Zulassungsantrag TV GmbH für das Fernsehspartenprogramm „spiegel.tv“

Aktenzeichen: KEK 665

Beschluss

In der Rundfunkangelegenheit

der SPIEGEL TV GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer Fried von Bismarck, Dirk Pommer und Cassian von Salomon, Brandstwiete 19, 20457 Hamburg, - Antragstellerin - w e g e n

Zulassung zur Veranstaltung des bundesweiten Fernsehspartenprogramms „spiegel.tv“ hat die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) auf Vorlage der Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein (MA HSH) vom 13.04.2011 in der Sitzung am 10.05.2011 unter Mitwirkung ihrer Mitglieder Prof. Dr. Sjurts (Vorsitzende), Dr. Lübbert (stv. Vorsitzender), Dr. Brautmeier, Prof. Dr. Dörr, Fuchs, Dr. Grüning, Dr. Hege, Dr. Hor- nauer, Prof. Dr. Mailänder, Prof. Dr. Müller-Terpitz, Dr. Schwarz und Prof. Thaenert ent- schieden:

Der von der SPIEGEL TV GmbH mit Schreiben vom 08.04.2011 bei der Medien- anstalt Hamburg / Schleswig-Holstein (MA HSH) beantragten Zulassung zur Ver- anstaltung des bundesweit verbreiteten Fernsehspartenprogramms spiegel.tv stehen Gründe der Sicherung der Meinungsvielfalt im Fernsehen nicht entge- gen.

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Begründung

I Sachverhalt

1 Zulassungsantrag

Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 08.04.2011 bei der MA HSH die Zulas- sung für das Spartenprogramm spiegel.tv für die Dauer von zehn Jahren ab dem 01.06.2011 beantragt. Die MA HSH hat der KEK den Antrag mit Schreiben vom 13.04.2011 zur medienkonzentrationsrechtlichen Prüfung vorgelegt.

2 Programmstruktur und -verbreitung

2.1 Das Programm spiegel.tv ist als 24-stündiges Web-TV-Spartenprogramm in den Bereichen Reportage und Dokumentation geplant und soll die Themenbereiche Poli- tik, Zeitgeschehen, Gesellschaft, Wissenschaft und Technik behandeln. XXX ...

2.2 Das Programm spiegel.tv soll linear als Live-Stream in deutscher Sprache über das Internet unter der Adresse www.spiegel.tv verbreitet werden. Eine Einbindung in das Gesamtangebot SPIEGEL online ist ebenfalls geplant. Der Sendestart ist für den 01.06.2011 vorgesehen.

3 Antragstellerin und Beteiligte

3.1 Gegenstand der Antragstellerin sind gemäß deren Gesellschaftsvertrag, XXX ..., die Veranstaltung von Fernseh- und Rundfunksendungen, Entwicklung, Produktion, Er- werb und Veräußerung dafür bestimmter Beiträge, Vermarktung von Fernseh- und Rundfunkwerbezeiten sowie alle mit diesem Gegenstand zusammenhängenden nicht erlaubnispflichtigen Tätigkeiten XXX...

XXX ...

3.2 Die SPIEGEL TV GmbH veranstaltet das Programm SPIEGEL TV digital und liefert Inhalte für die von der DCTP Entwicklungsgesellschaft für TV Programm mbH („DCTP“) veranstalteten Fensterprogramme in den Programmen RTL und Sat.1 so- 3

wie für das Programm VOX (SPIEGEL TV Magazin, SPIEGEL TV Reportage, SPIEGEL TV Extra, SPIEGEL TV Special, Die Samstagsdokumentation).

Im Produktionsbereich sind die SPIEGEL TV Produktion GmbH, die SPIEGEL TV Media GmbH und die SPIEGEL TV Infotainment GmbH & Co. KG 100%ige Toch- tergesellschaften der SPIEGEL TV GmbH (bzgl. der SPIEGEL TV Infotainment GmbH & Co. KG: Beteiligung in Höhe von 88 % sowie in Höhe von 100% an der Komplementärin, der SPIEGEL TV infotainment GmbH). Die SPIEGEL TV Media GmbH produziert die Co- und Auftragsproduktionen von SPIEGEL TV. Die SPIEGEL TV Infotainment GmbH produziert u. a. das Format „Johannes B. Kerner“ und entwickelt neue Unterhaltungsformate. Die SPIEGEL TV Produktion übernimmt die technischen Dienstleistungen für SPIEGEL TV sowie für Tochterunternehmen und Dritte.

Weitere 100%ige Tochtergesellschaften der Antragstellerin sind zudem die Aspekt Telefilm-Produktion GmbH (Produktion von Spielfilmen, Serien und Fernsehreihen) und die Ericus Media GmbH (Co- und Auftragsarbeiten für den nationalen und inter- nationalen Markt im Bereich Corporate Media, insbesondere für gewerbliche Kun- den). Die Antragstellerin ist zudem in Höhe von 51 % an der SPIEGEL TV Ge- schichte GmbH & Co. KG, der Veranstalterin des Programms SPIEGEL Geschichte, beteiligt und hält jeweils 50 % der Anteile der Story House Productions GmbH (produziert für ProSieben unter anderem die Sendung „Galileo“) und der Story Hou- se Productions, Inc., Washington D.C.

