l ezia t»-Sp Pos er um aden bilä etb r-Ju n Jah «En 200- zum September, Nr. 4/2019 Ennetbadener Post

Das Informationsblatt der Gemeinde Ennetbaden

Ennetbaden um 1819: Grosser Sonderteil zum 200-Jahr-Jubiläum der Gemeinde (ab Seite 11).

Gemeindenachrichten Abgeschlossene Umbauarbeiten 7 Schule Die neuen Lehrpersonen 34 Wohnort Ennetbaden Erwin Gysel, gelernter Ennetbadener 36 Editorial

Ennetbaden feiert

Sie halten eine spezielle Ausgabe nen und Ennetbadener mit dem «Heisse Brun- der «Ennetbadener Post» in Hän- ne» selbst ein würdiges Jubiläumsgeschenk ge- den. Unser Redaktor Urs Tremp hat macht haben. rund um das 200-Jahr-Jubiläum unserer Gemeinde ein «Ennetbade- Nun folgt der Höhepunkt der Feierlichkeiten, ner Post»-Spezial zusammengestellt. das grosse Dorffest vom 5. bis 8. September. Viel Vergnügen bei der Lektüre (ab Auf den drei Festgeländen Badstrasse, Post- Seite 11)! platz und Parkhausdeck können Sie sich mu- si kalisch und kulinarisch verwöhnen lassen. Das Jubiläumsjahr hat im Januar Mehr Informationen über das Angebot können Michel Bischof, fulminant begonnen mit dem Neu- sie dem Fest-Flyer entnehmen, der in alle En- Gemeinderat jahrsapéro im «Schwanen». Ba- netbadener Haushalte und auch in den Nach- dens Stadtammann Markus Schnei- bargemeinden verteilt wurde. Auf der speziell der erwähnte in seinem Grusswort, eröffneten Website erfahren Sie alles rund ums dass es eigentlich nichts zu feiern Fest: www.ennetbaden200.ch gebe. Klang da die späte Erkenntnis durch, die Abtrennung von Ennet- Das Jubiläumsjahr-Finale findet schliesslich baden im Jahr 1819 sei ein monu- vom 20. bis zum 22. Dezember (dem eigent- mentaler Fehler gewesen? Wie im- lichen Jahrestag der Trennung) statt. Ich hoffe, mer: Vor über drei Jahren haben dass wir Sie mit dem dritten Teil der Theater- wir im Gemeinderat beschlossen, trilogie, dem Lichterspektakel und dem Weih- das 200-Jahr-Jubiläum der Eigen- nachtsmarkt nochmals werden erfreuen kön- ständigkeit würdig zu begehen und nen. zu feiern. Ein grosser Dank gilt meiner Kollegin und Der erste Teil der Theatertrilogie meinen Kollegen im OK: Dominik Andreatta «Baden hat genug» wurde im Mai (Gesamtkoordination), Philipp Fischer (Unter- im Landvogteischloss aufgeführt. haltung), Raoul Abraham (Festwirtschaft), Das von Ruth und Röbi Egloff ge- Bruno Brändli (Werbung/Marketing), Andreas leitete Stück war bei allen Vorstel- Müller (Bau) und Petra Marbot (Finanzen). lungen ausverkauft. Gleichzeitig Mit grosser Leidenschaft und viel Zeitauf- startete im Historischen Museum wand und Energie haben sie die Jubiläumsan- die Ausstellung «Der Rebberg von lässe organisiert. Baden». Die sehenswerte Ausstel- lung kann noch bis am 8. Septem- Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen und span- ber besichtigt werden (s. S. 6). nende Begegnungen am Dorffest! Geniessen Sie das Fest für Jung und Alt! Unsere Sommer-Gemeindeversamm- lung in Form einer Landsgemeinde Michel Bischof, Gemeinderat, ist allen in bester Erinnerung. Für OK-Präsident 200 Jahre Ennetbaden den Gemeinderat waren die histo- rischen Kostüme zwar etwas ge- wöhnungsbedürftig, aber es hat Spass gemacht! Speziell gefreut hat mich, dass sich die Ennetbadenerin-

2 Gemeindenachrichten

Schon bald geht’s los

Nur noch wenige Tage, dann steigt wann zu hören und zu sehen sein wird. In den das Ennetbadener Dorffest zum einzelnen Festbeizen werden zudem kleinere 200. Geburtstag unserer Gemeinde. kulturelle Darbietungen stattfinden. Gespannt darf man sein auf den zweiten Teil Die Aufbauarbeiten sind so weit fortgeschritten, der Festspiel-Trilogie «Ännet» auf der Frei- dass am Donnerstagabend, 5. September, lichtbühne. Noch bis am Mittwoch, 4. Septem- zum dreitägigen Fest zum 200-Jahr-Jubiläum ber, können Eintrittskarten bei der Einwoh- von Ennetbaden gestartet werden kann. Gut nerkontrolle Ennetbaden am Schalter gegen 30 Vereine und Gruppen bieten entlang des Barzahlung gekauft werden. Je nach Vorver- 750 Meter langen Festgeländes von der Bad- kauf gelangen noch Billette in den Verkauf an strasse zum Postplatz und via Postweg der Theaterkasse, jeweils ab zwei Stunden vor zum Parkhausdach in Restaurants, an Bars Vorstellungsbeginn. und Essständen kulinarische und kulturelle Um zu zeigen, dass die Gemeinde Ennetbaden Spezialitäten an. nicht nur von Nachhaltigkeit redet, sondern Es sind vor allem musikalische Spezialitäten, die Nachhaltigkeit auch umsetzt, werden in allen angeboten werden. Über 40 Bands und Ein- Festbeizen Mehrwegbecher (mit Depotsystem) zelkünstler-/Innen treten während des Festes verwendet. Mit den Toiletten der Firma Kom- auf den vier Bühnen auf. Die Festwebsite www. potoi konnte zudem eine umweltfreundliche ennetbaden200.ch gibt darüber Auskunft, wer WC-Variante gewählt werden.

Festportal, Aufbau der Theaterbühne, Beizenaufbau im Tunnelzwischenraum: Kulturelle und kulinarische Spezialitäten.

3 Gemeindenachrichten

Der offizielle Festakt zum 200. Geburtstag findet am Samstag, 7. September, 11 Uhr, auf dem Postplatz statt. Dann wird der - er Landammann Urs Hoffmann die Festan- sprache halten. Ein ökum. Gottesdienst am Sonntag (10 Uhr) rundet den feierlichen Teil des Festes ab. Auf dem Festgelände gilt jeweils ab einer Stunde vor dem Fest ein absolutes Fahrver- bot. Ein dafür beauftragter Verkehrsdienst wird die Verkehrsregelung zusammen mit der Stadtpolizei Baden übernehmen. Für betroffene Grundeigentümer und Mieter werden Ersatz- parkplätze im Parkhaus zur Verfügung gestellt. Für Besucher sind für das Parkieren von Autos grundsätzlich die Parkhäuser der Stadt Ba- den zu benützen. Eine begrenzte Anzahl Park- plätze wird entlang der Höhtalstrasse ab Höhe Informationsstele in Ennetbaden: Ein grosser Lebensraum. Liegenschaft Höhtalstrasse 28 bis zur Einmün- dung in die Schlierenstrasse ausgeschildert. Es gilt Einbahnverkehr. die Errichtung des rund 100 Kilometer langen Der RVBW-Bus auf der Linie 5 wird während Biketrails durch die flankierenden Hügelzüge der Festzeiten anstelle via Gärtnerweg und des Limmattals. Das Jahr 2019 steht für den Höhtalstrasse entlang der Trottenstrasse Verein unter dem Motto «Regionale 2025 auf verkehren und dort die markierten Ersatzbus- Tour». haltestellen bedienen. Die Linie 5 wird freitags Auf dieser Tour wird die Bevölkerung über den und samstags jeweils bis zum Festschluss Verein und dessen Projekte informiert und zu bedient. Festfahrplan: www.rvbw.ch Veranstaltungen eingeladen. In allen Partner- gemeinden – also auch in Ennetbaden – wur- den Informationsstelen aufgestellt, sowie an Ennetbaden ist auch Limmattal den Orten, wo Projekte in Bau oder in Pla- nung sind. Weil das Limmattal zwischen Zürich-West und Am Freitag, 13. September eröffnet die Regio- der Region Baden immer stärker zusammen- nale 2025 die grosse Landschaftsausstellung wächst und eine verstärkte Zusammenarbeit «Wachgeküsst». Studierende von vier Hoch- der Limmattalgemeinden zukunftsträchtig sein schulen haben sich architektonisch und künst- könnte, ist 2015 der Verein Regio nale 2025 lerisch mit dem Grenzraum zwischen Zürich gegründet worden. Ihm gehören 16 Gemein- und Aargau auseinandergesetzt. Wie lässt sich den und Städte sowie die Kantone Aargau und die Landschaft sichtbar machen? Was ist das Zürich an. Der Verein will grenzübergreifen- Potenzial dieses Raumes und wie könnte er zu- de und zukunftsweisende Projekte koordinie- künftig genutzt werden? Eine Jury hat 11 die- ren und begleiten. Projektideen können von ei- ser Ideen ausgewählt, die sich nun im Aufbau ner Gemeinde, einer Organisation aber auch befinden. Die Vernissage am 13. September von Privatpersonen eingereicht werden. Bedin- findet neben der Gartenanlage «(G)Artenviel- gung: Das Projekt soll zukunftsweisend, nach- falt» bei der Stadthalle Dietikon statt. haltig und für die Region wichtig sein. Bei der Veranstaltungen und Informationen Realisierung eines Projekts bietet die Regio- der Regionalen 2025 auf: nale 2025 Unterstützung an. Ein Beispiel ist www.regionale2025.ch

4 Verfallanzeige prov. Steuern 2019 Jubiläum im Alterszentrum Kehl Ende September werden die Verfallanzeigen für noch nicht bezahlte provisorische Kan- tons- und Gemeindesteuern 2019 verschickt. Bereits geleistete Akontozahlungen sind auf der Abrechnung berücksichtigt. Der Restbe- trag ist per 31. Oktober zu begleichen. Wer in finanziellen Schwierigkeiten steckt und für den eine fristgerechte Bezahlung der offenen Steuern nicht möglich ist, kann der Abteilung Finanzen via [email protected] recht- zeitig einen schriftlichen Zahlungsvorschlag mit Begründung unterbreiten. Eine fristgerech- te Bezahlung lohnt sich, denn ab 1. November 2019 wird auf dem Restausstand ein Verzugs- zins von 5,1 Prozent berechnet. Nach erfolg- Alterszentrum Kehl 1964: 55. Geburtstag. ter Mahnung kann die Forderung ohne weite- re Vorankündigung betrieben werden. Voraus- Das Badener Alterszentrum Kehl (an dem auch zahlungen werden mit einem Vergütungszins Ennetbaden beteiligt ist), feiert den 55. Geburtstag. von 0,1 Prozent honoriert. Dieser Vergütungs- Das wird mit verschiedenen Attraktionen ge- zins ist steuerfrei. feiert – mit der Musikgesellschaft Badenia und der Wynavalley Oldtime Jazzband, mit dem Age Man (wie kann sich das Alter anfühlen?), mit Clown Susi. Infoanlass Tempo 30 auf Dazu gibt es geführte Rundgänge, eine Fotoaus- Ennetbadener Gemeindestrassen stellung, Verpflegung im Festzelt und an den Markt- ständen. Samstag, 14. September, 11 bis 16.30 Im kommunalen Gesamtplan Verkehr (KGV), Uhr, auf dem Areal Alterszentrum Kehl, Baden. der behördenverbindlich ist, ist festgehalten, dass die Einführung von Tempo 30 auf al- len Gemeindestrassen in der Legislaturperi- Auf der Linie 5 verkehrt ode 2018/2021 zur Abstimmung zu bringen künftig ein Elektrobus ist. Dieser Auftrag ist in den Legislaturzielen 2018/2021 enthalten, die von der Gemeinde- Die Regionalen Verkehrsbetriebe RVBW haben versammlung am 7. Juni 2018 zustimmend zur im Dezember 2018 beim Bund die Unterstützung Kenntnis genommen wurden. Inzwischen hat des Leuchtturmprojektes «E-Busse auf der der Gemeinderat die erforderlichen Fachgut- RVBW Linie 5 – Baldegg/Äusserer Berg» beantragt. achten ausarbeiten lassen und in der Planungs- Es ist vorgesehen, den Betrieb des Elektrobusses kommission zur Diskussion gebracht. Es ist am 1. Dezember 2020 zu starten. Noch offen vorgesehen, der Gemeindeversammlung vom sind die Kosten für die Erweiterung bzw. den 7. November 2019 Bericht und Antrag zur Umbau der Haltestellen mit Schnellladestationen Einführung von Tempo 30 auf allen Gemein- an den Endpunkten Baldegg in Baden und Äusserer destrassen zu stellen. Die Bevölkerung wird Berg in Ennetbaden. Der Gemeinderat hat be- zu einer Informationsveranstaltung eingela- stätigt, einen Kostenanteil für den Haltestellenumbau den auf Dienstag, 24. September, 19.30 Uhr, in Ennetbaden ins Budget 2020 aufzunehmen in der Turnhalle Ennetbaden. Der Gemeinde- und der Gemeindeversammlung vom 7. November rat und Fachleute stehen dabei für Fragen und 2019 zur Genehmigung zu unterbreiten. Anliegen zur Verfügung.

5 Ein- und austretende Lernende bei der Gemeinde

Livia Küderli (Kauffrau M-Profil), Ennetbaden, und Ramon Lüthy (Fach- mann Betriebsunterhalt, Werkdienst), , haben ihre Lehre bei der Gemeinde verwaltung und den Schulanlagen Ennetbaden begonnen. Gemeinderat und Verwaltung heissen sie herzlich willkommen und wünschen ihnen viel Erfolg.

Anja Keller (Kauffrau Bauarbeiten an der Hertensteinstrasse: M-Profil) hat ihre Ausbildung Einschränkungen noch bis Ende Jahr. bei der Gemeindeverwaltung erfolgreich abgeschlossen. Sie wird noch bis nach dem Sanierung der Hertensteinstrasse Dorffest 2019 als Aushilfs- angestellte arbeiten und Dank des schönen und warmen Sommerwet- dann zur Stadtverwaltung in Dietikon ZH wechseln. ters konnten die Bauarbeiten an der Herten- Lambert Martin hat von 2016 bis 2019 die Aus- steinstrasse planmässig ausgeführt werden. bildung als Fachmann Betriebsunterhalt/Hausdienst Die Bauphasen 2 und 3 wurden Ende Juli in bei den Schulanlagen absolviert. Derzeit besucht Angriff genommen und dauern voraussicht- er die Infanterierekrutenschule in St. Gallen. Wir lich bis Ende September. Während dieser Zeit wünschen den beiden für die Zukunft alles Gute. ist der Abschnitt zwischen Einmündung Wein- bergweg und Abzweiger Goldwandstrasse für den Verkehr gesperrt. Entsprechend ist die Zu- Viel Lob für «Der Rebberg fahrt von Ennetbaden her nur noch bis zum von Baden» Weinbergweg möglich. Die Anwohner (Her- tensteinstrasse 21 bis 39, 58, 60, 70 und 80, Noch bis zum 8. September ist im Historischen Schiibe, Goldwandstrasse) müssen via Her- Museum in Baden die Ausstellung «Der Rebberg tenstein zufahren. Fussgänger und Velofahrer von Baden» zum 200-Jahr-Jubiläum der selbst- können die Baustelle jederzeit passieren. ständigen Gemeinde Ennetbaden zu sehen. Bis Je nach Situation ist es bei den gegenwärtigen Mitte August zählte das Museum mehr als 2000 und künftigen Bauarbeiten möglich, dass Park- Besucher-/Innen. Diejenigen, die im Gästebuch des platzprovisorien erforderlich sind. Es besteht Museums einen Kommentar hinterliessen, waren die Möglichkeit, Parkkarten für die öffent- voll des Lobes: «Die Ausstellung ist grossartig! Kopf, lichen Parkplätze oder eine Parkkarte für das Herz, Hand und sogar Nase und Gaumen, alle Parkhaus Zentrum bei der Gemeinde zu bezie- kamen auf ihre Rechnung. Ein Genuss für Gross und hen. Die öffentlichen Parkplätze bei der Spital- Klein.» «Wunderschöne Ausstellung! Interessant, trotte stehen zur Verfügung. v.a. wenn man in Ennetbaden aufgewachsen Wenn keine grossen Überraschungen oder ist.» «Sehr informative und originell gestaltete Wetterkapriolen auftreten, sollten die Haupt- Ausstellung. Gratuliere!» bauarbeiten bei der Sanierung der Herten- steinstrasse Ende 2019 abgeschlossen sein.

6 Gemeindenachrichten

Sanierung Fussweg Unterhäuli

Im Zusammenhang mit der Offenlegung des Munibachs (EP 3/2019) ist der Fussweg vom Rastplatz Unterhäuli Richtung Rosenquelle und Waldfestplatz erneuert worden. Die rut- schigen Treppenstufen aus alten Eisenbahn- schwellen wurden entsorgt und durch massive Tritte aus Dietfurter Kalkstein ersetzt. Zudem wurde die Wegführung im oberen Bereich so verlegt, dass neu weniger Stufen überwunden werden müssen. Der Fussweg konnte mit die- sen Massnahmen sicherer und attraktiver ge- staltet werden.

