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16.05.2018

Gericht BVwG

Entscheidungsdatum 16.05.2018

Geschäftszahl W192 2129205-1

Spruch W192 2129205-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.06.2016, Zahl 1047938106-140279035, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z. 3, 57 AsylG 2005 i. d. g. F., § 9 BFA- VG i. d. g. F. und §§ 52, 55 FPG i. d. g. F. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise am 12.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung am 12.12.2014 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, dass er der paschtunischen Volksgruppe angehöre. Er stamme aus dem Distrikt Pol-e Khomri der Provinz Baghlan, wo sich seine Ehefrau und seine Tochter sowie seine Mutter und Geschwister aufhalten würden. Der Beschwerdeführer habe den Herkunftsstaat vor zweieinhalb Monaten verlassen und sei über Pakistan, den Iran, die Türkei Bulgarien und Serbien nach Österreich gelangt. Der Beschwerdeführer habe den Herkunftsstaat verlassen, weil sein Vater und sein Bruder, die für die Amerikaner gearbeitet hätten, von getötet worden seien; er befürchte, auch von den Taliban getötet zu werden.

Am 13.01.2016 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einvernommen. Dabei brachte der Beschwerdeführer vor, dass er Probleme mit Nierensteinen habe und behandelt werde. Der Beschwerdeführer habe im Herkunftsort sechs Jahre lang eine Koranschule besucht und danach mit seinem Vater in der eigenen Landwirtschaft gearbeitet. Dann habe der Vater des Beschwerdeführers für die Amerikaner als Koch gearbeitet und der Beschwerdeführer habe seinem Bruder in der Landwirtschaft geholfen. Die Mutter des Beschwerdeführers sei in dessen Kindheit verstorben, sein Vater sei von Taliban getötet worden. Zwei verheiratete Schwestern des Beschwerdeführers würden in Afghanistan leben, die Frau und die Tochter des Beschwerdeführers habe sich zum Zeitpunkt seiner Ausreise in dessen Herkunftsort aufgehalten, er habe jedoch keinen Kontakt zu seinen Familienangehörigen, da ihm ein Schlepper das Mobiltelefon abgenommen habe.

Der Beschwerdeführer habe den Herkunftsstaat verlassen, da er von seinem Koranlehrer in eine andere Koranschule geschickt worden sei, wo er nach zwei Monaten aufgefordert worden sei, sich für einen Selbstmordanschlag vorzubereiten und danach in das Paradies zu gehen. Der Koranlehrer habe auch den Vater www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018 und den Bruder des Beschwerdeführers zwei Mal aufgefordert, ihre Arbeit für ausländische Kräfte einzustellen. Der Beschwerdeführer sei zehn Tage für einen Selbstmordanschlag trainiert worden. Man habe ihm angekündigt, dass man ihn zwei Tage vor dem Bayram-Fest, dem Ende des Ramadan, die Weste für den Selbstmord geben werde und ihn an einen Einsatzort bringen würde. Der Beschwerdeführer habe das seinem Vater erzählt und dieser habe dem Beschwerdeführer verboten, wieder zu dieser Schule zu gehen. Nach zwei Tagen sei von der Schule eine Person gesendet worden, um zu fragen, warum der Beschwerdeführer nicht mehr zur Schule gehe. Der Beschwerdeführer habe gesagt, dass sein Vater dies verboten habe. Danach habe der Lehrer eine weitere Person zum Haus der Familie des Beschwerdeführers geschickt und diese habe gesagt, dass der Beschwerdeführer alle Geheimnisse kenne und er deshalb getötet werde. Am nächsten Tag habe der Beschwerdeführer seine Frau und seine Tochter bei seinem Schwiegervater abgeholt, wo sie wegen des Bayram- Festes gewesen seien. Taliban seien nach Hause gekommen und hätten dessen Vater und dessen Bruder festgenommen. Man habe ihm gesagt, dass er zweimal verwarnt worden sei, nicht für Ausländer zu arbeiten. Ihm sei vorgehalten worden, warum er dem Beschwerdeführer verboten habe, dass dieser wieder zu den Taliban zurückkehre. Der Vater des Beschwerdeführers habe gesagt, dass sein Sohn so etwas nicht machen dürfe, da er frisch verheiratet sei. Dann hätten sie den Vater und den Bruder des Beschwerdeführers mitgenommen und auf einem Berg getötet. Nachbarn hätten den Schwiegervater des Beschwerdeführers angerufen und mitgeteilt, dass der Vater und der Bruder des Beschwerdeführers von Taliban getötet worden seien. Am nächsten Tag habe der Schwiegervater des Beschwerdeführers einen Schlepper für den Beschwerdeführer organisiert und dieser sei geflüchtet. Der Beschwerdeführer machte in weiterer Folge auf Befragen nähere Angaben über den behaupteten Besuch der Koranschule und die näheren Umstände seiner Ausreise.

Im Verlauf einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme am 03.05.2016 wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Stellungnahme zu ihm übersetzten Feststellungen zur Situation in seinem Herkunftsstaat gegeben. Er verzichtete auf eine schriftliche Stellungnahme und brachte vor, dass es in seiner Herkunftsregion Krieg gebe. Er wolle sonst nichts dazu sagen, da er schon zu lange aus Afghanistan weg sei und die Situation nicht kenne.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt, gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.) und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Die Behörde beurteilte die Behauptung, der Beschwerdeführer sei einer Bedrohung seitens der Taliban ausgesetzt und sein Vater sowie sein Bruder seien von Taliban getötet worden, als nicht glaubhaft. In ihren beweiswürdigenden Ausführungen beurteilte die Behörde die behauptete Tätigkeit des Vaters und des Bruders des Beschwerdeführers für ausländische Kräfte als unglaubhaft, weil er im Zuge der Einvernahme dahingehend widersprüchliche Angaben über den Inhalt der Tätigkeit gemacht hatte, dass er zunächst vorbrachte, sein Vater habe als Koch für die Amerikaner gearbeitet, während er im weiteren Verlauf der Einvernahme ausführte, dass sein Bruder gekocht und sein Vater für die Amerikaner Nahrungsmittel eingekauft hätte. Auch erscheine es aus militärischer Sicht nicht glaubhaft, dass Lebensmitteleinkäufen für Streitkräfte durch einheimische Bedienstete des Einsatzraumes durchgeführt werden, da solche Aufgaben aus Sicherheitsgründen Angehörigen der Streitkräfte obliegen.

Die Angaben über das Training für einen Selbstmordanschlag seien nicht glaubhaft, weil der Beschwerdeführer dazu keine detaillierte Darstellung gegeben habe. Weiters sei es höchst unplausibel, dass der Beschwerdeführer während des Trainings und im Wissen über einen bereits konkret geplanten Selbstmordanschlag wieder die Möglichkeit einer Rückkehr zu seiner Familie gegeben worden sei.

Selbst im Falle einer Verfolgung wäre es dem Beschwerdeführer möglich, sich dieser durch Verlegung des Wohnsitzes nach Kabul zu entziehen, wobei er Reintegrationsunterstützung durch IOM in Anspruch nehmen könne und auch eine Unterstützung durch seine Familie möglich wäre.

Da der Beschwerdeführer keine familiären Bindungen in Österreich habe und angesichts der kurzen Dauer seines Aufenthaltes keine schützenswerten privaten Anknüpfungspunkte begründet habe, würden keine Hinderungsgründe gegen eine Rückkehrentscheidung vorliegen.

3. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 28.06.2016 fristgerecht Beschwerde ein. www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

In der Beschwerde wiederholt der Beschwerdeführer seine gegenüber dem BFA vorgebrachten Verfolgungsbehauptungen und brachte vor, dass die Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides mangelhaft und nicht aktuell gewesen seien. Die Behörde habe auch Verfahrensvorschriften verletzt, weil sie die Durchführung von Ermittlungen vor Ort bezüglich der Beschäftigung und der Ermordung des Vaters und des Bruders des Beschwerdeführers unterlassen habe. Die Beschwerde hielt der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheids entgegen, dass der Vater des Beschwerdeführers in weitestem Sinn eine Kochtätigkeit gehabt habe, da er sich um den Lebensmitteleinkauf gekümmert habe. Darüber hinaus beruhe die Beweiswürdigung nur auf einer Vermutung des Organwalters und die tatsächliche Situation vor Ort könne eine gänzlich andere sein. Auch die Ausführungen der Behörde zur Ausbildung als Selbstmordattentäter würden lediglich auf Mutmaßungen beruhen, diese habe sich aber genauso ereignet, wie der Beschwerdeführer vorgebracht habe. Es sei nicht gesichert, ob es in der Koranschule überhaupt Übernachtungsmöglichkeiten gegeben hätte.

Es wurde ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer als alleinstehenden Rückkehrer ohne familiäres Netzwerk in Kabul nicht möglich sei, sich niederzulassen. Die abstrakte Möglichkeit einer Rückkehrunterstützung durch IOM sei nicht ausreichend, um von einer tatsächlichen Lebensgrundlage auszugehen.

Hinsichtlich der Rückkehrentscheidung wurde angegeben, dass eine Interessenabwägung zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgehen müsse, da dieser strafrechtlich unbescholten sei und versuche, sich zu integrieren.

4. Am 23.02.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, bei der der Beschwerdeführer (BF) auf Befragen durch den Richter (R) zu seinen Rückkehrbefürchtungen angab:

"R: Was glauben Sie befürchten zu müssen, wenn Sie zurückkehren würden?

BF: Ich werde dort nicht am Leben gelassen, wenn ich zurückkehre werde ich so wie mein Bruder und mein Vater getötet.

R: Wer glauben Sie, würde Sie töten?

BF: Taliban.

R: Aus welchem Grund glauben Sie, dass Taliban Sie töten würden?

BF: In unserem Dorf befinden sich sehr viele Taliban. Ich wurde von den Taliban trainiert. Ich habe mich aber geweigert, weiter zu machen, sie haben gesagt, dass niemand über dieses Training Bescheid wissen würde und dass ich sie verraten würde.

R: Aus welchem Grund sind gerade Sie von den Taliban trainiert worden?

BF: Ich bin in die Madrassa gegangen, dort haben sie mir gesagt, dass ich sehr begabt sei und deshalb die Madrassa wechseln sollte. Sie sagten mir, dass ich für drei Monate in eine andere Madrassa gehen soll. Ich bin dorthin gegangen. Die ersten zwei Monate wurde ich nur darüber unterrichtet, dass es die Pflicht eines Moslems wäre, für seine Religion, sein Land und seine Leute zu kämpfen. Und dass jeder der auf diesen Weg sterben würde, ins Paradies kommen würde. Ca. 10 Tage vor dem Ende der drei Monate sagten sie mir, dass ich mich auf einen Selbstmordanschlag, den ich ausführen soll, vorbereiten soll.

R: Wo haben Sie die englische Sprache gelernt?

BF: In der Madrassa wurde uns auch Englisch beigebracht. In der zweiten Madrassa.

R: Sie haben heute den Eindruck erweckt, dass Sie sich auf Englisch ganz gut verständigen können. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie in weniger als drei Monaten einen solchen Zugang zur Sprache erhalten haben, noch dazu in einer Madrassa, wo dies sicher nicht üblich ist.

BF: Ich war ein sehr ehrgeiziger Schüler, das ist auch der Grund, weshalb ich von einer Madrassa in eine andere geschickt wurde. Ich habe dort Englischunterricht gehabt, sonst habe ich Englisch auf dem Fluchtweg und in Österreich gelernt.

www.ris.bka.gv.at Seite 3 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

R: Sie können sich auf Englisch sicher weit besser verständigen und verstehen es auch besser als Deutsch, obwohl Sie jetzt zwei Jahre in Österreich sind. Diese Sprachkenntnisse würden nahelegen, dass Sie eine andere Schulbildung in Afghanistan hatten, als wie behauptet in Madrassen.

BF: Ich habe eine Madrassa besucht, das kann auch nachgefragt werden. Ich verfüge über genauso viele Deutschkenntnisse wie Englisch. Der Unterschied ist nur, dass ich viel mit Ausländern, wie z. B. Somaliern in Kontakt bin, die auch kein Deutsch sprechen, deshalb kann ich mich eher auf Englisch unterhalten als auf Deutsch.

R: Wer hat die Festlegung getroffen, dass Sie einen Selbstmordanschlag verüben sollten?

BF: Die Lehrenden Mawlawi übergaben mich einer anderen Madrassa, dort gab es vier Mawlawis, davon drei Pakistani und einen Afghanen. Ich nehme an, dass sie darüber entschieden haben. Genau weiß ich das aber nicht.

R: Wenn Sie für so etwas ausgewählt wurden, mussten Sie den Anschein erwecken, dass Sie ein sehr fanatischer Anhänger Ihres Glaubens seien.

BF: Ich bin in die Madrassa gegangen, weil ich etwas lernen wollte. Ich hatte niemals vor, einen Anschlag zu verüben und Leute zu töten. Auch meine Familie hätten dass niemals gewollt. Als mir gesagt wurde, dass ich ein Attentat verüben soll, habe ich geäußert, dass ich für so etwas nicht in die Madrassa gekommen bin. Daraufhin wurde ich mit dem Tod bedroht. Ich hatte keinen Ausweg. Entweder wäre ich bei dem Selbstmordattentat gestorben, oder sie hätten mich getötet. Als ich mit meinem Vater drüber gesprochen habe, hat er mir nicht mehr erlaubt dorthin zu gehen. Daraufhin wurde unser Haus angegriffen.

R: Wer hat Ihnen konkret gesagt, dass Sie einen Selbstmordanschlag verüben sollen?

BF: Die vier Mawlawi, die in der Madrassa waren, haben mir das gesagt. Ich wurde von den drei Pakistani trainiert, wie ich mit einer Sprengweste umzugehen habe. Ich musste eine sehr schwere Weste tragen, die mindestens 10 kg gewogen hat. Auf der rechten Seite der Weste befand sich eine Batterie. Ich habe auch eine Fernbedienung bekommen, mit zwei Knöpfen, der eine Knopf war rot und der andere grün. Ich wurde in den Bergen trainiert. Mir wurde gesagt, dass ich am nächsten Tag kommen soll, um den Anschlag zu verüben. Sie haben mir aber nicht gesagt wo dieser Anschlag stattfinden soll. Das war zwei Tage vor dem Bayram-Fest. Als ich nach Hause ging, war auch mein Vater wegen des Festes nach Hause gekommen, ich erzählte ihm, was in der Madrassa passiert war.

R: Wer von diesen vier Mawlawi hat Ihnen das gesagt?

BF: Wir waren insgesamt fünf Schüler. Zwei von uns wurden am Vormittag trainiert und drei von uns, darunter auch ich, wurden von 17 Uhr bis ca. 24 Uhr trainiert. Die drei pakistanischen Mawlawi haben uns trainiert, sie haben aber Urdu gesprochen. Der Afghane hat alles übersetzt. Ich habe das vom Afghanen gehört, ich weiß nicht, welcher Pakistani das gesagt hat.

R: Sie haben jetzt dieses Training beschrieben. Vor diesem Training muss Ihnen jemand Bescheid gesagt habe, dass Sie einen Anschlag verüben sollen und das es ein Training geben wird. Beschreiben Sie das.

BF: Die vier Mawlawis haben in Gesprächen zuvor darüber gesprochen. Das wurde uns übersetzt, dass wir trainiert werden. Am Anfang, als wir darüber gelehrt wurden, welche Pflichten wir als Muslime hätten und was der Jihad bedeutet, waren wir zu fünft. Für das Training wurden wir aber getrennt. Ich kann mich nicht mehr so gut daran erinnern. Aber ich glaube, dass uns als wir zu fünft waren, gesagt wurde, dass wir für Selbstmordanschläge ausgebildet werden. Aber auch als wir zu dritt waren, wurde uns das gesagt.

R: Wurde Ihnen das gleich gesagt, als Sie in die zweite Madrassa gekommen sind oder später?

BF: Die ersten zwei Monate haben wir nur Unterricht bekommen. Darunter auch Englisch. Erst danach wurde uns mitgeteilt, dass wir Selbstmordanschläge verüben sollen. 10 Tage vor der Beendigung der drei Monate, haben wir ein praktisches Training erhalten.

R: Haben Sie gewusst, dass Sie solche Anschläge verüben sollen, als Sie in die Schule gekommen sind?

BF: Nein. Die ersten zwei Monate wusste ich nichts davon. www.ris.bka.gv.at Seite 4 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

R: Wie haben Sie reagiert, als man Ihnen dies nach zwei Monaten gesagt hat?

BF: Ich war sehr verängstigt, weder wollte ich sterben, noch wollte ich anderen Leuten Schaden zufügen. Ich hatte geheiratet und hatte eine Tochter. Ich wollte meine Familie nicht verlieren. Als ich aber gesagt habe, dass ich so etwas nicht machen würde, wurde ich mit dem Tod bedroht. Ich war traurig, weil ich dachte, dass ich auf jeden Fall sterben werde.

R: Sie sagen, Sie haben danach an der praktischen Ausbildung teilgenommen. Gab es keine Zweifel an Ihrer Loyalität?

BF: Die Taliban wussten, dass ich nichts gegen sie ausrichten kann. Ich bin bis zum letzten Tag bei ihnen geblieben. Mein Vater war auch nicht zuhause, damit ich mit ihm darüber sprechen kann. Nachdem mein Vater nachhause gekommen ist und ich ihm davon erzählt habe, hat er mir verboten, noch einmal dorthin zugehen.

R: Sind sie von diesem Unterricht an der Madrassa täglich nachhause gegangen, oder haben Sie dort gewohnt?

BF: Mein Training hat bis 24 Uhr gedauert, danach wurde ich zurück in die Madrassa gebracht. Von dort bin ich ca. 20 Minuten zu Fuß nach Hause gegangen. Die Nacht habe ich zuhause verbracht. Ich bin am nächsten Tag vor 17 Uhr wieder in die Madrassa gegangen.

R: Aus welchem Grund sind Sie offenkundig über mehrere Tage freiwillig immer wieder zurückgekehrt, wenn Sie keinen Anschlag verüben wollten? Sie haben das Training bis zum Schluss freiwillig absolviert.

BF: Ich bin am Anfang in die Madrassa gegangen, weil ich dort etwas lernen wollte. Ich wusste nicht, was mich erwartet, als ich erfahren habe dass ich einen Anschlag zu verüben habe, hatte ich sehr viel Angst. Ich hatte niemanden, um mich zu beraten. Ich bin aus Angst täglich dorthin gegangen, weil ich nicht getötet werden wollte.

R: Mir erscheint auch nicht plausibel, dass die Ausbildner Sie jeden Tag gehen haben lassen, obwohl Sie gesagt haben, dass Sie keinen solchen Anschlag verüben wollen. Dies verwundert umso mehr, als Sie als Ehemann wohl nicht die erste Auswahl für mögliche Täter eines Selbstmordattentates sein können, die durch etwaige Verlockungen des Paradieses motiviert sind. Was sagen Sie dazu?

BF: Ich habe Ihnen heute alles erzählt, was ich erlebt habe. Ich habe nichts erfunden, wenn mein Vorbringen für Sie nicht glaubhaft ist, dann bitte ich Sie, Informationen in diesem Zusammenhang vor Ort einzuholen. Meine Angaben werden bestätigt werden.

R: Woher nehmen Sie die Gewissheit, dass irgendjemand Ihre Angaben bestätigen könnte, wenn Sie keinen Kontakt mehr nach Afghanistan haben?

BF: Ich habe Ihnen die Wahrheit erzählt. Es ist möglich dass die Moscheen weiterhin bestehen und wenn man dort nachfragt, etwas erfahren kann. Ich kann aber nicht mit Sicherheit sagen, dass alle Leute Ihnen die Wahrheit erzählen werden. Ich habe auch keinen Kontakt mehr nach Hause und weiß nichts über die derzeitigen Gegebenheiten dort.

R: Ich gehe davon aus, dass eine derartige Erhebung, nachdem Sie auch keine Auskunftspersonen bezeichnen können, kein Ergebnis erbringen würde, da einerseits seitens der Taliban sicherlich keine detaillierten Auskünfte über die gescheiterte Anwerbung von Selbstmordattentätern zu erwarten sind. Und andererseits derartige Ausbildungsaktivitäten von Gelegenheitszeugen, wegen der zu erwartenden konspirativen Ausrichtung und wegen Angst der Zeugen nicht beschrieben werden.

BF: Dazu kann ich nichts sagen. Die Entscheidung liegt bei Ihnen.

