Geschichte Des Kantons Bern Seit 1798 Band Iii Tradition Und Aufbruch 1881-1995

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Geschichte Des Kantons Bern Seit 1798 Band Iii Tradition Und Aufbruch 1881-1995 BEAT JUNKER GESCHICHTE DES KANTONS BERN SEIT 1798 BAND III TRADITION UND AUFBRUCH 1881-1995 UNTER DEM PATRONAT DES REGIERUNGSRATES HERAUSGEGEBEN VOM HISTORISCHEN VEREIN DES KANTONS BERN HISTORISCHER VEREIN DES KANTONS BERN, BERN 1996 ARCHIV DES HISTORISCHEN VEREINS DES KANTONS BERN, 79. BAND 1996 GESTALTUNG: EUGEN GÖTZ-GEE, STÄMPFLI & CIE AG, BERN SATZ, DRUCK UND EINBAND: STÄMPFLI & CIE AG, BERN PHOTOLITHOS: BUSAG GRAPHIC AG, NIEDERWANGEN/BERN (SCHWARZWEISS) UND REPRO MARTI AG, HINTERKAPPELEN (FARBIG) ISSN 0250-5673 ISBN 3-85731-0018-7 1 GELEITWORT & VORWORT DES VERFASSERS GELEITWORT Im Hinblick auf das hundertjährige Bestehen des Historischen Vereins des Kantons Bern (1946) hat dessen Vorstand im Jahre 1942 den damaligen Präsidenten, Prof. Richard Feller, dafür gewinnen können, eine "Geschichte Berns" zu verfassen. Als dieses – heute als klassische Darstellung der politischen Entwicklung Berns geltende – Werk im Band IV bis zum Jahre 1798 vorgerückt war, nahm der Tod 1958 Richard Feller die Feder aus der Hand. Es darf als glückliche Fügung bezeichnet werden, dass auf das 150jährige Bestehen des Historischen Vereins hin mit dem dritten Band von Beat Junkers "Geschichte des Kantons Bern seit 1798" erstmals eine bis in die Gegenwart reichende "lesbare Darstellung der politischen Geschichte des Kantons Bern" vorliegt, wie sie schon 1942 die Zielsetzung des Vereinsvorstandes gewesen war! Zum Text, für den allein der Autor verantwortlich ist, steuerte das Staatsarchiv (Peter Martig, Karl F.Wälchli) den Bildteil bei; die Redaktion lag in den Händen von Emil Erne. Dem Vorstand des Historischen Vereins liegt daran, Prof. Beat Junker grossen Dank und hohe Anerkennung zu bezeugen für die nun abgeschlossene Darstellung der politischen Geschichte des Kantons Bern zwischen 1798 und 1995. Er ist sich bewusst, dass jetzt zwar ein lang erstrebtes Ziel erreicht ist, dass dieses aber gleichzeitig Ausgangspunkt für neue Bemühungen sein muss. Mit dem als Band IV der Kantonsgeschichte bezeichneten Werk von Prof. Christian Pfister weist der Vorstand darauf hin, dass zur politischen Geschichte hinzu auch andere Aspekte der bernischen Geschichte Gegenstand kompetenter Darstellungen werden sollen. Historischer Verein des Kantons Bern Arbeitsgruppe Kantonsgeschichte K.F.Wälchli J.Segesser H.-R.Egli R.Cornioley C.M.Merki E.Erne VORWORT DES VERFASSERS Mit diesem Band kommt die "Geschichte des Kantons Bern seit 1798" zu einem vorläufigen Abschluss, obwohl darin manches erwähnenswerte Ereignis nicht genannt und manche gewichtige Quelle nicht ausgeschöpft ist. Es bleibt also noch genug zu tun für künftige Bearbeiterinnen und Bearbeiter von Zeitraum und Themenkreis. Der Verfasser ist herzlich dankbar dafür, dass "Im Strom der Modernisierung – Bevölkerung, Wirtschaft und Umwelt 1700–1914" von Christian Pfister ebenfalls in der Reihe der "Geschichte des Kantons Bern seit 1798" erscheint, entlastet doch dieses Werk den vorliegenden Band und seinen Verfasser gewaltig. 