WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

BEITRÄGE DER MITGLIEDER DES CDU-BUNDESVORSTANDS FÜR MICH BEDEUTET

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025/1111 | Bestell-Nummer: H731 „C“ DAS WAS WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

INHALT Dr. 4

Hermann Gröhe 6

Christian Baldauf 8

Prof. Dr. Maria Böhmer 10

Volker Bouffier 12

Elmar Brok 14

Lorenz Caffier 16

Ingrid Fischbach 18

Dr. Fuchs 20

Dr. Regina Görner 22

Peter Götz 24

Dr. Reiner Haseloff 26

Franz-Josef Holzenkamp 28

Hubert Hüppe 30

Jost de Jager 32

Dr. 34

Volker Kauder 36

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INHALT 38

Julia Klöckner 40

Annegret Kramp-Karrenbauer 42

Dr. Günter Krings 44

Prof. Dr. 46

Armin Laschet 48

Karl-Josef Laumann 50

Dr. 52

Christine Lieberknecht 54

Dr. 56

Dr. Thomas de Maizière 58

David McAllister 60

Dr. 62

Maria Michalk 64

Philipp Mißfelder 66

Mike Mohring 68

Günther H. Oettinger 70

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INHALT 72

Dr. Hans-Gert Pöttering 74

Dr. Godelieve Quisthoudt-Rowohl 76

Thomas Rachel 78

Dr. Norbert Röttgen 80

Thomas Röwekamp 82

Dr. Wolfgang Schäuble 84

Prof. Dr. 86

Prof. Dr. Dr. h.c. Dagmar Schipanski 88

Dr. Kristina Schröder 90

Ingrid Sehrbrock 92

Thomas Strobl 94

Stanislaw Tillich 96

Thomas Webel 98

Marcus Weinberg 100

Dr. Bernhard Worms 102

Hendrik Wüst 104

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Bundeskanzlerin DR. ANGELA MERKEL MdB Vorsitzende der CDU Deutschlands

Das „C“ – Politik der Mitte. des christdemokratischen Leitbilds mar- Politik für die Menschen. kiert. Sie orientiert sich demnach nicht an Extremen, sondern den Bedürfnissen eines Das „C“ in der Politik ist Auftrag und Ver- möglichst breiten Konsenses, sie ist eine antwortung zugleich, denn es ist Maßstab Politik der Mitte für die Menschen. für unser tägliches Handeln und Funda- ment christdemokratischer Politik. Es geht Bis heute hat sich die „Union“ von Katholi- um das Verständnis einer Politik, die mehr ken und Protestanten, Menschen anderer im Blick hat als die neuesten Umfragewer- Konfessionen sowie unterschiedlicher ge- te und den nächsten Wahltag, eine Politik, sellschaftlicher Gruppen als tragfähiges die die Balance zwischen Entscheidungs- Bündnis, als Erfolgsmodell politischer Zu- notwendigkeit und Abschätzung von Zu- sammenarbeit bewährt: Christlich-sozial, li- kunftsfolgen findet und dabei stets auf den beral und konservativ – diese Wurzeln einen einzelnen Menschen ausgerichtet ist. uns. Das zeigt, dass die Union stets das Kon- zept der Integration vor dem der Ausgren- Die berühmten Worte des Propheten Jere- zung verfolgte. Als Christdemokraten sind mia können im wohlverstandenen Sinne wir keine exklusive Gruppe weniger, son- auch für unsere politische Verantwortung dern eine einladende Gemeinschaft vieler. gelten: „Suchet der Stadt Bestes […] und betet für sie zum Herrn; denn wenn’s ihr In Zeiten wie diesen, in denen die Globali- wohl geht, so geht’s auch euch wohl.“ (Jer sierung die Welt immer schneller verän- 29,7). Das Wesen christdemokratischer Po- dert und uns vor ganz neue Herausforde- litik macht aus, dass sie sich allen Men- rungen stellt, sind wir als Union mit unse- schen verpflichtet weiß – nicht einzelnen rem Rüstzeug besonders gefordert. Heute Gruppen. Die Suche nach den besten Lö- stehen wir vor der Frage, wie wir die richti- sungen auf der Basis des christlichen Men- gen Entscheidungen treffen, um dieser schenbildes, nach sachgerechten Entschei- und nachfolgenden Generationen, auch dungen, ist Teil dieser Politik. Es ist die vor dem Hintergrund des demografischen Idee des Ausgleichs, die die Grundfeste Wandels, eine gute Zukunft und Teilhabe

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ermöglichen können. Angesichts dessen Wenn unsere Welt heute auch immer stär- heißt verantwortliches Handeln, die Chan- ker zusammenwächst, dürfen wir dabei cen, die Demokratie und Soziale Markt- nicht aus dem Blick verlieren, dass das wirtschaft bieten, auf die veränderten Be- Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Reli- dingungen hin auszurichten. Für die CDU gionsfreiheit in vielen Ländern der Welt war und ist die Soziale Marktwirtschaft nicht geachtet wird und die Verfolgung mehr als eine wirtschaftliche Ordnung. Für und Diskriminierung von Christen immer uns ist sie auch ein Gesellschaftsmodell. noch an der Tagesordnung sind. Als Chris - Die Soziale Marktwirtschaft sorgt für die ten in politischer Verantwortung sind wir richtige Balance von Freiheit und Sicher- in der Pflicht, entschieden auf die Verlet- heit. Sie ermöglicht Wettbewerb und Ei- zung der Glaubensfreiheit und damit auf genverantwortung, Solidarität und soziale die Verletzung der allgemeinen Menschen- Absicherung. Sie hat unser Land stark ge- rechte hinzuweisen. Der eigene Glaube macht und für breiten Wohlstand gesorgt. kann uns dabei Kraft und Orientierung ge- Sie ist unser Gesellschaftsmodell für die ben, auch im Dialog und in der Begegnung Zukunft – über Deutschland hinaus. Denn mit anderen Religionen und Kulturen. die internationale Finanz- und Wirtschafts- krise hat gezeigt, was passiert, wenn die Ich kann und mag meine politische Tätig- Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft keit nicht von meiner christlichen Grund- missachtet werden. Das darf sich nicht haltung trennen. Sie wäre sonst eine ande- wiederholen. Deshalb setzen wir uns dafür re. Christliche Werte bedeuten für mich ein, dass die Prinzipien der Sozialen Markt- persönlich Orientierung und Verwurze- wirtschaft auch international verankert lung. Sie schärfen den Blick für das We- werden. sentliche, machen Mut und setzen der Po- litik Grenzen. Der Glaube hilft, die Sorgen Auch geht es darum, nachhaltiges Wachs- der Mitmenschen zu erkennen und die tum zu fördern, das ökologisch vernünftig Verpflichtung zum Handeln zu fühlen. Für und sozial verträglich ist. Der christliche mich ist die Tatsache, dass ich dem christli- Schöpfungsglaube bildet dabei eine ent- chen Glauben verpflichtet bin, auch schon scheidende Grundlage für unsere Verant- von daher eine Beruhigung, weil klar ist, wortung für Umwelt und Klima sowie für dass der Mensch nicht vollkommen ist und unsere Mitmenschen und Mitgeschöpfe. man gegenüber Fehlern – denen der Mit- So können wir die Globalisierung mensch- menschen und den eigenen – toleranter lich gestalten. wird. Das macht vieles leichter.

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HERMANN GRÖHE MdB Generalsekretär der CDU Deutschlands

Bibelvers und iPad heutiger Lebensverhältnisse zur Entfal- tung zu bringen. Deswegen spreche ich Mein Arbeitstag beginnt mittlerweile mit von der CDU als wertgebundener und mo- dem Griff nach dem iPad. Doch bevor mir derner Volkspartei. Stets stand die CDU an die elektronische Presseschau des Konrad- der Seite der Familien. Doch heute an der Adenauer-Hauses einen Überblick über Seite von Familien zu stehen, verlangt eine Schlagzeilen, Nachrichten und Kommenta- andere Politik als noch vor Jahrzehnten. re vermittelt, lese ich Losung und Lehrtext, Leugneten wir dies, ließen wir die Familien je einen Vers aus dem Alten und Neuen Te- im Stich. Politik ohne Grundsätze ver- stament, der Herrnhuter Brüdergemeine. kommt zur Beliebigkeit. Grundsätze ohne Millionen Menschen lesen diese Verse in Lebensnähe verkommen zur Ideologie. rund 50 Sprachen. Jahrtausende alt sind sie, und bereits seit 1731 gibt es jährlich die Eine christlich geprägte Politik muss stets Bücher mit den ausgelosten Worten zum beides sein: orientiert an der Ethik der bi- Tage. Und doch können diese Worte in blischen Botschaft und nah bei den Men- meinen heutigen Tag hinein sprechen – an- schen. Denn Gottes gute Gebote und seine ders als zu anderen Zeiten, anders als zu Menschenliebe gehören für Christen un- anderen Menschen. trennbar zusammen.

Uralte Texte – althergebrachte Methode – Diese Menschenliebe Gottes können wir neue Kommunikationsmittel – mein heuti- als Christen nur glaubwürdig bezeugen, ger Tag. Für mich verbindet sich dies zu ei- wenn wir uns selbst nach Kräften um eine nem Bild von dem, was unser heutiges Tun menschenfreundliche Gestaltung der Welt als Christen – und auch als Christdemokra- bemühen. Glauben ist sicherlich mehr als ten – ausmachen sollte. Gerade als Christ- Engagement für eine bessere Welt. Aber demokraten sind wir gefordert, unsere der Glaube an Gott ermutigt zu solchem Orientierung an Wertvorstellungen, die Engagement. Und dieser Glaube gibt uns sich ganz wesentlich dem christlichen eine kraftvolle Wegweisung: Einsatz für Glauben verdanken, bei der Gestaltung das Leben, die gleiche Würde eines jeden

6 Menschen, der Zusammenhang von Frei- dukusch so wenig zu entsprechen, wie es heit und Verantwortung, der Anspruch ein „alles ist gut in Afghanistan“ könnte. der Menschen auf Gerechtigkeit und Soli- Und auch bei den Fragen des Lebensschut- darität, Frieden und die Bewahrung der zes kann der Tragik so mancher Lebenslage Schöpfung als unser Auftrag. Dass auch mitunter ein Schweigen besser gerecht viele Menschen anderer weltanschauli- werden als die Selbstsicherheit, die einzig cher Überzeugung diese Ziele teilen, er- denkbare christliche Position zu vertreten. öffnet große Chancen für die gemeinsa- Deswegen habe ich den wechselseitigen me Arbeit für eine gute Zukunft. Respekt bei unserer Parteitagsdebatte über die Präimplantationsdiagnostik als Wie wir diesen Zielen dienen, ist dabei un- etwas empfunden, was einer „C-Partei“ gut serer Vernunft anvertraut, darum ringen zu Gesichte steht. wir nach besten Wissen und Gewissen – auch in der eigenen Partei. Wir wollen ge- Sicherlich zeigen uns solche Debatten meinsam einen besseren Schutz für das Le- auch die Grenzen der eigenen Erkenntnis ben ungeborener Kinder – aber wir sind auf. Wer diese Grenzen akzeptiert, kann unterschiedlicher Meinung über die Rolle, auch die Suche nach „befriedenden“ Kom- die dabei das Strafrecht spielen kann. Wir promissen würdigen. wollen gemeinsam, dass friedliche Mittel Vorrang vor militärischer Gewalt haben – Angst prägt heute viele Debatten und aber wir sind unterschiedlicher Meinung droht uns zu lähmen. Angst vor fremder mit Blick auf die Legitimität eines konkre- Religion, der Moderne, der Macht der ten Militäreinsatzes. Zugleich gibt es gera- Märkte. Und es gibt ja auch immer wieder de in diesen Fragen den Wunsch, ja die Anlass zur Sorge. Doch wo wir uns von der Sehnsucht, nach Eindeutigkeit. Angst beherrschen lassen, werden wir un- dankbar gegenüber großartigen Chancen Der Wunsch ist verständlich. Doch ich ge- einer freiheitlichen Gesellschaft. be zu: Mit den Jahren politischen Engage- ments und intensiver Beschäftigung mit Gott traut uns die Zukunft zu! Und das Ver- kontrovers diskutierten Fragen von großer trauen auf ihn schenkt uns Zuversicht. ethischer Bedeutung ist meine Skepsis ge- Dass macht – in den Worten der „Barmer genüber allzu großer Selbstgewissheit ge- Theologischen Erklärung“ der Bekennen- stiegen. Das „nichts ist gut in Afghanistan“ den Kirche von 1934 – den „Anspruch und vermag wohl der schwierigen Lage am Hin- Zuspruch“ des Evangeliums aus.

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CHRISTIAN BALDAUF MdL Stellvertretender Landesvorsitzender der CDU Rheinland-Pflaz

Die Zeiten sind hektisch. Smartphone Den Anspruch, eine christliche Partei zu und Tablet-PC, immerwährende Erreich- sein, erfüllen nicht nur Programme mit barkeit und die entsprechende Erwar- dem Verweis auf unsere christlichen tungshaltung, diese auch zu erfüllen, Wurzeln, das christliche Menschenbild machen das Leben zu einem Wettlauf, in und die christliche Soziallehre. So wich- dem der Mensch droht, sich selbst nicht tig diese Dinge sind, diesen Anspruch mehr zu hören. Und es ist ohne Zweifel können wir nur erheben, wenn eine hin- so, dass mit der Globalisierung die Ge- reichend große Zahl von aktiven Partei- schwindigkeit, auf globale Herausforde- mitgliedern und Mandatsträgern dem rungen zu reagieren, zugenommen hat. „C“ eine persönliche Bedeutung bei- An jeder Ecke wartet eine neue Problem- misst und in der Konsequenz das Christ- stellung auf das Land. liche auch in die Partei und in die Politik insgesamt trägt. Dass die CDU nicht die Manche ist schneller verschwunden, als einzige Partei ist, in der sich Christen en- man sie begreifen kann, manche prägt für gagieren, ist selbstverständlich. Zusam- einige Monate oder Jahre unser politi- men mit der Schwesterpartei CSU bean- sches, wirtschaftliches und gesellschaftli- sprucht sie aber für das Christliche eine ches Leben. Darf man sich unter diesen besondere Stellung und steht deshalb Vorzeichen noch Zeit nehmen, zur Ruhe auch in einer besonderen Verantwor- zu kommen, in einen Gottesdienst zu ge- tung. So, wie dieser Anspruch für mich hen, Kraft durch Gebet zu empfangen? selbst verbindlich ist, so will ich diesen Hat also das tägliche Leben noch Platz für auch innerhalb meiner Partei umgesetzt christliche Inhalte, die über reine Folklore wissen. hinausgehen? Und wie wirkt sich die christliche Praxis auf den politischen All- In diesen rastlosen Zeiten ist es für mich tag aus? Macht es beim Treffen politi- von zentraler Bedeutung, mein Tun und scher Entscheidungen einen Unterschied, Schaffen zu überprüfen, zu hinterfragen, dabei christliche Werte und Haltungen zu zur Ruhe zu kommen, und nirgends kann berücksichtigen? ich das besser als im Gottesdienst oder

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im persönlichen Gebet. Hier fällt aller zuwirken, die – gleichgültig, ob bei der Leistungsdruck ab, hier bleibt die Zeit PID-Debatte, der Sterbehilfe oder der stehen. Auch die christlichen Überliefe- Abtreibungsfrage – das Recht des Men- rungen, wie etwa die benediktinischen schen auf Leben einschränken oder ge- Regeln, geben mir Orientierungen bei gen andere Güter abwägen wollen. Le- meinen privaten wie politischen Ent- ben ist nicht verhandelbar, Leben kann scheidungen. Die Bedeutung des Christ- man nicht aufwiegen. Neben den politi- lichen in meinem täglichen Leben führt schen, auch innerparteilichen Ausein - mir vor allem auch meine Familie immer andersetzungen, die diese Fragen mit wieder vor Augen. Glaube und Tradition, sich bringen, ist es daher für mich auch die ich von meinen Eltern empfangen selbstverständlich, die Hospizarbeit ak- habe, aufzunehmen und an meine Kin- tiv zu unterstützen, weil gerade diese der weiterzugeben, ist für mich ein zen- Bewegung zeigt, wie würdevoll man traler Bestandteil christlichen Lebens. mit den Grenzerfahrungen menschlichen Ich freue mich, dass sie dies zu verste- Lebens umgehen kann. hen beginnen und hoffe, dass sie es ih- rerseits an die kommenden Generatio- Das Wertefundament, das der christli- nen weitergeben werden. Das ist für che Glaube in Deutschland und Europa mich gelebte Generationenverbunden- gelegt hat, müssen wir bewahren helfen. heit. Denn kein Baum kann länger sprießen, wenn seine Wurzeln gekappt werden. Praktisch wird mein christlicher Glaube Ohne Kompass und Halt in dieser hekti- zuerst in gelebter Nächstenliebe. Des- schen Zeit wird unsere Gesellschaft be- halb engagiere ich mich in karitativen liebig und orientierungslos. Der Glaube Projekten und strebe auch im Alltag da- und die christlich-jüdische Kultur sind nach, Hilfe zu leisten, wenn sich jemand schließlich das Fundament unserer ins- an mich wendet. Nächstenliebe wird für gesamt friedvollen und humanen Gesell- mich auch konkret im Einsatz für ein um- schaft. fassendes Lebensrecht des Menschen. Das christliche Menschenbild ist ge- prägt von der Würde und der Unverletz- lichkeit des Individuums. Deshalb ist es für mich als Christ unabdingbar, mich dafür einzusetzen, Tendenzen entgegen-

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PROF. DR. MARIA BÖHMER MdB Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin Bundesvorsitzende der Frauen Union

Das „C“ ist der Markenkern christdemo- rer Gesellschaft ist der Freiheitsgedan- kratischer Politik – diesen Anspruch hö- ke. Zu nichts anderem verpflichtet uns ren wir oft. Ich halte es für richtig und die biblische Botschaft. Paulus bringt es wichtig, diesen Anspruch stets aufs auf den Punkt: „Ihr seid zur Freiheit be- Neue ins Bewusstsein zu rücken. Als rufen.“ (Gal 5,13). Politik muss daher die Christdemokraten ist es geradezu unse- Freiheit jedes Menschen ermöglichen. re Verpflichtung, über das christliche Dies bedeutet aber, dass die Freiheit des Profil unserer politischen Arbeit nachzu- Einzelnen nicht grenzenlos sein kann. denken und zu diskutieren. Jedoch dür- Sie muss immer auf die Freiheit des fen wir es nicht bei Sonntagsreden be- Nächsten bezogen sein. Freiheit und lassen. Vielmehr müssen wir gerade als Verantwortung – dies sind die beiden Politikerinnen und Politiker die Frage Seiten ein und derselben Medaille von Papst Benedikt ernst nehmen und christdemokratischer Politik. täglich neu beantworten, die er in seiner Enzyklika „Spe Salvi“ stellt: „Ist christli- Eines steht fest: Die Bibel ist kein Partei- cher Glaube auch für uns heute Hoff- programm. Die christliche Botschaft nung, die unser Leben verwandelt und buchstabiert keine konkreten und un- trägt?“ Wir dürfen nicht nur in Profilde- mittelbaren Entscheidungsvorlagen. Un- batten eine überzeugende Antwort auf ser Glaube ist mehr Kompass als Ge- diese Frage suchen. Vielmehr muss das brauchsanweisung. Daher kann es nicht „C“ unseren politischen Alltag prägen. anders sein, dass es in einer christdemo- Der christliche Glaube ist nicht der Zuk- kratischen Partei unterschiedliche Mei- kerguss auf der politischen Agenda un- nungen und das Ringen um richtige Ent- serer Partei; er muss in unserem politi- scheidungen gibt. Der christliche Kom- schen Handeln erkennbar sein. pass unseres politischen Handelns muss den Blick auf die Aspekte Freiheit und Welche Auswirkungen sollte der christli- Verantwortung lenken. Es gilt überall, che Glaube auf unser alltägliches politi- die Freiheitskräfte des Einzelnen zur sches Handeln haben? Fundament unse- Entfaltung zu bringen und gleichzeitig

10 den Einzelnen zu schützen, der der Soli- anderes wünschen als ein hörendes Herz darität der Gemeinschaft bedarf. Einer- – die Fähigkeit, Gut und Böse zu unter- seits plädieren wir Christdemokraten scheiden und so wahres Recht zu setzen, nicht für ein libertäres Gesellschaftsmo- der Gerechtigkeit zu dienen und dem dell, in dem uneingeschränkte Freiheits- Frieden.“ kräfte zerstörerisch wirken. Andererseits wollen wir auch nicht den alimentie - Das christliche Profil unserer Partei renden und alles bestimmenden Staat. zeigt sich nicht nur in politischen Ent- Christdemokratische Politik nimmt das scheidungen. Es zeigt sich vor allem dar- Individuum in den Blick – sei es, um ihm an, wie wir zu Entscheidungen kommen. Freiheit zu ermöglichen, sei es, um solida- Richten wir bei der politischen Entschei- risch an seiner Seite zu stehen. Beides dungsfindung immer wieder den Blick zusammenzudenken, ist Markenkern des auf das Zusammenspiel von Freiheit und christlichen Profils unserer Partei. Verantwortung? Lassen wir uns dabei lenken von der Unterscheidungsgabe, Dieses Zusammendenken kann nur in die uns Gott geschenkt hat? Dies sind der Abwägung erfolgreich sein. Für mich die christlichen Leitplanken, die unsere ist dieses Abwägen nichts anderes als Politik kennzeichnen sollten. Nicht zu- die paulinische Unterscheidung der Gei- letzt zeigt sich das christliche Profil in ster. Sie ist offen für Gottes Wirken in der Art und Weise, wie wir in politischen unserer Gegenwart. Sie ist offen für die Auseinandersetzungen miteinander um- Bedürfnisse und Nöte unserer Mitmen- gehen! Das ernst gemeinte Ringen um schen. Sie ist offen für die Erfordernisse die richtige Entscheidung, die Offenheit des Gemeinwohls. Nur diese Offenheit in unserem Denken und das Wissen um kann Voraussetzung dafür sein, dass wir die Fehlbarkeit menschlicher Entschei- die richtigen politischen Entscheidun- dungen – hierin zeigt sich für mich, wie gen treffen. Ist nicht diese Offenheit ge- ernst wir es mit dem „C“ meinen. nau das, was uns Papst Benedikt in sei- ner Rede vor dem Deutschen ins Stammbuch geschrieben hat: „Wie wäre es, wenn uns, den Gesetzgebern von heute, eine Bitte freigestellt wäre? Was würden wir erbitten? Ich denke, auch heute könnten wir letztlich nichts

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VOLKER BOUFFIER MdL Ministerpräsident des Landes Hessen Stellvertretender Vorsitzender der CDU Deutschlands Landesvorsitzender der CDU Hessen

Längst sind sie vorbei, die Zeiten, in de- Sein Lebensrecht und seine Würde muss nen das Christsein eine Selbstverständ- sich niemand erst verdienen, sie sind mit lichkeit war. Das mag bedauert werden, dem Dasein gegeben. Die christlichen aber es kann auch ein Gewinn sein. Denn Schriften und die Tradition derer, die im weder gibt es staatlichen Zwang noch Glauben vorangegangen sind, beeinflus- sozialen Druck noch gesellschaftliche sen unser Leben bis heute. So haben bi- Vorteile, um derentwillen jemand heute blische Gebote in zahlreichen gesell- Christ sein müsste. Wer sich zum Chri- schaftlichen und rechtlichen Regelun- stentum bekennt, dürfte es ernst mei- gen deutliche Spuren hinterlassen. Das nen. Bekennt sich heute ein Politiker da- Ideal der christlichen Barmherzigkeit zu, dann gilt Ähnliches. Spricht er beim hat sich zur Sozialpolitik institutionali- Amtseid die religiöse Beteuerungsfor- siert. Die Aufforderung zur Bewahrung mel mit, muss dies nicht mehr aus bloßer der Schöpfung verweist auf den göttli- Konvention erfolgen, sondern kann eine chen Ursprung der Welt und verlangt ei- ernstgemeinte Selbstverpflichtung un- nen nachhaltigen Umgang mit Ressour- terstreichen. Zumal in einer pluralen Ge- cen. Und unser Einsatz für Frieden in der sellschaft das Bekenntnis zum christli- Welt ist auch auf das jesuanische Frie- chen Gott kaum noch als Mehr heits be - densgebot zurückzuführen. Bei meiner schaf fer taugt. täglichen Arbeit stehe ich in der Traditi- on dieser Entwicklungen. Die Bibel er- In einem zunehmend entchristlichten setzt dabei sicher nicht das Parteipro- Land scheint der säkulare Habitus man- gramm, aber die kulturellen und spiritu- chem zeitgemäßer und bequemer zu ellen Quellen des Glaubens geben mir sein. Für mich aber sind die Verortung Orientierung. im christlichen Glauben und insbeson- dere das in ihm gründende christliche Da die christlichen Werte auch in der Menschenbild grundlegend. Es verweist Natur des Menschen selbst wurzeln und darauf, dass jeder Mensch ausnahmslos eigentlich jedem über die Vernunft zu- dem Willen und Bilde Gottes entspricht. gänglich sein können, sind sie universell.

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Das hilft mir, mit meiner christlichen dem christlichen Anspruch eines Lebens Grundhaltung auch im Dialog mit jenen in Wahrhaftigkeit zu entsprechen. Ein zu sein, die anderen Glaubens sind oder christlicher Politiker könnte dabei auch gar keine religiöse Bindung haben. Der heute noch in die einzige Bitte des bibli- eigene Glaube sollte deshalb nicht ab- schen Königs Salomo an Gott einstim- grenzend sein oder in Traditionen erstar- men: „Verleih deinem Knecht ein hören- ren, sondern immer um Anschlussfähig- des Herz, damit er dein Volk zu regieren keit ringen. Jedoch darf er dabei nicht und das Gute vom Bösen zu unterschei- zur bloßen Leerformel verkommen. Im den versteht.“ (1. Könige 3,9). Zentrum steht die Überzeugung, dass Je- sus Gott ein Gesicht gegeben hat und Um die eigenen Überzeugungen stand- den Tod überwand. Dies erst weitet das fest zu vertreten, braucht es aber nicht Verständnis von Freiheit, das über die nur die innere Stimme des Gewissens Gegenwart hinausweist und zugleich vor und einen klaren moralischen Stand- utopischen Gesellschaftsmodellen be- punkt, sondern Menschen, denen ver- wahrt, mit denen sich der Mensch über- traut werden kann. Insbesondere die Fa- schätzt. milie gibt mir Halt und Stärke. Zugleich ist sie für mich ein ehrliches und kriti- Das christliche Menschenbild darf auch sches Korrektiv, denn dort bin ich nicht nicht auf ein beliebiges Gutmenschen- Amtsträger, sondern Ehemann und Vater. tum reduziert werden. Die Abwägung Sie ist die Urform von Gemeinschaft und von Gemeinwohl- und Einzelinteressen darüber hinaus auch erster Ort der Erfah- erfordert in meinem politischen Alltag rung und Weitergabe des Glaubens. In ihr die christlichen Tugenden der Klugheit, wird erfahrbar, was grundsätzlich für das des rechten Maßes und vor allem des Leben in und außerhalb der Politik gilt: Mutes. Wer politische Verantwortung „So ist weder der etwas, der pflanzt, noch trägt, muss bereit sein, Entscheidungen der, der begießt, sondern Gott allein, der über die Tagespolitik hinaus zu treffen wachsen lässt.“ (1 Kor 3,7). und standfest zu bleiben, selbst wenn Umfragen und Popularität dem entge- genstehen. Dabei erfordert nicht jede Entscheidung eine intensive Gewissens- erforschung. Aber auf diesen inneren Kompass zurückgreifen zu können, hilft,

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ELMAR BROK MdEP Vorsitzender des Bundesfachausschusses Außen-, Europa- und Sicherheitspolitik der CDU Deutschlands

Das „C“ bedeutet Menschenwür- und die Achtung der Würde des Men- de und verantwortete Freiheit schen, die Bedeutung der Familie und die Vereinsamung des Menschen oder Das „C“ hat für mein politisches Han- das Verhältnis der Bewahrung von Got- deln eine mehrfache Bedeutung. Er- tes Schöpfung und sicheren, ausrei- stens mahnt es mich, meine Grenzen, chend bezahlten Arbeitsplätzen. Es ist auch die des staatlichen Handelns ins- Aufgabe der Volksparteien, Breite und gesamt zu beachten. Da ich als Christ Vielfalt der Themen mit einem „Marken- um die Unvollkommenheit von uns kern“ und weltanschaulichen Grundla- Menschen weiß, ist es mir klar, dass gen zu verbinden! Kurzfristiger Pragma- kein Mensch die volle Wahrheit letzt- tismus ersetzt nicht langfristige Konzep- lich kennt. Dies heißt, bei allem Einsatz te, geistige Werte und Wurzeln. für die eigene Position, die Möglichkeit des Irrtums zu beachten und deshalb Bei all dem müssen aber die genannten auch den politischen Gegner zu achten. Begrenzungen der Möglichkeiten von Toleranz in diesem Sinne ist Bedingung Politik bewusst sein in der Bewertung für Demokratie und Rechtsstaat. dessen, was Politik leisten kann und wel- che Ansprüche man an Politik stellen Wir müssen auch sehen, dass Politik nur kann. dann Einfluss hat, wenn sie Mehrheiten hinter sich versammelt. Zur Erlangung Zweitens ist das „C“ nicht Grundlage kle- einer solchen Mehrheit muss eine christ- rikaler Haltung, sprich: Der demokrati- lich-demokratische Volkspartei ihre sche Staat ist nicht Erfüllungsgehilfe von Werte vom christlichen Menschenbild Kirchen. Politik kann nicht an die Stelle für die moderne Welt übersetzen, so z. B. der Kirche treten und diese in der Dis- das Verhältnis von Freiheit und Verant- kussion in der Gesellschaft vertreten. wortung für die Gemeinschaft, d. h. von Die Gläubigen dürfen nicht vom Staat Markt und Solidarität in der Wirtschaft, verlangen, dass er ihr öffentliches Be- die grenzenlose Freiheit des Internets kenntnis für christliche Ziele ersetzt.

