thüringer MUSEUMSHEFTE FTE | 2/2019 E H 2 2019 MUSEUMS r e g n Titelthema: Notfallplanung h t üri

Thüringer Museumshefte

Herausgegeben vom Museumsverband Thüringen e. V.

28. Jahr | 2019 | 2. Heft

1 2 Inhaltsverzeichnis

Editorial

Auftrag und Erneuerung – einige Worte zum Geleit ...... 7 Thomas T. Müller

Titelthema: Notfallplanung

Nach der Katastrophe ...... 9 Notfallverbund der Geraer Museen und Archive Doris Weilandt

Vor der Katastrophe ...... 13 Notfallverbünde in Thüringen Ralf Seeber

Extremwetterlagen der Zukunft ...... 17 Herausforderungen und Gefahrenpotentiale vor dem Hintergrund klimatologischer Veränderungen Bernhard Kühn und Frank Heyner

Risikoanalyse und Notfallvorsorge für Museen ...... 23 Hildegard Heine

Rettung wichtiger Einzelstücke im Katastrophenfall ...... 28 Zum Konzept „Grüner Kasten“ Ulf Häder und Ingolf Helbig

3 Inhaltsverzeichnis

Aus den Museen

Das Neue ...... 33 Vorgeschichte des Bauhauses und Aufbruch in die Moderne Kilian Jost

Anschaulicher Unort? ...... 38 Eine neue Ausstellung bringt Gauforum zum Sprechen. Norbert Korrek, Justus H. Ulbricht und Christiane Wolf

Haus der Weimarer Republik – Forum für Demokratie ...... 42 Ein zentraler Erinnerungsort für die Weimarer Republik Anne Meinzenbach

Geschichte und Geschichten ...... 46 Neue Dauerausstellung im Augustinerkloster Bad Langensalza Sabine Tominski

Archäologische Sammlung der Friedrich-Schiller-Universität ...... 54 Neue Ausstellungsräume am Fürstengraben Casha Ipach und Eva Winter

Saale-Holzland-Kreis – erster Thüringer Landkreis mit eigenem Museumsentwicklungskonzept . . . . . 60 Claudia Bioly-Schlebe und Gina Dechant

Inklusion – ein großes Thema im Schloßmuseum Arnstadt ...... 65 Katja Bieritz

4 Inhaltsverzeichnis

Forum Museum

Perspektivwechsel an der Spitze der Klassik Stiftung Weimar ...... 71 Interview mit der neuen Präsidentin Ulrike Lorenz Doris Weilandt

Die Mission: Ein lebendiges Museum auf dem Thüringer Land ...... 74 Wissenschaftliches Volontariat an der Brehm-Gedenkstätte Renthendorf Katrin Hänze

Von Drachen, Rittern und sprechenden Statuen ...... 80 Hören, um besser zu sehen – oder: Mehr als nur ein Audioguide Michael Grisko

Netzwerk Ehrenamt ...... 85 Angelika Steinmetz-Oppelland

Aus dem Museumsverband

Generationswechsel im Vorstand des Thüringer Museumsverbandes ...... 89 Verbandstag des Thüringer Museumsverbandes am 19.9. in Neustadt / Orla Doris Weilandt

Verbandsbericht des Museumsverbandes Thüringen e. V...... 92 für den Zeitraum Oktober 2018 bis September 2019 Holger Nowak

5 Inhaltsverzeichnis

Laudatio zur Verleihung der Bernhard-von-Lindenau-Medaille ...... 104 an Burghauptmann Günter Schuchardt Thomas T. Müller

Laudatio zur Verleihung der Bernhard-von-Lindenau-Medaille ...... 106 an Jochen Süss von der Brehm-Gedenkstätte Renthendorf Ralf Werneburg

Laudatio zur Verleihung der Bernhard-von-Lindenau-Medaille ...... 107 an Alf Rößner vom Stadtmuseum Weimar Holger Nowak

Laudatio zur Verleihung des Museumssiegels 2019 an die Mühlhäuser Museen ...... 108 Franziska Zschäck

Nachruf auf Günther Wölfing ...... 110 Uta Bretschneider

Nachruf auf Karin Breitkreutz ...... 112 Hardy Eidam

Nachruf auf Ernst Hofmann ...... 113 Lutz Unbehaun

Autorinnen und Autoren ...... 114

Impressum ...... 116

6 Editorial

Auftrag und Erneuerung – einige Worte zum Geleit

ehr geehrte Mitglieder des Museumsverbands In diesem Sinne haben wir in Vacha begonnen, SThüringen, liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Ziele für die kommenden vier Jahre abzuste- cken und uns dabei bereits auf die ersten Eckpunkte die Mitgliederversammlung in Neustadt an der geeinigt. Drei Hauptthemen sind für uns alle von Orla am 19. September 2019 wird uns allen sicher besonderer Bedeutung: Transparenz, Struktur und noch eine ganze Zeit in Erinnerung bleiben. Viele Kommunikation. langjährige Vorstandsmitglieder sind verabschiedet Als eine der ersten Aufgaben steht für uns der- worden und der neue Vorstand des Museumsver- zeit die Neustrukturierung der Zusammenarbeit des bandes Thüringen ist nach der Wahl nun deutlich Vorstands mit der Geschäftsstelle auf dem Plan. Die jünger aufgestellt. Aber auch inhaltlich steht eine Er- Optimierung der Arbeitsprozesse gründet dabei in neuerung bevor. Viele Ideen konnten die Vorstands- der guten Zusammenarbeit der Geschäftsstelle mit mitglieder bereits auf der konstituierenden Sitzung dem Vorstand und dem Präsidium. In diesem Zu- am 24. Oktober 2019 im Museum Burg Wendelstein sammenhang gibt es aus dem Vorstand heraus den in Vacha austauschen. Dabei hatten wir auch die Vorschlag, den Vorstandsmitgliedern neben den eindeutigen Signale vom Verbandstag im Blick. Die traditionellen regionalen Zuständigkeiten zudem Erwartungen an den Vorstand sind unmissverständ- bestimmte inhaltliche „Referate“ zuzuweisen, um lich formuliert worden: Eine größere Nähe und An- eine weitere fachlich qualifizierte Unterstützung bindung an die Arbeit unserer Mitglieder, verbunden der Geschäftsstelle und einen engeren Austausch mit Transparenz der Prozesse und Entscheidungen, zu erreichen. Viel mehr als bislang sollen auf diese sind klare Forderungen. Weise auch besondere Kompetenzen der Vorstands- mitglieder in die tägliche Arbeit einfließen können und andererseits die Leistungen der Geschäftsstelle in der täglichen Zusammenarbeit mit den Mitglieds- museen besser gewürdigt werden. Gemeinsam mit der Geschäftsstelle wollen wir die Chance zur Erneuerung aufgreifen und im Inte- resse des Services für die Mitglieder des Verbandes die Überprüfung und – falls nötig – Verbesserung von Arbeitsprozessen angehen. Natürlich müssen im Zuge einer solchen Neuausrichtung Prioritäten gesetzt werden, damit möglichst viele der von uns unter den Themen Transparenz, Struktur und Kom- Dr. des. Thomas T. Müller, Präsident des Museumsverbandes munikation zusammengefassten Ziele in den kom- Thüringen e. V. (Foto: Tino Sieland, Mühlhausen) menden vier Jahren erreicht werden.

7 Editorial

Deutlich erhöhen möchten wir zum Beispiel die Sie sehen, es bleibt weiterhin spannend in Sichtbarkeit der Vielfalt der Thüringer Museumsland- Thüringen. Wir haben einiges vor! Dies wird uns schaft, und auch der Dialog zwischen großen und nur gemeinsam gelingen. Wir freuen uns auf die kleinen Häusern soll gefördert werden. Als besonders Zusammenarbeit mit Ihnen und hoffen auf Ihre Un- wichtige Aufgabe erkannt haben wir die Lobbyarbeit terstützung! für unsere Mitgliedsmuseen. Diese muss künftig noch mehr als bisher im Mittelpunkt unserer gemeinsamen Mit herzlichen Grüßen des Präsidiums und des Arbeit und der Arbeit der Geschäftsstelle stehen. gesamten Vorstandes des Museumsverbandes Thü- Fortgesetzt werden soll die gute Zusammenar- ringen, beit mit der Thüringer Staatskanzlei im Sinne der Museumsperspektive 2025, wobei jedoch auch eine konstruktiv-kritische Begleitung der Entwicklungen rund um die Gründung der Mitteldeutschen Schlös- serstiftung oder des geplanten Landesmuseums auf Ihr Thomas T. Müller dem Petersberg nicht außer Acht bleiben werden. Präsident Museumsverbandes Thüringen e. V.

8 Titelthema: Notfallplanung

Nach der Katastrophe Notfallverbund der Geraer Museen und Archive

s kam unerwartet. Als am späten Nachmittag des Mittelpavillons zu deponieren. Auch diese Maß- Edes 2. Juni 2013 tausende Geraer zu den Ufern nahme war eine Entscheidung der Kunstsammlung, der Weißen Elster pilgerten, erwartete sie nach tage- nicht eines Katastrophenstabs der Stadtverwaltung, langen Regenfällen ein grandioses Naturschauspiel. zu der die Einrichtungen gehören. Einige Stunden Der sonst friedlich plätschernde Fluss war bis zum später stieg das Wasser über die Ufer und in ganz Rand gefüllt und hatte sich in einen reißenden Strom Untermhaus fiel der Strom aus. Am nächsten Mor- verwandelt. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, gen führten Wasserstraßen durch den Stadtteil, auf dass die Wassermassen noch ansteigen würden. denen die Bundeswehr mit großen Fahrzeugen un- Astrid Lindinger, Mitarbeiterin der Kunstsammlung terwegs war, um die eingeschlossene Bevölkerung Gera, erinnert sich genau: „Wir waren zusammen aus ihren Wohnungen zu evakuieren. Holger Saupe mit dem Leiter der Kunstsammlung, Holger Saupe, gehörte zu den Eingeschlossenen. Auch in der Biblio- hier auf der Untermhäuser Brücke und haben auf thek des Otto-Dix-Hauses stand das Wasser knöchel- den Wasserstand der Weißen Elster geschaut. Dann hoch. Zu erreichen war der Ortsteil nur noch über die sind wir sofort ins Otto-Dix-Haus gegangen. Es wa- ren noch zahlreiche Besucher im Museum. Als sie das Gebäude verließen, haben wir das Haus vor- zeitig geschlossen.“ Prophylaktisch begann sie mit ihren Kollegen, die Werke von Otto Dix im unteren Saal abzuhängen und nach oben zu bringen – lan- ge, bevor die Stadt Hochwasseralarm ausgelöst hat. Auch die Spundwände, die tiefer liegende Ortsteile schützen sollten, waren noch nicht aufgestellt. Die Museumsmitarbeiter handelten aus eigenem An- trieb, ohne Einsatzplan der Stadt. Nach einer Stunde hatten sie alle Bilder in Sicherheit gebracht. Einen Katastrophenplan zur Evakuierung von Kulturgut und zum Schutz wesentlicher Einrichtungen gab es zu diesem Zeitpunkt nicht. Noch in der gleichen Nacht rief ein besorgter Stadtrat bei Holger Saupe an. Das Wasser laufe in die Orangerie. Wieder machten sich mehrere Mit- arbeiter auf den Weg, die Bilder aus beiden Flügeln Das Hochwasser 2013 vor der Geraer Kunstsammlung in der des Gebäudes abzuhängen und im 1. Obergeschoss Orangerie. (Foto: Steffen Weiß)

9 Titelthema: Notfallplanung

Bergstraße von Schloss Osterstein. „Wir sind durchs Gera hat aus diesem Hochwasserereignis gelernt. Wasser gewatet. Dann haben wir im Haus eine Kette Das Stasi-Unterlagenarchiv Gera (BStU), das die Hin- gebildet, um die Bücher zu retten und eine Garage terlassenschaft der ehemaligen Bezirksverwaltung auszuräumen“, beschreibt Astrid Lindinger die da- für Staatssicherheit verwaltet, hatte von der Berliner malige Situation. Das gelang. Glück im Unglück: Das Zentrale bereits vorher die Anregung bekommen, Wasser machte vor der Orangerie halt, da die auf- einem Notfallverbund beizutreten. Doch der war gebaute Sandsackbarriere hielt. Doch die gewaltige nicht vorhanden. Außenstellenleiter Reinhard Keßler Wassermasse, die tagelang die Stadt in Atem hielt, begab sich deshalb auf die Suche nach Partnern, si- breitete sich weiter aus und erreichte in den Keller- cheren Depots und Transportkapazitäten, um einen räumen einen Stand von 1,50 Metern. In der Folge Verbund zu gründen. In Klaus Brodale, dem dama- richtete das aufsteigende Grundwasser großen ligen Leiter vom Stadtarchiv Gera, hatte er schnell Schaden an. Das Parkett hob sich unter der enormen einen Mitstreiter für die Schaffung einer entspre- Feuchtigkeit. Die Auswirkungen sind bekannt: We- chenden Infrastruktur gefunden. Bei einem ersten gen der klammen Haushaltssituation in Gera verzö- Termin mit Oberbürgermeisterin Viola Hahn sagte gerten sich die Bauarbeiten immer wieder. Erst im die Stadt ihre Unterstützung für die Schaffung eines letzten Jahr konnte die Orangerie nach mehrjährigen Notfallverbundes zu. Im April 2014 lag der Entwurf Bauarbeiten eröffnen. Wie sehr sie den Geraern ge- der „Vereinbarung zur gegenseitigen Unterstützung fehlt hat, machte der enorme Andrang von mehre- in Notfällen“ vor, ein knappes Jahr später, im Febru- ren hundert Gästen zur Eröffnung deutlich. ar 2015, wurde sie im Rathaus unterzeichnet. „Wir sind ein Hybrid aus Bundesbehörde und der Stadt Gera“, erklärt Reinhard Keßler, der den Vorsitz der Arbeitsgruppe Notfallverbund inne hat. Dazu ge- hören neben dem Stasi-Unterlagenarchiv und dem Stadtarchiv die Kunstsammlung in der Orangerie, das Otto-Dix-Haus, das Stadtmuseum, das Museum für Angewandte Kunst, das Museum für Naturkunde und die Stadt- und Regionalbibliothek. Wenig später kamen noch die Evangelisch-Lutherische und die Ka- tholische Kirche Gera dazu. „Es war völlig klar, dass wir einen Notfallplan brauchen und einen direkten Draht zu Feuerwehr und Katastrophenschutz“, sagt Holger Saupe. Nach der Gründung des Verbundes begann die eigentliche Arbeit an individuellen Notfallplänen für jede Institu- Oberbürgermeisterin Viola Hahn und der Leiter des Stasi-Unter- lagenarchivs Gera, Reinhard Keßler, bei der Unterzeichnung der tion, die bis ins Detail in die Praxis überführt werden Vereinbarung zur gegenseitigen Unterstützung in Notfällen – muss, um zu funktionieren. Der Kunstsammlungs- Notfallverbund Gera. (Foto: BStU Gera) leiter verweist auf eine spezielle Kennzeichnung im

10 Titelthema: Notfallplanung

Depot. In einem Plan, der auch bei der Feuerwehr hin- terlegt ist, sind alle Räume mit farbigen Kennzeichen markiert. Die roten Bereiche zeigen die Kunstschätze an, die im Katastrophenfall zuerst gerettet werden müssen. Die Markierungen finden sich auch an jeder Tür und an jedem Objektbereich im Depot. So kann die Feuerwehr zusammen mit anderen Einsatzkräften sofort mit der zielgerichteten Räumung beginnen. Im Notfallplan der Kunstsammlung ist verzeichnet, wer den Plan hat und welche technische Ausrüstung vor Ort vorhanden ist – das reicht von Rauchmeldern, über die Einbruchanlage bis zu den Feuerlöschern. Neben einem detaillierten Evakuierungsplan sind alle Mitarbeiter mit ihren Rufnummern eingetragen, damit eine Benachrichtigung schnell erfolgen kann. Eine Alarmtafel mit Feuerwehr, Polizei und dem städtischen Notfallkoordinator ermöglicht einen rei- Der Leiter der Kunstsammlung, Holger Saupe, verweist auf die bungslosen Ablauf. Die Geraer möchten nicht wieder rote Kennzeichnung für Bilder, die auf der Prioritätenliste bei der erleben, was sie 2013 schmerzlich erfahren haben. Räumung ganz oben stehen. (Foto: Doris Weilandt) Wenn sie bei einer erneuten Katastrophe durchrufen, sitzen am anderen Ende städtische Verantwortliche, die wissen, was zu tun ist. Die Kunstsammlung hat in ihrem Katastrophenplan alle Räume mit Größen und den darin befindlichen Objekten aufgelistet. Der Notfallplan des Geraer Stadtarchivs ist als dauerhafte Checkliste konzipiert: „Er soll zum einen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den Notfallplä- nen und Notfallvorkehrungen vertraut machen, mit dem Ziel, die eigenen Dienstgebäude dauerhaft zu sichern und alle Mitglieder der Belegschaft bestmög- lich auf etwaige Schadensereignisse vorzubereiten. Der Notfallplan soll zum anderen aber auch und vor allem Dokumentation und Nachweis dafür sein, dass die Notfallvorsorge im eigenen Haus und im Verbund stets auf dem aktuellen Stand ist.“ Es ist genau fest- gelegt, wer während und nach der Dienstzeit für die Auch die Grafikschränke sind für die Einsatzkräfte gekennzeichnet. Feststellung einer Katastrophe zuständig ist, wie die (Foto: Doris Weilandt)

11 Titelthema: Notfallplanung

Alarmkette funktioniert, wer die Einsatzkräfte ein- Neben den Geraer Museen und Archiven ist weist, den Schaden dokumentiert, die Notfallboxen dem Notfallverbund auch ein Transportunterneh- zum Einsatz bringt und wie das Kulturgut geborgen men beigetreten, das das wertvolle Kulturgut in wird. Die Standorte für die Notfallboxen wurden so gut gesicherte Zwischenlager bringt. Diese Trans- gewählt, dass sie für alle zugänglich sind. Ihr Inhalt portlogistik ist bei allen Beteiligten hinterlegt und ist bereits auf den ersten Blick auf einem Schild von kann im Bedarfsfall angefordert werden. Reinhard außen ersichtlich. Im Geraer Stadtarchiv stehen Fo- Keßler ist froh, dass er auch das Panzerpionierba- tos, Kunstdruckpapiere und Pergamente – Urkun- taillon 701 der Bundeswehr, das in Gera stationiert den, Handschriften und Aufschwörungstafeln – auf ist, gewinnen konnte, sich im Notfallverbund zu der Prioritätenliste zur Bergung ganz oben. Im Fall engagieren. Wenn es ernst wird, kann die Bundes- eines Wasserschadens müssen sie zuerst geborgen wehr per Standortbefehl aktiv werden. Innerhalb werden. Gebundenes Aktenschriftgut steht an zwei- der Kaserne stehen für die Kultureinrichtungen ter Stelle. Der Notfallplan regelt aber auch, wie mit zeitweilig auch weitere, vor allem gut bewachte bereits befeuchteten oder nassen Papieren umzuge- Depots zur Verfügung. Die Bemühungen, auch das hen ist: „Bei der Auswahl von Kühlhäusern sollte da- Technische Hilfswerk einzubinden, blieben bisher rauf geachtet werden, dass diese nach Möglichkeit ohne Erfolg. zu allen Tages- und Nachtzeiten oder zumindest über Kunstsammlungsleiter Holger Saupe sieht sich mehr als zwölf Stunden Anlieferungen annehmen. mit dem Geraer Notfallverbund gut gerüstet für die Die Liste sollte sowohl große Kühlhäuser in unmit- Zukunft, in der noch stärker als bisher mit Extrem- telbarer Nähe des Archivs berücksichtigen, als auch wetterlagen gerechnet werden muss: „Alles, was solche in der Nähe von Gefriertrocknungsanlagen.“ in den Plänen steht, muss aber auch gemacht und Um einen reibungslosen Ablauf zu garantieren, wer- umgesetzt werden“. Inzwischen sind auch Notfall- den Notfallübungen mit der Feuerwehr empfohlen. boxen vorhanden. Die Einrichtungen haben ihre Darüber hinaus gibt es auch genaue Angaben zum Hausaufgaben gemacht. Gebäudestandort, der Bausubstanz, der Nähe zu Ge- wässern und Temperaturveränderungen. Doris Weilandt

12 Titelthema: Notfallplanung

Vor der Katastrophe Notfallverbünde in Thüringen

m Januar 2019 fand im Landestheater Eisenach chen in den Städten und Gemeinden kann sich viel Idie Thüringer Kulturkonferenz zur Notfallvorsorge stärker aufstellen und auf ein solches Ereignis vor- für Kultureinrichtungen statt. Ziel dieser Veranstal- bereiten. Sicherlich sind solche Überlegungen bisher tung war es, die Kultureinrichtungen über das The- wenig verbreitet. Genau das war unsere Intention: ma Notfallvorsorge zu informieren und zu sensibi- Wie kann man Notfallverbünde anregen, wie kann lisieren. Durchgeführt vom Kulturrat Thüringen e. V., man themenbezogene Fortbildung anbieten, wer mit Unterstützung durch die Thüringer Staatskanzlei trägt hierfür die Kosten? und durch das Thüringer Ministerium für Inneres und Erst einmal ein Blick zurück. Gab es bereits vor Kommunales, wurden folgende Ziele definiert: der Initiative der Kulturkonferenz Notfallverbün- de in Thüringen? In Gotha, Gera, Nordhausen und 1. Unterstützung der Kultureinrichtungen zur Bil- Weimar sowie in einem kleinen Rahmen auch in dung von Notfallverbünden und Notfallkoopera- gibt es Notfallverbünde, die alle ähnlich arbei- tionen 2. Fortbildung für Kultureinrichtungen zur Notfall- vorsorge 3. Aufbau eines Kompetenzzentrums für Feuer- wehren zum Kulturgutschutz 4. Bereitstellung einer materiellen Basis zum Kul- turgutschutz durch den Freistaat Thüringen.

Die Umsetzung der Ziele soll dabei frei von fi- nanziellen Zwängen erfolgen und sich auf ein soli- darisches Prinzip stützen. Die Museen gehören unzweifelhaft zur kulturel- len Identität Thüringens und sind besonders schüt- zenswert. Jede Einrichtung für sich hat es schwer, sich auf Notfallsituationen vorzubereiten. Dass es zu Notfallsituationen kommen kann, steht außer Fra- ge. Eine lokale, vernetzte Gemeinschaft aus Kultur­ einrichtungen mit Museen, Bibliotheken, Archiven, Dezember 2018: Brand eines Holzlagergebäudes für die histo- den Einrichtungen des Bundesbeauftragten für die rische Heizung der Orangerie in Belvedere. Ein Übergreifen des Stasi-Unterlagen (BStU), Universitäten, Hochschulen, Brandes auf die Orangerie konnte verhindert werden. Ein Einsatz kirchlichen Einrichtungen und Kulturverantwortli- des Notfallverbundes war nicht notwendig. (Foto: Polizei Weimar)

13 Titelthema: Notfallplanung

ten. Sich kennenlernen, gemeinsam überlegen und Notfallverbundes ist, wichtig ist, dass die Initiative handeln sind hier die Grundelemente. Die Museen ergriffen wird, denn die drei Schadensereignisse im dieser Städte sind an den Notfallverbünden zum Teil Jahr 2018 im Bereich des Notfallverbundes Weimar beteiligt. Die Initiative zur Bildung dieser lokalen zeigen, dass Notfälle eintreten. Notfallverbünde ging von Archiven, Bibliotheken und von Einrichtungsleitern des Bundesbeauftrag- ten für die Stasi-Unterlagen aus. Dass die Museen Die Initiative entwickelt sich nicht immer die Initiatoren sind, ist keineswegs ein schlechtes Zeichen, sondern es hat eher den Grund, Der Kulturrat Thüringen war überzeugt, dass das dass schon kleinere Schadensereignisse, wie der oben genannte Angebot zur Notfallvorsorge an- Wasserrohrbruch in einem Archiv oder einer Biblio- genommen wird. Dafür brauchte es Mitstreiter. thek, viel größere Auswirkungen auf die Einrichtung Das waren in der Anfangsphase die Verbände der hat als in einem Museum. Schriftgut verwahrende Kultureinrichtungen und Kulturverantwortliche der Einrichtungen sind in dieser Frage hoch sensibilisiert. Landkreise und kreisfreien Städte. Es hat sich in der Es ist unerheblich, wer der Initiator zur Bildung eines Folge gezeigt, dass es einen lokalen, salopp gesagt Kümmerer, geben muss, der zusammen mit dem Kul- turrat eine erste Fortbildungsveranstaltung für die lokalen Kultureinrichtungen organisiert. Es waren Museumsdirektoren, Archivare, Verwaltungsange- hörige, die den ersten Schritt gemacht haben. Alle haben eines gemeinsam: Sie waren bei der Auftakt- veranstaltung in Eisenach dabei. Der Kulturrat hatte sich vorgenommen, sechzehn Fortbildungs- und Informationsveranstaltungen im Jahr 2019 an unterschiedlichen Orten durchzufüh- ren. Dort haben wir versucht, lokale Einrichtungen in den Landkreisen oder größeren Städten zusammen- zubringen. Das ist überwiegend gelungen, beispiels- weise in Jena und angrenzenden Kultureinrichtungen wie den Dornburger Schlössern. Es gab aber auch weniger gut besuchte Veranstaltungen, darunter im Landkreis Greiz. Wir halten das aber für normal und haben das in der Planung der Fortbildung einkalku- liert. Der wichtigste Grundsatz ist: Alles kann, nichts Arbeitsberatung des Notfallverbundes Weimar mit anschließen- muss sein. Es ist völlig klar, dass bei der Menge der den Erläuterungen zur kulturhistorischen Bedeutung der Herder- Arbeit in einem Museum nicht jeder sofort begeistert kirche. (Foto: Ralf Seeber) ist, weitere Aufgaben zu stemmen. Aber die Frage

14 Titelthema: Notfallplanung

sollte präsent sein, was für Auswirkungen ein bana- ler Wasserrohrbruch in einem Museum hat. Darauf sollte jeder vorbereitet sein.

Gibt es einen Masterplan für den Erfolg?

Nein! Aber es gibt Maßnahmen und Handlungen, die aus unserer Sicht zum Erfolg beitragen. Das ist in ers- ter Linie der engagierte Verantwortliche oder Mitar- beiter, der die Notfallvorsorge nicht als Ballast emp- findet. Die Übernahme der Kosten für die „Ausrüs- tungssätze Kulturgutschutz“ und LKW „Gerätewa- gen Kulturgutschutz“ im Stationierungsort Weimar durch den Freistaat Thüringen entlastet von der Be- Der am 9. Oktober 2019 in Dienst gestellte Gerätewagen mit ei- nem Ausrüstungssatz Kulturgutschutz. Das Fahrzeug kommt im reitstellung finanzieller Mittel für die Notfallvorsorge. gesamten Freistaat zum Einsatz. Vier weitere Ausrüstungssätze Aber auch kleine Handlungen sind wichtig. Bei den stehen in Nordhausen, Altenburg, Meiningen und Eisenach. meisten Informations- und Fortbildungsveranstaltun- (Foto: Feuerwehr Weimar) gen wurde durch die Einrichtungsverantwortlichen eine Führung im eigenen Haus angeboten. Das hat aus unserer Sicht zwei positive Effekte: Erstens die die Kultureinrichtungen in Jena, Meiningen und Vorstellung der eigenen Einrichtung für die Teilneh- Rudolstadt bereits gegangen. In diesen Städten mer und zum anderen die Möglichkeit, sich ein Bild erfolgte die offizielle Gründung eines Notfallver- von anderen kulturellen Einrichtungen zu machen. bundes am 21. Oktober bzw. am 27. Oktober 2019. Im Notfallverbund Weimar wird das über Jahre mit Das ist ein wirklich kurzer Zeitraum zur Bildung Erfolg praktiziert. Immer wechselnde Beratungsor- eines Notfallverbundes im Vergleich zum Notfall- te, oftmals in Verbindung mit einer neu kuratierten verbund Köln, der sieben Jahre der Beratung und Ausstellung, besonders interessanten Dokumenten Verhandlung benötigte und dies wohlgemerkt in einer Bibliothek oder in einem Archiv und Details nach dem Einsturz des Stadtarchivs. zu kirchlichen Bauten sind nur einige Möglichkeiten, das Interesse am Kulturgutschutz wach zu halten. Der Kulturrat Thüringen macht die Gründung ei- Unterstützung durch den nes Notfallverbundes nicht an der Unterschrift unter Museumsverband Thüringen einer Vereinbarung fest, sondern schon das Zusam- menkommen der einzelnen Kultureinrichtungen ist Unsere Initiative zur Notfallvorsorge ist eng mit dem der entscheidende Schritt. Es ist ein Prozess, der in Museumsverband Thüringen abgestimmt. Die vom einer Vereinbarung münden kann. Diesen Weg sind Museumsverband angebotenen Fortbildungen er-

15 Titelthema: Notfallplanung

gänzen unser Angebot und bauen aufeinander auf. Das Ziel ist, die Notfallvorsorge im gesamten Freistaat Thüringen weiter zu verbessern. Folgende Module der Fortbildung bis in das Jahr 2025 sind vorbereitet:

• Ausrüstungssätze Kulturgutschutz • Umgang mit Notfallsituationen • Gegenseitige Hilfe / Notfallverbünde • Logistik an der Schadensstelle • Zusammenarbeit mit der Feuerwehr

Die Bildung von Notfallverbünden ist in einer Stadt einfacher als im ländlichen Raum. Das hat etwas mit der räumlichen Betrachtungsweise zu tun. Hier haben wir mit dem Museumsverband Lösungen gefunden, die als Möglichkeit auch die individuelle Beratung einzelner, abseits liegender Einrichtungen vorsieht. Die Initiative zum verbesserten Kulturgutschutz wurde auch außerhalb Thüringens wahrgenommen. Der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisen- schutz, Christos Stylianides, informierte sich im No- vember 2018 über das System der Notfallverbünde und deren Ausrüstung hier in Thüringen. Vorträge zu diesem Thema wurden durch den Kulturrat Thüringen unter anderem in Berlin gehalten. Im August 2019 weilte eine brasilianische Delegation, bestehend aus Regierungsvertretern und Museumsdirektoren auf Einladung des Auswärtigen Amts der Bundesrepublik Deutschland in Weimar, wo der Kulturrat das System der Notfallvorsorge in Thüringen vorstellen konnte. Die brasilianische Delegation im Stadtmuseum Weimar im August 2019. (Foto: Ralf Seeber) Ralf Seeber

16 Titelthema: Notfallplanung

Extremwetterlagen der Zukunft Herausforderungen und Gefahrenpotentiale vor dem Hintergrund klimatologischer Veränderungen

n den vergangenen Jahren waren auch Thüringer Bei der Einrichtung einer klimatologischen IKultureinrichtungen von verheerenden Bränden Messstation an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena betroffen. Das Spektrum der möglichen Gefahren standen 1999 zunächst Aspekte der Tempera- und Katastrophen ist jedoch weiter zu fassen. Der tur- und Feuchtemesstechnik im Vordergrund. Beitrag beschreibt mögliche extreme Wettersitu- Inzwischen lassen sich die erfassten Daten auch ationen in Thüringen und fasst Projektionen hin- statistisch verwerten. Interessanterweise korres- sichtlich Intensität und Häufigkeit für die Zukunft pondieren die Temperaturwerte vom Campus der zusammen. Dabei wird der aktuelle Forschungs- Hochschule sehr gut mit denen aus dem Schiller- stand zum lokalen Klimawandel berücksichtigt. Die gäßchen. Am heutigen Thüringer Landesamt für Folge von Extremereignissen können in erster Linie Umwelt, Bergbau und Naturschutz (TLUBN) wur- Gebäudeschäden durch Sturm, Wasser, Gewitter den frühzeitig Möglichkeiten entwickelt, aus den oder Schnee sein. Ebenso ist eine Gefährdung der gesammelten Klimadaten und den globalen Klima- Sammlungsbestände durch Hitze sowie niedrige modellen lokale Aussagen für Thüringen abzulei- oder hohe Luftfeuchtigkeit in Betracht zu ziehen. ten. 2011 wurden diese Aktivitäten mit der Grün- Des Weiteren stellen sowohl mögliche Hochwasser dung der Klimaagentur als Fachreferat im TLUBN als auch anhaltende Trockenheit besondere Her- intensiviert. Einige Publikationen beschäftigen sich ausforderungen, beispielsweise bei der Pflege von speziell mit regionalen Klimaanpassungsstrategien Gärten und Parkanlagen, dar. für verschiedene Handlungsfelder. Die Beschäftigung mit klimatologischen Fragen hat in Thüringen eine lange Tradition. Seit der Er- richtung einer Sternwarte in Jena im heutigen Schil- Lufttemperatur lergäßchen fanden dort auf Anregung Goethes ab 1813 auch meteorologische Beobachtungen statt. Jena hat nicht nur die längste Messreihe in Thürin- 1878 übernahm Ernst Abbe als Universitätspro- gen, sondern ist auch der wärmste Ort des Landes. fessor die Verantwortung für die Sternwarte und Zunächst werden die Jahresmittelwerte an der Stati- veranlasste die Fortführung der Klimamessungen. on Sternwarte in den letzten 140 Jahren betrachtet. 2004 etablierte der Deutsche Wetterdienst die au- Als 1934 zum ersten Mal ein Jahresmittel von über tomatische Datenerfassung. Damit verfügen Jena 10 °C erreicht wurde, war dies ein außergewöhnli- und Thüringen über eine der längsten homogenen ches Ereignis, welches sich erst 1967 wiederholte. Messreihen in Deutschland. Die Jenaer Ergebnisse Seit 1998 hingegen sind Jahresmittel über 10 °C lassen es zu, auch allgemeingültige Trends für Thü- eher die Regel. Die wärmsten Jahre waren bisher ringen abzulesen. 2014 mit 11,3 °C und 2018 mit 11,5 °C.

17 Titelthema: Notfallplanung

Da im musealen Bereich vor allem die hohen Tem- ge durchschnittlich jedes Jahr und Perioden von fünf peraturen kritisch sind, werden sie hier speziell in den Heißen Tagen alle drei Jahre vor. Die Häufigkeiten Blick genommen. 2003, als der Mittelwert von Juni dieser Hitzeperioden hat sich seitdem verdoppelt. Im bis August erstmals über 20 °C lag, war vom Jahr- Extremfall traten auch 14-tägige Folgen Heißer Tage hundertsommer die Rede. 2015 wurde diese Grenze auf und zwar im August 1911 und Ende Juli 2006. ein zweites Mal überschritten und 2018 sogar ein Die höchste Temperatur von 38,8 °C wurde an der neuer Rekord erreicht. Des Weiteren ist eine Zunah- Station Sternwarte am 30. Juni 2019 gemessen. me der sogenannten Heißen Tage mit Tagesmaxima In Jena führen die vergleichsweise niedrige Lage größer oder gleich 30 °C festzustellen. In der Refe- im Saaletal und der städtische Wärmeinseleffekt zu renzperiode 1961-1990 gab es davon im Mittel 10,4 den hohen Temperaturen. Ähnlich hohe Temperatu- pro Jahr. 1989-2018 waren es schon 16,2 pro Jahr. ren finden sich im Thüringer Becken und im Alten- Für die Wirkung im Inneren eines Gebäudes sind vor burger Land. In Suhl hingegen oder auf den Höhen allem Hitzeperioden von mehreren Tagen relevant. des Thüringer Waldes ist es im Durchschnitt 3 °C Im Referenzzeitraum kamen drei Heiße Tage in Fol- bzw. 5 °C kühler. Der Trend des Temperaturanstiegs war jedoch an allen Orten ähnlich: etwa ein Grad in den letzten 50 Jahren. Diese Entwicklung wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit fortsetzen. In einem mittleren Szenario ist für die Periode 2041-2070 mit einer durchschnittlichen Temperaturerhöhung von 2,2 °C bzw. langfristig (2071-2100) von 3,4 °C zu rechnen, immer bezogen auf den Referenzzeitraum 1961-1990. Die räumliche Differenzierung fällt sehr gering aus. Ähnliches gilt für die meteorologischen Jahreszeiten. Im Sommer erfolgt die Temperaturzu- nahme etwas schneller, langfristig voraussichtlich um 4 °C bis Ende des Jahrhunderts.

Luftfeuchtigkeit

Je höher die relative Luftfeuchtigkeit ist, desto schnel- ler können Objekte Wasser aus der Luft aufnehmen. Im Extremfall der Sättigung, also nahe 100 % Luft- feuchte, findet an jeder Oberfläche, die nur gering- Jahresmittel (JM) der Lufttemperatur in Jena, 1879 bis 2006 Ter- minwerte Klimastation Sternwarte (Schillergäßchen), ab 2000 fügig kühler ist, sofort Kondensation statt. Im umge- Daten Ernst-Abbe-Hochschule (EAH) Jena, gleitender Mittelwert kehrten Fall, also bei niedriger relativer Luftfeuchte, (MW) über 30 Jahre. wird Objekten Feuchtigkeit entzogen. Dies sorgte im

18 Titelthema: Notfallplanung

Sommer 2018 für Schäden, darunter auch an Kirchen- orgeln. Im Prinzip sind alle Kulturgüter aus hygrosko- pischen Materialien wie Holz, Papier oder Pappma- ché gefährdet. Zur Entwicklung der Luftfeuchtigkeit gibt es bisher kaum Aussagen. Die Daten der Station Sternwarte in Jena zeigen einen leichten, aber konti- nuierlichen Rückgang der relativen Luftfeuchte. Vor allem im Sommer ist die relative Luftfeuchtigkeit in den letzten 30 Jahren um 2-3 % gesunken. Der Juli 2018 war mit einem Monatsmittel von 55 % der Mo- nat mit der geringsten relativen Luftfeuchtigkeit seit Beginn der Messungen im Jahr 1878.