Umbauarbeiten abgeschlossen

In den letzten Monaten und Wochen sind rund ums Gemeindehaus verschiedene Umbauar- beiten abgeschlossen worden. So werden die Schulanlage und das Gemeindehaus neu nicht nur mit einer modernen Holzschnitzelhei- zung beheizt, eine neue Warmwasserauf- bereitungsanlage auf dem Foyerdach sorgt zudem für Warmwasser in der Turnhalle. Umbau Erdgeschoss Gemeindehaus: Ende Juni konnten die modern und hell umgebau- ten Büroräumlichkeiten im Erdgeschoss des Gemeindehauses bezogen werden. Mit dem Einbau einer Zugangsrampe ins Gemeinde- haus sowie neuen Sitzungszimmern im Erdge- schoss ist ein einladender und zweckmässiger Kundenbereich geschaffen worden. Die Räu- me sind nun auch wesentlich heller. Umnutzung der Liegenschaft Grendel- stras se: Mit Beginn des neuen Schuljahres sind die umgestalteten Räumlichkeiten in der ehemaligen Wohnliegenschaft an der Grendel- strasse vom Verein Tagesstrukturen bezogen worden. «Tagi-Club» heisst das neue Tages- strukturen-Haus und ist eingerichtet für die Kinder der 4. bis 6. Klasse. Gemeinderat, Verwaltung und der Verein Ta- gesstrukturen laden alle Interessierten ein zur Besichtigung der Umbauten – mit Kaffee Umbauarbeiten im Gemeindehaus, neue Warmwasser- aufbereitungsanlage auf dem Foyerdach, Räume in und Gipfeli: Samstag, 26. Oktober, von 10 den Tagesstrukturen an der Grendelstrasse: Kundenfreund- bis 12 Uhr. licher, ökologischer, heller.

7 Heimatkunde

Blumenflor und Herzensfrische

Kinderumzug am Dorffest 1919: «Eure Fröhlichkeit muss die unsere wecken.»

Die Feier zum 100. Geburtstag Ennet- Auch die Grossen waren voll Freude, denn badens 1919 ist längst Vergangenheit. das Festfieber hatte sie auch angelacht, denn Doch ein Blick in die Berichterstattung jetzt galt es noch, alles in Ordnung zu bringen, eines OK-Mitglieds über das Dorf- damit ja nichts fehle am Nachmittag, damit ja und Jugendfest auf dem Waldfestplatz ein jeder zufrieden sei. ist auch heute noch von Reiz: Schon vor der Zeit waren die Kinder auf Endlich brach der Tag heran. Aber lei- dem Platze, und als die Festmusik und Verei- der zeigte Petrus sein trübes Gesicht. Die ne aufkamen, so rüstete man sich zum Um- ‹‹Kinder sprangen schon in früher Morgenstun- zuge durch das Dorf. (...) Schöner hätte es de herum und fragten immer, ob es auch abge- sich nicht gestalten können. Ein Festzug voll halten werde. Petrus hatte Erbarmen, denn um blühender Jugend, freudvollen Eltern, hellen ½ 11 Uhr zeigte der Himmel sein besseres Ge- und leuchtenden Augen, voll Blumenflor und sicht, denn um 11 Uhr liessen die Weisen aus Herzensfrische, die unter grossem Jubel die dem Morgenlande den Freudenschuss ab, da reich geschmückten Quartiere durchwallte, gab’s unter den Kindern ein Jubel und durch um endlich in dem Wald im Buchengrün auf die Grendelstrasse sprangen sie hinunter und dem Festplatze anzukommen, wo schon eine riefen so laut dass sie konnten: ‹Das Fest wird tausendköpfige Zuschauermenge da war, um abgehalten!› den Festzug nochmals sehen zu können. Nach (...) Musik-Vortrag sang der Männerchor das Lied

8 ‹Gott in der Natur›, dann hielt Vize Ammann dass die Gemeinde Ennetbaden während der E. Schneider folgende Rede: Kriegszeit für Fürsorgemassnahmen grosse Opfer gebracht hat. ‹Sehr geehrte Festversammlung – Es sind hun- dert Jahre her, seit Ennetbaden ein politisch Wenn wir heute das Centarium festlich bege- selbständiges Gemeindewesen geworden ist. hen, so tun wir es nicht aus Freude über die (...) Wir wollen blättern in dem kleinen Buche Trennung der Stadt, sondern vielmehr aus Be- unserer Geschichte und uns die Vergangenheit geisterung darüber, dass unser Gemeindewesen vor Augen führen. Wir wollen aber auch die sich in so überaus glücklicher Weise hat entwi- Gegenwart betrachten und einen Blick in die ckeln können und nicht zuletzt auch aus dem Zukunft werfen. Wenn wir uns zurückverset- Bedürfnis heraus, unsere Bevölkerung wieder zen, dann finden wir ennet der Stadt Baden hin einmal zusammenzuführen zu frohem Tun. gebettet an den Hang der Lägern ein kleines trautes Bauerndorf mit einigen bescheidenen Auch die Badener werden es ganz begreiflich Badgasthöfen. Dieses Dorf hatte seine eigene finden, wenn wir uns am heutigen Tage unse- Verwaltung, stand aber politisch unter gewis- re Selbständigkeit freuen und dabei ein ganz sen Rechten der Stadt. Alle die Freuden und klein wenig stolz sind auf unsere Eigenart und Leiden Badens hat auch Ennetbaden mitgekos- unsere besonderen Verhältnisse. Wir wollen tet und unter den Fehlern der Stadt schwer ge- heute gerne zugestehen, dass unsere Gemein- litten. (...) Die Bäder wurden, wie diejenigen de nur in engster wirtschaftlicher Verbindung von Baden, in früherer Zeit schon sehr stark mit der Stadt hat blühen und gedeihen kön- besucht. Zu besonders grosser Zahl kamen die nen. Eine sehr grosse Zahl unserer Einwohner Zürcher, die nach Baden einen regen Schiffs- hat ihren Brotkorb in Baden stehen. Auch un- verkehr unterhielten. Und diese Zürcher, sie sere kurörtlichen und die Verkehrsinteressen waren, wenn sie ungerüstet kamen, gern ge- fallen mit denen von Baden zusammen. Und sehene Gäste, die viel Fröhlichkeit und Geld so drängt sich selbst die Frage auf, ob es nach mitbrachten. Zu gewissen Zeiten waren die der hundertjährigen Trennung nun nicht wie- Bäder der Sammel- und Tummelplatz für das der an der Zeit wäre, an die Vereinigung zu lose und genusssüchtige Volk, und es ging oft denken. Der Moment scheint noch nicht ge- so ungezwungen zu, dass die Behörden mit al- kommen zu sein. Ich möchte aber die Gele- ler Strenge eingreifen mussten. genheit nicht vorübergehen lassen, ohne mei- (...) ner Meinung dahin Ausdruck zugeben, dass Unsere Gemeinde ist nicht schöner und die beiden Gemeinden zusammengehören und auch nicht reicher als viele andere und nichts dass sie durch die Verhältnisse wieder zusam- Besonderes hat sie zu bieten. Was ist es aber mengeführt werden. dann, dass sie uns so lieb und teuer macht? (...) Die Ennetbadener waren immer stolz auf ihren Und nun habe ich noch zu euch zu sprechen, demokratischen Sinn, und wie hat der Klassen- liebe Kinder. Also, heute ist unsere Gemeinde geist hier Boden gefunden. Das, verehrte Ver- ein altes Mütterchen von 100 Jahren gewor- sammlung, das ist es, was wir so vielen vor- den. Wie es so Sitte ist, haben wir dem Geburts- aushaben, das ist das Kleinod, das wir hüten tagskinde einen Kuchen schenken wollen, mit müssen. Diese so überaus glücklichen Verhält- 100 Kerzlein drauf, für jedes Jahr eines. Weil nisse und das Verständnis für die Sorgen und aber der Kuchen viel zu gross geworden wäre, Schmerzen derer, die vom Glücke nicht be- haben wir fünfzig kleine gemacht. Fünfzig Ku- günstigt sind, haben es uns ermöglicht, nach chen, stellt euch das vor. Und die Kerzlein auf und nach Forderungen der Zeit entsprechend, den Kuchen, die hat jedes von euch in seinem soziale Werke, wenn auch nur kleine, durchzu- Herzlein brennen. Das Flämmlein der Begeis- führen. Ich darf hier mit Freude konstatieren, terung meine ich, der Freude und der Dank-

9 Heimatkunde

barkeit für all das Gute, das die Gemeinde für die Seele dringe, das liebe grosse blaue Him- euch schon geleistet hat. Der heutige Tag, das melsauge über dem glitzernden Buchenlaub, Fest, sie gehören in allererster Linie euch. Eure der rauschende Fluss im Tal und das reben- Freude ist die unsere, und eure Fröhlichkeit gesegnete Berggelände uns allen, Ennetbade- muss die unsere wecken. So seid denn lustig, nern und Badenern, gemeinsam zu eigen sei ungezwungen, aber anständig natürlich. Freut und bleibe. euch von Herzen, freut euch, wie es nur Kin- der können, die die Sorgen noch nicht kennen, Nachdem Stadtammann Jäger die Bühne tanzt und singt! Und wenn das Fest vorüber verlassen hatte, sang der Männerchor ‹Rück- ist und ihr wieder in euren Schulbänken sitzt kehr ins Vaterland›, dann kamen die Kinder und schwitzt, dann denkt daran, dass das Le- wieder an die Reihe, aber die Zeit war da, wo ben an jedem einzelnen Menschen grosse An- die Jugend das Stück Kuchen bekam, wo sie forderungen stellt und dass nur der glücklich lange darauf gewartet hat. Dann mussten sie und zufrieden sein kann, der seine ganze Kraft sich rüsten zur Heimkehr. Die Festmusik spielte in dieser oder jener Form in den Dienst der ihnen noch einen Marsch den Grendel hinun- Arbeit stellt. Euch und der ganzen Gemeinde ter, wo sie beim Schulhaus entlassen wurden. wünsche ich von Herzen eine frohe und glück- liche Zukunft.› Jetzt kamen die Grossen an die Reihe, denn es hatten sich immer mehr Besucher eingefun- Diese Rede wurde mit lautem Jubel aufge- den, hauptsächlich aus der Stadt. Diese woll- nommen. Da auch die Behörde von Baden ein- ten auch nicht die letzten sein und so wogte geladen worden war, so sprach Stadtammann das Fest fort bis um halb 3 Uhr. Plakate ver- Jäger den Behörden und Bewohnern Ennet- kündeten, dass das Fest morgens um 10 Uhr badens warmen Dank aus. Mit Recht hob er fortgeführt werde. Dann machte man sich den Herzenston hervor, den der Festredner für noch lustig bis um 4 Uhr, einige sogar noch das Verhältnis von Baden und Ennetbaden ge- länger, bis die Wache kam und den Festplatz troffen hatte. Und dann sprach er davon, wie hütete, bis die Mitglieder wieder auf den Bei- ja doch das Schönste und Beste, was es rings- nen waren. Aber schon um 9 Uhr hatten sich um gebe und was uns heute wieder so tief in wieder Festbesucher eingefunden und erzähl- ten, wie es gestern so schön gewesen sei, es sei recht, dass wir heute das Fest fortführen. Es gebe heute auch wieder so viele Besucher wie gestern. Bis um 2 Uhr waren die Bänke alle wieder besetzt und immer noch kamen Festbe- sucher daher. Wir hatten noch mehr zu tun als am Samstag, es wollte gar kein Ende nehmen. So ging es zu bis abends 7 Uhr. Da kam ein Gewitter, das unserem Fest ein rasches Ende machte. Die Besucher verschwanden schnell, und doch waren viele nass geworden. Es war so schnell gekommen, man hatte es gar nicht gesehen im Walde drinnen. Am Montag wa- ren noch einige Mitglieder vertreten auf dem Festplatz, um was noch übrig geblieben war zu versorgen. Am Dienstag war Abbruch und wurde aufgeräumt, damit ein jeder seine Sache Männerchor Ennetbaden auf dem Waldfestplatz im Centarium-Jahr 1919: «Unsere Eigenart und unsere wiederbekam, das man gratis zur Verfü- besonderen Verhältnisse.» gung bekommen hatte. ›› 10 200 Jahre Ennetbaden

Grosse (links) und Ennetbadens Kleine Bäder um 1820: Wie sah der Alltag der einfachen Leute aus?

Ein «Ennetbadener Post»-Spezial

Dass man den 200. Jahrestag der Trennung wöhnlichen Alltag gelebt haben, was sie per- von Baden dereinst feiern wird, hat sich 1819 in sönlich beschäftigt hat, wo sie sich gerne aufge- Ennetbaden wohl niemand vorstellen können. halten haben oder wie sie sich vergnügt haben, Die Ennetbadener wurden damals gezwungen, das wissen wir nicht im Detail. Die Historiker ein eigenes Gemeinwesen aufzubauen, obwohl liefern uns immerhin die Grundlagen, die hel- man in Baden und in Aarau wusste, dass dafür fen, uns das Leben von damals vorzustellen. kaum Geld vorhanden war. Die ersten Jahre der neuen selbstständigen Gemeinde müssen Eine Gewissheit aber haben wir: Die Menschen magere Jahre gewesen sein. von 1819 in Ennetbaden haben das Dorf vor- bereitet, in dem wir heute leben. Sie haben al- Was wissen wir über die Zeit um 1819? Für die len Unbilden zum Trotz einen Gemeindebann «Ennetbadener Post» zeichnen drei Historiker kultiviert und Heimat geschaffen. Daran dür- nach, welche Fragen sich in Ennetbaden, in Ba- fen wir denken, wenn wir das 200-Jahr-Jubi- den und in der Schweiz zur Zeit der Trennung läum feiern. stellten, welche Konflikte ausgetragen wurden, was beschlossen wurde, was sich ankündigte. Ich wünsche Ihnen eine erspriessliche Lektüre und danke allen, die an den Sonderseiten für Historiker werten Quellen aus. Aus Dokumen- diese «Ennetbadener Post» mitgearbeitet ha- ten, aus Hinweisen und Zeichen schaffen sie ben. ein Bild, das der damaligen Realität möglichst nahe kommen soll. Es bleiben freilich immer Urs Tremp, Lücken, es bleiben Vermutungen und Interpre- Redaktor «Ennetbadener Post» tationen. Wie die Menschen in ihrem ganz ge-

11 200 Jahre Ennetbaden

1798 brachte zwar Gleichheit, aber nicht Ein kompliziertes betreffend ortsbürgerlichem Besitz. Die En- netbadener hatten vielfältigen Anteil am Le- Verhältnis ben und an den Leistungen der Stadt, aber sie

bekamen nicht das Gleiche wie die Badener. von Andreas Steigmeier* Das Dorf strebte neben einer politischen auch eine wirtschaftliche Gleichheit an. Die Stadt Jahrhunderte lang gehörten Baden aber wollte nicht alles teilen. und Ennetbaden rechtlich unklar Das Ennetbaden von 1800 war ein ganz definiert zusammen. Nach der Zeit an deres als heute: Ein kleines Strassenzeilen- der Helvetik wünschte man Klarheit. dorf mit Weinbauern und Handwerkern und Ennetbaden zahlte einen hohen am rechten Limmatufer die paar Gasthöfe, Preis. die man die «Kleinen Bäder» nannte. Im Ge- gensatz zu den «Grossen» waren sie nicht nur «Es ist kompliziert» – so könnte man den Be- klein an der Zahl der Gästebetten, sondern ziehungsstatus von Baden und Ennetbaden in auch an Komfort. Nach heutigen Begriffen gab den 20 Jahren vor der Trennung bezeichnen. es in den Grossen Bädern alles: vom Ein- bis Hier das städtische Bürgertum mit reichem zum Viersternhaus. Den Herbergen in Ennet- Ortsbürgergut, da das kleingewerbliche Dorf baden hätte man nur einen bis zwei Sterne zu- mit schmalbrüstigem Kollektivbesitz. Zu- geteilt. Da fiel Manna nicht wie linksufrig vom sammen 1500 Einwohner, davon ein Sechstel Himmel, etwa bei den Egloffs im Stadhof oder rechts der . bei den Dorers im Hinterhof. Jahrhundertelang hatte man sich arrangiert Gemeinschaftlicher Besitz war zwar beid- mit den zersplitterten spätmittelalterlichen seits der Limmat vorhanden, aber ungleich ver- Rechtsverhältnissen. Sie zu erläutern würde teilt. Während die Inhaber der Ennetbadener gar kein Ende nehmen. Mit der aus Frank- Badgasthöfe Badener Bürger waren und am reich importierten Revolution von 1798 ka- dortigen Bürgergut partizipierten, bildeten die men dann neue politische und rechtliche Vor- Dorfbewohner eine Genossenschaft, die ihren aussetzungen hinzu. Sie zerstörten das erträg- Mitgliedern die rechtsufrigen Weiden und den liche Gleichgewicht. Wald zur Verfügung stellte. Um diese nutzen zu können, musste man ein Haus in Ennet- baden besitzen. Es gab 45 Hausgerechtigkei- ten, die ererbt, gekauft oder verkauft werden konnten. Diese sogenannte Gerechtigkeitsge- nossenschaft existierte bis 2011. Im Vergleich zu der reich mit Wald und bedeutenden Kapi- talien ausgestatteten Ortsbürgergemeinde Ba- den war sie eine Arme-Leute-Konstruktion. Neben der Ortsbürgergemeinde schuf die Helvetische Republik 1798 erstmals eine Ge- meinde der Einwohner. Weil Ennetbaden einen Sechstel der Einwohner stellte, erhielt das Dorf einen Vertreter in der städtischen Exekutive: Coelestin Wetzel. Es beginnt eine Ausdifferen- zierung von Einwohner- und Ortsbürgerge- meinde. Das ist eine lange Geschichte, die erst 1936 mit der Übergabe der Sozialhilfe an die Ennetbaden um 1820: Alles etwas bescheidener. Einwohnergemeinde endet.