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Hingegen ist es sehr wohl Aufgabe des leitung. Papst Johannes Paul II. sagte Staates, Religionsfreiheit zu garantie- einst: „Freiheit besteht nicht darin, dass ren, denn niemand darf daran gehindert man tun kann, was man will. Sie gibt ei- werden, nach seinen religiösen Überzeu- nem nur das Recht zu tun, was man tun gungen zu leben, wenn er damit nicht sollte.“ In diesem Spannungsverhältnis gegen die Rechte anderer verstößt. Tole- zwischen Freiheit des Einzelnen und Ver- ranz und Pluralismus sind hier die ent- antwortung für die Anderen müssen wir scheidenden Stichwörter – die Anerken- uns stets und in jedem Einzelfall bemü- nung anderer Konfessionen und Gesell- hen, den Weg zum Gemeinwohl zu fin- schaftssysteme. Dabei muss klar sein, den. Die Schwestern „Subsidiarität“ und dass dies nicht zur Beliebigkeit führen „Solidarität“ sind dazu die Instrumente. darf. Nur mit einer klar bekannten christ- lichen Haltung kann ich glaubwürdig to- Geschlossene Weltbilder haben stets so- lerant sein. fort Antworten, die dann aber immer falsch und unmenschlich sind. Vor lauter Drittens ist das christliche Menschen- Gerede um die Menschlichkeit vergessen bild („Die Würde des Menschen ist unan- sie den Menschen! Karl Popper hat recht: tastbar“ – Art. 1 des Grundgesetz und „Der Versuch, den Himmel auf Erden ein- Art. 1 der Charta der EU-Grundrechte) zurichten, erzeugt stets die Hölle.“ Euro- für mich Ausgangspunkt und Ziel politi- päische Einigung bedeutet letztlich, diese schen Handelns. Dies bedeutet zuerst Werte auch zwischen den Völkern in ei- die Freiheit des Einzelnen, sich entfal- nem Europa, das christlich bleiben will, zu ten, seinen Lebensweg bestimmen zu leben. können. Freiheit heißt auch, für sich und die Seinen zu sorgen und sich nicht in die Hängematte einer falsch verstande- nen Solidarität zu legen. Freiheit heißt weiterhin, Verantwortung für die Schwa- chen und das Ganze zu übernehmen, meinen Egoismus zu begrenzen und Ge- rechtigkeit – auch sozial – möglich zu machen. Die katholische Soziallehre, die von der Individual- und der Sozialnatur des Menschen ausgeht, ist mir dabei An-

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LORENZ CAFFIER MdL Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Landesvorsitzender der CDU Mecklenburg-Vorpommern

Christliche Werte als Kompass oder das Zeugnis Dietrich Bonhoeffers waren oder in der Diktatur der DDR der Aufgewachsen bin ich zu DDR-Zeiten in Einsatz der Kirchen für Gerechtigkeit und einem evangelischen Pfarrhaus. Das hat Freiheit und die politische Wende. Die hi- mich geprägt – in meinen politischen storischen Beispiele unterstreichen die Überzeugungen, in den Werten, die mir Bedeutung eines Wertekompasses, auch wichtig sind. Grundwerte und Grundhal- und gerade in Zeiten des Unrechts. tungen hängen zusammen. Man muss kein Christ sein, um christli- Diese Werte, getragen vom christlichen chem Menschenbild und christlicher So- Menschenbild, sind mir ein wichtiger zialethik als politischer Orientierungs- Kompass in der Politik. Zwar macht bei hilfe etwas abgewinnen zu können. uns in Mecklenburg-Vorpommern die Papst Benedikt XVI. hat das in seiner Re- Zahl der Christen nicht einmal ein Vier- de vor dem Deutschen Bundestag ein- tel der Bevölkerung aus. Aber taugt des- drucksvoll unterstrichen. Die unantast- halb der Kompass nicht? bare Würde des Menschen vom Beginn des Lebens bis zum Ende, Freiheit in Ver- Ohne Frage ist die Trennung von Kirche antwortung, Stärkung von Ehe, Familie und Staat ein wichtiger Aspekt unseres und Kindeswohl, Wahrung des Rechts Gemeinwesens. Sie bedeutet jedoch ge- und der Gerechtigkeit, gerade bei den rade nicht, dass politische Entscheidun- Chancen – das sind Grundkoordinaten, gen keine christlich fundierten Motive die auch Nichtchristen teilen. Personali- der Entscheidungsträger vertrügen. Al- tät, Subsidiarität, Solidarität, Nachhal- lein der Blick auf die jüngere deutsche tigkeit und Gemeinwohl lassen sich mit Geschichte zeigt, wie wichtig die Rich- gutem Willen von vielen als tragende tungsanzeigen des christlich genordeten Prinzipien einer Gesellschaft erkennen. Kompasses waren. Ob es in der dunklen Zeit des NS-Regimes die Predigten des In unseren Entscheidungen schwingt Münsteraner Bischofs Graf von Galen das mit – so hoffe ich. Denn das Ringen

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um die richtigen Schritte kann uns nicht Ich bin froh, dass es diesen Kompass abgenommen werden. Nicht nur bei den gibt. Er bewahrt nicht vor Irrtümern und großen moralischen Fragen wie Sterbe- schwierigem Gelände. Aber er gibt Rich- hilfe oder der gesetzlichen Regelung für tung und Orientierung. Dafür bin ich Schwangerschaftsabbrüche. Auch in der dankbar. Tagespolitik: Stärken wir Eltern in ihrem Erziehungsauftrag durch ein kostenloses Mittagessen in den Kitas oder nehmen wir ihnen zuviel Verantwortung ab? Wie groß müssen Kommunen sein, welche Aufgaben sollen sie auf ihrer Ebene erle- digen? Wo erdrückt man das Ehrenamt? Was müssen wir freien Trägern zutrau- en? Welche Eingriffe in die Tarifautono- mie und die Vertragsfreiheit sind zuläs- sig, um zu besseren Löhnen zu kommen? Wie frei dürfen Spielhallen arbeiten?

Es gibt keine einfachen Wege in der Poli- tik – auch nicht mit dem richtigen Kom- pass. Aber ohne Kompass findet sich auch keine Richtung. Die Gründungsvä- ter der Bundesrepublik Deutschland ha- ben die historischen Lehren aus den Irr- wegen totalitärer Regime gezogen – auch auf der Basis christlicher Sozial- ethik. Ihre Prinzipien haben eine Grund- lage für das Zusammenleben in unserer Bundesrepublik geschaffen und geben die richtige Richtung an. Sie schützen uns vor den Übertreibungen der reinen Marktgläubigkeit auf der einen und den dirigistischen Weltverbesserern auf der anderen Seite.

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INGRID FISCHBACH MdB Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Deut- schen Bundestag

In Zeiten einer pluralen und immer anony- In meiner politischen Arbeit begleiten mer werdenden Gesellschaft nimmt das mich die ermutigenden Erfahrungen, ge- „C“ für mich einen besonderen Stellenwert meinsam mit Christinnen und Christen Er- ein. Als überzeugte und gläubige Katholi- folge um ein menschenwürdiges Zusam- kin bestimmt das „C“ mein tägliches Han- menleben in Deutschland erreicht zu ha- deln – politisch wie auch privat. ben. Für mich ist es wohltuend, in vielen Christinnen und Christen unserer Zeit Dreh- und Angelpunkt meines Handelns überzeugende Vorbilder zu erleben, die ist für mich mein Glaube, der sich im sich immer wieder aufs Neue gegen eine christlichen Menschenbild und der christli- verständliche Gleichgültigkeit hinsichtlich chen Soziallehre konkretisiert. Im Glauben beunruhigender Entwicklungen in unserer finde ich Halt; er ist für mich Maßstab, Gesellschaft entscheiden und im Kleinen Richtschnur und Orientierung in privaten und Großen gegen Missstände angehen. und politischen Entscheidungsprozessen – auch und gerade bei ethisch schwierigen In den unterschiedlichsten Politikfeldern politischen Themen. spielt das „C“ für mich eine Rolle. So ist es mir in bioethischen Fragestellungen wich- Als Christin glaube ich an einen Gott, ei- tig, die uneingeschränkte Menschenwürde nen Gott der Nähe, der die Nöte der Men- zu gewährleisten, die unmittelbar aus dem schen ernst und sich ihrer annimmt. Dies Menschen als Abbild Gottes resultiert. Die empfinde ich als Auftrag und Motivation, Familienpolitik, die Belange der Familien mich für eine gerechte Gestaltung unserer und Kinder, sind mir ein großes Anliegen: Gesellschaft einzusetzen. Bewusst tue ich Ich möchte meine Stimme für sie erheben, dies in der CDU, einer christlichen Partei, verbesserte Rahmenbindungen schaffen die sich in der Grundsatzprogrammatik auf und ihnen die Teilhabe in der Gesellschaft die christliche Soziallehre bezieht, die die ermöglichen. Und nicht zuletzt sehe ich in Prinzipien der Personalität, Solidarität und der Schöpfung des Menschen als Mann Subsidiarität verinnerlicht hat und das „C“ und Frau – beide gleichermaßen aufgeru- mit konkreten Positionen ausfüllt. fen zur Weltgestaltung – meine Motivati-

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on für eine Gleichstellungspolitik, die für Frauen und Männer gerechte Chancen schafft.

In all diesen Politikbereichen liefert der christliche Glaube zwar nicht direkt und auf Knopfdruck konkrete Antworten auf die schwierigen und komplexen Fragestel- lungen. Doch stellt er grundlegende und wegweisende Parameter zur Verfügung. So bin ich überzeugt, dass der christliche Glaube uns vor dem Hintergrund des de- mografischen Wandels, einer immer globa- leren, zunehmend ineinander verwobenen Welt und der aktuellen Finanzkrise wert- voller Kompass sein kann, der uns zu nach- haltigen und gerechten Entscheidungen befähigt. Diese sind Voraussetzungen für eine verantwortungsbewusste und um- sichtige Politik, die sich an den Menschen in seiner ganzen Würde richtet.

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DR. MICHAEL FUCHS MdB Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand (PKM) der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag

Für mich als Katholik war es eine beson- jeder Mensch als Ebenbild Gottes angese- dere Freude, mit Papst Benedikt XVI. En- hen werden sollte. Die Würde, Verschie- de September in Berlin zusammenzutref- denartigkeit, Gleichwertigkeit und Unvoll- fen. In seiner Rede wandte sich seine Hei- kommenheit eines jeden Menschen sind ligkeit mit philosophischen und zugleich dabei unveräußerliche Eigenschaften. mahnenden Worten an uns Parlamenta- rier, weiter für das Wohl der Menschen Als Christ frage ich mich immer wieder, einzutreten. Eindrucksvoll unterstrich welche Hinweise daraus für die aktuelle Papst Benedikt XVI. in seiner Rede, dass Politik erwachsen. In der Außenpolitik der Erfolg dem Maßstab der Gerechtig- beispielsweise gibt uns das christliche keit, dem Willen zum Recht und dem Ver- Menschenbild auf, uns für die Wahrung stehen für das Recht unterzuordnen ist. der Menschenrechte einzusetzen. Chri- sten tragen an vielen Orten der Welt ein Das Streben nach Gerechtigkeit, unge- schweres Schicksal. Religionsfreiheit ist für achtet von Herkunft, Religion oder Ge- mich eines der wichtigsten Menschenrech- schlecht, ist es, was mich in meiner poli- te, denn Fragen des Glaubens und der tischen Arbeit Tag für Tag antreibt. Ge- Weltanschauung berühren den Kernbe- rechtigkeit ist Grundlage unseres frei- reich der Persönlichkeit jedes Menschen. heitlich demokratischen Rechtsstaates. Diese unbestreitbaren Grundrechte soll- Nie wieder darf der Staat zum Instru- ten Wegweiser menschlichen Denkens ment der Rechtszerstörung werden. und Handelns sein.

Werte wie Freiheit, Gleichheit und Mitbe- „Dem Recht zu dienen und der Herrschaft stimmung bilden das Fundament unserer des Unrechts zu wehren, ist und bleibt die Gesellschaft. Mein geistiges Fundament grundlegende Aufgabe als Politiker.“ So bildet das christliche Menschenbild, dem hat es jüngst Papst Benedikt XVI. in sei- ich mich in meinem täglichen Tun als Ab- ner Rede im Deutschen Bundestag unter- geordneter in besonderer Weise verpflich- strichen. Politik muss sich für die Men- tet fühle. Konkret heißt das für mich, dass schen einsetzen und diese dort unterstüt-

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zen, wo sie Hilfe benötigen. Diesem Ver- Gesellschaft geprägt. Gerade deshalb ständnis nach bedeutet Sozialpolitik aber sind beständige Werte und Maßstäbe eben nicht das Ausschütten eines Füll- wichtiger denn je. Das christliche „C“ ist horns staatlicher Wohltaten zum Nullta- mein Kompass, welcher mir sowohl bei rif. Vielmehr ist jeder Einzelne für die Er- privaten als auch politischen Entschei- wirtschaftung seines Lebensunterhalts dungen den Weg weist. zunächst selbst- bzw. erst-verantwortlich. Erst wenn dieser nicht zur Erwirtschaf- tung des notwendigen Einkommens in der Lage ist, kommt die Solidarität der Gemeinschaft zum Tragen. Ich ziehe da- her vor all jenen meinen Hut, die sich eh- renamtlich für andere Menschen enga- gieren, sei es im Kindergarten oder im Al- tenheim. Ehrenamt ist gelebte, christli- che Solidarität, die Bereitschaft zur Ver- antwortung für seine Mitmenschen.

Als Politiker trage ich besondere Verant- wortung für Nachhaltigkeit und künftige Generationen. Jede Generation muss ih- re Aufgaben lösen und darf sie nicht ein- fach den kommenden Generationen auf- bürden. Dagegen verstößt, wer eine Wirtschafts- und Sozialpolitik auf Pump macht und künftigen Generationen stei- gende Staatsschulden hinterlässt. Das Gleiche gilt, wenn Investitionen für die wirtschaftliche Zukunft vernachlässigt werden und stattdessen kurzfristiger Konsum in den Vordergrund rückt.

Unsere Zeit ist durch eine technisierte, schnelllebige und sich stetig wandelnde

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DR. REGINA GÖRNER

Was das christliche Menschen- schenbild entschieden einen mittleren bild für mich bedeutet Weg geht, dass es Freiheit nie ohne Verantwortung und Solidarität nie als Ich komme aus der christlich-sozialen Be- Gleichmacherei sieht, hat mich sehr an- wegung. Daher gehört das christliche gesprochen. Menschenbild zu den Grundkonstanten meiner politischen Sozialisation. Eine Ich habe aus meinem Glauben immer Sichtweise auf den Menschen, der als den Auftrag entnommen, schon hier im Person zugleich Individuum und Sozial- Diesseits daran mitzuwirken, dass das wesen ist, für den Freiheit, Solidarität und Reich Gottes kommen kann. Das war für Gerechtigkeit gleichermaßen gegeben mich Antrieb zum politischen Engage- sein müssen, die Sicht auf eine Gesell- ment und hat mich auch über Enttäu- schaft, die vom Individuum und den klei- schungen und Misserfolge hinweg bei nen Einheiten her gedacht ist, das alles der Sache gehalten. In der Union Men- erschien mir immer schon zutiefst plausi- schen zu finden, die aus der gleichen bel. Dieses Konzept lässt sich theologisch Grundhaltung heraus Politik machen aus der Offenbarung ableiten, aber es er- wollen, hat vieles erleichtert, auch wenn schließt sich auch dem gesunden Men- in einer Partei, die sich am christlichen schenverstand. Man muss kein Christ Menschenbild orientiert, Konflikte und sein, um diese Prinzipien nachvollziehen Interessengegensätze, Auseinanderset- zu können. Insofern ist es zutiefst politik- zungen und Machtkämpfe ebenso an der und konsenstauglich und keineswegs nur Tagesordnung sind wie anderswo. ein Konzept für Gläubige. Dass der Mensch seinen Wert in sich hat Liberalismus und Sozialismus waren für und nicht erst durch Leistung erzeugt, mich dazu nie echte Alternativen, weil dass seine Würde nie für irgendwelche sie mir als verkürzt und einseitig gegen- Zwecke zur Verfügung stehen darf, dass über der menschlichen Wirklichkeit er- seine Arbeit Ausfluss seiner Person ist schienen sind. Dass das christliche Men- und keine Ware: Solche Grunderkennt-

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nisse aus der christlichen Soziallehre grenzung. Deshalb suche ich nach sach- sind Motivation für mein politisches und gerechten und umsetzbaren Lösungen, gewerkschaftliches Handeln, zugleich die Menschen nicht überfordern, sondern aber auch die Richtschnur, von der aus ihnen Beteiligung und Gestaltungsspiel- ich mich politisch entscheide. räume ermöglichen. Deshalb setze ich mich für einen verantwortlichen Umgang Als ich begann, mich politisch zu engagie- mit den natürlichen Ressourcen ein und ren, hatte die CDA ein Plakat, auf dem gegen Unterdrückung und Gewalt. Des- stand: „Der Mensch ist wichtiger als die halb bin ich Gewerkschafterin und Partei- Sache. Seine Arbeit hat Vorrang vor allen mitglied. anderen Werten.“ Ich habe dies nie als et- was verstanden, das gegeben ist oder ir- Und deshalb weiß ich mich immer in Ver- gendwie vom Himmel fällt, sondern als antwortung genommen, fühle mich aber Auftrag, mich dafür einzusetzen, dass es mit dieser Verantwortung auch nicht al- im Alltag für Menschen Geltung be- leingelassen. Auch das gehört ja zum kommt. Deshalb kämpfe ich für Mitbe- christlichen Menschenbild: Das Wissen stimmung und gerechte Löhne, für das darum, dass Irrtum, Scheitern und Ver- Recht auf Bildung und Ausbildung, für ein sagen immer möglich sind, aber dass Steuersystem, das den Starken mehr ab- auch damit kein endgültiges Urteil ge- verlangt als den Schwachen. Deshalb tre- sprochen ist, dass man immer noch ein- te ich für eine Soziale Marktwirtschaft mal neu anfangen und sich korrigieren ein, die Freiheit und Wettbewerb in ei- kann. nem stabilen Ordnungsrahmen gewähr- leistet, soziale Verantwortung garantiert Ich finde jedenfalls, das christliche Men- und niemanden ins Bergfreie fallen lässt. schenbild ist eine gute Basis für politi- Deshalb fordere ich seit langem die Regu- sches Handeln. Es nimmt einem das lierung der internationalen Finanzmärkte Denken nicht ab, aber es erleichtert Tag und stabile Sicherungssysteme, die Men- für Tag die Orientierung in einer immer schen und ihren Familien Entfaltungs- komplexer werdenden Welt. Man muss möglichkeiten und Perspektiven geben. es nicht wie eine Monstranz vor sich her- Deshalb widerspreche ich, wenn Frem- tragen. Aber im Entscheiden und Han- denfeindlichkeit und Rassismus sich breit deln darf es schon sichtbar werden. machen. Deshalb streite ich gegen Dis - kriminierung und gesellschaftliche Aus-

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PETER GÖTZ MdB Bundesvorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU und CSU Deutschlands (KPV)

Das „C“ in unserem Parteinamen ist ak- schaft eingebettet zu sein, gibt Kraft und tueller denn je. Patentrezepte für Pro- Zuversicht für das tägliche Leben und blemlösungen gibt es nicht. Aber es gibt für die Herausforderungen im politi- Prinzipien – Brücken zu bauen zwischen schen Alltag. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. „In Verantwortung vor Gott und den Aufgewachsen in einem christlich ge- Menschen“ – so steht es in unserer Ver- prägten Elternhaus, war es für mich stets fassung. Das ist ein klares und funda- selbstverständlich, mich an christlichen mentales Bekenntnis. Für mich bedeutet Wertvorstellungen zu orientieren und das, dass wir bei allen Entscheidungen sie bewusst zu leben. Dies ist auch die überlegen müssen, wie wir dem Men- Basis für meine politische Arbeit und schen in seiner Freiheit und Würde ge- Grundlage für die Gestaltung von Zu- recht werden. Dies gilt national – aber kunftsaufgaben. auch auf internationaler Ebene. Der poli- tische Alltag macht uns das nicht immer Glaubwürdigkeit und Authentizität, aber einfach. Manchmal kommt es einem auch das Bewusstsein um die eigenen Spagat gleich, diesen selbst gewählten Fehler, sind Ansprüche, die sich nicht wi- Anspruch in konkretes Reden und Ent- dersprechen. Nicht selten birgt der All- scheiden umzusetzen. Das politische tag die Gefahr der Selbstverständlich- Geschehen fordert oft von uns rasches keit und der Routine. Dann gibt es Mo- und entschlossenes Handeln. Dabei mente und Ereignisse im Leben eines je- müssen wir stets im Auge haben, welche den Menschen, die unbequem oder gar große Verantwortung wir bei allen unse- schmerzlich sein können. Sie zeigen uns ren Entscheidungen im sozialen, ökono- die persönlichen Grenzen auf; sie zwin- mischen oder ökologischen Bereich vor gen dazu, inne zu halten. Diese Momen- allem für kommende Generationen tra- te bieten die Chance, den Blick für das gen. In einer zunehmend globalen und Wesentliche zu schärfen. Das Wissen, in vernetzten Welt sind wir auf Kooperati- eine verständnisvolle intakte Gemein- on und Austausch mit unseren Nachbarn

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angewiesen. Gleichzeitig steht es uns ben. Er kann entscheiden, in welche gut zu Gesicht, wenn wir bei all unserem Richtung sein Leben verläuft. Es ist kein täglichen Tun die Wahrung der Schöp- Gegensatz zu unserem „C“, wenn wir fung einfordern. Für mich ist wichtig, dem Einzelnen Eigenverantwortung und dass unsere Werteordnung der Maßstab auch Mitverantwortung abverlangen. für unser politisches Handeln ist. Denn sie gibt unserer Politik eine innere Schlüs- Ein unvergessliches Erlebnis im politi- sigkeit, eine unsichtbare Richtschnur und schen Alltag war für mich die Ansprache den Menschen Orientierung. von Papst Benedikt XVI. im Plenum des Deutschen Bundestages. Papst Benedikt Es ist unsere Aufgabe, Lösungen für Pro- erinnerte daran, dass in den Grundfra- bleme zu finden, von denen Millionen gen des Rechts, in denen es um die Wür- Menschen betroffen sind. Ohne Orien- de des Menschen und der Menschheit tierung am Machbaren werden wir ent- geht, das Mehrheitsprinzip nicht ausrei- weder gar nichts, im schlimmsten Fall che. Vielmehr müsse sich jeder Verant- das Gegenteil des Gewünschten errei- wortliche bei der Rechtsbildung die Kri- chen. Fortschritte in allen Bereichen, in terien seiner Orientierung suchen. „Die Wissenschaft und Technik sind unabding- Politik muss das Mühen um Gerechtig- bar und notwendig. keit sein und so die Grundvoraussetzung für Freiheit schaffen“. Diese Aussage Aber der „Machbarkeitskult“ hat für und auch Mahnung des Papstes be- mich dort seine Grenzen, wo es um ele- schreibt den Weg. mentare Grundsätze geht. In Fragen von Abtreibung, PID, im Umgang mit behin- derten, kranken, alten Menschen oder bei der Sterbehilfe beispielsweise gibt es keine Option. Die Kernaussage in diesen sensiblen Bereichen muss sein, dass das Leben und die Würde des Menschen an oberster Stelle stehen und zu schützen sind.

In unserem christlichen Verständnis ist dem Menschen der freie Wille mitgege-

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DR. REINER HASELOFF MdL Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt

Das „C“ im Parteinamen der Christlich De- ist. Hat man seine Überzeugung hiervon mokratischen Union ist die stete Erinne- gefunden, so soll man um die Zustimmung rung daran, dass es für den Menschen eine von Menschen werben, soll mitwirken an Verantwortung gibt, die nicht nur vor der der Meinungsbildung im Volk. Die Mei- nächsten Umfrage oder überhaupt in einer nungsbildung ist in der Demokratie viel Mehrheitsentscheidung Bestand haben wichtiger als die Meinungsforschung. muss. Es bleibt eine wichtige Tatsache, dass man beispielsweise über die Wahrheit Nach meiner Überzeugung lassen sich oh- nicht abstimmen kann. Zwar gibt es in die- ne das christliche Verständnis vom Men- sem Sinne keine christliche Politik, aber es schen weder seine Würde noch seine Frei- gibt immer Menschen, die sich aus christli- heit und schon gar nicht seine Rechte be- cher Verantwortung in die Politik begeben gründen und inhaltlich verbindlich fassen. und versuchen, sie im Sinne des christli- Sie lassen sich dann schon gar nicht mehr chen Menschenbildes zu gestalten. verteidigen. Darum ist es für unser Ge- meinwesen geradezu konstitutiv, hiervon Auch haben die Urheber unseres Grundge- auch ein öffentliches Bewusstsein zu be- setzes diejenigen Teile, die von den ver- wahren. Die Verantwortung dafür liegt kei- bürgten Rechten der Menschen handeln, neswegs allein bei den Kirchen, sondern der nochmaligen Disposition des Gesetz- bei jedem Menschen, der Christ ist und als gebers entzogen und damit verdeutlicht, solcher für das Gemeinwohl wirkt. dass unser gemeinsamer Staat auf Funda- menten ruht, über die er keine Herrschaft Ganz abgesehen aber von diesen grundle- ausübt. Die Meinungs- und Gewissensfrei- genden Zusammenhängen schenkt mir heit gehört zu diesen Fundamenten. Es ist mein christliches Selbstverständnis die Be- darum auch zwingend, dass sich politi- ruhigung, dass uns Menschen nicht alles sches Handeln nicht im Erforschen von aufgeladen ist. Es ermöglicht mir einen Meinungen begründen darf, sondern allein Umgang mit Menschen, zu dem auch Feh- im Ringen um eine Überzeugung davon, ler und Irrtümer gehören und die Kraft, je- was für das Gemeinwesen richtig und gut dem immer wieder Neuanfänge zu ermög-

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lichen. Es begründet in mir einen keines- fentliche Appell, sondern nur die Überzeu- wegs nur formalen Respekt vor Anders- gungskraft des eigenen Beispiels. denkenden und auch vor dem politischen Gegner. Es ist ein großer Vorteil der Demo- Es war ohne Zweifel die wichtigste Frucht kratie, dass aus politischen Gegnern nach des Umbruches der Jahre 1989/90, dass Wahlen immer wieder auch sehr schnell wir wieder selbst Verantwortung für un- Partner werden können, die zum Wohle ser Staatswesen übernehmen durften. des Landes zusammenarbeiten müssen, Wir müssen dieser Verantwortung nur ge- dies aber auch wollen. Das christliche Bild recht werden. vom Menschen lässt eben aus Gegnern nicht so schnell Feinde werden.

