200 Jahre Apotheke zum Ritter St. Georg

Inhaltsverzeichnis

1. Die Eigentümer der Apotheke zum Ritter St. Georg ...... 2

2. Die Geschichte der Apotheke zum Ritter St.Georg ...... 2

2.1 Der Beginn im Jahre 1807...... 2

2.2 Die Freie und Hansestadt ...... 3

2.3 Die Familie Wolfsohn ...... 4

2.4 Die Ära Rincker ...... 5

2.5 Die Gegenwart...... 5

3. Die Apotheke zum Ritter St. Georg und ihre Wahrzeichen...... 6

3.1 St. Georg, Namensgeber und Schutzpatron ...... 6

3.2 Ritterskulptur St. Georg an der Aussenfassade...... 7

3.3 Bleiglasfenster mit dem Ritter St. Georg ...... 7

4. Womit die Apotheker früher arbeiteten ...... 8

4.1 Waage...... 8

4.2 Giftschrank ...... 9

4.3 Apothekenschrank...... 9

4.4 Pillenbrett ...... 10

4.5 Pastillenherstellung ...... 10

5. Vom "Abstellraum" zum modernen Dienstleistungszentrum rund um die Gesundheit: eine kleine Apothekengeschichte ...... 11

6. Wissenswertes aus dem Apothekenalltag damals und heute – hätten Sie gedacht, dass...... 12

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1. Die Eigentümer der Apotheke zum Ritter St. Georg

1807: Gründung durch F.W. Ernst 1810: Augustin und Joh. Carl Ludwig Berger 1818: Rudolf Gottfried Bürstenbinder 1847: Verwaltung nach dem Tod von R. G. Bürstenbinder durch J.H.C. Riebe 1849: Friedrich Olshausen 1854: John Henry Statham 1869: Friedrich E. August Röttger 1891: Otto Freudenstein 1907: Max Wolfsohn 1936: Rudolf Rincker, sen. 1970: Dr. Rudolf Rincker, jun. 2005: Hiltrud Lünsmann

2. Die Geschichte der Apotheke zum Ritter St.Georg

"sich nach Hamburg zu begeben, um 2.1 Der Beginn im Jahre 1807 im Namen seiner Majestät des Kaisers Die Apotheke zum Ritter St. Georg der Franzosen und Königs von Italien wurde 1807 von F.W. Ernst in der (gemeint ist Napoleon I., 1769-1821) Lange Reihe 71 der Hamburger Besitz von der Stadt zu nehmen". Vorstadt St. Georg (jetzt Lange Reihe Bereits einen Tag später rückten 25) gegründet. französische Truppen nach ihren Siegen bei Jena und Auerstedt in Hamburg ein.

1810 ging die Apotheke in den gemeinschaftlichen Besitz von Augustin und Joh. Carl Ludwig Berger über. Es dürfte keine leichte Zeit für die neuen Besitzer gewesen sein: Hamburg, das im gleichen Jahr dem französischen Kaiserreich einverleibt worden war, war von einer fremden Macht besetzt. Darüber hinaus gingen die französischen Soldaten von 1813 an Die Gründung fiel mitten in die Wirren dazu über, zu plündern und zu töten der "Franzosenzeit": 1806 hatte der und die Vorstädte in Trümmer zu französische General Edouard Mortier legen. Der Sturz Napoleons 1814 dem Hamburger Senat angekündigt, zwang die Franzosen schließlich zum

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Abzug, Ende Mai verließen die letzten Für diesen Schritt, den er eigenmächtig Truppen die Stadt. Gemeinwesen und unternommen hatte, wurden die Handel der Hansestadt waren ruiniert, Apotheker vom Gesundheitsrat der die Einwohnerzahl war von rund Stadt dahingehend verwarnt, dass ein 130.000 im Jahre 1800 auf etwa solches Vorgehen ohne vorherige 100.000 zurückgegangen. Genehmigung nicht statthaft sei.

