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Büsingen am Hochrhein – Ein Dorf zwischen den Grenzen

Ortsentwicklungskonzept

1. Einführung

2. Rahmenbedingungen

2.1. historischer Hintergrund Exklave mit Staatsvertrag

2.2 Bevölkerungsentwicklung - Status Quo - Altersstruktur - Prognose

2.3. Wirtschaftliche Entwicklung - Status Quo - Pendlerstruktur - Verkehrssituation ÖPNV - Individualverkehr - Naherholung - Prognose

3. Potentialanalyse

3.1. Potentialabschätzung - Stemmer - Gries - Ortsetter

3.2 Bewertung Flächenpotentiale

4. Bewertung / Fazit

AZ: 623.4

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1. Einführung

Ziel des vorliegenden Ortsentwicklungskonzeptes für die Gemeinde Büsingen soll eine nachhaltige und ganzheitliche Planung der langfristigen Entwicklung Büsingens sein. Hierbei soll die Ortsentwicklung - insbesondere die räumliche, wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Gemeinde - auf integrierte Weise koordiniert werden.

Die kommunal und privatwirtschaftlich organisierten Infrastrukturen sowie die Generalsanierung von privaten und öffentlichen Einrichtungen sollen mittelfris- tig umgesetzt werden. Eine aktive Grundstücks- und Baulandpolitik soll die Basis für eine positive Bevölkerungsentwicklung legen.

2. Rahmenbedingungen

2.1 Historische Hintergründe – Exklave mit Staatsvertrag

Die Gemeinde Büsingen ist durch eine beeindruckende Ortsgeschichte ge- prägt, die sich bis zum heutigen Tage in der Struktur und Ausrichtung des Dorfes ablesen lässt.

Die erste urkundliche Erwähnung von Büsingen geht auf das Jahr 1090 zu- rück. Seit dieser Zeit entwickelt sich der Ort kontinuierlich. Ein epochaler Ein- schnitt, der sich bis in die Neuzeit auswirkt, tritt 1692 – 1699 ein. Durch einen familiär hervorgerufenen Streit kommt es zum Zerwürfnis zwichen den vorder- österreichischen Lehnsgebern mit den Schaffhauser Lehnsnehmern über Bü- . Nur knapp kann dabei eine kriegerische Auseinandersetzung vermie- den werden. 1728 konnte Schaffhausen dann die Reiat-Gemeinden von Vor- derösterreich zurückkaufen – außer Büsingen, das „zum ewigen Ärgernis Schaffhausens“ nie an Schaffhausen fallen dürfe.

Seit dieser Zeit gab es immer wieder Bestrebungen, Büsingen an Schaffhau- sen anzugliedern, um die Exklavensituation zu entschärfen. Alle Bemühungen 3

scheiterten. Im Jahr 1967 wurde dann der „Vertrag zwischen der Bundesre- publik Deutschland und der schweizerischen Eidgenossenschaft über die Ein- beziehung der Gemeinde Büsingen am Hochrhein in das schweizerische Zoll- gebiet vom 19. Juli 1967“ ratifiziert, der Büsingen politisch zu Deutschland und wirtschaftlich zur Schweiz anschloss. Dies hat Auswirkungen bis nach Brüs- sel, da dadurch nicht alle Gesetze der EU auch in Büsingen gelten.

2.2. Bevölkerungsentwicklung

Derzeit leben in der Gemeinde Büsingen ca. 1350 Menschen, davon ca. 680 männliche und ca. 1/3 Doppelbürger bzw. Schweizer Bürger sowie Menschen aus weiteren Nationen.

Status Quo Büsingen ist seit 1960 bis 2002 stetig gewachsen, was durch die geografi- sche Lage und die Nähe zur Schweiz erklärt werden kann. Eine Stagnation und eine Abwanderung lassen sich ab 2002 statistisch nachweisen. Dies liegt an der einkommenssteuerlichen Situation Büsingen, dass junge Menschen den Ort verlassen, aber auch daran, dass keine adäquaten Baugebiete aus- gewiesen wurden. Aus den gleichen einkommensteuerlichen Belangen kom- men immer mehr Rentner in die Gemeinde Büsingen, sodass das Dorf mitt- lerweile das höchste Durchschnittsalter in Baden-Württemberg aufweist. Der Zuzug durch Schweizer Pensionäre kann den Wegzug der jungen Generation zahlenmäßig nicht kompensieren. In Zukunft wird dies noch schwieriger wer- den, da der steuerliche Vorteil dieser Bevölkerungsgruppe sinkt.

