnetznutzer bewerten eine Preisansage vor Gesprächsbeginn als wichtig oder sehr wichtig. Dies ist das Ergebnis einer re- Anlage 2 präsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag des Verbrau- cherzentrale Bundesverbands. Auch für die anderen Ruf- Nachträglich zu Protokoll gegebene Rede nummernbereiche wollen wir Transparenz. Die zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur einzelnen Märkte sollen genau beobachtet werden, um Änderung telekommunikationsrechtlicher Vor- flexibel über die zu treffenden Maßnahmen entscheiden schriften (182. Sitzung, Tagesordnungspunkt 24) zu können. Was macht Sinn, was schafft Transparenz und wie erreichen wir den Ausgleich zwischen Verbrau- cher- und Unternehmerinteressen? Die Preisansage für Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Kurzwahl- und Auskunftsdienste ab einem Preis von Telefonmarkt ist eine Zukunftsbranche mit dynamischen 2 Euro ist ein angemessener Kompromiss angesichts Entwicklungschancen für Wirtschaft und Arbeitsplätze – komplizierter Tarifmodelle und noch nicht ausgereifter und er wird in seiner Entwicklung von uns unterstützt. Geschäftsmodelle. Bei SMS-Diensten müssen Anbieter (B) Aber der Grundstein für diesen neuen Markt ist das Ver- (D) auf die Kosten ab einem Preis von 1 Euro hinweisen. trauen der Verbraucher. Und jeder Markt braucht Leit- Dies sind vertrauensbildende Vorgaben in einem Markt, planken. Die Praxis zeigt, nicht alle Geschäftsideen ha- der sich einerseits sehr innovativ, aber nicht immer in- ben einen seriösen Hintergrund. Telefonische Dienste formationssymmetrisch und andererseits geschäftstüch- können auch undurchsichtig, verbraucherfeindlich und tig, aber nicht immer zum Vorteil des Verbrauchers ent- missbrauchsanfällig sein. Vor allem schnell wechselnde wickelt. Preise, unverständliche Tarifpakete, unbekannte Vertrags- texte im SMS-Geschäft, trügerische Sicherheitskon- Insbesondere mit Blick auf jugendliche Verbraucher zepte, immer neue Abzockertricks und überhöhte Tele- und der „Schuldenfalle Handy“ brauchen wir klare fonrechnungen machen dem Markt zu schaffen. Mit dem Regeln bei der Inanspruchnahme von Kurzwahldiensten Artikelgesetz zur Änderung telekommunikationsrechtli- im Mobilfunk, zum Beispiel Handy-Logos, Klingeltöne cher Regelungen sind wir einen weiteren großen Schritt etc. Zwischen 1999 und 2002 erhöhte sich die Zahl für Verbraucher und seriöse Unternehmen vorangekom- der 20- bis 24-Jährigen beim Schuldnerregister Schufa men. Missbräuche werden damit noch besser abgestellt, auf rund 174 000, vor allem wegen Handy-Rechnungen. verbraucherschützende Informationsregeln werden deut- Unternehmen müssen dem Verbraucher vor Abschluss lich ausgebaut. Die Interessen behinderter Menschen von Mobilfunk-Abonnementverträgen, zum Beispiel werden besonders berücksichtigt. Insbesondere ist ein beim Kauf von Klingeltönen, die Vertragsbedingungen Vermittlungsdienst für gehörlose und hörgeschädigte in einer SMS mitteilen. Erst mit der Bestätigung kommt Menschen unter Berücksichtigung ihrer besonderen Be- der Vertrag zustande, der darüber hinaus jederzeit künd- dürfnisse einzurichten. Verbessert wird vor allem aber bar ist. Eine besondere Informationspflicht in Form einer auch die Transparenz zugunsten des Telefonkunden. Der Warn-SMS besteht bei Erreichen einer Summe von Verbraucher soll vor Vertragsschluss Informationen über 20 Euro pro Monat. Uns ist mit dem Gesetz ein verbrau- Preis und Qualität der Telekommunikationsleistung er- cherfreundlicher Rahmen gelungen, der den seriösen halten. Nur informierte Kunden können von ihrer Wahl- Unternehmen genügend Spielraum für Entwicklung freiheit Gebrauch machen und eine gute Entscheidung lässt. Wer hier das Gegenteil behauptet, soll erst einmal treffen. Nur wer Vertrauen in den Telefonmarkt hat, wird unter Beweis stellen, dass er einen besseren Ausgleich ihn verstärkt nutzen. Vor allem in der Werbung müssen von Verbraucher- und Unternehmerinteressen schaffen die Preisinformationen gut lesbar, deutlich sichtbar und kann. Was CDU und FDP zum Thema Verbraucher- zeitlich ebenso lang wie die Rufnummernanzeige sein. schutz zu bieten haben, ist jedenfalls im Vermittlungs- Vielleicht liegt es ja daran, dass Bündnis 90/Die Grünen ausschuss deutlich geworden: Kürzen, Streichen und 17298 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