2 Wer Zeitgeschichte erforscht und darstellt, weiss um die Bedingtheit von Wertungen. Besonders in den gegenwartsnäheren Kapiteln treten sie deshalb zurück hinter das Bestreben, den Ablauf des Geschehens so klar wie möglich zu erfassen, was oft noch Schwierigkeiten genug bot. Selbst ein Band, der unter dem Namen eines einzigen Autors veröffentlicht wird, ist im Grunde stets das Erzeugnis vieler, die den Verfasser mit Hinweisen, Anregungen und auch mit Aufmunterung unterstützt haben. All diesen Helfern sei hier aufrichtig gedankt, besonders herzlich Redaktor Emil Erne sowie dem Staatsarchiv des Kantons Bern. In dessen Räumen und in der sorglichen Betreuung durch sein Personal hat die "Geschichte des Kantons Bern seit 1798" ideale Bedingungen für ihr Entstehen gefunden. Beat Junker ERSTER TEIL: ZAGHAFTER WANDEL AM ENDE DES 19. JAHRHUNDERTS I. KAPITEL: DIE AUSGANGSLAGE 1. DIE POLITISCHEN PARTEIEN Nach der Niederlage im Grauholz am 5. März 1798 fiel das Alte Bern, und an die Stelle des politischen Ancien régime trat die Ordnung der Helvetik, die von den Ideen der Französischen Revolution geprägt war. Sie bestand aber nur so kurze Zeit, dass sie von ihren vielen Reformplänen beinahe nichts verwirklichen konnte. Die Mediation näherte sich dann wieder stärker früheren Zuständen, und erst recht regierten nach Napoleons Sturz, während der Restauration, die Stadt Bern und ihr Patriziat erneut fast allein über die anderen Gesellschaftsschichten und Regionen. Bern hatte nun den Aargau und die Waadt endgültig verloren, erhielt aber dafür den grössten Teil des ehemaligen Fürstbistums Basel, das fortan den jurassischen Landesteil bildete. Die Herrschaft des Patriziates fand ein Ende, als am 13. Januar 1831 die bisherige Regierung zurücktrat und neuen Männern Platz machte. Diese stammten vor allem aus dem vermöglichen und gebildeten Bürgertum der Landstädte. Damals entstand die erste eigentliche Verfassung des Kantons Bern. Sie wagte zwar Schritte zur Demokratie hin, brachte aber nicht die Gleichberechtigung, da ein Zensus nur den Reichen das volle Wahlrecht gewährte. Auch schuf sie bloss eine repräsentative Demokratie, in welcher der Grosse Rat endgültig über Gesetze beschloss, ohne dass das Volk noch in einer Abstimmung darüber entscheiden konnte. Immerhin kehrte von nun an die Vorherrschaft der Stadt Bern und ihres Patriziates nie mehr zurück. Viele Berner hatten sich vom neuen Regime Erleichterungen besonders bei den Abgaben erhofft. Als ihre Erwartungen sich nicht sogleich erfüllten, wandten sie ihre Gunst den Radikalen zu, die – getragen von einer Welle der Veränderung auch in der übrigen Eidgenossenschaft und in weiten Teilen Europas – 1846 eine neue Kantonsverfassung durchsetzten, in welcher das Zensuswahlrecht beseitigt und der Aufbau der Behörden vereinfacht wurden. Zudem kam sie den Wünschen der verschiedenen Landesteile weit entgegen, namentlich durch die völlige Abschaffung des Zehntens, die Linderung der Armenlasten, die auf die Gemeinden drückten, und die Erhaltung der überlieferten eigenen Vorschriften des Juras im Gesetzeswesen, bei den Steuern und in der Armenfürsorge. 