Altersstruktur Aus den statistischen Daten wird deutlich, dass Büsingen einen überdurch- schnittlichen Anteil an Rentnern im Vergleich zum Landkreis aufweist und ei- nen unterdurchschnittlichen Anteil an 15-40jährigen. Dies lässt sich aus den oben erwähnten Punkten erklären. Das Wegfallen dieser für eine Gemeinde wichtigen Generation hat eklatante Auswirkungen für Büsingen. Einer weite- ren Abwanderung dieser Generation muss entgegengewirkt werden.

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Generell muss in Büsingen der Zuzug für junge Familien im Rahmen der Ortsentwicklung besondere Beachtung geschenkt werden, ohne die Belange für Senioren zu vernachlässigen. Zum ersteren gehört eine Baulandentwick- lung und ein Sanierungskonzept, zum zweiten ein altersgerechtes Angebot wie z.B. ein Altenheim. Beide Belange können momentan nicht befriedigt wer- den, da weder Bauland noch ein Altenheim vorhanden ist.

Prognose Eine Prognose der Bevölkerungsentwicklung ist recht schwer zu erstellen. Im Wesentlichen überwiegt aber ein positiver Trend. Begründen lässt sich dies durch die geographische Lage Büsingens im Zuzugsbereich von Bodensee und Hochrhein sowie der Nähe zu Schweiz und deren Ballungsgebieten Schaffhausen bis Zürich. Ebenfalls liegen Anfragen von jungen Familien vor, die sich in Büsingen ansiedeln wollen, doch keinen Bauplatz bekommen. Be- trachtet man diese Faktoren, so kann man folgende Szenarien abbilden. Geht man von einer Einwohnerzahl von 1500 aus (Stand 1994), so erhält man ein Wachstumspotential von 11%. Nimmt man als Minimalziel die Einwohnerzahl von 1400 (Stand 2008) an, so hat man immer noch ein Potential von 3,7%.

Dieses dynamische Entwicklungspotential, das überdurchschnittlich zum Landkreis ist, müssen wir für die Ortsentwicklung nutzen.

2.3. Wirtschaftliche Entwicklung

Status Quo Die für kleine Landgemeinden typischen dörflichen Strukturen sind auch für Büsingen gegeben. Aufgrund des Staatsvertrages ist hierbei die Landwirt- schaft sehr prägend mit fallender Tendenz. Die Ausrichtung der Arbeitnehmer in die Schweiz ist signifikant, wobei die Einkaufsmöglichkeiten in Deutschland intensiv genutzt werden. Im Ortskern von Büsingen gibt es aktuell eine Post, eine Sparkassenfiliale, ein Lebensmittelgeschäft, eine Landi, einen Zahnarzt sowie verschiedene Dienstleistungsunternehmen, vornehmlich im Bereich der Hausverwaltung / Makler. Es gibt fünf Gastronomiebetriebe, zwei Unterneh- 5

men bieten Plätze für den Tourismus. Der Ortsteil Stemmer ist ein reines Wohnquartier ohne wesentliche wirtschaftliche Infrastruktur.

Pendlerstruktur Durch die Analyse der Erwerbs- und Sozialstruktur sowie der Pendlerverflech- tungen der Gesamtgemeine Büsingen kann festgehalten werden, dass die Gemeinde nahezu eine reine Schlaf- / Wohngemeinde darstellt. Nahezu 98% aller Beschäftigten pendelt aus und zwar zum überwiegenden Teil in die Schweiz

Verkehrssituation ÖPNV In diesem Zusammenhang kommt dabei der Verkehrsanbindung durch den ÖPNV eine bedeutende Rolle zu. Während der Schweizer Verkehrsverbund einen dynamischen Halbstundentakt zwischen den Gemeinden Schaffhausen (CH) – Büsingen (D) – Dörflingen (CH) auf Schweizer Seite aufweist, wird Bü- singen durch den deutschen ÖPNV stark vernachlässigt und unbefriedigend bedient.

Individualverkehr Durch den gesamten Ort Büsingen verläuft die L 202, die eine maßgebliche Pendler-Verbindungsfunktion in das Schweizer Zentrum Schaffhausen sowie in die Unterzentren Gailingen (D) mit vorhandenen Supermärkten darstellt. Dies stellt eine überdurchschnittliche Verkehrsbelastung der Anwohner dar, auch im Hinblick darauf, dass dieser Verkehr steigend ist. Im Weiteren gibt es zwei Kreisstraßen mit einer durchschnittlichen Verkehrsbelastung.