(A) Verhindern. Den besten Verbraucherschutz gibt es nur Funktionsbereiche gewährleistet. Das BMVEL hat am (C) mit den Grünen. Wir fordern CDU/CSU und FDP auf, 6. Oktober 2004 der Agrarministerkonferenz (AMK) un- dem Gesetz im Bundesrat zuzustimmen. ter anderem vorgeschlagen, die Tierschutz-Nutztierhal- tungsverordnung um Anforderungen an die Legehennen- haltung in Kleinvolieren zu ergänzen. Die vom BMVEL Anlage 3 vorgelegten Eckpunkte entsprechen im Wesentlichen Antwort dem von der FAL dargestellten Modell mit zwei Ebenen. Sie ermöglichen eine Haltung von Legehennen mit aus- des Parl. Staatssekretärs Gerald Thalheim auf die Fragen reichender Trennung der Funktionsbereiche, die einen der Abgeordneten Gitta Connemann (CDU/CSU) tragfähigen Ausgleich zwischen Tiergerechtheit und (Drucksache 15/5818, Fragen 1 und 2): Wirtschaftlichkeit darstellt. Die AMK hat den Bericht Sind der Bundesregierung die Erkenntnisse der Studie des BMVEL lediglich zur Kenntnis genommen. Die Zu- „Sektorale und regionale Strukturen der Nutztierhaltung in kunft der Legehennenhaltung hängt deshalb von einer Niedersachsen“ vom Institut für Strukturforschung und Pla- nung in agrarischen Intensivgebieten (ISPA) der Hochschule Entscheidung für ein tragfähiges Modell ab, das sowohl Vechta bekannt, wonach die Legehennenhaltung in Zukunft den Anforderungen des Tierschutzes als auch der Wirt- an Bedeutung verliert, wenn es beim Verbot der ausgestalteten schaftlichkeit entspricht. Zudem spielt das Kaufverhal- Käfige oder Kleinvolieren bleibt (vergleiche DGS-intern vom ten der Verbraucherinnen und Verbraucher eine bedeu- 18. Juni 2005), und wie beurteilt sie vor diesem Hintergrund die Zukunft der Legehennenhaltung? tende Rolle. Die jüngste europäische Studie zum Kaufverhalten europäischer Bürgerinnen und Bürger Teilt die Bundesregierung die in dieser Studie geäußerte Ansicht, dass neben den wirtschaftlichen Kriterien auch zu – Eurobarometer – unterstreicht, dass diese ein erhebli- berücksichtigen ist, dass das Angewiesensein auf Eierimporte ches Interesse an der Art der Herstellung und tiergerech- aus Drittstaaten wahrscheinlich dazu führen wird, dass die ho- ten Haltungsformen haben. hen Qualitäts- und Sicherheitsstandards nicht gehalten werden können (vergleiche DGS-intern vom 18. Juni 2005), und wie begründet sie ihre Haltung? Zu Frage 2:

Zu Frage 1: Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, dass eine etwaige Zunahme von Eierimporten aus Drittlän- Die in der Studie „Sektorale und regionale Strukturen dern dazu fuhren wird, dass das Niveau der Lebens- der Nutztierhaltung in Niedersachsen“ formulierte mittelsicherheit bei Eiern sinken wird. Grundsätzliches These, dass das Verbot der Legehennenhaltung in ausge- Konzept der EU bei der Einfuhr von Erzeugnissen tieri- stalteten Käfigen und Kleinvolieren zu einem Rückgang schen Ursprungs aus Drittländern ist es, dass diese Er- der Bedeutung dieses Zweiges der Geflügelhaltung (B) zeugnisse den in der EU geltenden Anforderungen an die (D) führt, ist im BMVEL bekannt. Das herausgebende Insti- Lebensmittelsicherheit und Lebensmittelhygiene ent- tut hat bereits verschiedentlich in Wort und Schrift diese sprechen müssen. Dementsprechend regelt Art. 11 der und ähnliche Thesen formuliert. Dabei liegt der Argu- Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parla- mentationsschwerpunkt meist allein auf einer wirtschaft- ments und des Rates, dass in die Gemeinschaft einge- lichen Betrachtungsweise. Im Sinne der Vorgaben des führte Lebensmittel, die in der Gemeinschaft in den Ver- Bundesverfassungsgerichtes muss jedoch ein Ausgleich kehr gebracht werden sollen, die entsprechenden zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Tierhalter Anforderungen des Lebensmittelrechts oder von der Ge- und den Verhaltensansprüchen der Tiere herbeigeführt meinschaft als zumindest gleichwertig anerkannte Be- werden. Deshalb wurden die spezifischen Tierschutzan- dingungen erfüllen müssen. Diese Anforderungen forderungen an das Halten von Legehennen in der Tier- werden ergänzt durch die Regelungen des neuen ge- schutz-Nutztierhaltungsverordnung