2.2 Die Freie und Hansestadt Herr Bürstenbinder starb am 5. Januar Hamburg 1849, und seine Witwe erhielt die 1815 garantierte der Wiener Kongress Erlaubnis, die Apotheke fürs Erste die Souveränität Hamburgs, das nun durch J.H.C. Riebe verwalten zu dem Deutschen Bund beitrat und sich lassen. ab 1819 Freie und Hansestadt nannte. Die Übernahme der Apotheke zum Am 1. April 1849 wurde die Ritter St. Georg durch den dritten Konzession zum Weiterbetrieb der Besitzer, Rudolf Gottfried Apotheke unter dem Patronat von St. Bürstenbinder, im Jahr 1818 erfolgte Georg auf den bisherigen Apotheker daher unter vergleichsweise ruhigen von Moorburg, Friedrich Olshausen Vorzeichen. übertragen. Er erhielt die Konzession aufgrund eines Gutachtens von J.H.C. Oberdörffer, pharmazeutisches Mitglied des Gesundheitsrates. Das Haus sowie die Apotheke in der Lange Reihe 21 verblieben im Besitz der Familie Bürstenbinder.

Ende 1854 ging die Apotheke an John Henry Statham über. Die dazu vom Patronat St. Georg ausgestellte Personalkonzessions-Urkunde vom 24. November 1854 erteilte Statham die Die Hamburger begannen mit dem Erlaubnis, "(...) auf der Lange Reihe 21 Wiederaufbau ihrer Stadt, und in den das Apotheker-Geschäft zu betreiben, kommenden Jahrzehnten kam es zu jedoch unter der ausdrücklichen einem wirtschaftlichen Aufschwung, in Bedingung, dass er sein Geschäfts- dessen Verlauf sich Hamburg zu einem Local ohne Genehmigung des Patronats Schwerpunkt des deutschen Handels der Vorstadt St. Georg nicht verändern entwickelte. Für den Apothekerberuf dürfe (...)". In einem Nachsatz vom 20. von Bedeutung war das in diesem Jahr April 1859 "(...) ist dem J. H. Statham in Hamburg gegen die Ärzteschaft die Verlegung der Apotheke von der erlassene Verbot, Arzneimittel Lange Reihe Nr. 21 nach Nr. 25 (später zuzubereiten und abzugeben. Lange Reihe 39) gestattet worden". Bürstenbinder verlegte 1821 seine Statham hatte die Apotheke zum Ritter Apotheke in das Haus Lange Reihe 21. St. Georg 1859 aus dem noch zur

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Familie Bürstenbinder gehörenden Apotheken zu vertreiben. Gemäß der Hause zwei Häuser weiter in einen im März 1936 durch die eigenen Neubau verlegt, da das alte Nationalsozialisten erlassenen Haus baufällig war. Verordnung über die Verwaltung und Verpachtung von öffentlichen Am 1. Januar 1869 übernahm Friedrich Apotheken wurde allen jüdischen E. August Röttger die Apotheke zum Apothekern ein Verpachtungszwang Ritter St. Georg. Nach der auferlegt. Wolfsohn entschied sich Eingemeindung St. Georgs am 1. 1936 erst für die Verpachtung der August 1868 in die Stadt Hamburg galt Apotheke, setzte aber seine nun auch die in der Stadt geübte Praxis Berufstätigkeit als – angestellter – der freien Übertragbarkeit und Apotheker zwei weitere Jahre in der Vererblichkeit, so dass diese Apotheke Apotheke zum Ritter St. Georg fort. Da die Erste war, die nicht mehr als reine mit dem 31. Januar 1939 den jüdischen Personalkonzession behandelt wurde. Apothekern der Entzug ihrer Damit war sie, wie dies heutzutage Approbation und damit ein üblich ist, frei verkäuflich. Berufsverbot bevorstand, verkaufte Wolfsohn am 23. August 1938 die Am 1. Januar 1891 erwarb Otto Apotheke endgültig und überließ Freudenstein die Apotheke. Über seinem Nachfolger nach staatlicher Freudenstein lagen uns keine Genehmigung zum 1. März 1939 Informationen vor. Grundstück und Realrechte der Apotheke zum Ritter St. Georg. 2.3 Die Familie Wolfsohn Berichten zufolge soll die gesamte Sechszehn Jahre später, zum 1. April Familie Wolfsohn geplant haben, in die 1907, veräußerte Freudenstein die USA auszuwandern. Es existieren Apotheke an Max Wolfsohn, einem keine Informationen im Hinblick auf 1872 in Graudenz/Westpreußen Einzelheiten bzw. darauf, was die geborenen Juden. Der neue Besitzer Planung, sofern es sie gegeben hat, leitete die Apotheke bis 1936, dem letztendlich umgeworfen haben mag: Jahr, in dem der Apothekerberuf im Max Wolfsohn und seine Frau Zuge der sog. Arisierungspolitik der Margarete, geborene Cohn, wurden Nationalsozialisten als einer der ersten gemeinsam am 15. Juli 1942 zunächst Berufszweige in das Visier der Nazis nach Theresienstadt deportiert und von geriet. Der Grund dafür war auf die dort am 23. September 1942 weiter in staatlich begrenzte Anzahl von das Konzentrationslager Treblinka, wo Apotheken in Hamburg, denen beide ermordet wurden. Lediglich das wiederum ein großer Überhang an gut einzige Kind des Ehepaares, ausgebildeten Apothekern Annemarie Charlotte Wolfsohn, gegenüberstand. Diese mussten damals überlebte den Holocaust, da sie 1938 in bis zu 24 Jahre auf eine Genehmigung die USA emigriert war. warten. Dieser Zustand wurde als willkommener Anlaß mißbraucht, jüdische Apotheker aus ihren