Wasser

Beim Niederschlag ist eine differenzierte Betrach- Entwicklung der mittleren Jahresmittel der Lufttemperatur, Flä- tung erforderlich. So muss zwischen anhaltendem chenmittel für Thüringen und die Städte Jena und Suhl sowie Pro- Dauerregen und plötzlichem Starkregen unterschie- jektion für ein mittleres Szenario, zum Vergleich die Messdaten den werden. Erstgenannter kann zu großräumigem der Klimastation Sternwarte in Jena (155 m ü. NN). Hochwasser führen, wie zuletzt Ende Mai 2013, als an der Ernst-Abbe-Hochschule mit 168 mm die bis- her höchste Monatssumme registriert wurde – etwa In Zukunft wird es in den Sommermonaten immer zum 400-jährigen Jubiläum der „Thüringer Sintflut“. längere und häufigere Dürrephasen und Niedrig- Aktuelle Pegelstände sind übrigens im Referat Hy- wasserperioden geben, die von zunehmend heftige- drologischer Landesdienst, Hochwassernachrichten- ren Unwettern unterbrochen werden. zentrale des TLUBN oder per App „Meine Umwelt“ übersichtlich abrufbar. Lokale Schwankungen sind im Besonderen bei kurzen und intensiven Nieder- Lokale Unwetter schlagsereignissen sehr hoch. Rekordhalter für Jena ist der 18. Juli 1997 mit 110 mm an einem Tag. Die Starkregen kann jeden treffen. Am 12. Juli 2019 Jahressumme des Niederschlages variiert in der Je- standen die Tiefgaragen der Weimarhalle und des naer Messreihe zwischen 379 mm im Jahr 1911 und neuen Bauhausmuseums bis zu 40 cm unter Was- 850 mm 1882. Das Thüringer Becken ist mit durch- ser. Der Märchenwald in Wünschendorf an der Elster schnittlich etwa 500 mm die trockenste Region in wurde am 13. Juni 2019 nach einem Unwetter kom- Thüringen, während auf den Höhen des Thüringer plett zerstört. Eine Schlammlawine schob sich am 7. Waldes über 1.500 mm Niederschlag im Jahr fallen. Juni 2019 durch Weißenborn-Lüderode.

19 Titelthema: Notfallplanung

Nicht jeder Starkregen führt zwangsläufig zu Besonders häufig treten diese Ereignisse im Thürin- Schäden. Ausschlaggebend sind dafür auch die Oro- ger Wald und im Altenburger Land auf. Allgemein ist grafie, also die Höhenstrukturen auf der Erdober- Ostthüringen häufiger betroffen als die westlichen fläche, die Landnutzung und die vorausgegangene Landesteile. Oftmals genügt jedoch zum Auslösen Witterung. Bei gegebenen Voraussetzungen genü- einer Sturzflut ein einzelnes, besonders intensives gen aber zum Teil schon wenige Minuten Starkregen Starkregenereignis. So braucht es beispielsweise nur zum Auslösen einer Sturzflut. Das Referat Klima- eine Viertelstunde mit einer Intensität von 40 mm/h agentur des TLUBN hat diese kurzen und intensiven zu regnen, um die Menge eines großen Wasserei- Starkregenereignisse (hier vom Referat Klimaagen- mers (zehn Liter) auf jedem einzelnen Quadratme- tur definiert als fünf Minuten andauernder Nieder- ter zu erhalten. Dadurch können in kürzester Zeit schlag mit einer Intensität von mindestens 20 mm/h) aus kleinen, ruhigen Bächen alles mit sich reißende von 2001 bis 2018 ausgewertet. Die Datengrundla- Fluten werden oder verheerende Schlammlawinen ge dafür lieferte der Deutsche Wetterdienst (DWD). entstehen. Wenn Starkregenereignisse in Thüringen auftreten, sind sie vor allem im Saale-Holzland-Kreis, im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt, im Ilm-Kreis, im Süden von Jena und Weimar, im Norden von Erfurt, im südlichen Saale-Orla-Kreis und im südöstlichen Teil des Landkreises Sömmerda besonders heftig. Kulturgut bewahrende Einrichtungen, die in entspre- chenden Einzugsgebieten liegen, sollten dies bei der Notfallplanung berücksichtigen. Eine weitere Gefahr sommerlicher Unwetter geht von Blitzen aus. Im Durchschnitt ist in Thürin- gen mit ein bis zwei Blitzeinschlägen pro Quadratki- lometer pro Jahr zu rechnen. Vor allem im südöstli- chen Landkreis Weimarer Land (südlich der A4 zwi- schen Blankenhain und Milda) und im nordöstlichen Saale-Holzlandkreis sind es allerdings deutlich mehr. Eine erhöhte Betroffenheit zeigt sich auch zwischen der Rhön und dem westlichen Thüringer Wald sowie analog zum Starkregenrisiko in den östlichen Lan- desteilen des Freistaates. Lokale Sturmböen können Begleiterscheinun- gen praktisch jeden stärkeren Gewitters sein. Eine Durchschnittliche Starkregenintensität (mm/h) (Mittelwert 2001- flächendeckende Erfassung bzw. Auswertung ist 2017), Datenquelle: Deutscher Wetterdienst, Auswertung und aufgrund ihrer Kleinräumigkeit bisher jedoch nicht Darstellung: TLUBN. möglich. Die möglichen Schäden stehen jedoch

20 Titelthema: Notfallplanung

denen großer Winterstürme keineswegs nach, wie zum Beispiel ein am 14. August 2015 umgeknickter Freileitungsmast bei Schkölen zeigt. Der Klimawan- del ist auch in Thüringen längst angekommen. Som- merliche Unwetterereignisse wie Hagel, Starkregen, Blitzschlag und lokale Sturmböen treten bereits jetzt spürbar häufiger und intensiver auf.

Sturm

Das Stichwort Winterstürme fiel bereits. Gemeint sind großräumige Orkantiefs, mit verheerenden Fol- gen. 2007 forderte Kyrill allein in Deutschland 13 Todesopfer. In Thüringen wurden 11.000 ha Wald zerstört und 61.000 Haushalte waren ohne Strom, teilweise über 40 Stunden. Zuletzt zwang im Janu- ar 2018 Tief Friederike die Bahn, ihren Verkehr in mehreren Ländern komplett einzustellen. Es gibt immer wieder Jahrzehnte, in denen großräumige Sturm- und Orkantiefs gehäuft auftreten. Ein klarer Blitzhäufigkeit – Blitzeinschläge pro Quadratkilometer und pro Trend zur Zu- oder Abnahme ist im Gegensatz zu Jahr (Mittelwert 1992-2018), Datenquelle: Siemens, Auswertung den sommerlichen, kleinräumigen Sturmereignissen und Darstellung: TLUBN. allerdings nicht nachweisbar.

von Mitte Februar bis Anfang März. Um den 21. Fe- Schnee bruar liegt in vier von zehn Jahren auf der Schmücke Schnee von mindesten 60 cm Höhe. Im Durchschnitt Für Gebäude und Kulturgüter kann die winterliche wird die Erwärmung zwar zu weniger Schnee führen, Schneelast zum Problem werden, wenn sie die Trag- dennoch besteht vor allem im Mittelgebirgsraum zu- fähigkeit der Objekte übersteigt. Schneedeckenhöhen sätzlich die Gefahr nasser, schwerer Schneedecken, von 20 cm und mehr spielen im Thüringer Tiefland kei- da es zukünftig häufiger im Temperaturbereich um ne Rolle. In den Hochlagen des Thüringer Waldes ge- null Grad Celsius schneien wird. Dies hat Auswirkun- hören sie jedoch zum winterlichen Alltag. Anhand der gen auf die zu kalkulierenden Dachlasten. höchstgelegenen Thüringer Wetterstation, der 942 m Außerdem unterliegen die Winter starken über dem Meeresspiegel gelegenen Schmücke, ergibt Schwankungen von Jahr zu Jahr. Diese Variabilität sich die größte gemessene Schneedeckenmächtigkeit ist deutlich stärker ausgeprägt als in den Sommer-

21 Titelthema: Notfallplanung

Winter und Frühjahr stattfand, verwundert es nicht, dass sich dieser Trend bei der Globalstrahlung nicht so wiederfindet. Aus den Daten der Ernst-Abbe- Hochschule lässt sich nur eine geringe Steigerung abschätzen. 2018 wurde die höchste Jahressumme von 1.158 kWh/m² erfasst. Der Begriff des Touristenklimas entstammt der 2017 veröffentlichen Publikation „Klimawandel- folgen in Thüringen – Monitoringbericht 2017“. Es werden angenehm warme Tage (Tagesmaxima zwi- schen 15 und 30 °C) mit wenig Niederschlag (Tages- summe kleiner 0,5 mm) gezählt. In Thüringen gibt es je nach Höhenlage etwa 50 bis 120 solcher Tage pro Jahr. Vor allem in den Hochlagen Thüringens hat die Anzahl der Tage mit Touristenklima zugenommen. Dieser Trend wird sich auch in Zukunft fortsetzen. Der Wintersport wird dabei nicht abgebildet und Schneedeckenhäufigkeit der Wetterstation Schmücke (942 m auch die Museen profitieren ja teilweise eher von ü. NN), Mittelwerte 1989-2018, eine Häufigkeit von 90 % am 30.1. für 10 cm weist z.B. auf eine entsprechende Schneede- schlechtem Wetter, jedenfalls wenn es nicht zu ex- cke in neun von 10 Jahren hin, Datenquelle: Deutscher Wetter- trem kommt. dienst, Auswertung: TLUBN Bernhard Kühn und Frank Heyner monaten. So wird es neben zunehmend schnee- armen Wintern in Zukunft auch weiterhin klirrend Weitere Informationsmöglichkeiten kalte Winter mit viel Schnee geben. Heizungen be- • Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz ziehungsweise entsprechend leistungsstarke Klima- (TLUBN), Referat Klimaagentur: technik werden nicht entbehrlich. https://tlubn.thueringen.de/klima/ • Regionales Klima-Informationssystem für Sachsen, Sachsen- Anhalt und Thüringen (ReKIS): www.rekis.org • Aktuelle Unwetterwarnungen des DWD: Sonnenschein und Touristenklima https://www.wettergefahren.de/warnungen/warnsituation.html • Hochwassernachrichtenzentrale Thüringen: Wer auf Reisen geht, schaut nach dem Wetter und https://hnz.thueringen.de/hw2.0/ der Sonne. Die Sonnenscheindauer nahm in Thürin- • Deutscher Wetterdienst, Wetter- und Klimadaten über das Open Data Portal: gen in den vergangenen 30 Jahren um 5 % zu. Spit- https://www.dwd.de/DE/leistungen/opendata/opendata.html zenreiter waren die Jahre 2003 und 2018 mit fast • Messdaten Klimastation Ernst-Abbe-Hochschule (EAH) Jena: 2.000 Sonnenstunden. Da der stärkere Zuwachs im http://wetter.mb.eah-jena.de/

22 Titelthema: Notfallplanung

Risikoanalyse und Notfallvorsorge für Museen

ood planing can prevent an emergency from Kurze Zeit später erweiterte Robert Waller (Ca- „Gturning into a desaster and a desaster from nadian Museum of Nature) Michalskis Liste um die turing into a tragedy“. Eine gute Planung kann ver- zehnte Gefahr und begann außerdem die Matrix als hindern, dass ein Notfall zu einer Katastrophe und Grundlage für sein Model zur Entwicklung nachhal- eine Katastrophe zu einer Tragödie wird. (John Hun- tiger Strategien zum Sammlungserhalt zu nutzen, so ter, U.S. National Park Service) dass schließlich schrittweise sein „Cultural Property Risk Analysis Model“ (dt. Modell für die Risikoanaly- Es gibt zehn allgemein anerkannte Risiko- oder se von Kulturbesitz) entstand. Gefahrenfaktoren für den Erhalt von Kunst- und Kulturgut: 1. Physikalische Kräfte Die Risikoanalyse von Kulturbesitz 2. Diebstahl / Vandalismus 3. Feuer Eine Risikoanalyse (engl. Risk Assessment) soll dabei 4. Wasser helfen, innere und äußere Gefahren für Kunst- und 5. Biologischer Befall / Schädlinge 6. Schadstoffe 7. Licht / UV-Strahlung 8. falsche Temperatur 9. falsche relative Feuchte 10. kuratorische Vernachlässigung Die anfangs noch neun Gefahren wurden erst- mals Ende der 1980er von Stephan Michalski (Ca- nadian Conservation Institute) definiert und Mitte der 1990er Jahre in Form der sogenannten „CCI Framework of Preservation“ veröffentlicht. In dieser Matrix werden nicht nur die Risikofaktoren, sondern auch die verschiedenen Ebenen (Gebäude, Einrich- tung, Arbeitsprozesse) eines Museums genannt, auf die sich diese Sammlungsrisiken auswirken kön- nen sowie fünf aufeinander aufbauende Schritte, um ihnen systematisch zu begegnen: Vermeidung, Blockierung, Erfassung, Reaktion, Bearbeitung / Rettung, die gleichzeitig das Arbeitsgebiet der Prä- Risiken für Kulturgüter in Gebäuden. (Copyright: Prevart GmbH, ventiven Konservierung beschreiben. www.prevart.ch)

23 Titelthema: Notfallplanung

Kulturgut als solche zu erkennen und ihnen mit ge- Kategorie 3: eigneten Maßnahmen zu begegnen. Innerhalb der Ein kontinuierlich auftretendes Schadensereignis mit Struktur musealer Einrichtungen mit ihren verschie- geringerem Schadensausmaß. denen Ebenen und unterschiedlichen Problemstel- lungen und Anliegen tragen Risikoanalysen dazu Auf diese Weise können alle für eine Sammlung bei, Mitarbeiter zu sensibilisieren. Eine Risikoana- identifizierten Gefahren systematisch erfasst und ei- lyse intensiviert die Kommunikation der Mitarbeiter ner dieser drei Kategorien zugeordnet werden. Da und schafft eine gemeinsame Gesprächsgrundlage, jede Gefahr durch die Parameter Eintrittswahrschein- auf der argumentiert und bestehende Probleme lichkeit und Schadensausmaß individuell charakteri- sachlich und zielorientiert diskutiert werden können. siert ist, lassen sich auch Mehrfachgefährdungen ab- Ziel ist es, einen zukunftsweisenden präventiven bilden. Beispielsweise liegt sowohl bei Überflutungs- Maßnahmenkatalog für den Erhalt des Kunst- und gefahr (Kategorie 1) als auch bei einem Leck in einem Kulturgutes zu entwickeln, der von möglichst vielen Wasserrohr (Kategorie 2) eine Gefährdung durch Mitarbeitern mitgetragen wird und der falsche Prio- Wasser vor. Die beiden Risiken unterscheiden sich je- ritätensetzung sowie verfehlten Einsatz von oftmals doch in der Wahrscheinlichkeit und dem potentiellen begrenzten Ressourcen verhindert. Nach dem von Schadensausmaß. Für Risiken der Kategorie 1 (Kata- Waller entwickelten Modell besteht eine Risikoana- strophen) und einige wenige Gefahren der Kategorie lyse in der Regel aus drei Arbeitsschritten. 2 ergibt sich der Wert für die sogenannte Risikogröße laut Wallers Modell aus dem Produkt der Eintritts- Schritt 1 – Risikoidentifizierung: wahrscheinlichkeit, der Anzahl betroffener Objekte Eine genaue Untersuchung der Situation vor Ort vor und dem Wertverlust. Für die meisten anderen Risi- dem Hintergrund aller zehn oben genannten Risiko- ken der Kategorie 2 sowie allen Risiken der Kategorie faktoren. 3 dagegen ermittelt sich der Wert für die Risikogröße aus dem Produkt des Schadensausmaßes, der Anzahl Schritt 2 – Risikobewertung: betroffener Objekte sowie dem Wertverlust. Je höher Die identifizierten Gefahren werden in drei Katego- der Risikowert desto größer die Gefahr. rien unterteilt. Die Einteilung erfolgt aufgrund von Eintrittswahrscheinlichkeit und potentiellem Scha- Schritt 3 – Risikomanagement: densausmaß. Auf der Grundlage der Erkenntnisse aus den Schrit- ten 1 und 2 kann ein Museum entscheiden, wie es Kategorie 1: mit den einzelnen Gefahren umgehen kann und will. Ein katastrophales, aber selten auftretendes Scha- Es kann Entscheidungen treffen, Prioritäten setzen densereignis und geeignete Präventionsmaßnahmen einleiten. Dieser Prozess wird als Risikomanagement bezeich- Kategorie 2: net und besteht aus drei möglichem Reaktionen auf Ein gelegentlich auftretendes Schadensereignis mit die festgestellte Gefahrenlage: Risiko-Vermeidung, schwerwiegenden Folgen Risiko-Reduktion und Risiko-Toleranz.

24 Titelthema: Notfallplanung

Notfallvorsorge

Unter Notfallvorsorge versteht man im Kulturgut- schutz die Gesamtheit aller Vorkehrungen, um im Falle eines Schadensereignisses die negativen Aus- wirkungen auf Kunst- und Kulturgut so gering wie möglich zu halten sowie schnell und angemessen zu reagieren, damit die betroffene Institution schnellst möglich wieder den Normalbetrieb aufnehmen kann. Die „CCI Framework of Preservation“ umfasst auch Risikofaktoren, die im Sinne des Kulturgüterschutzes in Deutschland als Notfall gelten, also unvorherge- sehene, plötzlich eintretende Schadensereignisse Jahrhunderflut 2002 im Fürst-Pückler-Park Bad Muskau, Ober- bzw. Gefahrenlagen mit potentiell katastrophalem lausitz, Sachsen. (Quelle: dpa) Schadensausmaß (starke Zerstörung, kompletter Verlust). Hierzu zählen in erster Linie Gefahren wie Brand, Hochwasser, Unwetter, technische Defekte / des Landes eine effiziente Notfallhilfeinfrastruktur Ausfälle, Erdbeben, aber auch Diebstahl und Van- aufgebaut werden. Dazu gehören die vom Land dalismus. In der Regel sind dies Schadensereignisse, Thüringen schon vorgenommene Aufnahme des die Wallers Risikokategorie 1 zuzuordnen sind. Trotz Kulturgutschutzes in die Museumsperspektive 2025 ihres potentiell hohen Schadensausmaßes wurden sowie die Förderung von möglichst vielen Notfall- Risiken wie Feuer, Wasser, und physikalische Kräfte, verbünden, ein Unterfangen, das unter der Ägide beispielsweise Erdbeben, hierzulande lange Zeit, des Kulturrats Thüringen e.V., insbesondere seines vermutlich auch aufgrund der relativen Seltenheit Fachberaters Ralf Seeber seit Beginn dieses Jahres von Naturkatastrophen, oft als abstrakt und un- zunehmend an Fahrt aufgenommen hat. Auch die wahrscheinlich wahrgenommen. Aufgrund des Kli- Finanzierung und Verteilung von Notfall-Equipment mawandels und den damit einhergehenden immer und Material, wie die vier speziellen, von örtlichen extremer werdenden Wetterphänomenen sowie ei- Feuerwehren betreuten „Ausrüstungssätze Kultur- niger Schadensereignisse katastrophalen Ausmaßes gutschutz“, die an strategisch günstig gelegenen in den letzten Jahren ändert sich diese Wahrneh- Orten in Thüringen stationiert wurden, gehören mung jedoch. Insbesondere die Gefahr durch Feuer dazu. Darüber hinaus wurde mit Landesmitteln ein und Wasser treten auch in Deutschland zusehends in für den Einsatz in ganz Thüringen bestimmter „Gerä- den Vordergrund. tewagen Kulturgutschutz“ angeschafft, dessen stän- Für die im Hinblick auf diese Gefahren notwen- diger Standort bei der Feuerwehr in Weimar ist. Sie dige Notfallprävention bedarf es einer gemeinsamen wird in Zukunft auch als Kompetenzzentrum für den Anstrengung für den Kulturgüterschutz. Zum einen Kulturgutschutz in Thüringen fungieren. Informa­ muss aufgrund der Kulturhoheit der Länder mit Hilfe tionsveranstaltungen, Fortbildungen und gemein-

25 Titelthema: Notfallplanung

same Übungen von Kunst- und Kultureinrichtungen Ein Notfallplan sollte auf die individuelle Situa- mit den Feuerwehren vor Ort sind Bestandteil dieser tion der Einrichtung zugeschnitten und von einem Notfallhilfestruktur. bestellten Notfall-Team aus fachlich und persönlich Dies alles sind elementare Instrumente, um als geeigneten Mitarbeitern und unter Einbeziehung Institution auf einen Notfall vorbereitet zu sein. An aller an einem Notfalleinsatz Beteiligten ausgear- dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass beitet werden. Dies erfordert ein funktionierendes, bei einem Brand beispielsweise die Feuerwehr im vertrauensvoll kooperierendes Netzwerk, frühzei- Regelfall nicht automatisch in die eigentliche Kunst- tigen Kontakt und Kennenlernen aller Beteiligten und Kulturgutrettung vor Ort eingebunden werden (örtliche Feuerwehr, Polizei, Mitarbeiter aus Stadt / kann. Oberste Priorität hat für die Feuerwehr die Kommune, Museumsmitarbeiter, externe Dienst- Brandbekämpfung und die Rettung von Menschen- leister etc.). Das Notfall-Team bzw. der von ihm leben. Erst wenn dies gesichert ist und das betroffene bestimmte Koordinator, dem auch die Gesamtlei- Gebäude freigegeben wird, kann – insbesondere bei tung der Notfallmaßnahmen im Ernstfall obliegt, der Evakuierung von Objekten aus dem Gebäude – sollte auch regelmäßige gemeinsame praktische Hilfe auf freiwilliger Basis erfolgen. In der Regel en- Übungen und Schulungen durchführen. Das Not- det die Aufgabe der Feuerwehr im Hinblick auf die fall-Team sollte eine ständige Einrichtung sein, die Kunst- und Kulturgutbergung daher vorerst mit der sich regelmäßig trifft, um den Notfallplan zu über- Einrichtung der Schadenseinsatzstelle vor Ort. Ab denken und gegebenenfalls auch zu aktualisieren hier muss die betroffene Einrichtung in erster Linie und fortzuschreiben. selbst die notwendigen Notfallmaßnahmen, das Wichtig ist zu verstehen, dass die Erstellung heißt Helfer, Bergungsabläufe und Notsicherung des eines Notfallplans ein Prozess ist, der Zeit braucht. Sammlungsgutes organisieren und koordinieren. Grundlage sollte eine zuvor durchgeführte Risiko- Um das leisten zu können, sollte an jeder Ein- analyse bilden, um die individuellen Gefahren für richtung in Thüringen ein Notfallplan vorliegen, der die eigene Einrichtung zu kennen und bewerten alle für einen reibungslosen und effizienten Einsatz zu können. Sind die Risiken systematisch erfasst, im Ernstfall wichtigen Informationen enthält. Dazu können mit der Fragestellung, was würde ich tun, gehören, um nur die wichtigsten zu nennen: Ein wenn…verschiedene Szenarien durchgespielt wer- Organigramm der Ansprechpartner mit Namen, Te- den. Daraus ergeben sich erste Maßnahmenkatalo- lefonnummern, Entscheidungsbefugnissen, Schlüs- ge und Ausrüstungslisten. Mit weiteren Fragestel- selgewalt, eine Anrufliste, Liegenschaftspläne inkl. lungen lässt sich dieser Katalog von Maßnahmen Ausstellungs- und Depotpläne, Prioritätenlisten mit im Vorfeld, während oder unmittelbar nach einem Objektkennzeichnung, Ausrüstungslisten und Aufbe- Schadensereignis weiter konkretisieren, Materiali- wahrungsorte, Beschreibung von Bergungsabläufen / en und Equipment beschaffen sowie notwendige Checklisten, Notdokumentationsunterlagen, Kon- Kontakte knüpfen. taktinfo von externen Dienstleistern (Speditionen, Hilfreich ist es auch, sich umfassend über ver- Gefrierzellen, temporäre Lagerungsmöglichkeiten, schiedene Kanäle (z.B. eigener Notfallverbund, Restauratoren) und vieles mehr. Fachberater Notfallverbünde im Kulturrat Thüringen

26 Titelthema: Notfallplanung

e.V., Museumsberaterin Sammlungen beim MVT für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) e.V.) zu dem Thema Notfallvorsorge zu informieren. kontinuierlich weiterentwickelt wird. Eventuell kann auch ein Berater von außen hinzuge- zogen werden, der den Prozess begleitet und mo- Hildegard Heine deriert. Zudem gibt es den gerade auch für kleinere Kultureinrichtungen überaus hilfreichen „Sicher- Weitere Informationen: heitsleitfaden Kultur“ (SiLK), der eine hervorragende https://www.bbk.bund.de/DE/AufgabenundAusstattung/Kultur- Informationsquelle zur Risikoanalyse und Notfallpla- gutschutz/SicherheitsleitfadenKulturgut/SicherheitsleitfadenKul- nung darstellt und unter Leitung des Bundesamtes turgut_node.html

27 Titelthema: Notfallplanung

Rettung wichtiger Einzelstücke im Katastrophenfall Zum Konzept „Grüner Kasten“

n Zuge der Gespräche zur Gründung eines Not- ist. Selbst bei einem Großbrand, wie jüngst in der Iverfallverbundes für Jena und Umgebung machte Kathedrale von Notre Dame, ist es bekanntlich ge- die Jenaer Berufsfeuerwehr auf ein bisher weniger lungen, wichtige Ausstattungstücke vor den Flam- bekanntes, vorbeugendes System zur bevorzugten men oder Schädigungen durch Löschwasser zu ret- Rettung ausgewählter Kulturgüter in Schadensfällen ten. Im Alarmierungsfall würde also der Einsatzlei- aufmerksam: Das System „Grüner Kasten“. In der ter vor Ort entscheiden können, ob, wie lange und Erörterung mit qualifizierten Mitarbeitern der Be- wie viele Einsatzkräfte zur Notbergung von Kultur- rufsfeuerwehr im Bereich Gefahrenverhütung und gütern eingesetzt werden. Setzt man zusätzlich das vorbeugender Brandschutz wurden die bekannten Vorhandensein eines „Grünen Kastens“ und eine Informationen zum System zusammentragen, erör- entsprechende Schulung der Einsatzkräfte voraus, tert und die Grundanforderungen für eine Umset- besteht die reale Möglichkeit, dass ausgewählte, zung zusammengestellt. Die Bezeichnung wurde kulturgeschichtlich bedeutsame Einzelwerke aus dabei als Arbeitsbegriff übernommen, einerseits den gefährdeten Bereichen evakuiert werden kön- weil es sich tatsächlich um die Anbringung eines nen, es zumindest versucht würde. Informationskastens handelt, andererseits weil die Farbe Grün im Unterschied zum für Brandschutzein- richtungen gebräuchlichen Rot sofort die inhaltliche Andersartigkeit der enthaltenen Informationen zu erkennen gibt und weil die Farbe Grün im Bereich des Kulturgutschutzes anerkannt ist. Zur Verdeutli- chung kann zusätzlich das international gebräuch- liche Symbol für Kulturgutschutz zur Kennzeichnung des Kastens verwendet werden. Die Grundidee des Konzeptes beruht auf der Erfahrung, dass angesichts moderner Brandmel- detechnik in Museen, Bibliotheken, Archiven oder auch Kirchen die alarmierten Einsatzkräfte ins- besondere in Stadtgebieten relativ schnell und in nicht geringer zahlenmäßiger Stärke am Einsatz- ort eintreffen. Dadurch können unter Umständen Zeit und Personal zur Bergung von Kulturgütern eingesetzt werden, wenn Menschenleben nicht in Nach der Haager Konvention seit 1954 gültiges Symbol zur Gefahr sind und die Brandbekämpfung angelaufen Kennzeichnung geschützten Kulturgutes.

28 Titelthema: Notfallplanung

Erfahrungsgemäß ist in solchen Fälle Eile gebo- der Einsatzkräfte über gut strukturierte Laufkarten ten, da bei einem Katastrophenereignis anfänglich soll bei entsprechenden Lageszenarien die Evakuie- nicht immer sicher eingeschätzt werden kann, wie rung von Kulturgütern aus dem Gefährdungsbereich sich die Gefährdungslage entwickelt. Das gilt für erleichtert werden. Brände ebenso wie für Bedrohungen beispielswei- Welche Angaben sollten auf einer Laufkarte ent- se durch Hochwasser oder Orkanschäden in Ver- halten sein? bindung mit Niederschlägen. Um jedoch schnell 1. Die Lage des zu evakuierenden Objektes handeln und gefährdete Objekte vor einer nach- im Gebäude und im jeweiligen Raum ist in einem haltigen Schädigung oder dem Verlust in einer sol- Grundrissplan mit gut lesbarer Wegeskizze auszu- chen Notfallsituation retten zu können, muss ein weisen. Ergänzende Bezeichnungen angrenzender effizienter und zielsicherer Zugriff erfolgen können. Straßen und des Raumes können die Orientierung Dies umso mehr, als durch die etwaige Zuspitzung erleichtern. Es ist zweckmäßig mit zwei, höchsten einer Gefahrenlage – etwa der Ausbreitung eines drei kontrastierenden Farben zu arbeiten, zum Bei- Brandes, steigendem Hochwasser, eintretender spiel in einen schwarz gehaltenen Gebäudegrund- Einsturzgefahr, eindringendem Regenwasser nach riss mit einer roten Pfeillinie den Weg einzutragen. Gebäudeschäden oder auch durch im Zuge einer Zur Kennzeichnung des Objektes kann ein einfa- Brandbekämpfung eingebrachtes Löschwasser – ches Symbol verwendet werden (Punkt, Kreuz oder die Gefährdungen für am Katastrophenort befindli- das Kulturgutschutz-Symbol). che Kulturgüter steigen können. 2. Das Objekt ist zu benennen und mit einer gut Der schnelle Zugang zu ausgewählten, zur Eva- erkennbaren Abbildung darzustellen. Dabei ist die kuierung vorgesehenen Kulturgütern und der direkte Abbildung wichtiger als die Bezeichnung des Ob- Zugriff müssen also für die Einsatzkräfte vorbereitet jekts. Das Foto bzw. die bildliche Darstellung auf der werden, da im Alarmfall wahrscheinlich nicht erst Laufkarte ist so zu wählen, dass die Identifizierung Rücksprache mit kundigen Mitarbeitern aus der des zu evakuierenden Gegenstandes schnell und betroffenen Einrichtung genommen werden kann. eindeutig ermöglicht wird. Den Einsatzkräften stehen also Informationen zur 3. Die Abmessungen (Höhe, Breite, Tiefe in Beschaffenheit des Gebäudes, der Raumstruktur Zentimetern) und die Masse sind anzugeben. Bei sowie zu Lage und Aussehen bedeutender Aus- Verwechslungsgefahr können ergänzende Anga- stattungsstücke zunächst nicht bzw. nicht über den ben zur genauen Lage (Vitrine, Fach, Schubkasten, Feuerwehreinsatzplan hinaus zur Verfügung. Damit Höhe vom Boden oder ähnliches) gemacht werden. ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Ber- Dabei müssen die Angaben eindeutig und über- gung gefährdeter Kulturgüter zunächst nicht unter sichtlich bleiben. Mitwirkung von Fachleuten aus der Kulturgut be- 4. In engem Zusammenhang damit steht die wahrenden Einrichtung erfolgt und dass keine Zeit Angabe, wie viele Personen zur Bergung bzw. zum für eine fachliche Abstimmung bleibt. Transport benötigt werden und ob Werkzeug zur Hier sollen jetzt Informationen aus dem „Grü- Entnahme oder besondere Transportmittel (Trage- nen Kasten“ helfen. Durch die schnelle Orientierung gurte, Sackkarre, Behälter) benötigt werden.

29 Titelthema: Notfallplanung

5. Gelingt die Bergung, müssen die Einsatzkräf- te wissen, ob das Kulturgut im Freien zwischenge- lagert werden kann oder ob es schnellstmöglich an einen konservatorisch besser geeigneten Ort verbracht werden muss. Dieser ist auf der Laufkar- te anzugeben. Der Einsatzleiter kann sich mit der Polizei abstimmen, um die Sicherung zwischenge- lagerter Wertgegenstände bis zum Abtransport zu gewährleisten. 6. Besondere Hinweise betreffen eine konser- vatorisch zweckmäßige Behandlung des jeweiligen Stücks und sollen den Einsatzkräften helfen, die Bergung und Zwischenlagerung ohne Schädigung vornehmen zu können („Achtung! Zerbrechlich!“, „Kein Wasserkontakt!“, „Frostempfindlich!“, „Wär- meempfindlich – maximal 50 Grad Celsius!“ usw.) Neben diesen grundlegenden Informationen sollten die Objektblätter bzw. Laufkarten eine kennzeichnende Überschrift tragen (zum Bei- spiel „Objektinformation Kulturgutschutz“) und die Einrichtung benennen. Datierungen oder die Angabe eines Erstellungs- oder Überarbeitungs- datums sind möglich, richten sich aber nicht an die Einsatzkräfte, sondern dienen der Bearbeitung und Aktualisierung durch Mitarbeiter in der jewei- ligen Einrichtung. Wichtig für die Gestaltung ist Übersichtlichkeit. Die inhaltlichen Informationen müssen kurz, prä- zise und eindeutig sein. Zudem sollte die Einheit- lichkeit aller Objektblätter im gleichen Feuerwehr- bereich gewährleistet werden. Die Entwicklung entsprechender Laufkarten muss in enger Abspra- che mit der Feuerwehr erfolgen. Dies bietet sich als eine Aufgabe für örtliche oder regionale Notfallver- bünde an. Muster einer Laufkarte der Branddirektion München für ein Generell ist zu beachten, dass für jedes Objekt, Kunstwerk in einer Kirche. (Vorlage: Branddirektion München) das für den „Grünen Kasten“ ausgewählt wurde,

30 Titelthema: Notfallplanung

nur ein Objektblatt im Umfang von maximal einer DIN A4-Seite hinterlegt wird. Die Blätter sollten laminiert oder beschichtet sein. Eine zusätzliche Markierung der im Notfall zu evakuierenden Objek- te oder speziell für deren Aufbewahrung genutzter Schränke, Schubladen, Fächer usw. mit dem Kultur- gutschutz-Symbol wird mitunter empfohlen, dürfte im Alltag der Einrichtungen aber an Grenzen stoßen, wenn sich diese in öffentlich zugänglichen Räumen und Ausstellungen befinden. Beim Konzept „Grüner Kasten“ wird auf eine Klassifizierung der zu evakuierenden Kulturgüter Tür zu einer Brandmeldezentrale – Feuerwehranlaufstelle, wo beispielsweise durch Kennzeichnung von Prioritä- auch der „Grüne Kasten“ anzubringen wäre (Foto: Städtische ten oder einer Wertigkeit verzichtet. Dies ist bereits Museen Jena) durch die Auswahl der Kulturgüter, für die eine Lauf- karte erstellt und die im Kasten deponiert wird, ge- schehen. Dadurch werden die Einsatzkräfte nicht vor Sollte es eine solche zentrale Anlaufstelle nicht Entscheidungen gestellt und es wird Zeit gespart, geben, es sich um ein Gebäude ohne Brandmelde- die für eine Feststellung der wichtigsten Objekte be- anlage oder um mehrere Gebäude handeln, muss nötigt würde. ein geeigneter Anbringungsort mit den Fachleuten Eine besondere Herausforderung gilt für Kultur- der Feuerwehr abgestimmt werden. Der Kasten einrichtungen, die in größeren Gebäudekomplexen muss einerseits gut sichtbar und leicht zugänglich untergebracht sind oder aus mehreren Gebäuden sein, andererseits sollte keine Zugänglichkeit für bestehen. Hierzu gehören häufig Schlösser, Werks- Unbefugte bestehen. Ansprechpartner zur Abstim- archive oder auch Freilichtmuseen. Für solche Ein- mung des Anbringungsortes ist dabei immer der richtungen wird von Fachleuten der Feuerwehr die Ortsbrandmeister der örtlich zuständigen Feuer- Empfehlung gegeben, auf der Laufkarte zwei Lage- wehr. Und: Zur Umsetzung des Konzeptes „Grü- skizzen auszuweisen: Eine erste, die die Wegstre- ner Kasten“ gehören Einweisungen, regelmäßige cke zum relevanten Gebäude oder Raumkomplex Objektbegehungen, Trainingsszenarien und die markiert, und eine zweite, die in den betreffenden Aktualisierung der Laufkarten. In diesem Zusam- Gebäude oder Raumkomplex den Weg zum Kultur­ menhang soll abschließend auf die möglicherweise objekt verzeichnet. Wo sollte der „Grüne Kasten“ befristet zu ändernde Bestückung der Kästen wäh- angebracht werden? Hier wird die Feuerwehran- rend Sonderausstellungen hingewiesen werden. laufstelle empfohlen, also jener Raum innerhalb der Objekte, zu denen eine Laufkarte existiert, können Generalschließanlage, in dem das Informations- und sich an anderen Orten befinden oder es sind Objek- Bediensystem der Feuerwehr installiert ist. Derartige te im Gebäude, die eine Bestückung mit anderen Räume sind durch das BMZ-Schild gekennzeichnet. Laufkarten erfordern.

