Recht informiert. Der Newsletter von Pfisterer Rechtsanwälte, Juni 2105

Sehr geehrte Damen und Herren

Sie haben den ersten Newsletter von Pfisterer Rechtsanwälte vor sich. Gerne haben wir Ihnen diesen zugestellt. Wir freuen uns, Sie jetzt und in Zukunft auf diesem Weg über wichtige Entscheidungen und Entwicklungen in unseren Rechtsgebieten zu informieren. Wir beantworten auch kleinere Rechtsfragen, welche uns gestellt werden.

Ihr Team von Pfisterer Rechtsanwälte, Aarau: Dr. Lukas Pfisterer lic. iur. Philippe Catalan lic. iur. Sibylle Pfisterer

Inhaltsübersicht

1. Aktuelles aus der Rechtsprechung: Mobilfunkanlage in 2. Aktuelle Kundenfrage: „Zeitverlust und Schadenersatz nach Einwendung gegen ein Bauprojekt?“ 3. Aktuelles aus der Gesetzgebung: Baugesetz , Submissionsrecht 3.1. Baugesetz Aargau: Vernehmlassung zu einer Teilrevision 3.2. Beschaffungswesen: Vernehmlassungsverfahren zum Entwurf für ein neues Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen und für eine neue (Bundes-)Verordnung 4. Aktuelles aus der Politik: Keine Rückwirkungsklauseln in Volksinitiativen

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Pfisterer Rechtsanwälte · Entfelderstrasse 17 · CH-5000 Aarau · Tel. +41 62 550 01 55 · Fax +41 62 550 01 56 · [email protected] · www.pfisterer.ch

1. Aktuelles aus der Rechtsprechung: Mobilfunkanlage in Zufikon

Entscheid: Die Swisscom Schweiz AG wollte an der Belvédèrestrasse 76 in Zufikon eine Mobilfunkantenne erstellen. Einige Nachbarn wehrten sich dagegen bis vor Bundesgericht - ohne Erfolg (Urteil 1C_493/2014 vom am 16. März 2015).

Die Nachbarn bestritten unter anderem die Notwendigkeit der Anlage. Sie argumentierten, auf einem Parkplatz in der Nähe sei eine Internetverbindung möglich. Das Bundesgericht hielt dazu fest, dass der Bau einer Mobilfunkantenne im Baugebiet keinen Bedürfnisnachweis verlangt. Ob also im Bereich der geplanten Antenne bereits heute eine Verbindung möglich ist, ist nicht entscheidend. Die Versorgung genügt erst, wenn auch der Empfang in Gebäuden möglich ist. Erst dann besteht eine genügende Netzqualität.

Die Antenne deckt neben Zufikon auch Gebiete von , Widen, , Künten und ab. Die Beschwerdeführer machten daher geltend, sie widerspreche der Bauzone in Zufikon. Das Bundesgericht verneinte auch dies: Die Anlage ist auch zonenkonform, wenn sie nicht nur einem Dorfteil sondern dem ganzen Dorf dient. Zudem ist weder erforderlich noch sinnvoll, dass die angestrebte Versorgung hauptsächlich der Standortgemeinde oder gar nur der betroffenen Zone dient. Das würde zusätzliche Mobilfunkanlagen nötig machen. Die geplante Antenne ist für eine Wohnzone üblich gross und stark. Solche Anlagenstandorte müssen nicht über die Gemeindegrenzen hinweg geplant werden. Auch weil die Gemeinde Zufikon keine besonderen Vorschriften zur Festlegung von Antennenstandorten hat, bestätigte das Bundesgericht daher die Zonenkonformität und wies die Beschwerde insgesamt ab. Damit darf die Mobilfunkantenne erstellt werden.