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2.4 Die Ära Rincker modernisieren: Die Lagerung der Rudolf Rincker, ab 1936 der neue Arzneimittel wurde auf moderne Inhaber der Apotheke zum Ritter St. Schubladensysteme mit nur einem Georg, absolvierte vor dem 1. Alphabetsystem umgestellt, und Dr. Weltkrieg ein Pharmaziestudium in Rincker war einer der ersten Freiburg. Um das Jahr 1925 herum Apotheker, der die gesamte nahm Rudolf Rincker eine Tätigkeit als Arzneimittelbestellung beim Krankenhausapotheker am AK Großhandel elektronisch per auf. Im Jahr 1935 trat er in die Kärtchenleser abwickelte: ein Novum Apotheke zum Ritter St. Georg ein, die in der Geschichte der Apotheke. Die er nach dem Verpachtungszwang der zweite Bauphase, die eine aufwändige Nazis im März 1936 von Max Grundsanierung des Wolfsohn pachtete; seinen ehemaligen denkmalgeschützten Gebäudes zum Arbeitgeber stellte R. Rincker darauf Gegenstand hatte, begann 1980 und hin als Apotheker ein. Zwei Jahre zog sich bis 1984 hin. später kaufte R. Rincker M. Wolfsohn 2.5 Die Gegenwart die Apotheke ab. Den 2. Weltkrieg überstand das Seit Juli 2005 ist Hiltrud Lünsmann die Gebäude einschließlich der Apotheke neue Inhaberin der Apotheke zum ohne größere Schäden; es bekam zwei Ritter St. Georg – die erste Frau in Brandbomben ab, die aber im dritten einer langen Reihe männlicher Stock hängen blieben und sich nicht Vorbesitzer. entzündeten.

Im Jahr 1970 übernahm Dr. Rudolf Rincker die Apotheke von seinem Vater. Nach seinem Pharmaziestudium in Erlangen und einem einjährigen Praktikum in der väterlichen Apotheke absolvierte Dr. Rincker erst einmal seinen Wehrdienst. Danach begann er an der Universität Hamburg mit seiner Promotion; Titel der Doktorarbeit:

„Untersuchung zur chemischen Der Berufswunsch der Apothekerin Zusammensetzung von Vaselinen". stand bereits zum Abitur im Jahr 1986 Diverse Publikationen dazu folgten, fest; allerdings entschied sie sich erst und auch im Anschluss an die einmal, eine Ausbildung zur Promotion beschäftigte sich Dr. pharmazeutisch-technischen Rincker viel mit dem Thema Salben. Assistentin (PTA) in Osnabrück zu Viel Zeit nahm allerdings auch die absolvieren. Bis zur Aufnahme ihres Modernisierung von Haus und Pharmaziestudiums an der Freien Apotheke ein Anspruch. Von 1970 bis Universität Berlin im Oktober 1990 1972 begann Dr. Rincker damit, die Apotheke von Grund auf zu