31 Titelthema: Notfallplanung

Die Umsetzung des Konzeptes „Grüner Kas- Der neu begründete Notfallverbund für Jena und ten“ bietet zwar keine Garantie dafür, dass im Umgebung hat es sich als eines der ersten Ziele ge- Notfall die markierten und auf den Laufkarten setzt, in Abstimmung mit der Berufsfeuerwehr und ausgewiesenen Kulturgüter tatsächlich auch ge- den Freiwilligen Feuerwehren „Grüne Kästen“ zu borgen werden, aber durch den „Grünen Kasten“ installieren. ist eine weitere Vorkehrung getroffen, die Rettung besonders wertvoller Kulturgüter zu erleichtern. Ulf Häder und Ingolf Helbig

32 Aus den Museen

Das Neue Weimar Vorgeschichte des Bauhauses und Aufbruch in die Moderne

ie Moderne hat in diesem Jahr mit drei neuen nicht nur die Wartburg als nationalen Gedenkort wie- DMuseen in Weimar Einzug gehalten. Neben dem der auf, er gründet 1860 die Großherzoglich-Sächsi- neuen -Museum der Klassik Stiftung und sche Kunstschule und das Großherzogliche Museum, dem Haus der Weimarer Republik hat auch im ältes- das heutige Neue Museum. Der Bau des Architekten ten Museumsbau der Stadt – dem Neuen Museum Josef Zítek (1832-1909) eröffnet 1869 als Infrastruk- Weimar – eine Dauerausstellung der Klassik Stiftung turmaßnahme für das entstehende Bahnhofsviertel, eröffnet: „Van de Velde, Nietzsche und die Moderne aber insbesondere zur Förderung von Kunst und um 1900“. Die Ausstellung erzählt anhand heraus- Kunstgewerbe. Von Beginn an werden neben Ab- ragender internationaler Werke des Realismus, Im- güssen antiker Statuen, neben Gemälden und Skulp- pressionismus und des Jugendstils den Aufbruch in turen auch kunstgewerbliche Gegenstände präsen- die Moderne und damit die Vorgeschichte des Bau- tiert, um die Kunsthandwerker des Großherzogtums hauses in Weimar. zu bilden und zu inspirieren. Die von Carl Alexander Um 1900 engagieren sich in Weimar drei Pro- finanzierte Kunstschule hingegen erweist sich als ein tagonisten dafür, eine neue glanzvolle Epoche zu etablieren, die sie das Neue Weimar nennen. Die Schwester des Philosophen Friedrich Nietzsche – Elisabeth Förster-Nietzsche, der Kunstmäzen Harry Graf Kessler und der belgische Architekt und Kunst- gewerbler Henry van de Velde wollen der Moderne in den Bereichen Weltanschauung, Kunst und Ge- staltung in Deutschland zum Durchbruch verhelfen. Als 1901 der noch junge Großherzog Wilhelm Ernst (1876-1923) den Thron von Sachsen-Weimar-Eise- nach besteigt, können die drei ihn von ihren Ideen überzeugen und das Neue Weimar mit der Förder­ tradition der Großherzöge verbinden. Bereits zweimal zuvor hatte Weimar eine kultu- relle Blüte gesehen. Das goldene Zeitalter unter Her- zog Karl August und um den Dichter Johann Wolf- gang von Goethe begründet bis heute den Ruhm Weimars als Musensitz. Unter Großherzog Carl Ale- Das Neue Museum in Weimar beherbergt die Dauerausstellung xander (1818-1901) folgte das silberne Zeitalter mit „Van de Velde, Nietzsche und die Moderne um 1900“. (Foto: dem Komponisten Franz Liszt. Carl Alexander baut Klassik Stiftung Weimar / Thomas Müller)

33 Aus den Museen

Ort, an dem sich die Kunst und die Kunstausbildung beth Förster-Nietzsche, die gemeinsam mit Kessler ohne Einflussnahme des Großherzogs frei entfalten und van de Velde den inneren Zirkel bildet. Die Idee kann. Hier entwickelt sich eine Gruppe realistischer zum Neuen Weimar hat Elisabeth Förster-Nietzsche Landschaftsmaler zur Weimarer Malerschule. Im (1846-1935). Sie will das Werk ihres Bruders, des Gegensatz zu anderen deutschen Kunstakademien Philosophen Friedrich Nietzsche (1844-1900), be- kann sich diese bedeutende Schule jedoch innerhalb wahren und verbreiten und gründet nach Vorbild der Kunstschule entfalten, ohne sich als Sezessions- des Goethe- und Schiller-Archivs das Nietzsche-Ar- bewegung von außen gegen die Akademie zu posi- chiv im Haus der Mutter in Naumburg. Wenig spä- tionieren. Die Weimarer Malerschule ist Beispiel für ter zieht sie mit Archiv und krankem Bruder in die eine Förderung ohne zu fordern. Klassikerstadt Weimar um. Hier inszeniert sie den In dieser Nachfolge soll Weimar ab 1901 auch Philosophen und sein Werk geschickt in der Traditi- unter Großherzog Wilhelm Ernst wieder kulturel- on des Geniekultes des 19. Jahrhunderts. Nietzsches les Zentrum werden, von dem Impulse für ganz Philosophie, die um 1900 zahlreiche leidenschaftli- Deutschland ausgehen. Tatsächlich ist das Neue che Anhänger hat, soll die geistige Grundlage des Weimar ein großes, internationales Netzwerk, an Neuen Weimar sein. Förster-Nietzsches spätere das auch Geistesgrößen wie Hugo von Hofmanns- deutsch-nationale Haltung und Begeisterung für die thal oder Gerhart Hauptmann angeschlossen sind. Diktatoren Benito Mussolini und Adolf Hitler wer- Zentrum dieser losen Gruppe ist der Salon von Elisa- fen allerdings einen starken Schatten auf ihre Leis- tungen. Damit beschädigt sie auch die Philosophie ihres Bruders nachhaltig. Doch um 1900 erreicht sie zunächst durch ihre akribische Sammlung von Nietzsche-Autographen und das stetige Bemühen um eine finanzielle Absicherung die dauerhafte Eta- blierung des Nietzsche-Archivs als Forschungs- und Pilgerstätte. Ein Jahr nach dem Tod ihres Bruders gewinnt Förster-Nietzsche während dreier August- tage des Jahres 1901 zwei international erfahrene Mitstreiter auf den Gebieten der Kunst und der Ge- staltung für ihr Neues Weimar. Harry Graf Kessler (1868-1937) ist ein Kosmopo- lit, Verehrer Nietzsches und Kunstmäzen. Er fördert Künstler wie Edvard Munch oder Aristide Maillol und setzt sich für Impressionisten und Neoimpres- sionisten aus Frankreich ein. Als einer der ersten Deutschen beschäftigt er auch Henry van de Velde Der Freiheit der Kunstschule verdankt die Weimarer Malerschule und stellt ihn Förster-Nietzsche vor, um von ihm ihre Entstehung. (Foto: Klassik Stiftung Weimar / Thomas Müller) eine Prachtausgabe von Nietzsches „Also sprach

34 Aus den Museen

Zarathustra“ entwerfen zu lassen. Nachdem Kess- ler durch Vermittlung Förster-Nietzsches ab 1902 zunächst die ehrenamtliche Leitung des Großher- zoglichen Museums für Kunst und Kunstgewerbe in Weimar übernimmt, bringt er Kunst der Avantgarde aus ganz Europa in die kleine Residenz. Hier präsen- tiert er die ersten Ausstellungen der Künstler Claude Monet und August Rodin in Deutschland überhaupt. Zahlreiche Werke werden unter seiner Leitung direkt von Künstlern erworben und sind heute Hauptwer- ke in den Sammlungen der Klassik Stiftung Weimar. Dazu gehören die Gemälde „Kathedrale von Rou- en“ von Claude Monet, „Junge Männer am Meer“ von Max Beckmann, „Badende“ von Théo van Rys- selberghe sowie von Rodin die Skulptur „Das eherne Zeitalter“. Blick in die Prellergalerie des Neuen Museums, in der der Nietz- Henry van de Velde (1863-1957) ist der Dritte im sche-Kult thematisiert wird. (Foto: Klassik Stiftung Weimar / Bunde. Auch er ist von Nietzsches Werk begeistert. Thomas Müller) Van de Velde wird 1902 zunächst Berater des Kunst- handwerks im Großherzogtum und richtet bald ein Kunstgewerbliches Seminar ein. Er erlebt in Weimar die Verbindung von Kunst und Handwerk gefördert. eine seiner produktivsten Phasen als Designer und Als die 1915 kriegsbedingt vo- Architekt. Im gesamten Großherzogtum fördert rübergehend schließen muss und der Belgier van de er mit der Herstellung seiner Entwürfe das Kunst- Velde als feindlicher Ausländer gilt, schlägt er Wal- handwerk. Zahlreiche Architekturprojekte kann er ter Gropius (1883-1969) als seinen Nachfolger vor. in dieser Zeit in Weimar, Jena, Gera, Chemnitz und Dieser kann 1919 Ateliers, Werkstätten und Lehr- Hagen realisieren, zudem entstehen interessante personal von van de Velde übernehmen sowie beide unverwirklichte Pläne für Museen und Theaterbau- Schulen zum Staatlichen Bauhaus Weimar vereinen. ten. Um stärkeren Einfluss auf das Kunsthandwerk Diese Ideengeschichte zur Suche nach einer mo- auszuüben, begründet van de Velde 1908 schließlich dernen Gesellschaft, nach zeitgemäßer Gestaltung, die Großherzoglich-Sächsische Kunstgewerbeschu- zum Kampf zwischen handwerklicher und industri- le. Hier sind von Anfang an Frauen zum Studium eller Herstellung, zur Massenproduktion, zu Fragen zugelassen, wie bereits seit 1902 an der älteren der Lebensreform ist hochaktuell. Die neue Dauer- Kunstschule. Beide Schulbauten sind von van de ausstellung erzählt sie auf 1.400 Quadratmetern Velde entworfen und absichtsvoll in unmittelbarer Ausstellungsfläche mit circa 550 Objekten. Darun- Nachbarschaft zueinander platziert. So wird ein ge- ter finden sich neben Meisterwerken der Weimarer meinsames Studium an beiden Schulen ermöglicht, Malerschule mit Vertretern wie Christian Rohlfs oder

35 Aus den Museen

Paul Baum sowie den genannten Ankäufen unter Harry Graf Kessler auch zahlreiche Möbel und kunst- gewerbliche Objekte nach Entwürfen Henry van de Veldes. Besonders hervorzuheben sind hier der Stuhl Bloemenwerf, sein sehr erfolgreiches erstes Sitzmö- bel für das eigene Wohnhaus bei Brüssel, der Da- mensalon der Baronin von Münchhausen aus Wei- mar, sowie der ergonomisch geformte Schreibtisch für die Kunstgewerbeausstellung 1906 in Dresden. Auch das Neue Museum selbst ist Thema in der Ausstellung. Entsprechend unterstreicht das Ausstel- lungsdesign die Qualitäten des Hauses. Die seit dem Wiederaufbau 1999 erstmals wieder farbig gefass- ten Räume lassen Haus und Ausstellungsstücke er- strahlen. Die Farbwahl der Ausstellungsgestalter von Ein besonderes Objekt: Kompartiment aus dem Frisiersalon Whitebox Dresden ist hierfür der Palette von Tapeten- Francois Haby, Berlin, 1901.(Foto: Klassik Stiftung Weimar / entwürfen van de Veldes gefolgt. Für die Struktur des Thomas Müller) Museumsgebäudes, die einen Wechsel von großen Ausstellungssälen und kleinen Eckräumen vorgibt, ist in der Zusammenarbeit zwischen Kuratoren und Ausstellungsgestaltern ein besonders innovatives und sinnliches Vermittlungskonzept entwickelt wor- den. Während die Ausstellungssäle thematisch ge- gliedert die zahlreichen unterschiedlichen Objekte aufnehmen, dienen filmische Collagen in den voran- gehenden Eckräumen der jeweiligen ideengeschicht- lichen Einführung. Acht Mediencollagen aus Bild, Ton und Einzelobjekten stellen die Protagonisten und ihre Ideen oder Zeitphänomene wie die Lebensreform und den Werkbundstreit vor. Durch diesen Wechsel von Film und Objektpräsentation erhalten Besucher konzentrierte Informationen, die ihnen die Kontextu- alisierung der Ausstellungsstücke erleichtert. Gleichzeitig finden sich zahlreiche, extra ange- Die Ausstellung präsentiert Henry van de Veldes umfangreiches fertigte Möbelrepliken in der Ausstellung, so dass Schaffen als Designer. (Foto: Klassik Stiftung Weimar / Thomas Entwürfe van de Veldes wie Stuhl Bloemenwerf Müller) sitzend ausprobiert oder auch durch Sehbeeinträch-

36 Aus den Museen

tigte ertastet werden können. Die sinnliche Erfahr- barkeit der nicht mehr erhaltenen Innenraumgestal- tungen van de Veldes wird über Stereobildbetrachter ermöglicht. Das Stereoskop war ein Massenmedium des 19. Jahrhunderts. Im Neuen Museum wird es für dreidimensionale Blicke in die Vergangen- heit genutzt. Als Vertiefungsebene dienen zudem zahlreiche Medienstationen im Rundgang. Einige erschließen zusätzliches Material unter anderem zu Architekturen van de Veldes oder zum Kult um Friedrich Nietzsche, andere lassen durch Augmen- ted Reality unverwirklichte Bauten van de Veldes entstehen oder bieten einen spielerischen Zugang zur Tafelkultur um 1900 sowie zur Ablehnung der Ornamente des Historismus durch zeitgenössische Gestalter. So kann der Besucher nicht nur Wissen Henry van de Veldes geschwungener Schreibtisch gehört zu sei- vertiefen, sondern sich auch selbst testen, ob er um nen bekanntesten Entwürfen. (Foto: Klassik Stiftung Weimar / 1900 bei einem Dinner in feiner Gesellschaft durch- Thomas Müller) gefallen wäre oder wie er sich im Kampf gegen den Historismus schlägt. Hier ist in Zusammenarbeit der Kuratoren mit den Mediengestaltern von Space In- stätte dienten. Heute wird die Werkstatt regelmäßig teractive und den Bauhaus-Agenten eine abwechs- in Workshops rund um die Themen Buchbinden und lungsreiche Aktivierung der Besucher entstanden, Vergolden genutzt. Sie ist Bindeglied zum Bauhaus die reges Interesse findet. Museum Weimar. Ein Highlight bildet auch das während der Öff- Beide Museen der Klassik Stiftung Weimar, das nungszeiten kostenlos zugängliche Sockelgeschoss Neue Museum und das Bauhausmuseum, stehen des Neuen Museum Weimar. Neben dem Café Neo in unmittelbarer Nachbarschaft zum sogenannten mit seinen köstlichen Kuchen und Quiches findet sich Gauforum. Gemeinsam mit dem Stadtmuseum Wei- hier die einzige erhaltene Bauhauswerkstatt mit Mö- mar, dem Haus der Weimarer Republik und dem im beln, Werkzeugen, Maschinen und Materialien. Die Gauforum geplanten Museum Zwangsarbeit der originale Werkstatt von Otto Dorfner (1885-1955), Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora dem bedeutendsten Buchgestalter des 20. Jahrhun- formiert sich ein neues Viertel mit eigenem Schwer- derts, wurde in der Kunstgewerbeschule Henry van punkt: Das Quartier der Moderne. Im Zusammen- de Veldes eingerichtet und 1919 von Walter Gropius spiel der verschiedenen Akteure rückt Weimar nun in das Staatliche Bauhaus übernommen. Die Objek- auch als Ort der Moderne stärker in den Fokus. te sind Leihgaben der Kunsthochschule Halle Burg Giebichenstein, der sie bis 2011 als Ausbildungs- Kilian Jost

37 Aus den Museen

Anschaulicher Unort? Eine neue Ausstellung bringt Weimars Gauforum zum Sprechen.

er berühmte Satz von Christa Wolf „Das Vergan- derzeitige und künftige Erinnerungsorte an die erste Dgene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen. deutsche Demokratie, für den politischen Aufbruch Wir trennen es von uns ab und stellen uns fremd“ in die Moderne. Dem gegenüber stehen die zukünf- trifft auf mancherlei Erinnerungen zu – vor allem tige Dauerausstellung der Stiftung Gedenkstätten aber auf diejenigen, die in Stein gemeißelt, als Denk- Buchenwald und Mittelbau-Dora im Landesverwal- mal verstetigt oder baulich repräsentiert sind. tungsamt zum System der massenhaften Ausbeutung Wer vom Weimarer Bahnhof stadteinwärts läuft, durch Zwangsarbeit, die eines der großen Verbrechen passiert den Buchenwaldplatz. Dessen Formenspra- der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Erin- che ist uns inzwischen wohl ebenso fremd geworden nerung halten wird, und die wiedereröffnete Ausstel- wie der dort zum Denkmal geronnene Ernst Thäl- lung „Das Gauforum in Weimar – Ein Erbe des Dritten mann. Vollends stutzen lässt uns vermutlich der Satz Reiches“ als Teil der lokalen Erinnerungslandschaft. „Aus Eurem Opfertod wächst unsere sozialistische Städtebaulich dominiert wird die zukünftige Tat“, den man nur verstehen kann, wenn man mit Museenlandschaft um den Jorge-Semprún-Platz und der DDR-Geschichtspolitik und dem Selbstverständ- den Stéphane-Hessel-Platz von einer Hinterlassen- nis jenes realsozialistischen Staates vertraut ist. Wer schaft des sogenannten Dritten Reiches, dem einzi- nachdenklich weiter geht, läuft auf die Rückfront ei- gen fast fertig gebauten Gauforum, dem am besten nes imposanten Neorenaissance-Gebäudes zu, das erhaltenen städtebaulichen Beispiel monumentalisti- nun als Neues Museum eine Dauerausstellung der scher Staats- und Parteiarchitektur des Nationalsozi- Klassik Stiftung Weimar zur klassischen Moderne alismus. Das Ensemble aus drei großen Verwaltungs- um 1900 beherbergt. und Repräsentationsbauten, einem Aufmarschplatz Dieses Ausstellungsgebäude ist Teil einer größe- und einer großen Versammlungshalle war als neues ren musealen Infrastruktur. Denn mit der Eröffnung Machtzentrum der NS-Eliten im „Trutzgau“ Thürin- des Bauhaus-Museums durch die Klassik Stiftung gen geplant und sollte die Einheit von Staat und Weimar Anfang April 2019 entstand nördlich der Wei- Partei verkünden. Das Weimarer Gauforum galt marer Altstadt ein Ensemble von Ausstellungsorten, als Prototyp für alle im Deutschen Reich geplanten an denen die Errungenschaften und Schattenseiten Gauforen. Dadurch erklärt sich auch das Engage- der Moderne des 20. Jahrhunderts thematisiert wer- ment des „Führers und Reichskanzlers“ Adolf Hitler, den. So stehen das Staatliche Bauhaus Weimar, das der sich persönlich an der Entwicklung des Bau- sich in Dessau zur weltweit bedeutendsten Design- programms beteiligte und für die Realisierung ein- und Architekturschule des 20. Jahrhunderts entwi- setzte. Im Zusammenspiel des aus Süddeutschland ckelt hatte, und das weiter entfernt liegende Stadt- stammenden Architekten Hermann Giesler mit dem museum Weimar sowie die einstige Coudraysche Gauleiter und Reichsstatthalter Fritz Sauckel wurde Wagenremise (Kulissenhaus) am Theaterplatz als das Bauvorhaben, in den letzten Jahren des Regimes

38 Aus den Museen

nicht zuletzt durch den Einsatz von Zwangsarbeitern Das „Sorgenkind Weimars“, die Mehrzweckhal- und Häftlingen des KZ Buchenwald, nahezu abge- le (MZG) – einst als „Halle der Volksgemeinschaft“ schlossen. Zu Kriegsende unvollendet, wurde es für geplant – blieb der problematischste Ort der Anla- die Sowjetische Militäradministration in Thüringen ge. Verwaltung und Öffentlichkeit debattierten über fertig gestellt und anschließend ununterbrochen von eine sinnvolle Weiternutzung des überdimensio- Landesbehörden, Bildungseinrichtungen und seit nierten Gebäudes, das seit Mitte der 1990er Jahre jüngster Zeit auch von privaten Investoren und Ge- leer stand. Investoren interessierten sich für das schäftsleuten genutzt. Objekt – und traten meist kurz darauf zurück. Die Besonders interessant sind dabei die nunmehr Diskussionen über die Zukunft der Halle stimulierten drei Jahrzehnte nach der Friedlichen Revolution. allerdings weiterführende städtebauliche Überle- So spektakulär 1989 die „Wende“ in vielen gesell- gungen, wie mit dem Gesamtensemble Gauforum schaftlichen Bereichen auch verlief, in den Gebäu- inmitten Weimars umzugehen sei. Die HAB Weimar den des Gauforums vollzog sich der Wandel eher veröffentlichte 1991 ein Themenheft ihrer Zeitschrift stillschweigend. In die Bauten zog das Thüringer mit dem Titel „Positionen zur Stadtentwicklung aus Landesverwaltungsamt ein. Einzelne Gebäudeteile der Sicht der Hochschule“. Das Bau- und Planungs- nutzten die Hochschule für Architektur und Bauwe- dezernat der Stadt veranstaltete im April 1991 den sen Weimar (HAB), die heutige Bauhaus-Universi- Workshop „Verwaltungs-, Kongress-, Handels- und tät Weimar, sowie die Weimarer Staatskapelle und Verwaltungszentrum am Landesmuseum?“, dessen das Deutsche Nationaltheater. Der zuvor begrünte Doppelung im Titel, wohl unbeabsichtigt, das Haupt- Platz wurde zum Parkplatz umgestaltet. interesse signalisierte. Im November 1993 legte das

Gauleiter Sauckel beim ersten Spatenstich, 4. Juli 1936. (Foto: Rudolf Heß vollzieht die Grundsteinlegung für die Bauten am Süddt. Zeitung / IMAGO) „Platz Adolf Hitlers“ am 1. Mai 1937. (Foto: Süddt. Zeitung / Bil- derdienst Scherl)

39 Aus den Museen

Dortmunder „Büro für Stadtplanung und Stadtfor- schung“ einen Stadtentwicklungsplan für Weimar vor, der auch eine Lösung für die angrenzenden Stadtquartiere suchte. 1998 entdeckte die Stadt das Zauberwort Stadtentertainment und dachte sich im MZG eine Mischnutzung von „Kino, Disko, Sport und Kleinkunst“ aus. 1999 folgte ein städte- baulicher Ideenwettbewerb mit Überlegungen, die Bauhaus-Universität ins Gauforum zu verlegen. Der Platz blieb nach 1989 zehn Jahre lang un- benannt. Vorschläge aus der Bürgerschaft, ihn „Vimaria-Platz“ zu taufen und damit an das Schick- sal des Ortes im Dritten Reich zu erinnern, blieben unberücksichtigt. Vielleicht war dem kollektiven Stadtgedächtnis längst entfallen, dass dort bis zur Hintergrund: Gebäude der „Giederungen der NSDAP“ im Roh- bau; vorn: Baustelle des „Gebäudes des Reichsstatthalters der kompletten Überbauung des Geländes ein Park ge- Gauleitung“, 30. Juli 1939. (Foto: Stadtmuseum Weimar / Samm- legen hatte, in dessen Zentrum eine Stadt-Allegorie lung Eichhorn) Weimars, die Vimaria, als Denkmal stand. Die im Kulturstadtjahr 1999 vollzogene Namensnennung „Weimar-Platz“ wirkte auf viele wie eine eher pein- lich-provinzielle Notlösung. Einzelne Ausstellungs- projekte oder etwa das kulturelle Großereignis „At- lantic Affairs“ von Udo Lindenberg ließen das Areal kurzfristig in die Aufmerksamkeit der Medien, der Stadtgesellschaft und zahlreicher Weimar-Touristen zurückkehren. Nachhaltige Impulse für einen kreati- ven und sinnvollen Umgang mit den weiter genutz- ten NS-Relikten gingen davon jedenfalls nicht aus. Die Ende September 2019 im Turmhaus des heu- tigen Thüringer Landesverwaltungsamtes neu eröff- nete, ästhetisch umgestaltete Ausstellung, deren erste Version aus dem Jahr 1999 stammte, dokumen- tiert auf der Basis neuerer Forschungen die Bau- und Nutzungsgeschichte des unübersehbaren architek- „Halle der Volkgemeinschaft“, im Vordergrund „Gebäudes des tonischen Relikts Gauforum und stellt es in den Kon- Reichsstatthalters der Gauleitung“, 30. Juli 1939. (Foto: Stadtmu- text der Weimarer Stadtgeschichte. Die Exposition seum Weimar / Sammlung Eichhorn) beschränkt sich nicht auf architekturgeschichtliche

40 Aus den Museen

und städtebauliche Details, sondern liefert Informa- tionen zur Planung der Gauforen, zum Aufstieg der NSDAP in Thüringen, zu Geschichte, Ideologie und Kult der nationalsozialistischen „Bewegung“ sowie zur Nutzungsgeschichte des Gebäudeensembles nach 1945. Die Ausstellung wird gemeinsam von der Stadt Weimar, der Bauhaus-Universität Weimar und vom Thüringer Landesverwaltungsamt getragen. Mit der Neueröffnung des Neuen Museums und dem Neubau des Bauhaus-Museums zeichnet sich im Areal am Jorge-Semprún-Platz eine spannungs- und beziehungsreiche museale Infrastruktur ab, die zudem unterschiedliche erinnerungskulturelle Perspektiven eröffnet. Wenn das „Museum Zwangsarbeit im Nati- onalsozialismus“ (Konzeption: Gedenkstätte Buchen- Westseite der „Halle der Volkgemeinschaft“ mit Fahnenschmuck wald) in den Räumen des ehemaligen Gebäudes des aus Anlass des 29. Jahrestages der „Großen Sozialistischen Ok- Reichstatthalters und der Gauleitung dazu kommt, ist toberrevolution“, 1946. (Foto: LATh-HStA Weimar / Nachlass das Museumsquartier in der Schnittstelle zwischen Ernst Schäfer) Altstadt und Bahnhofsviertel abgeschlossen. Insgesamt vier Dauer-Ausstellungen zeichnen dann das Bild einer Moderne, das neben beeindru- Sicht ein selbstverständlicher Teil unseres kulturellen ckenden Zeugnissen bildender Kunst, des Kunstge- Gedächtnisses werden. werbes und aktueller Strömungen der internationa- len Avantgarde die totalitären Seiten der entfalteten Norbert Korrek, Justus H. Ulbricht und Christiane Wolf Modernität, nicht zuletzt Weimars und Deutschlands selbst, weder verschweigt noch überzeichnet. Dieses „Quartier der Moderne“ wird seine Besucher inspi- rieren und verunsichern, anregen und erschrecken, nachdenklich machen oder ermuntern. Die kultur-, politik- und kunstgeschichtlichen Einsichten, die sich an den Exponaten und der Inszenierung der Ausstel- lungen gewinnen lassen, dürften jede oberflächliche Fortschrittsgewissheit erschüttern, ebenso aber den Reichtum moderner Kultur sowie die Schönheit der modernen Künste sichtbar machen. Der Zivilisationsbruch der Jahre 1933 bis 1945 Namenlose Durchgangsstraße am Karl-Marx-Platz, um 1967. ist damit zwar nicht zu kitten, wird aber auf lange (Foto: Stadtarchiv Weimar)

41 Aus den Museen

Haus der Weimarer Republik – Forum für Demokratie Ein zentraler Erinnerungsort für die Weimarer Republik

m 31. Juli 2019 – genau 100 Jahre nach Ver- Republik e.V. als Initiator und Träger des Projektes Aabschiedung der ersten parlamentarisch-de- „Haus der Weimarer Republik“ die museale Nut- mokratischen Verfassung Deutschlands durch die zung fort und präsentiert im Oberlichtsaal auf rund Nationalversammlung in Weimar – eröffnete am Ort 200 Quadratmetern die Dauerausstellung „Die Wei- dieses historischen Ereignisses das „Haus der Wei- marer Republik – Deutschlands erste Demokratie“. marer Republik – Forum für Demokratie“. Es bezog Seit seiner Gründung im Jahr 2013 bemüht sich die 1832 nach Entwürfen von Clemens Wenzeslaus der Verein intensiv um die Erinnerung an die Wei- Coudray errichtete Wagenremise, direkt gegenüber marer Republik. Vielfältige Projekte wurden initiiert, dem Deutschen Nationaltheater, welches der ver- unter anderem war die Idee zu einem „Haus der fassungsgebenden Versammlung als Tagungsort Demokratie“ geboren. Unter Einbezug der Öffent- gedient hatte. Das Gebäude am Weimarer Theater- lichkeit wurden in den zurückliegenden Jahren das platz war nach schweren Beschädigungen im Zwei- Profil und der Name weiter geschärft und schließ- ten Weltkrieg zur Kunsthalle umgebaut und seitdem lich der ideale Ort für das Vorhaben gefunden. Der museal genutzt worden. Nun setzt der Weimarer Verein erhielt von der Stadt Weimar die Zusage für die Nutzung des freiwerdenden Bauhaus-Museums. Um dem „Haus der Weimarer Republik – Forum für Demokratie“ als Ort musealer Vermittlung, histo- risch-politikwissenschaftlicher Forschung und po- litischer Bildung den nötigen Raum zur Verfügung zu stellen, entschied man sich, den historischen Bestand modern zu erweitern. Ein Architektenwett- bewerb wurde ausgelobt, aus dem das Tuttlinger Büro Muffler Architekten als Sieger hervorging. Die Eröffnung im Sommer 2019 ist somit nur der erste Schritt: Komplett wird das Haus mit dem rückwärtig ansetzenden Erweiterungsbau, der auf drei Ebenen Räumlichkeiten für die politische Bildungsarbeit, Wechselausstellungen und die Verwaltung des Hau- ses bietet. Für Ende 2020 ist dessen Fertigstellung geplant. Das „Haus der Weimarer Republik – Forum für Großer Andrang nach der Eröffnung am „Haus der Weimarer Re- Demokratie“ versteht sich als ein für alle offener, publik“ Weimar. (Foto: Candy Welz) transparenter Ort, der zum Austausch über Ge-

42 Aus den Museen

schehenes und Gegenwärtiges anregen soll. Hierzu lädt das eintrittsfrei zugängliche Besucherzentrum, bestehend aus dem Foyer des Hauses, dem Café & Museumsshop sowie dem Kino ein. Die musea- le Vermittlung beginnt bereits in diesen Räumlich- keiten. Im Foyer werden anhand eines Stadtplanes entlang des verlängerten Kassentresens Bezüge zu den Stätten der Nationalversammlung und weite- rer Orte der Moderne in Weimar hergestellt. Dieser Stadtrundgang liegt für die Gäste auch in gedruckter Form vor, so dass die Erkundung in der Stadt fortge- setzt werden kann. Das Haus verweist hier auch auf das mit der Eröffnung des Bauhaus-Museums und der Neukonzeption des Neuen Museums neu etab- lierte „Quartier der Moderne“, welches historische Stätten und Erinnerungsorte, wie das Gauforum oder das Stadtmuseum Weimar, zu einer inhaltli- Einführungsfilm im Kino zur Geschichte der Weimarer Republik. chen Einheit zusammenfasst. Das Stadtmuseum ist (Foto: Candy Welz) dabei mit seiner Ausstellung „Demokratie aus Wei- mar. Die Nationalversammlung 1919“ ein wichtiger Partner des „Haus der Weimarer Republik – Forum Kuratiert und konzeptioniert wurden alle Aus- für Demokratie“, da hier fundiert und umfangreich stellungselemente von der in Weimar ansässigen die Zeit der Gründungsphase der Weimarer Republik Agentur musealis in enger Zusammenarbeit mit dem im lokalen Kontext dargestellt wird. Weimarer Republik e.V., der Forschungsstelle Wei- Im Kino können die Besucher des Hauses ei- marer Republik an der Friedrich-Schiller-Universität nen rund zwanzigminütigen Einführungsfilm se- Jena und dem Bundesarchiv. Die Innenraumgestal- hen, welcher in einer 160-Grad-Projektion auf tung und Szenografie stammt vom US-amerikani- drei filmischen Ebenen einen ersten Einblick in die schen Architekten Michael Brown vom Büro NAU2 Geschichte der Weimarer Republik gibt. Er dient und wurde von Studio Neue Museen Berlin umge- als Einstieg in die Dauerausstellung, die sich den setzt. Für die architektonische Gestaltung des Innen- Jahren zwischen Deutschem Kaiserreich und nati- raumes war es wichtig, das Gebäude als Einheit zu onalsozialistischer Diktatur aus historisch-politik- verstehen, da alle Räume durch große Rundbogen- wissenschaftlicher Perspektive annähert und dabei öffnungen miteinander verbunden sind. Damit flie- den Blick auf den nationalen Kontext richtet. Er ßen alle Bereiche in einer zeitgemäßen Formenspra- schlägt immer wieder eine Brücke zur Gegenwart, che ineinander. Das moderne Erscheinungsbild des um aufzuzeigen, wie historische Prozesse und Er- Hauses findet sich nicht nur in der Innenarchitektur, eignisse bis heute nachwirken. sondern setzt sich in der Außenkommunikation und

43 Aus den Museen

des Ersten Weltkrieges und schließlich die Ausru- fung der Republik durch Philipp Scheidemann am 09.11.1919. Betritt man den Oberlichtzahl, so erlebt man verschiedene Erzählbereiche. Im Zentrum des Raumes steht der Zeitstrahl. Er folgt der Chronolo- gie der Ereignisse der Republik, lässt sich aber nicht nur chronologisch, sondern auch über Erzähleinhei- ten erschließen. Fünf Spuren durch die Weimarer Republik stellen die Ereignisse in einen inhaltlichen Zusammenhang, so zum Beispiel zum „Versailler Vertrag und seinen Folgen“ oder zum „Neuen Ver- hältnis von Mensch und Technik“. Der Zeitstrahl ist somit Anker und Ausgangspunkt für die Vertiefungs- ebenen der Ausstellung, die sich entlang der Au- ßenwände des Raumes konzentrieren. Hier schafft eine umlaufende Regalkonstruktion Raum für die ausführliche Erzählung. Es finden sich thematisch Raum für eine intensive Beschäftigung: Dokumente in der Daueraus- gruppiert Inhalte, Objekte, Fotografien, Dokumente stellung zur Geschichte der Weimarer Republik. (Foto: Candy Welz) und Medienstationen. Szenografisch bilden „Zeit- kapseln“ den Übergang zwischen der Chronologie des Zeitstrahls und der Vertiefung in den Themen- im neu entwickelten Corporate Design fort. Von der welten. Vier im Raum stehende Körper beziehen Leipziger Agentur Happy Little Accidents entwickelt, sich auf ausgewählte Jahre der Weimarer Republik: arbeitet dieses bewusst mit einer abstrahierten Form 1919, 1925, 1929 und 1932. Den Zeitkapseln sind der Nationalfarben und will damit zu einem Nach- vier symbolhafte Objekte zugeordnet (Wahlurne, denken und zur Diskussion über Schwarz-Rot-Gold Armprothese, Liebesgaben der Quäkerhilfe und anregen. Standarte des Bundespräsidialamts), die auf Ob- Eine Dauerausstellung auf nur 200 Quadrat- jektebene zu den thematischen Vertiefungsebenen meter Fläche, die es sich zum Ziel gesetzt hat, ein hinleiten. In den Innenseiten finden sich integrierte umfängliches Bild der Weimarer Republik zu zeigen, Monitore, die historische Filmaufnahmen aus dem stellte die Ausstellungsmacher vor eine Herausfor- ausgewählten Jahr zeigen und damit ein Eintauchen derung, der sie mit einer strukturierten Szenografie in diesen Zeitabschnitt ermöglichen. begegneten. Der Zutritt zur Ausstellung erfolgt über Die inhaltliche Vertiefung in den Themenwelten die sogenannte „Schleuse“, die als emotionaler folgt keiner festen Chronologie. Der Besucher kann Auftakt zur Ausstellung angelegt ist. Projektio- sich die sechs Bereiche individuell erschließen. „Re- nen zeigen hier historisches Filmmaterial aus den volution und Aufbruch“ widmet sich den Anfängen letzten Jahren des Kaiserreichs, die Schlachtfelder der jungen Republik und zeigt die revolutionären

44 Aus den Museen

Umbrüche, bevor sich „Republikanischer Alltag“ dem System des Staates Weimarer Republik und sei- nen demokratischen Prozessen annähert. Dem Blick auf die Errungenschaften in Kunst, Wissenschaft und Technik widmet sich „Labor der Moderne“. Den Stand der ersten deutschen Demokratie in der Welt und den Blick der Welt auf diese zeigt „Wei- mar und die Welt“, bevor als weiteres historisches Themenfeld die „Krisen & Bewährungen“ der Jah- re zwischen 1918/19 und 1933 beleuchtet werden. Abschließend fragt „Demokratische Visionen“ nach den Themen, mit denen wir uns heute auseinander- setzen müssen, die von Bedeutung sind für die Si- cherheit und den Fortbestand unserer Demokratie. Hier sind die Besucher dazu aufgerufen, ihre Gedan- ken niederzuschreiben und mit Ihrem Feedback aktiv zur Ausstellung beizutragen. Zur Exposition gehö- Ein Zeitstrahl bildet das Zentrum der Ausstellungshalle im „Haus ren, ergänzend zur chronologischen und inhaltlichen der Weimarer Republik“. (Foto: Candy Welz) Ebene, eine Audiostation rund um das neue Medium Radio, eine Karte zur Verdeutlichung des Gebietsum- fangs und der Gebietsveränderungen der Weimarer 2021 gilt es die erste Wechselausstellung – ebenfalls Republik und ein Vertiefungsbereich zu den Wahl- auf rund 200 Quadratmetern – zu konzeptionieren plakaten der Zeit, die anhand einer Medienstation und umzusetzen. tiefer inhaltlich erschlossen werden können. Seit der Eröffnung am 31. Juli haben 18.000 Anne Meinzenbach Gäste das Haus besucht, darunter rund 1.400 Schü- lerinnen und Schüler. Diese positive Resonanz über- steigt die Erwartungen, welche der Weimarer Repu- Haus der Weimarer Republik Forum für Demokratie blik e.V. in das Haus gesetzt hatte. In den nächsten Theaterplatz 4 Wochen und Monaten gilt es nun, die Ausstellung 99423 Weimar für unsere Besucher weiter auszubauen. So soll un- Telefon: 03643 827 571 ter anderem im Foyer der Bezug zum gegenüberlie- E-Mail: [email protected] Internet: www.hdwr.de genden Nationaltheater stärker betont und medial erlebbar gemacht werden. In Hinblick auf die ge- Weimarer Republik e.V. plante Eröffnung des Erweiterungsbaus zur Saison Internet: www.weimarer-republik.net

45 Aus den Museen

Geschichte und Geschichten Neue Dauerausstellung im Augustinerkloster Bad Langensalza

m Stadtmuseum Bad Langensalza wird zurzeit in fünf Räumen der erste Teil einer Dauerausstellung, Ian einem ersten Abschnitt der neuen Daueraus- die zunächst für drei stadtgeschichtliche Themen stellung gearbeitet. Geplant sind außerdem die neu konzipiert wurde. Zukünftig werden sich die Umgestaltung des Eingangsfoyers sowie die Einrich- Gäste zuerst mit der Bau- und Nutzungsgeschichte tung eines neuen Kassen- und Servicebereiches mit des „Kulturdenkmals Augustinerkloster“ vertraut Museumshop. Gleichzeitig finden im Außenbereich machen. Der „Kleine Mönch“, eine von Peter Kuhr des Museums Sicherungsarbeiten an den noch vor- grafisch gestaltete Leitfigur, die auf Ausstellungs- handenen Bauresten der ehemaligen Klosteranla- flächen positioniert ist, wird die Besucher durch die ge statt. Nach vierjähriger Schließungszeit soll das Ausstellungsräume führen. kulturgeschichtliche Museum anlässlich seines 120. Zum Thema „Kloster und Stadt“ wird in den Geburtstages am 26. Juni 2020 wiedereröffnet wer- ersten drei Ausstellungsräumen die Geschichte des den. Auf einer Fläche von insgesamt 192 m² entsteht Augustinerklosters in Salza bis zur Einführung der

Altarretabel mit Seitenflügeln nach der Restaurierung in der neuen Dauerausstellung. (Foto: Tino Sieland)

46 Aus den Museen

Reformation 1539 in der damaligen albertinischen Amtsstadt (Langen)Salza dargestellt. Die Sakristei mit Kreuzgewölbe und weitestgehend wiederherge- stellter originaler Raumfassung stellt den am besten erhaltenen Teil des einstigen Augustinerklosters dar. Seine museale Ausstattung passt sich dem histo- rischen Raum an und soll die Geschichte erlebbar vermitteln. Die Besucher dürfen Platz nehmen, um das restaurierte Altarretabel, datiert 1492 und 1493, anzuschauen oder neben der Figurine des Augusti- nermönchs Martin Luther sitzend zuzuhören, was er zu berichten hat. Für die Figurine fertigte der Künst- ler und Präparator Sebastian Brandt (Reco-Brandt, Atelier für Gestaltung und Präparation) einen sehr lebendig wirkenden Porträtkopf des etwa 33-jäh- rigen Martin Luther an, der nach dem bekannten Luther-Porträt von Lucas Cranach d. Ä. entstand. Martin Luther visitierte als beauftragter Distriktsvi- kar am 29. Mai 1516 das Augustinereremitenkloster in Salza und setzte am nächsten Tag seine Dienst- reise nach Nordhausen fort. Nähere Informationen Martin Luther als Augustinermönch in der neuen Dauerausstel- über die Baugeschichte der Sakristei, über Martin lung, Porträtplastik von Sebastian Brandt. (Foto: Sebastian Brandt) Luther in Salza und das Altarretabel erhalten die Be- sucher mittels Touchscreen, das in ein nachgebautes Schreibpult eingesetzt ist. In die Schattenrisse von Schulkindern und dem ei- Nach der Reformation wurde im ehemaligen Ka- nes Lehrers werden Hörstationen eingebaut, so dass pitelsaal die erste städtische Schule eingerichtet. Im die Besucher den Schulalltag aus unterschiedlicher nachfolgenden langen Flur, bauhistorisch zwischen Sichtweise und sehr konkret erfahren. Als Stichtag Sakristei und Kapitelsaal gelegen, begegnet der für diese Schilderungen wurde das Jahr 1868 ge- Besucher einigen Schulkindern, führte doch dieser wählt, zum einen, weil aus diesem Jahr die umfang- Flur viele Jahrhunderte lang auf den Schulhof, den reichsten Berichte über die Schule vorhanden sind, früheren Kreuzgang. Der Abschnitt „Schule im Mu- zum anderen, um in den nächsten Ausstellungsraum seum“ thematisiert den Schulalltag und fasst die überzuleiten. Durch den Einbau einer verglasten Tür Entwicklung von der Lateinschule nach der Refor- und die damit hergestellte Sicht auf den Kreuzgang mation bis hin zur Bürgerschule Ende des 19. Jahr- sollen die Besucher auf den weiteren Museumsrund- hunderts in Langensalza zusammen. Schulutensilien gang neugierig gemacht werden. Doch zunächst und Bücher werden in kleinen Vitrinen ausgestellt. werden sie vom „Kleinen Mönch“ in den ehema-

47 Aus den Museen

ligen Kapitelsaal geführt, der mehr als 300 Jahre „Menschen im Krieg“ zu fokussieren, führte zu neu- lang als Schulraum diente und zahlreiche bauliche en Ansätzen der musealen Gestaltung. Der Raum Veränderungen erfuhr, vor allem nach dem großen soll als ein authentischer Ort des Geschehens begrif- Stadtbrand im Jahr 1711. Im Sommer 1866 musste fen werden. Das 12 m² große Zinnfiguren-Diorama, dieser Unterrichtsraum vorübergehend zur Pflege ein Relief des Schlachtfeldes mit ca. 11.000 Figuren, von verwundeten Soldaten bereitgestellt werden. darunter Zinnsoldaten als Flachfiguren in hanno- Unter dem Thema „Menschen im Krieg – die verischen und preußischen Uniformen, mit Pfer- Schlacht bei Langensalza 1866“ wird die seit 2006 den, Protzen und Geschützen, Bagagewagen der bestehende Ausstellung überarbeitet und ergänzt. verschiedensten Art sowie Kutschen und anderen Sie stellt den dritten Abschnitt der neuen Dauer- Fuhrwerken, bleibt weiterhin Mittelpunkt der an- ausstellung dar. Die inhaltlichen Schwerpunkte der schaulichen Betrachtung des Gefechtsverlaufs zwi- Präsentation bleiben im Wesentlichen erhalten. schen der hannoverischen Armee und preußischen Der Entschluss, das Ausstellungsthema stärker auf Truppenteilen in Langensalza am 27. Juni 1866.