12 Die Auseinandersetzungen zwischen Baden und Ennetbaden vor der Trennung sind eine einzige grosse Konfusion bei der Frage, wer was zahlen muss und wem was zusteht. Durfte der Ennetbadener Vertreter im Stadtrat in orts- bürgerlichen Geschäften mitstimmen? Nein. Sollten die Ennetbadener nicht Steuern zahlen an die Auslagen der gemeinsamen Einwohner- gemeinde, die etwa Polizei- und Nachtwäch- terdienste bereitstellte? Sie waren nicht dazu bereit. Musste die Badener Ortsbürgergemein- de auch die sozial Bedürftigen in Ennetbaden versorgen? Die Gerechtigkeitsgenossenschaft war jedenfalls dazu nicht in der Lage, die Ennetbadener Dorfgenossen nicht Ortsbürger von Baden. Ein Minenfeld.

Keine Steuern zahlen zu wollen, so kann es Eidenbenz Felix Bild: nicht gehen, war man sich in Baden einig und Ennetbadens Mitglied in der Badener Stadtregierung, stellte 1817 ein Gesuch um Trennung. Ennet- Coelestin Wetzel (l., gespielt von Andres Schifferle, mit Anwalt Vögtlin, gespielt von Adrian Müller), baden wehrte sich, Aarau forderte Auskünfte im Theaterstück «Ännet» zum 200-Jahr-Jubiläum ein und verhandelte. Ein Vorschlag von 1818, von Ennetbaden: Nie eine richtige Gleichberechtigung. beidseits des Flusses eine Ortsbürgergemein- de zu schaffen, aber die gemeinsame Einwoh- nergemeinde zu belassen, fiel in Baden nicht So kam es, durch Dekret des Grossen Rats auf fruchtbaren Boden. Ennetbaden habe ja vom 22. Dezember 1819. Ennetbaden erhielt gar keine ortsbürgerlichen Einrichtungen, wie von Baden schliesslich 15 000 Franken. Seine sollten denn solche geschaffen werden? Etwa Einkünfte als junge Einwohnergemeinde waren durch Abtretung? Nein danke, Baden wollte bescheiden und nährten sich vor allem aus der die totale Trennung! Steuer, die auf dem Weinausschank in Gast- Es war aus Badener Sicht besser und würde stätten erhoben wurde. Dieses sogenannte Un- wahrscheinlich nötig sein, Ennetbaden noch et- geld brachte anfänglich ein paar hundert Fran- was Geld hinterherzuwerfen: 10 000 Franken ken jährlich ein. Zwei ungleiche kommunale für einen bescheidenen Armenfonds, aus des- Ökonomien waren zwar nun getrennt, aber sen Zinsen dann die sozial Bedürftigen genährt das Verhältnis zwischen Tochter- und Mutter- werden könnten. Ennetbaden liess sich gegen gemeinde blieb auf Jahrzehnte hinaus gespannt das Trennungsbegehren durch den Brugger und weiterhin kompliziert. Anwalt Jakob Vögtlin verteidigen. Auf 51 Sei- ten kam nochmals alles hoch. Bürger zweiten Ranges sei man geblieben. Man könnte doch die Gerechtigkeiten loskaufen und die 45 Teil- haber der Genossenschaft zu Ortsbürgern ma- chen. Und die 10 000 Franken für einen Armen- fonds seien gänzlich ungenügend. Obwohl Aarau eigentlich die Zahl der Ge- * Andreas Steigmeier, 57, meinden nicht anzuheben wünschte, befand ist Historiker und Leiter es: Die ökonomischen Verhältnisse sind hüben des Badener Stadtarchivs. wie drüben sehr verschieden, die Spannungen stark. Lasst uns Ennetbaden abspalten!

13 200 Jahre Ennetbaden

Als Katholiken nie getrennt

von Otto Mittler*

Seit etwas über 50 Jahren hat Ennetbaden zwar eine eigene Pfarrei. Als gemeinsame Kirchgemeinde aber blieben Badener und Ennet- badener Katholiken auch nach der politischen Trennung eine Einheit.

Im Jahr 1966 bekam Ennetbaden eine eigene (katholische) Kirche, den beeindruckenden Be- tonbau von Architekt Hermann Baur. Damit wurde Ennetbaden zur selbstständigen Pfarrei

mit einem eigenen Pfarrer und einem eigenen Nefflen Werner Bild: Pfarreileben. Allerdings: Ennetbaden bildete Michaelskapelle (kurz vor dem Abriss 1966): zusammen mit Baden weiterhin eine einzige 300 Jahre lang Ennetbadens Gotteshaus. Kirchgemeinde – die Kirchgemeinde Baden- Ennetbaden. Sie ist es bis heute. Zwar hatten die Badener Ortsbürger nach war die topografisch und betrieblich bedingte der politischen Trennung Ennetbadens von Zusammengehörigkeit der Grossen (auf Bade- Baden 1819 darauf gedrängt, Baden und En- ner Seite) und der Kleinen Bäder (auf Ennet- netbaden auch kirchlich voneinander zu tren- ba dener Seite). Dazu lag das Dorf Ennetbaden nen. Der herkömmliche Pfarreiverband über eben doch bedeutend näher bei der Badener die Limmat hinweg blieb indes auch nach der Kirche als bei Kirchdorf. «Wohl hat die Limmat aargauischen Unterstellung der Kirche und einst die politische Grenze gebildet», heisst es Klöster unter staatliche Kontrolle (Landeskir- in einem Dokument von 1496, «aber Ennetba- chen) bestehen. 1838 gestand das aargauische den ist trotzdem wegen des günstigeren Kirch- Obergericht Ennetbadens Katholiken zu, dass gangs zu Baden eingeteilt worden.» sie weiter einen Anspruch auf Beteiligung an Zwar gab es in Ennetbaden seit dem späten Verwaltung und Eigentum des Kirchen- und Mittelalter eine Kapelle. Doch um Gebrauch Kapellengutes der Pfarrei Baden haben (ausser und Verwaltung dieser Kapelle gab es immer am Vermögen des Chorherrenstiftes). wieder Streit. 1521 kam man schliesslich über- Dieser Entscheid hatte eine lange und kom- ein, dass die Ennetbadener berechtigt sind, an plizierte Vorgeschichte: Nach der im 12. Jahr- Werktagen in der Kapelle Gottesdienste durch hundert erfolgten Dekanatseinteilung des gros- einen vom Pfarrer der Stadtkirche autorisier- sen, weit in die Schweiz reichenden Bistums ten Kaplan halten zu lassen. An den Sonn- Konstanz hätte Ennetbaden eigentlich nach und Feiertagen allerdings mussten sie wie bis- Kirchdorf pfarrgenössig sein müssen, da die her Messe und Predigt in der Stadtkirche be- Limmat die Grenze war zwischen dem rechts- suchen. ufrigen Dekanat Kloten-Regensberg und dem Baden und Ennetbaden blieben nach der Re- Dekanat Zürich-Rapperswil. formation katholisch. Danach stand die Ennet- Einer der Gründe, dass Ennetbaden nicht badener Kapelle noch etwas mehr als hundert Kirchdorf, sondern Baden zugewiesen wurde, Jahre unter der Verwaltung des Badener Stadt-

14 rates. Mitte des 17. Jahrhunderts aber übergab der Stadtrat die Kapelle den Bewohnern der Aufbruch nach Kleinen Bädern zu Betreuung. Die Ennetba- dener ersuchten darauf den Stadtrat um die den Krisenjahren

Bewilligung, die ungünstig gelegene Kapelle von Bruno Meier* abreissen und eine neue etwas weiter flussauf- wärts errichten zu dürfen. Am 13. Juni 1669 erhielt die bis Mitte des 20. Jahrhunderts be- In den Jahren um 1819 wurde in stehende Michaelskapelle die kirchliche Wei- der Stadt Baden aufgeräumt. Dazu he. Private Spender hatten ermöglicht, dass gehörte auch die Trennung von der renommierte Bildhauer Gregor Allhelg den Ennetbaden. Die Vergangenheit sollte Altar schuf. Allhelgs Michaelsstatue, die über entsorgt werden, um der Zukunft dem Portal der Kapelle thronte, ist heute bei Platz zu machen. Nicht alle Hoff- der Michaelskirche von 1966 platziert. nungen und Wünsche erfüllten sich – Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die oder erst mit Verzögerung. Kapelle zu klein, die Bevölkerung hatte von 280 Ende des 18. auf gegen 1 000 Einwoh- ner Ende des 19. Jahrhunderts zugenommen. «Sie treten eine ganz zerrüttete Pfarrgemeinde Man begann über einen Neubau nachzuden- an, die im tiefsten Schlamme der Sittenlosigkeit ken. Doch es sollte noch einmal mehr als ein begraben liegt.» So begrüsste der bischöfliche halbes Jahrhundert und etliche Auseinander- Kommissär Ignaz Spengler den vom Kloster setzungen um Standort und Architektur dau- vorgeschlagenen neuen Pfarrer Jo- ern, bis Ennetbaden eine eigene Kirche bekam seph Keller, der im Jahr 1815 sein Amt als Ba- und so zur Pfarrei Ennetbaden wurde. dener Stadtpfarrer antrat. Harte Worte. Keller, Das Gotteshaus wurde geplant in einer offenbar gewissenhaft und streng, sah diesen Zeit, da man von gegen 10 000 Ennetbade- Zerfall von Sitte und Moral als Folge der Re- ner Einwohnerinnen und Einwohner um das volution, des Übergangs aus der alten Unter- Jahr 2 000 ausging. Vor allem plante man tänigkeit in die «schrankenlose Freiheit» und die Kirche, als die Menschen noch konfessi- auch als Resultat einer schlechten Regierung. onell gebunden und entsprechend regelmässig Klar, dass die christliche Lehre diese Unord- Gottesdienstbesucher waren. Die rasante Säku- nung wieder in geordnete Bahnen lenken soll- larisierung hat dazu geführt, dass die Kirche te. Und natürlich wurde hier ein religiös ver- inzwischen viel zu gross ist. Man denkt in der brämtes Bild gezeichnet. Pfarrei darüber nach, wie das Gotteshaus zu- Aber was war mit der Stadt Baden passiert sätzlich genutzt werden könnte. seit dem Umsturz von 1798. Wo stand die alt- ehrwürdige Bäder- und Tagsatzungsstadt zu Beginn des neuen Zeitalters? Baden musste seine Rolle zu Beginn des 19. Jahrhunderts zuerst wieder finden. Der kurzlebige Canton Baden während der Hel- vetischen Republik zwischen 1798 und 1802 war ein von Anfang an zum Scheitern verur- teiltes Projekt gewesen. Die Badener Politpro- * Otto Mittler (1889–1970) war Historiker minenz war 1803 zu wenig schlagkräftig, um und Bezirkslehrer. Der hier abgedruckte einen eigenen Kanton aus der Taufe zu heben, Text ist eine Zusammenfassung und leicht die Aarauer hatten bei Napoleon in Paris die ergänzte Version seines Aufsatzes für die Festschrift zur Weihe der Ennetbadener Nase vorn. Das Ende der napoleonischen Zeit Kirche St. Michael am 14. August 1966. 1815 änderte daran nicht viel. Allerdings gab

15 200 Jahre Ennetbaden

es keine Rückkehr zur alten Untertänigkeit. Altäre des Zürcher Nelkenmeisters Hans Leu, Der neue Kanton Aargau wurde zum vollwer- die über einen Basler Antiquar verkauft wur- tigen Glied der Eidgenossenschaft. den. Kunstwerke, die sich heute in Museen in Die Zeichen der Erneuerung werden aber halb Europa befinden. Viele Dinge gingen ver- um 1815 sichtbar, nicht nur mit dem Amts- loren. So besitzt Baden zum Beispiel im Gegen- antritt eines neuen Stadtpfarrers, der das Rad satz zu anderen Städten kein einziges Schult- eher zurückdrehen wollte. Das Neue sollte heissenporträt mehr. Die Galerie französischer Platz finden, das alte Zeug musste weg. Bereits Könige aus dem Schnorff’schen Gartenhaus 1812 verkaufte die Stadt die Standesscheiben verschwand auf Nimmerwiedersehen. Die neue von Lukas Zeiner – den ältesten Glasscheiben- Zeit verlangte ihre Opfer, es wurde radikal auf- zyklus dieser Art in der Schweiz – aus dem geräumt. Aus heutiger Sicht schmerzvolle Ver- Tagsatzungssaal. Nur die Stadtscheibe wurde luste. behalten und ist bis heute als Original in Stadt- Zeichen für Aufbruch waren hingegen in besitz. Die andern 13 Scheiben wurden 100 Jah- der Schule zu erkennen. Das kantonale Schul- re später als Kopien wieder eingesetzt. dekret von 1813 brachte den Impuls zum Neu- 1813 wurde der um 1460 geschaffene Lett- aufbau des gesamten Schulwesens, das heisst ner in der Stadtkirche geschleift. Damit ver- vor allem zur Abschaffung der alten Latein- bunden war auch der Abbau der spätgotischen schulen. Baden gründete 1819 mit Geldern von Stift-, Spital-, Spend- und Siechenamt ei- nen Schulfonds, richtete auf das Jahr 1820 hin eine Sekundarschule ein und verbesserte auch die Primarschule. Was aber nicht gelang, war die bereits 1804 angeregte Gründung eines katholischen Gymnasiums. Der ab 1821 tätige, liberale Lehrer Joseph Anton Federer versuch- te vergeblich, die Sekundarschule zu einem Gymnasium aufzuwerten und stiess nicht nur in der Kantonshauptstadt Aarau, sondern auch in der Geistlichkeit des Chorherrenstifts auf starken Widerstand. Bis 1961 (!) musste die Stadt schliesslich warten, bis Baden zu einer eigenen Kantonsschule kam. Allerdings: Die Krisenzeiten waren um 1820 auch in Baden noch nicht ganz vorbei. Der Durchmarsch der antinapoleonischen Koali- tionstruppen 1813 hatte nochmals Einquartie- rungen gebracht, Soldaten die teils Typhus und Nervenfieber einschleppten. Zwei Jahre später war der Anlass dann erfreulicher, als der russi- sche Zar und der österreichische Kaiser nach dem Sieg über Napoleon bei Waterloo auf der Rückreise aus Paris in Baden Halt machten. Der Stadtrat veranstaltete gar auf eigene Kos- ten ein «Freudenschiessen». 1817 schlug in der Region dann auch die weltweite Hungerkrise in der Folge des Aus- Stadt Baden um 1820, Kurplatz um 1820 (u.): bruchs des Vulkans Tambora in Indonesien Start in eine glorreiche Epoche. durch. Die Missernten von 1816 («Jahr ohne