Naherholung Die Gemeinde Büsingen verfügt über ein gut ausgebautes Rad- und Wander- wegenetz, das in einigen Teilen verbesserungsbedürftig ist. Büsingen liegt am internationalen Radfernwanderweg, der jährlich mehrere Tausend Radfahrer aufnimmt. Zusätzlich besitzt Büsingen eine Schiffsanlegestelle für Kursschiffe auf Untersee und Rhein. Auch der Freizeitgehalt des Rheins an sich zieht in den Sommermonaten viele Besucher aus dem Umland in die Badeanstalt und an viele renaturierte Strände von Büsingen. 6

Prognose Auch in Zukunft wird Büsingen ein reines Schlaf- und Wohnquartier für die umliegenden Zentren - primär - der Schweiz sein. Bedingt durch die geografi- sche Lage und die Exklavensituation werden kaum mittelständische Unter- nehmen angesiedelt werden können, die Arbeitsplätze bieten. Vor diesem Hintergrund ist es unumgänglich, die Beschäftigungsentwicklung in den um- liegenden Zentren zu betrachten. Das Einzugsgebiet der Berufspendler geht auf Schweizer Seite von Schaffhausen über St. Gallen bis Zürich und auf deutscher Seite von bis Singen und . Diese Gemein- den auf beiden Seiten der Grenze sind dynamische, prosperierende Zentren mit knappen Wohnressourcen. Auf Grundlage dieser Punkte ist es existenziell wichtig, neue Wohnquartiere auszuweisen und gleichzeitig die nötige Infra- struktur wie Schule, Kita und Einkaufsmöglichkeiten auszubauen bzw. zu er- halten. In einem weiteren Bereich könnten der Tourismus und Dienstleistungs- gewerbe für deutsche Unternehmen, die die Schweiz bearbeiten wollen, Bran- chen mit Zukunft für Büsingen sein.

3. Potentialanalyse – Gesamtkonzept

3.1. Potentialabschätzung Stemmer: Der Ortsteil Stemmer, geprägt als reines Schlafquartier, ist in seiner Baustruk- tur durchzogen von Mehr- und Einfamilienhäusern. Freie Baugrundstücke sind kaum noch vorhanden und befinden sich in privater Hand. Die Nachfrage im Ortsteil Stemmer ist hoch, insbesondere, da dieser Ortsteil direkt an Schaff- hausen angrenzt. Geprägt aus der Historie werden einige Wohnungen nur als Ferienwohnungen genutzt. Leerstände im eigentliche Sinne gibt es keine. Im Stemmer haben sich zwei Zahnärzte und eine Schönheitsklinik niedergelas- sen. Ein Allgemeinmediziner fehlt.

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Gries: Im Gewann Gries steht die Grundschule und die Büsinger Mehrzweckhalle, die nach einem Brand bis 2013 wieder neu erstellt wurde. Das Gewann Gries ist primär durch Einfamilienhäuser geprägt, die am Rand durch Mehrfamilien- häuser eingesäumt werden. Eine Verdichtung in diesem Wohnquartier ist nicht mehr möglich, da alle freien Bauplätze veräußert und bebaut bzw. in der Be- bauung sind. Leerstände sind keine vorhanden.

Ortsetter: Der Ortsetter ist geprägt durch ein historisch gewachsenes Mischgebiet, pri- mär landwirtschaftliche Betriebe sind hier noch vorhanden. In diesem Gebiet befindet sich auch die Infrastruktur des gesamten Ortes wie Post, Bank, Le- bensmittelladen und Kindertagesstätte. Ebenfalls gibt es einen Zahnarzt, aber keinen Allgemeinmediziner. Freie Bauplätze sind keine mehr vorhanden, sodass eine Verdichtung nicht möglich ist. Auf der anderen Seite haben wir im Ortsetter etliche Leerstände von Wohnhäusern und Gewerbeeinheiten. Im Zuge eines geförderten Landes- /Bundesprogramms sollen diese Leerstände minimiert und der Ortsetter at- traktiviert werden. Durch den Wegzug der evangelisch-freikirchlichen Glaubensgemeinschaft der Nazarener entsteht mitten im Ortsetter eine ca. 1,2 ha große Brache. Auch hier liegt es in der kommunalpolitischen Verantwortung, dies einer nachhalti- gen Bebauung zuzuführen.

3.2. Bewertung der Flächenpotentiale

Innenbereich In Büsingen ist im gesamten Ortsbereichen eine Verdichtung kaum mehr mög- lich. Die Innenentwicklung ist im Ortskern jedoch von besonderer Bedeutung, um die hier einmalige Möglichkeit des Nutzungswandels der Nazarener in ein funktionierendes Siedlungsgefüge zu erhalten. Dabei wird durch die Umnutzung der entstehenden Brache durch die Auswei- sung als Wohnbauland eine Zuwanderung nach Büsingen generiert bzw. die bereits stattfindende Nachfrage nach Bauland kann befriedigt werden. 8

Außenbereich Weitere Wohnbauflächen sind über den FNP nicht ausgewiesen. In diesem Bereich muss in einer weiteren Fortschreibung des FNP weiterer Siedlungsbe- reich in den verschiedenen Teilgebieten erschlossen werden.