3 Aber auch diesmal stellten sich Erfolge nur langsam ein, so dass die Radikalen in den Grossratswahlen von 1850 den konservativen "Schwarzen" unterlagen, welche nun für vier Jahre allein die Kantonsregierung stellten. Dann kam es 1854 zur "Fusion", das heisst, der Exekutive des Kantons gehörten fortan stets Konservative und Radikale gleichzeitig an, wobei die Radikalen bald wieder das Übergewicht gewannen und den politischen Kurs bestimmten. Allerdings verliefen die Fronten immer weniger genau den Parteigrenzen entlang. Beim Bau der Eisenbahnen zum Beispiel standen sich weit eher Regionen oder Wirtschaftsgruppen gegenüber, und bei der Einführung des Gesetzesreferendums 1869 traten Männer gegeneinander an, die man bisher gewöhnlich derselben Parteirichtung zugerechnet hatte. Kurz vor 1880 erschütterten dann Ereignisse den Kanton Bern, für die seither die Bezeichnung Staatskrise üblich geworden ist. Damals kam zutage, dass kurz zuvor der Regierungsrat seine Befugnisse weit überschritten und hinter dem Rücken von Grossem Rat und Öffentlichkeit der serbelnden Eisenbahngesellschaft Bern–Luzern die sogenannte "Vorschussmillion" vorgestreckt hatte. Der Volkszorn entlud sich, als die Behörden dem Bürger zumuteten, er solle an der Urne diesen Kredit nachträglich billigen. Mit gewaltigem Mehr schickte das Stimmvolk die Vorlage bachab und gab kund, dass es kein Vertrauen zu seiner Kantonsregierung mehr besass. Deren Mitglieder traten darauf alle zurück, und während Jahren gelang es nicht, sämtliche neun Sitze wieder zu besetzen, so dass die Exekutive bis 1886 den Vorschriften der Verfassung nicht mehr entsprach. Bedeutete das eine Wende und lief die bernische Politik fortan in eine andere Richtung als bisher? Es fällt auf, dass Zeitgenossen selten so urteilten und dass die Vorgänge von 1877 und 1878 überhaupt weniger Bewegung auslösten, als die Nachwelt vielleicht erwarten würde. Längere Vakanzen in der Exekutive sowie die Ablehnung einer Wahl durch Erkorene waren für das spätere 19. Jahrhundert weniger aussergewöhnlich als für unsere Zeit, und zudem hatten einige Demissionäre ihren Rücktritt wohl eher als Demonstration betrachtet und gehofft, der Grosse Rat werde sie gleich wieder in ihr altes Amt wählen. Konnten nun die Konservativen neu erstarken und – wie vor Jahrzehnten – wieder zum Partner gleichen Gewichtes aufsteigen, nachdem sie seit der "Fusion" von 1854 meist bloss noch einen oder zwei der neun Regierungsräte gestellt hatten? Derartige Spekulationen erhielten Auftrieb, als ungefähr zur selben Zeit die Radikalen auch anderswo in der Eidgenossenschaft und im übrigen Europa Rückschläge erlitten. So entfernte sich Bismarck mit dem Auslaufen des Kulturkampfes von den Liberalen und ihren Freihandelsideen und näherte sich den Konservativen, um gemeinsam mit ihnen die Sozialisten zu bekämpfen, in denen er jetzt die gefährlicheren Feinde sah. In Grossbritannien lösten Mitte der 1870er Jahre die Tories unter Benjamin Disraeli die Whigs William Gladstones in der Regierung ab, und Frankreich verabschiedete zwar um 1875 die Monarchie endgültig, doch der Präsident der Republik, General MacMahon, war geprägt von konservativen Ideen. Wenig später folgte in Russland der reaktionäre Zar Alexander III. auf seinen ermordeten, liberaleren Vorgänger Alexander II., und in Österreich–Ungarn stützte sich Ministerpräsident Taaffe mehr und mehr auf Klerikale und Konservative statt auf Liberale wie zuvor. In der Eidgenossenschaft gewannen die Konservativen
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