Seite: 5 200 Jahre Apotheke zum Ritter St. Georg sammelte sie als PTA Berufserfahrung Herrn Dr. Rincker als Inhaberin an. in zwei Hamburger Apotheken. Frau Hiltrud Lünsmann ist begeisterte Apothekerin, arbeitet gerne mit ihrem Nach Beendigung des Studiums führte Team zusammen und fühlt sich in St. sie die erste Station ihres Pharmazie- Georg, gleichzeitig Großstadtkiez und Praktikums in die Apotheke des heimeliges Dorf, pudelwohl und von Krankenhauses St. Georg. Die zweite den St. Georgern freundlich Station absolvierte sie in der priv. aufgenommen. Ihr jüngstes Projekt, die Adler-Apotheke in . Nach Modernisierung der Offizien, wurde der Approbation zur Apothekerin 1996 soeben abgeschlossen. Im Hinblick auf begann Frau Hiltrud Lünsmann ihre ihre Apotheke hofft Frau Hiltrud Tätigkeit in der Striepen-Apotheke in Lünsmann, dass sie eine treue Hamburg-Neuwiedenthal. Sie Verwalterin des 200jährigen Erbes sein wechselte von dort im April 1999 in und den Grundstein für weitere 200 die Apotheke zum Ritter St. Georg. Am Jahre Apotheke zum Ritter St. Georg 01. Juli 2005 trat sie die Nachfolge von legen möge. 3. Die Apotheke zum Ritter St. Georg und ihre Wahrzeichen Kaukasusrepublik Georgien: Der 3.1 St. Georg, Namensgeber und Heilige St. Georg. Schutzpatron Der Stadtteil St. Georg und die Er zählt zu den bekanntesten und am Apotheke zum Ritter St. Georg meisten verehrten Heiligen und ist verdanken ihm ihren Namen, und für einer der 14 Nothelfer sowie Patron zwei der markantesten Wahrzeichen zahlreicher Berufsstände. Darüber der Apotheke stand er Pate. hinaus ist er als Schutzpatron unter anderem für die Kranken und Aussätzigen zuständig. Also ein würdiger Schutzpatron auch für unsere Apotheke und für den Stadtteil St. Georg.

In der Legende des Heiligen Georgs finden sich zwei Erzählstränge, die zwar unterschiedlichen Inhalts sind, sich aber auch gegenseitig bedingen und beide das Ideal der Überwindung des Bösen transportieren. Die ursprüngliche Legende berichtet vom Schon der englische König Richard Märtyrer Georgius, der im 3. Löwenherz erwählte ihn zu seinem Jahrhundert unter Kaiser Diokletian persönlichen Schutzherrn, und er seines christlichen Glaubens wegen wurde zum Schutzpatron verschiedener unter grausamer Folter sein Leben Länder und sogar Namensgeber der lassen musste. Im Mittelpunkt dieses

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Erzählstrangs steht die Grausamkeit der Skulptur nur sehr dürftig auf ihrem Folter, die Georg durch seinen Glauben Sockel befestigt war. überwindet. Was allerdings ein Krieg nicht vermocht hatte, das schafft der Der zweite Legendenstrang, der mit moderne Straßenverkehr: Zink ist sehr Abstand populärste, bildete sich später säureempfindlich und leidet besonders im Mittelalter heraus und hat den stark unter Abgasen. Heiligen Georg als Drachentöter zum Gegenstand. Die bildliche Darstellung dieses Helden dürfte vielen bekannt sein – ein Ritter, der von seinem Ross herab einen sich gegen ihn aufbäumenden Drachen mit seiner Lanze ersticht. Kern der Drachenlegende des Heiligen Georg ist die Rettung der jungfräulichen Königstochter vor dem Drachen, indem er ihn tötet. Die Königstochter ist ein Opfer, das der Drache von der