Von großer Bedeutung aber ist der beson- dere Rang der Gemeinschaft im Christen- tum. Das hat seinen entscheidenden Grund natürlich darin, dass das Christen- tum selbst seinem Wesen nach Gemein- schaft ist und es daher auch vielen Men- schen in unserer säkularisierten Zeit ein Beispiel für gelungene Gemeinschaft ge- ben kann. Das ist immer dort der Fall, wo alle Menschen Möglichkeiten zur Mitwir- kung und zur Teilnahme bekommen. Der Begriff der Teilnahme ist besonders gut ge- eignet, um zu verdeutlichen, wie ein Ge- meinwesen funktionieren kann. Es liegt ei- ne ganz wichtige Aufgabe der Menschen, die sich politisch verantwortlich fühlen, darin, immer wieder um Beteiligung zu werben, Dialoge zu eröffnen und Konsens zu stiften. Dort, wo die Menschen diese Mitwirkung nicht mehr ausüben, ist unser demokratisch verfasstes Gemeinwesen in Gefahr. Abhilfe schafft aber selten der öf-

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FRANZ-JOSEF HOLZENKAMP MdB Landesvorsitzender der CDU Oldenburg

Der Kreuzkampf als Vorbild christlichen Glauben beruft. Sollten wir uns also auf die Bibel als handlungswei- Ein Politiker, der heutzutage für sich in An- sendes „Grundsatzprogramm“ für unse- spruch nimmt, christliche Politik zu betrei- re praktische politische Arbeit berufen? ben, muss sich die Frage gefallen lassen, Ja und nein. Wer in der Bibel konkrete was denn nun an seiner Politik konkret Handlungsanweisungen für den aktuel- christlich sei. len Politikbetrieb sucht, wird sie nicht finden. Hierzu eignet sich die Bibel Je stärker der Säkularisierungsprozess einer nicht. Als Grundlage unseres Glaubens Gesellschaft wie der unsrigen fortschreitet bietet sie vielmehr ethische Maximen, und je mehr Menschen sich nicht mehr dem die als Richtschnur unseres Handelns christlichen Glauben bzw. den christlichen dienen sollten. Kirchen zugehörig fühlen, desto stärker stellt sich die Frage nach der Verankerung Ein historisches Ereignis aus meiner Hei- ihrer Politik im christlichen Glauben. Der mat, dem Oldenburger Münsterland, kanadische Philosoph Charles Taylor hat steht für mich sinnbildlich dafür, wie der diese Herausforderung in seinem aktuellen Glaube Politik bewegen kann – selbst un- Werk „Das säkulare Zeitalter“ folgender- christliche Politik: 1932 übernahmen die maßen umschrieben: „In unserer säkularen Nationalsozialisten auch die Macht im Gesellschaft kann man sich uneinge- Land Oldenburg. Im Zuge dessen ver- schränkt politisch betätigen, ohne je Gott suchten sie, den christlichen Bekenntnis- zu begegnen, also ohne an einen Punkt zu schulen eine nationalsozialistische Prä- gelangen, an dem sich die ausschlaggeben- gung aufzuzwingen. Deutliches Zeichen de Bedeutung des Gottes Abrahams für dieser Politik war der sogenannte Kreuz - dieses ganze Unterfangen eindringlich und erlass, also das Verbot, christliche Sym- unverkennbar bemerkbar macht.“ bole in den Schulen aufzuhängen. In der Folge kam es zu erheblichen Protesten Und gerade deshalb liegt die Messlatte der Kirchen und der Bevölkerung, die in hoch für einen Politiker, der sich auf den einer Kundgebung mit 7 000 Menschen

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in der Cloppenburger Münsterlandhalle ist es für mich unakzeptabel, wenn sich gipfelten. Die Nationalsozialisten sahen der Staat hierin zu tief einmischen will. sich gezwungen, das Kreuzverbot aufzu- heben. Dieser christliche Protest meiner Mir persönlich gibt der christliche Glaube Heimat hat als Kreuzkampf Einzug in die mit seiner ethischen Ausrichtung das Fun- Geschichtsbücher gehalten. Für die Hal- dament für meine alltägliche politische tung der damals Protestierenden, die sich Entscheidungsfindung. Liebe zu Gott und ihren Glauben nicht von einem diktatori- den Nächsten – Solidarität, Subsidiarität schen Staat reglementieren lassen woll- und Gemeinwohl sind dabei Richtschnur ten, sich für Ihre christliche Überzeugung für mein politisches Handeln. sogar der Gefahr für Leib und Leben aussetzten, hatte ich schon als junger Mensch hohen Respekt.

Doch wie steht es in der aktuellen politi- schen Arbeit mit dem christlichen Glau- ben? Lassen Sie mich als Beispiel die Fa- milie nehmen: Als Keimzelle unserer Ge- sellschaft bedarf die Familie eines be- sonderen Schutzes und gezielter Förde- rung. Familie oder Staat – vor diese Wahl gestellt, entscheide ich mich als christli- cher Politiker immer für die Familie; ganz im Sinne von „So viel Staat wie nö- tig, aber so viel Familie wie möglich“. Denn der Staat kann gut sein, die intakte Familie ist besser. Insbesondere bei der Erziehung und Förderung von Kindern. Natürlich ist es gut, wenn der Staat Fa- milien beispielsweise mit Kinderkrippen und Kindergärten unterstützt, Kinder und Beruf unter einen Hut zu bekom- men. Doch die Erziehung ist ureigenste Angelegenheit der Familien. Deswegen

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HUBERT HÜPPE Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen

Das christliche Menschenbild war von schaft geholt wurde. Teilhabe ist also Anfang an Motivation, Leitlinie und nicht nur Menschenrecht, sondern ent- Richtschnur meines politischen und so- spricht auch dem christlichen Men- zialen Engagements. Es bestimmt meine schenbild. Das gilt auch, oder vielleicht Entscheidungen in den unterschiedli- sogar insbesondere, für Menschen mit chen politischen Fragen. Das gilt auch sehr hohem Unterstützungsbedarf wie und insbesondere für die Politik für etwa demenzerkrankte und schwerst- Menschen mit Behinderung, in der ich mehrfachbehinderte Menschen oder Ko- derzeit als Beauftragter der Bundesre- mapatienten. gierung für die Belange behinderter Menschen tätig bin. Der Grundsatz, dass Das christliche Menschenbild bildet für jeder Mensch Würde hat, allein weil er mich auch das Fundament bei bioethi- Mensch ist, ergibt sich nicht nur aus dem schen Fragestellungen, von der Embryo- Grundgesetz. Er kann direkt daraus ab- nenforschung bis zur aktiven Sterbehil- geleitet werden, dass der Mensch Eben- fe. Die Aussage von , „Was ihr getan bild Gottes ist. Daraus leitet sich auch habt einem unter diesen meinen gering- das Recht auf Teilhabe ab. Aktuell spie- sten Brüdern, das habt ihr mir getan“, gelt dies etwa die UN-Behinderten- sagt mir, mich gerade für die Schwäch- rechtskonvention mit dem Leitgedanken sten einzusetzen. Der Rechtsstaat muss der sogenannten „Inklusion“ wieder. Kei- gerade sie schützen – die Starken kön- nen Menschen auszuschließen, sondern nen sich oft selber helfen. Wenn, wie Teilhabe zu ermöglichen, diesen Leitge- aufgezeigt, jeder Mensch Würde hat, danken findet man aber bereits in den dann gilt die Menschenwürde uneinge- Evangelien. Bezeichnend ist, dass der er- schränkt auch für den Embryo, den Ko- ste Mensch, dem Jesus die Sünden ver- mapatienten und den sterbenden Men- gab, ein Mensch mit Behinderung war. schen. Eine Qualitätsabwägung oder die Wobei für mich nicht im Mittelpunkt Beurteilung des Nutzens eines Men- steht, dass der „Lahme“ wieder gehen schen verbietet sich deshalb von vorn- konnte, sondern in die Mitte der Gesell- herein. Der Vorwurf, man würde eine In-

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flation von Menschenwürde betreiben, überzeugt dabei nicht. Ein Staat ist noch nie zum Unrechtsstaat geworden, weil er Menschenwürde umfassend versteht.

Das Gebot „Du sollst nicht töten“, hilft mir dabei, auch bei zum Teil sehr schwie- rigen Problembereichen zu Entscheidun- gen zu kommen. Das christliche Men- schenbild führt nicht immer zu beque- men, aktuellen Umfragen entsprechen- den Antworten und Entscheidungen. Das wurde aber auch keinem Christen ver- sprochen.

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JOST DE JAGER Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein Landesvorsitzender der CDU Schleswig-Holstein

Die praktische Bedeutung des Privat und beruflich hat mich das Christ- christlichen Menschenbildes liche stets eng begleitet. So begann im täglichen Leben und in der mein beruflicher Weg beim Evangeli- politischen Arbeit schen Pressedienst in Kiel und er führte mich nach meinem Einstieg in die Be- Als Sohn eines Pastors hat das „C“ in mei- rufspolitik zum Vorsitz des Evangeli- nem Leben eine Rolle gespielt, solange ich schen Arbeitskreises der CDU Schles- denken kann. Dadurch habe ich bereits als wig-Holstein, den ich zehn Jahre leiten Kind die christlichen Werte entdeckt und durfte. sie bis heute verinnerlicht. Für mich be- deutet das „C“ die Achtung und die Umset- Die christlichen Werte besagen für mich zung dieser Werte im täglichen Leben und als Privatperson, dass ich meine Mit- im Miteinander mit meinen Mitmenschen. menschen achte und respektiere. Das Es bedeutet für mich, Verantwortung zu Gleiche gilt aber auch für mich als Politi- übernehmen vor Gott sowie – im Sinne un- ker. In der Politik kann es durchaus ein- serer Verfassung – zur Bewahrung der mal hart zur Sache gehen. In diesem Zu- Schöpfung und friedlichen Weiterentwick- sammenhang bedeutet die Achtung und lung unserer Gesellschaft. der Respekt meinen Mitmenschen ge- genüber nicht nur einen freundlichen Die christlichen Werte haben, ebenso zwischenmenschlichen Umgang mitein- wie die zehn Gebote, trotz ihres betag- ander, sondern auch, dass ich ihre Inter- ten Alters bis heute nichts an ihrer Ak- essen und Rechte achte. tualität eingebüßt. Sie sind nicht nur Leitlinien für meinen persönlichen Um- Das „C“ bedeutet für mich weiter, dass gang mit meinen Mitmenschen, sondern ich die Probleme meines Gegenübers sie bilden für mich auch die essentielle ernst nehme. Dies ist es auch, wofür aus Grundlage unserer Gesellschaft und meiner Sicht die CDU als Partei steht. unseres täglichen Zusammenlebens in Wir wollen die Sorgen und Nöte unserer Deutschland. Mitmenschen wahrnehmen, um gemein-

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sam eine Lösung zu finden und sie zu be- mich ein entscheidender Bestandteil wältigen. Dabei ist der Respekt vor der der christlichen Werteordnung ist. Sie Meinung und den Ansichten anderer für soll nicht an Grenzen wie Hautfarbe, uns die Grundlage, dies zu erreichen. Religion, Lebensstil oder politischer Denn wer die persönliche Wahrneh- Ansicht haltmachen, sondern allen zu- mung und Lebensrealität eines Mitmen- kommen, die dieser bedürfen. Auch das schen missachtet oder deren Richtigkeit repräsentiert für mich die CDU, die von vornherein ausschließt, der wird sich um alle Menschen in Deutschland sein Gegenüber nicht verstehen und sorgt und nicht nur um eine bestimmte dessen Probleme nicht lösen können. Klientel.

Die Anerkennung der menschlichen Das christliche Menschenbild bildet für Würde, die Garantie von Freiheit und mich zudem einen wichtigen Ansatz, um Gleichheit aller Menschen vor dem Ge- Lösungen wichtiger politischer Fragen setz: Das ist die kulturelle Grundlage un- zu entwickeln. Es bildet die Grundlage serer Demokratie. Für mich sind das zivi- für jede einzelne politische Entschei- lisatorische Errungenschaften, die es un- dung, die ich zu treffen habe. Als Ver- bedingt zu bewahren gilt. Sie machen kehrsminister muss ich beispielsweise unsere Kultur aus, in der sich jedermann Entscheidungen über den Bau von Stra- frei entfalten kann. ßen fällen. Solch ein Bau dient unstreitig einer verbesserten Infrastruktur. Da- Die Freiheit ist auch eine der wesentli- durch wird Wertschöpfung und Wohl- chen Voraussetzungen für unsere Sozia- stand gefördert, was den Menschen in le Marktwirtschaft. Als Wirtschaftsmini- unserem Land zugute kommt. Allerdings ster in Schleswig-Holstein sehe ich tag- bedeutet der Bau auch einen Eingriff in täglich die Früchte der Arbeit von Men- die Natur, verbunden mit Lärm, Abga- schen, die in Unternehmen zu großen sen usw. Als Politiker muss ich nun eine Leistungen fähig sind, sich dem Markt Abwägung treffen und ggf. mit besonde- stellen und so für Wertschöpfung und ren Maßnahmen für einen Ausgleich sor- Arbeitsplätze sorgen. gen. Gesetze und Normen spielen dabei eine zentrale Rolle. Aber auch mein In diesem Zusammenhang möchte ich christliches Verständnis bildet eine Basis auch die Solidarität als Ausdruck christ- für die Abwägung konkurrierender Wer- licher Nächstenliebe erwähnen, die für te und Güter.

33 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

DR. FRANZ JOSEF JUNG MdB

Das „C“ in der Politik bedeutet für mich, Handeln entwickelt worden. Diese Er- täglich an einer Politik in christlicher Ver- kenntnisse der Vernunft bilden unser kul- antwortung mitzuwirken. Meine Mit- turelles Gedächtnis.“ gliedschaft in der katholischen Jugend führte mich konsequenterweise über die Diese in unserer christlich-abendländi- Junge Union in die CDU. schen Tradition verwurzelte Wertegrund- lage des christlichen Menschenbildes hat Mein erstes politisches Engagement be- eine unschätzbare Bedeutung. Werte wie stand in der Mitwirkung an dem Grund- Freiheit, Gleichberechtigung, Meinungs- satzprogramm der Jungen Union freiheit, Glaubensfreiheit, Toleranz, De- Deutschlands „Für eine humane Gesell- mokratie und Rechtsstaat ermöglichen schaft“, das deutlich unsere Politik auf jedem Menschen das Recht auf die freie der Grundlage des christlichen Men- Entfaltung seiner Person in Verantwor- schenbildes formuliert hat. Die Werte tung. von Freiheit, Gerechtigkeit, Achtung der Schöpfung und Solidarität haben mein Gerade in den 70er Jahren führten wir ei- politisches Handeln bis heute bestimmt. ne politisch harte Diskussion mit den Jungsozialisten über deren Vorstellun- In dieser Haltung hat mich Papst Bene- gen, die nach meiner Auffassung nicht dikt XVI. mit seiner Rede im Deutschen mit einer Politik auf der Grundlage des Bundestag am 22. September 2011 noch- christlichen Menschenbildes vereinbar mals bestärkt, als er formulierte: „Von der waren. Wer eine Politik formuliert, die ei- Überzeugung eines Schöpfergottes her ne klassenlose Gesellschaft zum Ziel hat, ist die Idee der Menschenrechte, die Idee versündigt sich an der Natur des Men- der Gleichheit aller Menschen vor dem schen. Der Mensch bleibt fehlbar, auch Recht, die Erkenntnis der Unantastbar- wenn er nach Vollkommenheit strebt. Bei keit der Menschenwürde in jedem einzel- einer Politik auf der Grundlage des christ- nen Menschen und das Wissen um die lichen Menschenbildes steht der Mensch Verantwortung der Menschen für ihr im Mittelpunkt und nicht das Kollektiv.

34 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

Dass sich beispielsweise auch im Rahmen milien und Kinder. Ebenso gehört in der der Deutschen Einheit diese Politik als Bildungspolitik die Förderung nach Bega- richtig erwiesen hat, kommt mir oft in der bung und Fähigkeit dazu. politischen Diskussion zu kurz. Für die Wirtschafts-, Arbeits- und Sozial- Die Menschen wählten die Werte des politik gilt unter anderem: Gerechtigkeit Grundgesetzes und haben damit den So- schafft Frieden. Die Soziale Marktwirt- zialismus/Kommunismus überwunden. schaft in der alltäglichen Politik umzuset- Deshalb ist es auch heute noch von zen, führt zum Wohlstand für alle und ist Bedeutung, auf diese historische Ent- die klare Abgrenzung zum Kapitalismus. scheidung für Deutschland hinzuweisen, Die Nichtbeachtung der Werte des „C“ um der Gefahr eines Strebens zu einer durch Teile des Finanzmarktes hat gerade neuen sozialistischen, kommunistischen die aktuelle Krise mit hervorgerufen. Es Ideologie wirkungsvoll entgegentreten gilt deshalb, insbesondere in der Wirt- zu können. schafts- und Finanzpolitik, diesen Werten wieder zum Durchbruch zu verhelfen. In der aktuellen Diskussion zählt für mich das Eintreten für Frieden, Freiheit und Aber auch in meiner Verantwortung als Gerechtigkeit zur Grundlage unseres in- Bundesminister der Verteidigung habe ternationalen Engagements. Dabei bin ich mich an einer Politik aus christlicher ich der festen Überzeugung, dass z. B. Ge- Verantwortung orientiert. Dies gilt so- rechtigkeit zuerst einmal bedeutet, die wohl für unseren Einsatz für den Frieden Würde und die Freiheit zu sichern und zu als auch für unsere Verantwortung für die wahren, denn damit wird der Schutz vor Soldaten. Die berufliche Sicherheit für Willkür und Machtmissbrauch gewährlei- verwundete Soldaten in der , stet. Politik auf der Grundlage des christ- die Verlagerung der Totenehrung aus ei- lichen Menschenbildes bedeutet in die- ner kalten Flugzeughalle in einen kirchli- sem Sinne auch das Einstehen für ein chen Raum und die Errichtung des Ehren- starkes, geeintes Europa. mals gehören dazu.

Aber auch in Deutschland verlangt eine Wenn die CDU den Werten des „C“ auch derartige Politik den Einsatz für das Le- weiterhin verpflichtet bleibt, so können ben, die Gewährleistung einer gesicher- wir mit Optimismus in die Zukunft ge- ten Freiheit und das Engagement für Fa- hen.

35 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

VOLKER KAUDER MdB Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag

Christlicher Glaube wir Politik auf der Grundlage des christ- und christliches Menschenbild lichen Menschenbildes machen.

Der Glaube und damit die Beziehung zu Der Mensch hat als Ebenbild Gottes eine Jesus Christus und zu Gott sind zunächst unantastbare Würde. Der Mensch darf etwas Höchstpersönliches. Wer sich nicht zum Objekt gemacht werden, oder zum christlichen Glauben bekennt, trifft – so das Bundesverfassungsgericht – er täglich neu die Entscheidung, in seinem darf nicht verzweckt werden. Für mich Leben Jesus Christus nachzufolgen. Das beginnt der Mensch mit der Verschmel- ist eine tägliche Herausforderung, weil zung von Ei und Samenzelle. Deshalb ich mir bewusst bin, dass dies nicht im- muss der Embryo unter be sonderem mer vollkommen gelingt. Ich weiß, dass Schutz stehen. Wissenschaftliche Expe- ich als Mensch erlösungsbedürftig bin. rimente an und mit ihm sind für mich Mit der Frage, wie ich einen gnädigen ebenso ausgeschlossen wie die Tötung Gott finde, hat sich Martin Luther lange durch Abtreibung. Zeit geplagt. Die Antwort hat er in der Gnade des Glaubens gefunden. Die Zu- Ausfluss dieser unantastbaren Würde ist, sage dieser Gnade macht uns Christen wie es im Galaterbrief Kapitel 5 heißt, frei und sollte uns auch gelassener ma- dass der Mensch zur Freiheit befreit ist chen, als wir es manchmal im täglichen und mit dem Auftrag zur Nächstenliebe Leben sind. Dietrich Bonhoeffer hat da- versehen wurde. Die freie Entfaltung der zu formuliert, dass wir auf Erden nur die eigenen Person ist Wesenselement des vorletzten Dinge regeln. christlichen Menschenbildes. Der Staat hat diesen Freiraum zu ermöglichen und Von dieser persönlichen Beziehung zu zu schützen. Er hat kein Recht, für den Gott, die mein Leben leitet, ist meine persönlichen Lebensbereich gängelnde politische Arbeit zu unterscheiden. Als Vorschriften zu erlassen. Ganz konkret Mitglied der Christlich Demokratischen wird dies in der Familienpolitik. Familien Union gilt für mich der Grundsatz, dass müssen frei entscheiden können, wie sie

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ihr Leben organisieren. Deshalb muss der lich ist, wo Christen existenziell bedroht Staat sowohl Ganztagsbetreuungsmög- werden. Die freie Religionsausübung ist lichkeiten anbieten, damit Wahlfreiheit elementarer Bestandteil der menschli- überhaupt erst möglich wird, er muss chen Würde. Wir haben in der CDU/CSU- aber auch die Voraussetzungen dafür Bundestagsfraktion und im Deutschen schaffen, dass Be treuung und Erziehung Bundestag das Thema der verfolgten in der Familie möglich sind. Beiden Vor- Christen ganz vorne auf die Tagesordnun- stellungen ist derselbe Respekt entge- gen gehoben. Die Herausforderungen genzubringen. sind gewaltig. Wir dürfen nicht zulassen, dass eine ganze Region wie der Nahe und Auch sozialpolitische Maßnahmen müs- Mittlere Osten zur christenfreien Zone sen dem Ziel des selbstbestimmten Le- wird. Wir sehen mit großer Sorge, dass bens dienen. Aus dem Gebot der Näch- die von uns begrüßten Freiheitsbewegun- stenliebe heraus helfen wir den jenigen, gen in arabischen Staaten bei der freien die sich selbst nicht helfen können. Wie Religionsausübung noch nicht entschei- konsequent wir dies tun, zeigt unsere dend vorangekommen sind. Bei allen po- umfassende Sozialgesetzgebung. Zur sitiven Entwicklungen der Türkei sehen Würde gehört aber das selbst gestaltete wir auch dort, dass freie Religionsaus- Leben. Deshalb muss Ziel der Leistungen übung noch nicht in vollem Um fang mög- von Hartz IV sein, die Menschen aus lich ist. Hier dürfen wir nicht schweigen. dem Sozialtransfer herauszubringen – Deshalb sprechen wir aus der CDU/CSU- insbesondere die jungen Menschen. Bundestagsfraktion bei unseren Kontak- Deshalb müssen wir es ihnen in Hartz IV ten mit Vertretern betroffener Länder nicht besonders bequem, sondern mög- dieses Thema offen an. lichst unbequem machen und sie in die Eigenständigkeit führen. Dies gelingt Mit den Beispielen Lebensschutz, Wahl- umso besser, je gebildeter sie sind. Zum freiheit, selbstbestimmtes Leben und freiheitlich begabten Menschen gehört Solidarität mit verfolgten Christen in al- daher eine qualifizierte Bildung, die die ler Welt erschließt sich schnell, welch Chance zum Aufstieg in sich trägt. praktische Bedeutung eine Politik auf der Grundlage des christlichen Men- Nächstenliebe und Solidarität sind von schen bildes hat. uns auch gefordert, wo freie Religions- ausübung nur schwer oder gar nicht mög-

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ECKART VON KLAEDEN MdB Staatsminister bei der Bundeskanzlerin Mitglied des Präsidiums der CDU Deutschlands

Für die Wahrnahme öffentlicher Verant- Heute wird die Zwei-Reiche-Lehre vor wortung sind für mich als Grundlagen allem verwandt, um aus evangelischer meiner Arbeit besonders wichtig Martin Sicht das Verhältnis von Staat und Kir- Luthers Zwei-Reiche- oder Zwei-Regi- che zu beschreiben. In ihrer Denkschrift menten-Lehre und schließlich Max We- zum Öffentlichkeitsauftrag der Kirche bers Verantwortungsethik. Glücklicher- „Das rechte Wort zur rechten Zeit“ führt weise bin ich aber nicht täglich vor Ent- die EKD zutreffend aus, dass Luther scheidungen gestellt, die mir eine sol- „zwischen politischem Mandat und Ein- che grundsätzliche Betrachtung abver- fluss einerseits und geistlichem Auftrag langen. andererseits unterscheidet. Auf je eige- ne Weise sowie mit je eigenen Zustän- In seiner berühmten Predigt zu Mat- digkeiten und Mitteln haben Staat und thäus 22, Vers 21 („So gebet dem Kaiser, Kirche Verantwortung wahrzunehmen was des Kaisers ist, und Gott, was Got- für die Humanität des Gemeinwesens“. tes ist“) legt Luther dar, so wie Gott dem Über ihren „besonderen Auftrag hinaus Kaiser „sein Regiment nicht zerreißen darf die Kirche sich aber nicht ‘staatliche will“, so solle aber der Kaiser „unserm Art, staatliche Aufgaben und staatliche Herrn Gott sein Regiment auch nicht Würde aneignen und damit selbst zu ei- zerreißen, und ganz lassen, und die Leu- nem Organ des Staates werden’. (…) Re- te an dem nicht hindern, dass sie Gott det sie, wo Schweigen geboten ist, ver- nicht sollten geben, was sie Gott zu ge- kommt ihr Reden leicht zum Geschwätz. ben schuldig sind“. Schweigt sie, wo Reden gefordert ist, bleibt sie etwas schuldig oder macht sich Es gibt also eine Grenze der kaiserlichen, sogar schuldig.“ der weltlichen Macht: Wenn die Obrig- keit die Menschen daran hindern will, Was für das Verhältnis von Staat und Kir- Gott zu dienen, so sind sie wiederum der che gilt, gilt auch für die Rolle des Chri- Notwendigkeit entbunden, dieser Ob- stenmenschen in Staat und Gesellschaft. rigkeit Gehorsam zu leisten. Schweigt er, wo er seine Stimme erhe-

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ben müsste, macht er sich schuldig, gibt che Motiv ankommt. Bei allem Verständ- er jedoch „Menschliches für ewig“ aus, nis für diese Haltung stellt Weber ihr die wird seine Rede bestenfalls zum Ge- Verantwortungsethik gegenüber, die schwätz. Schlechterenfalls droht die Ta- auch die unerwünschten Folgen der libanisierung des öffentlichen Diskurses, Handlung mit einbezieht und sie an ih- zumal Göttliches nicht dem irdischen rem moralisch gerechtfertigten Erfolg Kompromiss zugänglich ist. Das aber misst. wäre das Ende der Politikfähigkeit. In der Schrift der EKD heißt es dazu: „Wenn die Folgen einer aus reiner Gesin- „Rechthaberei, Bevormundung und Fa- nung fließenden Handlung üble sind, so natismus suchen sich selbst an die Stelle gilt ihm nicht der Handelnde, sondern die Gottes zu setzen und sind deshalb mit Welt dafür verantwortlich, die Dummheit der von Christus gebotenen Wahrhaftig- der anderen Menschen oder – der Wille keit, Demut und gegenseitigen Achtung des Gottes, der sie so schuf. Der Verant- nicht zu vereinbaren. Der Dienst, zu dem wortungsethiker dagegen rechnet mit Christen und Christinnen in der Welt in eben jenen durchschnittlichen Defekten ihrem Denken, Reden und Tun berufen der Menschen, – er hat (…) gar kein sind, ist deshalb auch ein Dienst, der die Recht, ihre Güte und Vollkommenheit zur Mündigkeit berufene Welt in ihrer vorauszusetzen, er fühlt sich nicht in der Weltlichkeit respektiert und zugleich Lage, die Folgen eigenen Tuns, soweit er den Glauben als eine Kraft zur Bildung sie voraussehen konnte, auf andere ab- und Zivilisierung erweist.“ zuwälzen.“

Gegen einen solchen Ansatz spricht sich Ich bin mir sicher: Gott hat uns unseren auch Max Weber in seiner berühmten Verstand gegeben, damit wir ihn im Sin- Schrift „Politik als Beruf“ aus dem Jahre ne tätiger Nächstenliebe auch benutzen. 1919 aus, wenn er von „zwei grundver- Die hohe Fehleranfälligkeit macht uns schiedenen, unaustragbar gegensätzli- immer wieder klar, wie sehr wir auf seine chen Maximen“ im Hinblick auf die Ge- und die Vergebung der anderen Men- sinnungs- und die Verantwortungsethik schen angewiesen sind. spricht.