16 Sommer») brachten vor allem eine massive Teuerung. Das Spitalamt liess Dinkel und Rog- gen zu Brot verbacken und verkaufte dieses zu günstigen Preisen. Baden scheint aber nicht so stark von der Hungerkrise betroffen gewesen zu sein wie zum Beispiel das Zürcher Ober- land. Und letztlich war der Rausschmiss der En- netbadener auf das Jahr 1819 hin auch Teil dieser Zeit des allgemeinen Umbruchs. Dies, obwohl noch 1818 in den Bädern ein neuer Steg nach Ennetbaden gebaut worden war, auf dem notabene – ausser man war Ortsbürger – Brückenzoll zu bezahlen war. Mitten in diese Zeit des Umbruchs fällt das Erscheinen des Buches «Die Badenfahrt» Schriftsteller David Hess: Marketingkonzept für die Zukunft. des Zürchers David Hess. Er beschreibt darin eine Bädersiedlung, die baulich in vielen Tei- len in Verfall geraten war. Einzig der Staad- pathie Geschichte und Gegenwart von Stadt hof war bereits erneuert, und in Ennetbaden und Bädern. Letztlich markiert das Erscheinen waren nach 1810 erste neue Badhäuser und des Buches 1817/18 den Startschuss für eine Unterkünfte entstanden. Hess wünschte sich glorreiche Epoche der Bäder, die bis zum Be- für die Zukunft, dass «sämtliche Bäder und ginn des Ersten Weltkriegs anhielt und im star- Gasthöfe in Baden von einer liberalen Regie- ken Kontrast zum Niedergang der Bäder im rung gekauft und nach einem einzigen neuen, 18. Jahrhundert stand. alles umfassenden Plan von Grund ausgebaut Das heisst aber auch, dass die Bürger der und eingerichtet werden möchten». Das müss- Stadt nach wie vor ihr Geld überwiegend in te dann so aussehen, dass «alle auf dem linken den Bädern verdienten. Im Gegensatz zu den Ufer befindlichen Wirtshäuser und Bäder weg- aufstrebenden Städten des ehemals bernischen geräumt werden und dagegen vier bis fünf gro- Aargaus gab es keine grösseren Industriebe- sse zusammenhängende, mit Hofräumen ver- triebe in der Stadt. Die Industrie hielt erst 1835 sehene Flügelgebäude aufgeführt werden soll- mit der Baumwollspinnerei in der Aue Einzug, ten». Ein Masterplan, der bis heute in dieser notabene mit zürcherischem Kapital. In Baden Radikalität nie umgesetzt wurde. Ansätze dazu galt nach wie vor: Was die Gasthofbesitzer im gab es zwar mit den Hotelbauten der 1830er- Sommer verdienten, verprassten sie im Winter. Jahre flussaufwärts (Limmathof, Schiff, Frei- hof), die nach der Fassung der Limmatquelle Weiterlesen: – Fricker, Bartholomäus: Geschichte der Stadt und Bäder 1829/30 gebaut wurden. Und letztlich war zu Baden. Aarau 1880. auch der Abriss des Hinterhofs und der Bau – Mittler, Otto: Geschichte der Stadt Baden, Band 2. des Grand Hotels in den 1870er-Jahre flussab- Aarau 1965. wärts ein radikaler Eingriff. Aber der Nukleus – Furter, Fabian; Meier, Bruno; Schaer, Andrea; Wiederkehr, Ruth: Stadtgeschichte Baden. Baden 2015. um den Bäderplatz widerstand mit Ausnahme des Staadhofs der Totalerneuerung bis heute. Das Buch von David Hess liest sich retros- * Bruno Meier, 57, ist Historiker und pektiv wie ein geniales, etwas überlang gera- Verleger in Baden und u.a. Mitautor der tenes Marketingkonzept für die Zukunft der Stadtgeschichte Baden (2015). Bäder. Trotz Hinweisen auf den Verfall des 18. Jahrhunderts beschreibt Hess mit viel Em-

17 200 Jahre Ennetbaden

«Jahr ohne Sommer», die Ernte ausfiel und Im Strudel Tausende von Menschen verhungerten. Zwischen 1798 und 1815 hatte die Schweiz europäischer die grösste politische und soziale Umwälzung ihrer Geschichte erlebt. 1798 war die Alte Geschehnisse Eidgenossenschaft zusammengebrochen und die zentralistische Helvetische Republik von von Marco Jorio* Frankreichs Gnaden errichtet worden. Die Schweiz wurde Kriegsschauplatz (Suworow). Die Limmat zwischen Baden und Ennetbaden Die zwei Jahrzehnte vor der Trennung war im Sommer 1799 gar eine Kriegsfront, als von Baden und Ennetbaden waren sich auf Badener Seite französische und rechts- europaweit eine kriegerische Zeit. ufrig Truppen der monarchischen Koalition Mit dem Sturz Napoleons 1815 kehr- gegenüberstanden. Im Innern der Eidgenos- ten ruhigere Zeiten im kriegsmüden senschaft lieferten sich (revolutionäre) Zentra- Europa ein. Die Spannungen blieben. listen und die (konservative) Föderalisten bür- gerkriegsähnliche Putsche und Gegenputsche. Um 1820 sind wir mitten in der «Restaura- Schliesslich griff Napoleon ein und verordnete tion». Nur wenige Jahre zuvor ging mit dem der Schweiz eine föderalistische Struktur. Die Sturz Napoleons in Europa eine jahrzehnte- alten Kantone wurden wieder errichtet, sowie lange, blutige Kriegszeitperiode zu Ende, die sechs Kantone, darunter der Kanton Aargau, 1789 mit der Französischen Revolution be- neu geschaffen. In der folgenden zehnjährigen gonnen und mit der Neuordnung Europas «Mediationszeit» blieb die Schweiz zwar vom auf dem Wiener Kongress 1815 geendet hatte. Krieg verschont, musste aber Napoleon bis Noch kaum vier Jahre zurück lag die schreck- 16 000 Soldaten für seine Kriege liefern. liche Hungersnot, als infolge eines gewaltigen Auf dem Wiener Kongress 1815 erhielt die Vulkanausbruchs im Fernen Osten 1816, im Schweiz mit dem (Wieder-)Anschluss der Kan-

Das Eidgenössische Übungslager bei Wohlen (1820): Der einheitliche Bundesstaat zeichnet sich langsam ab.

18 tone Wallis, Genf und Neuenburg sowie des ehemaligen Fürstbistums Basel (heute Kanton Jura und Südjura) ihre heutigen Landesgren- zen. Die innere territoriale Gliederung blieb trotz der Ansprüche einiger alter Kantone an ihre Nachbarn, etwa von Bern und Zug an den Aargau, unverändert. Am 20. November 1815 anerkannten die Siegermächte auf hartnäcki- ges Betreiben der Schweiz die immerwähren- de Neutralität. Am 7. August 1815 trat die neue Bundesverfassung, der «Bundesvertrag», in Kraft, der den Kantonen noch mehr Kom- petenzen zuwies als die Mediationsverfassung, aber zentrale Aufgaben (etwa Armee und Aus- senpolitik) weitgehend in die Kompetenz der Tagsatzung legte. Traumatisiert durch die Revolution schufen die europäischen Monarchen 1815 die soge- nannte Heilige Allianz, welche dem kriegsmü- den und erschöpften Kontinent auf der Basis Johannes Herzog von Effingen: Einflussreicher Aargauer eines konservativen Christentums Ruhe und in der Eidgenössischen Tagsatzung. Ordnung verschaffen sollte. Unter der Leitung des österreichischen Kanzlers Metternich, dem «Kutscher Europas», gingen die Fürsten ge- den Kantonen, so etwa bei der Staatsorgani- gen tatsächliche oder vermeintliche revolutio- sation, allen voran in den neuen Kantonen, näre, liberale und nationale Bewegungen vor. im Schulwesen, im Strassenbau oder bei der 1817 wurde auch die aussenpolitisch schwa- Rechtssetzung (z.B. 1819 ein neues Zivilgesetz- che Schweiz von den Mächten genötigt, der re- buch in Bern). Auf Bundesebene wurde nach staurativen Hl. Allianz beizutreten. Vor allem den Erfahrungen der Revolutionszeit das Mi- bekam die Schweiz die von den reaktionären litärwesen ausgebaut: 1817 verabschiedete die Grossmächten eingeleitete Repressionspolitik Tagsatzung ein Militärreglement, das heute als gegen «Demagogen» zu spüren. Metternich & Beginn der modernen Bundesarmee gilt; 1819 Co. sahen in den zahlreichen deutschen, ita- wurde in Thun die Zentralschule eröffnet und lienischen und französischen Emigranten in Mitte August 1820 das erste eidgenössische der Schweiz Träger einer grossen internatio- Übungslager (Manöver) im Raum Wohlen nalen Verschwörung und die Schweiz, und hier durchgeführt. insbesondere der relativ liberale Aargau, den Am 3. Juli 1820 trat die jährliche eidgenös- Hort der Revolution. Ab 1820 intervenierten sische Tagsatzung im Vorort Luzern unter dem die europäischen Mächte immer wieder und Vorsitz des Luzerner Schultheissen Vincenz setzten die Schweiz wegen ihrer Asylpolitik Rüttimann zusammen. Der Kanton Aargau unter Druck. war durch den einflussreichen Bürgermeister 1815 waren nicht einfach die alten, vor- und Unternehmer Johannes Herzog von Effin- revolutionären Zustände wieder hergestellt gen und den Präsidenten des Appellationsge- worden. Zwar gab es wieder eine Tagsatzung, richts Friedrich Jehle vertreten. Die «Schwei- einen zweijährigen Turnus der drei Vororte zerische Monaths-Chronik» von Zürich be- Zürich, Bern und Luzern, Pressezensur, Zunft- richtete ausführlich: Die Eröffnung «wurde zwang und den Solddienst für fremde Fürsten. durch einen schönen Morgen begünstigt, war Aber es gab auch zahlreiche Neuerungen in trefflich geordnet und trug ganz das Gepräge

19 200 Jahre Ennetbaden

Spinnereifabrik in Winterthur (um 1820): Ein neues Zeitalter bricht an.

edler Würde». Anwesend waren verschiedene Jahren wurden zahlreiche patriotische Gesell- ausländische Gesandte. Auf der Traktanden- schaften gegründet, welche den Kantönligeist liste stand unter anderen die Wahl des eidge- überwinden und den nationalen Gedanken för- nössischen Kanzlers Jean-Marc Mousson, des dern wollten, wobei der Aargau auch hier eine eidgenössischen Archivars Karl Samuel Wild zentrale Rolle spielte, so etwa gründeten libe- und der Schweizer Konsuln in Amsterdam und rale Studenten 1819 die Verbindung Zofingia, Odessa. Dann wurden mehrere Konkordate und im gleichen Jahr nahm die 1760 in Schinz- aus dem Bereich der umstrittenen innereid- nach gegründete Helvetische Gesellschaft ihre genössischen «Personenfreizügigkeit» verab- Tätigkeit wieder auf. Um 1820 zeichneten sich schiedet, Zollfragen geregelt, Verträge mit aus- in der Ferne die Umrisse einer neuen Schweiz ländischen Staaten genehmigt und von Frank- ab, der Bundesstaat kündete sich an. reich einmal mehr die vom Wiener Kongress verfügte Rückgabe des Dappentals gefordert. Vom 8. bis 10. Juli nahm die Tagsatzung in corpore an der Schlachtfeier in Sempach teil. Zwar hatte bereits vorher zaghaft die Indus- trialisierung, vor allem in der Textilindustrie und in der Uhrenbranche, begonnen. Um 1820 setzte nun eine wahre Welle von Fabrikgrün- dungen ein. Gehemmt wurde die wirtschaftli- che Entwicklung durch zahlreiche Binnenzölle * Marco Jorio, 67, ist Historiker und war der Kantone sowie die unterschiedlichen kan- von 1988 bis 2014 Chefredaktor tonalen Währungen und Masse und Gewichte. des Historischen Lexikons der Schweiz. Jorio ist Ehrendoktor der Universität Zudem führten mehrere Staaten einen harten Bern. Zollkrieg gegen Schweizer Produkte. In jenen

20 her dem Unterlauf der Aare und der Limmat Grenzfluss und entlang. Während Ennetbaden in jenen drei Monaten also österreichisch war, lag die Stadt Lebensader Baden auf französisch-helvetischem Boden.

Im August überliessen die Österreicher ihre von Andreas Fahrländer* Stellungen im Limmattal den verbündeten Rus- sen. Am 25. September kamen die Franzosen Die Limmat ist die natürliche Grenze einem Angriff der Alliierten zuvor und setz- zwischen Baden und Ennetbaden. ten unter General André Masséna bei Dietikon Obgleich ein vergleichsweise kurzer mit einer schwimmenden Brücke aus Booten Fluss, gehört sie zu den geschichts- über die Limmat. Unter Artilleriebeschuss er- trächtigen Gewässern der Schweiz. reichten die Franzosen im Morgengrauen das rechte Flussufer und warfen die Russen und Österreicher in der zweiten Schlacht von Zü- Tag für Tag und unaufhaltsam fliesst die Lim- rich zurück. Erst im Oktober verliessen die Ar- mat an Ennetbaden vorbei. Manchmal braust meen die Helvetische Republik wieder. In En- sie etwas auf nach einem Regenwetter und netbaden zeugt bis heute die «Russenschanze» schlägt Wellen. Aber meist zieht sie ruhig und am Hertenstein von den Kriegswirren. Hier unbemerkt dahin zwischen der Ennetbadener hatten die Russen unter General Durasow ein Sonnenbergstrasse und der Badener Limmat- verschanztes Lager. Bei Dietikon, gut sichtbar promenade. Dabei ist sie Lebensader und Exis- von der S-Bahn aus, steht ein Gedenkstein am tenzgrundlage unserer Region. Ufer. Die Inschrift lautet: «Brückenschlag der Vor 200 Jahren, als Ennetbaden sich auf franz. Armee unter General Masséna. 25. Sep- Wunsch der Badener und auf Geheiss des Re- tember 1799.» Am Pariser Triumphbogen er- gierungsrats von der Stadt loslöste, war die innert die Inschrift «Dietikon» an Massénas Grenzziehung wohl die einfachste Sache. Der wagemutige Tat. Fluss bildete eine natürliche Demarkationsli- Abgesehen von kriegerischen Episoden war nie, die schon seit Menschengedenken da war. die Limmat aber stets mehr Bindeglied als Nur der neue Fussgängersteg aus Holz, den Grenze. Der Fluss diente über Jahrhunderte als sich die Ennetbadener damals anstelle der al- Lebensgrundlage, als Fischgrund, als Kloake, ten Fähre so sehr gewünscht hatten, verband als sicherer Verkehrsweg, als Antrieb für Korn-, noch die Geschiedenen. Allerdings bildete die Limmat in jenem schicksalhaften Jahr 1819 nicht zum ersten Mal eine Grenze: Schon zwei Jahrzehnte zu- vor, als das Limmattal Kriegsgebiet und Brenn- punkt der europäischen Machtpolitik war, bildete der Fluss eine umkämpfte Front. Die Divisionen der französisch besetzten Helveti- schen Republik kämpften in den Schlachten von Zürich gegen Russen und Österreicher. Im Juni 1799 gelang es Österreich in der ers- ten Schlacht, das französische Heer hinter die Limmat zu drängen. Die Franzosen verschanz- ten sich darauf im linksufrigen Limmattal, die Österreicher marschierten in Zürich ein. Es be- gann eine dreimonatige Waffenruhe. In dieser Zeit verlief die europäische Front vom Rhein Limmat bei Ennetbaden (1969): Einst europäischer Frontfluss.

21 200 Jahre Ennetbaden

Papier- und Pulvermühlen, als Energielieferant sen. In der Stadt Zürich, wo die Limmat bis und Erholungsraum. zu den Uferkorrekturen des 19. Jahrhunderts Die Limmat schuf vor Urzeiten die Land- stellenweise viel breiter war, nannte man sie schaft um Ennetbaden, als sie mit ihren Was- früher schlicht «See» oder «Aa», das alte Wort sermassen den Faltenjura durchbrach, von der für Wasserlauf oder Bach. harten Goldwand nach Westen gelenkt wur- Stets haben die beiden Limmatstädte, das de und in der Talsohle die kostbaren Thermal- grosse Zürich und das kleinere Baden, Anfang quellen freilegte. und Ende des Limmattals markiert – wenn Mit ihren 35 Kilometern von der Quaibrücke auch heute längst Dietikon die zweitgrösste in Zürich bis zum Limmatspitz im Wasser- Stadt des Limmattals ist. Unterhalb des Oeder- schloss bei Vogelsang ist sie einer der kürzesten lin-Areals spricht niemand mehr vom «Limmat- Flussläufe unseres Landes. Allerdings nur, wenn tal», hier beginnt unweigerlich das Siggenthal. man ihren Quellfluss, die Linth nicht dazu Auch Brücken gab es seit der Römerzeit nur zählt. Die Linth entspringt in den Glarner Alpen in Zürich und Baden. Die Römer bauten im am Tödi und speist mit ihren Wassermassen 1. Jahrhundert nach Christus die erste Vorläu- den Zürichsee. Zusammengezählt kommen ferin der Zürcher Gemüsebrücke. In Baden er- Linth, Zürichsee und Limmat immerhin auf richteten sie ungefähr dort eine Holzbrücke, ansehnliche 140 Kilometer. wo heute der Limmathof steht. Darüber führte So einfach ist das eben nicht mit der Lim- die Heerstrasse von Vindonissa nach Vitudu- mat. Schon der Name gibt zahlreiche Rätsel rum (Oberwinterthur), der Brückenkopf dürf- auf: Er entwickelte sich vom keltisch-aleman- te der Ursprung der Kleinen Bäder gewesen nischen Lindomagâ über das lateinische Lindi- sein. macus zum schweizerdeutschen Limmet oder Im Mittelalter entstand um 1242 an der Limmig. Woher der Name genau kommt, ist engs ten Stelle der Limmatklus (beim späte- unklar. Vermutlich entstand er einst als Zu- ren Landvogteischloss) die erste feste Bade- sammensetzung aus «Linth» und «Maag», die ner Brücke, die eine frühere Fähre ersetzte. Sie noch bis zu Hans Conrad Eschers Gewässer- diente als strategisch wichtiger Zollübergang, korrektion in der Linthebene zusammenflos- als lukrative Einnahmequelle für die Stadt und

Limmat bei Ennetbaden (1910): Meist fliesst sie ruhig und unbemerkt vorbei.