R: Sie sind nach Ihrer Darstellung nach Beendigung Ihres Trainings wieder zu Ihrer Familie gegangen. Warum hat man Sie nach Abschluss des Trainings wieder weggehen lassen?

BF: Sie haben mir zwei Tage Zeit gegeben. Ich wusste aber nicht genau, wann Sie mich holen. Ich hatte Glück, dass mein Vater nach Hause gekommen ist, sonst hätten mich die Taliban geholt.

www.ris.bka.gv.at Seite 5 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

R: Wofür hat man Ihnen zwei Tage Zeit gegeben?

BF: Das weiß ich nicht. In zwei Tagen wäre das Bayram-Fest gewesen.

R: Was hätten Sie nach diesen zwei Tagen tun sollen?

BF: Das Training war zu Ende. Mir wurde gesagt, dass ich nach zwei Tagen in die Madrassa kommen soll.

R: Was haben Sie dann nach dem Gespräch mit Ihrem Vater getan?

BF: Nachdem mein Vater mir gesagt hat, dass ich nicht mehr dorthin gehen soll, bin ich zuhause geblieben. Sie haben dann einen Schüler, der mit mir trainiert hat, zu mir nachhause geschickt. Ich habe ihm gesagt, dass mein Vater es mir verboten hätte weiter in die Madrassa zu gehen. Meine Ehefrau war zu dieser Zeit bei meinem Schwiegervater, ich bin dorthin gegangen, um sie wieder nach Hause zu bringen. In dieser Nacht wurde unser Haus angegriffen.

R: Wer hat das Haus angegriffen und was ist dann passiert?

BF: In der Nacht haben die Taliban unser Haus angegriffen. Sie haben meinem Vater und meinen Bruder festgenommen. Und meinen Vater gefragt, warum ich nicht mehr in die Madrassa kommen würde. Mein Vater hat ihnen gesagt, dass er es nicht erlauben würde, dass ich in die Madrassa gehe und anderen Leuten Schaden zufüge. Daraufhin haben Sie meinen Vater und meinen Bruder auf den Berg mitgenommen und dort getötet. Unsere Nachbarn haben meinen Schwiegervater angerufen, in der Früh hat mein Schwiegervater mich weggeschickt.

R: Was haben die Nachbarn Ihrem Schwiegervater mitgeteilt?

BF: Das was ich gerade angegeben habe, habe ich von meinem Schwiegervater erfahren. Was sonst noch mit meinem Schwiegervater besprochen wurde, weiß ich nicht. Mein Schwiegervater hat mich am nächsten Tag früh morgens nach Kabul geschickt.

R: Woher wollen Sie den Inhalt des Gespräches zwischen den Taliban und Ihres Vater erfahren haben?

BF: Ich habe das alles von meinem Schwiegervater gehört. Er sagte mir, dass die Nachbarn ihn angerufen haben. Ich weiß aber nicht, wer meinen Schwiegervater angerufen hat. Und ob es tatsächlich ein Nachbar, oder vielleicht die Taliban waren.

R: Es erscheint nicht plausibel, dass Nachbarn Zeugen eines verhörartigen Gespräches zwischen den Taliban und Ihrem Vater waren. Was sagen Sie dazu?

BF: Dazu kann ich nichts sagen. Ich habe das gesagt, was ich von meinem Schwiegervater gehört habe. Als er mir mitgeteilt hat, dass mein Vater und mein Bruder getötet worden sind, habe ich angefangen zu weinen.

R: Welche Art von Arbeit haben Ihr Vater und Ihr Bruder ausgeübt?

BF: Mein Bruder und mein Vater haben in der amerikanischen Basis gearbeitet. Mein Bruder als Koch und mein Vater als Einkäufer, er hat das Gemüse, Obst und Reis, sowie alle anderen Lebensmittel für die afghanischen Soldaten gekauft. Mein Bruder hat für die afghanischen Soldaten gekocht. Das Essen der amerikanischen Soldaten wurde geliefert. Bei meiner letzten Einvernahme wurde das missverstanden, dort wurde angenommen, dass das Essen für die Amerikaner vorbereitet wurde.

R: Bei der letzten Einvernahme am 13.01.2016 vor dem BFA haben Sie sowohl auf der Seite fünf oben, als auch Seite neun unten ausdrücklich gesagt, dass Ihr Vater und Ihr Bruder für die Amerikaner gekocht und eingekauft hätten. Sie haben damals noch widersprüchlich auf Seite fünf den Vater als Koch und auf Seite neun den Vater als Einkäufer bezeichnet. Ich sehe daher nicht ein Missverständnis bei der letzten Einvernahme, sondern Sie haben mit Ihren Angaben gerade versucht durchaus plausible Ausführungen in der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheids über militärische Versorgung im Einsatz zu entkräften.

BF: Ich habe damals angegeben, dass mein Vater als Einkäufer und mein Bruder als Koch in der amerikanischen Basis gearbeitet haben. Ich wurde dazu nicht näher befragt, daher habe ich nicht ausgeführt, dass sie für die www.ris.bka.gv.at Seite 6 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018 afghanischen Soldaten in dieser Basis gekocht haben. Nach Erhalt des negativen Bescheides habe ich verstanden, dass meine Angaben falsch verstanden wurden.

R: Bezeichnen Sie diese amerikanische Basis näher. Wie ist der Name, wo ist sie gelegen?

BF: Den Namen der Basis kenne ich nicht. Sie liegt in Helmand.

R: Wie lange sind Ihr Vater und Ihr Bruder unterwegs gewesen, wenn Sie zur Arbeit gegangen sind?

BF: Das war ganz unterschiedlich. Manchmal sind sie nach drei Monaten gekommen und manchmal nach einem Monat.

R: Gibt es, abgesehen von der von Ihnen beschriebenen Bedrohung der Taliban andere Schwierigkeiten im Falle einer Rückkehr?

BF: Nein, sonst nichts.

R: Sie könnten vor einer etwaigen Bedrohung durch Taliban aus Ihrer Herkunftsregion Sicherheit finden, indem Sie sich in der Stadt Kabul niederlassen. Was sagen Sie dazu?

BF: Das ist nicht möglich. Sie haben in ganz Afghanistan ihre Leute, auch in Kabul.

RV: Der BF wäre für den Fall der Rückkehr in mehrfacher Hinsicht asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt. Zunächst ist auf das Faktum zu verweisen, dass der Vater wie auch der Bruder zumindest mittelbar für die internationalen Streitkräfte tätig waren und schließlich ermordet wurden. Der Vater wie auch der Bruder haben durch diese Tätigkeit zu erkennen gegeben, dass sie sich gegen das traditionell-konservative Islamische Wertesystem der Taliban gestellt haben. Auch durch die Entscheidung, den BF nicht länger in die Madrassa gehen zu lassen wurde diese Einstellung nach außen, also insbesondere für die Taliban erkennbar, nochmals bekräftigt. Auch der BF selbst hat sich durch sein Handeln gegen die Taliban gestellt. Erschwerend tritt hinzu dass der BF sich inzwischen seit mehreren Jahren im - aus der Sicht der Taliban - feindlichen Ausland aufhält, wodurch er noch zusätzlichen Verdachtsmomenten und Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist. Der BF erfüllt in mehrfacher Hinsicht die Risikoprofile nach den aktuellen UNHCR-Richtlinien, nähere diesbezüglichen Ausführungen werden der Stellungnahme vorbehalten. Der BF wäre somit im Falle der Rückkehr infolge der Zugehörigkeit der sozialen Gruppe der Familie, wie auch wegen seiner politischen Gesinnung asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt.

Ein länderkundlicher Sachverständiger wäre im konkreten Fall insbesondere in der Lage, die Tatsache zu verifizieren, dass der Vater wie auch der Bruder des BF für die Streitkräfte tätig waren wie auch, das selbige ermordet wurden. Der Besuch der Madrassa durch die Person des BF, und somit ein zentraler Teilaspekt seines Vorbringens wird, durch eine Recherche vor Ort ebenso Bestätigung finden wird. Vor diesem Hintergrund wird daher der Antrag auf Einholung eines länderkundlichen Gutachtens gestellt, wobei eine nähere Spezifizierung des Beweisthemas sowie Ausführungen zu Eignung und Relevanz der Stellungnahme vorbehalten bleiben."

5. Mit Stellungnahme seines Rechtsvertreters vom 16.03.2017 brachte der Beschwerdeführer vor, dass seine Herkunftsprovinz eine Hochburg der Taliban sei, wo er nicht nur aufgrund seiner plausiblen Fluchtgeschichte sondern auch seiner Rückkehr aus Europa seiner westlichen Einstellung Verfolgung durch die Taliban zu befürchten hätte. Auch eine Rückkehr nach Kabul sei dem Beschwerdeführer nicht zumutbar, da es äußerst unwahrscheinlich sei, dass ein alleinstehender Mann ohne familiäres Netzwerk und ohne Kontakt zu seiner Familie am extrem angespannten Arbeitsmarkt in Kabul eine Lebensgrundlage erwirtschaften könne. Auch die Sicherheitslage stehe eine Rückkehr nach Kabul entgegen, da sich in einem Bericht eines deutschen Fernsehmagazins vom 09.03.2017 gezeigt habe, dass es in regelmäßigen Abständen zu schweren Anschlägen islamistischer Gruppierungen komme.

Die in der Beschwerdeverhandlung durch den Rechtsvertreter angekündigte nähere Spezifizierung des Beweisthemas eines länderkundlichen Gutachtens sowie Ausführungen zu Eignung und Relevanz wurden nicht erstattet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

www.ris.bka.gv.at Seite 7 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

1.1. zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist Moslem sunnitischer Ausrichtung. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz Baghlan, wo er bis zu seiner Ausreise im Herbst 2014 Schulen besuchte und mit seinem Vater in der Landwirtschaft der Familie gearbeitet hat. Der Beschwerdeführer ist nach seinen Angaben nach traditionellem Ritus verheiratet und hat eine Tochter. Er reiste im Dezember 2014 ins Bundesgebiet ein, wo er am 04.12.2014 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers, er habe im Zusammenhang mit dem Besuch einer Koranschule eine Ausbildung als Selbstmord-Attentäter mit einem Sprengstoffgürtel erhalten und es seien wegen seiner Weigerung, diese Ausbildung fortzusetzen und einen solchen Anschlag auszuüben, sein Vater und sein Bruder durch Taliban getötet worden, sind nicht glaubhaft.

Der Beschwerdeführer ist im Herkunftsstaat keiner Bedrohungssituation wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder seiner religiösen Überzeugung ausgesetzt.

Es wird - wie im angefochtenen Bescheid - zugrunde gelegt, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz wegen der dortigen Sicherheitslage mit hoher Wahrscheinlichkeit ein verstärktes Risiko für seine Unversehrtheit mit sich bringen würde und ihm die Rückkehr dorthin daher nicht zumutbar ist.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung außerhalb seiner Heimatprovinz, insbesondere in der nahegelegenen Stadt Kabul, besteht für den Beschwerdeführer als alleinstehenden körperlich arbeitsfähigen jungen Mann ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine solche Bedrohungssituation. Der Beschwerdeführer liefe nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Beschwerdeführer leidet an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung, befindet sich aktuell nicht in ärztlicher Behandlung und nimmt keine Medikamente ein.

Der unbescholtene Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung im Dezember 2014 durchgehend auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und bestreitet den Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Verwandten und keine sonstigen engen familienähnlichen Bindungen. Seine Ehefrau und sein Kind leben im Herkunftsstaat. Der Beschwerdeführer verfügt über geringe Deutschkenntnisse und über Kenntnisse der englischen Sprache.

1.2. zur Lage im Herkunftsstaat:

Verfassung

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet, die schließlich im Januar 2004 ratifiziert wurde (IDEA o.D.) und auf der Verfassung aus dem Jahr 1964 basiert. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und dass alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

Afghanistans Präsident und CEO

Am 29. September 2014 wurde Ashraf Ghani als Präsident Afghanistans vereidigt (CRS 12.1.2015). Nach monatelangem Streit hatten sich Ghani und Abdullah auf eine gemeinsame Einheitsregierung geeinigt. Das Abkommen sieht vor, dass für den Zweitplatzierten bei der Wahl der Posten eines bislang nicht vorgesehenen Ministerpräsidenten geschaffen wird (FAZ 15.6.2014). Abdullah, der Verlierer der Präsidentschaftswahl, bekam den Posten des Geschäftsführers der Regierung bzw. "Chief Executive Officer" (CEO) der Regierung (CRS 12.1.2015). Diese per Präsidialdekret eingeführte Position weist Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers auf (AA 8.2015).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung, Shuraye Melli, basiert auf einem Zweikammersystem, das sich in ein Unterhaus, Wolesi Jirga, und ein Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt, gliedert. Das Unterhaus setzt sich aus 249 Sitzen zusammen, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen www.ris.bka.gv.at Seite 8 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018 verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kuchi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 25.6.2015; vgl. CRS 15.10.2015 und CRS 12.1.2015).

Das Oberhaus setzt sich aus 102 Sitzen zusammen. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Ein Drittel der Sitze, wovon wiederum 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst, (CRS 12.1.2015; vgl. CRS 15.10.2015). Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßig vorgegebenen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für die Ernennung eines Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 25.6.2015

Parteien

Die afghanische Parteienlandschaft ist wenig entwickelt und mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen in der Regel mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des Parteiensystems ist auch auf das Fehlen eines Parteienfinanzierungsgesetzes zurückzuführen sowie auf das Wahlsystem (Direktwahl mit einfacher, nicht übertragbarer Stimme). Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen der verschiedenen politischen Lager immer wieder gestört. (AA 6.11.2015).

Oppositionsbewegungen und Parteien - ganz gleich ob Kommunisten oder rechtsreligiös - wurden gezwungen entweder unterzutauchen oder ins Exil zu gehen. Unter einer neuen und formellen Verfassung haben sich seit 2001 früher islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine Organisation politischen Glaubens oder Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratien sind. Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen, aber nicht immer durch Wahlerfolge (USIP 3.2015).

Die Machtstrukturen in Afghanistan sind vielschichtig und verwoben. Eignung, Befähigung und Leistung spielen oftmals eine untergeordnete Rolle bei der Verteilung politischer bzw. administrativer Ämter. Die Entscheidungen über viele Personalien, auch in entlegenen Provinzen, werden von der Zentralregierung in Kabul, häufig sogar vom Präsidenten getroffen. Im Vielvölkerstaat Afghanistan spielen informelle Beziehungsnetzwerke und der Proporz der Ethnien eine wesentliche Rolle. Die Machtverteilung wird national und auch lokal so austariert, dass die Loyalität einzelner Persönlichkeiten und Gruppierungen gesichert erscheint. Handeln lokale Machthaber entgegen der Regierungspolitik, bleiben Sanktionen allerdings häufig aus. Politische Allianzen werden in der Regel nach pragmatischen Gesichtspunkten geschmiedet. Dadurch kommt es, für Außenstehende immer wieder überraschend, zu Koalitionswechseln und dem Herauslösen von Einzelpersonen aus bestehenden politischen Verbindungen, unabhängig von Parteistrukturen (AA 6.11.2015).

Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, welches eine Neuregistrierung aller Parteien verlangte und ferner zum Ziel hatte ihre Zahl zu reduzieren. Anstatt wie bisher die Unterschrift von 700 Mitgliedern vorzuweisen, mussten sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen einbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die Zahl der offiziell registrierten Partein von mehr als 100 auf 63, trug aber scheinbar nur wenig zur Konsolidierung von Parteiunterstützungsbasen oder institutionalisieren Parteipraktiken bei (USIP 3.2015).

Friedens- und Versöhnungsprozess:

Der afghanische Friedens- und Versöhnungsprozess ist nach einem ersten direkten und öffentlichen Treffen zwischen Regierung und Taliban in diesem Jahr wieder ins Stocken geraten. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte, Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Beide Seiten haben sich aber grundsätzlich weiter zu Verhandlungen bereit erklärt. Die Reintegration versöhnungswilliger Insurgenten bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 6.11.2015). www.ris.bka.gv.at Seite 9 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- AA - Auswärtiges Amt (8.2015): Aktuelle innenpolitische Lage, http://www.auswaertiges- amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Afghanistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 2.11.2015

- AF - Asia Foundation (2012): Voter Behavior Survey,

- BFA Staatendokumentation (3.2014): Afghanistan; 2014 and beyond, http://www.bfa.gv.at/files/broschueren/AFGH_Monographie_2014_03.pdf, Zugriff 22.9.2014

- CRS - Congressional Research Service (15.10.2015): Afghanistan: Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 20.10.2015

- CRS - U.S. Congressional Research Service (12.1.2015): Afghanistan: Politics, Elections, and Government Performance, http://www.fas.org/sgp/crs/row/RS21922.pdf, Zugriff 20.10.2015

- Die Zeit (6.4.2014): Kandidaten sehen klaren Betrug bei Präsidentenwahl, http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-04/unregelmaessigkeiten-afghanistan-wahl, Zugriff 24.9.2014

- Die Zeit (5.4.2014): Viel Andrang bei Präsidentenwahl in Afghanistan, http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-04/afghanistan-praesidentenwahl-karsai, Zugriff 24.9.2014

- FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (21.9.2014): Ghani wird Präsident Afghanistans, http://www.faz.net/aktuell/einigung-auf-einheitsregierung-ghani-wird-praesident-afghanistans-13165418.html, Zugriff 22.9.2014

- ICG - International Crisis Group (26.6.2013): Afghanistan's Parties in Transition, http://www.crisisgroup.org/~/media/Files/asia/south-asia/afghanistan/b141-afghanistans-parties-in-transition.pdf, Zugriff 24.9.2014

- IDEA - The International Institute for Democracy and Electoral Assistance (o.D.): Afghanistan: An Electoral Management Body Evolves, www.idea.int/publications/emd/upload/EMD_CS_Afghanistan.pdf, Zugriff 24.9.2014

- Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan, http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf, Zugriff 11.9.2014

- NZZ - Neue Zürcher Zeitung (8.7.2014): Afghanischer Wahlsieger Ashraf Ghani, http://www.nzz.ch/international/asien-und-pazifik/technokrat-populist-choleriker-1.18339044, Zugriff 31.10.2014

- NZZ - Neue Zürcher Zeitung (22.1.2015): Leerlauf in Kabul Afghanistans endlose Regierungsbildung, http://www.nzz.ch/international/asien-und-pazifik/afghanistans-endlose-regierungsbildung-1.18466841, Zugriff 2.11.2015

- UNAMA - United Nations Assistance Mission to Afghanistan (o.D.): Primer on the Single Non-Transferable Vote System, http://unama.unmissions.org/Portals/UNAMA/Documents/Election%20System%20in%20Afghanistan%20Prime r.pdf, Zugriff 24.9.2014

- USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

www.ris.bka.gv.at Seite 10 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

- USIP - United States Institute of Peace (3.2015): Political Parties in Afghanistan, http://www.usip.org/sites/default/files/SR362-Political-Parties-in-Afghanistan.pdf, Zugriff 2.11.2015

Sicherheitslage:

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt weiterhin volatil. Sie weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF), die seit 2015 erstmals die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernehmen, haben es immerhin geschafft, das Patt mit der Insurgenz aufrechtzuerhalten. So gelang es der Insurgenz nicht, größere Provinz- und Distriktzentren einzunehmen und dauerhaft zu halten. Die Bereitschaft der großen RSM1 -Partnerstaaten, länger als ursprünglich geplant mit Truppen in Afghanistan präsent zu sein, soll mittelfristig zu einer Steigerung der Einsatzfähigkeit der ANDSF und somit langfristig zu einer Stabilisierung der Sicherheitslage beitragen (AA 19.10.2016).

Verschlechterung der Sicherheitslage in allen Landesteilen. Die Sicherheitslage hat sich seit dem Ende der Kampfmission der NATO Ende 2014 in allen Landesteilen verschlechtert. Allein in den ersten sieben Monaten des Jahres 2016 registrierte die International NGO Safety Organisation (INSO) 16'287 sicherheitsrelevante Vor- fälle.40 Obwohl es den ANDSF immer wieder gelungen ist, durch Taliban eroberte Gebiete zurückzugewinnen, waren die Taliban fähig, mehrere Distriktzentren während Wochen unter ihrer Kontrolle zu halten.

Zentrum (Ghazni, Logar, Wardak, Kabul, Kapisa, Parwan und Panjshir). Komplexe Angriffe und Selbstmordanschläge haben im Zentrum des Landes in den Jahren 2015 und 2016 im Vergleich zu 2014 zugenommen und zu einem Anstieg der zivilen Opfer geführt. Zudem gehört das Zentrum des Landes zu den Gebieten, in denen die meisten Binnenvertriebenen leben.