Detail des Zinnfiguren-Dioramas zur Schlacht bei Langensalza 1866 in der Dauerausstellung. (Foto: Harald Jadke)

48 Aus den Museen

Stärker als bisher soll die Ausstellung erlebte von freiwilligen und zivilen Helfern des Roten Kreu- Geschichte vermitteln. Die historischen Ereignisse zes auf einem Schlachtfeld, wo sie bei der Bergung in Langensalza und ihre Auswirkungen auf die Stadt von verwundeten Soldaten halfen. und ihre Bürger werden beispielhaft durch ausge- Im letzten Abschnitt „Erinnerung und Verant- wählte Zeitzeugen geschildert, die in verschiede- wortung“ wird nachgefragt, wie die Menschen mit nen Hörstationen zu Wort kommen. Parallel dazu diesen dramatischen Ereignissen vor mehr als 150 können sich die Besucher den historischen Hinter- Jahren umgegangen sind. Es geht um Denkmale, grund verschiedener ausgestellter Objekte auch Bilder, Erinnerungsberichte, den vaterländischen über Touchscreens, Filmeinspielungen oder zeitge- Frauenverein und um das Museum selbst. Auch zu nössische Fotos erschließen. Die Themen „Humani- diesem Thema wird es Hörstationen geben. Letzt- täre Hilfe und das Rote Kreuz“, „Hilfslazarette und endlich führte das gemeinschaftliche und öffentliche medizinische Versorgung“ sowie „Erinnerung und Erinnern zur Gründung des Museums. Eröffnet wur- Verantwortung“ erfahren eine Erweiterung. Im Aus- stellungsraum, der im Sommer 1866 als Hilfslazarett diente, wird die damalige Situation mit einem ein- fachen Holzbett szenisch nachgestellt. Die Beschaf- fung von ausreichend Bettstellen für die insgesamt mehr als 1.300 verwundeten Soldaten war damals ein großes Problem. Kurzerhand hatten Tischler ein- fache Bettgestelle gebaut und für die Einrichtung der Hilfslazarette bereitgestellt. Die Besucher lernen in der Ausstellung Menschen kennen, die humanitär handelten und sich aktiv für die Pflege und Versor- gung aller verwundeten Soldaten einsetzten. Es war das Verdienst des Langensalzaer Lehrers Friedrich Wilhelm Looff (1808-1889), der die namentliche Erfassung aller verwundeten Soldaten initiierte und dies mit Hilfe weiterer Zivilpersonen in den mehr als 13 Lazaretten in Langensalza, Merxleben und Kirchheilingen durchführte. Für die Präsentation in der Ausstellung werden einige der handschriftlichen Verwundetenlisten aus dem Bestand des Stadtar- chivs Bad Langensalza ausgewählt. Sein Nachweis- büro über die Schicksale der verwundeten Soldaten gilt heute als Beginn des sich später entwickelnden internationalen Suchdienstes. In Langensalza kam Porträt Friedrich Wilhelm Looff, Lithographie um 1860. es weltweit zum ersten Mal zum praktischen Einsatz (Foto: Stadtarchiv Bad Langensalza)

49 Aus den Museen

de es am 27. Juni 1900 als „…Gedächtnis- und Eh- an das Museumsgebäude. Diese Bauarbeiten be- renhalle, in welcher das Andenken der Helden jenes gannen im Sommer 2019. Im Zusammenhang mit 27. Juni 1866 für alle Zeiten pietätvoll geehrt und den Sanierungs- und Umbauarbeiten ergab sich lebendig erhalten werden soll…“ die Möglichkeit, weitere Räume im Erdgeschoss Unser heutiger Anspruch an die Ausstellung ist, des Museums in die Neugestaltung der Ausstellung die Besucher zur gedanklichen Auseinandersetzung einzubeziehen sowie einen neuen Kassen- und Ser- mit unserer Geschichte anzuregen und die Verant- vicebereich mit Museumsshop zu schaffen. Die Thü- wortung jedes Einzelnen für humanitäres Handeln ringer Staatskanzlei stimmte im Oktober 2018 durch zu hinterfragen. Änderungsbescheid dem erweiterten Projekt zu. So- mit können für das Ausstellungsvorhaben insgesamt rund 51.000 € Fördermittel eingesetzt werden. Mit Finanzierung, Fördermittel, Sponsoring den entsprechenden eigenen Haushaltsmitteln, mit anteiliger Förderung durch die Anni-Berger-Stiftung Die Stadtverwaltung Bad Langensalza beantragte Bad Langensalza sowie Spenden ist das Vorhaben im Oktober 2016 bei der Thüringer Staatskanzlei finanziell abgesichert. Fördermittel in Höhe von rund 24.000 € für die Um- Bei der Planung der neuen Ausstellung muss- gestaltung der Dauerausstellung „Schlacht bei Lan- ten von Anfang an dringend notwendige Restau- gensalza 1866“ sowie für den ersten Teil einer neuen rierungen an verschiedenen Ausstellungsstücken Dauerausstellung zum Thema „Das Augustinerklos- berücksichtigt werden. Dazu zählte vor allem das ter in Salza“. Die Behörde genehmigte den vorzei- Altarretabel mit zwei bemalten Flügeln, welches tigen Maßnahmebeginn, der Fördermittelbescheid ursprünglich aus der Kapelle des Siechenhofes in des Landes Thüringen traf im Oktober 2017 ein. Zur Bad Langensalza stammt. Seine Restaurierung Erarbeitung aller Planungs-, Ausschreibungs- sowie erfolgte in zwei Etappen von April 2016 bis De- Bauleitungsaufgaben für die Ausstellungsgestal- zember 2017 durch die Diplom-Restauratorin Ute tung wurde Beate Aé-Karguth, Geschäftsführerin Regina Wagner. Die Thüringer Staatskanzlei unter- der Firma ITD Ing. Technik + Design GmbH & Co. stützte die beiden Restaurierungsmaßnahmen und KG, gewonnen und im Herbst 2017 ein mehrstufi- steuerte rund 6.500 € Fördermittel bei. Besonde- ger Ingenieurvertrag unterzeichnet. Bis Ende des re Unterstützung erfährt das Stadtmuseum durch Jahres 2018 konnten im Ausstellungsraum Sakristei den Lions Club Bad Langensalza, der in den letzten die wichtigsten Arbeiten beendet werden. Zugleich Jahren mehrere Benefizkonzerte im Kreuzgang ver- hatte die Stadtverwaltung für Baumaßnahmen im anstaltete und einen Teil der Erlöse für die Restau- Außenbereich des Stadtmuseums Fördermittel bei rierung des Schnitzaltars überreichte. der DSK (Deutsche Stadt- und Grundstücksentwick- Trotz der Schließung des Stadtmuseums seit lungsgesellschaft) beantragt. Diese richten sich auf Januar 2015 hat das öffentliche Interesse am Mu- die Erhaltung der vorhandenen Baureste der ehe- seum nicht nachgelassen. Viele Bürger der Stadt maligen Klosteranlage im Bereich des Kreuzganges unterstützen durch private Spenden die Restaurie- sowie auf den Anbau einer neuen Sanitärtraktes rung von Ausstellungsobjekten. Allein zur Erhaltung

50 Aus den Museen

eines hannoverischen Helmes für Mannschaften der Garde-Kürassiere (1866) konnte eine Spende in Höhe von 1.200 € entgegengenommen werden. Dank weiterer Spenden war es kürzlich möglich, die Aufträge zur Restaurierung und Konservierung einer Glocke, datiert 1503, und einer Holztruhe mit reichem Eisenbeschlag (16. Jahrhundert) zu erteilen. Durch die Kleinförderung des Museumsverbandes Thüringen e.V. erfolgte im Jahr 2019 die Restaurie- rung weiterer Militaria-Objekte.

120 Jahre Stadtmuseum

Die Gründung eines städtischen Museums in Lan- gensalza erfolgte auf Initiative von Vertretern der Bürgerschaft. Der Magistrat der Stadt schloss sich dem an und berief 1898 ein „Comitee zur Grün- dung eines städtischen Museums“ mit der Absicht, das Andenken an die Schlacht bei Langensalza vom Aktuelle Baumaßnahmen zur Sicherung historischer Klostermau- 27. Juni 1866 zu bewahren und Gegenstände von ern. (Foto: Stadtmuseum Bad Langensalza) ehemaligen Kämpfern sowie beteiligten hanno- verischen und preußischen Truppenteilen zu sam- meln. Im städtischen Wohnhaus Wilhelmsplatz 7, verantwortliche Personen für die Sammlung. Bis dem heutigen Stadtmuseum, wurde ein Raum im zu seinem Tod im Jahr 1926 betreute der Langen- Erdgeschoß bereitgestellt und die Kosten für den salzaer „Zahnkünstler“ und spätere Museumslei- zweckentsprechenden Umbau und die Einrichtung ter Gustav Thaus die Sammlung. Das Museumsko- übernommen. Das städtische Museum öffnete am mitee bestand bis 1933. 27. Juni 1900 mit einer militärhistorischen Aus- Die immer größer werdende Sammlung führte stellung seine Türen. Wie viele Ausstellungsstücke zu akutem Platzmangel, ein Depot war nicht vor- in kurzer Zeit zusammengetragen wurden, ist im handen. Immer mehr Gegenstände zur Stadt- und ersten und bisher einzigen gedruckten Museums- Handwerksgeschichte gelangten durch Schenkung katalog aus dem Jahr 1906 ersichtlich. Etwa 5.000 in das Museum. Der als neuer Museumsleiter 1933 Objekte sind darin verzeichnet, überwiegend Mili- eingesetzte Studienrat Dr. Stephan erhielt vom Ma- taria, aber auch Fotos, Bilder, Orden und Ehrenzei- gistrat den Auftrag, in der Fabrikanten-Villa Weiß am chen, schriftliche Dokumente und vieles mehr. Das Lindenbühl 26 eine neue Ausstellung einzurichten, Museumskomitee bestimmte aus seinen Reihen die gesamte Sammlung des Museums zu ordnen

51 Aus den Museen

und zu präsentieren. Am 30. November 1933 fand Die Perspektiven für die weitere Existenz des die Eröffnung des neuen Museums statt. In den fol- Museums blieben dennoch schlecht, die finan- genden Jahren kamen weitere Räume in dieser Villa zielle Ausstattung war ungesichert, weder eine dazu, in denen Ausstellungen über das städtische hauptamtliche noch eine fachlich-kompetente Handwerk, das bäuerliche Leben, über Heimatkun- Besetzung absehbar. Die feuchten und ungeheiz- de, Trachten und historische Persönlichkeiten der ten Ausstellungsräume schädigten die Objekte, in Stadt gezeigt wurden. Das Museum präsentierte den einzigen kleinen, dazu desolaten Magazin- sich immer mehr als ein „städtisches Heimat- und raum im Kreuzgang regnete es hinein. Gerade in Schlachtenmuseum“. diesen schwierigen Jahren war es dem damaligen Die Folgen des Zweiten Weltkrieges, die Ein- Museumsleiter Herman Fiedler zu verdanken, dass quartierung der Besatzungsmächte in das Muse- das Heimatmuseum 1963 nicht aufgelöst wurde. umsgebäude und die damit verbundene teilweise Grundlegende Bauarbeiten in den Museumsräu- Vernichtung bzw. Auslagerung der Sammlung waren men (Thälmannplatz 7) fanden erst ab 1970 statt. verheerend für das Museum. Im Verwaltungsbericht Am 1. Mai 1973 wurde es schließlich wieder ge- der Stadt Langensalza für das Jahr 1949 wurde fest- öffnet. Zehn Jahre später sollte es erneut wegen gestellt, dass das „Heimatmuseum […] in seinem Rekonstruktionsmaßnahmen in den Wohnungen früheren Zustand ein Opfer der Kriegsereignisse des Museumsgebäudes geschlossen werden. Die geworden“ und ein „großer Teil des Museumsgutes Ausstellungsräume mussten für die Baustellenein- […] verlorengegangen ist […]“. Es drohe eine bal- richtung beräumt und die Museumssammlung in dige restlose Vernichtung. andere Räume der Stadtverwaltung und des Rates Die im Kulturbund der Stadt organisierten Na- des Kreises ausgelagert werden. tur- und Heimatfreunde stellten 1952 die Rettung Mit der Wiedereröffnung des Museums am 3. des noch erhaltenen Kulturgutes und die Wieder- Oktober 1990 begann ein neuer Abschnitt in der einrichtung eines Heimatmuseums zur öffentlichen Museumsgeschichte. Das Museum vergrößerte sich, Debatte. Noch im gleichen Jahr begannen im ehe- neue Ausstellungsräume wurden eingerichtet, zu maligen Augustinerkloster erste Sanierungen in den den neugeschaffenen Verwaltungsräumen kamen früheren Museumsräumen, die jedoch aus Mangel später Depoträume in den Obergeschossen des an Geld, Material und Handwerkerleistungen nur Museumshauptgebäudes dazu. Heute umfasst das unzureichend durchgeführt werden konnten. Der Stadtmuseum am Standort des historischen Augus- Museumsfachausschuss des Rates des Bezirkes Er- tinerklosters vier Häuser, den Kreuzgang mit angren- furt schaltete sich ein und stellte eine finanzielle Un- zenden Mauern und Höfen sowie den begehbaren terstützung in Aussicht. Trotz aller Schwierigkeiten Augustinerkirchturm. wurde das Heimatmuseum am 12. Dezember 1954 Das bis 2011 mit zwei Planstellen besetzte an seinem ursprünglichen Standort wiedereröffnet. Stadtmuseum vergrößerte seine Sammlung, führte In drei Räumen wurde der kleine Restbestand der regelmäßig Sonderausstellungen, Museumsfeste, verbliebenen Sammlung sowie zahlreiche neue Ob- Konzerte im Kreuzgang und andere Veranstaltungen jekte präsentiert. durch. Nach der Einrichtung und Eröffnung des Thü-

52 Aus den Museen

ringer Apothekenmuseums im „Haus Rosenthal“ im Seine Öffnungszeiten und die personelle Aus- Jahr 2014 wurde das Stadtmuseum ab Januar 2015 stattung werden zurzeit in den Ausschüssen des mit der Absicht geschlossen, zunächst nur eine neue Stadtrates und in der Verwaltung beraten. Gleichzei- Dauerausstellung zur Schlacht bei Langensalza 1866 tig planen die Museumsmitarbeiter Sonderausstel- zu planen und einzurichten. lungen und weitere Aktivitäten, besonders hinsicht- Am 26. Juni 2020 soll nun das Stadtmuseum im lich der Bundesgartenschau im Jahr 2021. Augustinerkloster mit einer neuen Dauerausstellung in fünf Ausstellungsräumen im Erdgeschoß wieder- eröffnet werden. Sabine Tominski

53 Aus den Museen

Archäologische Sammlung der Friedrich-Schiller-Universität Neue Ausstellungsräume am Fürstengraben

ach einer vier Jahre andauernden grundhaften geschoss und in den Kellergeschossen Flächen, die NInstandsetzung des etwa 500 Jahre alten Ge- für Wechselausstellungen der Klassischen Archäolo- bäudes zog im April 2018 das Institut für Altertums- gie genutzt werden. Am 7. November 2018 wurden wissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena diese etwa 150m² großen Ausstellungsräume mit in die restaurierte Liegenschaft am Fürstengraben einer Schau zum historischen Ursprung des vorma- 25 in Jena. Auf fünf Etagen erstrecken sich hier nun ligen Archäologischen Museums eröffnet: „Gauner, Büros, Arbeitsräume und ein Seminarraum der Lehr- Gönner und Gelehrter. Die Schenkung des Marchese stühle für Latinistik, Gräzistik, Lateinische Philologie Giovanni Pietro Campana“. Die Ausstellung lief bis des Mittelalters und der Neuzeit, Alte Geschichte und zum 30. März 2019 und wurde von einem Katalog Klassische Archäologie. Zudem befinden sich im Erd- und einem umfangreichen Beiprogramm begleitet.

Blick in die Hohe Halle mit der „Campana-Ausstellung“. (Foto: Klas Winter)

54 Aus den Museen

Der Fürstengraben, an dem das neue Instituts- gebäude gelegen ist, beschreibt die West-Ost Achse der ehemaligen Stadtmauer bzw. des vorgelagerten Halsgrabens der Stadt Jena; ein erhaltener Eckturm der Befestigung, der sogenannte Pulverturm, liegt in Sichtweite des heutigen Instituts- und Ausstellungs- gebäudes. Gleichzeitig ist der Fürstengraben Teil der Bundesstraße 7, einer heutigen (und bereits prähis- torisch genutzten) Hauptverkehrsachse. Zudem liegt das Gebäude am Ende der Jenergasse, welche als eine der ältesten Straßen in Jena angesehen wird. Als ein Teil der Bebauung des Fürstengrabens in erster Reihe der Stadt bildet das Haus seit 1720 im Zusammenspiel mit angrenzenden Gebäuden ein klassizistisches Bauensemble. Errichtet wurde ein erstes Gebäude an dieser Stelle zwischen 1537 und 1540. Dies belegen den- Blick in den Kontorraum. (Foto: Klas Winter) drochronologische Untersuchungen der hölzernen Bausubstanz und die Bauinschrift eines ehemaligen Eingangsportals im Erdgeschoss. Das Erdgeschoss bedingt die Existenz eines Brunnens, der in der da- wurde in dieser Phase als sogenannte Hohe Halle runter gelegenen größeren Tonne, also am Fuß der konzipiert. Von ursprünglich zwei hölzernen Haupt- zur Jenergasse führenden Treppe, angelegt wurde. stützen ist heute noch eine im Original erhalten, Dieser wurde 2014 bis auf 5,8 Meter Tiefe archäolo- die zweite Stütze fiel früheren Umbauphasen zum gisch untersucht, anschließend mit einer Glasdecke Opfer und wurde im Zuge der Umbauarbeiten mo- abgedeckt und in die heutigen Ausstellungsräume dern ergänzt. Sie stützen die knapp vier Meter hohe integriert. Decke der Hohen Halle und charakterisieren heute Die aufgehenden Stockwerke sind in mehreren noch die frei begehbare Ausstellungsfläche im Erd- Phasen errichtet und umgebaut worden. Zunächst geschoss. Über dem im südlichen Bereich liegenden wurde 1669/70 das Gebäude um zwei Etagen auf- Zugang zum Kellergewölbe befindet sich eine aus gestockt und in der Grundfläche nach Osten hin der Zeit der Erbauungsphase erhaltene Schreibstube erweitert. 1721/22 kamen das dritte Obergeschoss bzw. Kontorstube. Östlich der in das Ausstellungs- und die beiden Dachgeschosse hinzu. Mehrere konzept integrierten Schreibstube befindet sich das Hausbewohner lassen sich für diese Zeit nachwei- bereits erwähnte ehemalige Eingangsportal mit der sen: Wilhelm Anton Amo, Philosoph und Rechtswis- Bauinschrift „1537“. Der Keller besteht aus zwei senschaftler (geb. 1703 in Ghana), erster Gelehrter Tonnengewölben mit abweichenden Laufniveaus. afrikanischer Herkunft in Deutschland, lebte 1739 Die geringe Tiefe des anstehenden Grundwassers für kurze Zeit im Fürstengraben 25. Ihm folgten un-

55 Aus den Museen

vier Jahren wurde der Fürstengraben 25 grundhaft instandgesetzt, modernisiert und denkmalgerecht umgebaut. Stellvertretend für das Thüringer Landes- amt für Denkmalpflege und Archäologie erfolgten von Frühsommer bis Spätherbst 2015 in insgesamt drei Staffeln baubegleitend archäologische Ausgra- bungen durch den Lehrstuhl für Klassische Archäolo- gie. Seit dem Abschluss der Umbaumaßnahmen die- nen die Kellerräume und das Erdgeschoss für Wech- selausstellungen der Klassischen Archäologie. Im Erdgeschoss zeigen viele Details, wie die in gebro- chenem Weiß mit schwarzweißen Begleitern gehal- tenen Deckengefache und die unter anderem in und an der Schreibstube erhaltenen Lehmputzritzungen Überreste der ursprünglichen Raumgestaltung. Gleichzeitig sind moderne Einbauten einer- Ausstellungsraum mit historischer und moderner Hauptstütze. seits notwendig gewesen, andererseits erzeugen (Foto: Klas Winter) sie im Zusammenspiel mit den restaurierten Archi- tekturteilen eine Spannung zwischen alt und neu. Um zeitgemäßen Anforderungen von Lehre und ter anderem Novalis (1790-1791), Ernst Abbe (1875- Forschung zu entsprechen, wurden in den oberen 1877) und Gershom Scholem (1917-1918). Bislang Stockwerken Büros und Arbeitsräume von Mitar- sind zwei Hausbesitzer eindeutig belegbar: 1812- beitern der verschiedenen Lehrstühle sowie ein 1856 war das Gebäude Eigentum des Professors für Seminarraum eingerichtet. Im Dachgeschoss liegen Theologie, Heinrich August Schott und seiner Fami- die Arbeitsplätze für bis zu zwölf Doktoranden und lie. Nach ihm besaß Johann Karl Eduard Schwarz, Mitarbeiter. Die oberen Stockwerke sind aufgrund ebenfalls Professor für Theologie und Ehrenbürger der während der Restaurierung angetroffenen stark der Stadt Jena, das Gebäude. Nach Schwarz wurde nachlassenden Qualität der historischen Baumasse das Haus fortan auch „Schwarz’sches Haus“ ge- insgesamt moderner gehalten und grenzen sich so nannt. 1892 ging das Gebäude schließlich in den deutlich vom Keller- und Erdgeschoss ab. Weiße Besitz der Friedrich-Schiller-Universität Jena über, Töne bestimmen die Wände, der Boden ist mit Holz wurde 1912 nochmals umgebaut und wie in den bzw. einem hellgrünen und hellgrauen Kautschuk- Jahrzehnten zuvor als Mietshaus genutzt. belag versehen und mit Holzelementen akzentuiert. 2014 erfolgte nach knapp zwanzigjährigem Das Lichtkonzept trägt dieser modernen Gestaltung Leerstand der nächste größere Eingriff in die Bau- in Kombination von Punktlichtern und indirekter substanz für die Herrichtung als neues Institutsge- Grundbeleuchtung Rechnung. Im Zusammenspiel bäude der Altertumswissenschaften. Innerhalb von von Licht, heller Farbgebung und modernen Formen

56 Aus den Museen

des Interieurs entsteht so ein Arbeitsumfeld, das rialkonzept verbindet das Treppenhaus wiederum die historischen Räume und deren Formen gleich- mit den jeweiligen Stockwerken oberhalb des Erd- zeitig hervorhebt und neu interpretiert. Die einzel- geschosses. Zusätzlich zu den Ausstellungsräumen nen Stockwerke sind an ein externes Treppenhaus im unteren Bereich des Gebäudes sind in jedem mit integriertem Fahrstuhl angeschlossen, das als Stockwerk auf den Fluren mehrere Vitrinen unter- Neubau an die westliche Giebelseite angrenzt. Es gebracht, die von den angegliederten Lehrstühlen bedient sich einer modernen Formensprache mit bespielt werden können. Das gläserne Treppenhaus runden Elementen, viel Glas und hellem Naturstein beherbergt zudem mehrere Gipsabgüsse des Lehr- und setzt sich dadurch markant vom historischen stuhls für Klassische Archäologie. So dient das ge- Ursprungsbau ab. Das gewählte Farb- und Mate- samte Gebäude als Ausstellungsfläche.

Tanzender Satyr im neuen Erschließungsbau. (Foto: Klas Winter) Ausstellungsvitrine im Obergeschoss. (Foto: Klas Winter)

57 Aus den Museen

Für die großen Ausstellungsräume im Erd- und Anschließend wurde es unter Bergung aller bauhis- Kellergeschoss waren aufwendige Baumaßnahmen torisch relevanten Elemente bauteilweise instand- notwendig. In enger Abstimmung mit dem Thürin- gesetzt und jeder marode Gewölbebogen im Verlauf ger Landesamt für Bau und Verkehr als Bauherr legte von mehr als 15 Monaten einzeln nachverfugt bzw. das Architekturbüro Smits und Tandler aus Erfurt im teilweise neu aufgemauert. Weiterhin wurde im Vorfeld einen Entwurf für die Nachnutzung der Kel- gesamten Erdgeschoss und Keller Estrich verlegt. lerräume und des Erdgeschosses des Fürstengraben Ungewiss bleibt an dieser Stelle, wie sich längerfris- 25 vor. Entwickelt wurde ein Konzept, das die Besu- tige Belastungen des umgebenden Erdreichs auf die cher in einem Rundgang durch die Räume führt. Da- Kellerinnenwände auswirken werden. Die schwer bei waren zwei Problemfelder besonders zu berück- im Voraus kalkulierbaren klimatischen Bedingun- sichtigen: die klimatischen Verhältnisse aufgrund gen der heute noch unterhalb des Straßenniveaus des anstehenden Grundwassers und die damit ver- liegenden Keller und deren Be- und Entlüftung zur bundene Luftfeuchtigkeit sowie die Gewölbestatik. Feuchtigkeits- und Temperaturregulierung unter- Die statischen Schwierigkeiten wurden gelöst, in- liegen regelmäßiger Kontrolle. Um eine konstante dem im ersten Bauabschnitt das gesamte Gebäude und ausreichende Luftzirkulation zu gewährleisten, an einem temporären Tragwerk aufgehängt wurde. wurde ein türloses Konzept realisiert – eingedenk brandschutz- und sicherheitstechnischer Argumen- te. Um entsprechende Aspekte zu berücksichtigen und einen geeigneten Zugang neben der ursprüngli- chen, sehr schmalen und steilen Kellertreppe zu den Gewölben zu schaffen, wurde im westlichen Bereich des Kellers eine neue, offene Treppe integriert, von welcher beide Gewölbe erreichbar sind. Um den hohen konservatorischen Anforderungen an die ausgestellten Artefakte gerecht zu werden, wurden trotz des engen Kostenrahmens in diesem Bereich mobile Klimavitrinen aufgestellt. So konnten in der zweiten Ausstellung vom 24. April bis 15. Juli 2019 unter dem Titel „Parallelwelten. Bronzezeit am Mit- telmeer und in Mitteldeutschland“ hier nicht nur be- eindruckende Bronzeartefakte ausgestellt werden, sondern auch ein Papyrus-Fragment mit Versen aus Homers Ilias aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. Nicht nur aufgrund der schwierigen klimatischen Bedingungen, sondern auch wegen der geringen Scheitelhöhe des großen Gewölbes war der sonst Kleine Tonne mit mobilen Klimavitrinen. (Foto: Klas Winter) übliche Einsatz von Beamer und Leinwand für Prä-

58 Aus den Museen

sentationen und Vorführungen nicht möglich. Daher Gefahrenfall nur von innen zu öffnen. Der einzige öf- wurde ein mobiler Großbildschirm installiert, um in fentliche Zugang in diesen alarmgesicherten Bereich Lehre, Forschung und Öffentlichkeitsarbeit Fachin- erfolgt über den Eingang im Erdgeschoss vom neu halte zu vermitteln. Die Einrichtung einer niedrig errichteten Erschließungsbau aus. dimensionierten Fußbodenheizung ermöglicht die Welche weiteren individuellen Lösungen an ganzjährige Nutzung der Kellerräume für Vorträge diesem Standort gefunden wurden, um die Anfor- und Veranstaltungen. Infolge denkmalpflegerischer derungen universitärer Lehre und Forschung mit Auflagen und aufgrund der spezifischen Baustruktur denen moderner Ausstellungskonzepte unter einem der Keller waren elektrische Installationen in den Ge- Dach zu kombinieren, können Besucher erneut ab wölbebereichen nicht umsetzbar. Gelöst wurde die- dem 13. November 2019 bis zum 11. Februar 2020 ses Problem mit der Installation von Bodentanks, in im Rahmen der Ausstellung „Kinder, der Olymp denen alle erforderlichen elektrischen und digitalen ruft!“ erfahren. Die Ausstellung bietet Einblicke Anschlüsse gebündelt integriert wurden. Um eine in die Praxis musealer Bildung und Vermittlung ausreichende Beleuchtung in den Tonnengewölben sowie deren zunehmende Bedeutung im deutsch- herzustellen, wurde beidseitig entlang der zwischen sprachigen Raum. Geschichten der griechischen Gewölbeansatz und Bodenbelag in Längsrichtung Mythologie üben bis heute eine große Faszination verlaufenden Bodenfuge jeweils ein LED- Lichtband aus. Kinder und Jugendliche aus Jena erzählen in verlegt. Diese ergänzen einzelne, individuell verstell- Hörtexten und Videoclips Geschichten von mutigen bare und mobile Stehleuchten, um gezielt Lichtak- Helden und listigen Göttern und ermöglichen so zente zu setzen. Der Brunnen im Kellergewölbe wird eine neue Sichtweise auf antike Mythen. Ergänzt zudem durch eine indirekte Beleuchtung akzentuiert. wird die Ausstellung wieder durch ein vielfältiges Sicherheitstechnische Bedenken ergaben sich für die Rahmenprogramm. Nutzung der überwiegend fensterlosen Räume keine. Alle ehemaligen Außentüren im Erdgeschoss sind im Casha Ipach und Eva Winter

59 Aus den Museen

Saale-Holzland-Kreis – erster Thüringer Landkreis mit eigenem Museumsentwicklungskonzept

er Saale-Holzland-Kreis hat als erster Land- Verlauf zu einer konsequenten Fortführung der The- Dkreis in Thüringen ein Entwicklungskonzept matik mit der Entwicklung einer Museumskonzep- für Museen und museale Einrichtungen entwi- tion, auch in Anlehnung an die Thüringer „Muse- ckelt. Ziel ist es, die vielfältige Museumsland- umsperspektive 2025“. Dazu wurden im Vorfeld im schaft im Landkreis mit insgesamt 35 Museen und vierten Quartal 2016 durch das Schulverwaltungs- museumsähnlichen Einrichtungen, Heimatstuben und Kulturamt statistische Daten der Museen und und privaten Sammlungen zu erhalten und für die Heimatstuben im Kreis erhoben. Danach wurden in Zukunft fit zu machen. Zusammenarbeit mit dem Museumsverband Thürin- Zur Genese: 2016 wurde die „Richtlinie zur För- gen Fragebögen an alle Museen und Heimatstuben derung von Museen“ im Saale-Holzland-Kreis durch im Landkreis versendet. Die Auswertung oblag der verschiedene Museen und Mitglieder des Ausschus- Fachbehörde in Eisenberg. Zur fachlichen Unterstüt- ses für Bildung, Kultur und Sport angeregt und durch zung konnte der Museologe Jörg Petermann gewon- den Kreistag beschlossen. Dies führte im weiteren nen werden. Er hat im Zeitraum von April bis Juli 2016 alle Museen und Heimatstuben persönlich auf- gesucht und eine Bestandsaufnahme vor Ort erstellt. Desweiteren wurde eine Arbeitsgruppe, be- stehend aus Vertretern von Museen, Mitgliedern des Ausschusses für Bildung, Kultur und Sport, für Umwelt und Landwirtschaft, des Tourismusverban- des Jena-Saale-Holzland e.V. sowie der Verwaltung gebildet, die sich intensiv mit der Erarbeitung der Konzeption befasste. Im zweiten Halbjahr 2018 erfolgten Präsentationen und Diskussionen zu den Arbeits- und Untersuchungsergebnissen in ver- schiedenen Gremien des Kreistages. Der Kreistag hat dann das Museumsentwicklungskonzept am 12. Dezember 2018 beschlossen.

Beteiligte Einrichtungen Dauerausstellung im Keramik-Museum Bürgel – eines von sieben Museen im Landkreis, das die ICOM-Standards erfüllt. (Foto: Jörg Das Konzept erfasst Museen und Sammlungen in Petermann) den 91 Städten und Dörfern des Landkreises. Mit

60 Aus den Museen

Historisches Ladengeschäft der Germania Drogerie im Stadtmuseum Camburg, einem der Museen im Landkreis nach ICOM-Standard. (Foto: Jörg Petermann) den Porzellanwelten auf der Leuchtenburg, der eine Vielzahl von museumsähnlichen Einrichtungen, Brehm-Gedenkstätte Renthendorf und dem neuen Heimatstuben und privaten Sammlungen. Zusam- Bauhaus-Werkstatt-Museum Dornburg besitzt der men prägen sie die Museumslandschaft im Saale- Saale-Holzland-Kreis Museen von nationalem Rang Holzland-Kreis. und internationaler Bedeutung. Auch die Dornbur- Die Standards des Internationalen Museumsra- ger Schlösser, das Keramik-Museum Bürgel, das tes (ICOM) definieren Museen als „gemeinnützige, Camburger Stadtmuseum und das Dokumentations- ständige, der Öffentlichkeit zugängige Einrichtungen zentrum Walpersberg sind überregional bekannt. im Dienst der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, Neben diesen bedeutenden Institutionen existiert die zu Studien-, Bildungs- und Unterhaltungszwe-

61 Aus den Museen

• Technische Sammlung Hermsdorf • Stadtmuseum „Metznersches Haus“ in Kahla • Zinsspeicher Thalbürgel • Schloss „Fröhliche Wiederkunft“ in Wolfersdorf.