22 musste bis 1810 wegen Hochwasser- oder Kriegsschäden immer wieder ersetzt werden. Dass nur die beiden Brücken in Zürich und Ba- den eine einfache Flussüberquerung möglich machten, war von Zürcher Seite poli tisches Kalkül. Sie wollte so ihre Vormachtstellung im Tal sichern. In Ennetbaden, bei den Klöstern Fahr und Wettingen sowie bei Dietikon ver- kehrten immerhin Fähren. Erst 1765 kam die gedeckte Holzbrücke vom Kloster Wettingen nach Neuenhof als dritte Limmatbrücke dazu. Sie wurde im Koalitions- krieg 1799 von den Franzosen aber zerstört und erst 1818 durch eine neue Holzbrücke er- setzt. Heute überspannen zwischen Zürich und Limmat beim Kloster Wettingen im Winter (1947): Ennetbaden rund 60 Brücken und Stege die Wasserweg und Erholungsraum. Limmat. 1874 kam zwischen Ennetbaden und Baden die Schiefe Brücke dazu, 1968 der Mer- Waren beladenes Schiff sank auf der Limmat cier-Steg beim Limmathof. Seit 2007 führt der bei Baden. Von den 120 Passagieren konnten rostfarbene Fussgängersteg von der Limmatau sich lediglich zehn retten. zum Promenadenlift und zum Bahnhof Baden. In jüngerer Zeit wurde die Limmat zuneh- Und wer weiss, vielleicht können Ennetbade- mend begradigt und geschunden vom Bau der nerinnen und Obersiggenthaler dereinst doch Autobahn A1, deren Pfeiler an vielen Stellen noch über den Mättelisteg zum neuen Badener mitten in die Auenlandschaften gerammt wur- Thermalbad spazieren. den. Die Flussschiffahrt wurde schon mit dem Die Limmat diente seit der Römerzeit als Bau des Wettinger Kraftwerks 1933 durch die «Schnellbahn» im Limmattal, auf der man we- Elektrizitätswerke der Stadt Zürich unterbro- sentlich rascher als auf den Landstrassen vor- chen. Es gibt zwar – wie auch bei anderen wärts kam. Die Niederwassergesellschaft der Wehren – eine sogenannte Kahnrampe. Die Zürcher Schiffleutezunft betrieb die wegen schnelle Verbindung auf dem Wasser zwischen Stromschnellen und Geländestufen schwierige Zürich und Baden wurde im 20. Jahrhundert Schifffahrt. Die Badenfahrten von Zürich zu aber ohnehin endgültig von Eisen- und Auto- den Heilquellen in den Bädern oder die Hir- bahn abgelöst. sebreifahrten nach Strassburg (sie gehen auf Die Industrialisierung brachte auch nach En- einen Wettstreit der Zürcher mit den verbün- netbaden Betriebe, die von der Wasserkraft ab- deten Strassburgern zurück) wurden zumeist hängig waren: die Metallwarenfabrik Oeder- mit Weidlingen unternommen. Waren trans- lin, die Seidenzwirnerei Wegmann, die Pum- portierte man auf grösseren Kähnen. Die Strö- penfabrik Diebold oder die Lederfabrik Streu- mung erlaubte es in der Regel nicht, limmat- le. Doch die industrielle Nutzung des Flusses aufwärts zu fahren oder die Lastkähne hoch- hatte Schattenseiten – vor allem für die Tier- zutreideln. Am Ende der Fahrten, in Baden welt: Die Elektrizitätskraftwerke, die ab 1891 oder in Basel, wurden die Schiffe deshalb oft den rasanten wirtschaftlichen Aufschwung der verkauft. Region Baden ermöglichten, wurden zu un- Auch Flösserei wurde früher auf der Lim- überwindbaren Barrieren für die Wanderung mat betrieben. Immer wieder kam es dabei der Limmatfische. Mittlerweile haben fast alle zu Schiffsunglücken. Das schlimmste ereigne- Werke sogenannte Fischpassagen. Beim Stau- te sich 1435: Ein grosses, mit Passagieren und wehr Wettingen wurde 2006 auf Neuenhofer

23 200 Jahre Ennetbaden

vative «Stimme von der Limmat». Der Zür- cher Schwimmverein «Limmat Sharks» (1928 als Schwimmverein Limmat gegründet) ist mit 500 Mitgliedern einer der grössten der Schweiz. Die Zürcher Loge der Odd Fellows nennt sich «Limmat-Loge», der Zürcher Synchron- schwimmverein heisst «Limmat-Nixen». 1934 entstand als Absplitterung des Wasserfahrver- eins in Baden der «Limmat-Club». Auch in der Literatur kommt der Fluss im- mer wieder vor: Gottfried Keller beschreibt in seinem «Grünen Heinrich» eine Schifffahrt auf der Limmat, «zwischen reizenden Land- häusern und Gewerben, zwischen Dörfern und Weinbergen dahin, die Obstbäume hangen ins Limmat in Zürich (1938): Wasser, zwischen ihren Stämmen sind Fischer- Eine Flussidylle, die an Venedig gemahnt. netze ausgespannt», bis man schliesslich «end- lich zu Baden» landet. Der irische Schriftsteller Boden mit 600 Metern Länge eine der gröss- James Joyce hielt sich in seiner Zürcher Zeit ten Fischtreppen Europas gebaut. Während am liebsten am Platzspitz auf, wo die Sihl nach sich der Biber zunehmend auch an der Limmat ihrem kurzen Untertauchen unter den Haupt- wieder ausbreitet und Uferbäume fällt, geht bahnhof in die Limmat mündet. Er verewigte es manchen Fischarten aber ans Lebendige. Limmat und Sihl in seinem Werk «Finne- Äschen, Forellen und Barben dezimieren sich gans Wake». Ganz zuvorderst, an der Spitze heute schneller denn je – wegen der veränder- des Platzspitzes, hinter dem Brunnen von Ro- ten Klimabedingungen, wegen Überfischung bert Lienhard – er stellt zwei sich umarmende und wegen der anhaltenden Verschmutzung Nixen dar, als Allegorien auf Limmat und des Wassers, allen Abwasserreinigungsanlagen Sihl – erinnert seit 2004 eine Gedenkinschrift zum Trotz. an Joyces Lieblingsort. Waren die Fischenzen im Mittelalter fest in Urs Widmer schrieb in seinen «Geschich- der Hand der Klöster, sind es heute meist ten von der Limmat» den schönen Satz: «Eine Pachtvereine, welche die Fischereirechte in Stadt ohne Wasser kann einem leid tun. Sie ist der Limmat besitzen. Für Ennetbadener Ein- ein armer Fleck Erde aus Staub und Durst.» wohner gibt es allerdings ein zusätzliches pri- Ennetbaden mit seiner neuen Limmatprome- vates Fischereirecht am gemeindeeigenen Ufer nade an der Badstrasse, mit seiner allmählich der Limmat sowie am linken Ufer, auf Badener wieder aufblühenden Kurorttradition, dem Seite, von der Holzbrücke bis zur ehemaligen neuen «Heissen Brunnen» am Flussufer und Rossschwemme bei der Schiefen Brücke. seiner prächtigen Lage über der leise vorbei- Die Limmat als Lebensader zwischen Zürich rauschenden Limmat ist 200 Jahre nach der und Baden hatte immer auch eine stark iden- Loslösung von Baden ganz sicher kein derar- titätsstiftende Funktion. Die erste Lokomo- tiger «armer Fleck». tive der Spanischbrötlibahn hiess «Limmat», auf dem Zürichsee verkehrt seit 1958 ein Kurs- schiff mit diesem Namen. Zahlreiche Stras- * Andreas Fahrländer, 33, ist Historiker sen, Plätze, Vereine und Unternehmen sind und Redaktor beim «Badener Tagblatt» nach dem Fluss benannt. Es gibt einen Lim- von CH Media.. mat-Verlag, eine Limmattaler Zeitung und im 19. Jahrhundert auch eine katholisch-konser-

24 1456 ordnete Papst Calixt III. an, dass alle Der Türke Kirchen zur Mittagszeit dreimal ihre Glocken läuten sollen, nachdem die osmanische Be- als Bedrohung lagerung der Festung Belgrad (damals noch

ungarisch) gescheitert war. Das sogenannte von Daniel Steinvorth* «Türkenläuten» diente dazu, an den Aufruf zum Kreuzzug gegen die Osmanen zu erin- Die Badener bezeichneten die nern. Dreimal sollten die Gläubigen zudem Ennetbadener lange als «Türken». das «Vaterunser» und das «Ave Maria» beten. Das war nicht nobel gemeint. Zwar hatten sich die Ungarn gegen das Heer Denn Jahrhunderte lang hatte kein Mehmeds durchsetzen können. Doch von ei- Volk in Europa einen schlechteren nem Ende der Bedrohung Europas durch die Ruf als die Türken. Osmanen konnte keine Rede sein. Kriegeri- sche Auseinandersetzungen zwischen den ein- Einst hatte das Byzantinische Reich den ganzen zelnen europäischen Mächten und dem «Erb- Balkan, Kleinasien und Ägypten umfasst, zum feind der Christenheit» blieben bis zum Ende Schluss trotzte nur noch die stolze Hauptstadt des 17. Jahrhunderts gegenwärtig und drück- Konstantinopel der islamischen Expansion. Am ten der Frühen Neuzeit ihren Stempel auf. 29. Mai 1453 brach auch dieser Widerstand. So führte der Sieg von Sultan Süleyman I. Als der osmanische Sultan Mehmed II. durch in der Schlacht bei Mohács 1526 geradewegs die bis dahin als unbezwingbar geltenden Theo- zum Ende des mittelalterlichen Königreichs Un- dosianischen Stadtmauern einmarschierte, war garn, während sich durch die Erste Türken- der Schock im christlichen Europa gross. belagerung Wiens 1529 auch das Heilige Rö- Schnell verbreiteten sich die Berichte von Mas- mische Reich in seinen Grundfesten bedroht sakern und Gräueltaten der muslimischen In- sah. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich landein, vasoren, denen eine Hauptstadt der christli- landaus der Schreckensruf «Die Türken vor chen Kultur in die Hände gefallen war. Wien!». Der Ruf sollte noch Generationen in Mit dem militärischen Triumph der Osma- nen vollzog sich zweifellos eine Zeitenwende, für viele schien gar das Ende der Welt gekom- men. Gemäss der biblischen Vier-Reiche-Lehre musste nach dem Untergang des letzten von vier Weltreichen (des römischen) unweigerlich das Jüngste Gericht folgen – und verkörperte Mehmed II., «der Eroberer», nicht höchstper- sönlich den Antichristen? Zwar hatte es schon hundert Jahre vor der Eroberung Konstantino- pels in Europa Pläne für einen Kreuzzug gegen die Osmanen gegeben. Aber erst jetzt drang die «Türkenfrage» – auch dank der Erfindung des Buchdrucks – ins breite öffentliche Bewusst- sein. 1454 rief ein sogenannter Türkenkalen- der mit dem Titel «Eyn Manung der Chris- tenheit widder die Durcken» alle christlichen Könige, Fürste und Städte dazu auf, sich gegen die Türken in einem Kriegszug zu vereinigen. In Predigten wurde der Türke als endzeitliche Eroberung von Konstantinopel 1453 (im Panoramamuseum Figur schlechthin dargestellt. Istanbul): Schock im christlichen Europa.

25 200 Jahre Ennetbaden

Erinnerung bleiben. Den Reformator Martin Luther inspirierten die Ereignisse zu drei Schrif- ten: «Vom Kriege wider die Türken» (1529). «Heerpredigt wider den Türken» (1530) und «Vermahnung zum Gebet wider die Türken» (1541). Auch Luther wollte in den osmanischen Feldzügen und Plünderungen ein Zeichen für die kommende Endzeit erkennen. Sie stellten für ihn ein Werkzeug Gottes dar, um die Men- schen für ihre Sünden zu strafen. So wand- te sich Luther gegen die Kreuzzugspläne des Papstes, der diese mit Hilfe der verhassten Ab- lässen finanzieren wollte. «Gegen die Türken zu kämpfen», schrieb Luther, «heisst es dem Willen Gottes zu widerstehen, der unsere Un- Ennetbadener Schüler ziehen an der Fasnacht als Türken gerechtigkeit durch jene heimsucht». Ein Feind Richtung Baden (1987): Selbstironisch und selbstbewusst. der Christen sei der moralisch verkommene Papst zudem nicht weniger als «der Türke». 1683 unternahmen die Osmanen einen er- Im 18. und 19. Jahrhundert erlosch das Be- neuten Versuch, Wien zu erobern. Wiederum wusstsein von einer «Türkengefahr» allmäh- schlugen im Abendland die Türkenglocken, lich, wenngleich sich das Negativbild vom organisierte die Kirche Bittprozessionen und Türken vor allem in den weniger gebildeten Dauergebete. Der Vormarsch der Osmanen be- Bevölkerungsschichten lange hielt. Am Hofe deutete vor allem für die österreichische Land- und in den höheren Schichten wich die Furcht bevölkerung nichts Gutes. Mögen frühere Be- vor dem Orient einer schwärmerischen Neu- richte über die Kriegsführung der Türken auch gier, der Exotismus hielt Einzug in die Mode, zu Propagandazwecken übertrieben worden Literatur und Kunst. Das Singspiel «Die Ent- sein, wunderte sich dieses Mal selbst ein os- führung aus dem Serail» von Wolfgang Ama- manischer Augenzeuge: So verheerend hätten deus Mozart wurde 1782 anlässlich des anste- die Heere des Sultans in den Ländereien der henden 100. Jahrestages der Belagerung von Ungläubigen gewütet, berichtete der Hofbe- Wien durch die Türken vom österreichischen amte Mehmed Aga, «das sie auch nach hun- Kaiser Joseph II. in Auftrag gegeben. dert Jahren ihren früheren Zustand der Blüte Die Badener mögen seinerzeit noch das alte nicht wieder erreicht haben dürften». Klischee vom minderwertigen Türken bemüht Durch den entscheidenden militärischen haben. Die Ennetbadener aber haben dieses Beistand des polnischen Königs Jan III. Sobies- selbstbewusst und selbstironisch umgedeutet. ki konnte Wien gerettet werden. So endete die Wenn die Ennetbadener heute noch ab und an vorerst letzte grosse Konfrontation zwischen als «Türken» bezeichnet werden, ist es aller- einer christlich-europäischen Allianz und einer dings auch von Badener Seite kaum mehr als muslimischen Grossmacht mit einer Schmach Beleidigung gemeint. für die Hohe Pforte. Das wiederum sollte auch auf das diabolisierende Bild, das sich die Eu- ropäer bis dahin von den Türken machten, * Daniel Steinvorth, 44, ist Politikwissen- Einfluss haben: Nicht mehr als Geissel Gottes schaftler und Auslandredaktor musste das auf dem Rückzug begriffene Os- bei der NZZ. Zuvor war er Istanbul- Korrespondent für das deutsche Magazin manische Reich betrachtet werden, sondern «Der Spiegel». als sehr weltliche, besiegbare Macht.