Hauptstadt Kabul. In der Hauptstadt Kabul finden regelmässig und mit zunehmen-der Häufigkeit Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe mit massiven Opfern unter der Zivilbevölkerung statt, einschliesslich in Zonen, die eigentlich relativ gut gesichert sein sollten, wie etwa dem Parlamentsgebäude (22. Juni 2015, 28. März 2016), dem Flughafen (4. Januar 2016), dem Verteidigungsministerium (27. Februar 2016, 5. September 2016) und einem ehemaligen Gebäude des National Directorate for Security (NDS) (19. April 2015), sowie auf Regierungsbeamte und Angehörige der ANDSF (7. August 2015). Auch internationale Organisationen oder Einrichtungen wie zuletzt das von Ausländerinnen und Ausländern frequentierte Northgate Hotel (1. August 2016), die Amerikanische Universität in Kabul (24. August 2016) oder das Kabuler Büro der Hilfsorganisation CARE (5. September 2016) sind Ziel von Anschlägen oder werden bei Anschlägen in Mitleidenschaft gezogen. Zudem finden mitten in der Hauptstadt immer wieder Entführungen statt. Die Taliban fokussieren sich spätestens seit ihrer Frühjahrsoffensive 2016 vermehrt auf Großstädte. Der im Juli 2016 verübte Selbstmordanschlag des IS auf eine Demonstration von Personen der Hazara-Ethnie zielte direkt darauf ab, Zivilpersonen zu treffen.

Süden (Uruzgan, Nimroz, Helmand, Kandahar und Zabul), Südosten (Paktika, Khost und Paktiya) und Osten (Nuristan, Laghman, Kunar und Nangarhar). Etwa 70 Prozent der sicherheitsrelevanten Vorfälle ereignen sich im Süden, Südosten und Osten des Landes. Den Taliban ist es 2015 und 2016 in den Provinzen Helmand und Kandahar gelungen, die afghanischen Sicherheitskräfte aus ganzen Distrikten zu vertreiben. Mitte August 2016 umzingelten sie die Provinzhauptstadt Lashkargah (Helmand). Es wird geschätzt, dass die Taliban inzwischen 80 Prozent der Provinz Helmand kontrollieren. Die afghanischen Sicherheitskräfte sind jedoch auch in den Provinzen Ghazni und Uruzgan gefordert. In Uruzgan waren die Taliban Anfang September 2016 kurz davor, die Provinzhauptstadt Tirin Kot einzunehmen. In der Provinz Nangarhar finden Kämpfe zwischen IS und ANDSF sowie internationalen Sicherheitskräften statt, aber auch zwischen IS und Taliban. So-wohl im Süden als auch im Osten sind wieder internationale Sicherheitskräfte im Einsatz. Im Süden und Südosten sind die Opferzahlen unter der Zivilbevölkerung zwar leicht zurückgegangen. Im Süden sind sie landesweit aber noch immer am höchsten.

Norden (Faryab, Sar-e Pul, Jowzjan, und Samangan) und Nordosten (Kunduz, Baghlan, Takhar und Badakhshan). Die Taliban waren in der Lage, vom 28. September bis 13. Oktober 2015 die Provinzhauptstadt Kunduz einzunehmen. Mit Hilfe der US-Streitkräfte gelang es den ANDSF zwar, die Taliban aus Kunduz Stadt zurückzudrängen, doch die Taliban kontrollieren weiterhin Teile der umliegenden Gebiete. Zudem haben es die ANDSF nicht geschafft, die Präsenz weiterer bewaffneter regierungsfeindlicher Gruppierungen rund um Kunduz Stadt zu unterbinden. Auch in den Provinzen Badakhshan, Faryab, Sar-e Pul, Takhar und entlang des Baghlan- Balkh Highways wird gekämpft. Im Nordosten des Landes haben sich die Opfer unter der Zivilbevölkerung 2015 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Grund dafür waren insbesondere die Kämpfe in und um Kunduz.

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Westen (Herat, Farah, Badghis und Ghor). Der Westen Afghanistans gilt zwar als relativ stabil, die Präsenz regierungsfeindlicher Gruppierungen nimmt jedoch zu und damit auch die Opferzahl unter der Zivilbevölkerung. Anfangs August 2016 wurden in der Provinz Herat sechs Ausländer sowie ihr Fahrer verletzt. Am 11. August 2016 erhängten die Taliban in der Provinz Farah fünf Angehörige der ANDSF. Die Aktivitäten krimineller Netzwerke nehmen weiter zu und der Westen gehört zudem zu den Gebieten, in denen sich die meisten IDPs angesiedelt haben. Gemäß UNAMA fanden die meisten parallelstaatlichen Bestrafungen im Westen statt, vor allem in den Provinzen Farah und Badghis. Ebenfalls im Westen verzeichnete UNAMA die höchste Zahl an Entführungen: allein in den ersten sechs Monaten 2016 16 Entführungen in der Provinz Farah und 13 in der Provinz Herat (SFH 30.09.2016).

Die afghanischen Sicherheitskräfte führten ihre Frühjahrs- und Sommeroperationen erfolgreich durch. Schwierigkeiten in Schlüsselbereichen wie Spionage, Luftfahrt und Logistik, verbesserten sich, beinträchtigen aber die Schlagkraft (USDOD 12.2016). Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge, haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch unbeständig. Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten herausforderten und versuchten Versorgungsrouten zu unterbrechen (GASC 13.12.2016).

Beispiele für Sicherheitsoperationen

Die afghanischen Sicherheitskräfte vereitelten einen koordinierten Angriff in der Provinz Nangarhar; dabei wurden mindestens 5 Aufständische getötet, sowie 6 weitere verwundet (Khaama Press 18.12.2016). Mindestens 8 IS-Kämpfer wurden bei Luftangriffen in der Provinz Nangarhar im Osten Afghanistans getötet (Khaama Press 15.12.2016). Im Rahmen von Militäroperationen durch afghanische Sicherheitskräfte in der Provinz Nangarhar, erlitten ISIS-Aufständische hohe Verluste (Khaama Press 30.11.2016). 5 Taliban, darunter ein lokaler Führer, wurden im Rahmen von Befreiungsoperationen in der Provinz Uruzgan getötet (Xinhua 27.11.2016). Im Oktober verlautbarte Vizepräsident Dostum, die Führung einer riesigen Militäroperation in der Provinz Kunduz, um diese von Aufständischen zu befreien (Tolonews 10.10.2016). Die afghanischen Sicherheitskräfte eroberten dabei Schlüsselbereiche des Distriktes Ghormach von den Taliban wieder zurück: die administrativen Distriktanlagen, das Polizeihauptquartier und den Markt von Ghormach (Khaama Press 21.10.2016).

Berichtszeitraum 16.8.2016 bis 17.11.2016

66% der sicherheitsrelevanten Vorfälle konzentrierte sich landesweit auf die südlichen, südöstlichen und östlichen Regionen. In Einklang mit bisherigen Trends, waren 65% dieser sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Auseinandersetzungen, gefolgt von Vorfällen mit improvisierten Sprengkörpern (18%) (GASC 13.12.2016).

Im Berichtszeitraum zeichneten die Vereinten Nationen landesweit 6.261 sicherheitsrelevante Vorfälle auf; eine Erhöhung von 9% zum Vergleichszeitraum 2015. In den Monaten Jänner bis Oktober war die Anzahl bewaffneter Angriffe um 22 % höher als im Vergleichszeitraum des Jahres 2015 (GASC 13.12.2016).

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin, durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015. Zusätzlich wurden im Berichtszeitraum landesweit 88 Entführungen, inklusive 11 Massenentführungen registriert (GASC 13.12.2016). Im Vergleich dazu wurden im Berichtszeitraum davor (20.5. - 15.8.2016) landesweit 109 Entführungen registriert (GASC 7.9.2016).

High-profile Angriffe in Kabul

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Im Berichtszeitraum kam es zu zwei High-Profile Angriffen: einer davon in Kabul auf das Verteidigungsministerium und der zweite Angriff - ein Selbstmordattentat - auf den Bagram Militärflugplatz in der Provinz Parwan (GASC 13.12.2016).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban, kämpften die Taliban mit dem ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den ISIL-KP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des ISIL-KP existiert in Nuristan (GASC 13.12.2016).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (19.10.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- GASC - General Assembly Security Council (13.12.2016): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2016/1049, Zugriff 1912.2016

- GASC - General Assembly Security Council (7.9.2016): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, http://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2016/768, Zugriff 15.9.2016

- Khaama Press (18.12.2016): 5 militants killed, 6 wounded as Afghan forces repulse attack in Nangarhar, http://www.khaama.com/5-militants-killed-6-wounded-as-afghan-forces-repulse-attack-in-nangarhar- 02497, Zugriff 2016

- Khaama Press (15.12.2016): 8 ISIS militants separate airstrikes in East of Afghanistan, http://www.khaama.com/8-isis-militants-separate-airstrikes-in-east-of-afghanistan-02478, Zugriff 19.12.2016

- Khaama Press (30.11.2016): ISIS militants suffer heavy casualties in Afghan forces operations, http://www.khaama.com/isis-militants-suffer-heavy-casualties-in-afghan-forces-operations-02396, Zugriff 19.12.2016

- SCR - Security Council Report (30.11.2016): December 2016 Monthly Forecast - Asia - Afghanistan, http://www.securitycouncilreport.org/monthly-forecast/2016-12/afghanistan_19.php, Zugriff 19.12.2016

- SFH (30.09.2016): Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update Die aktuelle Sicherheitslage

- Tolonews (10.10.2016): Dostum To Lead Large-Scale Military Operation in Kunduz, http://www.tolonews.com/afghanistan/27727-dostum-to-lead-large-scale-military-operation-in-kunduz, Zugriff 19.12.2016

- USDOD - United States of America Department of Defense (12.2016): Enhancing security and stability in Afghanistan, http://www.defense.gov/Portals/1/Documents/pubs/Afghanistan-1225-Report-December- 2016.pdf?source=GovDelivery, Zugriff 19.12.2016

- Xinhua (27.11.2016): Local Taliban leader killed in southern Afghanistan, http://news.xinhuanet.com/english/2016-11/27/c_135861524.htm, Zugriff 19.12.2016

Aus dem EASO Country of Origin Information Report Afghanistan Security Situation, November 2016, (https://www.easo.europa.eu/sites/default/files/Nov%2016%20- Afghanistan%20security%20report.compressed.pdf) ergibt sich:

1.6. Geographical overview of the security situation

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1.6.1. Urban/rural divide

Afghanistan's history is characterised by a structural urban-rural divide. Urban centres have been hubs foradministration, market-driven methods of production, taxation, education, judiciary and reforms. This helped to create resentment among the rural population, which did not benefit from these developments .

In general, Afghan urban centres are seen as more secure than rural areas and the majority of them have been controlled by the government, protecting them against insurgent attacks. That is why they attract a large proportion of the IDPs who usually live there in informal or unplanned settlements. However, in 2015, the Taliban increasingly targeted district and provincial capitals. It managed to seize some of them and control them for longer periods. In October 2015, it captured the administrative centre of Kunduz - the first provincial capital seized by the Taliban since 2001. The capital of Helmand, Lashkargah, has also come under serious pressure and was completely surrounded by Taliban fighters closing in on the centre in August 2016, which led to a new deployment of US troops in the town.

The main security problems in big cities are high-profile attacks, target killings and kidnappings. In spite of the visible military presence in Kabul and other big cities, government, police and army are not able to prevent insurgent infiltration. Kabul, which experiences high-profile attacks on a regular basis, is now divided by security walls and road barriers but still AGEs can move through the city.

Some urban centres suffer more security problems than others, including administrative centres in Kunduz, Helmand but also in Ghazni, Uruzgan and . Others including Mazar-e Sharif () and Herat counted the lowest numbers of civilian victims in their city centres. However, in 2015 and 2016 some high-profile attacks were conducted in Mazar-e Sharif too.

The security situation in rural areas, where the vast majority of people live, is even more complicated. The Taliban, as well as other AGE groups, maintain their power bases in rural areas where government power is more decentralized than major cities. In rural areas, civilians may be victims caught in a cross-fire, aerial operations and land-mines or IED explosions. They may suffer also attacks from ALP and PGM. Afghans living in rural areas were significantly more likely (30.4 %) to express support for AGEs compared to residents of urban areas (18.6 %).

1.6.2. Regional differences

There are differences in the security situation in various regions of Afghanistan. At least 29 of 34 Afghan provinces are affected by the conflict and, according to Tolo News, this was especially the case for Nangarhar, Kunduz, Kandahar, Helmand and Baghlan in the first half of 2016.

According to a 2015 survey by the Asia Foundation, more than two-thirds of Afghans (67.4 %) report that they 'always, often, or sometimes fear for their personal safety'. The percentage of Afghans who fear for their personal safety has risen significantly since 2006. The provinces in which the population most often reports some level of fear for personal safety are: Wardak (96.2 %), Logar (90.6 %), and Uruzgan (90.4 %). For several years, these provinces have faced significantly higher levels of violence and armed insurgency than other areas. Provinces in which the people were least likely to report some level of fear are: Panjshir (7.2 %), Bamyan (18.4 %), and Badakhshan (21.7 %).

From 2009 until 2014, UNAMA reported a steady increase in numbers of civilian victims in the central, eastern, south-eastern, northern, north-eastern and western regions. The South was already very violent from 2009-2010 and, in 2015, the increase in civilian casualties was most significant in the regions North-East and Centre .

In Figure 3, an overview of the security incidents from September 2015 to May 2016 per province is shown on a map.

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Map 5: Afghanistan: Security incidents per province (Sep 2015 - May 2016)

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In figure 4, an overview is given per province of how the number of violent incidents relates to the number of inhabitants, which can be used as one indicator in the assessment of the "real risk" of civilians suffering harm due to violent incidents. The reference period for security incidents is also 1 September 2015 to 31 May 2016. However, this is only one possible indicator among others. The risk for an individual in a province is very complex to estimate and depends on a combination of elements, such as detailed information on the nature and target of the violent incidents, the locations where they take place, the extent of civilian casualties, etc. Further information on the violent incidents taken into account in this quantitative calculation and more information on relevant indicators can be found in each provincial part of this report under Regional description of the security situation.

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Map 6: Afghanistan: Number of security incidents compared to population (1 Sep 2015 - 31 May 2016)

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2.1.1. Kabul City

General description of the city

The city of Kabul is a separate district in the province of Kabul, alongside 14 other districts. In this report, Kabul City is highlighted because of its prominent position as Afghanistan's capital. Because of its high concentration of government buildings, international organisations, diplomatic compounds and international and national security forces, the city has a different security outlook than most of Afghanistan's other districts and provinces.

Kabul is by far the biggest city in Afghanistan and certainly the fastest growing. Massive returnee populations, IDPs and economic migrants have spurred rapid growth in Kabul. In 2015, UN OCHA estimated the population of Kabul to be 3,678,034 inhabitants. Other estimates run as high as 7 million (226). More than three-quarters of 's population lives in the city of Kabul.

The city of Kabul is subdivided into 17 districts, often referred to as districts 1 to 17. A map of UN OCHA dated 4 January 2016, shows 22 police districts. In early 2016, the city was without mayor due to a lack of agreement between President Ghani and CEO Abdullah on the appointment.

Kabul is an ethnically diverse city with communities of almost all ethnicities. , , , Uzbeks, Turkmen, Baluchs, Sikhs and Hindus all reside there (231) with no group clearly dominating. As people tend to move to areas where they already have family or into particular districts as part of a larger group with the same ethnicity, different neighbourhoods have become associated with different ethnic groups.

Background on the conflict and actors in Kabul City

In April 2016, UNHCR stated in its Eligibility Guidelines that 'the ANSF have proved generally adept in defending provincial capitals and major urban centres, with the chief exception of the brief capture by the Taliban of Kunduz in September 2015'. This obviously includes Kabul (234). Nevertheless Kabul regularly witnesses violence. The main tactics in Kabul are either 'high-profile attacks', 'complex attacks' or 'suicide attacks'. UNAMA defines a complex attack as 'a deliberate and coordinated attack which includes a suicide device, more than one attacker and more than one type of device'. The pattern of a complex attack is almost always the same: an explosion, often a bomb, placed in a vehicle, which creates an entrance. Then insurgent combatants rush in and provoke an often hour-long firefight with the ANSF.

The targets of these attacks have been high-profile international institutions, both military and civil - including diplomatic personnel and western NGOs, in addition to Afghan authorities and security forces. The objectives of such high-profile attacks include, apart from striking the opponent, grabbing the international media headlines in a show of strength and sending a message to the population telling them that the Afghan government cannot protect them. The weaponry used by AGEs in these attacks are generally not very sophisticated, such as assault rifles, grenades and pistols. Highprofile locations are targeted with suicide bombs and IEDs. Also, the AGEs occasionally target the city with rockets or grenades.

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Apart from conflict-related violence, Kabul City sees a high and rising crime rate. Regularly, the Afghan police parade hundreds of criminals in one month in Kabul, involved in, for example, murder, armed robbery and car jackings.

Recent security trends

From 1 September 2015 to 31 May 2016, Kabul City counted 151 security incidents. The following table provides an overview of the nature of the security incidents:

Violence targeting individuals 21

Armed confrontations and airstrikes 18

Explosions 50

Security enforcement 31

Non-conflict related incidents 28

Other incidents 3

Total security incidents 151

Kabul Province

General description of the province

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Kabul Province is made up of 15 districts with the district of Kabul City at the centre: Bagrami, Chaharasyab, Deh Sabz, Istalif, Farza, Guldara, Kabul, Kalakan, Khake Jabbar, Mir Bacha Kot, Musayi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi (276). The province is estimated to have 4,372,977 inhabitants, of which 3,678,034 live in Kabul City.

Kabul Province is located in the Central Region and is bordered by the provinces of Parwan to the northwest, Kapisa to the northeast, Laghman in the east, Nangarhar in the southeast, Logar in the south, and Wardak in the southwest.

More than half of the province is mountainous or semimountainous terrain while more than one third of the area is made up of flat land. Major roads depart from Kabul City north toward Kunduz and Mazar-e Sharif through the districts of Shakardara, Mir Bacha Kot, Kalakan and Qarabagh in the Shomali plain, east to Jalalabad through the districts of Bagrami, Khak-e Jabbar and Surobi and south to Kandahar through Paghman and to Pul-i Alam and Gardez through Bagrami and Chahar Asayab.

Major ethnic groups in Kabul Province are Tajik, Pashtun and Hazara. According to UNHCR district profiles dating from 2002, Pashtuns dominate the southern and eastern districts of Surobi, Paghman, Chaharasyab, Bagrami, Deh Sabz, Khake Jabbar and Musayi, and Tajik dominate the northern districts of Istalif, Kalakan, Mir Bacha Kot, Shakardara and Qarabagh. In other districts, no ethnic group is clearly dominant. North of Kabul City lies the Shomali plain which stretches for 70 kilometres from the outskirts of the city to the Salang pass. The inhabitants of the Shomali plain are mainly Tajik and, to a lesser extent, Uzbek, Hazara and Pashtun. It is a fertile and comparatively rich area and, because of its developed agriculture, considered the orchard of Kabul. The area has been a central part in Afghan economy and politics for a long time. The security situation in Kabul City is outlined in the previous chapter.

Background on the conflict and actors in Kabul Province

Surobi or Sarobi district is particularly affected by Taliban infiltration. In Surobi, most of the heavy fighting between AGEs and French military forces happened in the Uzbin valley. Uzbin is a side valley in Surobi on the way to Jalalabad. The valley extends for some 30 kilometres north of the district centre and the highway that crosses it. Security incidents on the stretch of the highway passing by the mouth of the valley were frequent. www.ris.bka.gv.at Seite 16 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

Uzbin is nestled among other insecure districts, such as Tagab of , Qarghayi and Badpakh of Laghman and Hesarak inNangarhar, to which it connects through relatively easily traversable passes. The broader area is reported as being increasingly controlled by the armed opposition and became an important crossing point and sanctuary for AGEs. Residents of the upper Uzbin valley complained in September 2015 about poor economic circumstances, violence against women and the lack of professional teachers because of the presence of AGEs.