Gesinnungsethik beschreibt ein Han- deln, bei dem es vor allem auf das sittli-

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JULIA KLÖCKNER MdL Landesvorsitzende der CDU Rheinland-Pfalz, Vorsitzende der CDU-Fraktion im Landtag von Rheinland-Pfalz, Mitglied des Präsidiums der CDU Deutschlands

Werte, die ich meine Mitgefühl für den Nächsten, Vertrauen in die Einzigartigkeit und Kraft des Ein- Ausgerechnet eine Partei, die sich zum zelnen – man kann über vieles in der christlichen Bild vom Menschen bekennt, Ausgestaltung diskutieren, aber die Ori- ist die letzte Volkspartei in einer zuneh- entierung am Christlichen nimmt mir mend säkularisierten Gesellschaft. Ein Wi- dabei eine Last: Ich muss nicht immer derspruch? Keineswegs. Es gibt viele gute wieder aufs Neue Überzeugungen zur Gründe dafür. Einer lautet: Die Menschen Disposition stellen. Das ist befreiend. suchen händeringend nach Orientierung. Weil ich akzeptiere, dass Wert und Wür- Denn unsere Gesellschaft hat es weitge- de des Einzelnen nicht verhandelbar hend verlernt, die Dinge beim Namen zu sind, sie sind gegeben – und ich habe die nennen: Gutes gut und Schlechtes Pflicht, politisch dafür zu sorgen, dass schlecht. Wer den eigenen Standpunkt ihnen Rechnung getragen wird. kennt, weiß, wie weit er gehen kann. Und dafür ist das „C“ ein gutes Navigations-Sy- Die Debatten über die embryonale stem, auch in der Politik. Stammzellforschung, die Präimplantati- onsdiagnostik, die Patientenverfügung Navigationssystem für was? Um ver- oder die Organspende sind konkrete bindliche sittliche Maßstäbe in der sich Beispiele dafür. Einfach ist das nicht. wandelnden Gesellschaft zu benennen, Christdemokrat zu sein bedeutet nicht, einzufordern, einzuhalten. Das „C“ ist nicht ringen zu müssen. Übrigens gehört die Leitplanke für Überzeugungen – ge- auch die Durchsetzung der Rechte der gen unverlässliche, tagesaktuell verlok- Frau zum Auftrag christlicher Politik. kende „Wanderdünen“. Nicht heute hier, Deshalb nehmen wir Anstoß, wenn un- morgen da, nicht jedem gefallen. Für ter dem Deckmantel einer falsch ver- mich und meine Politik bedeutet das „C“ standenen Integrationspolitik – zum Klarheit, Dinge beim Namen zu nennen, Beispiel in Rheinland-Pfalz – empfohlen dass ein ‘Ja’ ein ‘Ja’ und ein ‘Nein’ ein wird, dass Schulstunden geschlechterge- ‘Nein’ ist. Respekt vor der Schöpfung, trennt unterrichtet werden sollen oder

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dass Mädchen eine Schwimmburka tra- Das christliche Bild vom Menschen und die gen können, um dem muslimischen Bild davon abgeleiteten Grundwerte zeigen die der Frau gerecht zu werden. Jungen und Richtung. Insofern macht es schon einen Mädchen sind aber gleich viel wert. Unterschied, ob eine Partei wie die CDU Frauen sind nicht diejenigen, die auf- immer wieder versucht, ihre Politik vom grund ihres Geschlechtes Anlass zum Christlichen her zu denken. Anstoß geben und deshalb abgegrenzt werden müssen. Und das sagt mir auch Als Christdemokratin will ich mich eben mein christlicher Glaube. nicht mit einem Werterelativismus an- freunden, der seine Kriterien aus einem Aber beim Ringen bleiben wir Christdemo- jeweils demoskopisch erhobenen „Wer - kraten der christlichen Soziallehre ver- tewandel“, einer bloßen Mehrheitsent- pflichtet. Grundwerte, die uns leiten, sind scheidung oder einem gängigen Zeitgeist Personalität (der Mensch geschaffen nach bezieht. Die Moral fragt nicht nach der dem Ebenbild Gottes), Freiheit (die immer „Normativiät des Faktischen“, sondern auch eine Freiheit in Verantwortung sein fordert die „Faktizität des Normativen“ muss), Solidarität (die Überzeugung, dass (Wolfgang Ockenfels 2009). Und das die Menschen keine Einzelwesen sind, son- ethisch Normative lässt sich nicht be- dern zusammen gehören), Gerechtigkeit gründen auf das, was zufällig und empi- und Subsidiarität (den kleineren Einheiten risch greifbar vorhanden ist, sondern be- eigene Kompetenz und Zuständigkeit an- zeichnet das Gute, das sein sollte. zuerkennen). Wir Christdemokraten sind keine besseren Diese Verpflichtung auf das christliche Menschen, wir streiten, wir ringen und ma- Menschenbild – als Idee statt einer Ideolo- chen auch Fehler. Aber das deutliche Be- gie –, macht die CDU in mancher Hinsicht kenntnis zum „C“ im Parteinamen fordert freier und aufgeschlossener für Neues ent- uns, ein selbst gesetzter Anspruch – dem lang unserer Prinzipien. Die Geschichte muss man erst einmal gerecht werden! lehrt uns, dass der Versuch, mit Ideologien Versäumnisse werden uns übler genom- den Himmel auf Erden zu schaffen, meist men als anderen Parteien. Gut so. So bleibt mit der Hölle auf Erden endete. Marxis- das „C“ Ansporn. Und ich bleibe überzeug- mus-Leninismus, Turbokapitalismus, Rela- te Christdemokratin. tivismus – es sind keine überzeugenden Al- ternativmodelle.

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ANNEGRET KRAMP-KARRENBAUER MdL Ministerpräsidentin des Saarlandes Landesvorsitzende der CDU Saar Mitglied des Präsidiums der CDU Deutschlands

Was bedeutet das „C“ für mich in meinem Zwei Beispiele täglichen Tun? Ich gebe zu: Ich habe mich mit der Beantwortung dieser Frage schwer Zur Würde des Menschen gehört, dass er getan. Weil sie die eigentliche Kernfrage das Recht hat, sein Leben nach seiner Fas- ist, die ich mir als Christin jeden Tag stellen son zu leben. Niemand soll einem anderen sollte, müsste, aber eigentlich zu selten vorschreiben, auf welche Weise er glück- wirklich stelle. lich zu werden hat. Selbstverständlich steht dieser Freiheitsbegriff unter der Vor- Zuerst ist das „C“ für mich Ermutigung. Er- aussetzung seiner Allgemeingültigkeit: Er mutigung, mich an all die komplexen Fra- meint nie nur die eigene Freiheit, sondern gen und Probleme unserer Tage heran zu schließt immer auch die Freiheit des Näch- wagen, Entscheidungen von großer Trag- sten mit ein. weite zu treffen, obwohl ich doch weiß, dass der Mensch fehlerhaft ist und Fehler Demgemäß setze ich mich etwa im Bereich macht. Aber wie heißt es in einem Gebet der Familienpolitik dafür ein, Männern wie nach Arno Pötzsch: „Du kannst nicht tiefer Frauen gleichermaßen die freie Entschei- fallen als nur in Gottes Hand, die er zum dung zu überlassen, welches Betreuungs- Heil uns allen barmherzig ausgespannt.“ modell sie für ihre Kinder wählen. Ob Men- Dieser Satz drückt für mich das Urvertrau- schen nach der Geburt ihrer Kinder aus en in Gott aus, das mich ganz persönlich dem Beruf ausscheiden und sich ganz der prägt. Erziehung widmen oder ob sie neben der Familie gleichzeitig auch ihre Fähigkeiten Zum Zweiten steht das „C“ für das christli- in einem geregelten ausüben wollen – che Bild vom Menschen: Der Mensch, der im Sinne der Wahlfreiheit ist es mein Ziel, trotz seiner Unvollkommenheit von Gott beide Lebensmodelle zu ermöglichen. geliebt wird und von ihm höchstpersönlich seine Würde ableitet. Die Würde des Men- Zur Würde des Menschen gehört auch, schen ist unantastbar – das ist für mich die dass er nicht auf seine „Verhältnisse“ redu- Leitschnur durch den politischen Alltag. ziert werden darf. Jedes Kind muss nach

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diesem Verständnis so gut wie möglich ge- fördert werden. Dass in Deutschland nach wie vor der Bildungserfolg von den persön- lichen sozialen Verhältnissen abhängt, darf uns nicht ruhen lassen. Das ist nicht nur ei- ne bildungsökonomische Frage, es ist vor allem eine Frage der Würde dieser Kinder. Dieser Würde sind wir es schuldig, immer wieder Anstrengungen in der Bildungspo- litik zu unternehmen.

Weil jeder Mensch eine unveräußerliche Würde hat, hat er ein Recht darauf, dass wir ihm respektvoll begegnen. Im persönli- chen Umgang und auch in der öffentlichen Debatte.

Das „C“ ist eine ständige Herausforderung an uns selbst – unbequem, alles andere als einfach und trotzdem beruhigend. Ich könnte mir einen Alltag, ich könnte mir ei- ne Partei ohne „C“ nicht vorstellen.

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DR. GÜNTER KRINGS MdB Vorsitzender des Bundesarbeitskreises Christlich Demo - kratischer Juristen (BACDJ), Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag

Was bedeutet es, sich dem „christlichen nötig und so viel Freiheit gewähren wie Menschenbild“ verpflichtet zu fühlen? Es möglich. bedeutet, den Menschen in den Mittel- punkt der Politik zu stellen, nicht ein Sy- Freiheit und Verantwortung stem oder ein Gesetz, sondern den Men- schen selbst als Abbild Gottes. Gottes- Freiheit verlangt nach Verantwortung. Je- ebenbildlichkeit heißt vor allem und zu- der Einzelne im Staat muss für sein Leben erst, dass der Mensch mit eigener unver- zuerst selbst verantwortlich sein. In dieser äußerlicher Würde von Gott ausgestattet Verantwortlichkeit soll jeder Bürger über wurde. Sie kommt ihm zu, allein weil er ein Maximum an Freiheit verfügen. Familie, Mensch ist. Ein Satz des Kirchenlehrers Au- Freundeskreis und private Initiativen, wie gustinus fasst dieses Leitmotiv prägnant Vereine und Gesellschaften, ergänzen die- zusammen: „Lebt nicht als Sklaven, nieder- sen innersten privaten Kreis. Der Staat soll gebeugt unter dem Gesetz, sondern als dieses Streben ermöglichen und fördern, freie Menschen unter der Gnade.“ denn wir alle sind soziale Wesen, die allein aus uns selbst heraus nicht leben können. In diesem Satz kommt ein zentraler Ge- danke zum Ausdruck: die Freiheit! Gott Das bedeutet konkret, dass auch jedes un- traut dem Menschen Freiheit zu. Wir ternehmerische Wirtschaften nicht durch mussten und müssen oft erfahren, dass ein Zuviel an Gesetzen, Steuern und Abga- wir diesem Zutrauen nicht immer ge- ben behindert werden darf. Das bedeutet recht werden. Doch wir sollten dem Zu- ebenso, dass soziale Hilfe durch den Staat trauen Gottes nicht nachstehen. Als Ju- das Ziel haben muss, dass der Hilfsbedürf- rist und Politiker weiß ich, dass es ohne tige alsbald wieder auf eigenen Beinen ste- Gesetze, ohne Regeln nicht geht. Und hen sollte und auf Hilfe nicht mehr ange- das wusste natürlich auch der Heilige wiesen ist. Augustinus, dessen Zitat hier aus seiner Regel für Ordensleute stammt. Jedes Aber: Freiheit darf nicht lediglich zur Gesetz sollte demnach so viel regeln wie theoretischen Größe verkommen. Die

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realen sozialen Verhältnisse können oft seiner Entstehung. Die Kirchen sind be- die theoretische Freiheit zur faktischen deutende gesellschaftliche Faktoren Unfreiheit werden lassen. Deswegen ist und legitime Partner des Staates. Des- es richtig und wichtig, allen Bürgern wegen kann die grundsätzliche Tren- Chancen zu eröffnen. Chancen auf einen nung von Kirche und Staat nicht bedeu- guten Bildungsabschluss, auf einen Ar- ten, das gewachsene und bewährte Ko- beitsplatz, so dass jeder in einem gesi- operationsverhältnis zwischen beiden cherten Staatswesen sein Glück suchen Sphären grundsätzlich in Frage zu stel- und auch finden kann. Gefordert ist len. Der deutsche Staat ist vielmehr auf nicht die völlige Gleichheit im Ergebnis, die Mitwirkung der christlichen Kirchen sondern gerechte Chancen. Und es gibt angewiesen, wenn er seinen humanen solche, die auf dem Weg zum Gipfel Charakter nicht aufs Spiel setzen will. schon bei der ersten Berghütte begin- nen, und solche, die am Fuße des Berges Der Schutz menschlichen Lebens ihren Ausgangspunkt haben. Jener tut sich leichter, dieser muss sich mehr an- Schließlich gilt es, aus der oben bereits strengen. Aber es dürfen ihm keine un- erwähnten Gottesebenbildlichkeit des gerechten Hindernisse den Weg ver- Menschen auch hinsichtlich des Lebens- sperren. schutzes konkrete Schlüsse zu ziehen. Weder zu Beginn menschlichen Lebens Das christliche Erbe pflegen und noch an dessen Ende darf die Menschen- schützen würde relativiert oder infrage gestellt werden. Wenn Augustinus von der Gna- Zu den wichtigsten Säulen des Grundge- de spricht, dann meint er die göttliche setzes gehört die Religionsfreiheit. Sie Gnade, nicht jene des Menschen, der ist auch ein wesentliches Element des in- sich aufschwingt, Gott zu spielen, um neren Friedens. Respekt und Freiheit für über Leben und Tod nach eigener Will- die unterschiedlichen Bekenntnisse sind kür zu entscheiden. die Voraussetzungen für ein auskömmli- ches Miteinander. Christliches Selbst- verständnis als Politiker bedeutet auch, dass das christliche Erbe unseres Landes gepflegt und gefördert werden soll. Das Christentum gehört zu Deutschland seit

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PROF. DR. NORBERT LAMMERT MdB Präsident des Deutschen Bundestages

Werte und Entscheidungen Freising, Reinhard Marx, für richtig, dass zu zwischen Religion und Politik einer Politik, die das Adjektiv christlich für sich in Anspruch nimmt, die enge Bezie- Religion ist Privatsache und zugleich eine hung zu den Kirchen und der intensive Dia- öffentliche Angelegenheit. Religiöse Werte log mit ihren Repräsentanten gehört. Da- sind eine zentrale Quelle jener gemeinsa- bei muss die Auseinandersetzung wechsel- men Überzeugungen und Orientierungen seitig durchaus auch kritisch sein dürfen unserer Gesellschaft, ohne die die Regeln und von den Vertretern der Kirchen wie dieser Gesellschaft und ihre gesellschaftli- der Parteien gesucht werden. Da die Rolle chen Rahmenbedingungen auf Dauer kei- der Kirchen in einer modernen Welt und nen Bestand hätten. Ohne unser geistig-re- schon gar in einer demokratisch verfassten ligiöses Erbe wären „Wert und Würde des Gesellschaft nicht nur als Rückzug ins Spi- Menschen als eine universell gültige Idee rituelle verstanden werden kann, ist es des Rechts”, so der damalige Kardinal Rat- Aufgabe der Kirchen, ihre Botschaften in zinger und heutige Papst Benedikt XVI., die Geschäftigkeit der Gesellschaft einzu- weder im Grundgesetz noch in der Grund- bringen. Das muss knirschen – nicht stän- rechtecharta der Europäischen Union kodi- dig, aber es muss knirschen dürfen, auch fiziert worden. Religion ist daher nicht die und gerade innerhalb einer Partei, die das einzige, aber wohl eine unverzichtbare „C” im Namen trägt. Dies hat indes nicht Quelle von Werten in einer Gesellschaft. zu bedeuten, dass die Partei oder ihre Poli- Dies muss ganz grundsätzlich auch für die tiker die Glaubensdogmatik der Kirchen in Politik gelten; Politik ohne ein festes Fun- Politik zu übersetzen haben. Das Wort dament von Überzeugungen, aus denen „Christlich” stellt vielmehr einen Bezug auf heraus sich ein Gestaltungsanspruch her- Werte und Normen dar, die sich auch ver- leiten lässt, liefe Gefahr, nicht mehr zu sein nunftrechtlich begründen lassen und nicht als eine Selbstinszenierung von Macht. exklusiv christlich sind.

Nicht nur deshalb halte ich die Feststel- Die wirklich großen Fragen sind auch lung vom Erzbischof von München und heute im Kern religiös geprägt: Fragen

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nach Leben und Tod, nach Schuld und Dass wir heute weltweit Formen der Vergebung, nach Freiheit und Verantwor- Wiederbelebung der Religion erleben, tung, nach Frieden und Völkerverständi- die auch Anlass zu großer Besorgnis ge- gung. In einer säkularisierten Gesell- ben, muss nicht näher erläutert werden. schaft sind diese freilich von den Kirchen Aber es bestätigt zugleich die überra- ebenso wenig alleine zu beantworten wie gende Relevanz von Religion. Aufgeklär- von Regierungen oder Parlamenten. te Religionen als herausragende Ver- mittler ethischer Standards – wer anders Für den von christlicher Glaubensüber- als sie könnte für Prinzipien wie Gerech- zeugung geprägten Politiker, der in sei- tigkeit, Gewaltlosigkeit oder Gleichbe- ner Religion lebt und zugleich dem Ge- rechtigung im eigentlichen Sinne des meinwesen dient, ist die lebendige kul- Wortes „glaubhaft” einstehen? Wenn turelle Verbindlichkeit des christlichen diese nicht von Religionen vermittelt Menschenbildes in der heutigen Gesell- werden, ist die Wahrscheinlichkeit über- schaft alles andere als erschöpft. Es geht schaubar gering, dass sie überhaupt dau- hierbei nicht etwa allein um die beson- erhaft vermittelt werden können. Je dere Verantwortung für die Grundwerte eher es gelingt, solche Orientierungen des freiheitlich-demokratischen Verfas- zu finden, desto besser. sungsstaates, es geht vor allem darum, den öffentlichen Diskurs offen zu halten Die Wahrung des je Besonderen und die für die Fragen, die den grundlegenden Wahrnehmung des Gemeinsamen ist da- Stellungnahmen zu unserem Leben vor- her der angemessene Weg zu einem aufge- ausliegen und die der Staat ebenso we- klärten Verhältnis von Politik und Glaube, nig beantworten kann, wie sie durch Parteien und Kirchen und zu einer Politik Mehrheitsentscheidungen abschließend im Zeichen des „C”, die Hoffnung macht. beantwortet werden können. Für diese Immer wieder vom Scheitern bedroht und Fragen ist es gewiss notwendig, in Staat immer wieder von Neuem gefordert. und Politik ein Bewusstsein dafür zu erhalten, dass moralische Letztbegrün- dungen und die Grundorientierungen für unser Leben, unsere Ethik, in letzter Instanz nicht allein durch gesellschaftli- che Übereinkunft begründet werden können.

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ARMIN LASCHET MdL Stellvertretender Landesvorsitzender der CDU Nordrhein-Westfalen

In meiner Heimatpfarre St. Michael in Aa- mich geprägt und uns ermutigt zum Enga- chen-Burtscheid hatten wir einen älteren gement für eine bessere Welt, nicht nur bei Pfarrer, der es verstand, Kinder und Ju- uns, sondern weltweit. gendliche zum Engagement für die Kir- che, für die Gemeindearbeit und für das Seine Botschaft war stets: Das Evangelium Gemeinwesen zu gewinnen. Schon als Ju- ist nicht nur etwas Religiöses für fromme gendkaplan in den dreißiger Jahren hatte Leute. Es ist immer auch die Aufforderung, er junge Menschen begeistert, die Orien- die Welt zu gestalten, wie es das Zweite tierung suchten. Damals herrschte das Vatikanische Konzil in der Pastoralkonsti- nationalsozialistische System und Hugo tution „Gaudium et Spes“ so wunderbar Baurmann bewahrte seine Jugendlichen beschrieben hat. davor, anfällig zu werden für die Verfüh- rungen der Hitler-Jugend, weil er dem „Ihr seid zur Freiheit berufen“, schreibt Rassenwahn der Nazis das christliche Paulus in seinem Brief an die Galater. Wer Menschenbild überzeugend entgegen- im Menschen das Ebenbild Gottes sieht, stellte. Die schrieb damals mit den kann Ungerechtigkeit und Unfreiheit bei seinen Predigten. nie ruhen lassen. Die Soziallehren der Kir- chen haben den Menschen beschrieben als Aachen, ganz im Westen gelegen, wurde einzigartiges Individuum, zugleich aber bereits im Oktober 1944 durch amerikani- auch als Wesen, das auf Gemeinschaft aus- sche Truppen als erste deutsche Großstadt gerichtet und angewiesen ist. befreit. Der demokratische Wiederaufbau begann früher als anderswo. So konnte Dieses Menschenbild unterscheidet eine bald nach dem 8. Mai im August 1945 ein „C-Partei“ einerseits vom puren Liberalis- Kreisverband der CDU gegründet werden. mus, der die Freiheit des Einzelnen verab- Mit dabei, neben den Honoratioren der solutiert, andererseits aber auch von allen Stadt, die schon im Zentrum der Weimarer kollektivistischen Theorien und Systemen, Republik aktiv waren, auch der damals jun- die Menschen bevormunden und das Ziel ge Kaplan, mein späterer Pastor. Er hat haben, sie umzuerziehen.

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Der Christ macht Politik „in Verantwor- Muslime „Ja“ sagen können zur CDU. Wer tung vor Gott und den Menschen“, wie der CDU beitritt, tritt nicht einer Religions- das Grundgesetz so treffend formuliert. gemeinschaft bei, sondern bekennt sich zu In dieser Verfassung spiegelt sich die Per- einem Grundsatzprogramm. sonalität des christlichen Menschenbil- des wider, die den Menschen als Individu- Mir gefällt besonders das Wort des großen um, aber auch als soziales Wesen ver- Papstes Johannes XXIII., der die Kirche öff- steht. Es ist keine Verfassung von Chri- nete für die Moderne. Sein Programm war sten für Christen, aber Christen können das Aggiornamento. Dies meinte, dass die sich mit ihr sehr gut identifizieren. Es ist christliche Botschaft auf den Tag, auf das gut, dass auch Juden, Muslime, Gläubige Heute übertragen werden muss. Es gibt anderer Religionen und auch Atheisten immerwährende Glaubenswahrheiten, die sich heute gemeinsam zu dieser Grund- sich seit 2000 Jahren nicht verändert ha- ordnung bekennen. ben. Aber sie müssen immer in die jeweili- ge Zeit, in die Welt auch des 21. Jahrhun- Unsere Wirtschaftsordnung, die Soziale derts übersetzt werden. Marktwirtschaft, wird wie keine andere dem christlichen Bild vom Menschen ge- Die Botschaft, die für den Christen an al- recht. Was bedeutet dies aber für die Ta- lererster Stelle und über allem stehen gespolitik? Gibt die Bibel Antworten auf muss, ist die Liebe. Zugegebenermaßen die Finanzkrise, die PID, den Bundeswehr- ist das ein Wort, das man im politischen einsatz in Afghanistan, die Schulpolitik Raum eher selten hört. Wenn man aber oder die Integration von Zuwanderern? auch einer „C-Partei“ zuweilen anmerken würde, dass es ihr um die Liebe zu Gott Nein, natürlich nicht. Auch unter Christen und den Menschen, zum Nächsten geht, gibt es in politischen, ja selbst ethischen dann könnten wir uns manche Diskussion Fragen unterschiedliche Antworten. Sie um vermeintliche „Markenkerne“ schen- müssen sich aber messen lassen am Men- ken und uns dem eigentlichen Kern der schenbild und an unseren Grundwerten christlichen Botschaft widmen. Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit. Und wenn man das Gemeinsame in den Weltreligionen sucht, stellt man fest, dass es viele Gemeinsamkeiten gibt, so dass selbstverständlich auch Juden und auch

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KARL-JOSEF LAUMANN MdL Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag von Nordrhein- Westfalen, Bundesvorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA), Mitglied des Präsidiums der CDU Deutschlands

Wer die Bundesgeschäftsstelle der Christ- ben der Menschen zu organisieren. Sub- lich-Demokratischen Arbeitnehmer (CDA), sidiarität und Solidarität sind untrenn- in Berlin betritt, dessen Auge fällt auf das bar miteinander verbunden. Ohne Ei- Kreuz, das an der Wand hängt. Auch den genverantwortung wird die Bereitschaft CDU-Fraktionssaal im Düsseldorfer Land- zur Solidarität in unserer Gesellschaft tag sowie mein Büro schmücken ein Kreuz. untergraben. Das Kreuz begleitet meine tägliche politi- sche Arbeit in Düsseldorf und Berlin, in Ehe und Familie sind die Grundlagen un- Nordrhein-Westfalen und in Deutschland. serer Gesellschaft. Es gibt keinen ande- Es gibt meiner politischen Arbeit ihren ren Ort, an dem sich Kinder besser zu Sinn. Denn vom Kreuz leiten wir unser Persönlichkeiten entwickeln als in der christliches Menschenbild ab. Das christli- Familie. Es gibt keinen anderen Ort, an che Menschenbild, das die Grundlage mei- dem Menschen in schwierigen Lebenssi- nes Handelns bildet. tuationen mehr Geborgenheit und Un- terstützung erfahren als in der Familie. Nach dem christlichen Menschenbild hat Politik für Ehe und Familie ist für mich jeder Mensch eine unverletzliche Würde, die Grundlage christlicher Politik. Arbeit unabhängig von seiner Leistungsfähigkeit, muss so organisiert werden, dass Men- seines Alters, seines Geschlechtes. Der schen in Familien leben können. Dazu Mensch steht im Mittelpunkt. Unsere Poli- braucht es trotz aller notwendigen Flexi- tik hat den Menschen zu dienen. Aus die- bilität auch Sicherheit und Beständig- sem Verständnis haben Staat und Wirt- keit. Deshalb sollten befristete Arbeits- schaft eine dienende Funktion gegenüber verhältnisse auf das unbedingt notwen- dem Menschen. dige Maß beschränkt werden.

Für mich ist die christliche Soziallehre Die Würde des Menschen spiegelt sich ein großer geistiger Schatz. Es ist das be- auch in der menschlichen Arbeit wider. ste Gesellschaftsbild, welches bis jetzt Die Würde von Erwerbsarbeit drückt sich entwickelt wurde, um das Zusammenle- ebenfalls in ihrer Bezahlung aus. Erwerbs-

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arbeit, die bei Vollzeitbeschäftigung den Lebensunterhalt eines Menschen nicht sichert, hat keine Würde.

Das bewusste Begehen der christlichen Sonn- und Feiertage ist für mich von gro- ßer Bedeutung. Ich besuche an diesen Ta- gen die Heilige Messe, ich bete und singe mit anderen Menschen, höre zu und kann über mich und die vergangene Woche nachdenken. Deshalb müssen diese Tage besondere Tage bleiben. Wir als CDU soll- ten unsere Sonn- und Feiertagskultur ver- teidigen und ihre Aushöhlung verhin- dern.

Es ist gut, ein gläubiger Mensch zu sein, weil wir wissen, dass Gott uns nie ver - lassen wird und die Osterbotschaft uns Trost spendet, wenn wir einen lieben Menschen verlieren.

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DR. URSULA VON DER LEYEN MdB Bundesministerin für Arbeit und Soziales Stellvertretende Vorsitzende der CDU Deutschlands

Den sozialen Zusammenhalt Marktwirtschaft entschieden. Soziale stärken Markt wirtschaft bedeutet nämlich Frei- heit, Wettbewerb und Eigenverantwor- Nächstenliebe heißt für uns Christen tung auf der einen und soziale Gerech- ganz praktisch: Wo Not ist, müssen wir tigkeit, sozialer Fortschritt auf der ande- helfen, einfach und unkompliziert, am ren Seite. Ein fairer Lohn, gute Arbeits- besten von Mensch zu Mensch. Näch- bedingungen, eine gerechte Verteilung stenliebe, oder anders ausgedrückt: Für- des gemeinsam erarbeiteten Wohl- sorge und Verantwortung bilden auch stands und die soziale Partnerschaft das Fundament unserer sozialen Demo- sind feste Bestandteile der Sozialen kratie, unseres sozialen Staates. Es gilt Marktwirtschaft. das feste Versprechen, dass wer in Not gerät, nicht ins Bodenlose fällt, sondern Weil die Welt sich wandelt, müssen wir durch die Gemeinschaft aufgefangen die Instrumente immer wieder neu justie- wird. Wer es nicht schafft, aus eigener ren und an die Lebensbedingungen der Kraft auf seinen Füßen zu stehen, der be- Menschen anpassen. Früher war die Er- kommt Hilfe. Gleichzeitig gilt aber auch: fahrung der Sozialen Marktwirtschaft: ein All das, was der Einzelne selbst leisten sicherer Job, ein geregeltes Einkommen kann, darf ihm nicht von der Gesell- und mit den Jahren wachsender Wohl- schaft abgenommen werden. Jeder kann stand. Mit anderen Worten: Wer etwas etwas, auch wenn es unter einer dicken leistet, bringt es zu was. Heute gibt es Schicht von Unzulänglichkeiten verbor- Menschen, die gesund sind, Vollzeit ar- gen ist. Das ist die grundlegende Über- beiten und trotzdem ihren eigenen Le- zeugung des christlichen Glaubens. bensunterhalt nicht bestreiten können. Daran wollen und dürfen wir uns nicht Die CDU ist fest in diesen christlich-so- gewöhnen. Wer arbeitet, wer auf eigenen zialen Idealen verwurzelt. Sie hat sich Füßen stehen will, der muss erfahren, deshalb nach dem Zweiten Weltkrieg dass Anstrengung sich lohnt. Eine allge- ganz bewusst für den Weg der Sozialen meine Lohnuntergrenze, die nicht vom

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Staat, sondern von den Tarifparteien fest- tik. Sie ist auch geeignet als Leitbild für gelegt wird, kann da Abhilfe schaffen. eine internationale Wirtschaftsordnung, beispielsweise als Soziale Marktwirt- Den Menschen etwas zutrauen, sie befä- schaft in der Europäischen Union. In higen, das Leben aus eigener Kraft zu Europa teilen wir die gleichen, christlich meistern: Diese Maxime gilt auch für die geprägten Grundwerte. Zu ihnen gehö- Familienpolitik. Wenn die Rahmenbedin- ren neben Menschenwürde und Freiheit gungen stimmen, wachsen Menschen auch soziale Gerechtigkeit und soziale über sich hinaus. Die Arbeitswelt hat sich Sicherheit. Darin unterscheidet sich die gewandelt. Frauen sind gut ausgebildet Europäische Union im Übrigen auch von und wollen ihr Wissen einsetzen, junge den Vereinigten Staaten oder Asien. Da- Männer akzeptieren nicht mehr die Rolle mit Europa seinen Bürgern auch weiter- als Verdiener. Sie wollen aktive Väter hin Schutz vor den Stürmen der Globali- sein, vom Leben ihrer Kinder etwas mit- sierung bieten kann, müssen wir die wirt- bekommen. Andere Familie sind auf zwei schaftliche und politische Zusammenar- Verdienste angewiesen. Eine moderne beit in der EU vertiefen. Familienpolitik muss diesen Wandel be- rücksichtigen. Christliche Politik muss Füreinander eintreten und Verantwor- Rahmenbedingungen schaffen, damit tung für andere übernehmen – das sind Väter wie Mütter ihren Wunsch von Fa- europäische, das sind christliche Werte. milie in der modernen globalisierten Für mich geht es beim „C“ genau darum: Welt leben können, damit sie Zeit für die um das Miteinander, um Fürsorge, Befä- Familie und für den Beruf haben, durch higung und Empathie. Elterngeld, durch Betreuungsangebote und durch Ganztagsschulen.