3.3 Die SPIEGEL TV GmbH ist ein 100%ige Tochtergesellschaft der SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG („SPIEGEL-Verlag“), Hamburg, die das Nach- richtenmagazin DER SPIEGEL verlegt. Am Spiegel-Verlag sind die KG Beteili- gungsgesellschaft für Spiegelmitarbeiter mbH & Co. („Mitarbeiter KG“) zu 50 %, die Erbengemeinschaft Rudolf Augstein mit 23,75 % und die Gruner + Jahr AG & Co. KG („Gruner + Jahr“) mit 25,25 % beteiligt. Ein Anteil in Höhe von 1 % wird von der Rudolf Augstein GmbH, der geschäftsführenden Komplementärin des Spie- gel-Verlags, gehalten. An dieser sind wiederum die Mitarbeiter KG mit 50,5 %, die Erbengemeinschaft Rudolf Augstein mit 24 % und Gruner + Jahr mit 25,5 % betei- ligt. Hinsichtlich der beim SPIEGEL-Verlag und der Rudolf Augstein GmbH beste- henden gesellschaftsvertraglichen Regelungen wird auf den Beschluss der KEK i. S. Sendezeiten für unabhängige Dritte im Programm der RTL Television GmbH, Az.: KEK 159-2, II 4.1.1.1.1, verwiesen. 4

Der SPIEGEL-Verlag ist in Höhe von 12,5 % an der DCTP beteiligt, die selbst mit 0,3 % an der VOX Television GmbH, der Veranstalterin des Programms VOX, betei- ligt ist.

3.5 Die nachfolgende Grafik zeigt die Beteiligungsverhältnisse um die Antragstellerin im Überblick:

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Bertelsmann AG 74,9 25,5 Gruner + Jahr AG & 25,25 Co. KG 24 Erbengemeinschaft 23,75 Rudolf Augstein 50,5 KG Beteiligungsgesellschaft für 50 Spiegel-Mitarbeiter mbH & Co.

Rudolf Augstein GmbH Komplementärin 1 SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG

100 Kabel Deutschland 12,5 Vertrieb & Service (E) Spiegel TV GmbH & Co. KG digital Programmzulieferung DCTP (Zurechnung weiterer, auf ------DCTP Entwicklungs- der Plattform veranstalteter gesellschaft für TV Drittprogramme) spiegel.tv Programm mbH Spiegel TV GmbH 51

Sky Deutschland Fernsehen GmbH & Spiegel Co. KG (E) Geschichte 49 (Zurechnung eigener und Spiegel TV Autentic GmbH weiterer, auf der Plattform Geschichte GmbH & veranstalteter Drittprogramme) Co. KG 50 Dr. Patrick Hörl 45 Beta Film GmbH 5 Moritz von Kruedener

100 93,3 Jan Mojto EOS Beteiligungs GmbH 2,4 Catharina Mojto 2,4 Carolina Mojto 1,9 Eigenbesitz Programmveranstalter

Veranstalter, dessen Programm dem SPIEGEL-Verlag zuzurechnen ist

E: Zurechnung aufgrund der Möglichkeit der Einflussnahme auf wesentliche Programmentscheidungen durch den Plattformbetreiber (§ 28 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 RStV) Stand 04/2011

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II Verfahren

Die Vollständigkeitserklärung der Antragstellerin liegt vor. Der MA HSH wurde Gele- genheit zur Stellungnahme gegeben.

III Medienkonzentrationsrechtliche Beurteilung

1 Bestätigungsvorbehalt der KEK

Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 RStV bedürfen private Rundfunkveranstalter einer Zulas- sung. Fragestellungen der Sicherung der Meinungsvielfalt werden von der KEK nach Vorlage durch die zuständige Landesmedienanstalt gemäß § 37 Abs. 1 RStV beurteilt. Bei dem 24-stündigen Programm spiegel.tv handelt es sich um Rundfunk im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 RStV und nicht um ein Telemedium, da das Angebot linear verbreitet wird.

2 Zurechnung von Programmen

2.1 Das Programm spiegel.tv ist der Antragstellerin gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. RStV und dem SPIEGEL-Verlag gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. RStV zuzurech- nen.

Der Antragstellerin werden darüber hinaus das von ihr veranstaltete Programm SPIEGEL TV digital sowie das Programm SPIEGEL Geschichte zugerechnet (vgl. zuletzt Beschluss der KEK vom 14.07.2009 i. S. SPIEGEL Geschichte, Az.: KEK 567, III 2.1).