Bevölkerung fordert. Das Land ist nach der Tötung vom Drachen befreit, und Daher sind nur noch wenige Figuren Georg rät zur Taufe, die im großen Stil erhalten; um Schaden vorzubeugen, veranlasst wird. ließ Dr. Rincker 1982 das Original im Eingang aufstellen. Bei der Skulptur an 3.2 Ritterskulptur St. Georg an der der Außenfassade handelt es sich um Aussenfassade eine Nachbildung, die jedoch – sachgemäß befestigt! – auf dem Die Ritterskulptur an der Original-Sockel steht. Aussenfassade, ein etwa 1,50 x 1,50 Meter goldenes Pferd samt Ritter und 3.3 Bleiglasfenster mit dem Ritter einem wuchtigen Drachen zu Füßen, ist St.Georg das Wahrzeichen des Stadtteils und der Das Bleiglasfenster, ein Meisterwerk Apotheke zum Ritter St. Georg. der Deutschen Glasmalerei, wurde um

1890 vom Züricher Kunstgewerbe- Das Meisterstück, dessen Oberfläche schuldirektor A. Lüthi für den aus vergoldetem Zinkmetall besteht, geplanten Neubau einer Kirche in der wurde vom Bildhauer Ernst Gottfried Nähe von Freiburg entworfen. Vivie geschaffen; als Zeitpunkt seiner Da der Bau nicht realisiert wurde, Entstehung wird das Jahr 1859 gelangte das Fenster nach Hamburg. vermutet. Die Figur überstand den 2. Entsprechend seiner ursprünglichen Weltkrieg unbeschadet, was einem Bestimmung handelt es sich dabei um kleinen Wunder gleichkommt, denn es ein kleines Kapellenbild, das den stellte sich später heraus, dass die jugendlichen St. Georg in Panzerrüstung zeigt. In der Linken hält

Seite: 7 200 Jahre Apotheke zum Ritter St. Georg er ein Schwert und ein Kreuzschild, in der Rechten die Fahne.

Das Kunstwerk überstand ohne Beschädigung den 2. Weltkrieg, da es der damalige Besitzer der Apotheke zum Ritter St. Georg, Rudolf Rincker, vorsorglich eingemauert hatte.

Sein Sohn und nachfolgender Besitzer der Apotheke, Dr. Rudolf Rincker, ließ das Fenster zu Beginn der 1980er Jahre sachgerecht restaurieren und an seinen altangestammten Platz über der Eingangstür zur Offizin wieder einbauen.

4. Womit die Apotheker früher arbeiteten ... ein kleiner Ausflug in die Ästhetik der Apotheke zum Ritter St. Georg

Die Apotheke zum Ritter St. Georg abgewogen werden, um die besitzt eine reiche Sammlung an gewünschte Dosierung zu erzielen. historischen Apothekengeräten und Daher wurden Waagen und Gewichte Einrichtungsgegenständen, von denen in regelmäßigen Abständen geeicht und die meisten aus der Zeit um 1900 dieser Prozess durch einen Eichstempel stammen. Im Flgenden stellen wir mit Eichzeichen und Jahreszeichen Ihnen einige der Exponate vor, die belegt. damals für den Beruf eines Apothekers unverzichtbar waren. Ein besonderer Dank gebührt an dieser Stelle Herrn Dr. Rudolf Rincker, der viel Zeit und Aufwand für die Restaurierung des umfangreichen Bestandes aufgebracht hat.

4.1 Waage Ohne die Waage ging nichts – Wirkstoffe, Hilfsmittel, alles, was zur Herstellung eines Arzneimittels benötigt wurde, musste penibel

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Letzteres gab an, in welchem Jahr, 4.3 Apothekenschrank jeweils zum 31. Dezember, die Eines der obersten Gesetze im Gültigkeit der Eichung erlosch. Bei der Arbeitsalltag eines Apothekers war und hier abgebildeten Jugendstilwaage ist es, Ordnung zu halten, um eine handelt es sich um das Prunkstück der gewünschte Arznei sofort zur Hand Apotheke zum Ritter St. Georg. Sie ist haben zu können und Verwechslungen im Übrigen unser zweites auszuschließen. Geburtstagskind: Das älteste Jahreszeichen geht auf 1907 zurück. Dazu muss nicht nur alles an einem Die Waage begeht in diesem Jahr also festen Platz aufbewahrt werden, ihren 100.Geburtstag – herzlichen sondern es ist auch wichtig, dass jedes Glückwunsch! Behältnis sachgemäß beschriftet ist. 4.2 Giftschrank Ein sehr schön gearbeitetes Beispiel dafür, wie in den Apotheken früher Zur Standardausstattung einer jeder Ordnung in die Bestände gebracht Apotheke gehörte ein abschließbarer wurde, ist dieser Apothekenschrank. Er wurde für die Aufbewahrung von Drogen, also getrockneten Pflanzenteilen, verwendet.