Sichere Arbeit, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das sind gute Beispiele, die zeigen: Wir müssen unser soziales Ver- sprechen immer neu an die Zeit und die Bedürfnisse der Menschen anpassen.

Die Soziale Marktwirtschaft ist ein Er- folgsmodell christlicher Regierungspoli-

53 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

CHRISTINE LIEBERKNECHT MdL Ministerpräsidentin des Freistaates Thüringen Landesvorsitzende der CDU Thüringen

„Meine Hoffnung und meine Freude, sahen, was man (s)einem Kind auf sei- meine Stärke, mein Licht: nem Lebensweg mitgeben kann. Christus, meine Zuversicht, auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht, Wenn ich heute die Zeit meiner Kindheit auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht.“ noch einmal gedanklich Revue passieren lasse, so regt sich in mir die starke Emp- Wer kennt sie nicht, diese Worte voll findung eines schier grenzenlosen Ge- Freude und Dankbarkeit, die Christen fühls der Freiheit und der Unbeschwert- auf der ganzen Welt miteinander ver- heit, aber auch des Glaubens und der Zu- binden? Wer braucht vermeintlich mehr versicht, der Gerechtigkeit und der Ver- Worte, um ausdrücken zu können, was antwortung. Worte, die seit über fünf das „C“ bedeutet? Jahrzehnten mein Leben prägen und die zur wichtigen Grundlage persönlicher Liebe Leserinnen und Leser, und politischer Entscheidungen gewor- den sind. Und sie sind das Fundament es sind diese zwei Dutzend Worte, die meiner vielleicht wichtigsten Entschei- mich von Kindesbeinen an in meinem Le- dung im Leben: Der Entscheidung, Gott ben begleiten. Aufgewachsen in einem und den Menschen zu dienen. Pfarrhaushalt kam ich bereits sehr früh mit christlichem Liedgut, Symbolen und Die stete Suche nach dem Sinn des Lebens der Bibel in Berührung. Mein Vater in erhält eine eindeutige Antwort im Neuen seiner Eigenschaft als Familienober- Testament. Ganz gleich, welche Frage sich haupt, aber auch als Lektor des Glau- zu welcher Zeit auch stellt, die Antworten bens, wurde mir zum Wegbegleiter in des Neuen Testaments sind richtungswei- ein Leben, das in seinen Grundfesten auf send. Wem es gelingt, sein Leben nach den den zehn Geboten ruht. Es war Ausdruck zehn Geboten und den Aussagen des Neu- (s)einer Erziehung, die aus Geboten en Testaments auszurichten, lebt ohne statt Verboten bestand, die Glaube, Lie- Zweifel ein zufriedenes und gerechtes Le- be und Hoffnung als das Wichtigste an- ben. Ich bemühe mich darum.

54 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

In einer sich ständig verändernden Welt immer die richtigen Maßstäbe an und kann das Leben nach dem „C“ auf der po- weist in ihrem Kompass stets in die rich- litischen Bühne jedoch auch zum Draht- tige Richtung. seilakt werden. Nicht selten tritt an die Stelle von Vertrauen Argwohn, an die Wer das Kreuz im Herzen trägt, weiß, Stelle von Verlässlichkeit Enttäuschung dass seine Entscheidungen nie auf Belie- und an die Stelle von Verantwortung Be- bigkeit beruhen. Aber manchmal, so liebigkeit. Genau hier bräuchte es aber scheint es, haben wir das Vertrauen in das Bekenntnis zum „C“ als Ausgangs- uns selbst und unsere Überzeugungen punkt und Ziel jedweden politischen verloren. Zumindest droht die Gefahr. Handelns. Dieses klare Bekenntnis wie- Lassen wir doch das Kreuz in unserem derum braucht Mut. Mut zum Aufbruch Herzen einmal mehr durch unsere Taten wie im Rahmen der Friedlichen Revoluti- sichtbar werden. Haben wir den Mut, on 1989/90. Manchmal aber auch Mut das „C“ zu bekennen und in unseren per- zur notwendigen Umkehr wie beispiels- sönlichen und politischen Handlungen weise in der Frage zur Laufzeitverlänge- zum Ausdruck zu bringen. Die Beharr- rung von Kernkraftwerken in Deutsch- lichkeit im Versuch, diesem Anspruch land geschehen. Zu oft wird jedoch in gerecht zu werden, ist mir eigen. Aber der politischen Umkehr eine weitrei- der Erfolg einer christlichen Partei stellt chende Niederlage gesehen. Ein fataler sich erst dann ein, wenn der unnachgie- Fehler. bige Versuch zum Gemeinschaftswerk wird. Es würde uns gut tun. Umkehr ist ein zutiefst christlicher Wert, der Ausdruck der Fehlbarkeit des Men- In diesem Sinne, alles Gute und Gottes schen ist. Die Furcht der Politik vor feh- Segen. lerhaften Entscheidungen hemmt Fort- entwicklung. Es ist die Tat, die zählt! Ein Satz, dessen sich Papst Benedikt XVI. auf seiner Reise in Deutschland immer wie- der bedient hat. Zu Recht. Denn eine po- litische Entscheidung, die nicht nur un- ter dem rationalen Blickwinkel gefällt wird, sondern auch aus der Perspektive des christlichen Menschenbildes, legt

55 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

DR. SASKIA LUDWIG MdL Landesvorsitzende der CDU Vorsitzende der CDU-Fraktion im Landtag Brandenburg

Menschenbild ter Staat seinen Bürgern Freiheit und Rechtssicherheit garantiert und Eigenin- Der Mensch wird in ein unermessliches itiative, Eigenverantwortung sowie fairen Universum hineingeboren, das er nicht Wettbewerb fördert. Die Freiheit bleibt selbst geschaffen hat. Über das rationale nur dann lebendig, wenn sie auf Rechts- Begreifen hinaus kann er den Sternenhim- gleichheit ruht und durch die Prägekraft mel nur staunend bewundern – genau wie nationaler Kultur Grenze und vollkomme- die Schöpfung in ihrer Gesamtheit. ne Übereinstimmung findet. Je weniger sittliche Ordnung eine Gemeinschaft au- Der Mensch kann wachsen und sich an ßerhalb politisch-rechtlicher Systeme ent- der Aufgabe bewähren, diese Schöpfung wickelt, desto weniger frei kann sie sein. zu bewahren. Dazu gehört nicht nur, die zivilisatorischen und kulturellen Errun- In Deutschland und Europa sind wir die- genschaften der vorangegangenen Ge- sem Ideal einer starken Gemeinschaft der nerationen zu pflegen und weiterzuent- Freien, die sich ihrer kulturellen Wurzeln wickeln, sondern auch das Empfangene bewusst ist, in einem Jahrhunderte fortlau- und Erreichte an die folgenden Genera- fenden historischen Prozess manchmal na- tionen weiterzugeben. he gekommen. Manchmal, wie zum Bei- spiel während der Herrschaft des Natio- Bisher führten alle Versuche, diese natürli- nalsozialismus oder der DDR-Diktatur, ha- che Ordnung aufzuheben, den Menschen ben wir uns weit davon entfernt. Die Frei- zum Maß aller Dinge zu machen und aus heit muss immer wieder neu bestätigt wer- einem totalitären Politikverständnis her- den. Letzten Endes überzeugt das Konzept aus ein Paradies auf Erden schaffen zu wol- der Freiheit nur den, der die Freiheit liebt. len, nur dazu, zeitweilig die Hölle auf Erden Deutschland und Europa stehen heute in zu errichten. ihrer kulturellen und wirtschaftlichen Lei- stungsfähigkeit in einem weltweiten Wett- Menschliches Leben gelingt dort am be- bewerb. Unsere aktuelle materielle Über- sten, wo ein an der Hilfeleistung orientier- legenheit darf uns nicht täuschen: Nicht

56 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

Waffen oder Waren, sondern Ideen und Überzeugungen bestimmen den Lauf der Welt.

Unsere Gesellschaft muss sich ihrer eige- nen kulturellen Grundlagen bewusst sein, um im Wettbewerb der Ideen bestehen zu können. Nur wenn sie dauerhaft und in großer Breite Spitzenleistungen erbringt, wird sie den erreichten Lebensstandard aufrechterhalten können.

57 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

DR. THOMAS DE MAIZIÈRE MdB Bundesminister der Verteidigung

„In Verantwortung vor Gott und den Men- meines Engagements als Christ schöpfen schen“ – so heißt es in der Präambel unse- durfte, sind mir auch heute in meinem po- res Grundgesetzes. Die Botschaft ist ein- litischen Handeln eine wichtige Orientie- deutig: Der Staat ist nicht die letzte In- rungshilfe. stanz, und der einzelne Bürger steht im- mer auch in der Verantwortung gegenüber Berufung auf Gott auf das Gott, seinem Schöpfer. Diese Weltan- Grundsätzliche beschränken schauung prägt unser Verständnis von Po- litik bis heute. Die Mehrzahl der politischen Entscheidun- gen in einer parlamentarischen Demokra- Der einzelne Christ ist nicht nur zur Beob- tie können auch ohne Berufung auf Gott achtung oder Bewertung angehalten, son- getroffen werden. Nicht jedes Thema ver- dern auch und vor allem zur politischen dient es, moralisch aufgeladen zu werden, Einmischung. Der christliche Auftrag zum auch deshalb, weil der gesellschaftliche Einsatz für unsere Welt beschränkt sich Raum in Deutschland zunehmend säkulari- nicht auf einen Aufruf zum Wählen. Als siert ist. Viele Menschen bringen kein Ver- Christen sind wir viel mehr dazu berufen, ständnis für religiöse Gefühle und Über- politisch in Führung zu gehen, politische zeugungen auf. Zudem mindert ein infla- Verantwortung zu übernehmen, sei es in tionärer Rückgriff auf Gott die argumenta- unserer Nachbarschaft, in unserer Kom- tive Kraft moralischer Überlegungen gera- mune oder in unserem Land. de in dem Moment, wenn es einmal wirk- lich auf sie ankommt. Politik aus christlicher Verantwortung er- hebt den Anspruch, dass das christliche Bewusstsein für die Grenzen des Menschenbild Maßstäbe und Orientie- menschlichen Handelns rung dafür gibt, was gutes und richtiges Handeln ist. Die Handlungsmaßstäbe, die „Die Ehrfurcht vor der Vergangenheit und ich im Laufe der Jahre aus den Quellen die Verantwortung gegenüber der Zukunft meines Glaubens und aus der Erfahrung geben fürs Leben die richtige Haltung.“

58 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

Diese Worte von Dietrich Bonhoeffer be- Ebenen kann ich sagen: „Lebenslanges Ler- schreiben eine Haltung, die meines Erach- nen“ kann in der Politik sehr konkrete Züge tens grundlegend für die politischen Ent- annehmen. Die konkrete Arbeit an der Sa- scheidungen eines Christen sein sollte. Die che hat sich dabei als ein wichtiger Maß- Kraft zur Selbstreflexion und die dafür not- stab guten Handelns herausgestellt. Die wendige Bescheidenheit sollten zum Rüst- Arbeit an der Sache verlangt oft Kompro- zeug eines Christen gehören, der in der Po- misse. Die Bereitschaft zum Kompromiss litik wirken will. gehört für mich zur Grundausstattung des Demokraten. Wer jeden Kompromiss als Orientierung über das Irdische etwas Faules ansieht, kann im freiheitli- hinaus chen Rechtsstaat keine Verantwortung tragen. Unsere demokratische Ordnung ist Gottvertrauen und Bindung an feststehen- in ihrem Bestand auf feste ethische Prinzi- de Werte – gerade diese weitere Dimensi- pien angewiesen, die allgemein verständ- on sollte den christlichen Politiker aus- lich und konsensfähig sind. Für ihre kon- zeichnen. Die Bindung an Gott macht frei. krete Ausgestaltung braucht es jedoch dar- Der Glaube bestärkt uns in unserer Frei- über hinaus viele pragmatische Entschei- heit. dungen.

Die Freiheit eines Christenmenschen be- Jeder Einzelne muss entscheiden, welchen deutet nach Luther die Rechtfertigung al- Leitbildern er folgt und welchen Überzeu- lein aus dem Glauben und die Souveränität gungen er vertraut. Mein Leitbild ist das gegenüber allem Irdischen. Freiheit bedeu- christliche Menschenbild und Weltver- tet aber auch, dass wir verantwortlich sind ständnis. Dem versuche ich zu entspre- und Verantwortung übernehmen müssen chen und die damit verbundenen Werte für das, was wir tun, und für das, was wir für meine Mitmenschen erfahrbar zu ma- unterlassen. chen.

Den Anspruch auch in den „In Verantwortung vor Gott und den Men- Niederungen des politischen schen“ – daran werden wir gemessen wer- Alltags durchhalten den und daran sollten wir uns gerne mes- sen lassen. Aus der Erfahrung unterschiedlicher Äm- ter auf ganz unterschiedlichen politischen

59 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

DAVID McALLISTER MdL Ministerpräsident des Landes Niedersachsen Landesvorsitzender der CDU in Niedersachsen

Politisches Handeln ohne Werteorien- In diesem Gebet Salomons findet sich tierung ist für mich persönlich nicht vor- nach meiner Überzeugung der Schlüssel stellbar. Ein ethisches Fundament kann zur Antwort auf die Frage nach einer Po- zwar niemals die Sachkunde in der Poli- litik in Freiheit und Verantwortung – und tik ersetzen. Aber alle Sachkunde nützt zwar einer guten Politik. nichts ohne eine feste Werteordnung. Für mich als evangelisch-lutherischer Die Entscheidung, mich politisch in der Christ hat Luthers Sendschreiben „Von Christlich Demokratischen Union zu en- der Freiheit eines Christenmenschen“ ei- gagieren, hat auch mein christlicher ne zentrale Bedeutung. Die entschei- Glaube beeinflusst. Das christliche Men- denden, sich scheinbar widersprechen- schenbild ist Maßstab und Kompass für den Sätze der Schrift lauten: „Ein Chri- mein politisches Handeln. Es fragt nach stenmensch ist ein freier Herr über alle der Berechtigung unseres Tuns und Las- Dinge und niemand untertan. Ein Chri- sens sowie nach den sittlichen Maßstä- stenmensch ist ein dienstbarer Knecht ben unserer Entscheidungen. aller Dinge und jedermann untertan.“

Im September hat Papst Benedikt XVI. Martin Luther meint mit dem Bild vom Deutschland besucht. Die Rede des Papstes dienstbaren Knecht nicht einen willenlo- im Deutschen Bundestag durfte ich selbst sen Sklaven oder Untertan. Er beschreibt miterleben. Besonders interessant fand ich einen Menschen, der sich aus freiem dabei das Bild aus dem Alten Testament, Willen in die Verantwortung nehmen mit dem der Papst seine Rede begonnen lässt. Der Mensch hat nach Luthers Leh- und beendet hat. Zu Beginn seiner Herr- re die Freiheit, sich zwischen Gut und schaft darf der junge König Salomon eine Böse zu entscheiden. Bitte an Gott richten. Diese Bitte lautet: „Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz, Gott hat uns in die Verantwortung für damit er dein Volk zu regieren und das Gute diese Erde und damit in die Verantwor- vom Bösen zu unterscheiden versteht.“ tung gegenüber unserem Nächsten ge-

60 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

stellt. Leben und Lehre des menschge- lichkeit zur Gestaltung der Schöpfung in wordenen Gottessohns Jesus zeigen uns Freiheit und Verantwortung. dafür die Richtung. Luther erinnert in seinem Sendschreiben auch daran, dass Zugleich weiß ich als Christ, dass ich es einen Auftrag Gottes gibt, die Welt zu Fehler machen werde, auch wenn ich gestalten. Dieser Auftrag richtet sich in mich noch so bemühe, meine Glaubens- besonderer Weise an die Menschen, die überzeugungen in politisches Handeln politische Verantwortung tragen. umzusetzen. Jeder Mensch ist Irrtum und Schuld ausgesetzt, doch als Christen Wie der freie Christenmensch in seinem wissen wir um die Verheißung der göttli- Privatleben, so sind auch wir Politiker chen Gnade. Der Politik sind dadurch nur unserem Gewissen und unserer frei- Grenzen gesetzt. Diese Einsicht schützt en Willensentscheidung unterworfen. vor ideologischen Heilslehren und ei- Um den richtigen Gebrauch der Ge- nem totalitären Politikverständnis. Sie wissensfreiheit bittet auch König Salo- schafft Bereitschaft zur Versöhnung und mon, wenn er sich ein hörendes Herz schenkt die Gewissheit der Vergebung. wünscht, um Gut und Böse unterschei- den zu können.

Um christliche Werte in den politischen Alltag hineintragen zu können, muss man nach meiner Überzeugung stets wahrhaftig handeln und ehrlich sein. Nur mit der Tugend der Wahrhaftigkeit lässt sich die Glaubwürdigkeit erwerben, mit der ein freiheitliches Gemeinwesen auch über schwierige Wege geführt wer- den kann. Dabei muss den Menschen vor allem klar gesagt werden, welches Ziel der Weg hat, den man ihnen weisen möchte. Dieses Ziel ist für mich in erster Linie der Erhalt einer offenen Gesell- schaft in einem freiheitlichen Rechtsrah- men. Denn nur sie bietet uns die Mög-

61 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

DR. MICHAEL MEISTER MdB Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag

Das christliche Menschenbild ist der einen solchen Ordnungsrahmen sind Kompass der CDU – und auch mein per- hierbei insbesondere die Prinzipien der sönlicher. Die aus dem christlichen Men- Solidarität und der Subsidiarität. Diese schenbild abgeleiteten Werte von Frei- komplementären Leitbegriffe der katho- heit und Gleichheit, Gerechtigkeit und lischen Soziallehre fügen sich zu einem Solidarität sowie die unantastbare Wür- normativen Fundament, das mein tägli- de eines jeden einzelnen Menschen sind ches Tun stark beeinflusst. für mich maßgebend, nicht nur in mei- nem politischen Handeln. Freiheit und Verantwortung sind unter dem Dach des christlichen Menschenbil- Ganz entscheidend ist die Einsicht, dass des untrennbar miteinander verknüpft. man nicht ein ebenso künstliches wie Wenn dagegen mit Freiheit verantwor- unrealistisches Idealbild eines Men- tungslos umgegangen wird, so kommt es schen schaffen kann. Vielmehr gilt es, zu Exzessen, unter denen im schlimmsten den Menschen so zu nehmen, wie er ist – Fall sogar die gesamte Gesellschaft leidet. mit all seinen Stärken, aber auch all sei- Freiheit ohne Verantwortung ist nichts an- nen Schwächen. Das christliche Men- deres als Zügellosigkeit, der entschieden schenbild – als die Basis christlich-de- entgegengetreten werden muss. Die Wirt- mokratischer Politik – ist damit auch ei- schafts- und Finanzkrise beispielsweise hat ne deutliche Absage an jedwede Ideolo- Auswüchse offengelegt, die zwingend ein gie, die zu wissen glaubt, was allein für Gegensteuern erfordern. So bedarf es un- den Menschen gut sei. ter anderem eines besseren qualitativen Rahmens zur Regulierung der Finanzmärk- Politik, die sich dem christlichen Men- te. Hier die notwendigen Leitplanken zu schenbild verpflichtet fühlt, sorgt für ge- ziehen, ist auch ein Gebot, das sich aus sellschaftliche Rahmenbedingungen, die dem christlichen Menschenbild ableitet. es jedem Einzelnen ermöglichen, ein Als Politiker, der aus christlicher Verant- eigenverantwortliches Leben in Würde wortung handelt, versuche ich hier meinen und Freiheit zu führen. Gestaltend für Beitrag zu leisten.

62 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

Ich bin ein überzeugter Verfechter unse- Söhne dann immer wieder aufs Neue mit rer Sozialen Marktwirtschaft, deren Ord- großen Augen die vielen kleinen Wunder nungsvorstel lungen auf den Prinzipien der Natur betrachten, macht mich das der christlichen Sozialethik fußen. Die So- glücklich. Ich versuche, ihnen zu vermit- ziale Marktwirtschaft verbindet eine frei- teln, wie wichtig es ist, alles dafür zu tun, heitliche Wettbewerbsordnung mit sozia- unsere schöne Erde, unsere Lebens- ler Verantwortung und ist seit über 60 grundlagen zu erhalten. Ich wünsche mir, Jahren das Erfolgsmodell für unseren dass die Begeisterung meiner Söhne für Wohlstand. Diesen Wohlstand auch für die Natur sie ein Leben lang begleitet – die kommenden Generationen zu erhal- und sie später auch ihren Kindern den ten und zu mehren, dafür setze ich mich verantwortlichen Umgang mit der Schöp- tagtäglich bei meiner Arbeit ein. Das fung näherbringen. christliche Menschenbild ist mir dabei ein unverzichtbarer Wegweiser. So ist mein Eintreten für solide Staatsfinanzen gera- de auch ein Bekenntnis zum „C“. Die Schuldenbremse im Grundgesetz, für die ich mich mit Herzblut eingesetzt habe, ist nicht nur Meilenstein in der Haushalts - politik, sondern vor allem ein Gebot der Nachhaltigkeit und Generationengerech- tigkeit.

Das „C“ bedeutet für mich ferner eine be- sondere Verantwortung für die Schöp- fung. Die Mitwirkung an einer nachhalti- gen Umwelt- und Klimapolitik und ein verantwortungsvoller Umgang mit der Natur und unseren Mitgeschöpfen sind für mich eine Verpflichtung, die aus der christlichen Ethik folgt.

Mit meiner Familie gehe ich oft und ger- ne in die Natur raus. Wenn meine beiden

63 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

MARIA MICHALK MdB Behindertenbeauftrage der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag

Wir leben in der Bundesrepublik Deutsch- der nunmehr in diesem Jahr selig ge- land in einem Gemeinwesen, dessen sprochen wurde. Grundlagen weitgehend christlich geprägt sind. Gemeinwohlbezogenheit, Solidarität, Mit der Herausgabe von christlichen Ad- Subsidiarität und Gerechtigkeit sind we- ventskalendern zeigte damals die CDU sentliche Bestandteile unserer freiheitli- als einzige Partei öffentlich, dass sie sich chen Grundordnung. Trotzdem machen den christlichen Werten verpflichtet sich heute Lethargie und Egoismen breit. fühlt. Ich erinnere mich noch an die ein- Woran liegt das? Diese Frage beschäftigt zige öffentliche christliche Bücherstube mich sehr. Immer wieder stoße ich beim in unserer Region in Schirgiswalde. Es Nachdenken auf zurückliegende Ereignisse: war kein Zufall, dass der Wunsch nach einer christlichen Buchhandlung immer Gegen den „Strom der Zeit“ wurden stärker wurde. Viele hatten das Bedürf- von CDU-Ortsgruppen in der DDR Geld- nis, sich mit christlicher Literatur ausein- sammlungen für „Mutter Teresa“ oder anderzusetzen. Der Zuspruch der Kun- für das „Albert-Schweitzer-Werk“ und den ist von Jahr zu Jahr gestiegen, wie für „Brot für die Welt“ organisiert. Sol- die ständig wachsenden Umsatzzahlen che Sammlungen fanden zur DDR-Zeit belegten. keine öffentliche Anerkennung. Obwohl ich noch Schülerin war, erinnere In dieser Zeit haben sich auch Gruppen ich mich sehr genau an die Diskussion stark gemacht, Straßen nach Persönlich- 1968 um die Sprengung der Universitäts- keiten zu benennen, die aus christlicher kirche in Leipzig. Am 1. Pfingstfeiertag Verantwortung für Menschlichkeit und fand in Sdier mit Bischof Dr. Spülbeck Engagement standen. Um den Schein die Firmung statt. Er bat die Gemeinde, der Demokratie zu wahren, gab es hin nach dem Gottesdienst noch im Kir- und wieder Genehmigungen für Stra- chenraum zu verbleiben, da er eine Mit- ßenumbenennungen, wie z. B. nach dem teilung zu machen hätte, die alle Gläubi- katholischen Priester Alois Andritzki, gen interessiere und die nicht in den

64 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

Rahmen der gottesdienstlichen Hand- stem. Persönliche Stärke erwächst aus lungen passt. Er schilderte, dass in den dem Bewusstsein seiner persönlichen Tagen um Himmelfahrt in Leipzig die Wurzeln. Der Mensch braucht Vergleichs- Universitätskirche gesprengt wurde. maßstäbe, um Sorgen und Ängste über- Von diesem Vorgang ist die katholische winden zu können, erst recht in dieser Kirche vorher nicht verständigt worden, schnelllebigen Zeit. Auch darauf geben und der Raum für die gottesdienstlichen christliche Werte Antwort. Im Bewusst- Handlungen ist auch nicht aufgekündigt sein christlicher Werte gelingt es mir worden. Bis zur letzten Stunde verweil- schlichtweg leichter, die Herausforderun- ten Gläubige im Gebet im Kirchenraum, gen eines jeden Tages zu meistern und die letzten Endes mehr oder weniger mit dabei das Ganze nicht aus dem Auge zu Gewalt zum Verlassen des Gotteshauses verlieren. veranlasst wurden. Dann erfolgte die Sprengung. Tausende Leipziger zogen zu dem Platz und legten Blumen auf die Trümmer. Das in diesem Jahr neu einge- weihte Universitätsgebäude mit der Kir- che ist für mich Beweis dafür, dass das Festhalten an christlichen Werten Früch- te in die Zukunft trägt.