26 unter seiner Führung eine Färbergewerkschaft. Über Ennetbaden Sein gewerkschaftliches Engagement kostete ihn in Zürich allerdings die Stelle. Schrämmli hinaus zog nach Herisau und gehörte im damals hoch-

industrialisierten Kanton Appenzell Ausser- von Urs Tremp rhoden bald zu den führenden Arbeiterpoliti- kern. Er war Präsident des Appenzeller Arbei- Sie wurden in Ennetbaden geboren terbunds und als erster «gewöhnlicher Arbei- und wuchsen hier auf. Oder sie ter» Mitglied des Kantonsrates. Wenig erfolg- lebten für kürzere oder längere Zeit reich war Schrämmli als Unternehmer. Eine in unserer Gemeinde. Ihnen Wäscherei mit chemischer Kleiderreinigung allen ist gemein, dass sie anderswo ging Konkurs. Der Versuch, eine eigene Fa- oder über Ennetbaden und die brik zu gründen, misslang. Schrämmli starb Region Baden hinaus gewirkt haben: schliesslich verarmt in Herisau. 200 Jahre Ennetbaden – 16 Ennet- badener Persönlichkeiten. Fritz Marti, Lehrer, Redaktor, Schriftsteller (1866–1914): Fritz Jakob Twerenbold, Fuhrhalter Marti besuchte das Lehrersemi- (1864–1951): Am Anfang des nar in Wettingen und war da- heutigen Reiseunternehmens mit nach von 1887 bis 1892 als Pri- seinen gegen 70 Reisebussen, marlehrer in Ennetbaden tätig. 10 Schiffen und rund 300 Mitar- Darauf studierte er an der Universität Zürich beitenden stand der Fuhrhalter Germanistik, Geschichte und Philosophie, un- Jakob Twerenbold. Der gebürtige Zuger hatte terrichtete als Sekundarlehrer in Zürich und in den Badener Badehotels als Kutscher ange- wurde schliesslich freier Schriftsteller und Re- fangen, bevor er sich 1895 in Ennetbaden mit daktor der Illustrierten «Am häuslichen Herd», sechs Pferden und einer Kutsche selbstständig einer «Schweizerischen Jllustrierten Monats- machte. Bald fuhr Twerenbold nicht nur Kur- schrift zur Unterhaltung und Belehrung». Ab gäste und Festgesellschaften zu beliebten Aus- 1899 leitete Marti die Feuilletonredaktion der flugszielen. Er transportierte auch Güter und NZZ. In dieser Funktion wurde er zu einem diversifizierte zum Transport- und Zügelunter- führenden Literaturkritiker des Landes. Ambi- nehmen. Die Pferdeställe wichen nach dem tionen, aber weniger Erfolg hatte er mit eige- 1. Weltkrieg Autogaragen. Heute ist das Reise- nen literarische Arbeiten. und Transportunternehmen vielfältig aufge- stellt. Seit 1989 ist die Firma Twerenbold nicht Eugen Schneider, Architekt mehr in Ennetbaden domiziliert, sondern in (1880–1953): In Ennetbaden Baden-Rütihof. Jakob Twerenbold lebte mit (u.a. «Schwanen») und in Baden seiner Familie von 1895 bis zu seinem Tod (u.a. «Josefshof», «Bären») zeu- 1951 in Ennetbaden. gen zahlreiche Gebäude von der fruchtbaren Arbeit des Ennetba- Konrad Schrämmli, Gewerkschafter und Ar- dener Architekten. Doch er hat repräsentative beiterpolitiker (1865–1925): Er ging in Baden Bauten auch anderswo gebaut – das Schulhaus und Ennetbaden zur Schule und wurde wie sein in Fislisbach etwa oder jene in Dietwil und Vater Färber. In Deutschland kam Schrämm- Oberlunkhofen. Der ursprüngliche Bauzeich- li als Zwanzigjähriger in Kontakt mit der So- ner hatte sein Handwerk bei Robert Moser zialdemokratie. 1886 gehörte er in Zürich zu (Badener Bezirksgebäude am Schulhausplatz) den Mitbegründern der Arbeiterorganisation gelernt. Dessen Sohn Karl Moser (1860–1936) Grütliverein Industriequartier. Ebenso entstand – ein über die Schweiz hinaus bekannter Archi-

27 200 Jahre Ennetbaden

tekt – dürfte wesentlichen Einfluss auf das einen Fixpencil mit sich herumgetragen haben. Schaffen Schneiders gehabt haben. Neben der Architekt Mario Botta ist gleichfalls ein Fix- Tätigkeit als Architekt war Schneider politisch pencil-Liebhaber. tätig – als Mitglied des Ennetbadener Gemein- derats (ab 1925 als Gemeindeammann) und Alfred Bruggmann, Techniker, als Grossrat (freisinnig). Zudem war er Prä- Redaktor, Politiker (1896–1958): sident der Badener Niederlassung der Aarg. Das Waisenkind wuchs bei Pfle- Hypothekenbank und Mitglied der Aufsichts- geeltern auf – in grossbürger- kommission des Lehrerseminars Wettingen. lichen Verhältnissen. Er besuchte Schneider lebte mit seiner Familie Zeit seines zwar das Technikum und wurde Lebens in Ennetbaden. Elektrotechniker. Aber seine Passion waren das geschriebene und gesprochene Wort. Er Friedrich Witz, Kinobetreiber war ein Verseschmied, der oft spontan Vierzei- Journalist, Verleger (1894–1984): ler zu Papier brachte und eine Festgesellschaft Seine Zeit von 1927 bis 1934 oder eine frohe Beizenrunde damit unterhielt. in Ennetbaden stand unter kei- So kam er 1938 auch zu einem Auftrag, der ihn nem guten Stern. Witz scheiterte unsterblich machte: Er dichtete für den Zeich- in Baden als Kinounternehmer, ner Robert Lips die Verse für die Globi-Bücher. musste seine beiden Lichtspieltheater (Royal Dass er bei der BBC gelandet war, erwies sich und Orient) schliesslich dem Konkurrenten für ihn als Glücksfall. Von der Werkstatt wech- Sterk verkaufen und zog von Ennetbaden wie- selte er in die Redaktionsstube der Betriebszei- der fort und nach Zürich. Dort war er als Re- tung und erfand den Bürodiener Zwinkerli, daktor und Verleger wesentlich erfolgreicher. eine Figur, die hofnarrenmässig die grossen Er wurde als Literaturkritiker bei der Zürcher und kleinen Geschehnisse in der Badener Welt- Illustrierten (ZI) eine wichtige Stimme im firma kommentierte. Er war Grossrat (kath.- Schweizer Literaturbetrieb, vor allem aber ver- kons.) und zwischen 1955 und 1958 Ennet- öffentlichte er in der ZI als Erster die Krimi- badener Gemeinderat. Bruggmann lebte von nalromane von Friedrich Glauser. Später grün- 1925 an bis zu seinem Tod 1958 in Ennet- dete Witz die Kulturzeitschrift «Du» und den baden. Artemis Verlag. 1951 verlieh ihm die Stadt Frankfurt die Goetheplakette für seine Ver- Hans Hartmann, Judopionier dienste um die Literatur. (1905–2002): In seinem Haupt- beruf war er Maschineninge- Carl Schmid, Ingenieur und Erfinder (1894– nieur und arbeitete bei Brown, 1988): Der Ingenieur Carl Schmid, geboren Boveri & Cie. (BBC) in Baden. und aufgewachsen in Ennetbaden, erfand 1929 Seine Leidenschaft freilich ge- den Fixpencil, einen Schreibstift mit Klemm- hörte dem Judosport. Mit der damals bei uns zangenmechanismus, der es erlaubt, Minen noch unbekannten fernöstlichen Kampfsport- verschiedenen Durchmessers zu verwenden. art machte er als Student Bekanntschaft. Ein Das Genfer Schreibwarenunternehmen Caran südkoreanischer Kommilitone gab in Zürich d’Ache hat daraus einen alltagstauglichen Kult- Judokurse. Hartmann trainierte im ersten, gegenstand gemacht. Der Fixpencil gehört bis 1929 gegründeten Schweizer Judoclub in Zü- heute zu den gefragtesten Produkten des Tra- rich und warb in der Schweiz für das Judo ditionsunternehmens, und er brachte es als auch als Kulturgut. 1949 gründete er den Jiu- Schweizer Qualitätsprodukt auch auf eine hel- Jitsu- und Judo-Club Baden. Er war zudem auf vetische Briefmarke. Der sechskantige Stift mit verschiedenen Ebenen als Funktionär tätig der versenkbaren Mine wird in über 80 Län- und verfasste Lehrbücher. 1957 organisierte er der exportiert. Auch Pablo Picasso soll immer die Schweizer Judo-Meisterschaft in Ennet-

28 baden. 1998 verlieh ihm der Schweizerische beiden stark autobiografisch gefärbten Roma- Judo- und Ju-Jitsu-Verband den 8. Dan. Damit ne «Eine Krähe war mit mir» und «Das Land, war Hartmann der höchst gradierte Schweizer das ich dir zeige» waren recht erfolgreich, auch Judoka. Hartmann lebte mit seiner Familie wenn Lotar nicht nur gnädige Worte für sein von 1951 bis 2002 in Ennetbaden. neues Heimatland fand. Ab 1967 lebte Lotar mit seiner Familie in Ennetbaden, wo er 1986 Edith Oppenheim-Jonas, Male- an den Folgen eines Verkehrsunfalls starb. rin und Zeichnerin (1907–2001): Ausgebildet war sie als Handels- Lisbeth Sachs, Architektin kauffrau. Das Zeichnen und Ma- (1914–2002): Sie war in den len betrieb Edith Oppenheim- dreissiger Jahren eine der noch Jonas zuerst nur als Freizeitbe- wenigen Frauen, die an der ETH schäftigung. Um die Familie durchzubringen, Architektur studierten. Die prak- begann sie in den dreissiger Jahren, Illustra- tisch begabte junge Frau – sie tionsaufträge anzunehmen. So war auch die hatte sich auch das Schreinern und Mauern Figur, die sie berühmt und beliebt machen soll- angeeignet – schloss beim damaligen Architek- te, eine Auftragsarbeit. Von der Stiftung Pro turpapst Otto Rudolf Salvisberg ab, arbeitete Juventute wurde sie angefragt, ob sie nicht Bil- danach in Helsinki beim international renom- dergeschichten mit einer schweizerischen mierten Alvar Aalto. Sie war erst 25, als sie den Comicfigur schaffen könne. So wurde Papa Wettbewerb für einen neuen Theaterbau in Ba- Moll geboren, dessen Geschichten ab 1952 in den gewann. Wegen des Krieges wurde das der Zeitschrift «Junior» erschienen. Der etwas Kurtheater allerdings erst in den fünfziger Jah- tolpatschige, aber herzensgute und gemütliche ren realisiert. Die ausgeprägte Selfmade-Frau Papa Moll wuchs den Schweizer Kindern (und schuf für die Schweizerische Ausstellung für ihren Eltern) rasch ans Herz. Seit 1967 und bis Frauenarbeit 1958 (SAFFA) die Kunsthalle, heute erscheinen die Papa-Moll-Geschichten schrieb für Tageszeitungen und Fachmagazine in Buchform, auch wenn längst nicht mehr über Architektur- und Baufragen. Gerne hätte ihre Erfinderin sie zeichnet und reimt. Edith sie auch unterrichtet. Doch nie bekam sie von Oppenheim-Jonas lebte mit ihrer Familie von einer Fach- oder Hochschule einen Lehrauf- 1969 bis 2001 in Ennetbaden. trag. Lisbeth Sachs lebte von 1914 bis 1950 in Ennetbaden. Peter Lotar, Schriftsteller, Schau- spieler (1910–1986): Sein Leben Hermann «Hermano» Michel, führte ihn von Prag über Solo- Hypnotiseur und Heiler (1916– thurn schliesslich nach Ennetba- 1979): Die einen sahen in ihm den. Der ausgebildete Schauspie- einen Scharlatan, andere aber ler begann mit der Theaterarbeit glaubten fest an seine übernatür- am Prager Nationaltheater, musste aber wegen lichen Kräfte. In seinen besten seines antifaschistischen Engagements 1939 Zeiten – und das waren die späteren Lebens- aus der Tschechoslowakei flüchten. Er landete jahre – kamen die Heilsuchenden gar mit in Solothurn, arbeitete dort als Schauspieler Charterflügen zu ihm. Er galt über die Schweiz und Regisseur am Städtebundtheater, bevor er hinaus als einer der erfolgreichsten Raucher- 1946 Cheflektor und Dramaturg beim Reiss- entwöhner. Da hatte er seine Praxis bereits in Bühnenverlag in Basel wurde, wo er u.a. Fried- Seon. «Hermano» hatte indes schon in Ennet- rich Dürrenmatt als Theaterautor entdeckte. baden Menschen mit Suchtproblemen, Rü- 1949 wurde Lotar Schweizer, ab 1950 lebte er cken-, Kopf- oder anderen Beschwerden be- als freier Schriftsteller. Er schrieb Theater- handelt. Der elffache Familienvater und gläu- stücke, Romane, Hörspiele und Essays. Die bige Katholik («Ich würde nie etwas tun, was

29 200 Jahre Ennetbaden

dem Teufel gefiele») hatte vor seiner Heiler- spielte zahlreiche Schallplatten ein: «D Sylvia Karriere im Zürcher Palais Corso als Hypno- Sempert verzellt...», aber auch Tonträger mit tiseur für Staunen und Unterhaltung gesorgt. Kinderliedern, auf denen sie selbst sang, be- Als die Aargauer Behörden die Vorschriften gleitet von Kindergartenkindern. Sylvia Sem- für Heilpraktiker verschärften, zogen Michel pert lebte mit ihrer Familie von 1955 bis 1983 und die Seinen nach Heiden. Im Kanton Ap- in Ennetbaden. penzell Ausserrhoden waren die Gesetze weni- ger streng. Als im Aargau die Vorschriften ge- Willy Hans Rösch, Lichtdesig- lockert wurden, kehrte «Hermano» zurück – ner und Kulturförderer (1924– allerdings nicht mehr nach Ennetbaden. In 2000): Als Lichtplaner war er Ennetbaden lebte Michel mit seiner Familie über die Grenzen der Schweiz zwischen 1943 und 1951. hinaus gefragt. Der gelernte Be- leuchtungszeichner wurde enga- Hermann Biland, Unternehmer giert, wenn es galt, historische Bauwerke rich- (1920–1991): Der geborene Bir- tig auszuleuchten. Für Kirchen und Kathedra- menstorfer war ein klassischer len war er in ganz Europa tätig, u.a. hat er das Selfmade-Unternehmer mit der Strassburger Münster ins richtige Licht ge- Nase für Bedürfnisse und Märk- rückt. Rösch war selbst ein begabter Zeichner. te, auch wenn diese sich erst vage Doch für die Kunst engagierte er sich vor allem ankündigten. Mit seiner in den fünfziger Jah- als Vermittler, Geldbeschaffer, Netzwerker. ren gegründeten Firma Biland & Gulotti AG Sein Lebenswerk ist das Künstlerhaus Boswil. vertrieb er Parkuhren, weil er früh erkannte, 1953 als Altersasyl für mittellose Künstler ge- dass sich dafür rasch ein Markt eröffnen wür- schaffen, wurden das Künstlerhaus und die de. 1952 war in Basel die europaweit erste Alte Kirche zu einer international renommier- Parkuhr installiert worden. «Parkuhren-Bi- ten Kulturinstitution. Willy Hans Rösch lebte land», wie er bald genannt wurde, arbeitete von 1960 bis zu seinem Tod im Jahr 2000 mit vor allem mit dem deutschen Hersteller Kienz- der Familie in Ennetbaden. le zusammen. Er weibelte ausserdem für ein Fahrtenschreiber-Obliga torium in Lastwagen, Anita Niesz, Fotografin (1925– um dann mit dem entsprechenden Produkt 2013): Immer wieder fotogra- präsent zu sein. Und er vertrieb im Vorelek- fierte sie Kinder: Kinder, die trotz tronik-Zeitalter moderne Anzeigesysteme für ärmlicher Umgebung Lebens- Bahnhöfe und Flughäfen. Zudem betätigte er freude ausstrahlen. Kinder aber sich als Sportjournalist. Hermann Biland lebte auch, die traumatisiert vom Krieg mit seiner Familie von 1961 bis zu seinem Tod verängstigt und scheu in Anita Niesz’ Kamera 1991 in Ennetbaden. schauen. Eindrücklich hat die Fotografin 1949 für die Zeitschrift «Du» Kriegskinder im Pes- Sylvia Sempert, Radiofrau und talozzidorf in Trogen fotografiert. Niesz arbei- Buchautorin (1922–2015): Mehr tete als Fotoreporterin für die Kulturzeitschrift als 40 Jahre lang war sie regel- «Du», für die Wochenendbeilage der NZZ, mässig am Radio zu hören, in ei- aber immer wieder auch für Organisationen ner Zeit als es allein das Schwei- wie die Flüchtlingshilfe, Pro Juventute oder zer Radio gab, Radio Bero- Pro Infirmis. Sie war zu ihrer Zeit eine der we- münster. Mit ihren Kindersendungen war die nigen Frauen unter den Reportagefotografen. ausgebildete Kindergärtnerin seinerzeit eine Das Aargauer Kunsthaus widmete ihr 1989 der bekanntesten Radiostimmen. Sylvia Sem- eine grosse Einzelausstellung. Niesz lebte von pert arbeitete nicht nur fürs Radio, sie veröf- 1925 bis 1950 und dann wieder von 1972 bis fentlichte auch Bücher mit Geschichten und zu ihrem Tod 2013 in Ennetbaden.

30 Dorfleben

Humorvolle 1.-August-Rede Heimatort? Oder wer schüttelt nicht den Kopf, dass in der Schweiz von einer veritablen Krise die Rede ist, wenn die Cervelathäute ausge- hen?) sieht Münch auch viel Verbindendes, das den Gemeinsinn stärkte und Engagement be- wirkte. In Ennetbaden erfahre er dies immer wieder. Münchs Ausführungen wurden mit lang an- haltendem Applaus quittiert. Dass man mehr- fach herzhaft hat lachen können, kommt nicht jeden 1. August vor.

Leisere Kirchenglocken

In der Ennetbadener Pfarrkirche werden der- zeit die Klöppel der fünf Glocken (B, d, f, g, b) ersetzt. Ebenso wird der Glockenturm mit ei- ner Holzverkleidung ausgestattet. Das hat in jüngster Zeit wegen der verschiedenen Probe- durchgängen zu vermehrtem Glockengeläut geführt. Der Effekt der Massnahmen im En- netbadener Glockenturm: Die Glocken sollen weicher und leiser klingen. Die Arbeiten wer- den von der Glockengiesserei Rüetschi in Aar- au durchgeführt. Sie hat seinerzeit (1965) die Festredner Münch (o.), Bundesfeier-Festzelt auf dem Postplatz: Glocken für die St. Michaels-Kirche auch ge- Mehrmals herzhaft gelacht. gossen.

Dass für eine Ansprache zum Bundesfeier- tag nicht unbedingt ein tiefgründig ernsthaf- ter Ton angeschlagen werden muss, hat der diesjährige 1.-August-Redner in Ennetbaden, Migros-Direktionsmitglied Andreas Münch, mit Witz und Humor bewiesen. Dass eine An- sprache trotzdem gehaltvoll und wahr sein kann – auch dies bestätigte Münchs Rede ein- drucksvoll. Zwar stellte auch er eine typische 1.-August-Frage: Was ist Heimat? Allerdings näherte er sich einer Antwort – oder besser: mehrerer Antworten – über alltägliche Beob- achtungen und Erfahrungen. Mit etlicher Selbstironie zeichnete er ein Bild der Schweizerinnen und Schweizer, das zu- weilen etwas bünzlig und kleinkariert wirken mag. Aber in den tradierten Eigenschaften und Eigenheiten (wer versteht im Ausland schon, Neue Klöppel für die Glocken der Michaelskirche: was der Unterschied ist zwischen Geburts- und Künftig ein weicherer Ton.