geregelt; sie wurden meinschaftlichen Hygienerechts (Verordnungen (EG) durch die Erste Verordnung zur Änderung der Tier- Nr. 852/2004 und 853/2004 im Hinblick auf die Einhal- schutz-Nutztierhaltungsverordnung eingefügt. Um die tung von Hygienestandards die Gleichwertigkeit von un- Vorgabe erhöhter Anforderungen an das Halten von Le- ter anderem auch Erzeugnissen tierischer Herkunft aus gehennen zu flankieren, wurden folgende Maßnahmen Drittländern vorschreiben. Die Kontrolle der Einfuhr ergriffen: Investitionsförderung zur Umstellung auf al- von Erzeugnissen tierischen Ursprungs ist ebenfalls ge- ternative Haltungsformen für Legehennen; Förderung meinschaftlich geregelt und unterliegt den Bestimmun- verschiedener Forschungsprojekte zur tiergerechten Le- gen der Richtlinie 97/78/EG sowie der Verordnung (EG) gehennenhaltung, um eine Fortentwicklung der Lege- Nr. 882/2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung hennenhaltung auf der Basis wissenschaftlicher Erkennt- der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts nisse zu ermöglichen und seit dem 1. Januar 2004 sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tier- obligatorische Kennzeichnung der Eier der Güteklasse A schutz. Nach den Bestimmungen der Richtlinie 97/78/ mit Angaben zur Haltungsform und Herkunft, um dem EG ist bei der Einfuhr von Lebensmitteln tierischen Ur- Verbraucher eine bewusste Kaufentscheidung zugunsten sprungs eine Dokumentenprüfung, Nämlichkeitsprü- tiergerechter Haltungsformen zu ermöglichen. fung und Warenuntersuchung vorgeschrieben. Im Rah- Von der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft men der Warenuntersuchung werden unter anderem auch wurde als Diskussionsgrundlage ein Haltungsverfahren Laboruntersuchungen durchgeführt, die zum Beispiel mit zwei Ebenen dargestellt, das im Vergleich zum aus- auch Rückstandsuntersuchungen beinhalten. Im Übrigen gestalteten Käfig die erforderliche bessere Trennung der stellt die seit dem 1. Januar 2004 EU-weit einheitliche Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17299

(A) obligatorische Kennzeichnung der Eier der Güteklasse A republik Deutschland keine Rechtsvorschriften erlassen (C) gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 1907/90 des Rates wird, die der durch Art. 41 Abs. 1 EV als Anlage III zum über Bestimmte Vermarktungsnormen für Eier eine Bestandteil des Einigungsvertrages erhobenen Gemein- Rückverfolgbarkeit bis in den Legebetrieb sicher. Auch samen Erklärung der beiden deutschen Regierungen zur eingeführte Eier aus Drittstaaten müssen mit Angabe der Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 Haltungsform und des Herkunftslandes gekennzeichnet widersprechen. Nach dem Eckwert Nr. 1 der Gemeinsamen werden. Erklärung sind sämtliche Enteignungen auf besatzungs- rechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage nicht mehr rückgängig zu machen. Die Regelung des § 1 Anlage 4 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG hat mithin zur Folge, dass der in § 1 Abs. 8 Buchstabe a VermG angeordnete Anwen- Antwort dungsausschluss nicht auf dem Weg über eine verwal- tungsrechtliche Rehabilitierung umgangen werden kann. des Parl. Staatssekretärs Alfred Hartenbach auf die Frage Für diese Fälle ist die Entschädigung im Gesetz über des Abgeordneten Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf (Drucksache 15/5818, Frage 16): besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grund- Warum hat die Bundesregierung seit mehr als drei Jahren lage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können keinen Gesetzentwurf eingebracht, um den Gesetzgeber zu (Ausgleichsleistungsgesetz vom 27. September 1994), veranlassen, § 1 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes über die Aufhe- geregelt. Entgegen der verkürzten Darstellung in der bung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsgebiet und die daran anknüpfenden Folgeansprüche Fragestellung hat das Bundesverfassungsgericht in seinem (VwRehaG) aufzuheben, obwohl mit der Rechtsprechung des Kammerbeschluss vom 9. Januar 2001 – 1 BvL 6/00, Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Februar 2002 feststeht, 1 BvL 7/00 – darauf hingewiesen, dass mit der Gewäh- dass die