Beim Nachdenken über die Bedeutung christlicher Werte für mich persönlich gleiten meine Gedanken immer wieder in die Vergangenheit. Oft frage ich mich, was meine Lebenserfahrungen domi- niert. Wahrscheinlich ist es das Bedürf- nis eines jeden von uns, wissen zu wol- len, wo seine Wurzeln liegen. Das stärkt die eigenen Gedanken, gibt Sicherheit und Orientierung. Die Bedeutung und Tiefe des eigenen Lebens wird klarer. Dankbarkeit stellt sich ein. Ja, christliche Werte sind ein sicheres Koordinatensy-

65 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

PHILIPP MISSFELDER MdB Bundesvorsitzender der Jungen Union Deutschlands Mitglied des Präsidiums der CDU Deutschlands

Christdemokratie heute sind, jederzeit treffen. Wir leben in einer offenen Gesellschaft. Wie aber soll jemand In einem Interview wurde ich einmal ge- wählen, der die Wärme der Gemeinschaft fragt, an welchem Ort ich am besten Kraft Jesu Christi nie kennengelernt hat? für die politische Arbeit schöpfen kann. Meine Antwort war damals: sonntags im Zahlreiche Irritationen, die im Verhältnis Gottesdienst. Meine Antwort auf die glei- zwischen katholischer Weltkirche und der che Frage wäre heute immer noch so. Wir in Teilen entchristlichten Gesellschaft alle brauchen ein Gefühl dafür, was unsere Deutschlands heute bestehen, resultieren Gesellschaft im Innersten zusammenhält. meiner Überzeugung nach aus eben dieser Klar, jeder kann und wird sich im Laufe des Diskrepanz zwischen eigenem Erleben und Lebens immer wieder neu dafür entschei- dem vorurteilsbehafteten äußeren Blick den, ob und wie oft er in die Kirche geht, auf die Institutionen. Viele machen den um dem Glauben Impulse in der Gemein- Papst sogar für die an AIDS Leidenden schaft mit anderen Gläubigen geben zu Afrikas verantwortlich und übersehen die lassen. Ein grundsätzliches Nahebringen Kraft, die der Glauben Menschen wie Mut- des christlichen Wertefundamentes schon ter Teresa gegeben hat. Viele kritisieren in jungen Jahren halte ich dennoch für rich- das Zölibat und verkennen die Mystik, die tig. Viele Erwachsene, die dem Katholizis- beispielsweise das Leben im Kloster als mus heute fernstehen, waren in ihrer Ju- stiller Rückzugsort abseits der hektischen gend in keinem Gotteshaus, haben die Sa- Welt Menschen bietet. Viele attackieren kramente der Kommunion und Firmung die Idee des Lebensschutzes und ignorie- nie empfangen, durften das Zusammenge- ren, dass Leben eben nicht planbar ist und hörigkeitsgefühl einer funktionieren Mess- auch nicht bis zum Letzten planbar sein dienergruppe nie erleben. Das ist schade. darf. Viele lehnen die katholische Kirche Für oder gegen den Glauben, für oder ge- ab, treten aus und übersehen dabei, dass gen das katholische Wertesystem: Diese sie mit ihrem Kirchenbesuch zu Weihnach- Wahl können Menschen, die – ob sie wol- ten doch die Sehnsucht nach Glaube, Liebe len oder nicht – als Christ geboren worden und Hoffnung in sich tragen.

66 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

Die Botschaft Jesus Christus lautet: Ihr darin bestehen, ein Bewusstsein für christ- könnt mich ignorieren, aber ich lasse Euch liche Wertvorstellungen zu schaffen. Ja, trotzdem nicht fallen. Die katholische Kir- das christlich-jüdische Erbe, auf dem unse- che kennt keine Zwangsmitgliedschaften, re Gesellschaft fußt, ist eine Verpflichtung, sie hält ihre Arme offen für jene, die ihren die aneckt und nonkonform ist. Aber der Glauben vielleicht erst in schwerer Krank- tiefgehende Humanismus, die Liebe zum heit oder nach Trauerfällen wiederfinden. Menschen und zur Schöpfung sind es wert, In Momenten, wo keine fundamentalisti- dass eine Partei, die für sich in Anspruch schen Kirchengegner in den weiten Groß- nimmt, christlich-demokratisch zu denken städten Trost spenden, sondern das Ge- und zu fühlen, exakt dafür eintritt, auch spräch mit dem Pfarrer der Heimatge- wenn der Gegenwind stark ist. Das Ziel der meinde. Glaube braucht keine Institutio- CDU war und ist es nicht zu missionieren – nen, aber er findet in der Kirche seinen ihr Ziel muss sein, für Politik auf der Basis Halt. Wir sollten uns in Deutschland weni- des christlichen Menschenbildes zu wer- ger damit beschäftigen, eine Bastion zu ben. Deshalb könnte das Motto der Christ- schleifen, die Jahrhunderte überdauert hat demokratie im 21. Jahrhundert wie folgt und daraus auch ihren Mut bezieht, dem lauten: „Freiheit zu glauben – in Verant- Zeitgeist zu trotzen. Was würden die wortung vor Gott“. vehementesten Vatikankritiker über einen Papst sagen, der ihrer Kritik binnen Mona- ten nachgibt? Der binnen Stunden - nen und Überzeugungen über den Haufen wirft, deren Sinn und Zweck Millionen Gläubigen Halt und Gewissheit geben? Der Papst wäre in diesem Fall ein schlech- ter Hirte. Dass er es nicht ist, beweist sein täglicher Entschluss, Diskussionen zu füh- ren, für Argumente empfänglich zu sein und trotzdem standhaft zu bleiben.

Die Aufgabe christlich-demokratischer Po- litik im 21. Jahrhundert sollte nicht darin bestehen, die katholische und evangeli- sche Kirche zu verteidigen, aber sie muss

67 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

MIKE MOHRING MdL Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag von Thüringen

„Das Maß der Wirtschaft ist der Mensch; selbst. Ich bedarf der Vergebung genauso das Maß des Menschen ist sein Verhältnis wie der, mit dem ich politisch die Klingen zu Gott.“ Diese zwei Sätze stammen von kreuze. Meine Ämter darf ich unter dem Wilhelm Röpke, einem der Väter der Sozia- Zuspruch, aber genauso unter dem An- len Marktwirtschaft, und sie könnten als spruch des Evangeliums ausüben. Wie an- ehernes Gesetz über den Schreibtischen spruchsvoll, aber auch wie befreiend! Es derer hängen, die Verantwortung für ande- braucht Zeit und Einübung im Glauben, re Menschen tragen. Nicht alleine in der das zu ergreifen und davon ergriffen zu Wirtschaft, sondern auch in Staat und Ge- werden. Heute kann ich mir als im jungen sellschaft. Sie verknüpfen zwei Kontrollfra- Erwachsenenalter Getaufter Politik jeden- gen, die, hätte man sie ständig im Blick, er- falls nicht mehr anders vorstellen. heblich zu einem humanen Gemeinwesen beitragen könnten. Daraus ergibt sich selbstredend kein politi- sches Programm. Aber die Kompassnadel Was ist menschengemäß? Das ist sicher- für die Orientierung im unübersichtlichen lich die Ausgangsfrage jeder guten Politik. politischen Gelände, für Wege und Umwe- Doch mit welchem Maß messen wir uns ge, ist ein für alle Mal geeicht. Die Würde und unseren Nächsten? Wonach bestimmt des Menschen ist unantastbar, verankert sich, was wir ihm schulden und oft auch in einem Bereich, der zu Niemandes Dispo- schuldig bleiben? Wer in der DDR aufge- sition steht; ohne die „Wenns“ und „Abers“ wachsen ist, der weiß, welch immense Ge- der Ideologien, die einmal so treffend als fahr es birgt, wenn Wert und Würde des Philosophien aus Fertigbauteilen bezeich- Menschen von einer kollektivistischen net worden sind. Ideologie und seinem Beitrag zum Kollek- tiv her bestimmt werden. Kern der Würde ist die Freiheit, die sich in der selbst gewählten Bindung und Verant- Es gibt nichts, was dem fundamentaler wi- wortung verwirklicht. Solidarität erhält ih- derspricht als das Christentum: Der Näch- ren inneren Gehalt aus der Nächstenliebe, ste ist Gottes geliebtes Geschöpf wie ich die an keine Bedingung geknüpft ist. Die

68 Forderung nach Gerechtigkeit ist in der ge- derst Familien stärken und nicht ersetzen. meinsamen Gotteskindschaft verankert. Dazu gehört aber auch, die Vielfalt der Verantwortung und Zuständigkeiten wer- Lebensverhältnisse und Lebensentwürfe den nach dem Prinzip der Subsidiarität ge- ernst zu nehmen. ordnet, weil in überschaubaren und ver- standenen Ordnungen Freiheit, Solidarität Die CDU in Thüringen hat ihre Familienpo- und Gerechtigkeit besser geübt werden litik stets auf zwei Pfeilern aufgebaut. Wir können. haben die Betreuungsinfrastruktur und Betreuungsqualität in den Kindertages- Natürlich: Diese Maßstäbe sind oft ver- stätten ausgebaut. Zugleich unterstützen fehlt worden und werden immer wieder wir die Eltern finanziell, die ihr Kind über verfehlt, auch das gehört zu den Bedin- den ersten Geburtstag hinaus noch eine gungen menschlicher Existenz. Wir müs- Weile zu Hause aufziehen. Eltern zu beglei- sen mit den Grenzen unserer Erkenntnis ten, die mit ihrer Erziehungsaufgabe über- genauso fertig werden wie mit der Erfah- fordert sind, ist daneben unerlässlich. rung, dass auch alles politische Tun Stück- werk bleibt. Es ist ein Irrtum zu glauben, Dies versteht sich von selbst, weil verbind- das Paradies lasse sich auf die Erde zwin- licher Ausgangspunkt unseres politischen gen. Doch wir können versuchen, uns an Denkens das christliche Menschenbild ist. diesen Maßstäben immer wieder neu aus- Nach unserem christlichen Verständnis ist zurichten. der Mensch auf den Nächsten hin orien- tiert, deshalb gehören Solidarität und Ge- Sie prägen politisches Handeln, wie ich an rechtigkeit zu unserem Menschenbild. einem besonders umkämpften Feld illu- strieren möchte, der Familienpolitik. Sie ist Für mich bedeutet dies, in längeren Linien im Kern am Wohl des Kindes und seinen und Generationen zu denken und politi- Entwicklungschancen auszurichten. Ist die sches Handeln danach auszurichten. Das Familie intakt, erlebt ein Kind in der Ge- Bemühen, immer im Blick zu haben, wie meinsamkeit mit Mutter, Vater und Ge- sich Entscheidungen, die wir heute fällen, schwistern, was Liebe und Nächstenliebe, auf kommende Generationen auswirken, Verantwortung und Bindung bedeuten. Es treibt mich tagtäglich um. gibt keinen konkreteren Anwendungs- fall für das Subsidiaritätsprinzip. Des- halb muss gute Familienpolitik zuvor-

69 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

GÜNTHER H. OETTINGER Mitglied der Europäischen Kommission

Der christliche Glaube hat mich schon treuung und Pflege von Behinderten, früh geprägt: Kirchliche Feiertage und ambulante und stationäre Angebote für Feste waren in meiner Familie immer Senioren. Dies sind nicht alle, aber si- wichtige Fixpunkte im Jahresverlauf und cher die wichtigsten Aufgabenfelder, in sind noch heute Gelegenheiten, an de- denen die Kirchen und die Religionsge- nen die gesamte Familie zu sich findet. meinschaften die Landespolitik mit Rat Dies hat mir den Weg zum Glauben ge- und Tat begleiten. ebnet. Dabei hat natürlich – in einem christlich Der Imperativ der Nächstenliebe und der geprägten Land wie Baden-Württemberg Verantwortung des Einzelnen für die – die Zusammenarbeit mit den christli- Gemeinschaft, in der er lebt, sind eine chen Kirchen eine besonders wichtige Grundmotivation meiner politischen Ar- Bedeutung gehabt. Ich bin heute noch beit. Das Beispiel anderer gläubiger Chri- dankbar, wie konstruktiv, vertrauensvoll sten – sei es im Bereich der Behinderten- und engagiert diese Zusammenarbeit Betreuung oder dem der Entwicklungs- von den Kirchenleitenden bis zu den vie- hilfe – hat mich immer bestärkt, gelebte len ehrenamtlich Mitwirkenden war. christliche Nächstenliebe auch mit öf- fentlichen Geldern zu unterstützen. Auf der Ebene der Europäischen Union ist diese Zusammenarbeit im Alltag we- All die Jahre in der baden-württembergi- niger ausgeprägt, und auch in den euro- schen Landespolitik hindurch war meine päischen Verträgen sind Kirchen und Re- Arbeit von einer intensiven Zusammen- ligionsgemeinschaften und das christli- arbeit mit den Kirchen und Religionsge- che Menschenbild – nicht zuletzt auf- meinschaften geprägt: Kleinkindbetreu- grund der unterschiedlichen Traditionen ung, frühkindliche Bildung, allgemeinbil- in den Mitgliedstaaten der Europäischen dende Schulen, theologische Hochschu- Union – nicht so prominent vertreten len, Jugendsozialarbeit, Integrationsauf- wie im Grundgesetz und in der Landes- gaben, Politik gegen Suchtgefahren, Be- verfassung von Baden-Württemberg.

70 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

Wenn wir es ernst meinen und in den nächsten Jahren eine europäische Wirt- schaftsregierung ausbauen, werden wir dabei auch kulturelle, soziale und ökolo- gische Überzeugungen europäisch um- setzen. Dies wird dazu führen, dass das christliche Menschenbild auch für die europäische Politik noch wichtiger wird.

Ich baue darauf, dass sich die Kirchen und Religionsgemeinschaften, und ins- besondere auch „meine“ EKD, verstärkt in Brüssel in die Willensbildungsprozes- se einbringen werden und so den „Dia- logartikel“ aus dem Lissabon-Vertrag kraftvoll mit Leben füllen.

71 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

RONALD POFALLA MdB Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben

Wir haben das große Glück, dass wir in Litauen und in Deutschland habe ich er- Deutschland in einem demokratischen fahren, was es heißt, in einem Land zu le- Rechtsstaat leben, in dem die Rechte ben, in dem Unfreiheit herrscht, in dem seiner Bürger auch durchgesetzt wer- eine autoritär geführte Regierung Op- den. Dieses Glück haben leider nicht alle positionelle, die Zivilgesellschaft und Menschen in Europa. unabhängige Medien mit Repressionen drangsaliert. In einem Land, in dem die Nur knapp 1 200 Kilometer von Berlin Mehrheit der Präsidentschaftskandida- entfernt – und damit geographisch ähn- ten, die sich der Wahl vom Dezember lich nah wie Paris – liegt Minsk, die 2010 stellten, in Gefängnisse gesteckt Hauptstadt Weißrusslands. Die Haupt- wurden, in denen von menschenwürdi- stadt eines Landes, in dem Menschen- gen Bedingungen keine Rede sein kann. und Bürgerrechte nichts gelten. Ich versuche daher mit meinen Möglich- Schon seit Jahren verfolge ich die Ent- keiten, diejenigen zu unterstützen, die wicklung des Landes aufmerksam und etwas dafür unternehmen, dass auch in mit großer Sorge, weil ich der Ansicht Belarus angstfrei unabhängige Organi- bin, dass jeder Mensch die Möglichkeit sationen, Vereinigungen oder Parteien haben muss, seine Menschenrechte und gegründet werden können, die sich für demokratischen Rechte frei wahrzuneh- Meinungs- und Versammlungsfreiheit men und vom Staat geschützt zu wer- einsetzen und damit für ein menschen- den. Diese Rechte gründen sich für mich würdiges Leben. als Christ auch aus dem Glauben heraus, dass Gott uns Menschen nach seinem Und es erfüllt mich mit großer Freude Abbild erschaffen hat. und Hoffnung, dass es vor dem geschil- derten Hintergrund in Weißrussland Bei diversen Gesprächen mit Vertretern nicht nur Menschen gibt, die sich für ei- der Opposition und der Zivilgesellschaft nen demokratischen Staat einsetzen, Weißrusslands in Weißrussland selbst, in sondern auch Menschen, die sich zu ih-

72 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

rem christlichen Glauben bekennen. Per- sönlichkeiten, die aus ihrem christlichen Glauben heraus und ihrer Verantwor- tung vor Gott handeln – in einem politi- schen und gesellschaftlichen Klima der Angst und Repression, das eine solche Haltung ganz und gar nicht selbstver- ständlich macht.

Seit langem verfolge und unterstütze ich daher zum Beispiel die Entwicklung der evangelischen Gemeinde in dem Ort Grodno nahe der polnischen und der li- tauischen Grenze. Die kleine Gemeinde besteht aus überwiegend deutschstäm- migen Mitgliedern und wird von einem jungen, sehr engagierten Pastor gelei- tet. Das hundertjährige Kirchengebäu- de, gleichzeitig die einzige evangelisch- lutherische Kirche in Belarus, muss drin- gend renoviert werden. Derzeit werden die erforderlichen Gutachten erstellt, und ich hoffe sehr, dass mit Hilfe aus Deutschland und viel Engagement vor Ort dieses Zeugnis christlichen Glau- bens bewahrt werden kann. Es beein- druckt mich immer wieder zu sehen, dass Menschen auch unter harten Be- dingungen für ihren Glauben einstehen. Das macht Mut und gibt Hoffnung.

73 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

DR. HANS-GERT PÖTTERING MdEP Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung

„In dem Bewusstsein ihres geistig-reli- anderen Abgeordneten der Europäischen giösen und sittlichen Erbes gründet sich Volkspartei (EVP) die Werte, die sich aus die Union auf die unteilbaren und uni- diesem Leitbild ergeben, in den Vertrag versellen Werte der Würde des Men- von Lissabon einzubringen. In ihm ist es schen, der Freiheit, der Gleichheit und gelungen, die wichtigsten Werte festzu- der Solidarität.“ Dass die Präambel der schreiben: die Würde des Menschen, die EU-Grundrechtecharta diesen Wortlaut Anerkennung der Ehe, der Schutz der Fa- trägt, ist auf das Engagement der euro- milie als Grundeinheit unserer Gesell- päischen Christdemokraten zurückzu- schaft ebenso wie die Prinzipien Demokra- führen. Für mich ist sie eine wesentliche tie, Freiheit und Solidarität. Zusammenfassung dessen, was mein po- litisches Handeln in der Europäischen Neben der Solidarität zwischen den Men- Union bestimmt. Seit ich 1979 zum er- schen durch die Verteidigung eines euro- sten Mal in das Europäische Parlament päischen Sozialmodells mit hohen Sozial- gewählt wurde, zählt es zu meinen standards drückt sich die Solidarität zwi- Grundüberzeugungen, dass wir Politik schen den EU-Mitgliedstaaten finanziell in nur gestalten können, wenn wir ein fe- der Regionalpolitik aus. Insbesondere in stes Wertefundament besitzen, das Ori- der aktuellen Situation müssen wir deut- entierungspunkte und Maßstäbe für po- lich machen, was Solidarität in der Finanz- litisches Handeln geben kann. Diese krise bedeutet. Es gilt, sich solidarisch mit Leitvorstellung ist uns im christlichen Ländern zu verhalten, die in Not geraten Menschenbild gegeben. Es gründet auf sind. Aber es ist auch richtig, Hilfe zur der Gottebenbildlichkeit jedes Men- Selbsthilfe zu geben, das heißt, das Subsi- schen, dem dadurch eine unverfügbare diaritätsprinzip anzuwenden – ein weite- Würde zukommt, wie sie in Artikel 1 des rer Kern der christlichen Soziallehre. Grundgesetzes verankert ist. Johannes Paul II. hat 2004 der EVP-Frakti- Ein wichtiges Ziel der vergangenen Jahre on für ihren Einsatz um die Verankerung war es daher für mich, gemeinsam mit den der Werte in der EU-Grundrechtecharta

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gedankt. Gleichzeitig hat er die Anerken- schen Mindeststandard, der in jedem Fall nung der öffentlichen Rolle der Religion gewahrt bleiben muss, wenn konkrete Ent- angemahnt. Es wurde erreicht, dass Artikel scheidungen getroffen werden.“ 17 des Vertrags von Lissabon den Status der Kirchen in den jeweiligen Mitgliedstaa- Dies gilt nicht nur in Deutschland und ten anerkennt. Zur Wirkung kommt das Europa, sondern weltweit. Als Vorsitzen- kirchliche Engagement aber erst durch den der der Konrad-Adenauer-Stiftung werbe festgeschriebenen „offenen, transparen- ich auf meinen Reisen für die Anerkennung ten und regelmäßigen Dialog“. Dieser Dia- der Würde, der Freiheit und der Gleichheit log ist jetzt zu führen. Nur durch einen aller Menschen. Dabei spielt in den letzten konstruktiven Austausch mit den Kirchen Monaten die Religionsfreiheit im Nahen können wir ethisch verantwortbare Lösun- Osten eine große Rolle. Es kann uns nicht gen im Sinne des „C“ für die anstehenden gleichgültig sein, wenn Menschen wegen Probleme finden. Hier sehe ich eine wichti- ihrer Religionszugehörigkeit benachteiligt ge Aufgabe für die christlichen Demokra- und bedrängt werden. Darauf weise ich bei ten in ganz Europa. allen Begegnungen hin.

Für mich war die Rede von Papst Benedikt Für mich ist das „C“ in seiner eindringli- XVI. im Deutschen Bundestag ein Appell, chen Mahnung, den Menschen mit seiner über die Grundlagen unseres Handelns unantastbaren Würde in den Mittelpunkt nachzudenken. Auch die Verlautbarungen unseres Handelns zu stellen, gleich ob er der Deutschen Bischofskonferenz und die uns geographisch fern oder nah ist, ein Denkschriften der EKD sind wichtige Anre- „Stachel in unserem Fleisch“, der uns an- gungen. Vor allem das gemeinsame Wort treibt, unbequeme Diskussionen zu füh- der beiden Kirchen „Demokratie braucht ren, um eine freie, gerechte und solidari- Tugenden“ von 2006 hat an die Maßstäbe sche Welt zu schaffen. erinnert, für die wir uns als Politiker einset- zen müssen. Dort heißt es etwa, dass aus dem christlichen Menschenbild nicht di- rekt ökonomische oder politische Hand- lungsanweisungen hergeleitet werden können: „Aber mit seinen zentralen Kate- gorien der Freiheit, der Würde und der Selbstbestimmung zeigt es einen ethi-

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DR. GODELIEVE QUISTHOUDT-ROWOHL MdEP

Die Bedeutung des christlichen Mitleid zeigen. Etwa nach dem Tsunami Menschenbildes in meinem in Fukushima, vor oder nach einer Wahl täglichen Leben und meiner oder für einen Fußballverein. Man sieht Arbeit als Politikerin es an dezenten kleinen Anstecknadeln, an lauten Sprechchören oder andächti- Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, gen Trauermärschen. So ist derzeit auch und Gott, was Gottes ist, sagt Jesus den der Gebrauch Wutbürger ganz neu in Pharisäern im Markusevangelium (12, 13- unseren Sprachgebrauch eingetreten. 17). Zwar sind Staat und Kirche, Religion und Politik streng getrennt – und den- Das „C“ ist jedoch ein Grundverständnis noch beeinflusst ein christliches Grund- und mehr als ein nur vorübergehendes verständnis mein Leben und Handeln, Motto. Es beschreibt den Menschen als auch als Politikerin. Dieses Prinzip zu freies Individuum und geboren mit ei- achten, ist dabei eine tägliche Heraus- nem ihm inhärenten Selbstwert, der sich forderung. In jedem konkreten Fall muss nicht nur durch seinen Beitrag für die neu überlegt werden, wie man in Re- Gesellschaft beschreiben lässt. In dem spekt zu Meinungen von Andersdenken- Abwägen zwischen Eigenverantwortung den handelt und entscheidet. Soll das, und Solidarität hat das „C“ Bedeutungen was für mich selbstverständlich richtig für die nächsten Generationen, Gesell- ist, auch gesetzlich verbindlich für alle schaften und unsere Umwelt betreffen- gemacht werden? Wo ist das Gleich - den Entscheidungen. Erst bei genaue- gewicht zwischen eigener Überzeugung rem Hinschauen merke ich, wo und wie und Toleranz? dieses christliche Menschenbild mein tägliches Handeln und Denken beein- Es ist an sich sehr einfach, sein Tun punk- flusst. tuell unter ein Motto zu stellen, und heutzutage erlebe ich immer wieder, Was also bedeutet das „C“ für mich in dass Menschen sich zu einem Thema be- meinem täglichen Tun? Vor allem gibt kennen, Anteil haben, Interesse oder das „C“ mir Ruhe, Geborgenheit und ei-

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nen Leitfaden. Bei einer Abstimmung im Europäischen Parlament, bei einer Wahl, selbst bei Streitigkeiten mit dem politi- schen Freund oder Gegner.

Ohne das „C“ wäre unser Tun nur end- lich, gefangen in dem Hier und Jetzt. Der christliche Wert verweist uns auf eine andere Dimension, die uns übersteigt.

77 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

THOMAS RACHEL MdB Bundesvorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU (EAK), Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung

Als die Väter und Mütter der Christlich De- wendigen Rückbesinnung auf unsere im mokratischen Union noch inmitten der christlichen Menschenbild wurzelnden Trümmer und Verwüstungen des Jahres Grundüberzeugungen und Wertvorstel- 1945 davon sprachen, dass eine neue Ord- lungen sind nicht, wie oft unterstellt wird, nung in demokratischer Freiheit nur erste- die sogenannten „Sonntags“- oder „Festre- hen könne, wenn man sich auf die „kultur- den“, sondern der direkte politische Alltag gestaltenden sittlichen und geistigen Kräf- selbst – mit all seinen Höhen und Tiefen. te des Christentums“ besinnen würde, so Die Last der bisweilen sehr großen ethi- waren das keine leeren Floskeln. Man hatte schen Verantwortung, die wir zum Beispiel noch unmittelbar vor Augen, wohin die als Gesetzgeber im Deutschen Bundestag Vergottung eines, wie es im Berliner Grün- haben, steht mir dabei immer klar vor Au- dungsaufruf der CDU heißt, „verbrecheri- gen. Und das lässt dann übrigens nicht sel- schen Abenteurers“ und eines politischen ten eher demütige als triumphalistische Totalitarismus geführt hatten. Demgegen- Gefühle aufkommen. Denn die Komplexi- über sollte die Verantwortung vor Gott tät und Tiefe der Probleme, mit denen wir und den Menschen zum selbstverpflich- es in der Politik zu tun haben, weisen uns tenden Maßstab einer neuen politischen immer wieder auch schmerzlich an unsere Kultur im Zeichen des Schutzes, der Ach- Grenzen. Man könnte auch formulieren: tung und Beförderung der Rechte und der Würde und Bürde gehören bei der Selbst- Würde eines jeden Menschen werden. Was verpflichtung auf das „C“ im Parteinamen für ein ambitioniertes Ziel, was für ein Zei- untrennbar zusammen. chen von Hoffnungskraft und Neubeginn in der Stunde „Null“, wo noch das „Chaos Eine zentrale Perspektive bei der Frage von Schuld und Schande“ herrschte. der Verantwortung von uns Christen in der Politik ist für mich darum das beson- Bis heute hat dieser wegweisende Grün- dere protestantische Freiheitsverständ- dungsimpuls der Union für mich nichts an nis: Als evangelischer Christ weiß ich, dass Aktualität eingebüßt: Denn der eigentliche das Ringen um die besten Antwortversu- Sitz im Leben dieser immer wieder not- che nun einmal in den Streit und auch in

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die Zweideutigkeiten dieser Welt hinein- Gottesebenbildlichkeit. Wo Gott weg ist, gehört. Der Versuch, diese Zweideutigkei- gilt deshalb auch der Mensch nichts mehr.“ ten zu leugnen oder überspringen zu wol- Darum geht es für mich letztlich bei allem len, wäre theologisch wie politisch der politischen Engagement in zentraler Wei- letztlich unzulässige Versuch, weltliches se. Gerade als CDU und CSU haben wir da- und geistliches Amt miteinander zu ver- mit die Verpflichtung, die geschichtlich wechseln. Die direkte Berufung auf beson- prägend gewordenen christlichen Quellen dere geistliche Autoritäten bei den kom- und Traditionen unserer Identität nicht plexen Alltags- und Gegenwartsfragen, bloß passiv oder gleichgültig zur Kenntnis seien es nun die Verlautbarungen eines Bi- zu nehmen oder gar in ein bloßes Sonn- schofs, ein Synodenwort, eine Denkschrift tags-Christentum zu verfallen, sondern wir oder gar der vermeintlich direkte Rückgriff müssen uns stets neu, verstärkt und aus- auf den Wortlaut der Bibel selbst, kann für drücklich zu diesen Quellen und Traditio- das politische Amt nach evangelischem nen bekennen, und zwar überall dort, wo Verständnis allein nicht ausreichen. Denn wir aus unserem Glauben heraus zu unse- eine unmittelbare Umsetzung von Glau- rer politischen Verantwortung stehen. benswahrheiten in die Politik ist nicht Und dies sollten wir vor allem tun mit gan- möglich. Kirche im geistlichen Sinne kann zem Herzen, ganzer Seele und ganzer für den evangelischen Christen auch nie- Kraft, mit Weitblick und Augenmaß und mals ein Gegenüber oder gar Über sein, nicht zuletzt mit der Freiheit, Kreativität denn durch das Priestertum aller Gläubi- und Freude eines Christenmenschen! gen ist jeder getaufte Christ selbst ein mündiges Glied der Gemeinde Jesu Chri- sti. Das schafft weiten Raum für ein enga- giertes Freiheitsverständnis, das um seine Verantwortung, seine Gewissensbindung und letzten Verwurzelungen weiß.