Giftschrank, in dem die Gifte in Standgefäßen separat aufbewahrt und besonders gekennzeichnet werden mussten (weiß auf schwarz). Für die Verarbeitung waren gesonderte, entsprechend gekennzeichnete Geräte erforderlich. Der hier abgebildete Giftschrank ist Teil der alten Einrichtung und stammt von etwa Jede Droge besaß ihre angestammte 1900; in den alten Standgefäßen Schublade, die natürlich auch wurden unter anderem Kokain, Opium entsprechend beschriftet war. Auf dem und Strychnin aufbewahrt. Foto ist eine weitere Waage zu sehen, deren Balken mit einem kaiserlichen Eichsiegel von 1901 versehen ist.

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4.4 Pillenbrett 4.5 Pastillenherstellung Apotheker werden im Volksmund auch Die ersten Fertigarzneimittel, die in gerne "Pillendreher" genannt. Diese deutschen Apotheken verfügbar waren, Bezeichnung ist auf die Bedienung der wurden in Pastillenform angeboten. Sie Gerätschaften, die auf der Abbildung bestehen auch heute noch aus fest zu sehen sind, zurückzuführen: das gewordenem Saft oder festen Lösungen Pillenbrett. in einzeldosierter Form und sind flach In einem ersten Schritt wurde aus dem ausgeformt. benötigten Wirkstoff und den Hilfsmitteln im Mörser mit dem Pistill eine leicht knetbare Masse gemischt. Diese brachte man auf das Holzbrett und rollte sie mit dem so genannten Abteiler aus. Eine Knetmasse entstand, die mit Hilfe des Pillenabteilers zu gleichförmigen Pillen portioniert wurde.

Allerdings werden nicht nur Arzneimittel in Pastillenform verkauft, sondern auch Leckereien. Die Fertigung von Pastillen früher ähnelte der Weihnachtsbäckerei: Ein nach einer bestimmten Rezeptur hergestellter Teig Es entstanden insgesamt 30 wurde ausgerollt, und zum Ausstechen Einzeldosen, die der Apotheker mit bediente man sich der Geräte, wie sie dem Rollierer in ihre runde Form in der Abbildung zu sehen sind. Sie brachte – daher der Ausdruck sind an einem Ende mit einem – "Pillendreher". Das Zusammenkleben jeweils unterschiedlich geformten – der einzelnen Pillen in den Stempel versehen, der den Pastillen Abgabegefäßen wusste der Apotheker ihre endgültige Form gab. mit einem Trennmittel, z.B. Lycopodium, mit dem er die Pillen bestäubte, zu verhindern.

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5. Vom "Abstellraum"1 zum modernen Dienstleistungszentrum rund um die Gesundheit: eine kleine Apothekengeschichte