in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) von deut- rung von Ausgleichsleistungen dem Interesse der Betrof- schen behördlichen Stellen politisch Verfolgten, denen dabei fenen an einer moralischen Rehabilitierung hinreichend als Nebenfolge (BVerwG 3 C 39/00; ZOV 01, 427) eine Sache konfisziert wurde, tatbestandsmäßig unter das VwRehaG fal- Rechnung getragen sein dürfte. Für die Bundesregierung len, das aber durch die genannte Norm für sie versperrt ist war und ist kein Grund ersichtlich, diese vom Gesetzge- (BVerwG 3 C 16.01; ZOV 02, 178), was zur Folge hat, dass ber beabsichtigte, höchstrichterlich bestätigte und seit ihre durch die Verfolgung verletzte Menschenwürde (BVerfG dem 1. Juli 1994 bestehende Rechtslage zu ändern. 1 BvL 6/00; ZOV 01, 388) nicht wiederhergestellt wird, da die Verfolgungsakte nicht aufgehoben bzw. für rechtsstaats- widrig erklärt werden, und die Verfolgten die konfiszierten Sachen im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland nicht Anlage 5 (B) wiederbekommen? (D) Antwort Der Ausschluss der Rückgabe von Vermögenswer- ten, die zwischen 1945 und 1949 in der sowjetisch be- des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Frage des setzten Zone enteignet worden sind, war bereits Gegen- Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/CSU) (Druck- stand Ihrer schriftlichen Fragen vom 24. August 2004 sache 15/5818, Frage 11): und vom 27. Oktober 2004. Auf die Antwort der Bun- Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der An- desregierung vom 7. September 2004 (Bundestags- teil nicht deutscher Staatsangehöriger an den Arbeitslosenzah- drucksache 15/3694) und vom 4. November 2004 len in Deutschland – bitte aufgeschlüsselt nach EU-25-Bür- (Bundestagsdrucksache 15/4120) verweise ich daher gern und Drittstaatlern in absoluten Zahlen und Prozent sowie vorab. Ergänzend hierzu bemerke ich: Der Gesetzgeber ins Verhältnis gesetzt zur jeweiligen Gruppe – und wie stellen sich diese Zahlen nach Kenntnis der Bundesregierung im hat bewusst die Anwendung des Verwaltungsrechtlichen europäischen Vergleich (EU 25) dar, also wie hoch ist im Rehabilitierungsgesetzes (VwRehaG) für die Fallgrup- europäischen Durchschnitt der Anteil von Menschen, die pen des § 1 Abs. 8 des Vermögensgesetzes (VermG) nicht die Staatsangehörigkeit des jeweiligen Aufenthaltsstaa- tes besitzen, an den Arbeitslosenzahlen der EU-Staaten – bitte – das heißt unter anderem für Enteignungen von Vermö- aufgeschlüsselt nach EU-25-Bürgern und Drittstaatlern in ab- genswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungs- soluten Zahlen, in Prozent sowie ins Verhältnis gesetzt zur je- hoheitlicher Grundlage – ausgeschlossen. In der Begrün- weiligen Gruppe? dung des Regierungsentwurfs aus dem Jahre 1993 wird Ich habe das zuständige Fachreferat in meinem Hause zu § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG unter anderem aus- gebeten, Ihnen die gewünschten Zahlenangaben zusam- geführt (vergleiche Bundestagsdrucksache 12/4994, S. 23 menzustellen. Sie erhalten von mir die Bestandszahlen Ziff. 8), dass der Anwendungsausschluss entscheidend an Arbeitslosen aus den weiteren 24 EU-Staaten sowie auf die Haltung der Sowjetunion zurückzuführen sei, Drittstaatlern in Relation zu ihrem Bevölkerungsanteil in nach der die unter ihrer Besatzungshoheit (1945 bis Deutschland jeweils zum Stichtag 31. Dezember 2004. 1949) durchgeführten Enteignungsmaßnahmen völker- Der Bundesregierung liegen die von Ihnen erbetenen rechtlich nicht zur Disposition der beiden Deutschen Daten ausländischer arbeitsloser Arbeitnehmer in den Staaten stünden und als solche unangetastet bleiben weiteren Mitgliedstaaten der Europäischen Union ge- müssten. Dies sei auch im Rahmen des VwRehaG zu genwärtig noch nicht vor. Diese werden derzeit durch beachten. Mit dieser klarstellenden Regelung hat der eine gezielte und zeitaufwendige Nachfrage ermittelt. Gesetzgeber zugleich Art. 41 Abs. 3 des Einigungsver- Sobald diese hier vorliegen, reiche ich Ihnen die Daten trages (EV) Rechnung getragen, wonach die Bundes- gerne nach. 17300 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

(A) Ausländische Bevölkerung und arbeitslose Ausländer zum 31. Dezember 2004 (C)