Der lutherische Theologe Helmut Thie- l icke, der in der Zeit der Nazi-Diktatur Mit- streiter von Hermann Ehlers in der Beken- nenden Kirche war, hat es einmal so ausge- drückt: „Nimmt man Gott aus dem Leben weg, nimmt man dem Menschen auch die

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DR. NORBERT RÖTTGEN MdB Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- heit, Stellvertretender Vorsitzender der CDU Deutschlands, Landesvorsitzender der CDU Nordrhein-Westfalen

Ich bin im Rheinland aufgewachsen, in ei- der Genesis verwurzelt und zentrale Bot- nem katholisch geprägten Elternhaus. schaft unseres Glaubensbekenntnisses: Mein Weg in die CDU hat darin seinen Ur- „Ich glaube an Gott, den Allmächtigen, den sprung. Als mein politisches Interesse Schöpfer des Himmels und der Erde“. Da- wach wurde, war es für mich keine Frage, mit wird der Wert der Schöpfung auch wohin es mich führen würde. Die CDU sprachlich in ganz besonderer Weise aus- wurde zu meiner politischen Heimat – zu- gedrückt. allererst aufgrund ihrer Bindung an das „C“. Mein persönliches Leben ist dadurch Der Papst hat zuletzt in seiner eindrucks- geprägt und natürlich auch mein Leben in vollen Rede im Deutschen Bundestag den Gemeinschaft – in der Familie, in der Kir- Würdebegriff vom Menschen auf die gan- che und eben auch in der Politik. ze Natur übertragen und dem Thema Öko- logie eine substanzielle, ganzheitliche Be- Wenn ich mich heute danach frage, was deutung gegeben: „Die Erde trägt selbst das „C“ für mich in meinem Tun bedeutet – ihre Würde in sich und wir müssen ihren als Politiker, als Umweltminister und als Weisungen folgen.“ Mit diesem Satz hat er Mitglied der CDU –, dann komme ich deutlich gemacht, dass aus christlicher schnell zu einem Punkt, der mich durchaus Sicht der Schutz der Umwelt und der Natur dankbar macht: Ich habe das große Glück, nicht nur abgeleiteter Wille, sondern als für den Schutz von Umwelt und Natur zu- Bewahrung der Schöpfung ursprünglicher ständig zu sein, für den nachhaltigen Um- Wille Gottes ist. gang mit unseren natürlichen Ressourcen und dafür, den Kampf gegen den Klima- Daraus lassen sich viele Gedanken ablei- wandel in kleinen, aber beharrlichen ten, daran lassen sich viele Diskussionen Schritten voranzubringen. Das sind The- anknüpfen. In besonderer Weise hat mir men, die sich mit christlichen Kernanliegen die Rede die Bedeutung der Sprache für decken. Die Würde des Menschen, aber unser tägliches Tun vor Augen geführt und auch die Würde von Umwelt und Natur mich daran erinnert, wie reich der Schatz sind durch den Schöpfungsgedanken in ist, über den das Christentum in der Bibel,

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in Gleichnissen und in Bildern verfügt. fachen“ Kern dessen, worauf es ankommt: Vielleicht sollten wir diese Sprache wieder die Würde von Mensch und Natur und die stärker in unseren Alltag übernehmen, um Gestaltungsspielräume künftiger Genera- in einer oftmals sehr technisch und ökono- tionen zum eigentlichen Maßstab zu ma- misch geprägten Welt unseren Anliegen chen. Die CDU verfügt über das nötige einen kraftvolleren und verständlicheren Rüstzeug, diesen Anspruch in eine Politik Ausdruck zu verleihen. der Stabilität umzusetzen und diese auf der Basis ihrer Werte so zu begründen und Darin liegt auch eine Chance für die CDU zu erklären, dass sie dafür als Volkspartei als christlicher Partei. Mehr denn je steht eine breite Zustimmung erhält. Von ihrem die Politik vor Problemen, die uns heraus- historisch gewachsenen Potential, den fordern, nicht mit Ohnmacht zu reagieren, richtigen Ton zu treffen und damit auch sondern Handlungsmacht zurückzugewin- weiterhin eine Partei mit „Leidenschaft nen, auch über Sprache: Die Finanzmarkt- und Augenmaß“ zu sein, bin ich fest über- und die Eurokrise, aber auch die Klimakrise zeugt. sind Beispiele für globale Entgrenzungen, für Orientierungslosigkeit und einen Man- gel an langfristigem, wertegebundenem Denken. Sie sind Beispiele dafür, dass das rücksichtslose Hinterherjagen hinter kurz- fristigen Vorteilen den Erfolg langfristiger Ziele und dauerhafte Stabilität gefährden. Sie sind Ausdruck eines Wachstumsbe- griffs, der jahrzehntelang mit hohen Risi- ken und auf Kosten unserer Lebensgrund- lagen erkauft wurde. Sie sind aber auch der Ausdruck dafür, dass normale Menschen nicht mehr verstehen, was um sie herum passiert. Sie verlangen von uns Orientie- rung in einer aus ihrer Sicht völlig ent- grenzten, haltlosen Zeit. Ich gebe zu, dass das eine schwierige Herausforderung ist, aber wir müssen uns ihr stellen. In der christlichen Botschaft finden wir den „ein-

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THOMAS RÖWEKAMP MdBB Landesvorsitzender der CDU Bremen Vorsitzender der CDU-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft

Das „C“ muss gelebte Verpflich- fügbare Person in allen Lebensphasen. Die tung und verantwortete Freiheit Würde des Menschen – auch des ungebo- sein renen und des sterbenden – ist unantast- bar.“ Und der zweite betrifft unser eigenes Das „C“ stellt stets den Menschen in den Handeln und die Verantwortung, die dar- Mittelpunkt. Unionspolitik, die das „C“ aus erwächst: „Der Mensch besitzt die ernst nimmt, bedeutet für mich, dass im- Freiheit zur sittlichen Entscheidung.“ mer der Mensch in der Mitte allen Han- delns steht. Dies gilt auf persönlicher Das „C“ steht immer in der Mitte Ebene und für die Inhalte. Das Wissen um eine höhere Instanz, die größer ist Für mich muss eine Politik, die dem „C“ als alles eigene Tun und Streben, hilft da- verpflichtet ist, immer in der Mitte stehen. bei, sich selbst in der Hektik des politi- Die Frage „Wie christlich ist die CDU?“ ist schen Alltags etwas zurückzunehmen. für mich so falsch gestellt. Wir sind keine Wir alle machen Fehler, und die sind ein- christliche Partei, sondern eine überkon- facher zu ertragen, wenn wir uns selbst fessionelle Volkspartei, deren Programma- und unseren Mitstreitern diese mensch- tik auf einem christlichen Wertefunda- lichen Unzulänglichkeiten nachsehen. ment steht und deren Mitglieder sowie Amts- und Mandatsträger vielfach über- In der Politik ist mir das „C“ ein innerer zeugte Christen sind und deshalb versu- Kompass, den ich aber nicht jeden Tag zur chen, diesem Maßstab im eigenen Leben Schau stellen muss. Das Grundsatzpro- und in ihrer beruflichen und politischen gramm der CDU Deutschlands fasst in kla- Arbeit zu folgen. ren Worten zusammen, was „christliches Menschenbild“ für uns bedeutet. Zwei Sät- Die Frage müsste für mich vielmehr lauten: ze sind mir besonders wichtig. Der erste „Was macht das Christliche an der CDU muss uns allen immer wieder inhaltliche aus?“ Meine Antwort darauf ist: Das Chri- Richtschnur sein und lautet: „Wir achten stentum hält die Spannung zwischen einem jeden Menschen als einmalige und unver- postmodern übersteigerten Individualis-

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mus auf der einen und einem ebenso über- und den jüdischen Gemeinden selbst- zogenen Kollektivismus auf der anderen verständlich. Seite aus und versucht, ein Gleichgewicht zu halten. Es geht nicht allein um das „Ich“. Bundespräsident hat in sei- Es geht aber auch nicht um eine allgemeine ner Rede zum 20. Jahrestag der Deutschen Zwangsbeglückung durch Umverteilung. Einheit am 3. Oktober 2010 in Bremen ge- sagt: „Das Christentum gehört zweifelsfrei Unser Leitmotiv muss sein: Freiheit und zu Deutschland. Das Judentum gehört Verantwortung. Die christliche Soziallehre zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere beschreibt einen für mich nach wie vor ak- christlich-jüdische Geschichte. Aber der Is- tuellen Ansatz, der individuelle Freiheit lam gehört inzwischen auch zu Deutsch- und Gemeinwohlverpflichtung verbindet: land.“ Dieser Satz hat eine lebhafte Debat- Hilfe zur Selbsthilfe. Das bedeutet ganz te über das Verhältnis zum Islam und den konkret, den Einzelnen wertzuschätzen Muslimen in Deutschland eröffnet. Wir und sich für die Gemeinschaft einzuset- brauchen diese Debatte, und wir Christde- zen, wenn es erforderlich ist. Wer die Ver- mokraten sollten sie lebendig gestalten. antwortung vor Gott und den Menschen ernst nimmt, der darf nicht nur kritisieren Ein solcher Austausch fußt für mich auf und wehklagen, sondern muss versuchen, zwei Säulen: Zum einen kann derjenige ei- Antworten auf die Herausforderungen der nen interreligiösen Dialog gelassen führen, Zeit zu geben. der in seinen eigenen Überzeugungen und seinem eigenen Glauben fest verwurzelt Das „C“ befähigt zum Dialog der ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Religionen interreligiöse Dialog mit den Muslimen in Deutschland gelingen kann, wenn klar ist, Ich habe in Bremen die Erfahrung ge- dass Gottgläubige aufeinander treffen, macht, dass die CDU durch das „C“ als denn damit ist eine gemeinsame Basis vor- Markenzeichen in besonderer Weise handen. Und zum anderen haben wir mit zum interreligiösen Dialog befähigt und dem Grundgesetz eine hervorragende deshalb auch berufen ist, denn Religion Grundlage, die zum einen die Religionsfrei- ist uns eben nicht egal. Das unterschei- heit garantiert, zum anderen aber für diese det uns grundlegend von allen anderen Garantie von jedem Einzelnen die Aner- politischen Parteien. Für uns ist der Dia- kennung eben dieses Grundgesetzes als log mit den beiden christlichen Kirchen gemeinsame Grundordnung abverlangt.

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DR. WOLFGANG SCHÄUBLE MdB Bundesminister der Finanzen Mitglied des Präsidiums der CDU Deutschlands

Im Zeitalter der Globalisierung kann es auch weltweit stehen, auf seiner Grund- schnell so scheinen, als sei auch für den lage wenn nicht gleich lösen, so doch christlichen Politiker die Orientierung besser verstehen und in Angriff nehmen am christlichen Menschenbild hoff- lassen. Gerade die jüngste Wirtschafts- nungslos veraltet. Denn die Notwendig- und Finanzkrise ist dafür ein Beleg. keit, ökonomisch und politisch weltweit zu agieren und Lösungen für Probleme Denn eine solche Krise fordert uns dazu zu finden, die weder nur bei uns ihren heraus, auch über grundlegende Probleme Ursprung haben noch auch allein von unseres gegenwärtigen Finanz- und Wirt- uns gelöst werden können, zwingt uns schaftssystems nachzudenken. Die Markt- zur Zusammenarbeit mit Partnern, für wirtschaft beruht auf dem menschlichen die der christliche Glaube oft nichts be- Gewinnstreben. Sie nimmt den Menschen deutet. Können wir unter diesen Bedin- so, wie er ist; sie setzt keinen Idealmen- gungen politische, wirtschaftliche und schen voraus. Dieser Realismus ist ihre soziale Überlegungen, die auf dem Stärke; auf ihm beruht ihr Erfolg. Aus die- christlichen Menschenbild beruhen, ser Stärke wird aber eine Schwäche, wenn überhaupt noch in eine Konsensbildung wir vergessen, dass der hemmungslos einbringen? nach Gewinn strebende Mensch ein zu- tiefst ambivalentes Wesen ist, dessen Ich glaube, die Antwort darauf kann im- grenzenloses Begehren für andere, für die mer noch mit Ja gegeben werden. Denn Umwelt und letztlich auch für ihn selbst zu die Relevanz einer Politik auf der Grund- geradezu gefährlichen Konsequenzen füh- lage des christlichen Menschenbildes er- ren kann. Deshalb muss die Bejahung der gibt sich aus dessen bleibender Aktuali- Marktwirtschaft einhergehen mit ihrer tät, die sich gerade auch in zentralen Fra- politischen Kontrolle und Begrenzung im gen der Gegenwart bewährt. In meiner Sinne sozialer und ökologischer Prinzi- eigenen Arbeit mache ich immer wieder pien. Das ist bei uns der Grundgedanke die Erfahrung, dass sich viele der Schwie- der Sozialen Marktwirtschaft. Wenn wir rigkeiten, vor denen wir zu Hause wie heute über eine Reform der internationa-

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len Finanzordnung als Konsequenz der sen beschränkt, verliert den Blick für die Krise sprechen, dann folgen auch diese Welt und für den Nächsten. Überlegungen denselben Gedanken. Wir leben in einer sich rasant entwickeln- Für mich selbst beruht diese Logik auf den und verändernden Welt. Das macht dem christlichen Menschenbild, das den es wichtig, die moralischen Grundlagen Menschen als ein zu Vernunft und Frei- unseres politischen Handelns nicht aus heit bestimmtes, aber auch als gefalle- dem Blick zu verlieren. Das christliche nes Wesen verstehen lehrt. Der Mensch Menschenbild mit seinen humanen Kon- als Geschöpf braucht Grenzen, aber oft sequenzen für die Finanz- und Wirt- will er diese Grenzen nicht anerkennen. schaftspolitik ist eine Grundlage. Gerade Deshalb muss er immer wieder daran er- unter den Bedingungen globaler Märkte innert werden. Das tut die christliche müssen wir uns an ihm festhalten und uns Tradition durch die Rede von Gott und immer wieder darauf besinnen. durch das Gebot der Nächstenliebe. Bei- de gehören zusammen, weil sie den Menschen darauf hinweisen, dass er nur dann zu sich selbst findet, wenn er ande- re anerkennt, denen gegenüber er in sei- nem Wollen und Tun verantwortlich ist. Diese Einsicht ist nicht überholt. Sie ist auch nicht dadurch entwertet, dass bei uns und anderswo der christliche Glaube nicht von allen geteilt wird. Die Grund- gedanken, um die es geht, lassen sich auch denen vermitteln, die nicht selbst Christen sind.

Nur wenn wir dazu bereit sind, können wir Lösungen erarbeiten, die für alle tauglich sind, und nur so haben wir eine Chance, der Verpflichtung zur Nachhal- tigkeit gerecht zu werden. Wer sich auf seine eigenen Interessen und Sichtwei-

85 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

PROF. DR. ANNETTE SCHAVAN MdB Bundesministerin für Bildung und Forschung Stellvertretende Vorsitzende der CDU Deutschlands

Eine neue Lebensmöglichkeit gern auf dem Weg nach Jerusalem ist, ei- ne Situation tiefer Verunsicherung. Soll Wenn ich nach der Bedeutung des Chri- wirklich sein Reichtum ihn hindern, in stentums für mein Selbstverständnis das Himmelreich zu kommen? Die Ge- und meinen politischen Alltag gefragt schichte provoziert uns. Wir können uns werde, dann kann ich darauf schwerlich schwerlich rausreden mit dem Hinweis, theoretisch mit Ausführungen über das dass unsere Besitztümer nicht so erheb- Verhältnis von Religion und Politik ant- lich sind, als dass wir gemeint sein könn- worten. Es reicht auch nicht aus, auf die ten. Es geht nicht um mehr oder weniger Gründungsgeschichte der CDU einzuge- Reichtum. Es wird keine Einkommens- hen, die mich bei meinem Eintritt in die grenze genannt. Die Frage, die Jesus in CDU vor fast 40 Jahren beeindruckt hat. der Geschichte stellt, ist die Frage nach Die Gründung der CDU ist ein großes unseren Bindungen; die Frage danach, ökumenisches Projekt. Sie war getragen wovon wir uns in Anspruch nehmen las- von der Überzeugung, dass das Chri- sen und wofür wir unsere Kräfte einset- stentum eine wirksame geistige Kraft zen – als Einzelne, als christliche Ge- gegen alles Totalitäre ist und damit das meinden und als Gesellschaft. Es ist die geistige Potenzial für den Aufbau einer sehr politische Frage, die an uns gerich- freiheitlich-demokratischen Grundord- tet ist, wie frei wir dafür sind, Partei zu nung verbunden sei. ergreifen für die, die ohne Besitz sind, die sich benachteiligt fühlen, die schutz- Für mein Selbstverständnis und meine los sind. Arbeit im öffentlichen Leben hat die Ge- schichte der Begegnung Jesu mit dem Damit ist der Kerngedanke der Nachfolge reichen Mann, erzählt im zehnten Kapi- in ihrer ganzen Ernsthaftigkeit angespro- tel des Markus-Evangeliums, eine prä- chen. Das Christentum ist keine intellek- gende Rolle. Der Mann (und es hätte tuelle Angelegenheit. Es verwirklicht sich auch eine Frau sein können) erfährt im in gelebter Überzeugung und Nachfolge. Gespräch mit Jesus, der mit seinen Jün- Jesus vermittelt dem Mann die Botschaft,

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dass die Einhaltung der Gebote nicht un- die dem Lebensdurst und der Gottes- wichtig ist, sie einzuhalten aber nicht sehnsucht der Menschen nicht gerecht mehr und nicht weniger bedeutet als die wird. Vorbereitung zu dem, was Jesus ihm an- bietet: Eine neue Lebensmöglichkeit. Der Das ist eine zutiefst politische Geschich- Verlust seiner Besitztümer wird ihn in der te. Es ist zugleich eine Geschichte für Überzeugung Jesu eben nicht ärmer ma- Politikerinnen und Politiker, die sich chen als vorher, gleichwohl aber freier. dem „C“ verpflichtet fühlen und immer Die Aufforderung Jesu ist letztlich ein Ruf wieder neu lernen, sich von den Bindun- in die Freiheit. gen an vordergründige Erfolge zu lösen. Sie beschäftigt mich, seit ich sie das er- Diese Freiheit wirkt wie ein Stachel. Sie ste Mal hörte. Sie hilft mir und fordert konfrontiert uns mit der Frage, woran mich. Es ist eine Geschichte gegen die unser Herz hängt und wovon wir uns Oberflächlichkeit des kurzfristigen Er- provozieren lassen. Jesus lädt ein zu ei- folgs zugunsten einer neuen Lebens- nem Leben, das sich nicht allein in der möglichkeit, die frei macht für den Tradition der Gebote und Ordnungen er- Dienst am Gemeinwesen. Das hilft, ein schöpft, vielmehr eine Offenheit und Gewissen für das Ganze zu entwickeln. Liebe zum ganzen Leben signalisiert; ei- Das bleibt zugleich eine Provokation, nem Leben, das sich nicht sklavisch an weil ich mir bewusst sein muss, dass die die eigenen Erfolge bindet, sondern Sinn Spannung zwischen Anspruch und Wirk- findet im Loslassen und darin, sich den lichkeit bleibt. Besitzlosen, den Schwachen, den Hilfs- bedürftigen und Ausgegrenzten zuzu- Diese neue Lebensmöglichkeit ist zugleich wenden. eine Quelle von Gelassenheit gegenüber den alltäglichen Versuchungen der Abhän- Die Geschichte lässt sich durch noch so gigkeit von der Akzeptanz und Ablehnung kluge Theologie nicht harmonisch auflö- anderer, von Triumph und Niederlage. sen – es bleibt die Spannung. Es bleibt der Stachel einer Freiheit, die uns auffor- dert, Abschied zu nehmen von liebge- wonnenen Gewohnheiten und Traditio- nen, von den Besitztümern unserer Er- folge und den Früchten einer Ordnung,

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PROF. DR. DR. H. C. DAGMAR SCHIPANSKI

Wir leben in einer Zeit, in der viele Le- Aus dieser Menschenwürde entspringen bensentwürfe um die Aufmerksamkeit Gleichheit und Freiheit jedes Einzelnen. der Menschen konkurrieren. Dschungel- Ich lebe diese Gleichheit und Freiheit camp, Casting-Show oder Wettkönige, seit 1990 an jedem Tag mit großer Freu- die meiste Aufmerksamkeit erhält, wer de. Dabei ist Freiheit für mich nicht aus- gegen Regeln verstößt oder noch vor- gelebte Individualität um jeden Preis, handene Tabus verletzt. Man hetzt von sondern Verantwortung für mein Leben, Event zu Event, von der Love-Parade für das Leben der Anderen und für das zum Rock-Konzert, vom Straßenfest zur Wohl unserer Gesellschaft. Freiheit und Kinopremiere, von der Disco zur Party. Verantwortung gehören zusammen, sie Action, Unterhaltung, Abwechslung sind müssen jeden Tag mit neuem Inhalt ge- gefragt. Doch wo bleiben Sinn und Ori- füllt werden. Freiheit für den Einzelnen entierung, wenn man den ganz norma- bedeutet Verantwortung für das Ge- len Alltag erlebt? meinwohl, bedeutet Eintreten für den Schwächeren, bewusstes Einsetzen sei- Der Inflation am Wertehimmel unserer ner geistigen Fähigkeiten und körperli- Zeit setze ich das „C“ entgegen. Die chen Kräfte für ein gelingendes Leben in Werteordnung, die Europa über Jahrhun- der Kommune, in der Schule, im Betrieb, derte geprägt hat, basiert auf dem in der Kirchgemeinde. Eine einseitige christlichen Menschenbild, in dessen persönliche Selbstverwirklichung ohne Zentrum die unveräußerliche Würde je- Rücksicht auf die Umgebung führt zur des Menschen steht. Unsere Würde gilt Zerstörung der Gesellschaft, aber auch universell und unbedingt, unabhängig der eigenen Persönlichkeit. von unseren individuellen Eigenschaf- ten, unabhängig von kulturellen Prägun- Wo kann ich das „C“ am besten gen und religiösen Überzeugungen. Kein leben und erleben? Gesetz der Parlamente muss sie uns zu- erkennen, kein Gericht der Welt sie be- Im Familienalltag: In der Familie sind stätigen. Sie ist Gottes Geschenk an uns. Mann und Frau gleichberechtigt, aber

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auch gleich verpflichtet. Beide sind für die Erziehung der Kinder verantwortlich, beide können sich auch im Beruf ver- wirklichen, sie ergänzen einander, sie ak- zeptieren gegenseitig ihre Freiheit in Verantwortung füreinander. Man ist für- einander da und muss nicht ständig sei- ne Rechte gegen den Anderen durchset- zen. Je mehr man auf die Persönlichkeit des Anderen und die der Kinder eingeht, umso mehr kommt für alle zurück. Der Alltag ist nur zu meistern in gegenseiti- gem Vertrauen und Vertrauen auf Gott.

Dieses Gottvertrauen hat mir im Alltag der DDR viel geholfen. Ich wusste, was ich denke, was mir wichtig ist, wem ich vertrauen kann, dass mir das Christliche in allen Lebenslagen hilft, denn immer kann ich auf das Wort Gottes zurückgrei- fen, nicht in egoistischer Selbstverwirkli- chung, sondern in gegenseitiger Unter- stützung und Akzeptanz anderer Persön- lichkeiten. Das „C“ bedeutet für mich: Wir leben miteinander und füreinander, nicht gegeneinander.

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DR. KRISTINA SCHRÖDER MdB Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Familienpolitik im Zeichen des „C“ Ich möchte Menschen mit meiner Politik die Unterstützung, aber auch die Freiheit Was Familien für unsere Gesellschaft lei- geben, die sie brauchen, um ihrer Verant- sten, lässt sich nur begrenzt in Euro und wortung für ihre Familie gerecht zu wer- Cent beziffern. In der Familie überneh- den. „Familie zuerst!“ ist deshalb mein men Menschen dauerhaft Verantwor- Gestaltungsanspruch für eine familien- tung füreinander. In der Familie erfahren freundliche Gesellschaft. Frauen und Kinder, was Zusammenhalt und Hilfsbe- Männer in Deutschland sollen es sich lei- reitschaft bedeuten. Familien schenken sten können, ihrer Familie den Stellen- Halt und Geborgenheit, sie vermitteln wert im Leben einzuräumen, den sie aus Werte, Lebensklugheit und Herzensbil- ihrer Sicht verdient – und zwar auch dung, und wenn es schwierig wird, kön- dann, wenn sie berufstätig sind. Dazu will nen die meisten Menschen auf ihre Fa- ich mit meiner Politik beitragen. milie zählen. Wichtig sind mir deshalb grundlegende Die Werte zu schützen, die Familie so Veränderungen in unserer Arbeitswelt. wertvoll für unsere Gesellschaft ma- Ich halte es für einen Fehler, immer nur chen, ist mein Ziel als Bundesfamilien- zu fragen, wie man Familie vereinbar ministerin. Dabei hilft mir mein evange- mit dem Berufsleben macht. Das „Ver- lischer Glaube. Ich durfte in einer Fami- einbarkeitsproblem“ bleibt dadurch ein lie aufwachsen, in der Werte wie Verant- Problem der Frauen – und die Antwort wortung, Vertrauen und Solidarität im- heißt schlicht: mehr Kinderbetreuung. mer getragen haben und bis heute tra- So wichtig es ist, dass alle Eltern, die sich gen. Auf meine Familie kann ich zählen, einen Kita-Platz für ihr Kind wünschen, was immer passiert – gerade auch jetzt, auch einen Kita-Platz bekommen: Eine wo ich als berufstätige Mutter einer klei- gute Vereinbarkeit von Beruf und Fami- nen Tochter dankbar dafür bin, dass ich lie zum Wohl aller Familienmitglieder er- familiäre Fürsorgeaufgaben mit meinem fordert weit mehr als den Ausbau der Mann und meinen Eltern teilen kann. Kinderbetreuung. Wir brauchen famili-

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engerechte Arbeitsplätze – keine arbeits- Menschen, die sich aufeinander verlas- platzgerechten Familien! sen und die füreinander Verantwortung übernehmen. Deshalb war es mir wich- Ob Familien zusammenhalten, ist in er- tig, die große Bereitschaft der Men- ster Linie eine Frage der Zeit. Als „Takt- schen, für ihre Familie da zu sein, in poli- geber“ des Alltags von Familien spielt tische Antworten auf die steigende Zahl die Arbeitswelt eine wichtige Rolle für pflegebedürftiger Menschen einzubezie- die Qualität des Familienlebens. Zeit für hen. Mit der Familienpflegezeit stützen Verantwortung brauchen nicht nur Müt- wir Familie als Verantwortungsgemein- ter und Väter. Zeit für Verantwortung schaft. Das unterscheidet uns von ande- brauchen auch – und immer öfter! – ren Parteien, die Fürsorgeaufgaben – egal pflegende Angehörige. Die meisten von ob es um Kinder oder ältere Menschen ihnen sind berufstätig und bringen gro- geht – zuallererst an staatliche Einrich- ße Opfer, um einen geliebten Menschen tungen delegieren. pflegen zu können. Viele überschreiten dabei die Grenzen ihrer Belastbarkeit, Familienpolitik im Zeichen des „C“ ist ei- können aber im Beruf nicht einfach pau- ne Politik, die Verantwortungsfähigkeit sieren. Die Familienpflegezeit, für die fördert. Dazu gehören politische Maß- ich erfolgreich gekämpft habe, gibt ih- nahmen wie die Familienpflegezeit, die nen künftig die Möglichkeit, Pflege und Zeit für Verantwortung ermöglichen. Beruf zu vereinbaren und ohne allzu gro- Dazu gehört eine Arbeitswelt, deren Kul- ße Gehaltseinbußen bis zu zwei Jahre tur geprägt ist vom Respekt vor dem Fa- lang beruflich kürzer zu treten. milienleben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nicht zuletzt gehört dazu Umfragen zeigen, dass eine breite Mehr- aber auch ein gesellschaftliches Klima heit der Menschen in unserem Land be- der Akzeptanz für die Vielfalt unter- reit ist, für ihre kranken oder hochbetag- schiedlicher Familienmodelle. Denn Mut ten Angehörigen da zu sein. Gleichzeitig und Lust auf Familie entstehen nur dort, wollen die meisten pflegebedürftigen wo Eltern und Kinder Wertschätzung er- Menschen so lange wie möglich im ver- fahren, unabhängig davon, wie sie leben. trauten Umfeld bleiben. Genau das ist der familiäre Zusammenhalt zwischen den Generationen, den wir uns für unse- re Gesellschaft nur wünschen können:

91 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

INGRID SEHRBROCK Stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes

Was bedeutet das gungen immer erwartet werden müssen: christliche Menschenbild für Die Verantwortung des Einzelnen für Sie in der Politik? sich ist unverzichtbar.