4. Fazit

Ziel des Ortsentwicklungsprozesses ist eine nachhaltige und ganzheitliche Planung der langfristigen Entwicklung von Büsingen. Hierbei strebt das Ent- wicklungskonzept für Büsingen eine Stärkung der Rolle als attraktiver Wohn- standort an. In erster Linie muss dazu die Aufwertung von siedlungsstrukturel- len Defiziten und Problemen als vorrangiges Ziel im Entwicklungskonzept be- nannt werden. Insgesamt konzentriert sich das Ortsentwicklungskonzept in verschiedenen Bereichen auf die zentrale Aufgabe der Innenentwicklung. Da- raus ergeben sich dann folgende Themen die in Prioritäten gestaltet werden müssen - Büsingen hat kein Bauland mehr. Um mittel- und langfristig als Gemeinde existieren zu können brauchen wir Familien, die in Büsingen bleiben bzw. sich neu ansiedeln. - um den ökologischen Flächenverbrauch in den Außenbereichen zu mini- mieren, ist es ökonomisch Sinnvoll eine Innenverdichtung anzustreben. Ei- ne solche Einmalige Chance entsteht durch den Wegzug der Nazarener im Ortskern - durch eine Verdichtung im Innenbereich ist es auch möglich dort eine al- tersgerechte Wohnanlage zu planen und zu errichten mit einer Begeg- nungsstätte für das ganze Dorf - Sanierung von Leerständen und Bestandsgebäuden in einem Sanierungs- gebiet um dadurch die Attraktivität des Ortes zu steigern. - die Problematik, die der Staatsvertrag zwischen Deutschland und der Schweiz bezgl. Büsingen mit sich bringt müssen immer beachtet werden

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Aus den bisher dargestellten Aspekten sind für Büsingen folgende Prioritäten vordringlich:

Priorität 1: Innenentwicklung: Brache Nazarener

Die Nachfrage an Wohnraum aus der Gemeinde heraus, aber auch aus den nahegelegenen Ballungszentren, soll in Büsingen befriedigt werden können. Da über die FNP-Planung nur eine Arrondierung am östlichen Gemeinderand möglich ist, kommt der drohenden Brache in der Ortsmitte eine tragende Rolle zu. Das Gebiet wird bereits ganz von Wohnbebauung umschlossen und bietet sich aus diesem Grund hervorragend als Entwicklungsgebiet an. Auch aus er- schließungstechnischen Belangen bietet sich dieses Gebiet an, da die Ver- sorgungsleitungen ohne größeren Aufwand gelegt werden können. Für den Kauf und die Entwicklung des Gebietes benötigt die Gemeinde Büsingen die Hilfe des Landes.

In dem durch die Gemeinde umrissenen Gebiet sollen zusätzlich – durch För- derprogramme unterstützt – Sanierungsmaßnahmen im den Leerständen und Bestand durchgeführt werden.

Priorität 2: Innenentwicklung: Altenheim – Erhaltung Infrastruktur

Büsingen, als älteste Gemeinde in Baden-Württemberg, hat keine Infrastruktur in punkto altersgerechtes Wohnen und Pflege. Auch hier besteht ein hoher Handlungsbedarf. Aus diesem Grund hat die Gemeinde im Ortsetter, mitten in der drohenden Brache, bereits ein Grundstück erworben, das sich zu diesem Zweck deutlich anbietet. Dies muss bei der Überplanung der drohenden Bra- che mit einbezogen werden.

Der weitere Schwerpunkt liegt in der Erhaltung der Infrastruktur. Die beiden Einkaufsmöglichkeiten werden altersbedingt in naher Zukunft schließen, da es keinen Nachfolger gibt. Auch hier sollte versucht werden, dass im Bereich der 10

„alten Milchzentrale“ – ebenfalls seit Jahren ein Leerstand in der Ortsmitte – ein kleiner „Discounter“ integriert werden könnte.

Priorität 3: Sanfter Tourismus und ÖPNV

Die Lage Büsingens in idyllischer Landschaft und direkt am Rhein sowie der Sonderstatus als Exklave kann im touristischen Bereich ausgenutzt werden. Auch die Lage am Fernradweg würde sich hierzu anbieten. Ein entsprechen- des Konzept hierfür muss erarbeitet werden. Im Bereich des ÖPNV ist die Anbindung an die Schweiz sehr gut mit einem Halbstundentakt nach Schaffhausen. Die Anbindung an die deutsche Seite muss noch nachhaltig aufgebaut werden.