Anteil der Arbeits- Bevölkerung Anteil in Prozent an Arbeitslose Staatsangehörigkeit losen in Prozent absolut allen Ausländern Ausländer zur Bevölkerung Insgesamt 6717115 100 554 312 8,25 davon: Drittstaats- angehörige 4610428 68,63 416 793 9,04 Europäische Union insgesamt 2106687 31,4 137 519 6,52 darunter: Belgien 21 791 0,32 1141 5,24 Dänemark 17 965 0,27 558 3,10 Estland 3 775 0,06 233 6,17 Finnland 13 110 0,20 475 3,62 Frankreich 100 464 1,50 5034 5,01 Griechenland 315 989 4,70 22 890 7,24 Großbritannien/ Nordirland 94 586 1,40 4652 4,91 Irland 9 989 0,15 395 3,95 Italien 548 194 8,16 45 988 8,39 Lettland 8 844 0,13 844 9,54 Litauen 14 713 0,22 914 6,21 Luxemburg 6 841 0,10 174 2,54 Malta 332 0,005 29 8,73 (B) Niederlande 114 087 1,70 4749 4,16 (D) Österreich 174 047 2,59 7716 4,43 Polen 292 109 4,35 20 156 6,90 Portugal 116 730 1,74 8134 6,97 Schweden 16 172 0,24 536 3,31 Slowakische Rep. 20 244 0,30 765 3,78 Slowenien 21 034 0,31 1401 6,66 Spanien 108 276 1,61 5761 5,32 Tschechische Rep. 30 301 0,45 2178 7,19 ehem. CSFR 8 498 0,13 nicht erfasst nicht erfasst Ungarn 47 808 0,71 2772 5,80 Zypern 788 0,01 24 3,05 Quelle: Ausländerzentralregister, Bundesagentur für Arbeit, eigene Berechnungen

Anlage 6 spät diagnostiziert würden, und wie bewertet die Bundesre- gierung in diesem Zusammenhang die durch die Kinder- und Antwort Jugendärzte angebotenen, von Eltern jedoch überwiegend selbst zu zahlenden, zusätzlichen Früherkennungs-Untersu- der Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf die chungen U7a, U10, U11 und J2 (vergleiche hierzu auch „Ärzte- Zeitung“ vom 23. Juni 2005)? Fragen des Abgeordneten Dr. Hans Georg Faust (CDU/ CSU) (Drucksache 15/5818, Fragen 14 und 15): Ist die Bundesregierung dazu bereit, den § 26 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) dahin gehend zu ändern, Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Präsidenten dass zusätzliche Früherkennungs-Untersuchungen, wie zum des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Beispiel die vom Präsidenten des BVKJ, Dr. Wolfram Hart- Dr. Wolfram Hartmann, zur Notwendigkeit von zusätzlichen mann, vorgeschlagenen Untersuchungen U7a, U10, U11 und Früherkennungs-Untersuchungen U7a, U10, U11 und J2, weil J2, über die gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden die derzeit von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlten üb- können, bzw. ist die Bundesregierung dazu bereit, entspre- lichen Vorsorgen (U1 bis U9 sowie J1) den medizinisch-dia- chende Modellvorhaben zur Erprobung von zusätzlichen gnostischen Möglichkeiten hinterherhinken und Fehlentwick- Früherkennungs-Untersuchungen zuzulassen (vergleiche lungen in der kindlichen Entwicklung dadurch erst häufig zu hierzu auch „Ärzte-Zeitung“ vom 23. Juni 2005)? Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17301

(A) Es ist erklärtes Ziel der Bundesregierung, dass in gruppe für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der (C) Deutschland Prävention Schritt für Schritt zu einer ei- Raumentwicklung ist für die zweite Hälfte des Jahres genständigen Säule im Gesundheitswesen ausgebaut 2005 geplant. Von deutscher Seite ist eine Besetzung mit wird. Von unverändert großer Bedeutung sind dabei die Vertretern des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- bewährten Leistungen zur Früherkennung von Krankhei- und Wohnungswesen, des Bundesministeriums für Um- ten, insbesondere auch die Kinderuntersuchungen nach welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie der Län- § 26 SGB V. Die stetige Fortentwicklung dieses Früh- der Sachsen, Thüringen, Bayern, Sachsen-Anhalt, Berlin erkennungsprogramms und der hierzu vom Gemeinsamen und Brandenburg vorgesehen. Bundesausschuss erlassenen Kinder-Richtlinien sind ein wichtiges Anliegen, dem durch das Bundesministerium Zu Frage 21: für Gesundheit und Soziale Sicherung große Aufmerk- Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Woh- samkeit geschenkt wird. So verfolgt das Bundesministe- nungswesen beabsichtigt, dieses Thema in der Arbeits- rium für Gesundheit und Soziale Sicherung seit gerau- gruppe anzusprechen. Nach § 16 des deutschen Raum- mer Zeit intensiv auch Konzepte für ergänzende U- ordnungsgesetzes sind raumbedeutsame Planungen und Untersuchungen (so genannte U7a, U10, U12 und J2). Maßnahmen, die erhebliche Auswirkungen auf Nachbar- Modellvorhaben zur Erprobung neuer Früherkennungs- staaten haben können, mit den betroffenen Nachbarstaa- konzepte und sich daran gegebenenfalls anschließende ten nach den Grundsätzen der Gegenseitigkeit und Änderungen des § 26 SGB V können nur auf der Grund- Gleichwertigkeit abzustimmen. Eine entsprechende Re- lage wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse bzw. evi- gelung gibt es auf der tschechischen Seite bisher nicht. denzbasierter Ergebnisse erfolgen. Daher hat im Zusam- Ein Ziel der Arbeitsgruppe sollte es sein, eine dem menhang mit einer grundsätzlichen Überarbeitung der Raumordnungsgesetz adäquate Regelung in der Tsche- Kinder-Richtlinen der für die Ausgestaltung der Kinder- chischen Republik anzuregen. Einen wesentlichen Bei- untersuchungen nach § 26 SGB V zuständige Gemein- trag für Lösungsansätze zur grenzüberschreitenden Ab- same Bundesausschuss eine umfassende Analyse des stimmung von Einzelhandels Großvorhaben können Kinderfrüherkennungsprogramms eingeleitet. In diesen transnationale Projekte im Rahmen der EU-Gemein- Prozess und die sich daraus ergebenden Schlussfolge- schaftsinitiative INTERREG III B leisten. Beispielge- rungen für ein weiterentwickeltes Kinderfrüherken- bend ist hier das vom Bundesministerium für Verkehr, nungsprogramm werden auch die Erkenntnisse des Be- Bau- und Wohnungswesen im Rahmen seiner Förderung rufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte hinsichtlich der transnationalen Zusammenarbeit finanziell unter- der Erprobung und wissenschaftlichen Begleitung neuer stützte Projekt „VITAL CITIES“ im mittelsüdosteuropäi- Untersuchungsmodule einfließen. Als Ergebnis dieses schen Kooperationsraum CADSES, das auf eine Ein- (B) (D) vom Gemeinsamen Bundesausschuss getragenen Pro- dämmung neuer Einkaufszentren auf der grünen Wiese zesses werden dann belastbare Daten vorliegen, auf gerichtet ist und in dem unter anderen deutsche und deren Grundlage über die Einleitung von Gesetzesinitia- tschechische Partner eng zusammenwirken. tiven ggf. in Zwischenschritten auch über die Durchfüh- rung von weiteren Modellmaßnahmen entschieden wer- den kann. Anlage 8 Antwort Anlage 7 der Staatsministerin Kerstin Müller auf die Fragen des Antwort Abgeordneten Matthias Sehling (CDU/CSU) (Druck- sache 15/5818, Fragen 22 und 23): der Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke auf die Fragen des Trifft es zu, dass ein Mitarbeiter der deutschen Visastelle Abgeordneten Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) in Nowosibirsk, Russland, wissentlich Visa an Personen aus (Drucksache 15/5818, Fragen 20 und 21): mafiösen Kreisen vergeben hat und mit der Zuführung von Frauen „bezahlt“ wurde, und wenn ja, wie viele deutsche Visa Wann wird die geplante Deutsch-Tschechische Raumord- sind durch diesen Mitarbeiter vergeben worden? nungskommission eingesetzt, und wie soll diese Kommission von deutscher Seite besetzt werden? Wenn die vorangegangene Frage mit „Ja“ beantwortet wurde, was hat das Auswärtige Amt (AA) nach Bekanntwer- Inwieweit wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, den dieses Falles getan, und ist der Mitarbeiter nach wie vor dass die Vergabe von Genehmigungen zum Bau so genannter im AA beschäftigt, bzw. wann wurde das Arbeitsverhältnis Hypermärkte im tschechischen Grenzraum, durch die dem beendet? Einzelhandel im deutschen Grenzraum Kunden abgeworben werden, in den Kompetenzbereich der zukünftigen Deutsch- Es trifft nach Kenntnis der Bundesregierung nicht zu, Tschechischen Raumordnungskommission fällt, und dass sol- dass ein Mitarbeiter der Visastelle des deutschen Gene- che Baugenehmigungen nur im Einvernehmen mit den deut- schen Vertretern in der Kommission vergeben werden? ralkonsulats Nowosibirsk für die Vergabe von Visa an Personen aus mafiösen Kreisen mit der „Zuführung von Zu Frage 20: Frauen“ entlohnt worden wäre. Der Bundesregierung ist allerdings ein Vorgang bekannt, in dem es wegen Erpres- Die konstituierende Sitzung der zwischen dem Bun- sung eines Mitarbeiters der Visastelle des Generalkon- desministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen sulats Nowosibirsk zur Visaerteilung in zwei Einzelfäl- und dem tschechischen Ministerium für Regionalent- len gekommen ist. Der betreffende Mitarbeiter hat sich wicklung verabredeten deutsch-tschechischen Arbeits- nach weiteren Erpressungsversuchen dem Dienstherren 17302 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005