Bei kontinuierlicher Entwicklung können diese Einrichtungen an den ICOM-Status herangeführt werden. Dazu bedarf es insbesondere der Erstellung von Museumskonzepten, einer besseren finanziellen und personellen Ausstattung sowie entsprechender Unterstützung durch die Träger. Als solche agieren vor allem Kommunen, Vereine, Stiftungen und Pri- vatpersonen. Neben den genannten Einrichtungen werden im Museumsentwicklungskonzept folgende Museen und Heimatstuben berücksichtigt: • Heimatstube Bremsnitz Isolatorenpräsentation in der Technischen Sammlung Hermsdorf. • Kindergartenmuseum Crossen (Foto: Jörg Petermann) • Wasserkraftwerk und DDR-Sammlung Döbritschen • Heimatstube Eichenberg • Mühltalmuseum in der Naupoldsmühle im Eisen- cken materielle Zeugnisse von Menschen und ihrer berger Mühltal Umwelt beschaffen, bewahren, bekanntmachen • Bauernmuseum Etzdorfer Hof und ausstellen“. Diese Kriterien erfüllen fünf Einrich- • Heimatstube Frauenprießnitz tungen im Saale-Holzland-Kreis: die Porzellanwelten • Tante Irma Museum Hummelshain Stiftung Leuchtenburg, die Brehm-Gedenkstätte • Ausstellung Archäologie Gleisberg und Heimatge- Renthendorf, das Keramik-Museum Bürgel in Verbin- schichte Löberschütz dung mit dem neu eröffneten Bauhaus-Werkstatt- • Ausstellung „Schlacht 1806“ Neuengönna Museum Dornburg, das Stadtmuseum Camburg und • Kemenate Orlamünde die Stiftung Dornburger Schlösser. • Sammlung landwirtschaftliche Geräte Poppendorf Die sieben folgenden Einrichtungen wurden als • Heimatstube Rothenstein „museumsähnlich“ klassifiziert: • Heimatstube Saasa • Heimatmuseum „Altes Sudhaus“ in Bad Kloster- • Wasserburg Schkölen lausnitz • Eisenbahnmuseum Serba • Stadtmuseum „Klötznersches Haus“ in Eisenberg • Stadtmuseum „Alte Suptur“ und Walzenriffelei • Dokumentationszentrum Walpersberg bei Großeu- Stadtroda tersdorf • Archäologie im Gönnatal Stiebritz

62 Aus den Museen

• Heimatstube Tröbnitz Helferinnen und Helfer schließen müssen? Wie kann • Milo-Barus-Ausstellung in der Meuschkensmühle das Sammlungsgut für die Zukunft gesichert und er- im Mühltal bei Weißenborn halten werden? • Heimatstube Wetzdorf Landratsamt, Kreisheimatpfleger und der Tou- • Schulmuseum Zschorgula rismusverband Jena-Saale-Holzland unterstützen den Erhalt und die Weiterentwicklung der Museen und Sammlungen auf vielfältige Weise. Dazu ge- Museumsförderung hören eine gemeinsame touristische Vermarktung möglichst vieler Einrichtungen sowie der Aufbau Vom Land Thüringen gibt es derzeit eine instituti- einer Datenbank mit Infos und Fotos aller Museen. onelle Förderung für drei Museen: Porzellanwel- Netzwerke sollen intensiviert und stärker genutzt ten Stiftung Leuchtenburg, Brehm-Gedenkstätte werden. So könnten zum Beispiel größere Muse- Renthendorf, Keramik-Museum Bürgel / Bauhaus- en und kleinere Heimatstuben Themenausstellun- Werkstatt-Museum Dornburg. Der Saale-Holzland- gen und andere Projekte gemeinsam planen und Kreis fördert die Einrichtungen nach Maßgabe sei- durchführen, Sammlungskonzepte abstimmen, nes Haushalts auf der Grundlage der „Richtlinie zur Besuchergruppen auch zu Einrichtungen der Um- Förderung von Museen im Saale-Holzland-Kreis“. Zurzeit gibt es daraus bis zu 45.000 Euro pro Jahr, um Museen auf Antrag im Rahmen von Projektför- derungen zu unterstützen. Zudem haben die Muse- en die Möglichkeit, weitere Projektmittel vom Land zu beantragen. Die Sparkasse Jena-Saale-Holzland, die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen und ArtRegio, das Kunstförderprogramm der Spar- kassen-Versicherung, sind traditionelle Partner von mehreren Museen im Saale-Holzland-Kreis.

Herausforderungen für die Zukunft

Die digitale Revolution und der demografische Wandel stellen Museen und Sammlungen vor neue Herausforderungen. Wie können auch kleinere Ein- richtungen künftig Öffnungszeiten absichern? Wie kann die Sammlung digital zugänglich und präsen- tiert werden? Wie lässt sich verhindern, dass Hei- Milo-Barus-Ausstellung in der Meuschkensmühle im Mühltal bei matstuben wegen Überalterung der ehrenamtlichen Weißenborn. (Foto: Jörg Petermann)

63 Aus den Museen

gebung lenken, mit anderen Kultur- und Bildungs- ditionspflege im ländlichen Raum zu erhalten und einrichtungen, Künstlern sowie Kindergärten zu- zu fördern. Wir sind zwar nicht Träger der örtlichen sammenarbeiten. Es gibt Unterstützung für Wei- Museen, aber wir unterstützen als Landkreis die Ide- terbildungen und Schulungen. Themenbezogene en und Initiativen der Vereine und kommunalen Mu- Museums-Stammtische sind eine weitere Idee. seumsträger nach Kräften. Denn: Tradition lebendig Nötig sind Angebote und Marketing für besonde- zu halten, Vergangenes sichtbar und nacherlebbar re Zielgruppen, beispielsweise für Senioren oder für künftige Generationen zu gestalten, ist eine Leis- Kurgäste. Immer wichtiger werden überregionale tung von bleibenden Wert.“ Besucherwerbung und barrierefreie, zumindest Museen sollen als einer der wichtigsten außer- barrierearme Zugänge. schulischen Bildungsträger, Wirtschaftsfaktoren, Tou- Der Landkreis fördert insbesondere den Muse- rismusmagneten, Gedächtnis der Menschheit und umsbesuch von Schülergruppen und die anfallenden forschende Einrichtungen wahrgenommen werden. Fahrtkosten. Mit Blick auf die Zielgruppe Schulen Das Konzept gibt Anregungen, wie der Landkreis wird die Eintragung von Museen als „außerschuli- die museale Landschaft entwickeln kann, welche scher Lernort“ auf dem Thüringer Schulportal (www. Einrichtungen und Sammlungen erhaltenswert sind schulportal-thueringen.de/lernorte) angestrebt. bzw. professionalisiert werden könnten und welche Unterstützungsmöglichkeiten der Kreis gegenüber den Trägern bieten kann. Vision Claudia Bioly-Schlebe und Gina Dechant Das Museumskonzept des Saale-Holzland-Kreises dient der Erhaltung und Weiterentwicklung der um- fangreichen und vielgestaltigen Museumslandschaft www.saaleholzlandkreis.de im Kreis. Dies bekräftigte auch Landrat Andreas Hel- (Untermenüs: Ô Landkreis Ô Kreistag Ô Schule / Kultur / Sport ler: „Wir möchten mit dem Museumsentwicklungs- Ô Entwicklungskonzept für Museen und museale Einrichtungen konzept dazu beitragen, Kultur, Brauchtum und Tra- im Saale-Holzland-Kreis)

64 Aus den Museen

Inklusion – ein großes Thema im Schloßmuseum Arnstadt

as Schloßmuseum Arnstadt befindet sich im hen die verantwortlichen Mitarbeiter seit der Ratifi- Dehemaligen Fürstlichen Palais in zentraler Lage zierung der UN-Behindertenkonvention (BKR) einen der Stadt Arnstadt. In den rekonstruierten Barock- erhöhten Handlungsbedarf. Im Artikel 30 der UN- räumen der südlichen Beletage können Möbel und BRK ist verankert, dass Menschen mit Behinderung Kunstschätze aus dem fürstlichen Bestand besichtigt das Recht haben, gleichberechtigt am kulturellen werden. So wird eine Porzellansammlung mit ca. Leben teilzuhaben. Ihnen soll ein Zugang zu kul- 1.000 chinesischen und japanischen Exponaten im turellen Aktivitäten und Orten ermöglicht werden. Spiegel- und Porzellankabinett gezeigt. Kernstück Das Schloßmuseum Arnstadt will ein solcher kultu- des Museums ist die einzigartige Puppensammlung reller Ort sein. „Mon plaisir“. Mit ihren 82 Szenen und insgesamt Auf Initiative des Museumsverbandes Thüringen 391 Figuren vermittelt die Ausstellung den Besu- und der Museumsberaterin des Verbandes, Sandra chern anschaulich ein detailgetreues Abbild einer Müller, strebte das Museum eine Zusammenarbeit kleinen deutschen Residenzstadt der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. So können beispielsweise ein großer Jahrmarkt, eine Apotheke, ein landwirt- schaftliches Vorwerk (Gutshof) und eine höfische Küche bewundert werden. Geschichte wird so bild- lich und begreifbar. Unterstützt wird der Zugang zur Sammlung „Mon plaisir“ durch unterschiedliche Führungen und museumspädagogische Angebote, die das Le- ben im Barock in den Mittelpunkt stellen. So bietet das Museum an, Spielzeug aus dieser Zeit herzustel- len, Tongefäße zu formen oder Papier zu schöpfen. Diese Angebote stehen unterschiedlichen Personen- gruppen offen und sind so aufbereitet, dass auch Kinder und Jugendliche mit einer Behinderung diese wahrnehmen können. Seit Jahren arbeitet das Museum daran, Men- schen mit Behinderung auf unterschiedlichen Ebe- nen einen Zugang zu den Inhalten zu ermöglichen. Das Museum hat sich zur Aufgabe gemacht, Füh- rungen und museumspädagogische Angebote für Puppemsammlung „Mon plaisir“, Porzellankabinett. (Foto: heterogene Gruppen weiterzuentwickeln. Hier se- Schloßmuseum Arnstadt)

65 Aus den Museen

Puppensammlung „Mon plaisir“, Großer Tanz- und Unterhaltungsabend. (Foto: Schloßmuseum Arnstadt) mit dem Lehrstuhl Inklusive Bildungsprozesse bei schen Konzepten ausgegangen, die auf die muse- geistiger und mehrfacher Behinderung der Univer- umspädagogische Arbeit adaptiert wurden. Zudem sität Erfurt an. Studierende entwickelten innerhalb wurden bereits entwickelte Konzepte für inklusive eines Seminarangebotes unter Leitung der Muse- Formate in die Arbeit einbezogen. umspädagogin Evamaria Korn und mir neue inklu- In einem ersten Schritt analysierten die Stu- sive museumspädagogische Formate für heterogene dierenden innerhalb einer Seminararbeit sowohl Gruppen – besonders für Menschen mit Behinde- allgemeine Unterrichtsprinzipien als auch Unter- rung. In die Überlegungen sollten dabei auch Men- richtsprinzipien der Lernerleichterung, wie sie von schen mit einer geistigen und schweren Behinde- Pitsch und Thümmel in „Zur Didaktik und Metho- rung einbezogen werden. Bei der Entwicklung der dik des Unterrichts mit geistig Behinderten (2011) Angebote wurde von unterschiedlichen pädagogi- zusammenfassend dargelegt wurden. Während der

66 Aus den Museen

Erarbeitung der Materialien und Konzepte wurde • Das „Prinzip der Aktivierung“ geht davon aus, eine große Zahl von Unterrichtsprinzipien einbezo- dass Inhalte durch konkretes Handeln besser ge- gen, die in diesem Artikel nur exemplarisch darge- lernt und erfahrbar gemacht werden können. Nur legt werden können. Die folgenden Prinzipien wur- durch eigenes Handeln kann die Welt angeeignet den von den Studierenden maßgeblich beachtet: werden. Die Konzepte wurden so entwickelt, dass sich mit den Inhalten der einzelnen Museumsex- • Das „Prinzip der Lebensnähe“ macht deutlich, ponate aktiv und handelnd auseinandergesetzt dass Inhalte vermittelt werden sollten, die subjek- werden kann. Die Besucher können mit den Ma- tive Erfahrungen und Bedeutungszuschreibungen terialien einzelne Aufgaben lösen, Dinge riechen, aus der Lebenswelt der Schüler einbeziehen. Für schmecken und fühlen. die Erarbeitung der Materialien war es aus diesem Grund wichtig, einen Bezug zu der heutigen Zeit Bei einem Rundgang durch die Ausstellung herzustellen. So wird zum Beispiel bei dem Muse- „Mon plaisir“ wurde den Studierenden deutlich, umsführer in Einfacher Sprache nicht nur darauf dass die dargestellten Szenen in den einzelnen Vi- geschaut, wie sich Menschen damals kleideten, trinen Geschichten erzählen können. Geschichten, sondern auch ein Vergleich zu der heutigen Klei- welche die Studierenden auch den Museumsbe- dung gezogen. suchern erfahrbar machen wollten. Durch diese • Das „allsinnige oder mehrsinnige Prinzip“ arbeitet Geschichten können diese einen Bezug zu eigenen heraus, dass Lernen unter der Einbeziehung unter- Erfahrungen und zu der eigenen Lebenswelt herstel- schiedlicher Sinne und verschiedener Lernkanäle len. Barbara Fornefeld entwickelte am Lehrstuhl Pä- erfolgen soll. Lerninhalte können so auf unter- dagogik und Rehabilitation bei Menschen mit geisti- schiedliche Art und Weise erfahrbar gemacht wer- ger und schwerer Behinderung der Universität Köln den. Dieses war bei der Gestaltung der Materiali- das Konzept der mehr¬Sinn® Geschichten, dass sie en maßgeblich. Materialien wurden so erarbeitet, als kulturelles Teilhabeangebot versteht. Ausgehend dass sie möglichst auf unterschiedlichen Kanälen von einem mehrsinnlichen Ansatz sollen Erzählun- den Besuchern angeboten werden können. Das gen und Geschichten mit allen Sinnen erfahrbar ermöglicht, unterschiedliche Menschen auf unter- werden. Es sind Geschichten zum Riechen, Schme- schiedliche Art und Weise anzusprechen. cken, Fühlen, Sehen und Hören. Unterschiedliche • Das „Prinzip der Individualisierung“ legt dar, Requisiten kommen zum Einsatz. Die Geschichten dass beim Lernen die Individualität eines jeden werden innerhalb eines dynamischen Prozesses wie Einzelnen berücksichtigt und Materialien diffe- ein kleines Theaterstück inszeniert. renziert angeboten werden sollten. Dies ist bei Einen weiteren wichtigen Punkt stellte für die einer Gruppe, die vor einem Museumsbesuch Studierenden der Aspekt der verwendeten Sprache selten bekannt ist, schwer umzusetzen. Dennoch dar. Im Vorfeld der Erarbeitung setzten sie sich mit wurden die Materialien so konzipiert, dass sie auf Leichter und Einfacher Sprache auseinander. Um unterschiedlichen Niveaus anschaulich verwen- die Inhalte der dargelegten Texte auch Menschen, det werden können. die nicht lesen können, deutlich zu machen, wur-

67 Aus den Museen

Puppenstube „Landwirtschaftliches Vorwerk“ von Selina Baumann und Johanna Knebel

Während einer ersten Museumsführung mit der Museumspädagogin Evamaria Korn fassten wir sofort die Puppenstube „Landwirtschaftliches Vor- werk“ ins Auge. Darin ist das landwirtschaftliche Leben im Barock in verschiedenen Szenen dar- gestellt. Zu sehen sind zeitgenössische landwirt- schaftliche Geräte und deren Einsatz im alltägli- chen Leben. Gerade dieses Material schien uns sehr geeignet, spielerisch eine Verknüpfung zwi- schen der Barockzeit und der Gegenwart herzu- stellen sowie die Zielgruppe von Kindern mit und ohne Beeinträchtigungen mittels verschiedener Sinnesmaterialien anzusprechen. Wir entwickelten eine Audiodatei, in der „Bauer Georg“ als fiktiver Landwirt der Barockzeit seinen Tagesablauf durch- Mareike Müller-Cleve und Corina Polutta beim Vorstellen ihres Mu- lebt. Darin sind vier Aufgaben für die Museumsbe- seumsführers in Einfacher Sprache. (Foto: Schloßmuseum Arnstadt) sucher enthalten, welche den Produktionskreislauf von landwirtschaftlichen Gütern sowie den Bezug zur heutigen Zeit aufgreifen. Mit Hilfe der Audio- den Bilder und Piktogramme einbezogen. Nach datei wird sowohl die auditive Verarbeitungsebene einer Museumsführung durch die Museumspäda- angesprochen als auch ein Zugang zum Material gogin Evamaria Korn entschieden sich die Studie- für Menschen mit beeinträchtigter Lesekompetenz renden, Materialien für einzelne Vitrinen der Aus- gewährleistet. stellung „Mon plaisir“ zu entwickeln. Eine Gruppe Alle Aufgaben verknüpfen auditive, taktile und rückte die gesamte Ausstellung in den Mittelpunkt visuelle Wahrnehmung. Dazu nutzen wir Naturpro- und erarbeitete einen Museumsführer in Einfa- dukte zum Fühlen (z.B. Wolle, Leder, Heu) sowie un- cher Sprache mit unterschiedlichen Aufgaben für terstützendes Bildmaterial in Form von Piktogram- die einzelnen Besucher. Doch wie sahen die von men. Dadurch ist es auch für Teilnehmer mit Behin- den Studierenden erarbeiteten Projekte aus? Im derungen möglich, die Geschichte aktiv zu erleben. Folgenden stellen Studierende des Seminars ihre Die Verwendung von Einfacher Sprache trägt dazu eigenen Überlegungen exemplarisch zu drei erar- bei, die Zugänglichkeit des Materials für diese Ziel- beiteten Konzepten vor. gruppe zu erhöhen.

Katja Bieritz

68 Aus den Museen

Museumsführer in Einfacher Sprache von Mareike Müller-Cleve, Felix Piegsda und Corina Polutta

Mit unserem Angebot wollten wir eine Möglichkeit schaffen, das Museum komplett zu erfassen, mit dem Fokus auf der Puppenstadt. Wir entschieden uns für einen Museumsführer in Einfacher Sprache, der durch die einzelnen Räume leiten soll. Dieser möchte Menschen mit einer geringen Schrift- sprachkompetenz die selbstständige Aneignung von Wissen über das Leben im Barock ermöglichen. Eine geringe Schriftsprachkompetenz kann bei- spielsweise Menschen mit kognitiven Einschrän- kungen oder Lernschwierigkeiten betreffen, kann daneben aber auch für Demenzerkrankte oder Menschen mit Deutsch als Zweit- oder Fremdspra- che gelten. Zunächst galt es, die Informationsfülle Die Studierenden des Projektes: Corina Polutta, Mareike Müller- des Museums zu reduzieren, damit die Motivation Cleve, Sara Zängler, Theresa Zeising, Fynn Hullmeine, Elisa Ma- und Aufnahmefähigkeit der Nutzer erhalten bleibt. ckensen, Laura Arnholdt, Johanna Knebel und Selina Baumann. Wir beschränkten uns nach längerem Überlegen (v.l.n.r.) (Foto: Schloßmuseum Arnstadt) auf sechs Puppenstuben, aus jedem der Ausstel- lungsräume mindestens eine. Zu diesen Puppenstuben wurden nun Texte er- Ein Selbstkontrollsystem macht die Anwesenheit stellt, die sich an den Kriterien der Leichten Spra- einer begleitenden Person überflüssig und stärkt che orientieren. Dazu gehört neben einfachen damit die Selbstwirksamkeit. Die Spiele, aber Sätzen auch ein besonderes Layout mit bestimm- auch die Texte verweisen immer wieder auf Pa- ten Schriftarten und -größen sowie die Verdeutli- rallelen und Unterschiede zwischen dem Leben chung des Inhaltes durch piktografische Zeichen. damals und heute. Den Texten wurden Hinweise hinzugefügt, wenn Elemente aus der Puppenstube sich in anderen Räumen des Barockschlosses wiederfinden, um Puppenstube „Küche“ so das Museum in seiner Gesamtheit interessant von Laura Arnholdt und Theresa Zeising zu machen. Zu jeder Puppenstube wurde zusätz- lich ein Spiel zur Vertiefung des Wissens angelegt. Wir entschieden uns für die Puppenstube „Küche“ Diese Spiele sind so konzipiert, dass sie allein von im Barock, da dieser Raum besonders viele Wahr- einzelnen Personen bewältigt werden können. nehmungserlebnisse offenbart. In der Küche werden

69 Aus den Museen

verschiedene Sinneseindrücke angesprochen, so und lernen den Tagesablauf in einer Barock-Küche dass auch diese in unserer mehr¬Sinn® Geschichte kennen. In die Geschichte bezogen wir die Sinne aufgenommen werden konnten. Die Idee dazu ent- Hören, Sehen, Riechen und Tasten ein. Dafür stat- stand innerhalb dieser Projektarbeit. Vorab beschäf- teten wir einen Koffer mit verschiedenen Requisiten tigten wir uns mit dem theoretischen Aufbau sowie aus. In den einzelnen Fächern des Koffers lassen sich mit einzelnen Bestandteilen einer „typischen“ Ba- zum Beispiel Gewürze, eine Küchenschürze, eine rockküche. Mehr¬Sinn® Geschichten sind Geschich- Kochmütze, Kohle, Holz, ein Mörser, Brotteig in Form ten, die Empfindungen und Emotionen wecken. So von selbstgemachter Knete, Linsen und die Puppe ermöglichen sie das Verstehen. Wir entwickelten für „Magda“ finden. unsere Geschichte die fiktive Figur der „Küchenfee Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Magda“. Sie soll die Teilnehmer durch das gesam- sich viele unterschiedliche Wege finden lassen, Ex- te Geschehen führen. „Magda“ entdeckt die Küche ponate und Inhalte in einem Museum für hetero- zum ersten Mal. Wir wollten so die Möglichkeit gene Gruppen aufzubereiten und anzubieten. Kul- schaffen, dass die Besucher sich mit ihr identifizieren turelle Teilhabe kann so umgesetzt und Barrieren können. Mit ihr zusammen entdecken sie die Küche abgebaut werden.

70 Forum Museum

Perspektivwechsel an der Spitze der Klassik Stiftung Weimar Interview mit der neuen Präsidentin Ulrike Lorenz

ie bezeichneten die Klassik Stiftung zu Ihrer Amts- eine der bedeutendsten Kulturstiftungen in Deutsch- Seinführung als „einzig spannende Herausforde- land und Europa. rung nach Mannheim“. Was haben Sie erwartet? Aus Mannheimer Perspektive ist es die un- Was haben Sie vorgefunden? glaubliche Vielfalt an kulturellen Erbschaften und Vorgefunden habe ich atemberaubende Schön- Sammlungen aus über 500 Jahren ununterbroche- heit, eine staunenswerte Kultur des Sinnlichen ner Kulturgeschichte, wohlgeordnet auf kleinstem Raum – dies macht die Einzigartigkeit der Klassik Stiftung Weimar aus. Auf der einen Seite bewahren wir das materielle Erbe an Kunst, Büchersammlun- gen, Archivbeständen – eine große Bandbreite an Originalen und Quellen. Auf der anderen Seite das immaterielle Erbe von Literatur, Philosophie, Poesie und damit eine ganz andere Art von Überlieferung. Die Klassik Stiftung – das sind aber auch die drei Gedächtnisinstitutionen unter einem Dach, die die Gesellschaft im Laufe ihrer Geschichte ausgebildet hat, nämlich Museum, Bibliothek und Archiv. Mich interessiert die Interaktion zwischen diesen Einrich- tungen. Es gilt, die jeweils spezifischen Kulturtech- niken, Denkmuster und Perspektiven miteinander ins Verhältnis zu setzen. Die Frage ist ja: Schafft die Klassik Stiftung in dieser Interaktion der Institutio- nen und intellektuellen Ressourcen einen Mehrwert für die Gesellschaft. Das ist als Management-Her- ausforderung hochspannend und für mich persön- lich eine geistige Horizonterweiterung, die ich nach einigem Zögern gern in Angriff genommen habe.

Sie leiten nun seit ein paar Monaten die zweitgrößte Kulturstiftung der Bundesrepublik. Naja, die größte ist fast zehnmal größer. Aber in Die promovierte Kunsthistorikerin Dr. Ulrike Lorenz will bewahren ihrer Komplexität ist die Klassik Stiftung tatsächlich und modernisieren. (Foto: Klassik Stiftung Weimar / Candy Welz)

71 Forum Museum

und der Originale, seien es nun Kunstwerke oder Wo sehen Sie dabei die Schwerpunkte? Handschriften oder Wiegendrucke. Kulturelle Spit- Die Einheit der Stiftung ist eine strategische Pri- zenleistungen und beglückende Harmonien prägen orität. Sie wirklich ins Werk zu setzen, in den Alltag das Reich der Weimarer Klassik. Für mich ist es ein zu überführen, mit Leben zu erfüllen und aus dieser Riesengeschenk, auch für Gärten und Parks verant- Einheit einen Mehrwert zu ziehen, die Stiftung akti- wortlich zu sein. Ich habe das in den ersten Wochen ver zu machen, gesellschaftszugewandter, dynami- noch eher aus der Besucherperspektive erlebt. Nach scher, offener auch für unmittelbare zeitgenössische und nach begreife ich besser, wie das alles zusam- Fragestellungen – diese Aufgabe wird klarer. Verän- menhängt: aus einer landesherrlichen Wurzel her- derungen wirklich umzusetzen, ist schwierig. Daran vorgegangen, zusammengetragen, für Nachwelten gilt es gemeinsam zu arbeiten. Wir brauchen einen geordnet und gehütet. Es macht geschichtlich Sinn, langen Atem, Geduld und Zeit. Die müssen wir uns dass die sehr unterschiedlichen Institutionen der Stif- nehmen, denn hinter uns stehen ja auch Jahrhun- tung in einer Struktur zusammengefasst sind. Umso derte. Wir arbeiten nicht am offenen Herzen, geis- klarer wird jetzt die Aufgabenstellung. Und langsam tiges und institutionelles Zusammenwachsen geht rücken auch Problemfelder in den Fokus: sehr an- leise und langsam. Fast wie in der Natur. Die Einheit spruchsvolle Bauaufgaben, Modernisierungsbedarf der Stiftung wird sich in vielfältigen Maßnahmen im Kulturmanagement, Professionalisierung und In- verwirklichen: in kurzfristigen und langfristigen. Die ternationalisierung. digitale Transformation zum Beispiel bedeutet, dass sich jeder Arbeitsbereich verändern wird und sei- nen Beitrag leisten muss. In der Organisation und Selbststeuerung müssen wir uns besser aufstellen, Strukturen, Informationsflüsse, konzertiertes Han- deln sind einüben – also viel Arbeit, die vor uns liegt.

Stichwort „Kosmos Weimar“. Das Stadtschloss als Zentrum dieses Masterplans war in den vergange- nen Jahren aus dem Fokus geraten. Sie stellen es wieder in den Mittelpunkt? Ich habe eine stichhaltige Kernerzählung vor- gefunden, die Hellmut Seemann 2008 unter dem Motto „Kosmos Weimar“ vorgelegt hat – ein Ent- wicklungskonzept für die gesamte Stiftung um die Mitte Schloss. Das Problem ist, dass dieses Konzept in wesentlichen Aspekten nicht oder sehr viel später als geplant umgesetzt wurde. Das Bauhaus-Museum Im Stadtschloss haben die Arbeiten für eine komplexe Sanierung ist als Meilenstein auf dem Weg in die Gegenwart begonnen. (Foto: Klassik Stiftung Weimar) dieses Jahr eröffnet worden. Dafür bin ich dankbar.

72 Forum Museum

Die Klassik Stiftung hat sich damit eine zweite Säule im Selbstverständnis erarbeitet: Neben die Weimarer Klassik tritt nun die klassische Moderne. Das Schloss ist dabei aus dem Fokus geraten, auch weil der fi- nanzielle Rahmen fehlte, das Gebäude komplett und auf hohem Niveau zu sanieren. Da waren am Anfang sicher auch falsche Erwartungen unterwegs. Das ist in jüngster Zeit klarer geworden.

Aber die Bauarbeiten sind angelaufen? Im Moment erleben wir im Ostflügel des Schlos- ses den Beginn der Bauarbeiten; die Planungen laufen parallel weiter. Das ist eine sehr komplexe Angelegenheit, weil dieser älteste Teil des Ensem- bles unendlich viele neue Erkenntnisse beim Bau- fortschritt bringt. Ich kann nicht anders, als ähn- lich wie Hellmut Seemann zu sagen: Die Mitte der Der Schlosskomplex soll zum Zentrum der Klassik Stiftung Wei- Klassik Stiftung kann nur das Schloss sein. Es ist die mar werden. (Foto: Klassik Stiftung Weimar) größte Immobilie, über die wir verfügen und es ist, geschichtlich betrachtet, die Wurzel von allem. Das Schloss war das Macht- und Handlungszentrum des ein valides Zukunftskonzept für die Stiftung vorzu- Herzogtums. Es ist sinnfällig, hier das Herz der Stif- legen. Dabei gilt es abzuwägen, ob wir am Beginn tung anzusiedeln. Wir müssen uns um diese Kern­ des 21. Jahrhunderts das Schloss, das über Jahrhun- immobilie kümmern und zunächst die Hausaufga- derte gewachsen ist, weiterentwickeln und dabei ben einer Zukunftssicherung und Generalsanierung wesentliche Aufgabenstellungen der Stiftung, für machen, die die Gesellschaft zu Recht von uns er- die es derzeit keine Räume gibt, lösen. Ich spreche wartet und für die sie die notwendigen Finanzmit- von einer zentralen Ausstellungsfläche und einem tel bereitstellen muss. Auf unserer Seite gilt es, eine Besucherzentrum – also Dinge, die eminent wichtig realisierbare Masterplanung zu entwickeln. Die fehlt sind, um die Stiftung strategisch in die Zukunft zu im Moment noch. Das ist das vielleicht langfristigste führen. Jedenfalls ist der Wille da, die „neue Mitte“ Projekt; das geht nicht von heute auf morgen. aus dem Status eines Sinnbilds in die Wirklichkeit zu führen. Das zweite große Infrastrukturprojekt, das Das klingt nach einer umfassenden Neukonzeption auf der Tagesordnung steht, ist die Sanierung des bei der Sanierung? historischen Goethe-Wohnhauses am Frauenplan. Wir arbeiten in einem hochwertigen Denkmal. Hier muss zunächst eine denkmalpflegerische Ziel- Es muss aber auch erlaubt sein, dieses Denkmal stellung erarbeitet und eine solide Finanzplanung weiter zu denken. Wir ringen im Moment darum, erstellt werden, bevor wir in die Realisierung gehen

73 Forum Museum

der Stiftung muss ernsthaft gerungen werden. Wir werden ein Konzept dafür vorlegen und dabei sicher auch gesellschaftliche Diskussionen führen müssen. Wir arbeiten im UNESCO-Welterbe. Prinzipiell bin ich der Meinung, dass bei aller Verantwortung für die Kulturgeschichte des Ortes unsere Generation ähn- lich selbstbewusst in die Zukunft gehen sollte, wie das vorangegangene Geister auch getan haben. Der Perspektivwechsel der Stiftung schiebt neben den Aufgabenschwerpunkten der Bewahrung und Rekon- struktion auch Modi der Innovation, der Dynamisie- rung und des Gegenwartsbezugs in den Fokus. Das ist komplementär und ergänzend gedacht. Die Stif- tung wendet sich vom Passiven ins Aktive. Wir stel- len brisante Gesellschaftsfragen ins Zentrum unserer Goethes Arbeitszimmer: Auch das Goethehaus steht vor einer Arbeit, befragen unsere Sammlungen und kulturellen umfangreichen Sanierung. (Foto: Klassik Stiftung Weimar / Ressourcen neu und versuchen, Substantielles beizu- Alexander Burzik) tragen zu den Orientierungsdebatten der Gegenwart. Dabei beziehen wir auch Baudenkmale ein. und das Haus dafür schließen müssen. Das Goethe­ Heißt das ein Perspektivwechsel, der die Gegenwart haus ist neben dem Bauhaus-Museum unsere besu- einbezieht? cherintensivste und international gefragteste Insti- Es muss möglich sein, unsere eigenen Ansprüche tution. Das können wir nicht auf unabsehbare Zeit an die überlieferten Strukturen heranzutragen, was der Öffentlichkeit entziehen. auch Spannungen erzeugt. Als komplexe Wissensor- ganisation agieren wir aber sowieso in Spannungs- Der Klassik Stiftung fehlt eine größere Ausstellungs- feldern, denken in Widersprüchen. Wir kommen da fläche für temporäre Expositionen. Sie haben gerade gar nicht heraus. Dies produktiv zu machen, bleibt darüber gesprochen, nach einer Lösung für das Pro- eine zutiefst menschliche Aufgabe. blem zu suchen? Wir haben im Moment 400 Quadratmeter im „Zukunft braucht Herkunft“ ist ein weiteres Zitat Schillermuseum. Das reicht für kleinere, durchaus an- aus Ihrer Antrittsrede. Welche Geschichte findet spruchsvolle Ausstellungsprojekte wie gerade eben künftig größere Berücksichtigung? „Abenteuer der Vernunft“. Doch bleibt es eine sehr Da gibt es eine Menge. Die Weimarer Klassik mit begrenzte Fläche für den Anspruch, den wir national den beiden Dioskuren Goethe und Schiller ist ein gu- und international formulieren. Um ein angemesse- ter, immer noch gültiger Ausgangspunkt. Nietzsche neres zentrales „Schaufenster“ für alle Institutionen ist ein Urgestein des Denkens in Widersprüchen im

74 Forum Museum

deutschen Sprachraum, von ungebrochener Aktuali- lichen Verantwortung würdig erweisen. Ich wünsche tät und vielleicht sogar zunehmender Brisanz. Jetzt mir aber auch viele geistesgegenwärtige Gespräche kommt das Innovationspotential der Umweltgestal- auf höchstem Niveau, mit großer Kenntnis und Kon- ter und Architekten am Beginn des 20. Jahrhunderts zentration geführt. Daraus ziehen wir Lebenslust hinzu: Wie wollen wir leben und zusammenleben? und die notwendige Energie, um unsere Aufgaben Ich bin der Meinung, dass wir gar nicht umhinkom- zu bewältigen. men, kontroverse Fragen zu stellen. Zum Beispiel auch: Was macht uns als Deutsche aus? Das heißt, Die Stiftung soll mehr nach außen wirken. Sie wollen in moderner, offener Weise den Identitätsbegriff auf auch einen Perspektivwechsel nach außen. Wie soll dem Fundament demokratischer Werte zur Diskussi- das für die Besucher spürbar werden? on zu stellen. Es ist wichtig, dass wir uns in der Welt Wir sind in einen Strategieprozess eingetreten. verankern mit einem klaren Konzept: Wo kommen Das soll im nächsten Jahr zu einem aktualisierten wir her, was können wir einbringen in die Weltgesell- Leitbild der Stiftung führen, das nach innen und schaft? Das könnte eine Kernaufgabe der Stiftung nach außen kommuniziert wird. Wir nehmen uns im geistigen Sinn sein. Ein weiteres Thema ist die ambitionierte Ziele vor, die es gilt, schrittweise mit kritische Auseinandersetzung mit Erinnerungskultur Leben zu erfüllen und in den Alltag zu überführen. und der Konstruktionsleistung des 19. Jahrhunderts Es gibt eine hohe Erwartungshaltung auch innerhalb rund um die Zentralfigur Goethe. der Stiftung selbst, eine eindrucksvolle Bereitwillig- keit, Veränderungen mitzutragen. Das ist eine gute Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeitern? Nachricht. Auf dieser Grundlage habe ich angefan- Ich erwarte eine Kultur der Leistung und des Ver- gen und fühle mich hier sehr willkommen geheißen. trauens, einen grundsätzlichen Willen, Wirksamkeit Das habe ich in meinem Arbeitsleben bislang so und Ergebnisse zu erzielen. Das ist gerade in der nicht erlebt – diese Art von Offenheit in einer Insti- Geisteswissenschaft manchmal gar nicht so einfach. tution. Und jetzt geht die Arbeit los. Das große Team der Klassik Stiftung, über 400 Kolle- ginnen und Kollegen, sollte sich seiner gesellschaft- Doris Weilandt

75 Forum Museum

Die Mission: Ein lebendiges Museum auf dem Thüringer Land Wissenschaftliches Volontariat an der Brehm-Gedenkstätte Renthendorf

n der Friedrich-Schiller-Universität in Jena stu- Werk „Brehms Tierleben“. Es ist eine mehrbändige Adierte ich Zoologie und wurde dabei mit den Tierenzyklopädie, deren Name sich in Fachkreisen Brehms vertraut. Ich lernte Christian Ludwig Brehm als Synonym für populärwissenschaftliche zoologi- (1789-1864) als einen der Mitbegründer der deut- sche Literatur eingebürgert hat. Den beiden Natur- schen Ornithologie kennen, welcher unter anderem forschern ist ein Museum gewidmet, welches sich durch das Anlegen einer Sammlung von Vogel- im alten Wohnhaus der Familie Brehm im beschauli- präparaten und deren genaue Untersuchung zur chen Renthendorf (Saale-Holzland-Kreis, Thüringen) Professionalisierung der Ornithologie im 19. Jahr- befindet und an dem ich seit Februar 2018 mein wis- hundert beitrug. Alfred Brehm (1829-1884), sein senschaftliches Volontariat absolviere. Sohn, hingegen machte die Zoologie einer breiten Im Januar 2018 besuchte ich das Museum zum Gesellschaftsschicht zugänglich. Er weckte Interes- ersten Mal. Zu dieser Zeit wurde es gerade restau- se für Tiere und ihre Geschichten und verstand es riert, Teile der alten Ausstellung sind bis zur Neuer- ausgezeichnet, die Menschen damit zu unterhalten. öffnung im August 2020 im anliegenden Pfarrhaus Dies tat er unter anderem in seinem berühmtesten zu sehen. Ich konnte an einer Begehung durch das sich in Sanierung befindende Haus teilnehmen, bei der Museumsleiter Jochen Süss die Pläne für die Gedenkstätte vorstellte. An diesem geschichts- trächtigen Ort wird ein Museum entstehen, das über Leben und Lebenswerke der Brehms infor- miert und gleichzeitig die Bedeutung der beiden Forscher für unsere heutige Zeit und die Zukunft herausstellt. Die Themen, die damals die Brehms beschäftigten, sind gerade heute vor dem Hinter- grund der Klimaveränderungen und dem massen- haften Aussterben von Arten höchst aktuell. Für unsere Gesellschaft stellen sich die Fragen, ob wir den Umgang mit Tieren grundlegend ändern müssen, beispielsweise die Produktion von Fleisch und anderen tierischen Erzeugnissen und ob wir den Tieren mehr Rechte zugestehen. Genau wie wir uns fragen müssen, welche Flächen wir nicht Das Brehm-Haus, in dem im August 2020 die neue Daueraus- nutzen, sondern schützen wollen, um den Lebens- stellung eröffnet wird. (Foto: Brehm-Gedenkstätte Renthendorf) raum vieler Arten und damit Biodiversität zu er-