Bereits im Jahre 1241 erließ der Verkaufsraum, der diese Bezeichnung Stauferkaiser Friedrich II (1194-1250) bis heute beibehalten hat. Die eine Medizinalordnung, durch die eine Arzneimittelherstellung dagegen Trennung der Berufe von Arzt und verlagerte sich ins Labor, in dem auch Apotheker erfolgte sowie heute noch individuelle, speziell Arzneimittelpreise und eine zubereitete Rezepturen hergestellt behördliche Überwachung festgelegt werden. wurden. Der Apothekerberuf war geboren. Es entstanden nach und nach städtische Apothekenordnungen, in denen festgelegt wurde, dass Apotheken nur zum Verkauf von Arzneien gegründet werden durften – ein roter Faden in der Geschichte der Apotheke: Ihre Existenzberechtigung ist auch heute noch in dem Verkauf von Arzneimitteln begründet, und sie ist der einzige gesetzlich legitimierte Ort, an dem Medikamente abgegeben, Die Möglichkeit, Arzneimittel geprüft und – wenn mittlerweile auch synthetisch und in großen Mengen zu nur noch zum kleinen Teil – hergestellt produzieren, führte dann im 19. werden. Jahrhundert zur Entstehung der pharmazeutischen Industrie. Die ersten Apotheker waren Deutschland wurde zur „Apotheke der ursprünglich fliegende Händler, die Welt“ und nahm eine dominierende von Stadt zu Stadt zogen und Stellung im Bereich der Medizin und Heilkräuter, Drogen und Gewürze Pharmazie ein. Diese Stellung ist heute feilboten. Aber die Apotheke, wenn leider nicht mehr vorstellbar. Ein auch noch auf Wanderschaft, hatte sich weiterer Wandel in der bereits zu einem Ort entwickelt, "dar Apothekengeschichte: Die Herstellung men arzedie tho verkopende plecht" – von Chemikalien und das Sammeln wo man Arzneien zu verkaufen pflegt. pflanzlicher Drogen trat gegenüber der Im Laufe des 14. Jahrhunderts wurden Verpflichtung und der Fähigkeit des sie von festen Häusern abgelöst und Apothekers zurück, eingekaufte verfügten über eine Werkstatt, Arzneimittel auf ihre Güte und "Offizin" genannt, in der die Apotheker Brauchbarkeit hin zu überprüfen. selbst Arzneien herstellten. Im Laufe der Zeit wandelte sich die Offizin zum

1 Das Wort Apotheke stammt ursprünglich aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich "Abstellraum". In seiner lateinischen Form "apotheca" wurde es für den Raum eines Klosters verwendet, in denen der Klosterarzt die Heilkräuter aufbewahrte.

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Mittlerweile besteht eine weitere Hauptaufgabe des Apothekers darin, Die moderne Apotheke hat sich zu neben der Abgabe und Prüfung von einem Dienstleistungszentrum rund um Arzneimitteln, die Patienten zeitnah die Gesundheit entwickelt – allerdings und ausführlich zu beraten, sie über ohne mit der Vergangenheit zu Nebenwirkungen aufzuklären und brechen: Mehr als sieben Jahrhunderte mögliche Wechselwirkungen mit alte Traditionen prägen bis heute den anderen Medikamenten aufzudecken. Berufsalltag der Apotheker.

6. Wissenswertes aus dem Apothekenalltag damals und heute – hätten Sie gedacht, dass ... die nach Substanz am meisten .... Aspirin® einer der größten verkauften Arzneimittel Aspirin®, Verkaufsschlager der jüngeren Paracetamol und Diclofenac sind? Also Apothekengeschichte ist? Das Schmerzmittel. schmerzstillende und fiebersenkende Arzneimittel, das 1899 als eine der .... die Entdeckung der anorganischen ersten Fertigarzneimittel auf den Markt Chemie im 16. und 17. Jahrhundert mit kam, ist trotz seiner 108 Jahre mit mehr dem Forschungsdrang der Apotheker als einer Milliarde Euro Umsatz pro und Medinziner der damaligen Zeit Jahr das weltweit meist verkaufte eine tödliche Verbindung eingehen Schmerzmittel. konnte? Denn die Faszination von der pharmakologischen Wirkung .... mit einigen Schwankungen Drogen anorganischer Substanzen auf den die langlebigsten Hauptumsatzträger in menschlichen Körper zog oft die der Apotheke sind? Manche Droge ist Erforschung neuer Arzneimittel gemäß bereits seit 3.000 Jahren im Einsatz und der Methode "Versuch und Irrtum" war auch schon 1807 in der Apotheke nach sich – ein Unterfangen, das zum zum Ritter St. Georg ein gefragtes Gut Beispiel bei Arsen oder Quecksilber – und ist es auch in 2007. Mit Drogen wohl oft fatale Folgen für den Patienten meint der Apotheker in der Regel gehabt haben dürfte.... allerdings nicht Rauschmittel wie Kokain oder Heroin, sondern "getrocknete Pflanzenteile", deren Inhaltsstoffe mit Hilfe der Extraktion oder anderer Verfahren zur Arzneimittelherstellung entzogen werden: Kamille, Salbei, Pfefferminz, der uralte Weihrauch und viele andere Kräuter mehr erleben eine Renaissance und kommen bei zahlreichen Indikationen wieder zum Einsatz.

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