(A) eröffnet. Daraufhin wurde ein Disziplinarverfahren ein- Grundstücksverkehrsordnung (GVO) der Genehmigung be- (C) geleitet, welches inzwischen mit der Verhängung einer darf und dass dies auch für Grundstücke gilt, die in der „De- mokratischen Bodenreform“ von deutschen behördlichen Disziplinarstrafe rechtskräftig abgeschlossenen ist. Der Stellen der Länder der SBZ konfisziert wurden und im Eigen- Mitarbeiter ist nicht mehr in der Region eingesetzt. tum öffentlicher Hände sind und diese Genehmigungen erteilt werden, auch wenn der Verfolgte bzw. dessen Rechtsnachfol- ger nicht zugestimmt hat, und wenn ja, was unternimmt sie, Anlage 9 um derartige Genehmigungen zu verhindern? Antwort Der Bundesregierung ist bekannt, dass zur Veräuße- rung eines Grundstücks auf dem Gebiet der ehemaligen der Parl. Staatssekretärin Ute Vogt auf die Frage des Ab- DDR eine Grundstücksverkehrsgenehmigung erforder- geordneten Hartmut Koschyk (CDU/CSU) (Druck- lich ist. Dies gilt grundsätzlich für alle Grundstücke und sache 15/5818, Frage 27): damit auch für diejenigen, die zwischen 1945 und 1949 Wie viele nicht deutsche Staatsangehörige leben nach auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Kenntnis der Bundesregierung derzeit in Deutschland – bitte Grundlage enteignet wurden. Zweck dieses Verfahrens ist aufgeschlüsselt nach EU-25-Bürgern und Drittstaatlern in ab- soluten Zahlen und Prozent – und wie stellen sich diese Zah- es, die Restitutionsansprüche der durch Enteignungsmaß- len nach Kenntnis der Bundesregierung im europäischen Ver- nahmen Geschädigten zu schützen. Dieser Schutzzweck gleich (EU 25) dar, also wie viele Menschen leben im entfällt, wenn von vornherein feststeht, dass ein Grund- europäischen Durchschnitt in den Staaten der Europäischen stück nicht restituiert werden kann. Nach der Grund- Union, ohne die Staatsangehörigkeit des jeweiligen Aufent- haltsstaates zu besitzen – bitte ebenfalls aufgeschlüsselt nach stücksverkehrsordnung haben die Behörden die Möglich- EU-25-Bürgern und Drittstaatlern in absoluten Zahlen und in keit, eine Genehmigung dann zu erteilen, wenn der Prozent? Antrag nach dem Vermögensgesetz offensichtlich unbe- Zum 31. Dezember 2003 (Stichtag für aktuelle EU- gründet erscheint. Als ein Regelbeispiel für einen offen- Daten, siehe unten) waren im Ausländerzentralregister sichtlich unbegründet erscheinenden Antrag nennt das 7 334 765 Personen (8,9 Prozent Anteil an der Gesamt- Gesetz Restitutionsanträge zu Grundstücken, die auf be- bevölkerung) als in Deutschland aufhältig gespeichert. satzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grund- Darunter waren 2 344 716 Ausländer mit der Staatsange- lage enteignet wurden. Der Grund besteht darin, dass in hörigkeit eines EU-Mitgliedstaates (32,0 Prozent) und diesen Fällen eine Restitution ausgeschlossen ist, weil 4 990 049 Drittstaatsangehörige (68,0 Prozent). Hinweis: das Vermögensgesetz auf die genannten Enteignungen Aufgrund der Ende 2004 im Wesentlichen abgeschlosse- nicht anzuwenden ist (§ l Abs. 8 Buchstabe a VermG). nen Bereinigung der Daten des Ausländerzentralregis- Dabei ist es ohne Bedeutung, ob sich das Grundstück im ters (AZR) mit den Daten der Ausländerbehörden und Eigentum Privater oder der öffentlichen Hand befindet. (B) des BAMF sind zum Stichtag 31. Dezember 2004 im Der Versuch, die Erteilung einer derartigen Genehmigung (D) AZR nur noch 6 717 115 Ausländer als in Deutschland grundsätzlich zu verhindern, wäre rechtswidrig und wird aufhältig gespeichert – ca. 618 000 weniger als ein Jahr daher von der Bundesregierung auch nicht unternommen. zuvor. Darunter sind 2 106 687 EU-Bürger (31,4 Pro- zent) und 4 610 428 Drittstaatsangehörige (68,6 Pro- zent). Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes vom Anlage 11 Mai 2005 auf Grundlage von EUROSTAT-Daten (teil- weise Schätzungen bzw. zuletzt verfügbarer Stand) leb- Antwort ten zum 1. Januar 2004 in den 25 Staaten der Europäi- des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen des schen Union insgesamt 456,5 Millionen Einwohner. Abgeordneten Klaus Hofbauer (CDU/CSU) (Druck- Eine Auswertung der bei der EUROSTAT-Onlinedaten- sache 15/5818, Fragen 29 und 30): bank aktuell verfügbaren Daten zum Stichtag 1. Januar 2004 ergab einen Anteil der Ausländer an der jeweiligen Welche Auswirkungen hat die beabsichtigte Reduzierung der Haushaltsmittel für die Finanzierungsperiode 2007 bis Gesamtbevölkerung in der EU 25 von etwa 4,5 Prozent 2013, wie auf dem EU-Gipfel vom 16. und 17. Juni 2005 in (gut 20 Millionen Ausländer). Der Anteil der Ausländer Luxemburg geplant, hinsichtlich der zukünftigen Strukturför- in den einzelnen EU-Staaten variiert stark (zum Beispiel: derziele 1, 2 und 3? Luxemburg 39 Prozent, Estland 18 Prozent, Zypern Konnte die Bundesregierung bei den Verhandlungen auf 10 Prozent, Österreich 9 Prozent). Eine Differenzierung dem EU-Gipfel über den langfristigen EU-Haushalt für die der Ausländer in der Europäischen Union nach EU- und Jahre 2007 bis 2013 erreichen, dass für die ehemaligen deut- Drittstaatsangehörigen ist aufgrund der unzureichenden schen Außengrenzen der EU, entsprechend dem Kommis- sionsvorschlag einer Strukturfondsgrundverordnung (KOM Datenlage bei EUROSTAT nicht möglich. (2004) 492 endg.), eine spezielle Förderung erfolgt?

Zu Frage 29: Anlage 10 Die letzte Verhandlungsbox der luxemburgischen Prä- Antwort sidentschaft wurde am 17. Juni 2005 vorgelegt. Danach des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Frage des hätte für die Strukturpolitik in der nächsten Förder- Abgeordneten Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) (Druck- periode (2007 bis 2013) insgesamt ein Betrag von rund sache 15/5818, Frage 28): 309,6 Milliarden Euro zur Verfügung gestanden. Ist der Bundesregierung bekannt, dass die Veräußerung 82,3 Prozent dieser Mittel, das heißt rund 254,8 Milliar- von Grundstücken auf dem Gebiet der ehemaligen DDR laut den Euro entfielen auf Ziel l, 15,3 Prozent, das heißt Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 183. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Juni 2005 17303

(A) rund 47,3 Milliarden Euro auf Ziel 2 und 2,4 Prozent, deutschen Außengrenzen vor. Lediglich die Beteili- (C) das heißt 7,5 Milliarden Euro auf Ziel 3. Demgegenüber gungssätze des Europäischen Regionalfonds (EFRE) sah die Kommission in ihrem Verordnungsvorschlag sollen im Rahmen des Ziels 2 um 5 Prozent von 50 auf einer neuen Grundverordnung im Bereich der Struktur- 55 Prozent hinaufgesetzt werden, soweit es um die För- politik von Juli 2004 ein Gesamtvolumen von 336,1 Mil- derung von Gegenden geht, die bis zum 30. April 2004 liarden Euro für die europäische Strukturpolitik vor. Außengrenze waren. Der letzte Präsidentschaftsvor- 78,5 Prozent dieser Mittel, das heißt rund 264 Milliarden schlag wollte hieran festhalten. Besondere Finanzzuwei- Euro, entfielen auf Ziel l, 17,2 Prozent, das heißt rund sungen wären mit einer entsprechenden Regel nicht ver- 57,9 Milliarden Euro, auf Ziel 2 und 3,9 Prozent, das bunden. Der letzte Vorschlag der Präsidentschaft sah heißt rund 13,2 Milliarden Euro, auf Ziel 3. Gegenüber zudem eine Erhöhung der Förderintensität im Rahmen dem Kommissionsvorschlag waren somit eine Reduzie- des Ziels 3 für Gebiete an den neuen Binnengrenzen der rung der Mittel für die europäische Strukturpolitik um EU vor. Diese Gebiete hätten 50 Prozent mehr Mittel be- rund 26,5 Milliarden Euro sowie eine etwas stärkere kommen, als für sie zuvor vorgesehen waren. Von einer Konzentration auf die bedürftigsten Regionen (Ziel 1) entsprechenden Regelung hätten daher auch die ehemali- festzustellen. gen deutschen Außengrenzen zu Polen und Tschechien profitiert. Da es zu keiner Einigung gekommen ist, wird Zu Frage 30: die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten wie Der Kommissionsvorschlag einer neuen Grundver- zum Beispiel der ehemaligen Außengrenzen der Ge- ordnung sieht keine besondere finanzielle Förderung der meinschaft Thema der weiteren Verhandlungen bleiben.

(B) (D) Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Amsterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Telefax (02 21) 97 66 83 44 ISSN 0722-7980