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Bemerkungen: Mit der letzten Feststellung, dass die Gemeinde Zufikon keine besonderen Vorschriften zur Festlegung von Antennenstandorten hat, bestätigte das Bundesgericht seine Rechtsprechung zu Mobilfunkanlagen: Die Gemeinden dürfen in den Bau- und Zonenvorschriften (BNO) Bestimmungen über „Natelantennen“ aufnehmen. Zum Beispiel der Dorfcharakter oder die Wohnqualität eines Quartiers sind als Gründe denkbar. Die Gemeinden dürfen auch eine Standortevaluation oder eine Koordinationspflicht von Antennen untereinander vorschreiben. Ist keine solche Koordinationspflicht vorgeschrieben, muss nicht geprüft werden, ob geeignete Alternativstandorte vorhanden wären. Eine Gemeinde darf auch entscheiden, dass in reinen Wohnzonen Mobilfunkanlagen von der Grösse und der Leistungsfähigkeit her nur der lokalen Versorgung dienen dürfen (so genannte „Kaskadenregelung“). Ohne solche Regeln sind die Anlagen auch zonenkonform, wenn sie nicht nur den Empfang in der Zone sicherstellen, in welcher sie stehen, sondern darüber hinausgehen. Nicht zulässig ist es aber, wegen dem Schutz vor der Strahlung Antennen zu verbieten. Dieses Thema regelt das Bundesrecht abschliessend. Die Gemeinden dürfen also eine „Standortpolitik“ verfolgen, müssen dazu aber den richtigen Ansatz leisten.

Mehr dazu unter:  Urteil des Bundesgerichts 1C_493/2014 vom 16. März 2015 (Webseite des Bundesgerichts)  Leitfaden Mobilfunk für Gemeinden und Städte (Bundesamt für Umwelt)

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2. Aktuelle Kundenfrage: „Zeitverlust und Schadenersatz nach Einwendung gegen ein Bauprojekt?“

Frage: „Mein Nachbar hat eine Einsprache gegen mein Bauprojekt eingereicht. Um wieviel wird mein Baubeginn verzögert? Darf ich ihm die Mehrkosten in Rechnung stellen, da er offensichtlich nur meinen Bau verzögern will?“

Antwort: Jede Einwendung führt zu einer Verzögerung des Bauprojektes. Der Gemeinderat als Baubewilligungsbehörde muss diese behandeln und danach mit dem Baugesuch darüber entscheiden. Eine allgemeingültige Aussage zur Verzögerung ist kaum möglich. Bestenfalls sind es wenige Tage, allenfalls aber auch Wochen oder Monate. Allenfalls kann der Zeitverzug durch Verhandlungen verkürzt werden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Erhebung einer Einwendung oder Beschwerde grundsätzlich auch dann zulässig, wenn sie letztlich erfolglos bleibt. Jeder Bürger ist berechtigt, sich für vermeintliche Ansprüche zu wehren, sofern er in guten Treuen handelt. Er handelt jedoch dann rechtswidrig oder sittenwidrig, wenn er seine Verfahrensrechte missbräuchlich, böswillig oder wider Treu und Glauben einsetzt, also zum Beispiel nur zur Zeitverzögerung oder um sich den Rückzug mit Geld „zu erstreiten“.

Der Bauherr kann den Schaden im Baubewilligungsverfahren nicht zurückverlangen. Er muss dazu den Zivilweg wählen und eine Forderung einklagen: Friedensrichter, danach Bezirksgericht, Obergericht, letztlich Bundesgericht. Da muss er (erstens) die Rechtswidrigkeit der Einwendung, (zweitens) das Verschulden, das heisst den Rechtsmissbrauch, (drittens) den Schaden und (viertens) den Zusammenhang zwischen der rechtsmissbräuchlichen Einwendung und dem Schaden beweisen, so dass der Richter davon überzeugt ist. Nur wenn

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diese vier Voraussetzungen zusammen (!) erfüllt sind, darf der Zivilrichter einen Schadenersatzanspruch gutheissen. Der Aufwand ist also hoch, das Risiko, den Prozess zu verlieren, ist nicht unerheblich. Das liegt daran, dass ein offensichtlich unbegründetes Begehren nicht automatisch auch rechtsmissbräuchlich ist. Klare Fälle ausgenommen verzichten Bauherrn deshalb meistens auf eine Schadenersatzklage - und ärgern sich über die Einwendung.