Analyst Foschini stated in July 2015 '[r]ecently, security on the [Kabul-Jalalabad] highway has deteriorated again, with recurrent attacks against ANSF posts and vehicles even in broad daylight. Most [incidents] happened where the road abuts the mouth of the Uzbin valley'. The rising security risks on that road led to a major offensive by ANSF in September 2015. The operation lasted for several weeks and went all the way up in the Uzbin valley. However, according to Foschini, [p]revious military operations to improve security mostly aimed at dislodging insurgent groups from the Tor Ghar massif to the south of the highway (right on the border between Laghman and Nangrahar), and were temporarily effective at reducing attacks on the road. The threat coming from Uzbin, however, in light of the strong position held by AGEs there, will be much more difficult to address.

According to Foschini, in July 2015 'security observers report declining numbers of ANSF troops and decreased effectiveness of the ANSF operations in Sarobi, due to a lack of resources and poor coordination. [...] The government's sway over the whole of Sarobi had grown weaker in recent years. Not only is all of upper Uzbin completely beyond the control of the ANSF; other areas in the districts do not fare much better'.

Other districts were also infiltrated by AGEs, and to a lesser extent so were Musayi, Chahar Asyab, Khak-e Jabbar and Bagrami. Musayi and parts of Deh Sabz are described by ISW as 'high confidence Taliban support zones', while Paghman and parts of Khak-e Jabbar, Bagrami and Chahar Asayab are described as 'low confidence Taliban support zones'. Paghman, bordering Wardak, is described as a safe shelter for illegal armed groups and AGEs. Paghman is, nevertheless, an attractive spot for picnics and weekends out for many Kabulis. Taliban presence in Musayi and Guldara go underreported, according to analyst Thomas Ruttig.

AGEs active in the province include the Taliban, Haqqani Network and Hezb-e Islam. According to analyst Foschini, fighters from Hezb-e Islami (Hekmatyar) and the Taliban were consistently present in Surobi, although Hezb-e Islami were traditionally stronger in Surobi. According to a source in Kabul, it is tensions between Jamiaat and Hezb-e Islami that facilitate insurgent infiltration in Surobi. In November 2015, NDS claimed to have arrested four members of the Islamic State, sent to Paghman from Achin, Nangarhar.

According to a source in Kabul, 350 ALP are deployed in three districts - Surobi (150 men), Musayi and Paghman (100 men each). In Surobi, according to Foschini, 'ALP units man a handful of posts besides the district centre bazaar, but are too small (four to five, at most ten, local policemen) to withstand attacks by the insurgents'.

Recent security trends

...

From 1 September 2015 to 31 May 2016, Kabul Province experienced 312 security incidents. These include 151 in Kabul City alone. Excluding the figures for Kabul City, as discussed in the previous chapter, Kabul Province only accounts for 161 incidents. While suicide attacks and IED explosions are much less common in the province than in the city, the majority of armed clashes and stand-off attacks occurred in the province. Another remarkable difference is that almost all of the non-conflict related incidents, mainly crime-related incidents, occurred in the city.

Baghlan

General description of the province

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According to UNOCHA, the population of this province is 910,784 (47.6 % female and 52.4% male). The province of Baghlan (capital: Pul-e-Khumri), surrounded by Bamian, Samangan, Kunduz, Takhar, and Parwan provinces, lies on the main route to north and northeastern regions of Afghanistan and comprises diverse ethnic groups (mainly Tajiks, also Pashtuns, Uzbeks, Turkmens and Ismailis). This province is made up of the www.ris.bka.gv.at Seite 17 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018 following districts: Andarab, Baghlan-e-Jadid, Burka, Dahana-e-Ghori, Dehsalah, Doshi, Fereng Wa Gharu, Guzargah-e-Nur, Khenjan, Khost Wa Fereng, Khwajahejran, Nahrin, Pul-e-Hasar, Pul-e-Khumri and Tala Wa Barfak. Its principal income is derived from agriculture, boosted by the water sources of the Baghlan-Kunduz river system, and from energy plants and modest industrial enterprises, notably the Ghori cement factory, the sugar mill, hydropower plants, and coal mines.

Background on the conflict and actors in Baghlan

Insurgent groups active in the province include the Taliban, Jundullah groups and Islamic State of Khorasan. All groups are recruiting fighters in Baghlan. Also the activity of armed Hezb-e Islami (Gulbuddin Hekmatyar) men was reported in the province. The occupation of Kunduz City by the Taliban in September and October 2015 demoralised people of Baghlan and the ANSF, especially in and around Pul-e-Khumri district. Local residents believed the Taliban would attack Pul-e-Khumri.

They recounted how the police checkposts on the section of the highway passing through Dand-e Ghuri area had been abandoned. The pro-government militias were also a security concern as, in the aftermath of the fall of Kunduz, a number of Jihadi commanders in the region mobilised a large number of supporters to back the government forces in their fight against the Taliban. Hundreds of Tajik young men, essentially from Andarab, registered with the police as belonging to various militia units, although such militias do not appear in the ministry of interior's charts. They were affiliated with Jamiat-e Islami and linked to the local governance and security establishment.

The United Nations closed its office in Baghlan Province as cautionary measure. The UN Secretary-General reported that: 'as a consequence of the increased risks posed by the conflict, particularly in urban areas, civilian actors, including the United Nations, necessarily curtailed programme activities and temporarily relocated staff from Kunduz, Baghlan and Badakhshan provinces'. IS fighters settled their families in this area, notably in , and were trying to recruit fighters.

In 2016, Pajhwok Afghan News reported on the weak morale of the ANSF in Baghlan province and their lack of military equipment causing their incapability of effectively battling the Taliban.

Recent Security trends

From 1 September 2015 to 31 May 216, Baghlan Province counted 415 security incidents. The following table provides an overview of the nature of the security incidents: Violence targeting individuals 36, Armed confrontations and airstrikes 280, Explosions 37, Security enforcement 53, Non-conflict related incidents 9, Total security incidents 415

The following table presents the number of security incidents per district in Baghlan Province: Pul-e Khumri: 215, Baghlan-e Jadid: 113, Dushi: 24, Dahan-e Ghuri: 16, Burka: 13, Khinjan: 13, Khost Wa Firing: 5, Tala Wa Barfak: 5, Dih Sala: 4, Nahrin: 3, Andarab: 2,Pul-e Hisar: 2.

During the two-week Taliban occupation of Kunduz City in September and October 2015, there was also a strong insurgent presence in the province of Baghlan, immediately in south of Kunduz. They held up the security forces' convoys for days in Baghlan with road blocks and ambushes. The Afghan forces recaptured the Baghlan- Kunduz Road in October 2015. Nevertheless, in December 2015, Baghlan residents continued to be concerned about the security situation on the highway around Pul-e-Khumri district. After the fall of Kunduz, the Taliban looted weapons, equipment and money which it transferred to Pul-e-Khumri and Baghlan-e-Jadid .

In December 2015, children and women were among the victims killed when unexploded munitions went off in

Pul-e Khumri district.

UNAMA reported in its 2016 midyear report in Baghlan Province the sexual abuse of a boy by an ALP unit suspected

www.ris.bka.gv.at Seite 18 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018 of abusing also other boys. UNAMA also reported that the ANA occupied four schools in the Dand-e-Ghori area, preventing students, including 200 girls, and teachers, including 50 women, from accessing these schools (1199).

Civilians were forced to dig trenches for the Taliban in this province. The AGEs took dozens of youths for work daily.

The power supply from Uzbekistan to Kabul was cut in January 2016 after the Taliban blew up a power pylon near Pul-e-Khumri and a technical team could not travel to the area which was controlled by AGEs. However, a Taliban spokesman denied it was behind the sabotage. In the same month, the Taliban warned telecommunication companies to switch off their towers at night. Residents faced problems informing relatives in emergency situations. Also in January 2016, at least 47 AGEs, including Pakistanis, were killed in military operations in the province. The Taliban claimed that it destroyed two army vehicles. It planted landmines on roads and agricultural fields, and warned local residents against coming out of their houses.

The Baghlan Journalists Association condemned violence against journalists in this province. In February 2016, two officials of a private radio station were shot and injured in the capital of the province. Two local television staff members and many journalists had received threats from unknown callers.

During a conference in Kabul in February 2016, civil-society activists claimed that nearly 800 civilians suffered casualties because of clashes between security forces and the Taliban in Baghlan: at least 135 civilians, including 40 women and children, were killed in different areas in Baghlan. The provincial governor announced that 130 AGEs, including their eight commanders, were killed, and 95 AGEs, including Pakistani rebels, were wounded in military operations.

Clashes between security forces and AGEs continued in March 2016 and caused casualties in both sides as well as among civilians in Baghlan. The Taliban retreated from Salang area towards Joye Naw and Ahmadzai villages. Security forces recaptured Niazullah, Akakhel and Arab Tapa villages in Salang area.

In April 2016, the ANCOP arrested the driver of an international humanitarian organisation, accusing him of supplying medicines to AGEs and seized the organisation's vehicle in Baghlan-e Jadid district.

In the same month, AGEs attacked ANSF installations and positions in many areas in Baghlan Province. Both AGEs and ANSF used heavy weapons including rocket-propelled grenades and artillery. AGEs attacked on 11 April 2016 ANSF installations and positions in Shahbudin, Gajji, Kunduz Tepa, Qandari and Qutub Khel areas of Baghlan-e-Jadid district. On 13 April 2016, ANSF were reported to have shelled AGEs positions near Pul-e- Dolcha village, approximately 2 kilometres from a roadway corridor to Dand-e-Shahbudin District in Baghlan Province. At the end of April, the Taliban, which already controlled Shahr-e-Naw or Bazaar Postak area, was close to Dahana-e-Ghori district. Four Taliban fighters were killed in the clash, five injured and two others arrested while trying to flee the area disguised in women's clothes. Earlier in the month, the provincial governor, concerned by the Dand-e-Ghori situation, asked the central government to dispatch additional security forces to Baghlan. In May 2016, about 78 security officials, including local police and uprising members, were rescued after being besieged by Taliban fighters who captured the Surkh Kotal locality of Baghlan province. On 14 May 2016, the Taliban claimed major gains in Pul-e-Khumri.

In May 2016, AGEs attacked family members of a deceased ALP agent in Baghlan-e-Jadid district, killing four girls, two boys, and two women, and injuring two boys.

In July 2016, armed men set a school on fire in the district of Nahrin.

In August 2016, Pajhwok reported on AGEs attacking military bases and the district centre of Dahana-I Ghori. The attack on the district centre was reportedly repelled and followed military operations against AGEs in Dahana-I Ghori district. Nevertheless, a few days later, the district was seized by the Taliban.

In August 2016, HRW published a report on the military use of schools in Baghlan by the ANSF and of the Taliban hampering children's right to education and putting their lives at risk. The report was based on a research mission in April 2016. HRW's research identified 12 schools in Baghlan that were used for military purposes.

Wardak www.ris.bka.gv.at Seite 19 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

General description of the province

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Wardak Province, also known as Maydan Wardak, shares borders with Parwan and Bamiyan to the north, Kabul and Logar in the east, and Ghazni to the south and west. More than fourfifths of the province is mountainous or semimountainous terrain while a little more than onetenth of the area is made up of flat land. The province of Wardak is divided into nine districts: Chak, Daymirdad, Hesae Awale Behsud, Jaghatu, Jalrez, Markaze Behsud, Maydan hahr, Nirkh, Sayadabad. The capital is the town of Maydan Shahr, which is located almost 35 kilometres west of Kabul City. The main KabulKandahar highway intersects the province through the districts of Maydan Shahr, Nirkh and Sayadabad. A provincial road runs west from Maydan Shahr to Bamiyan through Jalrez and the districts of Hisae Awal-e Behsud and Markaz-e Behsud (431). The areas around the Kabul- Kandahar highway are more densely populated.

The province is estimated to house 596,287 residents. The major ethnic group living in Wardak Province is Pashtun, followed by Tajiks and Hazaras. The local Pashtun population belongs to a variety of Ghilzai tribes, primarily the Wardak, Kharoti and Hotak tribes). During spring, Kuchi migrations regularly cause violent clashes in the predominantly Hazara Behsud districts.

Despite its political and strategical importance due to its proximity to Kabul and status as gateway to the south, the province has few resources and attracts comparatively little financial and political support. It has an unexplored mining sector which holds modest economic potential. The bulk of the agricultural production in the province comes from the predominantly Hazara district Markaz-e Behsud.

Background on the conflict and actors in Wardak

In 2014, according to Landinfo, rebels consisted of local and regional Taliban groups, Hezb-e Islami and international groups of fighters. The main jihadi party in the 1980s and 1990s was Hezb-e Islami and most Taliban fighters in Wardak are former Hezb-e Islami members. In June 2015, the US Department of Defense reported that Al Qaeda fighters, pushed out of their safe havens in Waziristan by a Pakistani military operation, surfaced in Wardak, among other places, in the spring of 2015. These reinforcements led to renewed fighting between Taliban and Hezb-e Islami fighters in Nirkh district in the summer.

According to a BBC report from October 2014 on Sayadabad's Tangi valley, this area is firmly under Taliban control. It collects taxes, runs the schools and maintains a rudimentary court system. Chak, also known as Chak- e Wardak, was considered the insurgent headquarters for the past 13 years. The Taliban had set up several checkposts in the district and ran a parallel judicial system until it was ousted by ANSF operations in January 2015.

According to Landinfo, since 2008 the Taliban has significantly destabilised the province, resulting in several areas becoming inaccessible to government officials. As of autumn 2015, it was difficult for provincial government officials to travel from Maydan Shahr, the provincial capital, to any of the district centres. According to UNHCR, in September 2015 Wardak was in a state of permanent instability. The security situation in the summer of 2015 was tense with several security incidents, including IED attacks and explosions, targeting military forces and government institutions. Civilian property was destroyed, which was, according to UNHCR, a violation of the principle of distinction in International Humanitarian Law. Killing of civilians in confrontations between AGEs and ANSF was reported in several districts, such as Chak, Sayadabad and Nirkh.

In August 2015, the provincial governor labelled Daymirdad, Jaghatu, Nirkh, Chak and Jalrez as volatile districts of the province. He also stated 'although Behsud is a relatively calm district, there are disturbing questions about the rule of law there'. These Hazara districts were de facto under the control of the political party Hezb-e Wahdat.

However, AREU stated that some Hazara areas in the province, without specifying which, were affected by Taliban presence.

The US Department of State also stated that the Taliban remained active throughout 2015 in what it called their 'traditional stronghold', Wardak. After Jalrez saw heavy fighting in the previous reporting period, the

www.ris.bka.gv.at Seite 20 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018 government created a pro-government militia outside the ALP, under the 'National Uprising Support Strategy' in 2015.

The provincial governor said the security personnel in August 2015 in Wardak numbered 5,000, compared with up to 1,500 AGEs. He also regretted the province had no independent army battalion. The four ANA battalions in Wardak are operating under the Gardez-based brigade. Since October 2008, the province experienced a series of local security initiatives. The ALP, like earlier initiatives, was plagued by ethnic and political problems, inadequate vetting procedures and accountability. As a result, 258 ALP were dismissed in March 2012. According to the same source, there seems to be an improvement since but issues of corruption and criminality among the ALP still need a lot of effort to eradicate. In 2014, ALP staffing levels were reduced from 1,650 in seven districts to 975 in five districts, due to budgetary considerations, according to a source in Kabul. According to a US Department of Defense report from April 2014, ALP is active in the districts of Sayadabad, Chakh, Nirkh, Jalrez and Maydan Shahr.

International Crisis Group reported about abusive behaviour by ALP and the total absence of complaints mechanisms and accountability, e. g. in Chakh district.

According to UNICEF and UNAMA, in 2015 there were three incidents at health facilities and between 10 and 15 conflict-related incidents against schools.

Recent security trends

From 1 September 2015 to 31 May 2016, Wardak Province counted 359 security incidents. The following table provides an overview of the nature of the security incidents: Violence targeting individuals 28, Armed confrontations and airstrikes 277, Explosions 33, Security enforcement 21, Non-conflict related incidents 0, Other incidents 0, Total security incidents 359.

The following table presents the number of security incidents per district in Wardak Province: Jalrez: 117, Sayadabad: 74, Nirkh: 51, Chak: 38, Daymirdad: 34, Maydan Shahr: 26, Jaghatu: 18, Hisa-i Awali Bihsud: 0, Markaz-e Bihsud: 0.

In October 2015, government officials claimed Taliban had wanted to (re)take the Chak district centre and several security posts but failed because of an ANSF ambush. ANSF claimed it killed a dozen AGEs and injured 18 more in the clash.

In Sayadabad civilians regularly became victims when caught in crossfire or ground engagements, often on, or around Highway 1. On 16 October 2015, during a clash between the Taliban and Afghan security forces in Sayedabad district, a Taliban-fired mortar hit the Kabul-Ghazni highway, killing two civilians and injuring nine others as they were travelling in buses. The clash involved heavy weapons on both sides and the highway remained closed for more than a day. In December 2015, ANA fired two explosive recoilless rifle rounds that hit a mosque in Sayedabad district, killing nine civilians, including four boys, and injuring three others. In February 2016, a child was shot by a soldier firing from his security post on the main Kabul-Ghazni road. In March 2016, a Ghazni judge was killed while passing with his vehicle over the same highway.

In February 2016, two separate ANSF operations in Nirkh resulted in firefights with the Taliban. According to government sources, two commanders and a Taliban fighter were killed in these operations. Government forces held a major clearing operation in the district a few days later, resulting in heavy fighting. The government claimed to have killed a dozen Taliban fighters in the operation that lasted for days. It claimed to have cleared several villages that were under Taliban control for many years.

On 18 February 2016, Afghan Special Forces and the IMF conducted a joint operation in the Tangi Sayedan area of Daymirdad district and entered a government health clinic funded by the Swedish Committee for Afghanistan. Two patients and a 15-year-old boy on a visit were taken to a nearby shop and summarily executed. Later, IMF were accused of complicity in the raid.

In May 2016, the Ministry of Defense announced it had killed the first commander of Islamic State in Wardak in an airstrike. www.ris.bka.gv.at Seite 21 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

In April 2016, during fighting as a result of an attack on an Afghan security forces convoy, crossfire injured six civilians in Sayedabad district.

In its mid-year report of 2016, UNAMA documented 12 abductions in Wardak Province in the first half of 2016.

As of June 2016, according to the Institute for the Study of War (ISW), most of Sayadabad, including the district centre, and parts of Chak, Nirkh and Jalrez are under control of the Taliban. The rest of Chak, Maydan Shahr and parts of Jalrez are considered 'high confidence Taliban support zones', while the rest of Nirkh and a small stretch in Hesae Awale Behsud are considered 'low confidence Taliban support zones'.

Also in August 2016, there were reports of several Taliban attacks in the province.

Displacement

A tense security situation and permanent instability continued to force people out of their homes. The majority of the conflict-induced IDPs in Wardak originate from different districts around Wardak and settle in the provincial capital Maidan Shahr. Kabul also continued to receive IDPs from Wardak, following large counter-insurgency operations in 2015. In an overview of the first four months of 2016, UNHCR mentions only small displacement from three southern districts to Ghazni.

Rechtsschutz/Justizwesen

Afghanistan ist eine Gesellschaft mit einer Vielzahl rechtlicher Traditionen, die historisch gesehen aus drei Komponenten bestehen: dem staatlichen Gesetzbuch, dem islamisch-religiösen Gesetz (Scharia) und dem lokalen Gewohnheitsrecht. Die lokalen Gepflogenheiten beinhalten kulturelle und ethische Standards zur Beseitigung eines Disputs durch Mediation und Schlichtung in den Gemeinschaften (BU 23.9.2010).

Wegen des allgemeinen Islamvorbehalts darf laut Verfassung kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so dass nicht festgelegt ist, welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem islamischem Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und das Fehlen einer Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 6.11.2015).

Das Gesetz beinhaltet eine unabhängige Justiz, aber in der der Praxis ist die Justiz oft unterfinanziert, unterbesetzt, nicht adäquat ausgebildet, uneffektiv, Drohungen ausgesetzt, befangen, politisch beeinflusst und durchdringender Korruption ausgesetzt (USDOS 25.6.2015). Die meisten Gerichte sprechen uneinheitlich Recht, basierend auf dem kodifiziertem Gesetz, der Scharia (islamisches Gesetz) und lokalen Gepflogenheiten. Traditionelle Justizmechanismen bleiben auch weiterhin die Hauptgrundlage für viele Menschen, besonders in den ländlichen Gebieten (USDOS 25.6.2015 vgl. FH 28.1.2015). Die Einhaltung des kodifizierten Rechts variiert, wobei die Gerichte gesetzliche Vorschriften zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten (USDOS 25.6.2015). Laut Freedom House Report 2015 besteht der Oberste Gerichtshof in erster Linie aus Religionsgelehrten, die nur eine beschränkte Kenntnis der zivilen Rechtsprechung haben (USDOS 25.6.2015 vgl. FH 28.1.2015).

Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an Kapazität um die hohe Zahl an neuen und novellierten Gesetzen zu handhaben. Der Mangel an qualifiziertem, juristischem Personal behindert die Gerichte. Verglichen mit 2012 gab es eine Steigerung in der Zahl der Richter, welche ein Rechtsstudium absolviert hatten (USDOS 25.6.2015). Es gibt etwa 1300 Richter im Land (SZ 29.9.2014). Präsident Ghani verfügte eine Reihe von Justizreformen, sodass im Oktober 2014 etwa 200 Richter und 600 Gerichtsangestellt aufgrund von Korruptionsvorwürfen entlassen wurden (FH 28.1.2015).

Das formale Justizsystem ist relativ stark verankert in den städtischen Zentren, wo die Zentralregierung am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten, wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben, schwächer ausgeprägt ist (USDOS 25.6.2015). Insbesondere in den ländlichen Gebieten wird von einem Großteil der Bevölkerung auf traditionelle Justizmechanismen oder Selbstjustiz zurückgegriffen (FH 28.1.2015).

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Der Zugang zu Gesetzblättern und Regelwerken steigt an, die geringe Verfügbarkeit stellt für einige Richter und Staatsanwälte aber weiterhin eine Behinderung dar. In den großen Städten entscheiden die Gerichte nach dem Gesetz. In den ländlichen Gegenden hingegen ist der primäre Weg zur Beilegung krimineller oder ziviler Streitigkeiten, jener über lokale Älteste und Shuras (Ratsversammlungen), wobei allerdings auch rechtlich nicht sanktionierte Strafen ausgesprochen werden (USDOS 25.6.2.2015). Schätzungen lassen vermuten, dass 80% aller Streitigkeiten durch Shuras entschieden werden. In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles Rechtssystem um (USDOS 25.6.2015; vgl. BFA Staatendokumentation 3.2014).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- BFA Staatendokumentation (3.2014): Afghanistan; 2014 and beyond, http://www.bfa.gv.at/files/broschueren/AFGH_Monographie_2014_03.pdf, Zugriff 13.10.2015

- BU- Boston University (23.9.2010): Rule of law in Afghanistan, http://www.bu.edu/aias/reports/AIAS_ROL.pdf, Zugriff 13.10.2015

- FH - Freedom House (28.1.2015): Freedom in the World 2015 - Afghanistan, http://www.ecoi.net/local_link/298953/435505_de.html, Zugriff 13.10.2015

- SZ - Süddeutsche Zeitung (29.9.2014): Große Reformen in Afghanistan, http://www.sueddeutsche.de/politik/ende-der-aera-karsai-in-afghanistan-der-zieher-geht-die-strippen-bleiben- 1.2150136-2, Zugriff 13.10.2015

- USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

Sicherheitsbehörden

Nach der Übergangsphase sind die Vereinigten Staaten von Amerika nicht mehr verantwortlich für einen Kampfeinsatz in Afghanistan. Die afghanische Regierung ist selbst für die interne Sicherheit verantwortlich (USDOD 6.2015). Das afghanische Innenministerium (Afghanistan's Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD), das Büro des Präsidenten und das Parlament sind direkt in die zivile Aufsicht des Sicherheitssektors involviert (CGS 2.2014; vgl. USDOS 25.6.2015).

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP) tragen unter der Leitung des Innenministeriums die Hauptverantwortung für die innere Ordnung, sind aber auch an der Bekämpfung der Aufständischen beteiligt (USDOS 25.6.2015).

Afghan National Defense and Security Forces (ANDSF)

Am 1. Jänner 2015 haben die ANDSF in einer Zeremonie formell die Sicherheitsverantwortung für Afghanistan übernommen (USDOD 6.2015; vgl. AA 2.3.2015). Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert (USDOD 6.2015; vgl. NYT 16.10.2015). Etwa 1.700 Frauen dienen in den afghanischen Streitkräften, davon sind ungefähr 1.370 bei der Polizei (CRS 15.10.2015). Die ANDSF bestehen aus folgenden Komponenten: der afghanischen Nationalarmee (ANA), welche auch die Luftwaffe (AAF) und das ANA-Kommando für Spezialoperationen (ANASOC) beinhaltet; der ANP die ebenso die uniformierte afghanische Polizei beinhaltet (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Grenzpolizei (ABP) und der afghanischen Polizei die Verbrechen bekämpft (AACP). Die afghanische Lokalpolizei (ALP), sowie ihre Komponenten, wie die afghanischen Kräfte zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und die afghanische Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) sind unter der Führung des Innenministeriums, während die afghanische Nationalarmee (ANA) unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums steht (USDOD 6.2015; vgl. USDOS 25.6.2015).

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Einige Experten deuteten eine Verbesserung der Leistung der afghanischen Sicherheitskräfte an. Leider mussten auch Verluste verbucht werden: So wurde berichtet, dass im ersten Halbjahr 2015 etwa 4.100 Sicherheitskräfte (Polizei und Militär) getötet, sowie weitere 7.800 verletzt wurden. Dies übertrifft die Gesamtzahl des Jahres 2014, die mit 5.000 getöteten Sicherheitskräften angegeben wurde (SCR 9.2015).

Die Finanzierung der afghanischen Sicherheitskräfte hängt völlig von Fremdhilfen ab (BFA Staatendokumentation 3.2014). Es wird mit finanziellen Beiträgen an den NATO-Treuhandfond der ANA mit bis zu USD 1.2 Milliarden gerechnet. Zusätzlich haben Verbündete und Partnerländer der NATO bis Ende 2017 jährliche finanzielle Unterstützung in der Höhe von USD 450 Millionen zugesagt. Darüber hinaus liegt die finanzielle Hauptlast der afghanischen Sicherheitskräfte bei der afghanischen Regierung welche zugesagt hat, zu Beginn jährlich 500 Millionen Euro beizusteuern und diese Beiträge kontinuierlich zu erhöhen (NATO 6.2015).

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

Mit Stand Juni 2015 betrug die Personalstärke der ANP 157.000 Mann. Zusätzlich wurden für die ALP weitere 30.000 Mann autorisiert, die aber nicht in der allgemeinen ANDSF Struktur inkludiert sind (USDOD 6.2015; vgl. NYT 16.10.2015). Die monatliche Schwundquote ist während des Berichtszeitraumes zurückgegangen und beträgt durchschnittlich 1.8% im Vergleich zu einer Schwundrate von 2.1% des letzten Berichtszeitraumes (USDOD 6.2015).

Nationalarmee (ANA)

Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist verantwortlich für die externe Sicherheit, bekämpft aber auch den internen Aufstand (USDOS 25.6.2015). Mit Stand Juni 2015 betrug der autorisierte Personalstand der ANA 195.000 Mann, inklusive 7.800 Mann in den Luftstreitkräfte (Afghan Air Force - AAF), 9.321 Zivilisten und 10.312 Trainees, Studenten und Andere (USDOD 4.2014).

Durch die Vereinigten Staaten von Amerika wurden fünf Militärbasen in verschiedenen Teilen des Landes errichtet: Herat, Gardez, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (CRS 17.8.2015).

National Directorate of Security (NDS)

Das National Directorate of Security (NDS) ist verantwortlich für die Ermittlung in Fällen der nationalen Sicherheit und hat auch die Funktion eines Geheimdienstes (USDOS 25.6.2015).

Aufgrund von Abgängen und anderen Faktoren, fluktuierte die tatsächliche ANDSF Truppenstärke zwischen 91 und 92 % der autorisierten Truppenstärke im Berichtszeitraum (USDOD 6.2015).

Eine erhöhte Sensibilisierung auf Seiten der afghanischen Polizei und Justiz führte zum Beispiel zu einer sich langsam, aber stetig verbessernden Lage der Frauen in Afghanistan. So hatte insbesondere die Schaffung spezialisierter Staatsanwaltschaften in einigen Provinzen positive Auswirkungen (AA 6.11.2015).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- BFA Staatendokumentation (3.2014): Afghanistan; 2014 and beyond, http://www.bfa.gv.at/files/broschueren/AFGH_Monographie_2014_03.pdf, Zugriff 20.10.2015

- CRS - Congressional Research Service (15.10.2015): Afghanistan: Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 20.10.2015

- NATO - North Atlantic Treaty Organization (6.2015): A new chapter in NATO-Afghanistan relations from 2015, www.nato.int/...2015.../20150622_1506-media-bckgr-afghanistan.pdf, Zugriff 15.10.2015

www.ris.bka.gv.at Seite 24 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

- NYT - The New York Times (16.10.2015): Afghan Plan to Expand Militia Raises Abuse Concerns, http://www.nytimes.com/2015/10/17/world/asia/afghan-local-police-taliban.html, Zugriff 20.10.2015

- NYT - The New York Times (22.7.2015): Afghan Security Forces Struggle Just to Maintain Stalemate, http://www.nytimes.com/2015/07/23/world/asia/afghan-security-forces-struggle-just-to-maintain- stalemate.html, Zugriff 20.10.2015

- SCR- Security Council Report (9.2015): September 2015 Monthly Forecast, http://www.securitycouncilreport.org/monthly-forecast/2015-09/afghanistan_14.php?print=true, Zugriff 20.10.2015

- USDOD - US Department of Defense (6.2015): Report on Enhancing Security and Stability in Afghanistan, http://www.defense.gov/Portals/1/Documents/pubs/June_1225_Report_Final.pdf, Zugriff 15.10.2015

- USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Eine Vielzahl an nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen arbeitet generell ohne Einmischung der Regierung, untersucht Menschenrechtsfälle und veröffentlicht ihre Ergebnisse. Während Regierungsbeamte einigermaßen kooperativ sind und auf deren Sichtweise eingehen, gibt es dennoch Fälle von Einschüchterung von Menschenrechtsgruppen durch Regierungsbeamte (USDOS 25.6.2015).

Die Arbeit von internationalen und afghanischen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), aber auch von Vereinen wird üblicherweise nicht von den Behörden in einem formalen Sinn eingeschränkt. Die Möglichkeiten dieser Gruppen frei und effektiv zu arbeiten werden durch die Sicherheitslage behindert. Aktivist/innen der Zivilgesellschaft, speziell, jene, die sich mit Menschenrechten bzw. Rechenschaftsangelegenheiten befassen, sind weiterhin Bedrohung und Belästigungen ausgesetzt (FH 28.1.2015). Mit Stand Februar 2015 wurden seit dem Jahr 2005 3.415 lokale NGOs und 4.016 internationale NGOs beim Wirtschaftsministerium (MoE-Ministry of Ecomomy) registriert. Die Zahl aktiver lokaler NGOs beträgt 1.665 und die der internationalen 275 (ICNL 25.2.2015).

Eine systematische Politik der Einschränkung der Arbeit von Menschenrechtsverteidigern oder zivilgesellschaftlichen Akteuren gibt es in Afghanistan nicht. Gleichwohl sind sie regelmäßig Behinderungen bei der Informationsbeschaffung ausgesetzt; ihre Beteiligung an wichtigen Vorhaben (Gesetzesentwürfe, Ratsversammlungen/ Jirgas) wird nicht selten nur auf internationalen Druck ermöglicht. Das Netzwerk von Frauenrechtsaktivistinnen "Afghan Women's Network" berichtet von Behinderungen der Arbeit ihrer Mitglieder bis hin zu Bedrohungen und Übergriffen, teilweise von sehr konservativen und religiösen Kreisen (AA 6.11.2015).

Das Netzwerk von Frauenrechtsaktivistinnen "Afghan Women¿s Network" berichtet von Behinderungen der Arbeit ihrer Mitglieder bis hin zu Bedrohungen und Übergriffen, teilweise von sehr konservativen und religiösen Kreisen. Sie erarbeiten derzeit in Absprache mit der internationalen Gebergemeinschaft ein Konzept zum besseren Schutz ihrer Mitglieder (AA 6.11.2015).

Es existierten keine gesetzlichen Hindernisse, die Aktivitäten von NGOs oder Vereinigungen einschränken (ICNL 25.2.2015).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- FH - Freedom House (28.1.2015): Freedom in the World 2015 - Afghanistan, http://www.ecoi.net/local_link/298953/435505_de.html, Zugriff 13.10.2015 www.ris.bka.gv.at Seite 25 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

- ICNL - The International Center for Not-for-profit-Law (25.2.2015): NGO Law Monitor: Afghanistan, http://www.icnl.org/research/monitor/afghanistan.html, Zugriff 22.10.2015

- USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

Wehrdienst

Afghanistan kennt keine Wehrpflicht. Mögliche Zwangsrekrutierungen bei der afghanischen Armee (oder Polizei) sind nicht auszuschließen. Da die erfolgreiche Anwerbung als Soldat oder Polizist für den überwiegend arbeitslosen Teil der jungen männlichen Bevölkerung aber eine der wenigen Verdienstmöglichkeiten darstellt, erscheint die Notwendigkeit für Zwangsrekrutierungen jedoch eher unwahrscheinlich (AA 2.3.2015).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

Wehrdienstverweigerung/Desertion

Man muss zwischen Desertion und unerlaubter Abwesenheit unterscheiden. Desertion bedeutet das Fliehen aus einer Kriegszone, während einer Militäroperation oder das Unterstützen des Feindes. Davon hätte es nur wenige Fälle in den vergangen Jahren gegeben. Logistische, familiäre und persönliche Probleme führen zu unerlaubter Abwesenheit. Die Soldaten kehren später wieder in ihre Stützpunkte zurück. Es gibt auch andere Gründe wie, wenn z.B. der Vater eines Soldaten stirbt, muss er eventuell die Verantwortung für die Familie übernehmen - wozu er dann auch berechtigt ist (Afghanistan Today 3.4.2011). Etwa 4.000 Soldaten verlassen monatlich die afghanischen Sicherheitskräfte (Washington Examiner 4.8.2015).

Die Hauptgründe der Abwesenheit von der ANDSF wird hauptsächlich folgenden Gründen zugeschrieben:

- inadäquate Betreuung des Personals und niedrige Lebensqualität

- alternative Arbeitsmöglichkeiten außerhalb der ANDSF (UNDOD 6.2015)

- schwache Führung und Personalmanagement (UNDOD 6.2015; vgl. Washington Examiner 4.8.2015).

Das Problem der Abwesenheit in der ANA wird ebenso damit begründet, dass Soldaten oftmals nicht in ihrer Heimatprovinz dienen. Viele von ihnen müssen einen langen Reiseweg auf sich nehmen, um in ihre Heimatdörfer zu gelangen und ihren Familien die Löhne geben zu können (CRS 15.10.2015). Diese "Deserteure" werden, schon aufgrund der sehr hohen Zahlen bei vorübergehenden Abwesenheiten, nach Rückkehr zu ihrem ursprünglichen Standort wieder in die Armee aufgenommen (AA 6.11.2015; vgl. AA 2.3.2015). Auch kehren sie oftmals nach langer Abwesenheit aber wieder zur ANA zurück. Nachdem in den letzten Jahren fast jede Bezahlung der ANA elektronisch durchgeführt wurde, wurde dies nun erleichtert (CRS 15.10.2015).

Laut Verteidigungsministerium gibt es keine Strafe für Desertion. (NYT 27.6.2011).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- CRS - Congressional Research Service (15.10.2015): Afghanistan: www.ris.bka.gv.at Seite 26 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 20.10.2015

- NYT - The New York Times (27.6.2011): Afghans build security, and hope to avoid Infiltrators, http://www.nytimes.com/2011/06/28/world/asia/28infiltrate.html?pagewanted=all&_r=2&, Zugriff 20.10.2015

- USDOD - US Department of Defense (6.2015): Report on Enhancing Security and Stability in Afghanistan, http://www.defense.gov/Portals/1/Documents/pubs/June_1225_Report_Final.pdf, Zugriff 15.10.2015

- Washington Examiner (4.8.2015): Afghans lose 4,000 soldiers per month, most going AWOL, http://www.washingtonexaminer.com/afghans-lose-4000-soldiers-per-month-most-going-awol/article/2569559, Zugriff 20.10.2015

Allgemeine Menschenrechtslage

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen erhebliche Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine starke Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen. Sie müssen landesweit weiterhin gegen große Widerstände in der konservativen Bevölkerung verteidigt werden. Insbesondere geschlechtsspezifische Gewalt ist weitverbreitet; die Rechte von Frauen und Mädchen werden trotz fortschrittlicher Gesetzgebung nur unzureichend respektiert und umgesetzt (AA 6.11.2015).

Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage. Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog. Ferner hat Afghanistan die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge - zum Teil mit Vorbehalten - unterzeichnet und/oder ratifiziert (AA 6.11.2015).

Als ein positives Signal wurde von Frauen- und Menschenrechtsgruppen gewertet, dass der ehemalige Präsident Karzai sich weigerte ein vom afghanischen Parlament erlassenes Gesetz zu unterzeichnen, welches Familienangehörigen eines Beschuldigten verbieten würde, in strafrechtlichen Fällen auszusagen. Da ein Großteil gemeldeter Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt innerhalb der Familie geschehen, würde dies eine erfolgreiche strafrechtliche Verfolgung erschweren und weiters, Opfern von Vergewaltigung und häuslicher Gewalt, sowie jenen die Zwangsverheiratung und Kinderheirat ausgesetzt sind, Gerechtigkeit verwehren (AI 25.2.2015).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- AI - Amnesty International (25.2.2015): Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - Afghanistan, http://www.ecoi.net/local_link/297302/434263_de.html, Zugriff 21.10.2015

Religionsfreiheit

80% der Bevölkerung sind Anhänger des sunnitischen und 19% Anhänger des schiitischen Islams; 1% entfällt auf andere Religionen (The CIA World Factbook 20.10.2015). Es lebt offiziell noch ein Jude in Afghanistan, der sich um die verwaiste Synagoge kümmert (AA 16.11.2015).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 16.11.2015; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in www.ris.bka.gv.at Seite 27 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 16.11..2015).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch es wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern. Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 28.4.2015).

Angaben eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul berichtete, dass entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, Hazara keiner gezoelten Diskriminierung aufgrund ihrer Religungszugehörigkeit ausgesetzt sind (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).

Die Bedingungen für Religionsfreiheit sind für andersdenkende sunnitische Muslime, aber auch schiitische Muslime, Sikhs, Christen und Bahais weiterhin schlecht. Die afghanische Verfassung verabsäumt es explizit die individuellen Rechte in Bezug auf Religionsfreiheit zu schützen und einfachgesetzliche Bestimmungen werden in einer Weise angewendet, die internationale Menschenrechtsstandards verletzt. Staatliche und nicht-staatliche Akteure führen Aktionen gegen Personen aus, die ihrer Ansicht nach "unislamische" Aktivitäten setzen (USCIRF 30.4.2015).

Die sunnitische hanafitische Rechtsprechung gilt für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion (AA 6.11.2015; vgl. AA 2.3.2015). Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (AA 31.3.2014; vgl. USDOS 14.10.2015; vgl. USDOS 26.5.2015).

Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, waren sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt. Dieses Vorgehen war nicht systematisch (USDOS 14.10.2015). Im Mai 2014 zum Beispiel trat Sham Lal Bathija als erster Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada an (RFERL 15.5.2014). Im März übergab er formell diese Position an seinen Nachfolger Dawood Qayomi (Afghan Embassy 18.3.2015). Sham Lal Bathija war bereits in der Vergangenheit als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express16.5.2012).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- AA - Auswärtiges Amt (31.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- Afghan Embassy - Embassy of the Islamic Republic of Afghanistan in Ottawa (18.3.2015): Ambassador Bathija received a farewell by officials at the Department of Foreign Affaires of Canada http://www.afghanemb-canada.net/public-affairs-afghanistan-embassy-canada-ottawa/news-reports- afghanistan-embassy-canada-ottawa/2015/Farewell%20Sham%20Lal%20Bathija.htm, Zugriff 5.11.2015

- CIA - Central Intelligence Agency (20.10.2015): The World Factbook - Afghanistan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/af.html, Zugriff 22.10.2015

- FH - Freedom House (28.4.2015): Freedom of the Press 2015 - Afghanistan, http://www.ecoi.net/local_link/311145/449187_de.html, Zugriff 21.10.2015

- Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan, http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf, Zugriff 11.9.2014

- RFERL - Radio Free Europe/Radio Liberty (15.5.2014): First Afghan Hindu Envoy Takes Pride In Serving His Country, http://gandhara.rferl.org/content/article/25386024.html, Zugriff 5.11.2015

www.ris.bka.gv.at Seite 28 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

- The New Indian Express (16.5.2012): 'I greeted Manmohan, and he was delighted', http://www.newindianexpress.com/thesundaystandard/article350359.ece?service=print, Zuriff 5.11.2015

- USCIRF - U.S. Commission on International Religious Freedom (30.4.2015): Afghanistan, http://www.uscirf.gov/sites/default/files/USCIRF%20Annual%20Report%202015%20%282%29.pdf, Zugriff 22.10.2015

- USDOS - US Department of State (14.10.2015): 2014 Report on International Religious Freedom - Afghanistan, http://www.ecoi.net/local_link/313345/451609_de.html, Zugriff 23.10.2015

- USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

- Vertrauliche Quelle - eine internationale Organisation, die in Afghanistan ansässig ist (29.9.2015): Informationen zu der Sicherheitslage in Afghanistan. Interview, liegt bei der Staatendokumentation auf

Schiiten

Etwa 19% der Bevölkerung sind schiitische Muslime und damit die größte religiöse Minderheit des Landes. Der Großteil der afghanischen Schiiten gehört der ethnischen Gruppe der Hazara an (USCIRF 30.4.2015). Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind im Alltagsleben in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema) als auch im Hohen Friedensrat sind auch Schiiten vertreten; beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe (AA 16.11.2015; vgl. AA 2.3.2015).

Die Situation der afghanischen schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert. Während des Untersuchungszeitraumes war es schiitischen Muslim/innen allgemein möglich ihre traditionelle Ashura Feierlichkeiten und Rituale, ohne Hindernisse, öffentlich durchzuführen (USCIRF 30.4.2015; vgl. FH 28.4.2015). Trotzdem ist die schiitische Minderheit mit gesellschaftlichen Diskriminierungen konfrontiert (USDOS 28.7.2014). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge, sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religungszugehörigkeit ausgesetzt (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).

Der letzte große Zwischenfall, bei dem mindestens 55 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt wurden, fand 2011 während der Ashura-Feiern in Form eines Selbstmordattentats in einer heiligen Stätte in Kabul statt (BBC 5.9.2013; vgl. AA 2.3.2015; vgl. AA 16.11.2015). Die politischen Kräfte des Landes zeigten sich über die Vorfälle erschüttert, verurteilten die Attentate und riefen zur Einigkeit auf. Im Jahr 2015 verlief das Aschura- Fest in Afghanistan friedlich (AA 16.11.2015).

Die Verfassung garantiert, dass das schiitische Gesetz in Personenstandsangelegenheiten angewendet wird, in denen alle Parteien Schiiten sind (USDOS 14.10.2015). Im Jahr 2009 wurde ein Gesetz durchgesetzt, das viele konstitutionelle Rechte der schiitischen Frauen schmälert. Erbschafts-, Heiratsfragen und Angelegenheiten persönlicher Freiheit werden von den konservativen schiitischen Autoritäten festgesetzt (USDOS 25.6.2015; vgl. BFA Staatendokumentation 3.2014).

Die Ismailiten, die sich selbst zum schiitischen Islam rechnen, machen etwa 5% der Bevölkerung aus (USDOS 28.7.2014; vgl. -CRS 12.1.2015). Es gibt wenige Berichte in Bezug auf gezielte Diskriminierung gegen Ismailiten (USDOS 25.6.2015). Auch unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Manche Mitglieder der ismailitischen Gemeinde beschwerten sich über Ausgrenzung von Position von politischen Autoritäten (USDOS 14.10.2015).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

www.ris.bka.gv.at Seite 29 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

- BFA Staatendokumentation (3.2014): Afghanistan; 2014 and beyond, http://www.bfa.gv.at/files/broschueren/AFGH_Monographie_2014_03.pdf, Zugriff 20.10.2015

- CRS - US Congressional Research Service (12.1.2015): Afghanistan: Politics, Elections, and Government Performance, http://www.fas.org/sgp/crs/row/RS21922.pdf, Zugriff 27.10.2015

- FH - Freedom House (28.4.2015): Freedom of the Press 2015 - Afghanistan, http://www.ecoi.net/local_link/311145/449187_de.html, Zugriff 21.10.2015

- USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (30.4.2015): Afghanistan, http://www.uscirf.gov/sites/default/files/USCIRF%20Annual%20Report%202015%20%282%29.pdf, Zugriff 22.10.2015

- USDOS - US Department of State (28.7.2014): 2013 Report on International Religious Freedom - Afghanistan, http://www.refworld.org/docid/53d907b814.html, 10.9.2014

- USDOS - US Department of State (14.10.2015): 2014 Report on International Religious Freedom - Afghanistan, http://www.ecoi.net/local_link/313345/451609_de.html, Zugriff 23.10.2015

- USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

- Vertrauliche Quelle - eine internationale Organisation, die in Afghanistan ansässig ist (29.9.2015): Informationen zu der Sicherheitslage in Afghanistan. Interview, liegt bei der Staatendokumentation auf

Christen und Konversionen zum Christentum

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (AA 16.11.2015). Ihre Zahl kann nicht verlässlich angegeben werden, da Konvertiten sich nicht öffentlich bekennen. Sie beträgt aber wohl weniger als ein Prozent der Bevölkerung (AA 2.3.2015; vgl USDOS 14.10.2015 und AA 16.11.2015). Die christliche Gemeinde zählt 2.000 - 3.000 Personen (USDOS 28.7.2014).

Konversion wird als Akt der Abtrünnigkeit und Verbrechen gegen den Islam gesehen, das mit dem Tod bestraft werden könnte (AA 2.3.2015; vgl. USDOS 28.7.2014); sofern die Konversion nicht widerrufen wird (USDOS 28.7.2014). Keiner wurde bisher aufgrund von Konversion durch den afghanischen Staat hingerichtet (AA 2.3.2015; vgl. AA 16.11.2015).

Aus Angst vor Diskriminierung, Verfolgung, Verhaftung und Tod, bekennen sich Christen nicht öffentlich zu ihrem Glauben und versammeln sich nicht offen um zu beten (USDOS 28.7.2014). Gefahr droht Konvertiten oft aus dem familiären oder nachbarschaftlichen Umfeld. Repressionen gegen Konvertiten sind in städtischen Gebieten aufgrund der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften. Jedoch ist die gesellschaftliche Einstellung zu konvertierten Christen weitgehend feindlich geprägt. Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel schon deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen (AA 2.3.2015).

Berichten zufolge, gab es keine Informationen über Verhaftungen von Christen, jedoch sind viele von ihnen nach Indien ausgewandert (USCIRF 30.4.2015). Ferner gab es keine Berichte zu Belästigungen von Christ/innen, noch von Konversionen zum Christentum. Die kleine christliche Gemeinde blieb im Untergrund, vermutlich aus Angst vor Diskriminierung und Verfolgung (USDOS 14.10.2015). Die einzige bekannte Kirche im Land operiert auch weiterhin auf dem Gelände der italienischen Botschaft (USCIRF 30.4.2015; vgl. AA 2.3.2015).

Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens, da es in Afghanistan keine Kirchen mehr gibt. Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen Nichtregierungsorganisationen (NROs) abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen.

Christliche Gottesdienste für die internationale Gemeinschaft finden u. a. in verschiedenen Botschaften sowie auf den RS-Geländen statt (AA 16.11.2015). Einem Bericht einer kanadischen christlichen Organisation zufolge, wächst die Zahl der Hauskirchen in Afghanistan. In diesem Bericht wird angedeutet, dass einige Mitglieder des www.ris.bka.gv.at Seite 30 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

Parlaments selbst das Christentum angenommen und an christlichen Gottesdiensten teilgenommen haben (The Voice of the Martyrs Canada 5.4.2012). Die im Libanon geborenen Rula Ghani, Ehefrau von Staatspräsident Ashraf Ghanis, entstammt einer christlich-maronitischen Familie (NPR 19.2.2015; vgl. BBC 15.10.2014).

Berichten zufolge gibt es ein christliches Spital in Kabul (NYP 24.4.2014; vgl. CNN 24.4.2014).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- BBC (15.10.2014): Afghanistan first lady Rula Ghani moves into the limelight, http://www.bbc.com/news/world-asia-29601045, Zugriff 23.10.2015

- CNN (24.4.2014): Afghanistan Violence, http://edition.cnn.com/2014/04/24/world/asia/afghanistan- violence/, Zugriff 23.10.2015

- The Voice of the Martyrs Canada (05.04.2012): Christianity growing, https://www.vomcanada.com/af- 2012-04-05.htm, Zugriff 23.10.2015

- NPR - National Public Radio (19.2.2015): For The First Time, An Afghan First Lady Steps Into The Spotlight, http://www.npr.org/sections/parallels/2015/02/19/386950128/for-the-first-time-an-afghan- first-lady-steps-into-the-spotlight, Zugriff 23.10.2015

- NYP - The New York Post (24.4.2014): http://nypost.com/2014/04/24/3-foreigners-killed-in-attack-at-afghan-hospital/, 23.10.2015

- USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (30.4.2015): Afghanistan, http://www.uscirf.gov/sites/default/files/USCIRF%20Annual%20Report%202015%20%282%29.pdf, Zugriff 22.10.2015, Zugriff 23.10.2015

- USDOS - US Department of State (14.10.2015): 2014 Report on International Religious Freedom - Afghanistan, http://www.ecoi.net/local_link/313345/451609_de.html, Zugriff 23.10.2015

Ethnische Minderheiten

Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 16.11.2015; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004).

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2015 mehr als 32.5 Millionen Menschen (CIA 20.10.2015). Davon sind 42%-45% Pashtunen, 25% Tadschiken, rund 10% Hazara, 10% Usbeken. Es existieren noch mehrere andere religiöse und ethnische Minderheiten (CRS 12.1.2015). wie z.B. Aimaken 4%, Turkmenen 3%, Balutschen 2% und andere kleinere ethnische Gruppen (CIA 24.6.2014).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 16.11.2015). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 25.6.2015).

Ethnische Pashtunen sind die größte Ethnie in Afghanistan. Sie sprechen Paschtu/Pashto, aber die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari (CSR 12.1.2015). Die Pashtunen haben mehr Sitze in beiden Häusern des Parlaments, aber nicht mehr als 50% der Gesamtsitze. Es gibt keinen Beweis, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Es gibt keine Gesetze, welche die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben verhindern. Nichtsdestotrotz beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, dass sie keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 25.6.2015). Unter www.ris.bka.gv.at Seite 31 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018 den vielen Volksgruppen bilden die Paschtunen zwar die Mehrheit im Staat, dominieren aber nur im Süden, im Norden hingegen eher die persisch-sprachigen Tadschiken (DW 26.4.2014; vgl. GIZ 10.2015). Die Pashtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 31.7.2015).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- Brookings - The Brookings Institution (31.7.2015): Afghanistan Index, http://www.brookings.edu/~/media/Programs/foreign-policy/afghanistan-index/index20150731.pdf?la=en, Zugriff 27.10.9.2015

- CIA - Central Intelligence Agency (24.6.2014): The World Factbook Afghanistan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/af.html Zugriff 11.9.2014

- CIA - Central Intelligence Agency (20.10.2015): The World Factbook: Afghanistan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/af.html, Zugriff 22.10.2015

- CRS - US Congressional Research Service (12.1.2015): Afghanistan: Politics, Elections, and Government Performance, http://www.fas.org/sgp/crs/row/RS21922.pdf, Zugriff 27.10.2015

- DW - Deutsche Welle (26.4.2014): Abdullah ist keine Integrationsfigur für Afghanistan, http://www.dw.de/abdullah-ist-keine-integrationsfigur-f%C3%BCr-afghanistan/a-17593741, Zugriff 11.9.2014

- GIZ (10.2015): Afghanistan, http://liportal.giz.de/afghanistan/gesellschaft/, Zugriff 27.10.2015

- Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan, http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf, Zugriff 27.10.2015

- USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

Tadschiken

Die dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan. Sie macht etwa 25% der Bevölkerung in Afghanistan aus (CRS 12.1.2015).

Der Hauptführer der "Nordallianz", eine politisch-militärische Koalition ist Dr. Abdullah Abdullah (CRS 12.1.2015., dessen Mutter eine Tadschikin ist und sein Vater Paschtune. Er selbst identifiziert sich politisch gesehen als Tadschike, da er auch ein hochrangiger Berater von Ahmad Shah Masoud, war. Er ist mittlerweile der "Chief Executive Officer" in Afghanistan und sollte den Posten des Premierministers im Jahr 2016 annehmen (CRS 12.1.2015). Der im März 2014 verstorbene Vizepräsident Muhammad Fahim, war Tadschike, wie auch sein Nachfolger, der ehemalige Sprecher des Unterhauses Yunus Qanooni. Der Verteidigungsminister Bismillah Khan Mohammedi ist ebenfalls ein Tadschike. Die Tadschiken sind der Kern der "Nordallianz (CRS 12.1.2015).

Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 31.7.2015).

Quellen:

www.ris.bka.gv.at Seite 32 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

- Brookings - The Brookings Institution (31.7.2015): Afghanistan Index, http://www.brookings.edu/~/media/Programs/foreign-policy/afghanistan-index/index20150731.pdf?la=en, Zugriff 27.10.2015

- CRS - US Congressional Research Service (12.1.2015): Afghanistan: Politics, Elections, and Government Performance, http://www.fas.org/sgp/crs/row/RS21922.pdf, Zugriff 27.10.2015

Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Sie hat sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert. In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, inklusive Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung aber nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 16.11.2015; AA 2.3.2015). Gesellschaftliche Diskriminierung gegen die schiitischen Hazara mit Bezug auf Klasse, Ethnie und Religion hält weiter an - in Form von Erpressung, durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung und Zwangsarbeit, physische Misshandlung und Verhaftung (USDOS 25.6.2015). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge, sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt sind (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).

Mitglieder der Hazarastämme, meist schiitische Muslime, sind in den Provinzen Bamiyan, Daikundi und Ghazni in Zentralafghanistan vertreten (CRS 15.10.2015).

Eine prominente Vertreterin der Minderheit der Hazara ist die Vorsitzende der unabhängigen afghanischen Menschenrechtskommission Sima Simar (CRS 12.1.2015).

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.7.2015).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- AA - Auswärtiges Amt (31.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- Brookings - The Brookings Institution (31.7.2015): Afghanistan Index, http://www.brookings.edu/~/media/Programs/foreign-policy/afghanistan-index/index20150731.pdf?la=en, Zugriff 27.10.2015

- CRS - Congressional Research Service (15.10.2015): Afghanistan: Post-Taliban Governance, Security, and U.S. Policy, https://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf, Zugriff 20.10.2015

- CRS - US Congressional Research Service (12.1.2015): Afghanistan: Politics, Elections, and Government Performance, http://www.fas.org/sgp/crs/row/RS21922.pdf, Zugriff 27.10.2015

- USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015 www.ris.bka.gv.at Seite 33 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

- Vertrauliche Quelle - eine internationale Organisation, die in Afghanistan ansässig ist (29.9.2015): Informationen zu der Sicherheitslage in Afghanistan. Interview, liegt bei der Staatendokumentation auf

Bewegungsfreiheit - interne Schutzalternative

Das Gesetz erlaubt interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr, aber die Regierung schränkte die Bewegung der Bürger/innen gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein [Anm.: siehe dazu auch Artikel 39 der afghanischen Verfassung] (USDOS 25.6.2015; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004).

In manchen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In manchen Teilen machen Gewalt von Aufständischen, Landminen und Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtungen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht (USDOS 25.6.2015).

Bei der Prüfung der Relevanz einer internen Schutzalternative für afghanische Antragstellerinnen und Antragsteller müssen folgende Aspekte erwogen werden:

(i) der instabile, wenig vorhersehbare Charakter des bewaffneten Konflikts in Afghanistan in Hinblick auf die Schwierigkeit, potenzielle Neuansiedlungsgebiete zu identifizieren, die dauerhaft sicher sind; und

(ii) die konkreten Aussichten auf einen sicheren Zugang zum vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet unter Berücksichtigung von Risiken im Zusammenhang mit dem landesweit ausgedehnten Einsatz improvisierter Sprengkörper und Landminen, Angriffen und Straßenkämpfen und von regierungsfeindlichen Kräften erzwungene Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Zivilisten.

UNHCR geht davon aus, dass eine interne Schutzalternative in den vom aktiven Konflikt betroffenen Gebieten nicht gegeben ist. Außerdem ist nach Ansicht von UNHCR keine interne Schutzalternative in jenen Teilen des Landes gegeben, die sich unter tatsächlicher Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte befinden; es sei denn in Ausnahmefällen, in denen Antragsteller ehemals Verbindungen zur Führung der regierungsfeindlichen Kräfte im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet hergestellt hatten.

Ob eine interne Schutzalternative zumutbar ist, muss anhand einer Einzelfallprüfung unter vollständiger Berücksichtigung der Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet zum Zeitpunkt der Entscheidung festgestellt werden. Insbesondere stellen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtslage von Afghaninnen und Afghanen, die derzeit innerhalb des Landes vertrieben sind, relevante Erwägungen dar, die bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer vorgeschlagenen internen Schutzalternative berücksichtigt werden müssen. UNHCR ist der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann zumutbar sein kann, wenn die Person Zugang zu (i) einer Unterkunft, (ii) zu wesentlichen Grundleistungen wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung hat, und zudem (iii) Erwerbsmöglichkeiten geboten werden. Darüber hinaus ist laut UNHCR nur dann eine interne Schutzalternative in Erwägung zu ziehen, wenn die (erweiterte) Familie oder die ethnisch zugehörige Gemeinschaft der Person willens und in der Lage ist, diese in der Praxis tatsächlich zu unterstützen.

Die einzige Ausnahme von dieser Anforderung der externen Unterstützung sind alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne spezifische Vulnerabilitäten. Solche Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbaner und semiurbaner Umgebung leben, welche die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bietet und unter wirksamer staatlicher Kontrolle steht. Angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft aufgrund jahrzehntelang währender Kriege, massiver Flüchtlingsströme und interner Vertreibung ist gleichwohl eine einzelfallbezogene Analyse notwendig (UNHCR 19.04.2016).

Quellen:

- Max Planck Institut (27.1.2004): Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan, http://www.mpipriv.de/files/pdf4/verfassung_2004_deutsch_mpil_webseite.pdf, Zugriff 13.10.2015

- UNHCR (19.04.2016): Eligibility Guidelines for assessing the international protection needs of asylum- seekers from Afghanistan

www.ris.bka.gv.at Seite 34 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

- USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

Grundversorgung/Wirtschaft

Für das Jahr 2013 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 169 Platz von mehr als 187 (Anm.: darunter befanden sich auch einige ex aequo Platzierungen) (UNDP 2014).

Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuflüsse aus der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert (AA 8.2015). Die Übergangsphase in Politik und Sicherheit haben die afghanische Wirtschaft stärker beeinträchtigt als erwartet. Das Wirtschaftswachstum ist im Jahr 2014 auf 1,3% gesunken, wobei es im Jahr davor noch 3,7% betrug (WB 10.2015; vgl. IMF 9.6.2015).

Das Wirtschaftswachstum war zum größten Teil getrieben von Expansion in Industrie (2,4%) und Dienstleistung (2,2%). Private Investitionsaktivitäten zeigten im Jahr 2014 Anzeichen eines Rückgangs, gekennzeichnet durch einen 50%igen Rückgang an neuen Firmenregistrierungen seit dem Jahr 2012. Die Anzahl der neuen Firmenregistrierungen im ersten Halbjahr 2015, welche ein Indikator für Investorenvertrauen ist, blieb auf demselben Niveau, wie im ersten Halbjahr des Jahres 2014. Eine sanfte Erholung wird für das Jahr 2016 erwartet. (WB 2015).

Den größten Anteil am BIP (2014: 21,7 Mrd. USD) hat der Dienstleistungssektor mit 53,5%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 27,7% des BIP. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels - Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig - sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 8.2015).

Es wird geschätzt, dass das reale Wachstum des Bruttoinlandprodukts um 3,1% im Jahr 2016 und 3,9% im Jahr 2017 wachsen wird, bedingt durch Verbesserungen im Bereich der Sicherheitslage und einer starken Reformdynamik (WB 10.2015). Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden (AA 8.2015).