31 Dorfleben

Schachverein im Kanton Aargau an. Heute ge- hören der Gesellschaft über 50 Aktivmitglie- der und 15 Junioren an. Ruedi Farner, der seit 2010 Mitglied der SG Baden ist, will «den ho- hen Stand des Vereins halten und die Junioren- ausbildung noch ausbauen». Von seinem Vor- gänger habe er einen prosperierenden und gut organisierten Verein übernommen. Mittelfris- tig will Farner ein neues und grösseres Lokal für die Austragung der Mannschaftsmeister- Kinonacht Ennetbaden: Feine Filmkost. schaften suchen.

Kinonacht Ennetbaden Senioren auf Reisen Seit zehn Jahren gibt es die Kinonacht. Dass es heuer etwas weniger Besucherinnen und Be- Eine gut gelaunte Schar Ennetbadener Seni- sucher hatte, mag daran gelegen haben, dass orinnen und Senioren liess sich im Reisecar schon bald wieder – und am selben Ort – in einen wunderschönen, sonnigen Morgen ein Dorfanlass stattfindet. Von einem Ein- hineinchauffieren. Therese Wintsch von der bruch kann allerdings nicht gesprochen wer- Oekumenischen Frauengruppe begrüsste im den. Und wer kam, wurde nicht nur mit fei- Namen ihres Teams (Sonja Junghanss, Tiziana ner Filmkost, sondern auch kulinarisch bes- Senni, Ella Gremme) die Reisenden, bevor es tens versorgt. Man darf sich freuen, dass die Richtung Ostschweiz und nach Diessenhofen Kinonacht-Crew auch am Dorffest ein Beiz- ging. Dort wechselte man auf das Kursschiff, chen betreibt. um ans Tagesziel Stein am Rhein zu gelangen. Nach einem kurzen Dank-Gottesdienst und einem guten, währschaften Mittagessen stand Ennetbadener ist neuer Präsident am Nachmittag eine Führung durch das Muse- der Schachgesellschaft Baden um «KrippenWelten» auf dem Programm. Das Museum ist in der Schweiz einzigartig. Es be- gann mit der privaten Sammlung der Münch- ner Familie Hartl und wurde laufend erweitert mit Exponaten aus über 80 Ländern. Heute sind es 1500 Krippen – eine Vielfalt, die sich mit nur einem Besuch gar nicht aufnehmen lässt. Ein eindrückliches Erlebnis!

Ruedi Farner (l.) mit Vorgänger Karl Wilhelm: Stabwechsel.

Die Schachgesellschaft Baden hat einen neuen Präsidenten. Es ist der 61-jährige Ruedi Farner aus Ennetbaden. Er übernimmt das Amt von Karl Wilhelm, der der Gesellschaft während 45 Jahren vorgestanden hat. Unter ihm wuchs die Badener Schachgesellschaft zum grössten Besuch des Krippenmuseums: Lehrreicher Ausflug.

32 Zum Gedenken

Arthur Häny, 1924–2019 Im hohen Alter von 95 Jahren ist am 16. Juli in Zürich Arthur Häny gestorben. Der geborene Ennetba- dener war Literat und Literatur- vermittler. Er gehört freilich trotz einer langen Publikationsliste nicht zu den Schweizer Schriftstellern, die heute noch einem breiten Publikum bekannt sind. Immerhin konnte er in einer Zeit, als das Schweizer Fern- sehen noch schwarz-weiss war, seine Gedichte am TV vortragen – heute kaum mehr denkbar. Ennetbadener Chänzeli: Grandioser Weitblick. Aber vor 50 Jahren gehörte solches zur ge- pflegten Fernsehunterhaltung. Aargauer Spitze Der studierte Germanist und Altphilologe hat- te über Hölderlin promoviert und unterrich - Die Redaktion der «Aargauer Zeitung» hat in tete hauptberuflich von 1948 bis zu seiner diesem Sommer eine Liste mit den schönsten Pensionierung 1989 an verschiedenen Zürcher Aussichtspunkten im Kanton publiziert. In Gymnasien. Daneben arbeitete er als Litera- die Kränze kam dabei auch das Ennetbadener tur wissenschaftler, Übersetzer und Journalist. Geissberg-Chänzeli: «Ein paar Schritte ober- Als Schriftsteller veröffentlichte er über 20 Bü- halb des Panoramarestaurants Hertenstein hat cher mit Gedichten, Erzählungen und Roma- man einen grandiosen Weitblick über die En- nen. Bereits als noch junger Dichter wurde er netbadener Rebberge, die Bäder, das Limmat- mit dem Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis aus- tal und auf die Badener Altstadt. Gutes Schuh- gezeichnet – gerade zwei Jahre nach seinem werk empfohlen.» Manchmal vergisst man, Debüt. Mehrere Preise folgten. «Vergnügen» dass man gar nicht weit reisen muss, um et- empfand die NZZ bei der Lektüre der Erzäh- was Schönes zu erleben... lung «Der verzauberte Samstag» (1964), einer leichten Sommerliebesgeschichte «von zwei gebildeten jungen Leutchen, die von hochsom- Fotowettbewerb zum Dorffest merlicher Lebensfreude erfasst werden und sehr rasch zueinanderfinden». Häny hatte in Im Rahmen des Dorffestes veranstaltet der der NZZ ein Medium, das ihn nicht nur re- Ennetraum einen Fotowettbewerb. «Mein En- gelmässig besprach, sondern in dem er immer netbaden» ist das Thema. Gesucht werden Bil- auch selbst Gedichte oder – in Fortsetzungen – der, die Lieblingsplätze in Ennetbaden zei- Erzählungen veröffentlichen konnte. gen. Anfang August ist dafür ein Flyer in alle Als Literaturwissenschaftler untersuchte Häny Haushaltungen verschickt worden, zusammen das Heimatverständnis deutschsprachiger Au- mit einem Ballon, der unbedingt aufs Bild ge- toren in drei Jahrhunderten («Die Dichter und hört. Aus den besten Bildern soll ein Jahres- ihre Heimat», 1978). Als Übersetzer machte er kalender für 2020 gestaltet werden. sich einen Namen mit der Übertragung altnor- Die Bilder können vor Beginn oder noch wäh- discher Dichtung in ein modernes Deutsch. rend des Dorffestes «200 Jahre Ennetbaden» Verheiratet war der Literat mit der Künstlerin eingesandt werden (elektronisch). Die Bilder und Illustratorin Marieluise Häny-Müller. Sie werden während des Dorffestes am Feststand hat auch einen Teil seiner Bücher illustriert. Er des Ennetraums ausgestellt. Lieferadresse und hatte mit ihr zwei Töchter. Auskunft: [email protected]

33 Zum Gedenken

Heinz Richner, 1945–2019 Am 5. Juli ist völlig unerwartet Neue Lehrerinnen und Heinz Richner im Alter von 73 Jahren gestorben. Er erlag einem Mit dem neuen Schuljahr haben sechs Herzstillstand. Dass ihn der Tod neue Lehrpersonen ihre Arbeit an auf dem Weg zu einem Nachtessen der Schule Ennetbaden aufgenommen. mit Freunden ereilte, mag eine Laune des Zu- falls gewesen sein – aber auch passend: Heinz Christian Notz, 35, unterrich- Richner liebte den Genuss, das Essen, das Trin- tet in beiden 5. Klassen Werken, ken, das Zusammensein mit Freunden. Dass er Sport und Deutsch resp. Musik. die Freuden des Diesseits bis zuletzt erleben In der 4. Klasse gibt er ebenfalls durfte, mag den Hinterbliebenen Trost sein. Werkunterricht. Er sagt: «Auf- Ein längeres Leiden blieb ihm erspart. gewachsen bin ich im Fricktal. Heinz Richner kam wenige Monate nach Ende Ich habe eine Lehre als Lastwagenmechani- des 2. Weltkriegs in Ennetbaden zur Welt. Sein ker absolviert und anschliessend für die Aus- Vater führte bei der Schiefen Brücke die Dorf- bildung zum Automobilingenieur das Nest metzgerei. Einer seiner drei Söhne sollte ihm verlassen und das schöne Biel entdeckt. Nun dereinst nachfolgen. Zwar absolvierte Heinz wohne ich seit über 10 Jahren in Baden und Richner tatsächlich eine Metzgerlehre. Aber fühle mich hier sehr wohl. Nach einigen Jah- dieses Handwerk war nicht sein Ding, das ren im technischen Beruf habe ich mich für merkte er bald. Er besann sich auf ein Han- eine Zweitausbildung zum Primarschullehrer delsdiplom, das er an der Kantonsschule Aarau entschieden und freue mich, nach zwei Jahren erworben hatte, wechselte ins Büro und gehör- Vollzeitstudium weitere Erfahrungen im Un- te bald zum Beamtenstab in der städtischen terricht sammeln zu dürfen. Die pädagogi- Verwaltung in Baden, wo er für Stadtammann sche Ausbildung wird mich im Rahmen eines Victor Rickenbach das Sekretariat betreute. Teilzeitstudiums weiter begleiten. In meiner Die siebziger Jahre wurden zu Heinz Richners Freizeit verbringe ich gerne Zeit mit meiner Auf- und Ausbruchsjahren. Er löste (friedlich) Familie, meiner Freundin und zwei Söhnen seine Ehe auf, bekannte sich zur Homosexua- (20 Monate, 1 Monat), oder mit Freunden lität und lebte nun auch seine künstlerische Sei- beim Mountainbiken. Ausserdem schaffe ich te aus. Er besuchte Kurse an einer Kunstschule, mir einen Ausgleich mit Yoga und koche sehr gehörte zum Badener «Kreativkuchen», war gerne.» rechte Hand des Badenfahrt-Intendanten und spielte im Badenfahrt-Festspiel «Siegawyn und Cristina Brea, 63, unterrichtet Ethelfrieda» 1977 die Hauptrolle. Nach An- in Ennetbaden neu als Englisch- sicht vieler war es das beste Festspiel aller Ba- lehrerin. Sie sagt: «This is the denfahrten. circle of life! 1960 sind mein ar- Mitte der achtziger Jahre zog Heinz Richner gentinischer Vater und meine beruflich nach Zürich (Inventarbeamter der finnische Mutter nach Ennet- Stadt Zürich), blieb aber Ennetbaden als Wohn- baden gezogen, wo ich bis zur 3. Klasse die und Lebensort treu: zuerst am Postplatz, dann – Schule besuchte, bis wir 1965 nach Baden zusammen mit seinem Lebenspartner Mounir umzogen. Ich bin mehrsprachig aufgewach- Arakji – an der Schlierenstrasse. Bis zu deren sen und wanderte nach dem Kindergärtnerin- Tod pflegte und betreute Heinz Richner die be- nendiplom 1977 nach Amerika aus, um dort tagte Mutter. Es war ihm und Mounir noch Literatur und Germanistik zu studieren. Nach vergönnt, das 25-Jahr-Jubiläum ihrer Bezie- meiner Rückkehr in die Schweiz habe ich hung zu feiern. Wie immer bei Heinz: zusam- mich zur Englisch-Fachlehrkraft ausgebildet. men mit vielen Freunden. Viele Jahre unterrichtete ich in Baden und

34 Schule

in Wettingen. In meiner Freizeit bin ich gerne Lehrer in der Natur, gestalte und nähe leidenschaft- lich, reise gerne und interessiere mich für Stetten Englisch und DaZ an der Sek/Real- Kunst und Architektur.» und Primarschule. Ich war alleinerziehende Mutter einer Tochter und eines Sohnes und Isabel Binder, 32, unterrichtet lebte von 1999 bis 2009 in Israel, wo ich eine am Donnerstag in der Klasse eigene Sprachschule führte. Sprachen sind 2b: «Ich lebe mit meinem Mann meine Leidenschaft. Ebenso Reisen, Spazie- und meiner kleinen Tochter ren, Theater, Quilten und für Freunde ko- Juna, die letzten Silvester zur chen. Nun bin ich in meine alte Heimat zu- Welt gekommen ist, in Baden. rückgekehrt. I’m so happy to teach English at Vor meinem Mutterschaftsurlaub war ich your school!» während rund vier Jahren als Klassenlehrerin an der Unterstufe in tätig. Das Eva Zimmerli, 29, unterrichtet Unterrichten bereitet mir grosse Freude. Wäh- neu die 6. Klasse: «Nach mei- rend meiner Ausbildung zur Primarlehrerin nem Abschluss an der PH Zü- durfte ich im letzten Studienjahr bereits in rich arbeitete ich mehrere Jahre Ennetbaden unterrichten und lernte die Schu- als Klassenlehrerin im Kanton le und das Team in dieser Zeit schon etwas Zürich. Nun zieht es mich zu- näher kennen. Ich habe diese Zeit sehr genos- rück in den Aargau. In meiner Freizeit mache sen. Daher freue ich mich nun umso mehr ich Sport, spiele Geige und Theater. Wegen über meine Rückkehr.» meiner Leidenschaft fürs Theater schloss ich 2017 ein CAS in Theaterpädagogik ab. Auch Ulrike Schüppel, 52, unter- das Reisen gehört zu meinen Hobbys. Meh- richtet neu Französisch in der rere Monate war ich in Südamerika und Asi- 6. Klasse: «Seit 2008 lebe ich en unterwegs. Ich freue mich über meine neue mit meiner Familie in Unter- Aufgabe und die Arbeit im Team der Schule siggenthal. Ich bin in Deutsch- Ennetbaden.» land aufgewachsen und habe vor meinem Aufenthalt in der Schweiz einige Sabine Röösli, 50, gibt neu am Jahre in Frankreich gelebt. Dort wurden mei- Dienstag Malatelier in den ne drei Söhne geboren, die inzwischen 12, 17 Klassen von Sabine Som und und 19 Jahre alt sind. Sie wuchsen zweispra- Lukas Geiser. Sie sagt: «Mein chig auf. In der Schweiz unterrichtete ich zu- Herz schlägt für meine Familie, nächst Deutsch für Erwachsene. Die Erfah- die Gestaltung und das Unter- rung machte mir viel Spass und weckte in mir richten. Nach vielen Jahren als Grafikdesig- das Interesse, meine Kenntnisse zu vertiefen nerin und Art-Directorin in Verlagen, habe und mich Kindern und Jugendlichen zu wid- ich mir einen Herzenswunsch erfüllt und den men. Die französische Kultur und Sprache Quereinstieg zur Primarlehrerin absolviert. liegen mir seit meiner Jugend sehr am Her- Seit dem Abschluss im Schuljahr 2014/15 un- zen. Immer wieder bereisen wir Frankreich terrichte ich in Birmenstorf Textiles Werken und die Romandie. In meiner Freizeit spiele und Deutsch als Zweitsprache. 2018 habe ich ich Geige im Brugger Orchester und Tennis eine Weiterbildung als Malatelier-Leiterin ab- in Baden. Während meiner verschiedenen geschlossen und freue mich sehr, zusätzlich Auslandaufenthalte habe ich vor allem ge- an der Schule Ennetbaden im Malatelier en- lernt, wie wichtig Toleranz, eine positive gagiert zu sein. Ich lebe mit meinem Mann Grundhaltung und die kleinen Dinge des Le- und unseren zwei Kindern (13 und 10 Jahre) bens sind.»

35 Wohnort Ennetbaden

Erwin Gysel, assimilierter Ennetbadener

von Linda Mülli, Text, und Alex Spichale, Bild

Alt-Gemeinderat Erwin Gysel: «Ennetbaden ist praktisch gebaut.»