3. Aktuelles aus der Gesetzgebung: Baugesetz Aargau, Submissionsrecht

3.1. Baugesetz Aargau: Vernehmlassung zu einer Teilrevision Noch bis 23. Juni 2015, also knapp zwei Wochen, läuft die Anhörung zur Teilrevision des kantonalen Baugesetzes. Es geht um die Anpassungen an die Revision des Raumplanungsgesetzes des Bundes nach dem Volksabstimmung vom 3. März 2013. Das Bundesgesetz verpflichtet die Kantone unter anderem, finanzielle Abgaben auf den Mehrwerte von Land nach Einzonungen zu erheben. Zudem soll Bauland vermehrt effektiv zur Überbauung zur Verfügung stehen. Das muss nun im kantonalen Baugesetz umgesetzt werden.

Das kantonale Baugesetz soll insbesondere wie folgt angepasst werden: (1) Mehrwertausgleich: Wenn Landwirtschaftsland zu Bauland wird, steigt der Bodenpreis, es entsteht ein Mehrwert. Die Grundeigentümer sollen von

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diesem Mehrwert bei Einzonungen neu mindestens 20% abgeben. Der Regierungsrat stellt dazu Varianten zur Diskussion. Je nach Variante sollen die Gemeinden auch höhere Abgaben oder Abgaben bei Umzonungen (z.B. Arbeitszone wird Wohnzone) oder Aufzonungen (Wohnzone 2-geschossig wird Wohnzone 3-geschossig) erheben dürfen. (2) Baulandmobilisierung (Förderung der Verfügbarkeit von Bauzonen): Neu soll bei jeder Einzonung eine Frist für die Überbauung festgelegt werden. Bei bereits eingezonten Grundstücken soll der Gemeinderat die Kompetenz erhalten, in besonderen Fällen eine Pflicht zum Bauen anzuordnen. Wird die Pflicht nicht erfüllt, soll der Gemeinderat die pflichtige Person mahnen dürfen. Nach Ablauf der Mahnfrist kann er sich vom Regierungsrat ermächtigen lassen, das Grundstück öffentlich zum Verkauf an bauwillige Dritte auszuschreiben, auf Kosten der gemahnten Person. Das Grundstück soll also zwangsversteigert werden. (3) Neu soll der Gemeinderat verpflichtet werden, eine Planungszone („Bau- Moratorium“ über ein ganzes Gebiet) zu erlassen oder eine Bausperre („Bau-Moratorium“ für ein konkretes Vorhaben) zu verfügen, wenn ein Bauvorhaben die Planungsabsichten des Richtplans verletzt und der Nutzungsplan (Bau- und Nutzungsordnung; BNO anpassungsbedürftig ist.

Bemerkungen: zu (1): Die Mehrwertabgabe ist eine Vorgabe des Bundes; der Aargau muss sie einführen. Wichtig ist aber, dass die Höhe der Abgabe demokratisch beschlossen wird, mit der Möglichkeit, ein Referendum zu ergreifen, wenn man damit nicht einverstanden ist. Das ist beim Baugesetz möglich. Auf Stufe Gemeinde soll die Höhe der Abgabe auch durch die Bevölkerung beschlossen werden, zum Beispiel in der Bau- und Nutzungsordnung oder in einem Abgabenreglement. Der Kanton soll dabei den Gemeinden nur Minimalvorgaben machen und ihnen überlassen, ob sie (nebst Einzonungen) auch Um- und Aufzonungen sowie andere Planungsmassnahmen für abgabepflichtig erklären und den Abgabesatz auf mehr als 20 % erhöhen wollen. zu (2) Abzulehnen ist die Baupflicht. Bisher durfte ein Grundeigentümer frei entscheiden, ob er baut oder nicht („Baufreiheit“). Diese Baupflicht ist ein Eingriff in diese Freiheit und widerspricht dem bisherigen Verständnis des freiheitlichen Baurechts. Hier geht der Aargau weit über das Bundesrecht hinaus.