76 Forum Museum

halten. Das Zusammenleben von Menschen und gebaut und immer wieder suchen die Kinder mit Tieren ist also sowohl zur Zeit der Brehms als auch Becherlupen nach Tieren im Boden oder spielen das heute ein Thema, das die Gesellschaft bewegt. Das „Fledermaus-Spiel“. neue Brehm-Haus soll ein Ort werden, an dem Er- Ziel ist es nicht nur, zur Persönlichkeitsbildung wachsene, aber vor allem auch Kinder, Tiere und der Kinder beizutragen, sondern auch Freude und die Natur besser kennenlernen und die Beziehung Begeisterung an der Natur bei ihnen zu wecken zu ihnen verstehen und hinterfragen lernen. und zu ihrer Wertschätzung beizutragen. Außer- Es soll der Weg von der Gedenkstätte zum le- dem wollen wir durch gemeinschaftliches Handeln bendigen Museum beschritten werden. Um dies zu aktiven Natur- und Artenschutz betreiben. Die erreichen, genügt eine Ausstellung – so modern und Kindergruppe ist darüber hinaus ein hervorragen- interaktiv sie auch sein mag – nicht allein, es müs- des Instrument, um die Ansprüche des Museums sen zusätzliche Vermittlungsangebote geschaffen umzusetzen. So sind beispielsweise die naturkund- werden. Eines davon soll eine Kindergruppe sein, liche Bildung von Schulkindern, sowie die Vernet- die regelmäßig zusammenkommt und in der unter- zung mit anderen Einrichtungen als Aufgaben der schiedliche Themen rund um Pflanzen, Tiere und de- Brehm-Gedenkstätte im Leitbild verankert. Als wei- ren Schutz auf spielerische Weise erarbeitet werden. teres Ziel ist formuliert, aus der Brehm-Gedenk- stätte einen sozialen Treffpunkt zu machen. Zu allen drei Punkten trägt das neue umweltpädago- Eine Kindergruppe für die Brehm-Gedenkstätte

Der Schwerpunkt meines wissenschaftlichen Volon- tariats liegt in der Konzeption und Durchführung des Programms für diese Kindergruppe. Das umweltpä- dagogische Angebot richtet sich an Mädchen und Jungen im Grundschulalter aus Renthendorf und der Umgebung. Heißen soll die Gruppe: „Junge Naturforscher“. Seit Oktober 2018 komme ich mit den „Jungen Naturforschern“ am Dienstagnachmit- tag für eineinhalb Stunden zusammen. Im Sommer finden die Treffen wöchentlich auf der Wiese des Förderkreises Brehm e.V. und dem sogenannten Vereinsbungalow statt, im Winter hingegen nur alle zwei Wochen. Angemeldet sind derzeit zehn Kinder zwischen sieben und zwölf Jahren. Unter anderem haben wir bislang Vogelfutter selbst gemacht, uns Ferienwoche im Museum, Volontärin Katrin Hänze rechts im Bild. verschiedene Nadelbäume angeschaut, ein Igelhaus (Foto: Brehm-Gedenkstätte Renthendorf)

77 Forum Museum

gische Angebot bei. Dass die Gedenkstätte durch tergebracht ist. Gemeinsam legten wir in diesem das Zusammenkommen der Dorfkinder zum sozia- Sommer sogenannte „Schlangenbretter“ aus, um len Treffpunkt wird, versteht sich von selbst. Aber mit den Kindern Blindschleichen zu fangen, zu be- auch bei den Eltern rückt die Gedenkstätte mehr obachten und wieder freizulassen. Darüber hinaus ins Gedächtnis und Veranstaltungen werden eher beteiligte sich die Kindergruppe an der Sonderaus- besucht. Die unterschiedlichen Themen und Pro- stellung „Lerchenfenster“, in der Bilder gemalt und jekte, die ich mit den Kindern bearbeite, vernetzen Texte zu den Themen der Ausstellung geschrieben uns mit anderen Akteuren. Hier ist beispielsweise wurden. Kuratiert wurde das Projekt von einer die Natura2000 Station „Auen, Moore, Feuchtge- Künstlergruppe aus Leipzig. biete“ zu nennen, die ebenfalls im Pfarrhaus un-

Herausforderungen und Ausblick

Sowohl die Betreuung als auch die Konzeption der Kindergruppe birgt manche Herausforderungen. Zu Beginn musste ich erst einmal Kinder für das Programm gewinnen, auch gewisse Rahmenbedin- gungen für die Durchführung mussten geschaffen werden. Zur Zusammenstellung einer Gruppe habe ich mich an der Grundschule vorgestellt und Kontakt zu einem örtlichen Verein aufgenommen, um mich an Dorffesten zu beteiligen. So konnte ich mit Kin- dern und Eltern aus dem Dorf in Kontakt treten und für die Angebote werben. Auf diese Weise fand sich schließlich eine interessierte Gruppe von Kindern. Doch um eine kindgerechte Betreuung am Museum zu gewährleisten, müssen auch ent- sprechende Räumlichkeiten und Materialien zur Verfügung stehen. Da es sich bei den „Jungen Naturforschern“ um ein umweltpädagogisches Angebot handelt, bietet es sich an, die meiste Zeit im Freien zu ver- bringen, was mit Hinblick auf die Lage der Brehm- Gedenkstätte auf dem Land kein Problem darstellt. Junge Naturforscherin (Liv) mit einer Blindschleiche (Foto: Brehm- Die Wiese des Förderkreises ist dafür gut geeignet. Gedenkstätte Renthendorf) Bei schlechtem Wetter und zur Lagerung der Materi-

78 Forum Museum

alien werden jedoch Räumlichkeiten benötigt, wozu Öffentlichkeits- und Sammlungsarbeit habe und der derzeit noch der Vereinsbungalow dient. Dieser ist normale Museumsalltag organisiert werden muss, spärlich ausgestattet, es gibt weder fließend Wasser fehlt es oft an der Zeit, den Kindernachmittag an- noch einen Stromanschluss. Erfreulicherweise konn- gemessen vorzubereiten. Hinzu kommt, dass der te jedoch die Anschaffung von passendem Mobiliar fachliche Austausch mit erfahreneren Kolleginnen und weiteren Materialien mit Fördermitteln des Thü- im Alltag fehlt. ringer Landesamtes für Landwirtschaft und Länd- Damit also die „Jungen Naturforscher“ weiter- lichen Raum als auch durch die Teilnahmegebühr hin das Museum mit Leben füllen können, wünsche finanziert werden. ich mir für die Zukunft, dass die Kindergruppe auch Eine weitere Herausforderung ist der zeitliche nach dem Ende meines Volontariats weitergeführt Aufwand, der hinter der Organisation und Durch- wird und vor allem, dass die dafür zur Verfügung führung steht, verbunden mit der dünnen Personal- stehenden personellen und materiellen Mittel weiter decke unseres Museums. Da ich während des Volon- ausgebaut werden. tariats nicht nur für die Kindergruppe verantwortlich bin, sondern noch weitere Aufgaben im Bereich der Katrin Hänze

79 Forum Museum

Von Drachen, Rittern und sprechenden Statuen Hören, um besser zu sehen – oder: Mehr als nur ein Audioguide

chon mal im Museum mit einem Drachen ge- In dem gemeinsam von der Sparkassen-Kultur- Skämpft, eine Zeitreise angetreten oder von einer stiftung Hessen-Thüringen und der Thüringer Lan- Statue angesprochen worden? Die im Projekt „Hör desmedienanstalt (TLM) initiierten und durchgeführ- mal“ entstandenen Audioguides machen es mög- ten Projekt „Hör mal im Museum. Audioguides von lich. Während in anderen Museen über Augmen- Kindern für Kinder“ steht noch etwas mehr im Raum ted- und Virtual-Reality, über Apps und Digitorials als nur eine Führung durch eine Sammlung bzw. die in der Vermittlungsarbeit diskutiert wird, die Inhalte Dauerausstellung. Das 2018/19 in sieben Museen online, per Download oder im Museum direkt auf in ganz Thüringen gestartete und in 2019/20 in Ru- dem Smartphone bereitstellen, ist der mittlerweile dolstadt, Heilbad Heiligenstadt, Römhild, Dornburg, als ‚klassisch‘ zu bezeichnende Audioguide immer Gera, Gotha und Bad Blankenburg fortgesetzte Pro- noch ein wichtiges Instrument für die zielgruppen- jekt will außerschulische Projektarbeit, kulturelle spezifische Vermittlungsarbeit. Bildung, regionale Identifikation, Partizipation und Kulturnachwuchsaktivierung mit einem nachhalti- gen Produkt, einem Audioguide, für die Institution vor Ort mit der aktiven Schulung von Medienkompe- tenz verbinden. Für diesen hohen Anspruch stehen die Museen, aber auch die beiden beteiligten ins- titutionellen Partner, die seit Jahren vertrauensvoll zusammenarbeiten. Jochen Fasco, Direktor der TLM, betont, dass die TLM zunächst einmal für Medienbil- dung, für Medienkompetenz stehe, die aber mit den Kindern und Jugendlichen arbeiten will. Wichtig sei aus seiner Sicht, „die Zielgruppe Kinder in den Blick zu nehmen, die Dinge zu erzählen, die sie interessie- ren. Das ist eine ganz tolle Sache und macht fit auch für andere Dinge im Leben.“ Im besten Fall haben alle etwas davon, die Leh- rer, die Schüler, die TLM, die Stiftung, das Museum und dessen Besucher. Eine Win-win-Situation! Dabei ist es aus vielerlei Gründen wichtig, Jugendliche ak- tiv an die Kultur heranzuführen. Dies hebt auch der Projektbesprechung im Lindenau-Museum Altenburg. (Foto: Direktor von Schloss Wilhelmsburg, Kai Lehmann, Michael Grisko) rückblickend hervor: „Jugendliche sind ganz wichtig.

80 Forum Museum

Nicht nur, weil sie unsere kartenkaufenden Kunden von Morgen sind, die man nicht durch schnarchzap- fige Ausstellungen und Angebote verprellen sollte, sondern weil sie eine ganz andere Herangehenswei- se an viele Dinge des Lebens haben.“

Die Einhörner werden lebendig

Im ersten Durchlauf des Projektes „Hör mal!“ erfolg- te eine konkrete Ansprache der jeweiligen Museen durch die Stiftung. Es sollten, wie auch im zweiten Durchlauf 2019/2020, dann jedoch über eine lan- desweite Ausschreibung, vor allem kleinere Museen und das – dem Regionalitätsprinzip der Sparkassen- Kulturstiftung folgend – flächendeckend in ganz Thüringen sein. Zudem sollte ein breites Spektrum unterschiedlicher Museumstypen abgedeckt, Häuser berücksichtigt werden, die bestenfalls noch keinen eigenen Audioguide hatten. Kunst aus dem Mittelalter: Stolz über ein gelungenes Projekt in Zudem mussten die Museen bereit sein, sich Mühlhausen. (Foto: Michael Grisko) auf das Experiment einzulassen. Denn am Anfang war es – trotz eines Probelaufs der TLM in Arnstadt und Erfurt – für alle Beteiligten ein Experiment. schen auch viele unserer erwachsenen Besucher.“ Vor allem hinsichtlich der Frage, ob die knapp be- Dieser generationenübergreifende Blick stand zwar messene Zeit einer Projektwoche reicht und die zunächst nicht im Fokus, war aber durchaus einge- Jugendlichen motiviert genug sind, sich aktiv mit plant. Denn die ganz persönliche Museumserfah- einem Ort auseinanderzusetzen, der im richtigen rung zeigt: Die von Kindern gestellten Fragen und Leben alles andere als cool ist. Antworten interessieren auch Erwachsene. Mit der Nach einem Durchgang kann festgehalten wer- Idee verbunden war auch der Wunsch, eine andere den, dass es funktioniert und so musste Thomas Sprache, einen frischen Sound, andere Vokabeln in T. Müller, Direktor der Mühlhäuser Museen, am die Vermittlung zu bekommen. Kai Lehmann ver- Ende auch mit Freude feststellen: „Ich war überaus weist auf eine eigene Sprachkultur der Jugendli- positiv überrascht, mit welcher Begeisterung und chen und betont: „Und genau mit dieser Sprache Ausdauer die Jungen und Mädchen aus Mühlhau- von Jugendlichen für Kinder und Jugendliche lässt sen an dem Projekt gearbeitet haben. Das Ergebnis sich Geschichte besser und verständlicher an die kann sich wahrlich hören lassen und erfreut inzwi- jüngeren Generationen bringen.“

81 Forum Museum

Spatz, Geist und Zeitreise – sollte so viel wie möglich in Eigenverantwortung des kreative Rahmen für tolle Geschichten Museums geschehen. Die Suche nach einer Schule wurde in die Verantwortlichkeit des Museums ge- Als Versuchskaninchen hatten sich neben den Mühl- legt, denn niemand kennt die Partner und damit häuser Museen die Flohburg (Nordhausen), der die Nutzer vor Ort so gut, wie die Kollegen selbst. Erinnerungsort Topf und Söhne (Erfurt), das Linde- Im Einzelfall konnte sogar auf bereits bestehende nau-Museum (Altenburg), das Sommerpalais Greiz, Kooperationen und Vorarbeiten, wie im Falle von Schloss Wilhelmsburg (Schmalkalden) und das Frei- Schloss Wilhelmsburg, zurückgegriffen oder aber die lichtmuseum Hohenfelden bereit erklärt. Dabei wa- lokalen Netzwerke aktiviert werden. ren die Versuchsanordnung und damit die Zutaten Das Besondere ist, dass fast jeder Audioguide ganz simpel: Man nehme eine Schulklasse und eine eine ganz eigene Rahmengeschichte, ggf. auch mit Lehrerin bzw. einen Lehrer, eine Museumspädago- einer auf das Haus zugeschnittenen individuellen gin bzw. einen Museumspädagogen, Mitarbeiter Figur erzählt. Oder wie es der Medienpädagoge Sil- von einem freien Radio, eine Projektwoche nebst vio Müller formulierte: „Jedes Museum bekommt Vorbereitung und schon ist das Produkt fertig. Dabei einen ganz individuellen auditiven Rundgang, bei dem Personen vergangener Zeiten, Gegenständen, Gemälden oder Skulpturen Leben eingehaucht wird. So wird letztendlich Geschichte erlebbar für Schulklassen und die ganze Familie gemacht.“ Es entstanden also Führungen als Zeitreise mit dem Nordhäuser Roland, mit lebendigen Skulpturen und Wandbildern in Greiz, einem Kammerdiener als Geist in Schmalkalden, mit kämpfenden Rittern und Einhörnern in Mühlhausen und dem Muse- umsspatz in Hohenfelden. Dieser in Produktion und Rezeption einzigartige Zuschnitt macht die Hörstü- cke lebendig und verleiht den Führungen eine ganz besondere Individualität.

Unikate, die Lust auf Museum machen

Zu guter Letzt bleibt auch die Entscheidung hinsicht- lich der Abspielgeräte bei der jeweiligen Institution. Auch hier sollte nicht in die Entscheidungshoheit Ein volles Haus bei der Präsentation des Audioguides am Inter- und in die individuellen Konzepte der Museen einge- nationalen Museumstag in Greiz (Foto: Michael Grisko) griffen werden. Dabei konnte auf bereits vorhande-

82 Forum Museum

ne technische Infrastruktur ebenso zurückgegriffen, eigenen Institution. Die TLM übernimmt die Koor- wie neue angeschafft oder ganz neue Wege gegan- dination und stellt in Kooperation mit den Bürger- gen werden. In einigen Fällen wurde mit Hilfe des radios die Technik, wobei direkte Absprachen zwi- Fördervereins, der regionalen Sparkasse und eige- schen den Medienpädagogen der Bürgerradios und nem Budget die Technik besorgt. Wichtig war es den den Museen erfolgen. Diese legten nach einem für Organisatoren, die Entscheidung bei den Museen alle gemeinsamen Tag der Vorbereitung die nächs- zu belassen, damit diese strukturelle Entscheidung ten Schritte, den konkreten Erstkontakt mit dem Mu- auch entsprechend eigene Aktivität nach sich ziehen seum, die Vorbereitung (etwa von Materialien) und konnte. Diese notwendigen strategischen Überle- vor allem die eigentliche Projektwoche fest, in der gungen veranlassten ein Museum dazu, sich nicht die Produktion vor Ort erfolgte. an der Ausschreibung 2019/2020 zu beteiligen, da Die Fallstricke lagen und liegen natürlich im die Gesamtüberlegungen im Haus zur Aufstellung Detail. Wie kommt die Schule zum Museum? Gibt der Vermittlung noch nicht abgeschlossen waren. es öffentliche Verkehrsmittel, wer übernimmt die Tatsächlich brachte diese individuelle Herangehens- Kosten? Wie organisiert man das Arbeiten mit ei- weise höchst unterschiedliche technische Lösungen ner großen Klasse, auch vor Ort? Stehen genügend hervor, die nun als Erfahrungswissen im aktuellen Durchgang zur Verfügung stehen – auch wenn im- mer noch über eine zentrale Plattform nachgedacht wird, auf der alle Audiofiles nachhörbar sind und zum Download zur Verfügung stehen.

Prozess- und Zielorientierung

Die Vorgaben für die Produktion waren jedoch klar und für alle gleich. Das Projekt sollte bis zum Ende des laufenden Schuljahres durchgeführt, beendet und der Öffentlichkeit präsentiert werden. Von der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen wer- den die Medienpädagogen und die Gestaltung von Plakaten und Flyern in einer einheitlichen und wie- dererkennbaren Corporate Identity (CI) als Werbe- material für die Audioguides und ggf. auch weitere entstehende Kosten übernommen. Das Ziel der Stif- tung ist nicht nur bei diesem Projekt die Unterstüt- zung und Förderung der kulturellen Bildung und die Schüler berichten in der Flohburg Nordhausen von der Zeitreise Auseinandersetzung mit der Zukunftsfähigkeit der mit Roland. (Foto: Michael Grisko)

83 Forum Museum

Arbeitsräume zur Verfügung? Gibt es ggf. einen Ende, Ausblick und Fazit weiteren Betreuer? Finden sich für alle ein Expo- nat und eine Aufgabe? Wie schnell lassen sich die Das Projekt wurde erstaunlich gut in der Öffentlich- Schüler auf die Gegenstände ein, finden eine ei- keit wahrgenommen. Eingeladen war die Presse gene Herangehensweise und eine eigene Sprache nicht nur zur Präsentation der Ergebnisse, sondern und wieviel Freiheit lässt das Museum bzw. die Lei- auch zu den Workshoptagen. Der MDR sendete Bei- tung der Kreativität der Kinder beim Erfinden einer träge im Fernsehen und Radio, Altenburg TV und das eigenen Rahmengeschichte und beim Schreiben Wartburg-Radio berichteten, die „Thüringer Allge- der Texte? Wie kann man die Kinder an möglichst meine“ und die „Thüringer Landeszeitung“ veröf- vielen Schritten teilhaben, sie selbst zu Produzen- fentlichten zahlreiche Artikel. Nicht zuletzt waren ten werden lassen? es Eltern, Schulleiter, Freunde und Bekannte, die bei Nach den ersten Tagen, nach einer Einführung, den Präsentationen die Ergebnisse zuerst zu hören der Verständigung auf einen Rahmen, dem Ab- bekamen. So wurde nicht nur Öffentlichkeit für die fassen und der Korrektur der Texte mussten diese Museen und die beteiligten Partner geschaffen, son- aufgenommen werden. In der Regel sollte dies im dern auch für die Arbeit der Kinder, die nun für eini- nahen Tonstudio der beteiligten Bürgersender ge- ge Jahre das Außenbild der jeweiligen Museen mit- sehen. Nicht nur die weitaus besseren technischen bestimmt, in einem besonderen Maße gewürdigt. Möglichkeiten, auch ein weiterer außerschulischer Dabei sollte es nicht nur der Beginn eines Prozesses Lernort und das Erlebnis Studio sollten zusätzlichen sein, der Kinder und andere Zielgruppen stärker in Anreiz und Motivation bereithalten. Dies gelang die aktiv-kreative Arbeit im Museum einbindet. In je- nicht immer. „Eine besondere Herausforderung im dem Fall ist es eine Form zukunftsorientierter Kultur- Sommerpalais Greiz war, dass kein Bürgersender in arbeit. Partizipative Formen schaffen nicht nur eine unmittelbarer Nähe war und der Audioguide direkt ganz besondere Identifikation der jungen Menschen in den großen und halligen Räumen aufgenommen mit ihrem Museum, sie fordern auch von der Institu- werden musste. Und das auch noch im laufenden tion eine neue Offenheit zur zielgruppenspezifischen Besucherbetrieb. So war es aber sehr schön zu be- Gestaltung des institutionellen Alltags. Es bleibt eine obachten, wie die Schüler in ihren ausgesuchten Einladung zum Abenteuer Museum oder, um es mit Räumen an ihren Ideen für die Story gebastelt ha- den Worten von Jochen Fasco zu formulieren, „Ich ben und nebenbei den neugierigen Besuchern viele kann nur jeden einladen, mit den bisher entstande- Fakten zum entstehenden Audioguide, zu besonde- nen Audioguides auf Entdeckungsreise durch Thürin- ren Persönlichkeiten und Geschichten des Hauses gens vielfältige Kulturlandschaft zu gehen.“ erzählen konnten“, erinnert sich Silvio Müller an die Zeit in Greiz. Michael Grisko

84 Forum Museum

Netzwerk Ehrenamt

er Kulturbetrieb ruht auf den Schultern des Eh- angegliedert war. Die meisten von ihnen hatten Drenamts – und das gilt selbstverständlich auch etwa 50 Mitglieder; weil es auch einige sehr mit- für die Museen in Thüringen. Unterstützt von der Thü- gliederstarke Vereine gibt, lag der Durchschnitt bei ringer Ehrenamtsstiftung, entwickelt der Museums- 139. In den Fördervereinen unterstützen die meis- verband Thüringen ein Angebot zur Würdigung und ten Mitglieder das Museum ideell und durch ihre Qualifizierung ehrenamtlicher Arbeit im Museum. Mitgliedsbeiträge, nur ein kleiner Anteil arbeitet Für alle Museen, egal ob klein oder groß, ob auch aktiv im Museum mit. In der Studie haben die Heimatstube oder Kunstmuseum mit überregio- meisten Museen angegeben, zwischen zwei und naler Ausstrahlung, gilt: Die Unterstützung durch vier ehrenamtliche Mitarbeiter zu beschäftigen. freiwillige, nicht entlohnte und nicht angestellte Die meisten davon arbeiteten in Naturkundemu- Mitarbeiter ist ein unentbehrliches Fundament seen mit (im Durchschnitt 5,7 Mitarbeiter), gefolgt ihrer Arbeit. Sie sammeln und forschen, betrei- von Kulturgeschichte (im Durchschnitt 4,6) und Ge- ben Kommunikation und Lobbyarbeit, betreuen denkstätten und Erinnerungsorten (im Durchschnitt Sammlung und Depot, konzipieren Ausstellun- 4,3). Das am häufigsten genannte Einsatzgebiet gen, engagieren sich aktiv in der Vermittlung von ehrenamtlicher Arbeit waren mit 60% Kasse und Inhalten und übernehmen nicht selten auch das Aufsicht, gefolgt von Sammlungsbetreuung (44%) Management ihrer Häuser, kurz: Sie tragen alle und Museumspädagogik (40%). Zieht man dabei Funktionen, die den Begriff „Museum“ definie- noch in Betracht, dass etwa 30% der Museen von ren. Auch in Thüringen gibt es eine lange Tradi- ihren Fördervereinen auch selbst getragen wurden, tion des zivilgesellschaftlichen Engagements für dann ergibt sich ein Bild der großen Relevanz von Museen. Viele Sammlungsgründungen gehen auf Ehrenamt und freiwilliger Mitarbeit für die gesam- zivilgesellschaftliches Engagement im 19. Jahr- te Museumsarbeit. hundert zurück, technische Denkmale und Indus- Das ergänzt den gesamtgesellschaftlichen triemuseen wurden von ehemaligen Mitarbeitern Befund, den der „Vierte Deutsche Freiwilligensur- eingerichtet, viele Museen werden von ihren vey“ 2016 gezeichnet hat (https://www.bmfsfj. Freundeskreisen und Fördervereinen gestützt und de/blob/113702/53d7fdc57ed97e4124fffec0ef55 nicht selten auch getragen und betrieben. Ehren- 62a1/vierter-freiwilligensurvey-monitor-data.pdf): amtliche übernehmen Aufgaben, die bei ange- Demnach ist in den meisten gesellschaftlichen spannter Personalsituation und knapper finanzi- Bereichen der Anteil Engagierter in den letzten 15 eller Ausstattung der Häuser ohne sie kaum oder Jahren gestiegen, besonders aber in den Engage- gar nicht geleistet werden können. mentbereichen Schule und Kindergarten (von 5,9% Die 2016 vom Museumsverband Thüringen im Jahr 1999 auf 9,1% im Jahr 2014), Kultur und durchgeführte Online-Befragung ergab, dass an Musik (von 4,9% auf 9,0%), im sozialen Bereich 64% der teilnehmenden Museen ein Förderverein (von 4,1% auf 8,5%) sowie in der Jugend- und Bil-

85 Forum Museum

dungsarbeit für Erwachsene (von 1,7% auf 4,0%). das Problem der Gewinnung von ehrenamtlichem Da sich die Funktion von Museen durchaus nicht Nachwuchs stellt für die Museen und ihre Förder- nur auf den engeren kulturellen Sektor beschränkt, vereine eine ihrer größten Herausforderungen dar. sondern sich unbedingt auch auf all diese Bereiche Im Kulturbereich müssen die Rahmenbedingungen erstreckt, bestätigt diese Studie die Rolle der Muse- für bürgerschaftliches Engagement verbessert wer- en als gesellschaftliche Ankerpunkte. Weil sie aber den. Vor diesem Hintergrund baut der Museums- die Personaletats der Träger möglichst nicht belas- verband Thüringen im Sinne der Handlungsemp- ten sollen und dauerhafte Planstellen entweder fehlungen zur Museumsentwicklung, die vorsehen, gestrichen oder gar nicht erst eingerichtet werden, „das Engagement der Vereine, die die Museen in verlässt man sich auf zivilgesellschaftliches Enga- Thüringen fördern und unterstützen, zu würdigen gement und ehrenamtliche Aktive. Doch das Eh- und weiterzuentwickeln“, derzeit ein Netzwerk zur renamt hat nicht nur den bedauerlichen Charakter Anerkennung, Stärkung und Unterstützung des Eh- eines preiswerten Arbeitskräfte-Pools, der ausge- renamts in Museen auf. Dabei soll allerdings die schöpft werden kann, wenn Mittel der öffentlichen Kehrseite des Themas durchaus nicht außer Acht Hand oder preiswerte Kräfte über den zweiten Ar- gelassen werden: Ehrenamtliche Tätigkeit für Mu- beitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen. Denn seen darf nicht die hauptamtliche Museumsarbeit als positive Aktivposten erzeugen Ehrenamt und ersetzen! Konzeptionelle Planung und Entwicklung freiwillige Arbeit Bindekräfte im sozialen Umfeld müssen langfristig durch den Einsatz von dauerhaft und stellen ein attraktives und lebendiges Angebot im Museum beschäftigten Fachkräften gewährleis- gesellschaftlicher Teilhabe dar. Mehr als zwei Drit- tet sein, deren fachliche Qualifikation unerlässlich tel der in Deutschland bestehenden Kulturförder- ist. Dazu gehören eine wissenschaftliche Ausbil- vereine wurden seit den 1990er Jahren gegründet. dung des festen Personals und die laufende berufli- Dieser Trend setzt sich weiter fort (https://www. che Weiterbildung. Und nicht zuletzt bringt gerade ziviz.de/kulturfoerdervereine-in-deutschland). das Nebeneinander von Gehaltsempfängern und Ehrenamtliche Mitarbeit bietet Engagementmög- unbezahlten Mitarbeitern besondere Anforderun- lichkeiten nach dem Berufsleben und weiterhin, gen an ein professionelles Museumsmanagement gerade im kulturellen Bereich, bis ins hohe Alter. mit Personalführung, Definition und Koordination Aber das Ehrenamt wandelt sich auch: Unter von Aufgaben sowie Motivation der Mitarbeiter dem Stichwort „Neues Engagement“ wird eine mit sich. Form von freiwilliger Mitarbeit beschrieben, die Und dennoch gilt es, jene zu würdigen und zu sich wohl für einzelne Einsätze, nicht aber dauer- unterstützen, die sich diese Anerkennung uneigen- haft engagieren will. Eine jüngere Generation von nützig und kompetent verdient haben und täglich Engagierten sieht sich zwar angesprochen, auch neu verdienen. Dazu bedarf es eines Aufbaus von durchaus im Hinblick auf eine gesellschaftliche Netzwerken und der Aktivierung von Instrumen- Verantwortung, will sich aber nicht durch stetige ten der Ehrenamtsförderung. Den Einstieg in das Vereinsarbeit und regelmäßige Einsätze binden. Aufgabenfeld bildete am 2. Juli dieses Jahres die Hier gilt es in Zukunft Angebote zu machen, denn Regionalkonferenz „Ehrenamt im Museum“ im

86 Forum Museum

Thüringer Freilichtmuseum Hohenfelden. Eingela- Die Thüringer Ehrenamtsstiftung bündelt ein den waren vor allem Mitglieder von Förderverei- breites Spektrum an Möglichkeiten zur Auszeichnung nen und Freundeskreisen. Der große Zuspruch hat freiwilliger Arbeit und agiert in bundesweiten Netz- uns bestätigt, dass hier ein dringend anstehendes werken zur Förderung bürgerschaftlichen Engage- Thema auf weitere Bearbeitung wartet. Die Arbeit ments (z.B. das Bundesnetzwerk „Bürgerschaftliches von vier Fördervereinen wurde beispielhaft ver- Engagement mit seinen Engagementbotschaftern“, treten durch die „Museumslöwen, Gemeinschaft www.b-b-e.de). Sie vermittelt verschiedene Formate zur Förderung des Museums der Natur Gotha der Auszeichnung (u.a. Thüringer Engagementzertifi- e.V.“, den „Freundeskreis der Kunstsammlungen kat, Aktion „Thüringer des Monats“, Ehrenamtscard, Schloss Friedenstein Gotha e.V.“, den „Förderver- Thüringer Engagement- und Kompetenznachweis). ein Thüringer Freilichtmuseum Hohenfelden e.V.“ Wer sich im Ehrenamt besonders verdienstvoll en- und das „Institut zur militärgeschichtlichen For- gagiert, weiß man am besten vor Ort. Deshalb schung Jena 1806 e.V.“. Ihre und die Arbeit aller empfiehlt die Ehrenamtsstiftung, zunächst im re- Ehrenamtlichen in Thüringer Museen würdigte in gionalen Rahmen Bühnen zu schaffen, auf denen seinem Grußwort der Thüringer Ministerpräsident, besondere Leistungen gewürdigt werden können. Bodo Ramelow, im größeren Zusammenhang ih- Mit den Ehrenamtsbeauftragten der Landratsämter rer gesellschaftlichen Bedeutung. Die Situation und Stadtverwaltungen der kreisfreien Städte hat die ehrenamtlichen Engagements in Thüringen be- Ehrenamtsstiftung dafür eine Struktur eingerichtet. schrieb die Geschäftsführerin der Thüringer Ehren- Vorschläge zur Anerkennung können hier eingereicht amtsstiftung, Beate Manke und zeigte sich beein- werden beziehungsweise Beratung zu möglichen druckt von der im Saal versammelten „geballten Formen der Auszeichnung eingeholt werden. Dies Kompetenz“ der Freiwilligen und Ehrenamtlichen. kann die Übergabe einer Auszeichnung zu bestimm- Seitdem pflegt der MVT den Austausch mit der ten Anlässen sein (z.B. im Rahmen von Konferenzen Thüringer Ehrenamtsstiftung (www.thueringer- zum Thema Ehrenamt im Museum in den Regionen). ehrenamtsstiftung.de), um in gemeinsamer Ko- Der MVT wird die Kontakte zu diesen Ehrenamtsbe- operation die ehrenamtliche Arbeit im Museum auftragten aufnehmen, bedarf aber dazu der Unter- zukünftig aktiv zu unterstützen und zu qualifizie- stützung und Mitarbeit aus den Museen selbst. Wir ren. Denn Ehrenamt und freiwillige Mitarbeit las- bitten unsere Mitgliedsmuseen deshalb dringend um sen sich dauerhaft nur über Anerkennung binden. Informationen und Vorschläge, wer in ihrem Umfeld Wie jede Form der Berufsausübung brauchen auch ihrer Meinung nach schon lange eine Würdigung sie für ihre Motivation eine Würdigung ihres Ein- verdient hat und unbedingt vorgeschlagen werden satzes. Neben einer Kultur der Wertschätzung, die sollte. Anregungen können formlos an die Geschäfts- gesamtgesellschaftlich wohl immer ein Ziel sein stelle geschickt werden, damit der Kontakt zur den sollte, gilt für besonders für diesen Bereich, dass Ehrenamtsbeauftragten hergestellt werden kann. kaum andere Instrumente zur Verfügung stehen, Die Thüringer Ehrenamtsstiftung unterstützt um diese freiwillige Arbeit attraktiv zu machen darüber hinaus die Qualifikation und Weiterbildung und längerfristige Bindungen zu schaffen. im Ehrenamt, etwa durch ihr „Bildungsnetz für

87 Forum Museum

bürgerschaftlich Engagierte und Anbieter von Qua- der Qualifizierung zu erarbeiten und sie seinen Mit- lifizierungen für Ehrenamtliche“. Sie fördert Grund- gliedern anzubieten. Denn Ehrenamt und freiwillige lagenlehrgänge für Ehrenamtliche, z.B. wenn die Arbeit sind eine wertvolle Ressource für die kulturel- Vorstände von Vereinen gemeinsam und im gegen- le Landschaft. Dass sie nicht bezahlt wird, bedeutet seitigen Austausch und mit fachlicher Begleitung zur nicht, dass man nachlässig mit ihr umgehen sollte. Entwicklung von Vereinsstrategien geschult werden. Das setzt den Museumsverband in die Lage, Formen Angelika Steinmetz-Oppelland

88 Aus dem Museumsverband

Generationswechsel im Vorstand des Thüringer Museumsverbandes Verbandstag des Thüringer Museumsverbandes am 19.9. in Neustadt / Orla

er wichtigste Programmpunkt auf dem Ver- Gewählt wurden der Direktor der Mühlhäuser Dbandstag des Thüringer Museumsverbandes am Museen, Dr. Thomas T. Müller (Präsident), die Direk- 19.9. in Neustadt / Orla war die Wahl eines neuen torin des Hennebergischen Museums Kloster Veßra, Vorstandes. Für die 11 Mandate meldeten sich im Dr. Uta Bretschneider (1. Stellvertreterin), der Direktor Vorfeld 19 Kandidaten. Sechs langjährige Vorstands- des Lindenau-Museums Altenburg, Dr. Roland Krisch- mitglieder, darunter Präsident Günter Schuchardt, ke (2. Stellvertreter), der Leiter des Fachbereichs stellten sich nicht zur Wiederwahl. Der nach 16 Jah- Schlossmuseum, Hof- und Residenzkultur der Klas- ren Vorsitz scheidende Präsident sprach in seiner sik Stiftung Weimar, Dr. Gert-Dieter Ulferts (Schatz- Begrüßungsrede von einem „deutlich gewachsenen meister), die Leiterin des Thüringer Freilichtmuseums Interesse an der Verbandsarbeit“. Hohenfelden, Franziska Zschäck (Schriftführerin), der

Glückwünsche für den alten und neuen Vorstand des Thüringer Museumsverbandes. (Foto: MVT / Marcus Rebhan)

89 Aus dem Museumsverband

Direktor des Naturhistorischen Museums Schloss den Gastgeber, Bürgermeister Ralf Weiße aus Neu- Bertholdsburg Schleusingen, Dr. Ralf Werneburg, der stadt / Orla, nahm Staatssekretärin Babette Winter Direktor der Städtischen Museen Jena, Dr. Ulf Häder, in Vertretung von Minister Benjamin-Immanuel Hoff die Direktorin des Metallhandwerksmuseums Stein- das Wort. Sie verwies auf das erfolgreiche Volonta- bach-Hallenberg, Veronika Jung, die stellvertretende riatsprogramm, das mit einem jährlichen Finanzvo- Direktorin am Thüringer Landesmuseum Heidecks- lumen von 320.000 Euro verstetigt werden konnte burg, Sabrina Lüderitz, der Leiter des Literaturmu- und das Bestandteil der auf den Weg gebrachten seums „Theodor Storm“ in Heilbad Heiligenstadt, Thüringer Museumsperspektive ist. Die Staatssekre- Dr. Gideon Haut und der Leiter der Gedenk- und Bil- tärin machte deutlich, dass sich die Anerkennung dungsstätte Andreasstraße Erfurt, Dr. Jochen Voit. der kulturellen Leistung, die die Museen erbringen, Doch vor der Wahl am frühen Nachmittag hat- auch finanziell niederschlägt. Die Museumsförde- ten die Mitglieder des MVT ein umfangreiches Pro- rung stieg von 8,2 Millionen Euro im Jahr 2014 auf gramm zu absolvieren. Nach der Begrüßung durch über 10 Millionen Euro an. Neben den Volontären

Bei einer Abstimmung: großes Interesse an der Verbandsarbeit. (Foto: MVT / Marcus Rebhan)

90 Aus dem Museumsverband

werden seit 2015 auch Restaurierungsaufgaben und Erfurt tätig war und den Arbeitskreis Museumspä- Provinienzforschung gefördert. Künftig soll die Mu- dagogik des MVT leitete, gedachte Direktor Hardy seumspädagogik stärker unterstützt werden. Eidam. An den ehemaligen Leiter des Hennebergi- Dem Präsidium unter Vorsitz von Tagungsleiterin schen Museums Kloster Veßra, Günther Wölfing, Friederike Böcher (Direktorin Heinrich-Schütz-Haus erinnerte die heutige Direktorin, Uta Bretschneider. Bad Köstritz) lagen zu Beginn des Verbandstages Höhepunkte des Verbandstages waren die Ver- zahlreiche Ergänzungsanträge zur Tagesordnung leihung der Lindenau-Medaille an Günter Schuch- vor. Bereits aufgenommen war der Antrag: „Der Ver- adt, Jochen Süss und Alf Rößner (Laudationes ab bandstag stimmt über den Haushalt 2020 des MVT S. 104) und die Verleihung des Museumssiegels an ab“. Angenommen wurden die Anträge: „Die Mit- die Mühlhäuser Museen (Laudatio S. 108). glieder fordern den neu gewählten Vorstand auf, den Mitgliedern bis zum Verbandstag 2020 einen Ent- wurf für eine weiterentwickelte Satzung vorzulegen“ Sammlungsumfrage und „Der Verbandstag fordert den Vorstand des MVT und den Arbeitskreis Technikmuseen auf, Vorschläge Museumsberaterin Hildegard Heine stellte auf den zur besseren musealen Sichtbarkeit der Thüringer Verbandstag die ersten Ergebnisse einer von Mai Industrie- und Technikgeschichte zu entwickeln“. bis Juni 2019 von der Geschäftsstelle des MVT Weitere Anträge auf die persönliche Vorstellung der durchgeführten Umfrage im Hinblick auf die Be- Kandidaten für die Vorstandswahl, auf eine erweiter- reiche Sammlungspflege, -bewahrung und -erhalt te Vereinssatzung mit spezifischer Interessenvertre- bei den Mitgliedsmuseen vor. Ziel der Umfrage war tung und für die Einrichtung eines nichtstaatlichen es, einen Eindruck von der Situation vor Ort und Landesmuseums für Industrie- und Technikgeschich- dem Beratungsbedarf zu erhalten, um auf der Basis te wurden mit großer Mehrheit abgelehnt. der Ergebnisse die Dienstleistungen des Verbandes, Zum Verbandsbericht (S. 92) des Vorstandes gab insbesondere der Museumsberatung, Projektförde- es einige Nachfragen und den Beschluss, das Doku- rung und Weiterbildung zu optimieren. Vor diesem ment, den Haushaltentwurf für das kommende Ge- Hintergrund versendete die Geschäftsstelle an schäftsjahr und den Prüfbericht der Revisionskom- rund 200 Museen einen Online-Fragebogen mit mission zwei Wochen vor dem Verbandstag an die ca. 60 Fragen. Insgesamt beantworteten 44% der Mitglieder zu versenden. Mitgliedsmuseen den Fragebogen, was als gutes Lutz Unbehaun, Direktor des Thüringer Landes- Ergebnis gewertet wird. Ein schriftlicher Bericht museums Schloss Heidecksburg, erinnerte an den mit einer detaillierten Auswertung wird folgen. Die verstorbenen ehemaligen Direktor des Deutschen Umfrage gehört zu den Handlungsempfehlungen Spielzeugmuseums Sonneberg, Ernst Hofmann. An der Museumsperspektive 2025. seine ehemalige Kollegin Karin Breitkreuz, die als Museumspädagogin viele Jahre im Stadtmuseum Doris Weilandt

91 Aus dem Museumsverband

Verbandsbericht des Museumsverbandes Thüringen e. V. für den Zeitraum Oktober 2018 bis September 2019

er Verbandstag des Museumsverbandes Thürin- geben. Optimistisch darf auch stimmen, dass das Dgen steht in diesem Jahr unter einem besonde- Vorhaben eines gemeinsamen Konzepts für Kultur- ren Zeichen: Ein neuer Vorstand wird gewählt und gutdigitalisierung, das mit der Staatskanzlei und zahlreiche langjährige Vorstandsmitglieder treten dem Wirtschaftsministerium erarbeitet werden soll, nicht mehr zur Wahl an. Zum gegenwärtigen Zeit- verabredet worden ist. Ziel ist es, die Verstetigung punkt stellen sich achtzehn Kandidaten zur Wahl. der Digitalisierung als gemeinsame Zukunftsaufga- In der vergangenen Wahlperiode mussten viele be festzuschreiben. Aufgaben und Probleme gelöst werden. Die größte Auch für den neuen Vorstand wird das Ringen Herausforderung war hierbei wohl die Erarbeitung um die Umsetzung der Museumsperspektive 2025 der Museumsperspektive 2025 in gemeinsamer Zu- eine Herausforderung bleiben, wobei durch die ab- sammenarbeit mit der Thüringer Staatskanzlei. Der sehbare Gründung der Kulturstiftung Mitteldeutsche Ist-Analyse folgten die Handlungsempfehlungen, Schlösser und Gärten ein weiteres, mit Sicherheit an deren Realisierung der Vorstand und die Ge- schwieriges Handlungsfeld für unsere Museen und schäftsstelle insbesondere im letzten Jahr der aus- den neuen Vorstand zu erwarten sein wird. laufenden Legislatur arbeiteten. Die Klausurtagung des Vorstandes beschäftigte sich eingehend mit den ca. 40 eingegangenen Wortmeldungen und bemüh- Vorstandsarbeit te sich, diese zu bündeln. Dieser Prozess verlief in den Verhandlungen mit der Thüringer Staatskanz- Der Vorstand traf sich im Berichtszeitraum zu elf Vor- lei nicht reibungslos. In gemeinsamen Gesprächen standsitzungen auf der Wartburg (Oktober), im Thü- haben wir es – selbstverständlich nicht ohne ge- ringer Freilichtmuseum Hohenfelden (November), im genseitige Zugeständnisse – geschafft, uns auf ein Benary-Speicher Erfurt (Dezember), im Schloßmuse- gemeinsames Konzept zu verständigen. Dadurch ist um Arnstadt (Januar), im Naturkundemuseum Erfurt es uns gelungen, die Museumsberatung personell (Februar), auf Burg Ranis (März), zur Klausur- und und damit fachlich noch leistungsstärker aufzu- Informationsreise nach Lille in Frankreich (April), zur stellen sowie das Volontariatsprogramm um zehn Museumseröffnung von Schloss Heringen (Mai). Die Stellen für Museumspädagogik aufzustocken und gemeinsame traditionelle Junivorstandssitzung mit zu verstetigen, wenn auch ein eigenständiges För- dem Hessischen Museumsverband fand im Histori- derprogramm „Museumspädagogik“ nicht erreicht schen Museum /Main statt. Im August tag- werden konnte. Institutionelle Förderung soll künftig te der Vorstand in der Wasserburg Kapellendorf. Die regelmäßig evaluiert werden – eine langjährige For- letzte Vorstandssitzung des scheidenden Vorstands derung vieler unserer Mitglieder. Anreizförderungen fand im Vorfeld unseres Verbandstages in Neustadt für Netzwerke und Kooperationen wird es ebenfalls an der Orla statt.