Trotz des seit drei Jahren hohen landwirtschaftlichen Produktionsniveaus, , konnten die starken Landwirtschaftserträge des Jahres 2013 nicht mehr erreicht werden und so war die Landwirtschaft nicht Teil des Wirtschaftswachstums (WB 10.2015). Die neue Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90 %) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 8.2015).

Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und Seltene Erden. Das seit langem erwartete Rohstoffgesetz wurde im August 2014 verabschiedet. Damit wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv (AA 8.2015).

Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis (AA 8.2015; vgl. UN GASC 6.9.2015). Rund 2,2 Mio. Afghanen leben mittelbar oder unmittelbar vom Drogenanbau, -handel und -verkauf (AA 8.2015). Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus (AA 8.2015; vgl. UN GASC 6.9.2015). Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (AA 8.2015). www.ris.bka.gv.at Seite 35 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

Die Internationale Gemeinschaft und Hauptgeber haben ihr Engagement und ihre Partnerschaft für Afghanistan im Rahmen der London Konferenz im Dezember 2014 bestätigt. Sie begrüßten das Engagement der neuen afghanischen Regierung für makroökonomische Stabilität und Reformen, welche Nachhaltigkeit und integratives Wachstum beinhaltet (IMF 5.2015).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (8.2015): Wirtschaft, http://www.auswaertiges- amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Afghanistan/Wirtschaft_node.html, Zugriff 2.11.2015

- IMF - International Monetary Fund (9.6.2015): Afghanistan: Reforms to Build Self Reliance and Prosperity, https://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2015/cr15140.pdf, Zugriff 2.11.2015

- IMF - International Monetary Fund (5.2015): Islamic republic of Afghanistan staff-monitored program- press release; and staff report, https://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2015/cr15140.pdf, Zugriff 2.11.2015

- - Tolonews (21.12.2015): UNAMA Chief Reports Of Increased Security Incidents, http://www.tolonews.com/en/afghanistan/22921-unama-chief-reports-of-increased-security-incidents, Zugriff 12.1.2016

- UNDP - United Nations Development Programm (2014): Human Development Report 2014, http://hdr.undp.org/sites/default/files/hdr14-report-en-1.pdf, Zugriff 2.11.2015

- UN GASC - United Nations General Assembly (1.9.2015): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security : report of the Secretary-General, http://unama.unmissions.org/Portals/UNAMA/SG%20Reports/SG_Report_September_2015.pdf, Zugriff 14.10.2015

- WB - The Worldbank (10.2015): Afghanistan Overview, http://www.worldbank.org/en/country/afghanistan/overview , Zugriff 30.10.2015

- WB - The World Bank (4.2015): Afghanistan Country Update, http://www- wds.worldbank.org/external/default/WDSContentServer/WDSP/IB/2015/04/17/000333037_201504170 90116/Rendered/PDF/954240REVISED00425B0AF0CU0APR150WEB.pdf Zugriff 30.10.2015

Behandlung nach Rückkehr

In den letzten zehn Jahren sind im Rahmen der freiwilligen Rückkehr durch UNHCR 3.5 Millionen afghanische Flüchtlinge zurückgekehrt. Insgesamt sind 5.8 Millionen Afghaninnen und Afghanen aus verschiedenen Teilen der Welt nach Afghanistan zurückgekehrt (DW 19.10.2015). USDOS berichtet, dass in den Jahren von 2002 bis 2014, Finanzierungen verwendet wurden um Transportkosten und anfängliche Notwendigkeit bei Rückkehr, für mehr als 4.7 Millionen zur Verfügung zu stellen (SIGAR 8.2015; vgl. AA 2.3.2015). Somit hat eine große Zahl der afghanischen Bevölkerung einen Flüchtlingshintergrund (AA 2.3.2015). Im Jahr 2015 sind 50.000 afghanische Flüchtlinge aus Pakistan im Rahmen des Programms der freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan zurückgekehrt (DW 19.10.2015).

Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Rückkehrer aus Iran und Pakistan stark gestiegen. 2014 lag die Zahl der Rückkehrer bei knapp 17.000, davon über 12.000 aus PAK. Bis Ende Oktober 2015 sind im laufenden Jahr fast 56.000 zurückgekehrt, davon über 53.000 aus Pakistan. Zwei Drittel der Rückkehrer siedeln sich in fünf Provinzen an: Kabul, Nangarhar, Kunduz, Logar und Baghlan (AA 16.11.2015). Laut UNHCR-Afghanistan kehrten im Jahr 2014 insgesamt 17.000 Menschen freiwillig nach Afghanistan zurück (UNHCR 29.10.2015). Die Kapazität der Regierung Rückkehrer/innen aufzunehmen war auch weiterhin niedrig. Die Zahl der Rückkehrer/innen während des Jahres 2014 verringerte sich aufgrund von Unsicherheiten in Bezug auf die Sicherheitslage im Rahmen der Post-Transitionszeitraumes und aufgrund des Auslaufens der proof of Residence Card (PoR Card) für afghanische Flüchtlinge in Pakistan (USDOS 25.6.2015). In Pakistan werden etwa 1.5 Millionen afghanische Flüchtlinge, die im Besitz einer PoR Card sind von UNHCR unterstüzt (BFA Staatendokumentation 9.2015).

Die afghanische Regierung kooperierte auch weiterhin mit UNHCR, der Internationalen Organisation für Migration (IOM), sowie anderen humanitären Organisationen, um intern vertrieben Personen, Flüchtlingen, www.ris.bka.gv.at Seite 36 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

Rückkehrer/innen und andern Menschen Schutz und Unterstützung zur Verfügung zu stellen. Regierungsunterstützung für vulnerable Personen, inklusive Rückkehrer/innen aus Pakistan und Iran, war gering, mit einer anhaltenden Abhängigkeit von der internationalen Gemeinschaft. Die Reintegration von Rückkehrer/innen war schwierig.Rückkehrerinnen und Rückkehr hatten angeblich gleichwertigen Zugang zu Gesundheits-, Bildungs- und anderen Leistungen, obwohl manche Gemeinden, die für Rückkehrer/innen vorgesehen waren, angaben, dass eingeschränkter Zugang zu Transport und Straßen zu größeren, besser etablierten Dörfern und städtischen Zentren fehlte. Dies erschwerte den Zugang zu Dienstleistungen und wirtschaftlichen Möglichkeiten (USDOS 25.6.2015).

In Iran und Pakistan halten sich derzeit noch ca. 3 Millionen afghanische Flüchtlinge auf. Dazu kommen nicht registrierte Afghanen, die von der iranischen Regierung jedoch nicht als Flüchtlinge anerkannt sind. Insbesondere von iranischer Seite, in Teilen auch von Pakistan, werden sie gelegentlich als politisches Druckmittel gegenüber Afghanistan ins Feld geführt. Gleichzeitig gelten die Flüchtlinge auch als günstige Arbeitskräfte. In Afghanistan wird zwischen Rückkehrern aus den Nachbarstaaten Iran und Pakistan (die größte Gruppe afghanischer Flüchtlinge) und freiwilliger Rückkehr oder Abschiebung aus v.a. westlichen Staaten unterschieden. Für Rückkehrer aus den genannten Nachbarländern leistet UNHCR in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung bestehen Probleme in der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, so dass Hilfe nicht immer dort ankommt, wo Rückkehrer sich niedergelassen haben (AA 2.3.2015; vgl. AA 16.11.2015).

Die Schweiz, Australien, Iran, Norwegen, Pakistan, Dänemark, Frankreich, die Niederlande und Schweden haben mit Afghanistan und dem UNHCR sog. Drei-Parteien-Abkommen zur Regelung der freiwilligen Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen in ihr Heimatland geschlossen. Die Abkommen sehen u.a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge vor. Von Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark, Norwegen, Schweden und Australien ist bekannt, dass diese Länder abgelehnte Asylbewerber afghanischer Herkunft nach Afghanistan abschieben. Von Norwegen ist bekannt, dass auch Familien mit minderjährigen Kindern abgeschoben werden. Einige Länder arbeiten eng mit IOM in Afghanistan zusammen, insbesondere auch, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet psychologische Betreuung, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche an (AA 2.3.2015; vgl. AA 16.11.2015).

Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bin hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani selbst verbrachte die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 16.11.2015).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.11.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- AA - Auswärtiges Amt (2.3.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan

- BFA Staatendokumentation (9.2015): FFM Bericht Pakistan, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/PAKI_FFM%20Report_2015_09.pdf, Zugriff 30.10.2015

- DW - Deutsche Welle (19.10.2015): Funds shortage may trigger Afghan refugee exodus, says UNHCR, http://www.dw.com/en/funds-shortage-may-trigger-afghan-refugee-exodus-says-unhcr/a-18790962, Zugriff 29.10.2015

- SIGAR - Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (8.2015): Afghan Refugees and Returnees: Corruption and Lack of Afghan Ministerial Capacity Have Prevented Implementation of a Long-term Refugee StrategySIGAR 15-83-AR/, https://www.sigar.mil/pdf/audits/SIGAR-15-83- AR.pdf, Zugriff 29.10.2015

- UNHCR - United Nations High Commissioner For Refugees (29.10.2015): Afghan returness, Per E- Mail.

- USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Afghanistan, www.ris.bka.gv.at Seite 37 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2014&dlid=236632, Zugriff 13.10.2015

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und seinen persönlichen und familiären Verhältnissen ergeben sich aus seinen dahingehenden Angaben vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht. Da seine behauptete Identität nicht durch entsprechende Dokumente belegt wurde, steht sie nicht fest.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers zu seiner Herkunft und Volksgruppenzugehörigkeit, seinem Reiseweg und zu seinem Gesundheitszustand gründen auf die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Afghanistan deckenden - Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln. Mangels Erstattung eines dahingehenden Vorbringens respektive der Vorlage medizinsicher Unterlagen, konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aktuell an Erkrankungen leidet.

Schon aus der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich, dass die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft waren. Die Angaben des Beschwerdeführers über die behauptete Beschäftigung seines Vaters und Bruders bei einer amerikanischen Militärdienststelle hat dieser bereits im Verlauf der Einvernahme am 13.01.2016 vor dem BFA widersprüchlich beschrieben, indem er die Tätigkeit des Vaters auf Seite 5 des Protokolls als Koch und im weiteren Verlauf davon abweichend auf Seite 9 des Protokolls als Lebensmitteleinkäufen bezeichnete, während er im Zusammenhang damit angab, dass sein Bruder gekocht habe. Im Verlauf dieser Niederschrift hat der Beschwerdeführer wiederholt vorgebracht, dass sein Vater und sein Bruder für die "Amerikaner" bzw. für "amerikanische Soldaten" gearbeitet hätten. Im angefochtenen Bescheid wurde zutreffend darauf hingewiesen, dass eine derartige Tätigkeit im Hinblick auf die international vergleichbaren Sicherheitsstandards für die Versorgung von Militär in Einsatzräumen äußerst unplausibel wäre. Die fehlende Glaubhaftigkeit der entsprechenden Angaben des Beschwerdeführers wurde letztlich durch das Aussageverhalten des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Dabei brachte er nunmehr abweichend von seinen bei der Einvernahme am 13.01.2016 vorgebrachten Behauptungen, sein Vater und sein Bruder hätten für Amerikaner gearbeitet, vor, dass diese für afghanische Soldaten eingekauft bzw. gekocht hätten. Wenn die genannten Familienangehörigen des Beschwerdeführers tatsächlich eine der beschriebenen Tätigkeiten im Herkunftsstaat ausgeübt hätten, so wäre der Beschwerdeführer der Lage gewesen, diese im Verfahren widerspruchsfrei zu bezeichnen. Darüber hinaus sind im Verfahren die widersprüchliche Zuschreibung der Funktion als Koch einmal zum Vater und einmal zum Bruder des Beschwerdeführers nicht ausgeräumt worden, zumal die Beschwerdeausführung, dass es sich beim Lebensmitteleinkauf in weitestem Sinn um eine Kochtätigkeit handle, unzutreffend ist.

Weiters ist der Behörde beizupflichten, dass der vom Beschwerdeführer behauptete Ablauf einer Ausbildung zum Selbstmordattentäter deshalb unglaubhaft ist, weil es in höchstem Maße unplausibel erscheint, dass dem Beschwerdeführer, der nach seinen Angaben gegenüber den Ausbildern ausdrücklich zum Ausdruck gebracht habe, dass er zur Durchführung eines derartigen Anschlages nicht bereit sei, nach Beendigung einzelner Ausbildungseinheiten täglich die Möglichkeit eingeräumt worden sei, über Nacht zu seiner Familie zurückzukehren.

Es erscheint ebenso äußerst unplausibel, dass der Beschwerdeführer als Ehemann und Vater überhaupt als Ausführender bei einem Selbstmordattentat in Betracht gezogen werden sollte, da aufgrund seiner Lebensverhältnisse und seiner familiären Situation in hohem Maße Zweifel an seiner Bereitschaft zu einer solchen Aktivität und seiner Loyalität zu den Urhebern eines solchen Anschlages vorauszusetzen ist.

Weiters hat der Beschwerdeführer die Geschehensabläufe zwischen seiner letzten Beteiligung an einer angeblichen Ausbildungsmaßnahme als Selbstmordattentäter und der angeblichen Tötung seines Vaters und seines Bruders widersprüchlich beschrieben. Während er bei der Einvernahme beim BFA am 13.01.2016 behauptet hatte, dass er nach Verlassen der Ausbildung zu Hause seinen Vater angetroffen und dieser ihm verboten habe, wieder zu dieser Schule zu gehen, worauf zunächst eine Person von der Schule zum Haus der Familie des Beschwerdeführers gesandt worden sei, um zu fragen warum er nicht mehr zur Schule gehe, worauf er gesagt habe dass er nicht mehr dürfe, weil der Vater ist verboten habe. Danach habe der Lehrer eine weitere Person geschickt, die gesagt habe, dass der Beschwerdeführer alle Geheimnisse kenne und deswegen getötet werde. Am nächsten Tag hätten Taliban in Abwesenheit des Beschwerdeführers den Vater den Bruder des Beschwerdeführers festgenommen. Demgegenüber hat der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht diesen Ablauf davon abweichend dahingehend beschrieben, dass ein anderer Schüler zu ihm nach Hause geschickt worden sei, den der Beschwerdeführer über das Verbot des Vaters informiert habe. Über das noch gegenüber dem BFA behauptete weitere Auftreten einer anderen Person, die den www.ris.bka.gv.at Seite 38 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

Beschwerdeführer am Leben bedroht habe, hat dieser dabei keine Angaben gemacht. Da es sich bei dem angesprochenen Ereigniskomplex um den Kern der vom Beschwerdeführer behaupteten Bedrohungssituation handelt, hätte er in der Lage sein müssen, die Ereignisse im Verfahren kohärent darzustellen. Da dies nicht der Fall war, ist ersichtlich, dass er derartige Geschehnisse tatsächlich nicht erlebt hat.

Der Beschwerdeführer hat darüber hinaus sowohl gegenüber dem BFA (Aktenseite 27) als auch in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht inhaltliche Angaben über das behauptete Gespräch zwischen den Taliban und seinem Vater nach dessen angeblicher Festnahme getätigt. Da es für dieses Gespräch keinerlei Zeugen geben kann und der Beschwerdeführer dazu naturgemäß auch keine eigene Wahrnehmung haben kann, hat er diesbezüglich einen konstruierten Sachverhalt vorgebracht. Dies zeigt im Zusammenhang mit den übrigen beweiswürdigenden Erwägungen, dass die Angaben des Beschwerdeführers nicht auf tatsächlich selbst erlebten Ereignissen beruhen.

Die in der Beschwerdeverhandlung angesprochene Einholung eines länderkundlichen Gutachtens war nicht erforderlich, da der Beschwerdeführer die von seinem damaligen Rechtsvertreter in der Beschwerdeverhandlung angekündigten nähere Spezifizierung des Beweisthemas und Ausführungen zur Eignung und Relevanz unterlassen hat. Das Fehlen der Relevanz eines solchen Gutachtes bzw. der Einholung eines Berichtes über entsprechende Ermittlungen vor Ort ist allerdings schon wegen des Bestehens einer innerstaatlichen Schutzalternative für den Beschwerdeführer in Kabul ersichtlich.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer wegen seiner religiösen Ausrichtung oder Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Paschtunen keine Gefahr einer Verfolgung im Herkunftsstaat unterliege, beruht auf den eigenen Angaben des Beschwerdeführers, der eine solche Bedrohung im Verfahren nicht substantiiert behauptet hat.

Die Feststellungen zur Möglichkeit einer Ansiedlung des Beschwerdeführers in außerhalb seiner Herkunftsprovinz gelegenen Landesteilen und insbesondere in der Stadt Kabul ergeben sich unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan, deren relevante Abschnitte im Wesentlichen lauten:

"Ob eine interne Schutzalternative zumutbar ist, muss anhand einer Einzelfallprüfung unter vollständiger Berücksichtigung der Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet zum Zeitpunkt der Entscheidung festgestellt werden. Insbesondere stellen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtssituation von Afghanen, die derzeit innerhalb des Landes vertrieben wurden, relevante Erwägungen dar, die bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer vorgeschlagenen internen Schutzalternative berücksichtigt werden müssen. UNHCR ist der Auffassung, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn der Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Bildung und zu (iii) Erwerbsmöglichkeiten gegeben ist. Ferner ist UNHCR der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann zumutbar sein kann, wenn betroffene Personen Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gruppe im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet haben und davon ausgegangen werden kann, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen.

Die einzigen Ausnahmen von dieser Anforderung der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen. Angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft aufgrund jahrzehntelang währender Kriege, der massiven Flüchtlingsströme und der internen Vertreibung ist gleichwohl eine einzelfallbezogene Analyse notwendig. [...]"(Auszug aus den UNHCR- Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016)

"Grundsätzliche Anmerkungen

Nach Auffassung von UNHCR muss man bei einer Bewertung der gegenwärtigen Situation in Afghanistan sowie des Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender berücksichtigen, dass sich die Sicherheitslage seit Verfassen der UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender (April 2016), insgesamt nochmals deutlich verschlechtert hat.

[...]

www.ris.bka.gv.at Seite 39 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

Die Zahl der Selbstmordanschläge in Kabul hat im Laufe des Jahres zugenommen. Sie sind außerdem komplexer geworden und führen zu einer höheren Zahl an Todesopfern als die sporadischen Zusammenstöße in anderen Teilen des Landes.

Außerdem ist Kabul massiv vom starken Anstieg der Zahl der Rückkehrer aus Pakistan betroffen, mit fast einem Viertel der 55.000 registrierten zurückkehrenden Familien und einem ähnlichen Anteil an nicht dokumentierten Rückkehrern aus Pakistan, die sich in den überfüllten informellen Siedlungen in Kabul niedergelassen haben. Angesichts des ausführlich dokumentierten Rückgangs der wirtschaftlichen Entwicklung in Kabul als Folge des massiven Abzugs der internationalen Streitkräfte im Jahr 2014 ist die Aufnahmekapazität der Stadt aufgrund begrenzter Möglichkeiten der Existenzsicherung, Marktliquidität, der fehlenden Verfügbarkeit angemessener Unterbringung sowie des mangelnden Zugangs zu grundlegenden Versorgungsleistungen, insbesondere im Gesundheits- und Bildungswesen, äußerst eingeschränkt.

Kabul ist zudem traditionell ein Zufluchtsgebiet der vom Konflikt betroffenen Binnenvertriebenen aus der Zentral-Region und anderswo (insbesondere auch aus der östlichen Region des Landes und aus Kunduz). Im Jahr 2016 haben sich Primär- und Sekundärfluchtbewegungen (2.349 Familien bzw. etwa 15.500 überprüfte Personen) aus der östlichen Region weiter fortgesetzt, insbesondere aus Kot, Achin, dem Deh Bala Distrikt der Nangarhar Provinz. Dies sind Distrikte, die von den Auseinandersetzungen zwischen den Taliban und mit ISIS verbundenen Gruppen sowie von großangelegten Militäroperationen der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräften (ANDSF) und der internationalen Streitkräfte betroffen sind. Aus den Beobachtungen von UNHCR geht hervor, dass binnenvertriebene Familien sich oft deshalb in Kabul niederlassen, weil sie dort auch familiäre Verbindungen haben, im Gegensatz zu Jalalabad, wo viele andere binnenvertriebene Familien aus den gleichen Provinzen Sicherheit gesucht haben.