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zu (3) Die Pflicht der Gemeinderäte, alleine gestützt auf den Richtplan eine Planungszone oder eine Bausperre zu verhängen, widerspricht dem Konzept des Richtplans. Dieser ist nur für die Behörden verbindlich, nicht aber für die Bürgerinnen und Bürger. Durch diese Vorschrift würde der Richtplan durch die „Hintertüre“ grundeigentümerverbindlich. Das geht nicht.

Man darf gespannt sein, wie die Teilrevision des Baugesetzes in der Vernehmlassung aufgenommen wird. Weitere Informationen und den Fragebogen für die Vernehmlassung finden Sie hier (Link auf Webseite des Kantons).

3.2. Beschaffungswesen: Vernehmlassungsverfahren zum Entwurf für ein neues Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen und für eine neue (Bundes-)Verordnung Der Bundesrat hat am 1. April 2015 das Vernehmlassungsverfahren zur Revision des Bundesgesetzes und der Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen eröffnet.

Ziel der Revision ist einerseits die Umsetzung des revidierten WTO-Abkommens über das öffentliche Beschaffungswesen. Damit sollen Schweizer Unternehmen im Ausland einen erweiterten Marktzutritt erhalten. Andererseits sollen die öffentlichen Beschaffungsordnungen des Bundes und der Kantone - unter Beibehaltung der föderalen Kompetenzregelung - einander so weit wie möglich angeglichen werden. Diese Harmonisierungsbestrebungen entsprechen einem Anliegen von Politik und Wirtschaft. Insgesamt soll damit der Wettbewerb gestärkt, das Beschaffungsverfahren flexibilisiert und modernisiert sowie die Rechtssicherheit und die Anwenderfreundlichkeit des Beschaffungsrechts schweizweit verbessert werden (u.a. Unterstellungsfragen, neue Beschaffungsinstrumente, Regelung zu Folgebeschaffungen und Verhandlungen, Rechtsschutz).

Eine paritätisch aus Vertreterinnen und Vertretern des Bundes und der Kantone zusammengesetzte Arbeitsgruppe erarbeitete die Revisionstexte. In einer ersten „Runde“ konnten sich die Kantone zur Vorlage äussern. Nun läuft bis am 1. Juli 2015 die Vernehmlassung für alle Interessierten.

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Bemerkung: Es stellt sich hier die Frage, ob der Bund überhaupt die Kompetenz zu dieser Gesetzgebung für die Kantone hat.

Weitere Informationen finden Sie hier (Link auf Webseite des Bundes).

4. Aktuelles aus der Politik: Keine Rückwirkungsklauseln in Volksinitiativen

Am 14. Juni 2015 wird über die Volksinitiative vom 15. Februar 2013 „Millionen- Erbschaften besteuern für unsere AHV (Erbschaftssteuerreform)“ abgestimmt. Die Annahme der Initiative hätte zur Folge, dass Schenkungen grundsätzlich rückwirkend ab dem 1. Januar 2012 dem Nachlass anzurechnen sind.

Gegen die Rückwirkung von Initiativen hat sich nun politischen Widerstand formiert. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK) ist der Ansicht, dass Volksinitiativen, welche rückwirkende Bestimmungen enthalten, künftig ungültig erklärt werden sollen. Als Beispiel für solche Initiativen wurde explizit die Erbschaftssteuerreform genannt. Die Bürgerinnen und Bürger müssten in Treu und Glauben davon ausgehen können, dass Regeln, die zum Zeitpunkt einer Handlung in Kraft sind, auch weiter gelten.

Die Staatspolitische Kommission des Ständerates (SPK-S)setzte sich am 23. Januar 2015 allgemein und vertieft mit dem Thema auseinander und führte eine breite Anhörung von Experten durch. Sie wird an einer nächsten Sitzung entscheiden, ob Handlungsbedarf besteht, und wenn ja, welche Vorschläge weiterverfolgt werden sollen.

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Hier der Link zur Medienmitteilung der SPK-S.

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