92 Aus dem Museumsverband

Schwerpunkt aller Vorstandssitzungen bis No- vember 2018 war die Diskussion um die Entwicklung der Handlungsempfehlungen, die sich aus der Studie der Museumsperspektive 2025 ableiteten. Dazu gab es zahlreiche Diskussionen mit der Fachabteilung der Thüringer Staatskanzlei und mit Minister Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff. Im Ergebnis dieser Gespräche entstanden die im Februar 2019 der Öf- fentlichkeit vorgestellten Handlungsempfehlungen. Die darin formulierten Aufgaben bzw. Forderungen richten sich sowohl an den Museumsverband, an die Mitgliedsmuseen, vor allem aber auch an die Träger. Der Vorstand mahnt dringend an, in den für die Träger relevanten Forderungen unbedingt in den Diskurs zu gehen. Auch innerhalb des Verbandes Leiterin Miriana Culibrk´ stellt die neue archäologische Dau- sollte der offene Meinungsaustausch fortgeführt erausstellung im Schloss Heringen vor (v. l.: Erik Stephan, Dr. werden. In diesem Zusammenhang ist auch noch Angelika Steinmetz-Oppelland, Miriana Culibrk,´ Holger Nowak, einmal auf den Rundbrief unseres Präsidenten Gün- Foto: Doris Weilandt). ter Schuchardt zu verweisen, der in einer Synopse der Leitlinien des Museumskonzeptes 2011 bis 2020 und den Handlungsempfehlungen aus der Museum- anträge zuvor in den einzelnen Facharbeitskreisen sperspektive 2025 wichtige Wegmarken und Verän- inhaltlich diskutiert. derungen vergleicht. Der Vorstand konstituierte sich im Dezember Im Rahmen der Stellenerweiterung der Ge- wiederum als Beirat für die zuständige Fachabtei- schäftsstelle verabschiedete der Vorstand im No- lung innerhalb der TSK, um die Empfehlungen für vember 2018 eine überarbeitete Fassung der Ge- Förderprojekte auszusprechen. An Fördermitteln schäftsordnung für die Geschäftsstelle, in der auch standen zur Verfügung: die Befugnisse der Stellen Netzwerkarbeit und • 220.000 Euro für Ausstellungsprojekte und Publi- Sammlungsmanagement festgelegt wurden. kationen Weitere Schwerpunkte der Vorstandsarbeit wa- • 200.000 Euro für Restaurierungsprojekte ren das neue Museumskonzept der drei Nordhäuser • 60.000 Euro für Ankäufe Museen: Stadtmuseum, Tabakspeicher und Kunst- Das Gesamtantragsvolumen umfasste haus Meyenburg, zu deren eigenständigem Standort­ 1.151.369,38 Euro. An Eigenmitteln standen erhalt sich der Stadtrat Nordhausens bekannt hat. 478.724 Euro zur Verfügung. Das ergab ein Zu- Die Dezembersitzung war wie in jedem Jahr von schussvolumen von 582.677 Euro, was bedeutet, der Fördermittelvergabe 2019 geprägt. In bewähr- dass um ca. 100.000 Euro gekürzte und gedeckelte ter Weise wurden die eingegangenen Fördermittel- Höchstfördersummen festgelegt werden mussten.

93 Aus dem Museumsverband

Die traditionelle Jahrespressekonferenz im Fe- seen (z.B. Museen der KSW) und den Temperaturen bruar stand unter dem Vorzeichen der Veröffentli- des Jahrhundertsommers 2018. Ein weiterer Höhe- chung der gemeinsamen Handlungsempfehlungen punkt war die Präsentation der neuen Homepage der TSK und des MVT zur Museumsperspektive des Museumsverbandes Thüringen, die durch alle 2025, die seit diesem Zeitpunkt als Druck- und On- Mitarbeiter der Geschäftsstelle im Verbandsjahr neu lineversion öffentlich ist. Moderiert wurde die Pres- gestaltet und mit der Werbeagentur Kleine Arche sekonferenz von unserer neuen Pressesprecherin GmbH Erfurt entwickelt wurde. Doris Weilandt, nachdem wir die Zusammenarbeit Auf Empfehlung der Thüringer Staatskanzlei mit Dr. Michael Plote Ende des Jahres 2018 been- fand die diesjährige Klausurtagung als Exkursion det hatten. Mit Spannung erwartete die Presse auch in die französische Partnerregion Thüringens in die die Besucherzahlen 2018 der Thüringer Museen, Hauts-de-France statt. Ziel war es, die kulturellen die absehbar geringer ausfielen als in den Vorjah- Beziehungen zwischen den Regionen zu beleben. ren. Erstmals seit vielen Jahren erreichten wir nicht Finanziert wurde die Reise mit einer Eigenbeteili- die 4 Millionen Grenze. Mit ca. 3,65 Mio. lagen wir gung der Exkursionsteilnehmer und mit Fördermit- mit nahe 600.000 fehlenden Besuchern unter dem teln der Staatskanzlei. Die dreitägige Busreise führ- Durchschnitt der letzten Jahre. Gründe dafür lagen te in das Museum Historial de la Grand Guerre in u. a. in der vorübergehenden Schließung von Mu- Péronne, nach Lille als Ausgangspunkt weiterer Ex- kursionen nach Lens in den Louvre Lens, einem Ab- leger des Louvre Paris, nach Roubaix in das Musée la Piscine und in das Volkskundemuseum Wattre- los. In allen Museen konnten wir in einen fruchtba- ren Diskurs mit den französischen Kollegen treten, die uns immer sehr herzlich aufnahmen (s. Bericht TMH 1/2019). Am zweiten Tag der Exkursion wurde unsere Delegation vom Vizepräsidenten der Regi- on Hauts-de-France im Regierungsgebäude in Lille empfangen, wo wir auch in einen Erfahrungsaus- tausch mit französischen Verbandskollegen traten. Unsere Gegeneinladung erfolgte bereits. Vorstand und Geschäftsstelle würden es begrüßen, wenn aus unseren Museen Ideen für mögliche deutsch- französische Gemeinschaftsprojekte entwickelt würden, um diese kulturelle Partnerschaft wieder zu beleben. Viele Thüringer Städte haben franzö- sische Partnerstädte, so dass die Museumsträger Besuch in der Partnerregion Hauts-de-France: Historial de la auch ein Interesse an solchen Gemeinschaftspro- Grand Guerre in Péronne. (Foto: MVT / Stephan Tröbs) jekten haben dürften.

94 Aus dem Museumsverband

Die diesjährige Auftaktveranstaltung zum In- tes in Thüringen darstellte. Ohne diese Ehrenamts- ternationalen Museumstag 2019 fand im Waffen- arbeit wären viele Aktionen in Thüringen undenkbar. museum Suhl statt. Vizepräsidentin Veronika Jung Sie unterstrich aber auch klar, dass Ehrenamt nicht mahnte in ihrer Ansprache die Politiker an, den hauptamtliche Arbeit ersetzt. Vier folgende Kurz- Fokus nicht nur auf die großen Museumsstandorte referate von Vertretern der Vereine zur Förderung zu richten, sondern vor allem die Vielfalt und auch der Naturkundesammlungen in Gotha, den „Mu- Kleinteiligkeit der Thüringer Museumslandschaft zu seumslöwen“ und der Kunstsammlungen Gothas, beachten und zu erhalten. Besonders lobte sie die des Thüringer Freilichtmuseums Hohenfelden und Vernetzung und gemeinsame regionale Vermark- des vereinsgetragenen Museums 1806 in Cospeda tung der Museen der Stadt Suhl mit den Museen der verdeutlichten die Vielfalt und Unabdingbarkeit des Stadt Zella-Mehlis. Über 90 Museen Thüringens bo- Ehrenamtes. Im Anschluss würdigte Ministerprä- ten an diesem Tag spezielle Veranstaltungen für ihre sident Bodo Ramelow noch einmal die Bedeutung Besucher. Die Geschäftsstelle pflegte die gemelde- des Ehrenamtes für den Erhalt der Kulturlandschaft ten Veranstaltungen in die eigens dafür geschaffene Thüringens. Danach folgten zahlreiche Einzel- und Datenbank des Deutschen Museumsbundes ein. Gruppengespräche der anwesenden Fördervereins- Die jährliche gemeinschaftliche Vorstandsitzung mitglieder. Die Veranstaltung war aus Sicht des MVT mit dem Hessischen Museumsverband fand am 26. Juni im Historischen Museum der Stadt Frankfurt/ Main statt. Das neu eröffnete Stadtmuseum geht neue Wege in der Präsentation und der inhaltlichen Interpretation von Stadtgeschichte. Das Leitbild des Hauses wurde vorgestellt und anschließend disku- tierten die Vorstandsmitglieder über Themen, die das Leitbild des Museums prägen: Diversitätsma- nagement, Partizipation und Inklusion, Barrierefrei- heit und unmittelbare Mitwirkung der Frankfurter Stadtgesellschaft. Nach der 2. Regionalkonferenz zur Museum- sperspektive 2025 zum letzten Verbandstag fand nunmehr am 2. Juli 2019 im Thüringer Freilicht- museum Hohenfelden die 3. Konferenz zum The- ma Ehrenamt im Museum statt. Eingeladen waren neben Vertretern von Museen auch Mitglieder der jeweiligen Fördervereine. Den Impulsvortrag zum Thema Ehrenamt hielt die Geschäftsführerin der Stiftung Thüringer Ehrenamt e.V., Brigitte Manke, Große Resonanz: 3. Konferenz zum Thema Ehrenamt im Freilicht- die eindringlich die hohe Bedeutung des Ehrenam- museum Hohenfelden. (Foto: MVT / Stephan Tröbs)

95 Aus dem Museumsverband

und der Teilnehmer ein voller Erfolg. Der Vortrags- bandes ist durch die Aufstockung um zwei Stellen im saal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Wir haben Rahmen der Museumsperspektive 2025 vielschich- festgestellt, dass der Wille zur Vernetzung unter den tiger geworden. Sandra Müller ist für allgemeine Fördervereinen ungebrochen ist, und wir werden Fragen der Museumsberatung zuständig. Haupt- dieses Veranstaltungsformat weiterführen. schwerpunkte sind Inklusion, Provenienzforschung, Weiterbildungen, Volontärausbildung, Fördermit- telberatung, Medienarbeit, Projektkoordination für Pilotprojekte u.v.m. Frau Hildegard Heine ist seit Oktober 2018 für präventive Konservierung und Sammlungsbetreu- ung unserer Mitgliedsmuseen zuständig. Daneben betreut sie Spezialprojekte, wie etwa die Aus- bzw. Eingliederung der naturkundlichen Sammlung der Mühlhäuser Museen in andere Naturkundemuseen Thüringens, um die Erhaltung und wissenschaftli- che Betreuung des Sammlungsgutes weiter zu ge- währleisten. In diesem Zusammenhang sei auf die hervorragende Kooperation der Naturkundemuseen des AK Naturkunde hingewiesen, die dieses Pilot- projekt, das als Modellbeispiel für andere Sammlun- gen in unseren Museen gelten kann, initiierten. Die Naturkundemuseen Schleusingen, Gotha und Erfurt betreuen künftig die naturkundlichen Sammlungen der Mühlhäuser Museen. Für Ihr Engagement an dem Projekt sei insbesondere Dr. Ralf Werneburg, Schleusingen, Matthias Hartmann, Erfurt, Ronald Ministerpräsident Bodo Ramelow unterstreicht die Bedeutung Bellstedt, Gotha, Dr. Thomas T. Müller, Mühlhausen des Ehrenamtes für die Museen. (Foto: MVT / Stephan Tröbs) und natürlich auch Hildegard Heine gedankt. Durch unsere Museumsberaterin Hildegard Heine wurde ein Fragebogen zum Sammlungsma- Geschäftsstellenarbeit nagement und zur Depotsituation erarbeitet, dessen erste Auswertungsergebnisse in der Nachmittags- Die Geschäftsstelle unseres Verbandes ist seit Ok- veranstaltung des Verbandstages bekannt gegeben tober 2018 personell vollständig aufgestellt. Für werden. Es ist bedauerlich, das von 196 angeschrie- die Geschäftsführung und allgemeine Museums- benen Museen nur etwas mehr als 80 geantwortet beratung zeichnet Geschäftsführer Holger Nowak haben. Wir sind auf die Zuarbeiten unserer Mit- verantwortlich. Die Museumsberatung unseres Ver- gliedsmuseen angewiesen, wenn wir präzise Stra-

96 Aus dem Museumsverband

tegien zum Sammlungsmanagement für Thüringer hat in elf Museen fotografische Digitalisierungspro- Museen entwickeln wollen, wohl wissend, in wel- jekte durchgeführt. Fünf Museen erhielten leihwei- cher prekären Lage viele kleinere Museen sind. Aber se Fotografie- und Lichttechnik der Geschäftsstelle. genau die wollen wir in ihrer Arbeit unterstützen. Neun Museen wurden vom Fotografen des Teams Unsere Beratung kann nur so gut sein, wie unse- in digitaler Objektfotografie geschult. Es ist nicht re Museen uns mit entsprechenden Informationen in erster Linie Aufgabe des Teams, den Museen die versorgen. Die Depotsituationen und deren Verbes- Objekte zu fotografieren, sondern den Mitarbeitern serung wird eine Schwerpunktaufgabe der nächsten Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten. Es wäre wünschens- Jahre bleiben. Hier sollten wir uns auch an Modellen wert, wenn noch mehr Museen diese Hilfe in An- zu interkommunalen Depotprojekten z.B. in Nord- spruch nehmen. Unser Nahziel ist es, alle Mitglieds- rhein-Westfalen orientieren. Auch müssen wir uns museen des Verbandes über digiCULT.web in der dem Thema Entsammeln / nachhaltiges Sammeln Deutschen Digitalen Bibliothek abzubilden. Auf dem stellen. Hildegard Heine entwickelte darüber hinaus Museumsportal www.museen.thueringen.de zeigen einen Quick Guide zur Erkennung von Schadstoffen 209 Thüringer Museen 50.000 Objekte aus ihren an Museumsobjekten, den jedes Museum über die Sammlungen. In Kooperation mit der Thüringer Uni- Geschäftsstelle erhalten kann. versitäts- und Landesbibliothek entstand das neue Sandra Müller erarbeitete für die Evaluierung Kulturportal für Thüringen www.kulthura.de, in dem des ersten und zweiten Durchgangs des Volontari- Objekte der Thüringer Museen, aber auch Objekte atsprogramms einen Fragebogen, dessen Auswer- aus Bibliotheken und Archiven recherchiert werden tung in gemeinsamer Zusammenarbeit mit der Thü- können. Rebecca Wulke ist Mitglied des Redaktions- ringer Staatskanzlei noch aussteht. Die Auswertung beirates von kulthura. Seitens der Thüringer Museen werden wir über die Thüringer Museumsbriefe ver- ist Pauline Lörzer ebenfalls im Beirat vertreten. öffentlichen. Die Fragebögen wurden sowohl an Vo- An dieser Stelle sprechen wir einen besonderen lontäre als auch an Museumsleitungen verschickt. Dank an die Thüringische Universitäts- und Landes- Im Rücklauf der beantworteten Fragen waren etli- bibliothek, ihrem amtierenden Direktor, Michael Lör- che Divergenzen in der Einschätzung der Qualität zer und seinen Mitarbeitern für die immer konstrukti- des Volontariats festzustellen. ve und unkomplizierte Zusammenarbeit, die sich seit Der Museumsverband war auch in diesem Jahr Juli des Jahres auch in einem Kooperationsvertrag wieder auf der Leipziger Buchmesse vertreten. Der zwischen ThULB und MVT manifestiert hat, aus. Das neue Vorstand unseres Verbandes muss entschei- Inventarisierungsprogramm digiCULT.web nutzen den, ob die Geschäftsstelle weiterhin auf der Buch- derzeit 304 Museumsmitarbeiter in Thüringer Mu- messe vertreten sein soll. seen. Die Zahl der dokumentierten musealen Sach- Das Digitalisierungsteam des Museumsverban- zeugen beläuft sich gegenwärtig auf ca. 200.000 des hat in diesem Verbandsjahr wieder zahlreiche Objekte. Langfristige Projekte, wie etwa der Aufbau Museen betreut, aktiv unterstützt und beraten. Ins- eines neuen Museumsportals oder die Nutzung von gesamt wurden 28 Museumsmitarbeiter an 19 Mu- 3D-Scantechnik, die seit kurzem in der ThULB auch seen im Programm digiCULT.web geschult. Das Team für Museen zur Verfügung steht, werden gemeinsam

97 Aus dem Museumsverband

mit der Universitätsbibliothek und mit culture3D im nächsten Jahr weiter ausgebaut. Das Team richtete vier Weiterbildungs- und Informationsveranstaltun- gen aus: ein Nutzertreffen der digiCULT Verbund eG für Thüringen, ein Blockseminar für die Universität Erfurt im Bereich „Digitale Technologien“, einen „Digitalen Stammtisch“ auf der Leuchtenburg und das zweite Treffen des Arbeitskreises „Digitales Mu- seum“ auf Schloss Friedenstein in Gotha. Vertreten durch den Teamleiter, Stephan Tröbs, hielt das Digita- lisierungsteam einen Vortrag über Standards bei der Objektdokumentation auf einem gemeinsam durch Thüringer Staatskanzlei (TSK) und ThULB organisier- ten Digitalisierungsworkshop in Jena. Gemeinsam mit der digiCULT Verbund eG stellte das Team das Thüringer Modell der digitalen Erfassung von Objek- ten im Rahmen der wissenschaftlichen Foren auf der Das Digitalisierungsteam des MVT erfüllt hohe Standards bei der Fachmesse Mutec in Leipzig vor. Regelmäßige Jour Objektdokumentation. (Foto: MVT / Markus Rebhan) fixe mit der ThULB und der digiCULT Verbund eG in Jena bzw. Kiel garantieren einen geregelten Work- flow zwischen diesen Partnern. Neben den Service- Katja Rettig ist in der Geschäftsstelle für allge- leistungen in den Bereichen EDV-gestützter Doku- meine Verwaltung und Finanzen zuständig. Sie re- mentation, digitaler Objektfotografie und kontinu- alisiert allgemeine Geschäftsgänge und führt den ierlicher Nutzerbetreuung wird sich das Team auch Haushalt. Der Haushalt wird absolut gewissenhaft mit folgenden weiteren Themen auseinandersetzen: geführt, wie der Revisionsbericht für das vergange- • Erstellung einer Digitalisierungsstrategie für Thü- ne Geschäftsjahr belegt. Der Haushaltsplan für das ringer Museen Jahr 2020 wurde von ihr sehr sorgfältig erarbeitet • Möglichkeiten der besseren Vernetzung zwischen und im Verlauf des Verbandstages vom Geschäfts- der Thüringer Tourismus GmbH und Thüringer führer vorgestellt. Zu ihren Aufgaben gehört seit Museen 2017 die gesamte Abwicklung und Prüfung der • Bereitstellung von 3D-Scantechnik in Kooperation Kleinförderung für Museumsprojekte innerhalb der mit culture 3D Projektförderung der Thüringer Staatskanzlei. Katja • Ausrichtung der digitalen Stammtische und des Rettig pflegt zudem die Verbandsbibliothek. Arbeitskreises „Digitales Museum“. Folgende Museen und auch museumsähnliche Die Verstetigung der Leistungen des Digitalisie- Einrichtungen wie Heimatstuben erhielten durch die rungsteams, wie sie in der Museumsperspektive ge- Museumsberatung direkte Vorortberatung: Deut- fordert wird, muss umgehend erfolgen. sches Bienenmuseum Weimar, Stadtmuseum Wei-

98 Aus dem Museumsverband

mar, Museum Reichenfels Hohenleuben, Mühlhäuser Weilandt übernahm die Redaktionsleitung in der 2. Museen, Deutsches Thermometermuseum Geraberg, Jahreshälfte. Zum Redaktionsteam gehören weiterhin Thüringer Museumspark Gehlberg, Stadtmuseum Sandra Müller, Katja Rettig, Dr. Angelika Steinmetz- und Funkwerkmuseum Kölleda, Museum642 – Pöß- Oppelland, Hildegard Heine, Dr. Janny Dittrich und necker Stadtgeschichte, Museum Burg Ranis, Schloß- Holger Nowak. Leider wird Janny Dittrich zum Ende museum Arnstadt, Museum der Salzmannschule der Legislaturperiode des jetzigen Vorstandes aus der Schnepfental, Werratalmuseum Gerstungen, Litera- Redaktion ausscheiden. Ihr sei für ihre langjährige turmuseum „Theodor Storm“ Heilbad Heiligenstadt, konstruktive Mitarbeit ganz herzlich gedankt. Mit Schloss Ehrenstein Ohrdruf, Hennebergisches Muse- ihren Ideen und ihrer Kreativität hat sie das Gesicht um Kloster Veßra, Historisch Technisches Museum unseres Museumsheftes entscheidend mitgeprägt. Sömmerda, Schlossmuseum Sondershausen, Deut- Mit dem Titelthema Heft 1/2019 „Populismus sches Schiefermuseum Steinach, Heimatmuseum und Extremismus als Herausforderung für Museen“ Friedrichroda, Museum im Rutheneum zu Schleiz, bewegen wir uns erstmals auf einem Terrain, das für Museum Schloss Tenneberg Waltershausen, IFA-Mu- viele Museen bereits Tagesthema ist. Dieses Thema seum Nordhausen, Kunsthaus Meyenburg Nordhau- wird uns auch weiterhin beschäftigen. Wir streben in sen, Thüringer Elektromuseum Erfurt, Museum für diesem Zusammenhang auch eine engere Koopera- Gerberei- und Stadtgeschichte Hirschberg, Glocken- tion mit den mitteldeutschen Nachbarverbänden in StadtMuseum Apolda und das Stadtmuseum Cam- Sachsen-Anhalt und Sachsen an. Ein erstes Arbeits- burg. Auch telefonisch konnte die Museumsberatung treffen der Geschäftsstellen ist für Dezember 2019 in zahlreichen Museen fachliche Hinweise geben. Erfurt geplant. Titelthemen von Heft 2/2018 waren Erstberatungen erhielten durch Sandra Müller in Hinblick auf das Jubiläumsjahr 2019 natürlich das und den Geschäftsführer der Zinsspeicher in Thal- Bauhaus und die Weimarer Republik. bürgel, das Tante Irma Museum in Hummelshain und die Heimatstube Ichtershausen. Sandra Müller zeichnet auch verantwortlich für Organisation und Weiterbildungen Konzipierung der Weiterbildungsveranstaltungen für Mitglieder und Volontäre. Neben den monatlich regelmäßig stattfindenden Weiterbildungen für unsere Volontäre bot die Ge- schäftsstelle bisher vier Weiterbildungen für unsere Thüringer Museumshefte Mitgliedsmuseen an. Themen waren Konfliktma- nagement, Präventive Konservierung, Notfallpla- Im Berichtszeitraum erschienen die Thüringer Muse- nung und Notfallverbünde sowie Pressearbeit und umshefte 2/2018 und 1/2019. Das diesjährige Heft 1 Internet. Zwei Weiterbildungen zu den Themen entstand unter einer neuen Redaktionsleitung. Fördermittelakquise und Inklusion werden im Okto- Dankenswerterweise erklärte sich der Direktor des ber und Dezember folgen. Hinsichtlich des Themas Stadtmuseums Jena, Dr. Ulf Häder, bereit, die Redak- Inklusion in Museen ist es auch vorgesehen, eine tionsleitung interimsmäßig zu übernehmen. Doris eigene Arbeitsgruppe zu etablieren.

99 Aus dem Museumsverband

Projekte sche Optische Museum (D.O.M.). Eine erste öffentli- che Präsentation dieses Netzwerkes soll demnächst Die Geschäftsstelle hat in gemeinsamer Abstim- über das neue Kulturportal kulthura erfolgen. mung mit dem Museum für Ur- und Frühgeschichte Gemeinsam mit der Thüringer Landgesellschaft Thüringens ein Pilotprojekt zur Inklusion entwickelt, begleitet die Museumberatung das Netzwerkprojekt an dem sich weitere Museen beteiligen werden: das der Landgemeinde Großbreitenbach „Lebenswelt- GlockenStadtMuseum Apolda, das Schloss Herin- Verbundmuseum“ zur touristischen Erschließung gen, das Phyletische Museen und das Ernst-Haeckel- der Region unter Einbeziehung aller umliegenden Haus in Jena. Beim Thema „Erstcheck“ Provenienz- kulturellen Akteure. forschung sind wir auf der Suche nach interessierten Gemeinsam mit der Thüringer Staatskanzlei Museen endlich in der Lage, einen Förderantrag bei gelang es der Museumsberatung, für die Stiftung der DZK zu stellen. Leider ist das Thema Provenienz- Technisches Denkmal Schieferbergbau Lehesten als forschung in vielen Museen nicht oder wenig prä- Sonderprojekt einen Projektkoordinator einzuset- sent. Die öffentliche Abendveranstaltung der Klassik zen, der die Aufgabe hat, eine Machbarkeitsstudie Stiftung Weimar zur Provenienzforschung „Zwanzig für eine bessere inhaltliche und touristische Erschlie- Jahre Washingtoner Konferenz“ im Oktober 2018 ßung der Region zu erarbeiten. Der von der Muse- war nur spärlich durch unsere Museen besucht. umsberatung vorbereitete Projektantrag für zwei Unser Inklusions-Projekt soll im nächsten Jahr Jahre wurde durch die TSK befürwortet. Bei diesem starten. Beteiligt sind das Stadtmuseum Camburg Projekt arbeiten auch die Untere Naturschutzbehör- und das Museum642 – Pößnecker Stadtgeschichte. de, der Geopark der Region und das Thüringer Lan- Weitere Museen sind angefragt. Auch das Schloß- desamt für Umwelt und Geologie mit uns zusam- museum Arnstadt widmet sich der Thematik in ei- men. Als Koordinator des Projektes konnte im Januar nem Kooperationsprojekt mit der Universität Erfurt. 2019 Michael Rahnfeld gewonnen werden. Seitens Sie entwickeln zusammen inklusive museumspäda- der Museumsberatung wird das Projekt von Sandra gogische Programme. Müller und dem Geschäftsführer betreut. Unsere Museumsberaterin für Netzwerke, Dr. An- gelika Steinmetz-Oppelland, betreut als Pilotprojekt die engere Kooperation unserer Thüringer Glasmuse- Kooperation und Netzwerke en. Dazu gehören die Museen GoetheStadtMuseum Ilmenau und die von dort betreuten Zweigstellen. Des Der MVT ist nach wie vor mit den nationalen und Weiteren das Deutsche Thermometermuseum Gera- auf Länderebene agierenden Museumsorganisatio- berg, der Museumspark Gehlberg, das Goethemu- nen vernetzt. Unser Verband nahm auch in diesem seum Stützerbach, das Heimatmuseum Stützerbach, Jahr im Juni am Treffen der Museumsämter und das Museum Geißler-Haus in Neuhaus am Rennweg, Landesstellen im Institut für Museumsforschung das Historische Glasapparatemuseum Cursdorf, die Berlin teil. Besonders eng sind die Museumsbera- SCHOTT Villa in Jena, das Museum für Glaskunst in ter unseres Verbandes innerhalb der Konferenz der Lauscha und das in Neukonzeption befindliche Deut- Museumsberatung der Länder (KMBL) vernetzt. In

100 Aus dem Museumsverband

diesem Gremium findet ein regelmäßiger länder- Freilichtmuseum Hohenfelden übersiedeln. Daraus übergreifender Austausch zu fachspezifischen und wird sich mit Sicherheit eine noch engere Kooperati- aktuell-politischen Fragen statt. on zu beiderseitigem Nutzen entwickeln. Weitere Kooperationspartner der Museumsbe- ratung sind: Restauratoren, die Zentralen Restau- rierungswerkstätten der Museen der Stadt Erfurt, Mobile Museumspädagogik der Verband der Restauratoren Landesgruppe Thü- ringen, Deutsches Zentrum für Kulturgutverluste, Die Geschäftsstelle arbeitet auch sehr eng mit der ICOM, der Kulturrat Thüringen, die Mobile Muse- Mobilen Museumspädagogik von Jörg Wagner zu- umspädagogik und natürlich der Deutsche Muse- sammen, der gemeinsam mit Thüringer Museen, die umsbund. Auf Initiative Hildegard Heines wird eine über keine Museumspädagogen verfügen, und das Kooperationsvereinbarung mit dem Fachgebiet Re- sind die meisten unserer kleineren Museen, spezi- staurierung der Fachhochschule Erfurt erarbeitet. elle, auf die Häuser zugeschnittene Projekte entwi- Überregionale Kontakte bestehen zur HTW Berlin ckelt. Unser Verband unterstützt die Mobile Muse- und zur Fachhochschule Potsdam. umspädagogik, die eigentlich als Projekt bei der LAG Als neues Netzwerk baut die Geschäftsstelle der- Jugendkunstschulen angesiedelt ist, auch finanziell, zeit die Kooperation mit der Thüringer Ehrenamtsstif- weil es dieses Projekt sonst schon nicht mehr gäbe. tung aus. In gemeinsamer Zusammenarbeit werden wir die Förderung und Anerkennung des Ehrenamtes in Thüringer Museen stärken. Die Geschäftsstelle er- Volontariat arbeitet diesbezüglich ein Weiterbildungskonzept für die Qualifizierung von ehrenamtlich Tätigen. Wie bereits erwähnt, wird das Volontariatsprogramm Alle Museumsberater nehmen selbst auch an zur Vorbereitung des dritten Durchgangs evaluiert. Weiterbildungsveranstaltungen auf regionaler und Im Ergebnis der Museumsperspektive 2025 wird das nationaler Ebene teil. Dies sind neben Veranstaltun- Programm im nächsten Jahr um weitere zehn Stellen gen der KMBL und des DMB die FOCUS-Tagung zu aufgestockt, die schwerpunktmäßig museumspäda- Sammlungsmanagement und Depotfragen, die Thü- gogische Projekte erarbeiten sollen. Selbstverständ- ringer Kulturkonferenz zur Notfallvorsorge und zu lich müssen aber auch alle anderen Säulen der Mu- Schadstoffen an Museumsgut. Vier Mitarbeiter der seumsarbeit vermittelt werden. Gegenwärtig sind 20 Geschäftsstelle besitzen hier auch ein Zertifikat. Da- Volontäre über das Programm beschäftigt. rüber hinaus werden die Handreichungen des DMB etwa zur Provenienzforschung, zum Thema Entsam- meln / nachhaltiges Sammeln und zum Umgang mit Pressearbeit/Social Media kolonialem Erbe genau ausgewertet und unseren Mitgliedern zur Kenntnis gebracht. Für die Pressearbeit des Verbandes ist seit 1. Februar Die Volkskundliche Beratungsstelle mit bisheri- 2019 die Kunsthistorikerin Doris Weilandt verant- gem Sitz in Erfurt wird im Herbst dieses Jahres in das wortlich. Ein neu gebildetes Redaktionsteam, be-

101 Aus dem Museumsverband

stehend aus Dr. Steinmetz-Oppelland, Sandra Müller und vor allem auch Ralf Seeber, ehemals Berufsfeu- und Stephan Tröbs koordiniert die Social Media-Ar- erwehr Weimar, für ihre Aktivitäten gedankt. Unsere beit des Verbandes in enger Abstimmung mit unserer Museen sind jetzt angehalten, ihre eigenen Notfall- Pressereferentin. Zudem bietet die Geschäftsstelle pläne zu überarbeiten und auf regionaler Ebene mit als Pilotprojekt seit September 2019 die Möglichkeit allen entsprechenden Partnern zu kooperieren. Sei- für die Bewerbung von Veranstaltungen und Akti- tens der Geschäftsstelle sind Hildegard Heine und onen unserer Mitgliedsmuseen über den eigenen Holger Nowak die entsprechenden Berater. Facebook-Kanal an.