Der geborene Schaffhauser Erwin wissenhaft notiert hat. Erwin Gysel ist vorbe- Gysel ist im Lauf der Jahrzehnte reitet und weiss einiges zu erzählen über die zum Ennetbadener geworden. letzten 40 Jahre Ennetbadener Geschichte. Nur den Schaffhauser Dialekt hat Eine Zeit, so sagt er, in der «viel gebaut» wurde. er nicht abgelegt Aufgewachsen ist Erwin Gysel im maleri- 13 Jahre lang war Erwin Gysel in Ennetba- schen Wilchingen SH. Der Bauernsohn – «Ich den Gemeinderat – nebenberuflich. Er war bin der Älteste von sechs Buben» – musste be- damals 100 Prozent berufstätig. Seit seiner reits im elterlichen Betrieb kräftig anpacken. Frühpensio nierung im Jahr 2005 nimmt er es Doch Bauer werden, das sei ihm schnell klar etwas ruhiger. geworden, wollte er nicht. Nach der Kantons- schule studierte er an der ETH. Schliesslich trat Gysel, 77, sitzt am Tisch in seiner Gartenlau- er seine erste Stelle als Elektroingenieur am be. Vor sich hat er eine Karte von Ennetbaden 1. Oktober 1973 bei den Nordostschweize- ausgebreitet, daneben eine Liste wichtiger Er- rischen Kraftwerken NOK (heute Axpo) an. eignisse, die er sich vor unserem Interview ge- Zunächst sei er täglich aus dem Schaffhausi-

36 schen nach Baden gependelt, je 35 Minuten mit Ennetbaden neue Einwohner-/Innen gewinnen. dem Auto hin und wieder zurück. Doch alsbald Die Einführung der Tagesstrukturen sei eine wurde ihm das zu viel – vor allem auch deshalb, solche Initiative gewesen. Der Liberale Gysel so ergänzt seine Frau, Helen Gysel, weil die drei rechnet dies den federführenden Linken aner- Kinder vom Vater nicht erst am Wochenende, kennend an. Die letzte Statistik von 2017 weist sondern auch unter der Woche etwas haben wieder rund 3 500 in Ennetbaden lebende Per- wollten. 1977 zog die Familie nach Ennetbaden, sonen aus. zuerst in ein Miethaus und dann ins Eigenheim an der Geissbergstrasse. Von da an ging Erwin Erwin Gysel erinnert sich quasi aus der poli ti- Gysel zu Fuss zur Arbeit. schen Innenperspektive an die Zeit der Trend- umkehr. Seine erste Zeit im Gemeinderat sei «Eingelebt haben wir uns schnell», sagt Gy- durch die Erarbeitung der Bau- und Zonenpla- sel. Er wurde zum assimilierten Ennetbadener, nung geprägt gewesen. «Zonenarbeit» nennt der sich alsbald politisch zu engagieren be- Erwin Gysel diese Aufgabe und erinnert sich gann. Wie kam das? «Ein Kollege hat mich an- an die Herausforderung, den verschiedens- gefragt. So bin ich in die hiesige FDP eingetre- ten Interessen gerecht zu werden. «In meiner ten – obwohl mein Heimatort eigentlich eine Zeit», so sagt er, wenn er an die Zeit Mitte der SVP-Hochburg ist.» Es war die Zeit Ende der Achtzigerjahre denkt, «wurde viel gebaut.» 1970er Jahre, als Ennetbaden ein neues Ener- Der ehemalige Verantwortliche für Bau- und giekonzept erarbeiten wollte. Das Fachwissen Planung tippt immer wieder mit dem Finger im Energiebereich des frisch gebackenen En- auf die Karte vor sich: Das Feuerwehrmagazin netbadeners kam also gelegen. So begann die- mit der Sportanlage Bachteli, das Hochzonen- ser, der «nicht nur in der Gemeinde schlafen», reservoir sowie die obere Rebbergstrasse – die sondern sich auch engagieren wollte, alsbald Liste liesse sich noch verlängern. in der Energiekommission mitzuarbeiten. Per «1. Oktober 1980» – mit den Daten nimmt es Was lässt sich für das Ennetbaden der kom- Erwin Gysel sehr genau – wurde er in den Ge- menden Jahrzehnte prognostizieren? «Ich sage meinderat gewählt. immer, dass Ennetbaden praktisch gebaut ist», sagt Gysel. «Nur noch wenige Parzellen können So ist Erwin Gysel, obwohl aus dem Schaff- überbaut werden.» Und so, möchte man anfü- hausischen zugezogen – oder vielleicht gerade gen, das Zuhause von neuen Ennetbadener-/In- deshalb – ein ‹typischer› Ennetbadener gewor- nen werden. In Zukunft, so sinniert Erwin Gy- den. Die Gemeinde habe in den vergangenen sel, liessen sich höchstens noch grös sere Über- Jahrzehnten viel Fluktuation erlebt und exis- bauungen realisieren. Mit anderen Worten: Ein- tiere insbesondere dank der vielen Menschen, familienhäuser müssen Mehrfamilienhäusern die hierher gezogen sind. Hatte Ennetbaden, weichen – mit der Konsequenz, dass Ennetba- das in der Nachkriegszeit durch den Zuzug den dadurch wohl etwas urbaner würde. von Beschäftigten der insbesondere in Baden ansässigen Grossfirmen ständig gewachsen ist, Ob und wann dies tatsächlich eintreffen wird, Ende der Sechzigerjahre rund 3 600 Einwoh- vermag Erwin Gysel freilich nicht zu sagen. Er, ner-/Innen, so erinnert sich Erwin Gysel vor der als langjähriger Kassier der Altersstiftung allem an Zeiten, als die Bevölkerungszahl erst jüngst sein letztes «Amt» in Ennetbaden schrumpfte: «In den Achtzigerjahren sank die abgegeben hat, nimmt es derweil gemütlicher: Zahl stetig.» Der Tiefpunkt wurde 1984 er- Hauptsächlich ist er in zwei Wandergruppen reicht, als noch 2 573 Personen in Ennetbaden und im Badener Männerturnverein engagiert. registriert waren. Erst durch die Bautätigkeiten Einfach mitzumachen steht auch da ausser und insbesondere dank Initiativen, die für die Frage. So wirkt Erwin Gysel in zwei Vereinen Standortattraktivität förderlich waren, konnte als Kassier.

37 Veranstaltungen

Exklusive Vorpremiere seconds› zu haben, passte später genau in mein neues Leben mit meinen beiden Kindern. Kunst Während des Dorffestes wird auf dem Park- zu machen füllt heute ganze Abende und Näch- hausdach der zweite Teil der Festspiel-Trilogie te. Die Collagen können nur entstehen, wenn «Ännet» aufgeführt: «Geburtstag für die Türg- alles rundherum liegen bleiben und ich gänz- gen». An der Generalprobe vom Mittwoch, lich abschalten und eintauchen kann.» Vernis- 4. September (noch kein Festbetrieb an die- sage: Donnerstag, 12. September, 18.30 bis sem Tag), werden 50 Plätze für ein exklu- 21.30 Uhr. Die Ausstellung dauert bis am sives Vorpremieren-Paket freigegeben. Das Mittwoch, 30. Oktober. Angebot umfasst einen Willkommensdrink, ein Essen (Salat und frische Pizza aus dem Holzofen), eine Dessertüberraschung (Choco- Veranstaltungen des «Treffpunkt» latier Fabian Rimann), Kaffee und Mineral- wasser und natürlich einen reservierten Sitz- Mittwoch, 25. September, 20.15 Uhr platz mit bester Sicht auf die Bühne. Apéro ab Ref. Pfarrhaussaal, Geissbergstrasse 17 17, Essen ab 17.30, Beginn Theater 19, Schluss 100 Jahre unberührte Natur ca. 21 Uhr. Preis pro Person: 100 Franken. Vor mehr als 100 Jahren, am 1. Au- Ein grosser Teil des Betrags geht an die Produk- gust 1914, ist der Schweizerische tionskosten des Festspiels. Die Gemeindever- Nationalpark gegründet worden. waltung verkauft Tickets: Reservationen per Man wollte ein Gebiet schaffen, in Mail [email protected] oder dem die Natur einfach Natur sein Telefon 056 200 06 02. darf. Hier soll der Mensch Beobachter sein, Beobachter dynamischer Prozesse, die der alpinen Landschaft im Unterengadin den un- Patrozinium St. Michael vergleichlichen Charakter verleihen. Die wis- senschaftliche Forschung ermöglicht es, diese Am Sonntag, 22. September, 10.30 Uhr, fei- natürlichen Prozesse zu verstehen. Der Ennet- ern die Ennetbadener Katholiken in der Pfarr- badener Biologe und Forstingenieur Stephan kirche den Kirchenpatron St. Michael. Der Zimmermann ist Mitglied der Forschungs- Kirchenchor wird den feierlichen Gottesdienst kommission des Nationalparks und wird das mit der Missa in hon. B Mariae Virg. Op.14 einmalige Reservat vorstellen und auf ausge- für Orchester, Chor und Orgel von Johan- wählte Forschungsergebnisse eingehen. nes Schweitzer musikalisch gestalten. Danach wird ein Apéro offeriert. Mittwoch, 30. Oktober, 20.15 Uhr Ref. Pfarrhaussaal, Geissbergstrasse 17 Von der Sterbebegleitung Kunst im Treppenhaus zur Palliative Care Noch Anfang der 1980er Jahre waren Sterben- Von Mitte September bis Ende de im Spital weitgehend sich selbst überlassen. Oktober zeigt die Ennetbadener Dann führten Spitalseelsorger die ersten Kur- Künstlerin Karin Wunderlin ihre se für freiwillige Sterbebegleitung durch. Teil- Collagen im Treppenhaus des Ge- nehmende waren auch die Ennetbadnerinnen meindehauses. Zu ihrem Leben Verena Hirt, Rosmarie Lehmann und Ursula und ihrer Kunst sagt sie: «Nach meiner Tätig- Merz. Mit ihnen und Dr. Silvia Brims disku- keit als Kindergärtnerin absolvierte ich eine tieren Moderator Markus Zeifang (Vikar der Lehre als Damenschneiderin und führte mein Ref. Kirchgemeinde Baden) und das Publikum: eigenes Schneideratelier in Zürich. Zu schnei- Wie stirbt man heute? Infos: www.treffpunkt- dern sowie meinen Online Shop ‹second- ennetbaden.ch

38 August Do 29.8. 2. Bundesübung Pistole, 18–19.15 Uhr Schiessanlage Ennetbaden Do 29.8. Kultur zum Feierabend, 18 –21 Uhr, mit Anmeldung 3) Hist. Museum Baden Fr 30.8. Mütter-/Väterberatung, 14.30 –17.15 Uhr 1) Fam. Zentrum Karussell Sa 31.8. Robotik Workshop, 14.30 –17.30 Uhr 2) Ennetraum Ennetbaden

September

Mo und Fr Mo: 2./9./16./23.9., Mütter-/Väterberatung, 14.30–17.15 Uhr Fam.zentrum Karussell Fr: 6./13./20./27.9., Mütter-/Väterberatung, 14.30–17.15 Uhr 1) Do–So 5.–8.9. Dorffest Ennetbaden, mit Festspiel, www.ennetbaden200.ch Fr 6.9. Neuzuzügerbegrüssung, 18– 21 Uhr Brasserie Schwanen So 8.9. Finissage-Führung «Der Rebberg von Baden», 14–23.59 Uhr 3) Hist. Museum Baden Do 12.9. Miteinander Essen in Ennetbaden, 12 Uhr Restaurant Sonne Fr 13.9. Landschaftsausstellung «Wachgeküsst», 15–19 Uhr 5) Stadthalle Dietikon Sa 14.9. Jubiläumsanlass «55 Jahre Alterszentrum Kehl», 11–16.30 Uhr Alterszentrum Kehl Mi 18.9. Büchertauschbörse, 14–16 Uhr 2) Ennetraum Ennetbaden Do 19.9. Biketour auf den Altberg, 17–19 Uhr, Anmeldung bis 17.9. 5) Bhf. Zürich-Altstetten Sa 21.9. Kidsbörse Ennetbaden, 13.30–15 Uhr, mit Kinderflohmarkt Turnhalle Ennetbaden So 22.9. Festgottesdienst zum Patrozinium mit Kirchenchor, 10.30 Uhr Kath. Kirche Ennetbaden Di 24.9. Vortrag «Kinder der neuen Zeit» 19 Uhr 2) Ennetraum Di 24.9. Infoanlass zu «Tempo 30», 19.30 Uhr Turnhalle Mi 25.9. Kosmetik im Kafi, 9–11.30 Uhr 2) Ennetraum Mi 25.9. Treffpunkt, Referat «Schweiz. Nationalpark», 20.15 Uhr 4) Ref. Pfarrhaussaal

Oktober

Mo und Fr Mo: 14./21./28.10., Mütter-/Väterberatung, 14.30–17.15 Uhr Fam.zentrum Karussell Fr: 4./11./18./25.10., Mütter-/Väterberatung, 14.30–17.15 Uhr 1) Do 10.10. Miteinander Essen in Ennetbaden, 12 Uhr Restaurant Sonne Sa 12.10. Endschiessen Pistole Ennetbaden, 13.30–17.30 Uhr Schiessanlage Ennetbaden Mi 16.10. Generationen-Kafi mit Musik und Texten, 15–17 Uhr 2) Ennetraum Sa 19.10. Naturforscher für Primarschüler, «Der Regenwurm», 15 Uhr 2) Ennetraum So 20.10. National- und Ständeratswahlen Mi 23.10. Büchertauschbörse, 14–16 Uhr 2) Ennetraum Ennetbaden Sa 26.10. Besichtigung Umbauten Gemeindehaus/Tagi-Club, 10–12 Uhr Gemeindehaus/Tagi-Club Sa 26.10. BA BA PAPA, Basteln und Bauen mit Papa, 10 Uhr 2) Ennetraum Sa 26.10. Eat & Meet und Kultur, 19–23.30 Uhr Neuackerstr. 18b Mi 30.10. Treffpunkt, Referat «Palliative Care», 20.15 Uhr 4) Ref. Pfarrhaussaal Mi 30.10. Kürbisschnitzen (7–99 Jahre), 14 Uhr 2) Ennetraum

1) Mütter-/Väterberatung: Freitagdaten mit Voranmeldung auch von 8.30–11.30 Uhr 2) Infos und Termine zu Kursen und Veranstaltungen im Ennetraum: www.ennetraum.ch 3) Infos und Termine zu den Veranstaltungen des Historischen Museums: www.museum.baden.ch 4) Infos zu Treffpunkt-Anlässen www.treffpunkt-ennetbaden.ch 5) Infos zur Regionalen 2025: www.regionale2025.ch

39 Kolumne

Wo ist Frau Meier?

Nach vier Wochen Ferienpause Ein Tag später bin ich wieder da. Auf dem Wa- schiebe ich wieder den Wagen mit gen in der Küche, auf dem immer vier Tabletts den Frühstückstabletts vor mir her. bereit sind, stehen nur noch drei. Das von Frau Mein Wochenendjob im Altersheim Meier fehlt. In der ersten freien Sekunde gehe ist echt super, um ein wenig Geld in ich zum Tisch, auf dem die Fotos der Verstor- die Kasse zu bekommen. Schon ste- benen stehen. Frau Meiers Bild ist nicht da, he ich vor der Tür einer Bewohne- mir fällt ein Stein vom Herzen. rin, die ich sehr gerne mag. Als ich eintrete, ist Frau Meier nicht da. Ich Von allen, die im Alters- und Pflegeheim ar- bin etwas verwirrt, weil sie norma- beiten, habe ich fast am wenigsten Kontakt zu Gina Graf, 17, besucht lerweise immer kommt, um mich zu den Leuten. Wer jeden Tag hier ist, baut Ver- die Kantonsschule begrüssen. Auch beim Tablettabräu- bindungen auf, sieht und erlebt das Altwerden, in Wettingen. Sie hört gerne Musik, und men sehe ich sie nicht, ungewöhn- bis die Menschen die Welt verlassen. Manch- ebenso gerne spielt lich. Da meldet sich eine brüchi- mal vor dem eigentlichen Sterben: wenn sie sie Tennis. ge Stimme aus einem Bett, das neu ihre Mitmenschen vergessen, wenn sie aufhö- um die Ecke in der Wohnung steht. ren zu kommunizieren. Dort liegt Frau Meier unter der De- cke. Mir stockt kurz der Atem. Sie Altersheime sind eine kleine Welt für sich, ist viel dünner, ihre Haut von blauen mit der wir uns nicht so viel beschäftigen – Blessuren bedeckt, das Gesicht ein- oder besser gesagt: nicht mit den Leuten, die gefallen. Behutsam streckt sie die dort arbeiten und denen wir selbst einmal un- Hand nach meiner aus und hält sie endlich dankbar sein werden. Wir sollten uns fest. Sie lächelt mich an, bedankt dazu mehr Gedanken machen, denn in Zu- sich und sagt mir, wie lieb sie mich kunft wird es immer mehr Menschen geben, habe. Ich drücke ihre Hand, lächle die noch älter werden und Unterstützung von sie an und weiss nicht, was ich sagen Pflegern und Angehörigen brauchen. soll. Ich bin so berührt von ihrem aufrichtigen Lächeln und von ihren Ich selbst möchte im Alter einmal ein glück- feinen Fingern, die meine umschlies- liches Leben führen können und hoffe, dass sen. Aber ihre Augen zeigen grosse Leute für mich da sein werden. Verwirrung.

Als ich das Zimmer wieder verlasse, Redaktionsschluss und Impressum können meine Gedanken nichts an- deres mehr fassen. Doch die Arbeit geht weiter, und auch wenn ich in Redaktionsschluss Nr. 5/2019 Montag, 14.10.2019 der Hauswirtschaftsabteilung nicht Redaktionsanschrift «Ennetbadener Post», viel mit den Bewohnern zu tun Gemeindekanzlei, Grendelstr. 9, 5408 Ennetbaden habe, freue ich mich immer, wenn Tel. 056 200 06 01, Fax 056 221 59 04, ich jemandem im Gang begegne. E-Mail: [email protected] Die Leute bleiben stehen, grüssen Redaktion Gemeinde Dominik Andreatta mich oder bedanken sich. Sie erzäh- Redaktion, Produktion Urs Tremp, Baden len spannende Geschichten von frü- Layout, Gestaltung satz., Ennetbaden her und haben Freude an den kleins- Druck Schmäh Offset&Repro AG, ten Gesten.

40