Für mich war und ist das „C“ in der CDU Die CDU hat sich in mehreren Grund- immer eine Orientierung am christlichen satzprogrammen immer wieder auf das Menschenbild und an den Grundprinzi- christliche Menschenbild bezogen. Ich pien der katholischen Soziallehre, der würde mir wünschen, dass dieser Bezug Subsidiarität und der Solidarität. Dazu deutlicher wird, auch in politischen De- gehört die Überzeugung, dass Menschen batten. Wer dies in den Phasen des „neo- zum Guten und zum Schlechten fähig liberalen Markt- und Wettbewerbsfun- sind. Das heißt, Politik darf nicht naiv sein damentalismus“ tat, wurde vielleicht und muss dann, wenn Regelungen getrof- noch als Gutmensch apostrophiert, oft fen werden, die Fähigkeiten der Men- genug aber als Modernisierungsverwei- schen zu beidem berücksichtigen. gerer. Grundsatzdebatten dürfen nicht etwas für die parteipolitischen „Feierta- Dann gilt für mich immer die Verantwor- ge“ sein. Dass sie jetzt wieder geführt tung des Einzelnen für sich selbst, die werden, z. B. über die Rolle staatlicher eingefordert werden muss. Wer – wie Rahmenbedingungen, über Wachstum auch immer – in Lebenssituationen ge- oder gute Arbeit, ist ermutigend. rät, oder von der Natur so „ausgestattet“ ist, dass er oder sie sich selbst nicht oder Das „C“ bedeutet aber auch, dass wir uns nur bedingt helfen kann, ist auf die Soli- nicht überschätzen sollen. Politik gelingt darität von uns allen, auch durch ent- nicht nur, wenn wir sie „machen“. So sprechende (gesetzliche) Regelungen, sehr strategische Überlegungen und gu- angewiesen. Darauf müssen Menschen te Konzepte wichtig sind, so sehr müs- sich verlassen können. Wer in Not gerät, sen wir Christen auch erkennen, dass darf nicht ins Bodenlose fallen. Das än- Dinge sich entwickeln, die nicht von uns dert nichts daran, dass eigene Anstren- geplant waren. Das gilt für unsere politi-

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sche Arbeit ebenso wie für unser Leben insgesamt.

Das „C“ bedeutet für mich immer, dass wir gewiss sein können, gehalten zu sein, nicht ins Bodenlose zu fallen in jed- weder Lage. Daraus gewinne ich das, was man altmodisch Zuversicht nennt.

Das christliche Menschenbild fordert mir auch den Respekt ab vor den Auffassungen Anderer. Was die richtige politische Ent- scheidung ist, wissen wir definitiv erst hin- terher, oft Jahre später. Der Respekt für Mehrheitsentscheidungen, die nicht der eigenen Meinung entsprechen, ist eine vom „C“ inspirierte kulturelle Leistung, die nicht hoch genug anerkannt werden kann. Es ist aber der zweite Schritt. In wichtigen politischen Fragen für neue Überzeugun- gen zu kämpfen, Mehrheiten zu gewinnen – und das in fairem Umgang miteinan- der –, ist eine gute Messlatte für Christde- mokraten, natürlich auch für mich.

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THOMAS STROBL MdB Landesvorsitzender der CDU Baden-Württemberg

„Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt verkleinert sie den Menschen, ja sie be- von Voraussetzungen, die er selbst nicht droht seine Menschlichkeit.“ garantieren kann“, hat Ernst-Wolfgang Böckenförde einst formuliert. Und später, Es wird deutlich, nicht nur für die christ- in einem Interview, präzisierte er: „Vom demokratische Politik haben die christli- Staat her gedacht, braucht die freiheitli- chen Wurzeln unserer Gesellschaft, hat che Ordnung ein verbindendes Ethos, eine das „C“ eine zentrale Bedeutung. Auf Art „Gemeinsinn“ bei denen, die in diesem diesen christlichen Wurzeln fußt – ne- Staat leben. Die Frage ist dann: Woraus ben anderen Fundamenten – unser Ge- speist sich dieses Ethos, das vom Staat we- meinwesen, sie sind ein Teil der Basis un- der erzwungen noch hoheitlich durchge- serer staatlichen Ordnung. Deshalb er- setzt werden kann? Man kann sagen: zu- gibt sich aus dem „C“ auch, dass für uns nächst von der gelebten Kultur. Aber was die Frage nach Europa und dem Euro sind die Faktoren und Elemente dieser mehr ist, mehr sein muss als die bloße Kultur? Da sind wir dann in der Tat bei Frage nach Währungsstabilität und öko- Quellen wie Christentum, Aufklärung und nomischen Vorteilen. Europa ist für uns Humanismus.“ eine Wertegemeinschaft, die auch auf christlicher Basis steht. „Die Kultur In diesem Sinne hat auch Papst Benedikt Europas ist aus der Begegnung von Jeru- XVI. in seiner Rede vor dem Deutschen salem, Athen und Rom – aus der Begeg- Bundestag im September dieses Jahres nung zwischen dem Gottesglauben Isra- argumentiert, als er davor warnte, den els, der philosophischen Vernunft der Positivismus – wenngleich er ein wichti- Griechen und dem Rechtsdenken Roms ger Beitrag zur Erkenntnis des Men- – entstanden“, sagte Benedikt XVI. vor schen ist – als alleinige Kraft anzusehen: dem Deutschen Bundestag. „Wo die positivistische Vernunft sich al- lein als die genügende Kultur ansieht Christdemokratische Politik geht vom und alle anderen kulturellen Realitäten christlichen Menschenbild aus, und des- in den Status der Subkultur verbannt, da halb denkt Politik auf der Basis des christ-

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lichen Glaubens vom einzelnen Men- Förderung und Bildung zuteil werden schen aus: Politik, die eine „C-Partei“ for- lassen. muliert, stellt den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt ihres Denkens und Han- Wie sich zeigt, lassen sich bei beiden Leit- delns. Sie sieht jeden Menschen in seiner themen unseres Leipziger Bundespartei- Individualität als Geschöpf Gottes an, tages die Begründungszusammenhänge den es so anzunehmen gilt, wie er ist, wie vom „C“ in unserem Parteinamen herlei- er von Gott geschaffen ist – mit allen sei- ten – und es wäre gut für unsere Partei, nen Stärken und Schwächen: Deshalb dies auch bei anderen Themen zu tun. steht für uns Christdemokraten die frei- heitliche Entscheidung und Entfaltung des Einzelnen, die erst endet, wo sie die Freiheit eines anderen beschneidet, im Mittelpunkt.

Auch das neben der Europapolitik zwei- te Leitthema unseres Leipziger Bundes- parteitages lässt sich so vom „C“ in unse- rem Parteinamen her betrachten: die Bil- dungspolitik. Wir sind für ein differen- ziertes Bildungssystem: Nicht weil wir aus schierem Dogmatismus ein herge- brachtes – und in vielen Vergleichsstudi- en übrigens anerkannt gutes – Schulsy- stem verteidigen und uns auf Erfolgen ausruhen wollen. Nein, es ergibt sich aus dem christlichen Menschenbild, dass wir die grün-rote Einheitsschule ablehnen, in der es letztlich darum geht, die jungen Menschen, die Kinder gleich zu machen. Deshalb verfolgen wir das Ziel einer in- dividuellen, differenzierten Bildung in einem differenzierten Schulsystem, mit dem wir jedem Kind eine individuelle

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STANISLAW TILLICH MdL Ministerpräsident des Freistaates Sachsen Landesvorsitzender der CDU Sachsen Mitglied des Präsidiums der CDU Deutschlands

Wer über die Motive für christliches Han- einer Minderheit anzugehören. Offenheit deln befragt wird, gibt oft die Bergpredigt gegenüber der anderen Konfession, ge- als inneren Kompass an. Ohne Zweifel hat genüber Menschen, die keiner Kirche an- diese Bibelstelle auch für mich grundle- gehörten oder sich als Atheisten bezeich- gende Bedeutung. Aber noch wichtiger ist, neten, war eine Notwendigkeit, ohne sich was daraus im Alltag folgt, wie ich mit die- und seinen Standpunkt/Glauben jedoch ser Haltung umgehe. aufgeben zu müssen.

Aus meiner Lebenserfahrung heraus ist To- Diese Erfahrung hilft auch in der Politik. leranz das wichtigste Motiv für mein Auch hier treffe ich auf Menschen mit christliches Handeln in der Politik. Nicht anderen Überzeugungen und Haltungen. weit von meinem Heimatort liegt . Auch hier bin ich darauf angewiesen, offen Der dortige Dom ist für mich ein starkes für die Argumente der Anderen zu sein. Ei- Symbol christlicher Toleranz. Warum? Weil ne politische Diskussion ohne Offenheit hier seit über 450 Jahren Christen beider und Toleranz für das Gegenüber wäre Konfessionen den Kirchbau gemeinsam sonst ziemlich sinnlos. nutzen. Jede für sich, aber dennoch immer wieder mit Berührungspunkten. Auch heute, mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Ende der DDR, bezeichnen sich drei Für mich als Sorbe, der als katholischer Viertel der Bevölkerung als nicht gläubig. Christ in der DDR aufgewachsen ist, ver- Und dennoch mache ich Politik aus einer deutlicht dieser Bau zutiefst, dass es mög- christlichen Grundhaltung heraus. Und es lich ist, in Toleranz und Respekt miteinan- ist keine Politik für die christliche Minder- der zu leben. Und aus dieser Erfahrung her- heit im Land. Das wäre auch nicht mein An- aus speist sich mein politisches Handeln. trieb. Als Ministerpräsident aller Sachsen Als Katholik in der DDR habe ich in einer habe ich die Verantwortung für das Wohl- doppelten Diaspora gelebt. Katholisch sein ergehen auch derjenigen, deren Wertege- hieß: in der protestantisch geprägten rüst sich nicht aus dem christlichen Glau- christlichen Minderheit der DDR nochmals ben speist. Da lebe ich die Offenheit und

96 Toleranz, die mich seit jeher begleitet. Und aktiv für den freiheitlichen und sozialen ich erlebe ähnliche Grundhaltungen: Le- Rechtsstaat einzusetzen. ben im Geiste der Brüderlichkeit, der Wunsch, ein eigenverantwortliches, die Dass es dabei auch einen Widerstreit von Mitmenschen solidarisch einbeziehendes Thesen, Konzepten und Meinungen geben Leben führen wollen; dass sie nicht an die kann und muss, steht einem toleranten Schöpfungsgeschichte glauben, aber der Miteinander ja nicht entgegen. Natur mit großer Achtsamkeit begegnen. Kurzum, dass sie moralisch fühlen und Das alles finde ich im „Gelassenheitsge- handeln, so wie es Christen tun. Moralisch bet“ von Reinhold Niebuhr: „Gott, gib mir handeln, ohne dies aus dem Glauben, von die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die Gott abzuleiten, das ist nicht meine Prä- ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu gung/Haltung, aber aus meinem Glauben ändern, die ich ändern kann, und die Weis- heraus kann ich das respektieren. heit, das eine vom anderen zu unterschei- den.“ Weil das Ziel des Handelns das Gleiche sein kann: Eine Gesellschaft, die gutes Le- Dieses Gebet gibt mir die Karte, ohne die ben für alle ermöglicht, über den staatlich- der eingangs erwähnte Kompass wenig rechtlichen Rahmen hinaus. Denn ohne Nutzen hätte. Es ist eine Orientierung, die das Mittun von Christen und Nichtchristen mich in meinem täglichen Tun unterstützt. fehlte es uns in Sachsen an der zwischen- menschlichen Solidarität, keine staatliche Aktivität könnte das je hervorbringen. Ernst-Wolfgang Böckenförde hat das in sei- nem bekannten Diktum zum Ausdruck ge- bracht: „Der Staat lebt von Voraussetzun- gen, die er selbst nicht schaffen kann.“

Und ich sehe mich in meinem Engage- ment, für ein gutes Zusammenleben jen- seits staatlichen Handelns zu sorgen, auch von meiner Kirche unterstützt. Das Zweite Vatikanische Konzil hat das nochmals ver- deutlicht: Christen haben die Aufgabe, sich

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THOMAS WEBEL Minister für Landesentwicklung und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt, Landesvorsitzender der CDU Sachsen-Anhalt

Das „C“ verpflichtet uns, immer etwas gimes 1944 verhaftet worden war und tiefer als die anderen zu bohren. 1949 Opfer des ersten großen Schaupro- zesses in der DDR wurde. Anders als Als 1945 unser Land als Folge der natio- ideologisch geprägte Weltanschauun- nalsozialistischen Gewaltherrschaft in gen trägt der Gründungsaufruf der CDU Trümmern lag und Millionen von Men- kein Verfallsdatum. Er ist zeitlos gültig schen ihre Heimat oder sogar ihr Leben und auch in unserer heutigen Zeit hoch- verloren hatten, erschien vielen ein Wie- aktuell. deraufbau unmöglich zu sein. Das Land war nach den Jahren des nationalsoziali- Für uns ist der Mensch von Gott nach stischen Tobens und Wütens wie be- seinem Bilde geschaffen und unantast- täubt und gelähmt. Zu groß schien der bar in seiner Würde. Aus dieser Würde Verlust nicht nur der materiellen, son- erwächst das Recht eines jeden Men- dern auch der geistigen Werte. Besiegt, schen auf die freie Entfaltung seiner Per- besetzt und geteilt standen das Land sönlichkeit. Die Freiheit des Menschen und seine Menschen auch ohne allge- ist nur in Verantwortung vor seinem Ge- mein verbindliche Normen und Werte da wissen und nach christlichem Verständ- und waren damit im umfassenden Wort- nis vor Gott möglich. Bedingt und be- sinne fassungslos. grenzt wird die eigene Freiheit durch die Freiheit des anderen. Auf der Suche nach einer Antwort auf all das rief die Christlich Demokratische Weil wir uns bei unserer Politik am christ- Union Deutschlands bei ihrer Gründung lichen Menschenbild orientieren, wissen dazu auf, sich auf die „sittlichen und gei- wir um die Endlichkeit alles Menschlichen stigen Kräfte des Christentums“ zu be- und die Begrenztheit seiner Kräfte. Diese sinnen. Zu ihren Gründungsvätern ge- Einsicht bewahrt uns vor der Gefahr, hörte im Übrigen auch der erste Vorsit- Ideologie statt Politik zu betreiben. Wir zende der CDU in Sachsen-Anhalt, Leo wissen, dass der Mensch letzte Antwor- Herwegen, der als Gegner des NS-Re- ten nicht geben kann.

98 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

Neben unserem christlichen Verständnis vom Menschen gehören wertkonservati- ve Gedanken ebenso wie christlich-so- ziale und liberale Überzeugungen zum geistigen Fundament unserer Partei. Aus allen drei Strömungen ist die CDU ent- standen, und alle drei Strömungen sind bis heute in ihr lebendig. Sie ist damit die Volkspartei der Mitte und wendet sich an alle Menschen in allen Schichten und Gruppen unseres Landes.

Aus unserem christlichen Menschenbild lassen sich kein bestimmtes politisches Programm und schon gar keine konkrete Handlungsanweisung ableiten. Trotzdem besitzt der bleibende Aufruf zur Besin- nung auf die „sittlichen und geistigen Kräfte des Christentums“ auch eine hohe Bedeutung für unser tägliches Tun. Er gibt unserer Politik eine ethische Grund- lage. Er bindet uns an das Prinzip der frei- heitlichen Eigenverantwortung, erinnert uns an die menschliche Fehlbarkeit und führt zu einer wertegebundenen und ideologiefreien Politik. Das „C“ verpflich- tet uns, immer etwas tiefer als die ande- ren zu bohren. Diese Selbstverpflichtung macht die Stärke der CDU aus.

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MARCUS WEINBERG MdB Landesvorsitzender der CDU

Kompass und Verantwortung: In jeder Handlung in Verantwortung steht „Prüfet alles und behaltet das das christliche Menschenbild für mein Tun. Gute“ Es ist machbar, aus dem Abstrakten eines Menschenbildes das politisch Konkrete zu Wer die Augen schließen kann und sich fin- gestalten. Politik und mehr noch Politiker det in Demut, Verantwortung und dem haben sich zu überprüfen an Leitlinien und Gefühl, es gut und richtig getan zu haben, Leitgedanken, die sich aus einem unsicht- sei zufrieden. Doch, was trägt uns und un- baren Überbau speisen. Freiheit und Ge- ser Tun, was gibt es Höheres als kleinteili- rechtigkeit sind die abgeleiteten Grund- ge greifbare Ziele und Handlungsvorga- werte aus dem christlichen Menschenbild ben? Ohne Planken und einen Kompass und Solidarität die Handlungsoption. Ge- der Bestimmung ist der Politiker – sei er wiss, keiner ist für sich und andere unfehl- oder auch sie auch noch so groß oder klein bar. Aber das Erstreben eines besseren Ge- – verlassen und agiert in einer tiefen Unsi- meinwohls und die Annährung an eine cherheit. Doch, tatsächlich, es gibt ein gro- wohl nie zu erreichende Unfehlbarkeit der ßes Bild, ein festes Fundament, einen be- eigenen politischen Handlung ist Leitziel sonderen Rahmen: das christliche Men- der Politik und des Politikers. schenbild. Ein Mehr an Freiheit, ein Mehr an Gerechtigkeit und ein Mehr an Solidari- Es gibt dabei nur eine Gleichheit: Die tät an einem jeden Tag zu schaffen, ist Mo- Gleichheit aller Menschen in ihrer von tivation und bestimmt das Tun. Gott gegebenen Würde und Freiheit. Grundprinzip ist dabei, dass Gerechtig- Können wir zufrieden sein? Nicht verein- keit die Würde und Freiheit wahrt und bar damit sind die Unfreiheit des Nach- verlangt, Gleiches gleich und Ungleiches barn, die fehlende Chancengerechtigkeit verschieden zu behandeln. Jeder Mensch vieler Kinder und unsolidarischer Egois- ist einzigartig und in seinen Fähigkeiten mus. Also müssen wir handeln für das Rich- und Begabungen individuell. Dieses zu er- tige und Gute. Ungerechtigkeiten müssen kennen und zu akzeptieren, steht vor jeg- abgestellt, Unfreiheit beendet werden. licher Handlung.

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Und gerade Bildungs- und Familienpoliti- ker werden dadurch geleitet und suchen Chancengerechtigkeit und fordern eine solidarische und freie Gesellschaft ein. Gerade Kinder zu schützen, zu beschüt- zen und zu fördern, ist Bestimmung ihrer Profession.

Und hier leitet es wieder: unser christli- ches Menschenbild. In der Abstraktion, Komplexität und Konkretisierung des po- litischen Tagesgeschäftes mag es die Ge- fahr geben, das Wesentliche aus den Au- gen zu verlieren: ein Mehr an Freiheit, ein Mehr an Gerechtigkeit, ein Mehr an Soli- darität. Insoweit überprüfe immer dein Tun und dies immer wieder: „Prüfet alles und behaltet das Gute.“ Und dann be- kommt das christliche Menschenbild eine praktische Bedeutung, ohne etwas zu messen, zu evaluieren oder zu falsifizie- ren. Wenn ich fest bin im Glauben an die- se Leitung, dann bin ich fest im Tun. Und dann schließe ich die Augen und finde mich in Demut, Verantwortung und dem Gefühl wieder, es gut und richtig getan zu haben.

101 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

DR. BERNHARD WORMS Präsident der Europäischen Senioren-Union

Jedwede Arbeit, erst recht politisches Zusammenleben der Bürger auf ein brei- Handeln, wird nur dann anerkannt, wenn teres Fundament gestellt, als es der an- der Außenstehende spürt, hier wird das sonsten kleinste gemeinsame Nenner für Gebot der Glaubwürdigkeit beachtet. Ge- politische Arbeit in einem demokratischen mäß der Definition von Johannes Paul II. Staat kennt. ist diese dann gegeben, wenn Wort und Tat zu einer Einheit werden. Dies gilt ins- Das „C“ kennt eine weitere, sehr bedeut- besondere für jeden von uns, für den same Aussage: Das Liebesgebot! Übertra- christliches Leben und damit die Gebote ge ich dies auf die unaufgebbare Kraft- des Glaubens bindend sind. quelle einer gelebten Solidarität, so bin ich als Christ in der Politik stets verpflich- Aus meiner Sicht ist also das Bekenntnis tet, mit der mir möglichen Kraft Entschei- zum „C“ zugleich die Verpflichtung, sich dungen herbeizuführen, die ein Miteinan- in der politischen Diskussion und damit der auch im öffentlichen Leben ermögli- auch im Ringen um Mehrheiten bei Wah- chen, das zum Inhalt hat eine wahrnehm- len nur mit dem Gewicht von Argumen- bare und ausstrahlende Bereitschaft zum ten durchzusetzen und jegliche Formen Dienen, zum Verzichten. Die Hingebung von Polemik und Diskriminierung zu un- an den Mitmenschen, die der christliche terlassen. Natürlich gilt dies auch für je- Glaube fordert, wird so auch im politi- den Bürger im Umgang mit politisch An- schen Geschehen spürbar und trägt we- dersdenkenden; denn in unserem Grund- sentlich zum sozialen Frieden bei. gesetz heißt es: „Die Würde des Men- schen ist unantastbar.“ Aber unterwerfe Und ein drittes Gebot leite ich für mich ich mich dem „C“ und bekunde ich dies und meine Arbeit aus der Bindung an das auch noch öffentlich, so tritt eine zusätz- „C“ ab: „Rechenschaft abzulegen gegen- liche Selbstverpflichtung ein, die meinem über dem Schöpfer im Hinblick auf Fehl- Gegenüber erlaubt, mich danach zu beur- verhalten im politischen Alltag.“ Selbst- teilen, ob ich dem entspreche, was ich besinnung auf mein Tun und Unterlassen selbst von mir aussage! Dadurch wird das umfasst alle Handlungen, die ich getan

102 WAS DAS „C“ FÜR MICH BEDEUTET

habe oder hätte tun können. Diese Refle- nur auf dem Boden unseres Programms xion auf meine Arbeit steht im diametra- stehend verrichte, sondern dass es noch len Gegensatz zum geflügelten Wort ein „übergeordnetes Programm“ gibt, Adenauers: „Was kümmert mich mein demgegenüber ich verantwortlich zu han- dummes Geschwätz von gestern?“ deln habe. Dieser Tatbestand lässt mich zum Gegner werden gegenüber allen Be- Mir ist bewusst, wie schwer es ist, politi- strebungen, das „C“ in unserem Parteina- sche Aussagen zu formulieren, die im Hin- men abzuschaffen. Schon auf dem Bun- blick auf den Wahrheitsgehalt eines Dis- desparteitag 1969 gab es Bestrebungen, kussionsbeitrages gegebene Sachverhalte uns Deutsche-Demokratische-Union zu nachvollziehbar erklären, um anschließend nennen. Auch in jüngster Zeit gibt es Ver- Lösungswege aufzuzeigen. Die jüngsten lautbarungen aus Kirchenkreisen, wonach Vorgehensweisen in der Energiepolitik, in wir gut beraten seien, unseren Namen zu der internationalen Finanzkrise, aber auch ändern, weil wir das „C“ zu sehr ausge- im Vernachlässigen des demografischen höhlt hätten. Deshalb bedeutet für mich Geschehens sind Beweis genug, um einzu- das „C“: Ich erfülle den mir mitgegebenen sehen, welche Grenzen uns in der Politik Arbeitsauftrag als Christ in dieser Welt in gezogen werden. Und dennoch, die Bin- der Bindungskraft meines Glaubens. Um- dung an das „C“ – so sehe ich es – erfordert setzen kann ich dies am leichtesten in der auch die Bereitschaft, öffentlich zuzuge- CDU, weshalb ich in ihr schon länger als ben, dass man sich geirrt hat, dass man ei- 60 Jahre gerne arbeite. ner Fehleinschätzung erlegen ist. Dies hat zur Konsequenz, ein sich hieraus ändern- des Wahlverhalten nicht zum Anlass zu nehmen, dem mündigen Staatsbürger et- was zu verheimlichen, ihm etwas vorzuent- halten!

Da der Christ in der Politik auch nur ein Mensch ist, bleibt mir bewusst, wie sehr das „C“ eine tägliche Herausforderung ist, die auch ich nicht immer bestehe. Auf der anderen Seite stimmt es mich glücklich, dass ich meine Arbeit in der CDU nicht

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HENDRIK WÜST MdL

Was bedeutet das „C“ für mich in raum für tradierte Grundsätze, die im- meinem täglichen Tun? mer galten und noch heute und auch in Zukunft Geltung haben. So wird in jüng- Die Frage verstehe ich so: Was bedeutet es ster Zeit das schnelle Wechseln von Po- für mich in meinem täglichen Tun, mich zu sitionen fast lakonisch mit der Fehlbar- einer Politik zu bekennen, die das christli- keit des Menschen begründet. Wer frü- che Bild vom Menschen als ihre Grundlage her falsche Positionen vertreten habe, definiert? müsse sich eben revidieren und die neue Position sei schon deshalb gut und rich- Weil ich jeden Menschen für ein Ebenbild tig, weil das Revidieren an sich – der Gottes halte, halte ich den Menschen für Neubeginn – zur Fehlbarkeit gehöre: Fa- stark und groß. Er muss sich seine Würde milienpolitik, Energiewende, geglieder- nicht erwerben, sondern hat sie von An- tes Schulwesen etc. als Belege der Fehl- fang an und bis zu seinem Ende. Korrigiert barkeit des Christenmenschen? wird die Stärke des Menschen durch unser Wissen um unsere Fehlbarkeit. Dieses Wis- Positionen auf Grundlage unserer Grund- sen um die Fehlbarkeit macht demütig und werte zu modernisieren, damit Werte prak- zwingt zum Selbstzweifel und einer gesun- tisch gelebt werden können, ist unbestreit- den Skepsis gegenüber allem auch noch so bare Daueraufgabe christdemokratischer selbstbewusst Vorgetragenen. Politik, und natürlich gehört zum Aner- kenntnis der Fehlbarkeit ganz zwangsläu- Weil jeder Mensch Ebenbild des Gottes fig Umkehr und Neubeginn. Aber deshalb ist, an den ich glaube, ist mir eine unbe- ist noch lange nicht jeder Neubeginn, jeder dingte Ausrichtung auf das Wohl der Positionswechsel auch unfehlbar. Menschen aufgegeben. Den Mensch und seine Bedürfnisse in den Mittel- Mein politisches Tun nicht an ideologi- punkt von Politik zu stellen, klingt banal, schen Glaubenssätzen, sondern allein ist aber ungemein schwierig. Dieser An- am Bedürfnis des Menschen auszurich- spruch lässt vordergründig wenig Spiel- ten, wirft die Frage auf, aus welcher Per-

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spektive das Wohl denn zu definieren so richtig ist es eben auch, eine Position, ist. Entscheiden Politiker, also normale die nicht, nicht mehr, oder vielleicht noch Menschen, die einen Teil ihres Lebens in nicht beliebt, aber in der Sache dennoch politischen Ämtern verbringen, was an- den Menschen dienlich – mithin schlicht deren Menschen gut tut – ihnen dient? richtig – ist, nicht vorschnell zu räumen. Ist das nicht fast anmaßend? Das erfordert eben Mut.

Wäre der bessere Maßstab nicht viel- Diesen Mut ziehe ich aus der Erkenntnis, leicht derjenige, den die Menschen frei dass die letzte und mithin entscheidende von politischen Zwängen, Machtstreben Instanz, vor der wir uns verantworten, und Loyalitäten selbst artikulieren? nicht von dieser Welt ist. Das macht frei Oder führt das in die Irre, weil nur ein und mutig, weil es alle irdischen Instanzen Teil der Bevölkerung die Fähigkeiten, die relativiert. Selbst wenn man in Augen irdi- Zeit und die Mittel hat, sich vernehmbar scher „Richter“ – ob nun gesellschaftlicher zu artikulieren – das artikulierte Partiku- Mainstream, mediale Meinungsmacht larinteresse versus die Interessen der oder gar der Souverän – falsch liegt, kann Allgemeinheit? Offenbar gibt es also man doch für seine Überzeugung einste- doch eine Verantwortung der Politik, hen in der berechtigten Hoffnung auf selbst zu definieren und vorzutragen, letztinstanzliche Bestätigung vor Gott. was man für den Menschen als dienlich erachtet. Politik auf Basis des christli- Also: Fehlbarkeit und Umkehr: ja! Aber chen Menschenbildes bedeutet also aus auch Mut, Positionen einzunehmen und zu meiner Sicht auch das: Zu definieren, Überzeugungen zu stehen – nicht aus Prin- was wir für den Menschen dienlich hal- zip, sondern in erster Linie, weil man vom ten, dies zum Programm zu machen und Nutzen für die Menschen überzeugt ist. dann möglichst umzusetzen. Warum ist dieser Mut eher die Ausnahme Dabei ist nicht entscheidend, dass das als die Regel? Stört der Mut des Behar- Dienliche auch gefällt. Womit wir beim rens, des Stehenbleibens, des nicht mit Mut wären. Denn so richtig es ist, dass der der Herde Ziehens die Harmonie unserer Mensch nach unserem christlichen Bild Wohlstandsgesellschaft? Und lassen wir vom Menschen fehlbar ist und er auch sei- durch die Mutlosigkeit, auch einmal abzu- ne politischen Überzeugungen deshalb weichen, nicht zu viele zurück, die sich stets neu an der Wirklichkeit messen muss, unverstanden fühlen?

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