Neue Mitglieder Arbeitskreise und Arbeitsgruppen Als neues Mitglied im Verband können wir das Muse- Alle gattungsspezifischen Arbeitskreise trafen sich um im Rutheneum zu Schleiz begrüßen. Auch eine er- im Berichtszeitraum mehrere Male zu ihren Arbeits- freuliche Zahl an persönlichen Mitgliedern ist in den gesprächen. Dabei ist eine erfreuliche Erhöhung der Verband aufgenommen worden. Wir begrüßen Sab- Teilnahmefrequenz festzustellen, lediglich der Ar- rina Lüderitz, stellvertretende Direktorin des Thürin- beitskreis Kunst musste aus Mangel an Teilnehmern ger Landesmuseums Heidecksburg, Dr. Adina Rösch, einmal ausfallen. Auch besteht die Arbeitsgruppe Direktorin des Deutschen Burgenmuseums Veste „Schadstoffe im Museum“ weiterhin. In gemeinsa- Heldburg, Pauline Lörzer, Leiterin des Stadtmuseums mer Diskussion entstand der bereits oben erwähnte Camburg, Mirjana Culibrk,´ Leiterin des Museums im Quick Guide zur Schadstofferkennung im Museum. Schloss Heringen, Dr. Uta Bretschneider, Direktorin des Hennebergischen Museums Kloster Veßra, Dr. Jochen Voit, Direktor der Gedenk- und Bildungsstätte Notfallvorsorge Andreasstraße, Prof. Dr. Timo Mappes, Direktor des Deutschen Optischen Museums Jena (D.O.M.), Dr. Auch die Notallvorsorge für Thüringer Museen, Ar- Andreas Christoph, wissenschaftlicher Mitarbeiter chive und Bibliotheken hat einen Qualitätssprung im D.O.M., Uwe Strömsdörfer, Leiter des Schloss- und zu verzeichnen. An fünf Standorten befinden sich Spielkartenmuseums Altenburg, Dr. Roland Krischke, nunmehr für den Katastrophenfall Ausrüstungssätze Direktor des Lindenau Museums Altenburg, Ute Beier, für den Kulturgutschutz. Diese Standorte sind: Nord- Museumsmanagement Residenzschloss Altenburg, Nordhausen, West- Eisenach, Mitte- Weimar, Ost- Al- Angelika Forster, Museumspädagogik im Lindenau- tenburg, Süd- Meiningen. Weiterhin ist die Zahl der Museum Altenburg, und Jacqueline Glück, Kunstver- Notfallverbünde gewachsen. Es bestehen Notfall- mittlung/Studio Bildende Kunst im Lindenau-Muse- verbünde in Weimar, Erfurt, Gotha, Meiningen, Gera um Altenburg, Dr. Gideon Haut, Leiter Literaturmuse- und Nordhausen. In der Gründungsphase befinden um „Theodor Storm“ Heilbad Heiligenstadt, Marlene sich Greiz, Saale-Orla-Kreis, Suhl und Mühlhausen. Hofmann, Marketing/Kommunikation Museum Burg Hier sei auch noch einmal dem Kulturrat Thüringen Posterstein, Uta Künzl, wissenschaftliche Mitarbeite-

102 Aus dem Museumsverband

rin im Schloss- und Spielkartenmuseum Altenburg, Leider müssen wir auch über eine Schließung Arndt Macheledt, wissenschaftlicher Volontär der reden. Der Stadtrat der Stadt Ranis beschloss auf Point Alpha Stiftung, Dr. Tobias Pfeifer-Helke, Direktor Grund der finanziellen Situation der Kommune der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, Dr. Claudia die Schließung des Museums auf Burg Ranis. Das Tittel, künstlerische Leiterin Neue Galerie für Zeitge- durch TSK und Museumsverband initiierte Ret- nössische Kunst, Häselburg Gera, Dr. Timo Trümper, tungspaket wurde nicht zu Ende gebracht, weil Museumskurator Stiftung Schloss Friedenstein Go- die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten die tha, Doris Weilandt, Pressesprecherin MVT sowie bauliche Sanierung der notwendigen Räume nicht Sandra Müller, Dr. Angelika Steinmetz-Oppelland und realisieren kann. Unser Referatsleiter Jörg Schmid Hildegard Heine, die Museumsberaterinnen des MVT. und der Geschäftsführer des MVT haben zahlreiche Seien Sie herzlich in unserem Verband aufgenommen Gespräche mit den verantwortlichen Politikern ge- und willkommen. führt. Aus unserer Sicht kann dieses Problem nur über die Gründung eines Regionalverbunds gelöst werden, der aber politisch gewollt sein muss. Ge- Museumseröffnungen / Ausstellungen / lingt das nicht, wird das Museum auf Burg Ranis Schließungen zum 31.12.2019 geschlossen.

Die Ausstellung Industriekultur in Thüringen als Abschließend sei allen Museumsmitarbeiterin- Impulsausstellung hatte mit mehr als 10.000 Be- nen und -mitarbeitern für ihre Arbeit gedankt. Das suchern nicht ganz unsere Erwartungen erfüllt. Im Team der Geschäftsstelle bedankt sich auch außer- Gefolge dieser Ausstellung konzipierten und reali- ordentlich beim scheidenden Vorstand für die stets sierten mehr als zwanzig Thüringer Museen eigene angenehme und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Satellitenausstellungen zum Thema Industriekultur Gleiches gilt auch für unsere Zusammenarbeit mit und Sozialgeschichte. dem für Kultur zuständigem Referat der Thüringer Lange erwartet und am 6. April dieses Jahres Staatskanzlei. eröffnet, ist das Bauhaus-Museum und die Wieder- Dem heute zu wählenden neuen Vorstand wün- eröffnung des Neuen Museums in Weimar ein neuer schen wir für die kommende Legislaturperiode viel kultureller Glanzpunkt in Thüringen. Mit vielen an- Erfolg. deren Museen in Gera, Jena, Gotha und Dornburg zeigt sich die Thüringer Museumslandschaft auch als Land der Bauhauskultur. Holger Nowak Im Juli wurde das Haus der Weimarer Republik feierlich eröffnet. Schloss Heringen konnte im Mai den ersten neuen Ausstellungsabschnitt „Das ältes- Der Verbandsbericht wurde im Vorfeld des Verbandstages an die te Dorf Thüringens und die Archäologie der Golde- Mitglieder verschickt. Deshalb weicht die Angabe zu den Kandi- nen Aue“ präsentieren. daten von der endgültigen Liste am 19.9. (19 Kandidaten) ab.

103 Aus dem Museumsverband

Laudatio zur Verleihung der Bernhard-von-Lindenau-Medaille an Burghauptmann Günter Schuchardt

er klügste Krieger ist der, der niemals kämp- behielt er die Wartburg auch aus der Ferne stets im „Dfen muss“, schreibt der chinesische General, Blick. Als sich 1987 die Möglichkeit ergab, als wis- Militärstratege und Philosoph Sun Tsu in seinem senschaftlicher Mitarbeiter zur Wartburg-Stiftung zu Buch „Die Kunst des Krieges“. In 13 Kapitel ge- wechseln, war der Umzug nach Eisenach beschlos- gliedert, erörtert er dabei die unterschiedlichsten sene Sache. Mit nach Eisenach nahm er nicht nur Aspekte der Kriegsvorbereitung und Kriegsführung. viele Erfahrungen, unter anderem aus seiner Arbeit Der schmale Band aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. gilt in der Moritzbastei, wo er die Bereiche Kunst und als das erste Strategielehrbuch der Welt und wird bis Literatur verantwortet hatte, sondern auch manche heute nicht nur in Asien intensiv gelesen. Freundschaften, wie jene zu dem später weltbe- Wenn sich ein Konflikt friedlich lösen ließ, dann rühmt gewordenen Maler Johannes Heisig. Mit der war und ist dies bis heute die erste Wahl von Gün- friedlichen Revolution kamen neue Herausforderun- ter Schuchardt. Auch wenn sein ebenso traditionel- gen auf ihn zu: 1990 wurde er stellvertretender Di- ler wie offizieller – einstmals militärischer – Titel rektor unter Ernst Badstübner. Und als dieser 1994 „Burghauptmann“ anderes vermuten ließe, gehört einem Ruf auf den Lehrstuhl für mittelalterliche er zu jenen Menschen, die in der Regel in sich ru- Kunstgeschichte an der Universität in Greifswald hen und deren Worte wohl überlegt sind, bevor er folgte, erweiterte sich sein Arbeitsfeld noch einmal sie spricht. Damit verfügt er über eine Eigenschaft, deutlich. Zuerst zum Burgwart und amtierenden die in dieser schnellen Zeit seltener geworden ist. Direktor ernannt, erfolgte zum 1. Dezember 1995 Auch stellt er sich nie in den Vordergrund, immer seine Berufung zum Burghauptmann. ist es die Sache selbst, um die es ihm geht. Und Einer der beruflichen Höhepunkte dürfte die diese Sache ist seit mehr als 30 Jahren vor allem Aufnahme der Wartburg auf die Weltkulturerbeliste die Wartburg bei Eisenach. der UNESCO im Jahr 1999 gewesen sein. Zu nennen Im Jahr 1954 in deren Schatten geboren, be- sind zudem gleich mehrere Landesausstellungen, suchte er in Eisenach die Schule und absolvierte ne- die unter seiner Hauptverantwortung stattfanden. ben seinem Abitur zugleich eine Ausbildung als Ma- Neben der Exposition zur heiligen Elisabeth im Jahr schinenschlosser. Schon als Student an der Leipziger 2007 sei hier nur beispielhaft an das große Projekt Universität gab er Führungen auf der Wartburg. Und im Lutherjahr erinnert. Doch Günter Schuchardt ist wenngleich ihm nach dem Diplomabschluss in Kul- der Thüringer Museumslandschaft weit über seine turwissenschaft, Ästhetik und Kunstwissenschaft eigentliche Tätigkeit hinaus bereits seit vielen Jahr- der berufliche Weg erst einmal nicht zurück in die zehnten verbunden. Er war Gründungsmitglied des thüringische Heimat führte, sondern er zwischen Museumsverbandes Thüringen, seit 1995 gehört er 1980 und 1987 in verschiedenen universitären und dessen Vorstand an, von 2003 bis 2019 fungierte er staatlichen Kultureinrichtungen Leipzigs tätig war, als deren Präsident. Nicht nur in diesem Amt folg-

104 Aus dem Museumsverband

te er, ungeachtet dessen, ob Günter Schuchardt die seums Nürnberg und als Wissenschaftlicher Beirat zehn Grundsätze Sun Tsus je gelesen hat, stets dem der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt dritten dieser vor 2500 Jahren, also lange vor Cäsar aktiv. Von seinen zahlreichen weiteren Mitglied- und Alexander, in China niedergeschriebenen Rat- schaften seien nur jene in der Sächsische Akademie schläge: „Handle umsichtig!“ Mit Bedacht führte der Wissenschaften zu Leipzig und im Vorstand des er unseren Verband mehr als eineinhalb Jahrzehnte, Thüringer Landesdenkmalrats genannt. glättete Wogen und beruhigte Gemüter, vermittelte zwischen den Fronten und konnte manch fest gefah- Kurzum: Günter Schuchardt ist einer der profi- renen Stellungskrieg zwischen Museen und ihren liertesten Thüringer Museumsdirektoren und weit Trägern nicht nur mit Hilfe der seinem Amt eigenen über den Freistaat hinaus einer der bekanntesten Autorität lösen. Stets trat er auch für die kleinen Experten auf seinem Gebiet. Mit enormem persön- Häuser ein und behielt immer im Blick, welche Aus- lichem Engagement hat er in den vergangenen 16 wirkungen mögliche politische Entscheidungen, die Jahren den Museumsverband geprägt. Es ist mir vielleicht für die großen Museen in Thüringen von eine große Ehre, heute für Ihn die Laudatio halten Vorteil wären, auf museale Einzelkämpfer haben zu dürfen. Am Ende hoffe ich, dass er zumindest die würden. Zusätzlich zu seinem Engagement in Thürin- siebte Handlungsempfehlung Sun Tsus: gen, zu dem auch die Mitgliedschaft im Kuratorium „Brich die Brücken hinter dir ab!“ nicht berück- der Stiftung Lutherhaus Eisenach und der langjähri- sichtigt und der Burghauptmann den Thüringer Mu- ge Vorsitz im Förderverein für das Thüringer Museum seen weiterhin gewogen und verbunden bleibt! in Eisenach zählte, war bzw. ist Günter Schuchardt im Verwaltungsrat des Germanischen Nationalmu- Thomas T. Müller

105 Aus dem Museumsverband

Laudatio zur Verleihung der Bernhard-von-Lindenau-Medaille an Jochen Süss von der Brehm-Gedenkstätte Renthendorf

ochen Süss ist eigentlich außer Dienst, im Ru- und private Geldgeber (z.B. Reemtsma-Stiftung, Jhestand – sollte man meinen. Aber er verkör- Denkmalpflege u.a.) für sein Anliegen zu begeis- pert wie kaum ein anderer vielmehr den ‚Unru- tern und dadurch die erforderlichen, erheblichen hestand‘. Dr. rer. nat. habil. Jochen Süss war Di- finanziellen Mittel aufzubringen. rektor und Professor am Friedrich-Loeffler-Institut Er war Hauptinitiator der am 28. April 2017 ge- in Jena und Leiter des Nationalen Referenzlabors gründeten Alfred Edmund und Christian BREHM- für durch Zecken übertragene Krankheiten. Seine STIFTUNG, deren Vorstandsvorsitzender er auch Forschungsleistungen auf dem Gebiet der Mik- ist. Diese Stiftung soll die langfristige Sicherung robiologie und Virologie sind preisgekrönt. Im und Popularisierung der Brehm-Gedenkstätte Ren- Jahre 2012 hatte der Ruheständler Jochen Süss thendorf übernehmen. Eine enge Zusammenarbeit die Leitung der Brehm-Gedenkstätte Renthendorf mit der gleichfalls in Renthendorf ansässigen Na- übernommen. Der mit den Naturforschern Christi- tura2000-Station sowie mit der Friedrich-Schiller- an und Alfred Brehm verbundene Erinnerungsort Universität Jena hat Jochen Süss aufgebaut. Wir war damals rundum in keiner beneidenswerten danken Tilde Bayer, Präsidialamt-Sammlungsbe- Situation. Es fehlte an einer soliden Trägerschaft, auftragte der Friedrich-Schiller-Universität Jena, an Geld und Personal sowie an einer dem Thema für den Anstoß zu dieser Ehrung. gerecht werdenden Ausstellung. Dass sich das Jochen Süss ist das „Gesicht“ der Brehm- ändert, war das erklärte Ziel von Jochen Süss. Er Gedenkstätte Renthendorf und ohne ihn wäre für sorgte dafür, dass das Archiv und die Sammlung dieses Museum nie so viel bewegt worden! Er hat adäquat untergebracht, dringend erforderliche außerordentliche Leistungen für das Thüringer Mu- Baumaßnahmen zum Erhalt des historischen Ge- seumswesen vollbracht und sich die Bernhard-von- bäudes angestoßen und ein Gesamtkonzept zur Lindenau-Medaille wahrlich verdient. Weiterentwicklung der Gedenkstätte vorangetrie- ben wurden. Jochen Süss versteht es, öffentliche Ralf Werneburg

106 Aus dem Museumsverband

Laudatio zur Verleihung der Bernhard-von-Lindenau-Medaille an Alf Rößner vom Stadtmuseum Weimar

lf Rößner, geboren 1966 in Dresden, studierte stellungen brachten das Stadtmuseum wieder in die Avon 1987 bis 1992 Bauingenieurwesen in Wei- Wahrnehmung der Öffentlichkeit und das nicht nur mar. Es folgte ein Studium der Denkmalpflege 1992 in Weimar, sondern auch überregional. Dies trifft vor bis 1993 in Bamberg und Coburg. Nach einen For- allem für die von ihm kuratierte Ausstellung „De- schungs- und Arbeitsaufenthalt in Namibia begann mokratie aus Weimar“ zu, die ursprünglich nur als 1994 sein Promotionsstudium. Alf Rößner war Altsti- Sonderausstellung geplant war und wegen ihres peniat der Konrad-Adenauer-Stiftung und von 1995 großen Zuspruches heute noch als Dauerausstellung bis 2000 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl des Stadtmuseums zu sehen ist. Denkmalpflege der Bauhaus-Universität Weimar, an Im Zuge der Sonderausstellungen gelingt es der er 1999 an der Fakultät Architektur zum Thema Alf Rößner immer wieder, durch gezielten Samm- „Weimar um 1900. Stadtbild und genius loci“ pro- lungserwerb den Museumsbestand konzeptionell movierte. Nach einem Volontariat am Thüringischen zu erweitern. Seine umfangreiche Publikationsliste Landesamt für Denkmalpflege begann eine fünfjäh- verdeutlicht, dass Alf Rößner ein exzellenter Kenner rige wissenschaftliche freiberufliche Arbeit. der Weimarer Stadt-, Architektur- und Denkmalge- Seine berufliche Museumskarriere begann für schichte ist. Allein 72 Veröffentlichungen zu Weima- Alf Rößner mit der Übernahme des Direktorats des rer und landesgeschichtlichen Themen belegen diese Stadtmuseums Weimar im Jahre 2006, das vier Kennerschaft. Auch in seiner ehrenamtlichen Tätig- Jahre zuvor unter großem Protest der Bürgerschaft keit hat der Direktor des Stadtmuseums Weimar und auch des Museumsverbandes aus finanziellen einen hohen Vernetzungsgrad, ist u.a. Vorstands- Gründen geschlossen wurde. Das Stadtmuseum im mitglied im Freundeskreis des Goethe-Nationalmu- Bertuchhaus wurde anlässlich des Kulturstadtjahres seums, stellvertretender Vorsitzender des Vereins 1999 mit hohem finanziellen Aufwand baulich und „Weimarer Republik“ e.V. und ebenfalls stellvertre- konzeptionell wiedereröffnet. Alf Rößner trat ein tender Vorsitzender der Alfred-Ahner-Stiftung Wei- schwieriges Amt an. Das Haus war geschlossen, die mar. Als verantwortlicher Redakteur leitet er auch Mitarbeiter entlassen. Das Museum stand am Null- die Herausgabe der Weimarer Schriften. punkt. Alf Rößner schaffte es in ganz kurzer Zeit, das Der Vorstand des Museumsverbandes Thürin- Museum wieder betriebsfähig zu machen und in die gen hat aufgrund der Verdienste von Alf Rößner erste Reihe der Stadtmuseen in Thüringen zu brin- beschlossen, ihm die höchste Auszeichnung unseres gen. Diese Anstrengungen sind in Weimar durchaus Verbandes, die Bernhard-von-Lindenau-Medaille zu nicht einfach im Schatten der Stiftung Weimarer verleihen. Klassik und der Stiftung Gedenkstätten Buchen- wald. Ein sehr dichtes Programm von Sonderaus- Holger Nowak

107 Aus dem Museumsverband

Laudatio zur Verleihung des Museumssiegels 2019 an die Mühlhäuser Museen

ie Mühlhäuser Museen bestehen aus dem Kul- aufgebaut. Heute sind die Mühlhäuser Museen ein Dturhistorischen Museum, dem Museum St. Mari- 1993 gegründeter Zweckverband, der vom Unstrut- en mit der Thomas-Müntzer-Gedenkstätte, dem Bau- Hainich-Kreis und der Stadt Mühlhausen getragen ernkriegsmuseum Kornmarktkirche, dem Museum und vom Freistaat Thüringen institutionell gefördert Allerheiligenkirche und der Historischen Wehranlage. wird. Die wissenschaftliche Betreuung der Sammlun- Der 2010 bis 2013 umfassend sanierte historistische gen gliedert sich unter Leitung des Direktorats in die Bau des Museums am Lindenbühl, Sitz des heutigen drei Fachreferate: Ur- und Frühgeschichte, Kultur/Ge- Kulturhistorischen Museums, war ursprünglich ein schichte und Kunst. Für deren Vermittlung sorgt eine Gymnasium, in dem seit 1947 ein Heimatmuseum museumspädagogische Stelle. eingerichtet war. 1975 wurde in der Kornmarkt- Die Einrichtung hat in den zurückliegenden Jah- kirche die Gedenkstätte „Deutscher Bauernkrieg“ ren eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen, welche die museale Arbeit auf eine völlig neue Basis stellte und jetzt den Anlass gibt, das Museumssiegel des Museumsverbandes Thüringen e. V. zu verleihen. Neben der baulichen Sanierung, der Neukonzeption des Kulturhistorischen Museums und dem Ausbau eines neuen Depots erfolgte eine Neuausrichtung der organisatorischen und personellen Infrastruktur, die neben der fachlichen Betreuung der Sammlung auch alle Aspekte der Bildungs- und Vermittlungs- arbeit und des inklusiven Besucherservices erfüllt. 2018 wurde überdies mit der Ausstellung „Von Einhörnern und Drachentötern“ in der Marienkir- che in Kooperation mit der Klassik Stiftung Weimar ein neuer Weg der Zusammenarbeit unter Thüringer Museen beschritten, deren Gestaltung die Samm- lung Mittelalterlicher Kunst in Thüringen auf beson- dere Weise zur Geltung bringt. Die Begehung und Begutachtung der Häuser durch eine Kommission Die Ausgezeichneten: Laudator Dr. Ralf Werneburg, Lindenau- des Vorstands des MVT erfolgte im Sommer 2019. Medaillen-Träger Prof. Dr. Jochen Süss und Burghauptmann Günter Schuchardt, der Direktor der Mühlhäuser Museen Dr. Dabei wurde festgestellt, dass die Standards des Thomas T. Müller (Museumssiegel) und Laudatorin Franziska ICOM und des DMB als durch die Mühlhäuser Mu- Zschäck (v.l.n.r.). (Foto: Doris Weilandt) seen vollkommen erfüllt angesehen werden können.

108 Aus dem Museumsverband

Hervorzuheben sind dabei noch folgende Aspekte: vor allem die Zeit der Reformation und des Bauern- • Die Mühlhäuser Museen verfügen über ein Leitbild krieges, die Mitteldeutsche Kunst des 20. Jahrhun- und ein Sammlungskonzept. derts und die Mühlhäuser Kulturgeschichte sein. • Neben den Dauerausstellungen gibt es immer wieder teils hochkarätige Sonderausstellungen, Schließlich noch eine Empfehlung: Als not- die von entsprechenden Publikationen begleitet wendig erscheint noch eine weitere Revision und werden. Für Kinder gibt es ein vielfältiges muse- Systematisierung der Sammlung auf Grundlage umspädagogisches Programm und für die neue des Sammlungskonzeptes, wobei empfohlen wird, Sonderausstellung auch einen Audioguide. sich von bestimmten Sammlungsteilen zu tren- • Eine sehr rege Presse- und Öffentlichkeitsarbeit nen. Dieser Prozess ist gegenwärtig im Bereich trägt dazu bei, die Mühlhäuser Museen im Be- der Naturkunde schon im Gange. Der stets pre- wusstsein der Region zu verankern. käre Umgang mit Problemen der Biozid-Belastung • Der sehr aktive Freundeskreis der Museen bindet von Objekten erfolgt dabei verantwortungsvoll. Es das Haus in hervorragender Weise in die Zivilge- gibt Verhandlungen mit Thüringer Spezialsamm- sellschaft Mühlhausens und Umgebung ein und lungen über die Neuzuordnung und Aufnahme der übernimmt regelmäßig die Restaurierung von abzugebenden Objekte. Sammlungsstücken. • Die Dokumentation der Sammlungen und die In- Der Museumsverband Thüringen e. V. verleiht ventarisation erfolgt aktuell durch die digitale Er- den Mühlhäuser Museen das Museumssiegel. Wir fassung mit Hilfe des Inventarisierungsprogramms beglückwünschen die Kollegen in Mühlhausen und „Faust“. wünschen ihnen weiterhin eine erfolgreiche Arbeit • Entsprechend dem Sammlungskonzept wird die unter guten Rahmenbedingungen! Sammlung behutsam mit relevanten Objekten er- gänzt. Zukünftige Sammlungsschwerpunkte sollen Franziska Zschäck

109 Aus dem Museumsverband

Nachruf auf Günther Wölfing

m 11. August 2019 hat die historische For- Wölfing studierte an der Universität Jena und Aschung in Thüringen einen kompetenten Ver- wurde 1966 mit einer Dissertation zum Spätmittel- treter und die Museumslandschaft Südthüringen alter in den Städten Schmalkalden, Wasungen und einen wichtigen Wegbegleiter verloren. An die- Meiningen promoviert. Wasungen, sein Wohnort, sem Tag ist Dr. Günther Wölfing im Alter von 79 entwickelte sich bald zu einem seiner wichtigsten Jahren verstorben. Forschungsfelder: Von der Kirchen- bis zur Schul- geschichte durchdrang Wölfing das städtische Le- Er arbeitete von 1978 bis 2003 im Henneber- ben der Vergangenheit. Dabei war sein Haupt- und gischen Museum (das anfangs noch Agrarhisto- Broterwerb der des Lehrers. Sein Bekenntnis zum risches Museum des Bezirkes Suhl hieß) und war evangelischen Glauben führte jedoch schließlich von 1995 an sein Direktor. Der dritte nach Eberhard dazu, dass er als Lehrer nicht mehr erwünscht war. Köhler und Siegmar Banz. Günther Wölfing wurde So wechselte er 1978 an das Agrarhistorische Mu- gewissermaßen wider Willen Leiter des Freilichtmu- seum des Bezirks Suhl. Hier nun stürzte er sich in seums, das er schon so lange aus der Innenperspek- die Arbeit an der Klostergeschichte, die ihn zeitle- tive kannte, als Siegmar Banz in den Wendewirren bens umtrieb. 2010 legte er mit einem über 700 ausschied. Das Führen des Teams war – wie man Seiten umfassenden Regesten-Band ein zentrales erzählt – nicht seine größte Leidenschaft. Diese galt Ergebnis seiner Forschungen vor. ganz und gar dem Forschen. Wie kein anderer zuvor, durchdrang Günther Wölfing die mittelalterliche Die Friedliche Revolution hatte auch die For- Geschichte Kloster Veßras. Er leistete Grundlagen- schungsmöglichkeiten verändert. Und nicht zuletzt arbeit hier und anderswo.1 konnte nun der Hennebergisch-Fränkische Ge- schichtsverein, 1832 von einem Freundeskreis um Seine wissenschaftliche Karriere begann Gün- den Dichter und Märchensammler, Archivar und ther Wölfing früh und auf anderem Terrain: Seine Bibliothekar Ludwig Bechstein gegründet, wieder erste Veröffentlichung befasste sich mit einem ins Leben gerufen werden. Sein Vorsitzender war bis ornithologischen Thema und entstand schon im 2002 Günther Wölfing. Er sollte im Folgejahr Verein Jahr 1956 (da war Wölfing gerade 16). Bald dar- und Museum auf besondere Weise verknüpfen: Die auf zog es ihn dann mehr zu historischen Themen nun als Hennebergisches Museum benannte Ein- hin. Die ab dem Jahr 1965 von der Arbeitsgemein- richtung suchte nach dem Wegfall des Bezirks Suhl schaft Stadtgeschichte publizierten „Wasunger einen neuen Träger und dieser wurde der Henneber- Geschichtsblätter“ waren ihm ein wichtiges wis- gisch-Fränkische Geschichtsverein. Günther Wölfing senschaftliches Experimentierfeld. Es sollte eine verabschiedete sich 2003 in den Ruhestand, nach- Vielzahl an landes-, stadt- und auch kulturge- dem die Trägerschaft geklärt war, mit der das Muse- schichtlichen Veröffentlichungen folgen. umsteam bis heute sehr zufrieden ist.

110 Aus dem Museumsverband

Bis zuletzt hoffte Günther Wölfing, eine Mono- Verein sein, all seine schon getane Arbeit eines Ta- grafie zur Klostergeschichte Veßras fertigstellen zu ges in eben jenem Werk zu bündeln und ihm diesen können, doch die gesundheitlichen Einschränkun- Wunsch posthum zu erfüllen. gen verunmöglichten dies. Es wird eine wichtige Herausforderung für das Museumsteam und den Uta Bretschneider

Dank (1) Für die Hinweise zur Vita von Dr. G. Wölfing danke ich Dr. Jo- hannes Mötsch ganz herzlich.

111 Aus dem Museumsverband

Nachruf auf Karin Breitkreutz

ief bewegt und in anhaltend großer Trauer eine passende Begleitung und Mitmachangebote Tnahm die Belegschaft der Geschichtsmuseen erhielten, die bei der Thüringer Lehrerschaft Aner- und die Kulturdirektion Erfurt Abschied von Karin kennung fanden. Breitkreutz, die nach langer schwerer Krankheit am Damit hatte sie stilbildenden Einfluss über die 17. Juli 2019 verstarb. Stadtgrenzen Erfurts hinaus. Sowohl innerhalb des In ihrer 30-jährigen Dienstzeit im Stadtmuseum Museumsverbands Thüringen als langjährige Fach- der Landeshauptstadt Erfurt hat sie den Bereich gruppensprecherin der Museumspädagogen als der Besucherbetreuung in Museen, den man heute auch im Deutschen Museumsbund war sie ein hoch Museumspädagogik und kulturelle Bildung nennt, geachtetes Mitglied. Ihre Ideen wurden diskutiert nach der politischen Wende von 1989 aufgebaut und konnten sich so deutschlandweit verbreiten. und kontinuierlich weiterentwickelt. Unermüdlich Ihre Offenheit für neue Konzepte und ihr positiver forcierte sie die Zusammenarbeit mit Bildungs- Blick etablierten ein Netzwerk, das bis hin zu öf- einrichtungen unterschiedlichster Art und gab in fentlichen und privaten Tourismusgesellschaften, zahllosen Veranstaltungen dem Museum ein Ge- Medien und Künstlern reichte, wodurch sich lang- sicht. Insbesondere die Heranführung von Kindern, fristige Partnerschaften verstetigen konnten. Jugendlichen, aber auch sozial Benachteiligten an Wir wissen, dass wir ihr Andenken am besten die Stadt- und Geschichtskultur lag ihr am Herzen. bewahren, indem wir ihre zahlreichen Arbeitsfelder Sie entwickelte nachhaltig zielgruppenspezifische fortführen und ihre Ideen bewahren und weiterent- Programme und sorgte bei ihren Kollegen mit wickeln. Nachdruck dafür, dass die zahlreichen kleinen und großen Sonderausstellungen des Museums stets Hardy Eidam

112 Aus dem Museumsverband

Nachruf auf Ernst Hofmann

or einem Vierteljahr, am 11. Juni, verstarb unser musealen Einrichtungen halt machte. Als Direktor Vgeschätzter Kollege Ernst Hofmann, in dessen dieser renommierten Einrichtung stellte er sich den Händen von 1990 bis 2009 die Direktion des Deut- neuen Herausforderungen, die nicht einfach zu be- schen Spielzeugmuseums in Sonneberg lag. Der wältigen waren. In diesen Jahren gelang es Ernst gebürtige Greizer studierte in Berlin Ethnographie Hofmann, dass das Spielzeugmuseum in ganz Thü- und befasste sich in seiner lesenswerten Diplomar- ringen zunehmend in den Focus rückte. Er trieb die beit mit dem Proletariat als Forschungsgegenstand Erschließung der wertvollen Sammlungen voran in der deutschen Volkskunde. Nach seinem Studi- und setzte neue Akzente bei den Neuerwerbungen. um führte ihn sein beruflicher Weg nach Chemnitz, Vor allem faszinierte ihn die Möglichkeit, über die dem damaligen Karl-Marx-Stadt, wo er als wissen- präsentierten Sachzeugen Geschichte vermitteln zu schaftlicher Mitarbeiter am Stadtarchiv tätig war. können. Für die Thüringer Museumshefte schrieb Ernst Hofmanns Veröffentlichungen und Aufsätze Hofmann 1998 einen Aufsatz, den er bezeichnen- dieser Zeit lassen sehr stark den Volkskundler er- derweise „Gedanken zur Dokumentation der Ge- kennen, der die Quellen stets nach ihrer sozialge- genwart“ betitelte. In seiner sozialgeschichtlichen schichtlichen Relevanz befragte. In diesem Zusam- Herangehensweise versuchte er, jenseits einer nos- menhang beschäftigte sich Hofmann auch mit der talgischen Sichtweise Fragen nach dem Wandel der Entwicklung des Kunsthandwerks, der Architektur Spielzeugwelt nachzugehen, indem er den Einfluss und der bildendenden Künste in der zweiten Hälfte von Film, Werbung und modernen Medien auf die des 19. Jahrhunderts, die durch die Industrialisie- Spielzeugproduktion herausarbeitete. Von ihm ku- rung mehr und mehr beeinflusst wurden. Vielleicht ratierte Sonderausstellungen wurden immer wie- führten Hofmann solche Fragestellungen zum Mu- der zu Publikumsmagneten. seumswesen. Immerhin promovierte er 1984 und Nicht zuletzt gelang es Ernst Hofmann in sei- war ab 1987 am Institut für Museumswesen in nen Aufsätzen für Kataloge, die Geschichte der Berlin tätig, wo er sich mit Methoden zur Erschlie- Spielzeugherstellung in Sonneberg, aber auch die ßung von Sammlungen durch moderne Informati- Geschichte des Spielzeugmuseums wieder in den onstechnik beschäftigte. Vordergrund zu stellen. Ernst Hofmann wird uns in Ernst Hofmann, dessen Lebensmittelpunkt sich der thüringischen Museumslandschaft fehlen. Wir 1990 nach Sonneberg verlagert hatte, wurde im werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Juni des gleichen Jahres Direktor des Deutschen Spielzeugmuseums. In dieser Zeit stand die ganze Gesellschaft vor einem Umbruch, der nicht vor den Lutz Unbehaun

113 Autorenverzeichnis

Autorinnen und Autoren

• Bieritz, Katja • Heyner, Frank Mitarbeiterin am Lehrstuhl Inklusive Bildungspro- Thüringer Klimaagentur am TLUBN zesse bei geistiger und mehrfacher Behinderung, Universität Erfurt • Ipach, Casha Promovendin Klassische Archäologie, Friedrich- • Bioly-Schlebe, Claudia Schiller-Universität Jena Mitarbeiterin der Pressestelle des Landratsamtes Saale-Holzland-Kreis • Jost, Kilian Kurator Klassik Stiftung Weimar • Bretschneider, Dr. Uta Direktorin Hennebergisches Museum Kloster Veßra • Korrek, Dr. Norbert Architekt und Architekturtheoretiker • Dechant, Gina Mitarbeiterin im Bereich Kulturförderung des Land- • Kühn, Bernhard ratsamtes Saale-Holzland-Kreis Klimatologische Messstation, Ernst-Abbe-Hoch- schule Jena • Eidam, Hardy Direktor Stadtmuseum Erfurt • Meinzenbach, Anne Leiterin Haus der Weimarer Republik • Grisko, Michael Referent Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thü- • Müller, Dr. Thomas T. ringen Direktor Mühlhäuser Museen, Präsident Muse- umsverband Thüringen e.V. • Hänze, Katrin Wissenschaftl. Volontärin in der Brehm-Gedenk- • Nowak, Holger stätte Rentendorf Leiter Geschäftsstelle Museumsverband Thürin- gen e. V. • Heine, Hildegard Museumsberaterin Museumsverband Thüringen e. V. • Seeber, Ralf Fachberater Notfallverbund beim Kulturrat Thü- • Helbig, Ingolf ringen e. V. Fachdienst Feuerwehr der Stadt Jena, Vorbeugende Gefahrenabwehr

114 Autorenverzeichnis

• Steinmetz-Oppelland, Dr. Angelika • Werneburg, Dr. Ralf Museumsberaterin Museumsverband Thüringen e. V. Direktor Naturhistorisches Museum Schloss Bert- holdsburg Schleusingen • Tominski, Sabine Leiterin Stadtmuseum Bad Langensalza • Winter, Prof. Dr. Eva Lehrstuhl für Klassische Archäologie, Friedrich- • Ulbricht, Dr. Justus H. Schiller-Universität Jena Historiker • Wolf, Dr. Christiane • Unbehaun, Dr. Lutz Leiterin Archiv der Moderne und Universitätsar- Direktor Thüringer Landesmuseum Heidecksburg chiv, Bauhaus-Universität Weimar

• Weilandt, Doris • Zschäck, Franziska Pressesprecherin Museumsverband Thüringen e. V. Leiterin Thüringer Freilichtmuseum Hohenfelden

115 Impressum

Impressum

Herausgeber: Die Thüringer Museumshefte erscheinen 2019 zwei- Museumsverband Thüringen e. V. mal, im Juni und im Dezember. Sie werden an die Mu- seen in Thüringen, an deren Träger, Freunde und Part- ner abgegeben. Die Schutzgebühr beträgt 5,00 Euro. V.i.S.d.P.: Dr. Thomas T. Müller

Herausgeber und Redaktion übernehmen keine Redaktion: Forderungen, die aus Rechten Dritter zu einzelnen Dr. Ulf Häder, Sandra Müller, Dr. Angelika Steinmetz- Beiträgen entstehen. Für unverlangt eingesandte Oppelland, Doris Weilandt (Redaktionsleitung) Texte, Fotos und Materialien wird keine Haftung übernommen.

Redaktionsschluss: 11. Oktober 2019 Die Thüringer Museumshefte und alle in ihnen enthal- tenen Beiträge, Fotos und Abbildungen sind urheber- Anschrift: rechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Museumsverband Thüringen e. V. engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustim- Redaktion Thüringer Museumshefte mung der Autoren bzw. der Redaktion unzulässig und Wallstraße 18 | 99084 Erfurt strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen Telefon: +49 361 5513865 jeder Art, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und E-Mail: [email protected] die Einspeicherung in elektronische Systeme. Internet: www.museumsverband-thueringen.de https://facebook.com/museumsverband.thueringen

© Museumsverband Thüringen e. V., bei den Au- Gestaltung: toren, Fotografen und Museen 2019. Falls nicht 2C Media Werbeagentur, Inh. Steffen Dietz anders vermerkt, liegen die Nutzungsrechte an den 98553 Schleusingen Fotos bei den Museen.

116 Museumsschätze

ohannes Driesch JDer Töpfer und sein Schutzengel“ Das Gemälde „Der Töpfer und sein Schutzengel“ ist das letzte, unvollendete Hauptwerk von Johan- nes Driesch (1901-1930). Er zählte zu den ersten Studenten der keramischen Abteilung des Staat- lichen Bauhauses in Weimar. Diese zog 1920 mit dem Formmeister aus Platzmangel und auf der Suche nach einem geeigneten Töpfer- bzw. Werkmeister in das 30 Kilometer entfernte Dornburg um. Die Dornburger Bauhaus-Schüler beschäftigten sich jedoch nicht nur mit der Töpfe- rei, sondern unter Anleitung des Bildhauers Ger- hard Marcks mit unterschiedlichen Bereichen der bildenden Kunst. In der Folge entschloss sich Jo- hannes Driesch 1922, die Töpferei zugunsten der Malerei aufzugeben. Er erhielt die Sondererlaubnis, in der Werkstatt zu verbleiben, sich aber nicht mehr mit Keramik befassen zu müssen.

Das Gemälde ist Teil der Dauerausstellung des im Juni 2019 eröffneten Bauhaus-Werkstatt-Muse- ums Dornburg, das mit der Töpferei die letzte in situ erhaltene Werkstatt des Bauhauses erlebbar macht. Der Ankauf wurde durch die Ernst von Sie- mens Kunststiftung für das Museum getätigt. Kontakt FTE | 2/2019

Museumsverband Thüringen e. V. E Wallstraße 18 · 99084 Erfurt H

Telefon 0361 5513865

Telefax 0361 5513879 MUSEUMS r e g [email protected] n www.museumsverband-thueringen.de h www.facebook.com/museumsverband.thueringen t üri