Darüber hinaus führte eine zweite Fluchtwelle aus Kunduz - als Folge der temporären Übernahme von Kunduz durch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen im Oktober 2016 - zu neuerlichen Ankünften von Binnenvertriebenen in Kabul. Die Profile der vertriebenen Familien bestehen aus einer Mischung aus Staatsbediensteten mit guten Verbindungen in die Hauptstadt und anderen Familien, die kaum eine andere Wahl hatten, als in südlicher Richtung vor den Kämpfen zu fliehen. Baghlan blieb im Jahr 2016 weiterhin zu instabil, um Sicherheit für Binnenvertriebene zu bieten. Daher flohen diese nach Kabul, wo sich Familien temporär auch in Lagern niederließen. Diese Binnenflucht geschah in einem kurzen Zyklus und die Mehrheit der Familien ist wahrscheinlich bereits wieder nach Kunduz zurückgekehrt, nachdem von den Behörden im Oktober und November gezielt Druck ausgeübt wurde, staatlich geförderte Rückkehrprogramme wahrzunehmen. Dies geschah allerdings unter Umständen, in denen die Freiwilligkeit der Rückkehr zumindest in einigen Fällen stark bezweifelt werden kann.

Die Wohnraumsituation sowie der Dienstleistungsbereich in Kabul sind aufgrund der seit Jahren andauernden Primär- und Sekundärfluchtbewegungen im Land, die in Verbindung mit einer natürlichen (nicht konfliktbedingten) Landflucht und Urbanisierung zu Massenbewegungen in Richtung der Stadt geführt hat, extrem angespannt. Im Jahr 2016 wurde die Situation durch den Umstand, dass mehr als 25 Prozent der Gesamtzahl der aus Pakistan zurückgekehrten Afghanen nach Kabul gezogen ist, weiter erschwert. Diese Umstände haben unmittelbare Auswirkungen auf die Prüfung, ob Kabul als interne Schutzalternative vorgeschlagen werden kann, insbesondere mit Blick auf eine Analyse der Zumutbarkeit. Die in den UNHCR- Richtlinien vom April 2016 dargestellten Erwägungen bleiben für die Bewertung des Vorhandenseins einer internen Schutzalternative in Kabul bestehen. Die Verfügbarkeit einer internen Schutzalternative im Umfeld eines dramatisch verschärften Wettbewerbs um den Zugang zu knappen Ressourcen muss unter Berücksichtigung der besonderen Umstände jedes einzelnen Antragstellers von Fall zu Fall geprüft werden." (Auszug aus den Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern vom Dezember 2016).

Wie bereits der angefochtene Bescheid festgestellt hat, ist der Beschwerdeführer arbeitsfähig und arbeitswillig. Im Herkunftsstaat hat vor der Ausreise Schulen besucht und bereits Berufserfahrung im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Familie erworben. Der Beschwerdeführer kann die Stadt Kabul von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen. Die afghanische Regierung hat die Kontrolle über Kabul und es besteht trotz Anschlägen und Angriffen regierungsfeindlicher Gruppen, die sich insbesondere auf Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen und militärische Einrichtungen richten, keine derartige Gefahrenlage, die ein reales Risiko für eine Beeinträchtigung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit des Beschwerdeführers darstellen würde. Zur Erleichterung einer Rückkehr könnte der Beschwerdeführer zudem eine finanzielle Rückkehrhilfe gemäß § 52a BFA-VG in Anspruch nehmen und auch unmittelbar nach der Rückkehr im Empfangszentrum des IOM Aufnahme finden. Weiters hat die Beschwerde auch der Feststellung des angefochtenen Bescheides, dass im Herkunftsstaat Unterstützung durch unterschiedliche Organisationen und Institutionen möglich ist, nicht substantiiert widersprochen.

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In Übereinstimmung mit den entsprechenden UNHCR-Richtlinien ist für den Beschwerdeführer als alleinstehenden leistungsfähigen Mann ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keineswegs unbedingt ein soziales Netzwerk erforderlich, um im Falle einer Rückkehr nach Kabul eine Lebensgrundlage vorzufinden, zumal die Zumutbarkeit einer Niederlassung in Kabul nach den Feststellungen auch ohne Bestehen des sozialen oder familiären Netzwerks zumutbar ist (vgl. in diesem Sinne zuletzt etwa VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0157; 20.9.2017, Ra 2017/19/0205; 20.9.2017, Ra 2017/19/0190; 10.8.2017, Ra 2016/20/0389; 8.8.2017, Ra 2017/19/0118; 20.6.2017, Ra 2017/01/0023; 19.6.2017; Ra 2017/19/0095).

2.2. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Sie wurden durch die vom Beschwerdeführer in der Stellungnahme vom 16.03.2017 im Wesentlichen bestätigt und entsprechen auch der aktuellen Situation. Soweit der Beschwerdeführer auf die schwierige Sicherheitssituation in Afghanistan, insbesondere in der Hauptstadt Kabul, verweist, ist festzuhalten, dass sich dies nicht von den getätigten Feststellungen unterscheidet. Insofern die herangezogenen Länderberichte Quellen älteren Datums enthalten, ist festzuhalten, dass sich die entscheidungsrelevante Lage unter Berücksichtigung der in der Beschwerdeschrift ergänzend zitierten Quellen sowie infolge laufender Medienbeobachtung im Wesentlichen als unverändert darstellt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

www.ris.bka.gv.at Seite 41 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191, mwN).

Die Gefahr der Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH vom 10.12.2014, Ra 2014/18/0078, mwN).

Der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften ist iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrunde liegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

3.1.2. Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, kommt dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine Glaubhaftigkeit zu.

Unabhängig davon bestünde für den Beschwerdeführer - selbst wenn er in seiner Herkunftsregion tatsächlich dem Risiko einer Verfolgung durch Taliban unterliegen würde - die Möglichkeit, sich dieser Gefährdungslage im Wege der Inanspruchnahme einer zumutbaren innerstaatlichen Schutzalternative, insbesondere in Kabul, zu entziehen (siehe dazu sogleich Punkt II. 3.2.3.).

3.1.3. Der Beschwerdeführer brachte darüber hinaus keine individuellen Verfolgungshandlungen respektive die Befürchtung solcher aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Paschtunen vor.

Da auch sonst keine konkrete gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung in seinem Heimatstaat vorliegt, war im Ergebnis die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen.

3.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, 1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder 2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 www.ris.bka.gv.at Seite 42 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 leg.cit. mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg.cit. oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 leg.cit. zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 leg.cit.) offen steht.

Nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

3.2.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0053, mwN).

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (vgl. VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, mwN insbesondere zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofes).

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095). Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 25.05.2016, Ra 2016/19/0036, mwN; 08.09.2016, Ra 2016/20/006).

In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Judikatur des EGMR hinzuweisen, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Nr. 61 204/09; s. dazu zuletzt auch VwGH 18.03.2016, Ra 2015/01/0255). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

www.ris.bka.gv.at Seite 43 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

Für den hier in Rede stehenden Herkunftsstaat Afghanistan hat der Verwaltungsgerichtshof jüngst mehrfach auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hingewiesen, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert ist, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers dorthin eine ernsthafte Bedrohung für die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde (vgl. dazu VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134; 18.03.2016, Ra 2015/01/0255; 13.09.2016, Ra 2016/01/0096; 25.4.2017, Ra 2017/01/0016; 19.6.2017, Ra 2017/19/0095; jeweils mit zahlreichen Hinweisen auf die seit 2013 bestehende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte).

In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren zum Herkunftsstaat Afghanistan ergangenen Rechtsprechung wiederholt und unter Bezugnahme auf die diesbezügliche ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ausgesprochen, dass es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf EGMR 05.09.2013, I gegen Schweden, Appl. 61204/09; siehe dazu auch VwGH 18.03.2016, Ra 2015/01/0255; 19.6.2017, Ra 2017/19/0095; 5.12.2017, Ra 2017/01/0236;).

Selbst wenn einem Antragsteller in seiner Herkunftsregion eine Art. 3 EMRK-widrige Situation drohen sollte, ist seine Rückführung dennoch möglich, wenn ihm in einem anderen Landesteil seines Herkunftsstaates eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht (§ 11 AsylG 2005). Ihre Inanspruchnahme muss dem Fremden zumutbar sein (Prüfung der konkreten Lebensumstände am Zielort). Dass das mögliche Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch bei der Prüfung des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 AsylG 2005, wonach sich die innerstaatliche Fluchtalternative, die als ein Kriterium u.a. die Zumutbarkeit des Aufenthalts in einem bestimmten Teil des Staatsgebietes vorsieht, auf den "Antrag auf internationalen Schutz" und somit auch auf jenen auf Zuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten bezieht (vgl. hierzu auch VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233).

Betreffend die auch im vorliegenden Fall in Rede stehende Frage einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Afghanistan führte der Verwaltungsgerichtshof - zu einem Sachverhalt, bei dem es an finanzieller Unterstützung durch die Familie mangelte - jüngst ausdrücklich aus, dass nicht von vornherein erkennbar sei, weshalb ein Fremder durch mangelnde tragfähige Beziehungen und mangelnde Ortskenntnisse in afghanischen Großstädten trotz Vertrautheit mit den kulturellen Gegebenheiten und der Sprache in eine Situation ernsthafter individueller Bedrohung des Lebens komme (vgl. VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095; in diesem Sinne auch VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118 und VwGH 05.04.2018, Ra 2017/19/0616).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner jüngeren Rechtsprechung erkannt, dass eine schwierige Lebenssituation (bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht), die ein Asylwerber bei Rückführung in das als innerstaatliche Fluchtalternative geprüfte Gebiet vorfinden würde, für sich betrachtet nicht ausreicht, um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen. Es muss ihm jedoch - im Sinne des bisher Gesagten - möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001).

3.2.3. Vor diesem Hintergrund ist für den vorliegenden Fall zunächst festzuhalten, dass der Beschwerdeführer aus der Provinz Baghlan stammt, welche nach den Ausführungen in der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 16.03.2017 eine Provinz mit einer besonders prekären Sicherheitslage ist. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK drohen würde.

Der Beschwerdeführer kann jedoch zufolge den Feststellungen - unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan - aus den oben angeführten Länderberichten zu Kabul in Zusammenschau mit den persönlichen Lebensumständen des Beschwerdeführers aus folgenden Gründen in zumutbarer Weise auf die Übersiedlung in andere Landesteile Afghanistans, konkret in die Hauptstadt Kabul, verwiesen werden:

Was die Sicherheitslage betrifft, wird seitens des erkennenden Gerichts im Hinblick auf die oben angeführten Länderfeststellungen zwar keineswegs verkannt, dass die Situation (auch) in der Stadt Kabul nach wie vor angespannt ist. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul und größere Transitrouten hat. Auch ist Kabul eine über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens gut erreichbare Stadt. Aus dem vorliegenden Berichtsmaterial geht hervor, dass Terroranschläge, insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter, in Kabul nicht auszuschließen sind und in unregelmäßigen Abständen auch stattfinden. Hierzu ist auszuführen, dass die weltweit zu verzeichnende Zunahme von Terroranschlägen für sich alleine betrachtet noch nicht die Schlussfolgerung zu tragen vermag, dass die Ausweisung in einen von www.ris.bka.gv.at Seite 44 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

Terroranschlägen betroffenen Staat automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde bzw. für den Betroffenen unzumutbar wäre. Die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge ereignen sich - wie sich aus einer Gesamtschau der Länderberichte und dem notorischen Amtswissen ableiten lässt - hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen und richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass die Lage in der Stadt Kabul nicht insgesamt als ausreichend sicher bewertet werden könnte.

Hinsichtlich der in der Stadt Kabul bestehenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist im Hinblick auf die oben angeführten Länderfeststellungen auszuführen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist. Die Versorgung der afghanischen Bevölkerung ist jedoch zumindest grundlegend gesichert.

Laut den oben auszugsweise wiedergegebenen Richtlinien des UNHCR müssen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtslage von intern vertriebenen afghanischen Staatsangehörigen bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative berücksichtigt werden, wobei angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft auf Grund jahrzehntelang währender Kriege, massiver Flüchtlingsströme und interner Vertreibung hierfür jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig ist (zur Indizwirkung von UNHCR-Richtlinien vgl. u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103).

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen arbeitsfähigen Mann im erwerbsfähigen Alter mit Schulbildung und Berufserfahrung in der Landwirtschaft im Herkunftsstaat, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der Beschwerdeführer hat einen großen Teil seines Lebens in Afghanistan verbracht, wodurch er auch mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und der Sprache vertraut ist. Zudem gehört der Beschwerdeführer keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Wie angesprochen, konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aktuell an Erkrankungen leidet. Wie bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgehalten, ist es dem Beschwerdeführer unabhängig von vorhandenen Unterstützungsmöglichkeiten durch ein familiäres Netz auch zumutbar, durch eigene Erwerbstätigkeit seinen Lebensunterhalt zu erwerben. Außerdem kann der Beschwerdeführer durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Kabul das Auslangen finden; deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Seine Existenz könnte er dort mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Es gibt somit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer ausweglosen bzw. existenzbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.

Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation des Beschwerdeführers ist in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erkennen, dass er im Fall seiner Abschiebung nach Afghanistan und einer Ansiedlung in der Stadt Kabul in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine Ansiedlung in der Stadt Kabul möglich und auch zumutbar ist. Der Beschwerdeführer hat gegenüber der Behörde nicht detailliert und konkret dargelegt, dass exzeptionelle Umstände vorliegen, die ein reales Risiko einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten; auch die Beschwerde hat es nicht unternommen, ein derartiger Vorbringen zu erstatten.

Im Ergebnis war daher die Beschwerde auch hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung stellen sich die maßgeblichen Rechtsgrundlagen wie folgt dar:

3.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

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Das AsylG 2005 regelt in seinem 7. Hauptstück die Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie das Verfahren zur Erteilung derselben. Die darin enthaltenen Bestimmungen lauten auszugsweise:

"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus' zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG) erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung' zu erteilen.

[...]

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) - (4) [...]

Antragstellung und amtswegiges Verfahren

§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

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4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. (3) - (13) [...]"

Die maßgeblichen Bestimmungen des 7. und 8. Hauptstücks des FPG lauten:

"Abschiebung

§ 46. (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

(2) - (6) [...]

[...]

Verbot der Abschiebung

§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

[...]

Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

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2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) - (8) [...]

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) - (11) [...]

[...]

Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

(4) - (5) [...]"

§ 9 BFA-VG lautet wie folgt:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen: www.ris.bka.gv.at Seite 48 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) - (6) [...]"

3.3.2. Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

3.3.3. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch der Beschwerdeführer ein Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG behauptet noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhalts im Ermittlungsverfahren hervor.

3.3.4. Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

3.3.4.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von

www.ris.bka.gv.at Seite 49 von 52 Bundesverwaltungsgericht 16.05.2018 strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung - nunmehr Rückkehrentscheidung - nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

3.3.4.2. Da der Beschwerdeführer über keine dauernd aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen oder sonstigen familienähnlichen Nahebeziehungen in Österreich verfügt, ist ein Eingriff in sein Recht auf Familienleben iSd Art. 8 EMRK von vornherein auszuschließen. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher lediglich allenfalls in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.

3.3.4.3.1 Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen (vgl. EGMR 15.01.2007, Sisojeva ua. gegen Lettland, Appl. 60654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwH).

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216, mwH).

3.3.4.3.2. Im vorliegenden Fall hält sich der Beschwerdeführer seit seiner Antragstellung im Dezember 2014 im Bundesgebiet auf, wo er nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorläufigen Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren verfügt hat. Der Beschwerdeführer ist illegal nach Österreich eingereist und stellte in weiterer Folge seinen Antrag auf internationalen Schutz. Die Dauer des Verfahrens übersteigt auch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg. 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Butt gegen Norwegen, Appl. 47017/09).

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Die Integration des Beschwerdeführers in Österreich ist, wenn auch Integrationsbestrebungen nicht in Abrede gestellt werden, nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes unter Berücksichtigung seiner erst vergleichsweise kurzen Aufenthaltsdauer nicht im hohen Grad ausgeprägt: Der Beschwerdeführer bestritt seinen Lebensunterhalt zuletzt im Rahmen der Grundversorgung und weist keine familiären Beziehungen im Bundesgebiet auf. Es ist sohin vom Bestehen zumindest grundlegender Deutschkenntnisse auszugehen. Eine tiefgreifende Integrationsverfestigung konnte jedoch nicht erkannt werden und es ist auch der Zeitraum des Aufenthalts des Beschwerdeführers mit lediglich fast dreieinhalb Jahren im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwH) und der oben getroffenen Ausführungen als kurz anzusehen.

Der Beschwerdeführer verbrachte den Großteil seines Lebens in Afghanistan. Er wurde in Afghanistan sozialisiert und bestritt in den letzten Jahren vor seiner Ausreise seinen Lebensunterhalt durch Arbeiten in der elterlichen Landwirtschaft. Es ist daher davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer nach nunmehr rund dreieinhalbjähriger Abwesenheit vom Herkunftsstaat in die dortige Gesellschaft wieder eingliedern können wird.

Das Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung etwaiger privater Kontakte in Österreich ist noch zusätzlich dadurch geschwächt, dass er sich bei seinem Aufenthalt im Bundesgebiet stets seines unsicheren bzw. unrechtmäßigen Aufenthaltsstatus bewusst sein musste: Er durfte sich hier bisher nur aufgrund seines Antrages auf internationalen Schutz aufhalten, der als unbegründet abzuweisen war (vgl. zB VwGH 20.02.2004, 2003/18/0347, 26.02.2004, 2004/21/0027, 27.04.2004, 2000/18/0257; vgl. auch EGMR 08.04.2008, Nnyanzi, Appl. 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen). Auch der Verfassungsgerichtshof misst in ständiger Rechtsprechung dem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfSlg 18.224/2007, 18.382/2008, 19.086/2010, 19.752/2013). Daher bildet auch die vom Beschwerdeführer in Österreich aufgenommene Beziehung einem Freundeskreis keinen Hinderungsgrund gegen die vorgesehene aufenthaltsbeendigende Maßnahme. Es musste sowohl dem Beschwerdeführer als auch dessen Freunden bewusst sein, dass der Beschwerdeführer, der sich bloß nach der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz rechtmäßig in Österreich aufgehalten hat, nicht mit der Gestattung des weiteren Aufenthaltes rechnen konnte.

Festzuhalten ist auch, dass es dem Beschwerdeführer bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG auch nicht verwehrt ist, wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren (so auch VfSlg. 19.086/2010 unter Hinweis auf Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 861).

3.3.4.4. Den privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (zB VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrages verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sein persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, wonach im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

3.3.4.5. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Rechts des Beschwerdeführers auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist daher ebenfalls nicht geboten.

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3.4. Die Voraussetzungen des § 10 AsylG 2005 liegen vor: Da der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, ist die Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 leg.cit. zu erlassen. Es ist auch - wie bereits ausgeführt - kein Aufenthaltstitel nach § 57 leg.cit. von Amts wegen zu erteilen.

§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG setzt weiters voraus, dass dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Zusammenhang gegeben.

3.5. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234). Wird in einem Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz im Zusammenhang mit einer Rückkehrentscheidung eine amtswegige Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG getroffen (bzw. vom BVwG überprüft), so ist diese Feststellung, soweit sie sich auf den Herkunftsstaat bezieht, (wegen der inhaltlichen Übereinstimmung des Prüfungsmaßstabs) nur die Konsequenz der Nichtgewährung von Asyl und von subsidiärem Schutz. In dieser Konstellation kommt ihr demnach nur die Funktion zu, den Zielstaat der Abschiebung festzulegen (vgl. VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).

Zur Beurteilung im Lichte des § 52 Abs. 9 FPG kann - zumal dazu auch nichts gesondert vorgebracht wurde und auch (iSd. § 50 Abs. 3 FPG) keine Empfehlung des EGMR vorliegt - auf die Ausführungen iZm. §§ 3, 8 AsylG verwiesen werden (vgl. auch VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Der auf § 52 Abs. 9 FPG 2005 gestützte Ausspruch der belangten Behörde erfolgte daher zu Recht.

3.6. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 leg.cit. zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 leg.cit. 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, jene Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist zur freiwilligen Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden (§ 55 Abs. 3 leg.cit.).

Da derartige Umstände vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden und auch im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen sind, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

European Case Law Identifier ECLI:AT:BVWG:2018:W192.2129205.1.00

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