2.2 Eine Zurechnung der von DCTP veranstalteten Drittfensterprogramme oder der im Rahmen des Programms VOX von DCTP veranstalteten Programmteile (s. o. unter I 3.2) zur SPIEGEL TV GmbH aufgrund von Programmzulieferungen gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RStV kann vor dem Hintergrund ihres geringen zeitlichen Um- fangs im Rahmen der jeweiligen Gesamtprogramme dahinstehen: Auf die entspre- chenden Programmteile kann nur ein Bruchteil der vom jeweiligen Gesamtpro- gramm erzielten Zuschaueranteile entfallen (vgl. bereits Beschlüsse i. S. XXP, Az.: KEK 123, III 2, Az.: KEK 175, III 2.2.2, und i. S. Spiegel/XXP, Az.: KEK 254, III 2.1.1). 7

2.3 Die Zurechnung von Fernsehbeteiligungen des SPIEGEL-Verlags zu Gruner + Jahr und zum Bertelsmann-Konzern auf Grundlage von § 28 Abs. 1 Satz 2 RStV i. V. m. §§ 15 ff. AktG setzt eine gemeinsame Beherrschung des SPIEGEL-Verlags durch Gruner + Jahr und die Mitarbeiter KG (§ 17 Abs. 1 AktG) voraus. Eine solche konnte die KEK bislang nicht feststellen (vgl. Beschluss i. S. Sendezeiten für unabhängige Dritte im Programm der RTL Television GmbH, Auswahl von DCTP, Az.: KEK 159-2, II 4.1.1.1.2.1, sowie Beschlüsse i. S. SPIEGEL TV digital, Az.: KEK 254, III 2.1.3, i. S. Sendezeiten für unabhängige Dritte im Programm der RTL Television GmbH, Auswahlentscheidung von Fensterprogrammveranstaltern, Az.: KEK 461-2, II 2.1.2, und i. S. SPIEGEL Geschichte, Az.: KEK 567, III 2.3). Für eine abweichen- de Beurteilung sind gegenwärtig keine Anhaltspunkte ersichtlich, da sich die der bisherigen Beurteilung zugrundegelegten Verhältnisse – insbesondere die satzungs- rechtlichen Bestimmungen beim Spiegel-Verlag und die Beteiligungsverhältnisse – nicht verändert haben. Auf die Ausführungen im Beschluss Az.: KEK 159-2, II 4.1.1.1.2.1, wird daher Bezug genommen.

3 Vorherrschende Meinungsmacht

Ein Unternehmen darf eine unbegrenzte Anzahl von bundesweiten Fernsehpro- grammen veranstalten, sofern es dadurch keine vorherrschende Meinungsmacht er- langt (§ 26 Abs. 1 RStV).

3.1 Zuschaueranteile

Nach § 27 Abs. 2 Satz 2 RStV muss die Ermittlung der Zuschaueranteile auf Grund repräsentativer Erhebungen bei Zuschauern ab Vollendung des dritten Lebensjah- res nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Methoden durchgeführt werden. In der Regel verwendet die KEK für die Ermittlung der Zuschaueranteile die monatli- chen Daten zu den Anteilen der Fernsehsender an der täglichen durchschnittlichen Sehdauer (Zuschauer ab drei Jahren, Mo. – So.). Die Sehdaueranteile werden im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) laufend von der Gesell- schaft für Konsumforschung (GfK) im Rahmen des Fernsehpanels D+EU erhoben. Die AGF/GfK-Fernsehforschung bezeichnet in ihren Veröffentlichungen die Seh- daueranteile als Marktanteile. 8

3.1.1 Der Antragstellerin liegen keine Angaben zu den Zuschaueranteilen bei den Zu- schauern ab drei Jahren gemäß §§ 27, 34 RStV für das Programm SPIEGEL TV di- gital vor. Mitgeteilt wurde die technische Reichweite von SPIEGEL TV digital, also die Anzahl der Abonnenten, die über die Möglichkeit des Empfangs des Senders verfügen: Die Reichweite beträgt demnach für das Jahr 2010 im Durchschnitt rund 1,5 Mio. Abonnenten.

In der maßgeblichen Referenzperiode von April 2010 bis März 2011 erreichten die von der AGF/GfK-Fernsehforschung veröffentlichten Zuschaueranteile der Fernseh- sender ARD einschließlich ihrer Dritten Programme, ZDF, ZDFinfokanal, ZDFneo, , , KI.KA und Phoenix sowie Sat.1, ProSieben, , 9Live, , RTL Television, RTL II, Super RTL, Vox, n-tv, Anixe, Comedy Central, Das Vierte, DMAX, Eurosport, MTV, N24, Nickelodeon, , und VIVA einen Zu- schaueranteil von insgesamt etwa 96 %. Der restliche Zuschaueranteil von ungefähr 4 % bezieht sich auf die Programme der Sky-Plattform (2009: 1,8 %) sowie auf eine Vielzahl von Programmen wie z. B. Bibel TV, Teleshoppingkanäle, privates Regio- nalfernsehen, Offene Kanäle, fremdsprachige Programme und weitere digitale Pay- TV-Programme. Der Zuschaueranteil von SPIEGEL TV digital kann somit nur einen Bruchteil des Anteils dieser nicht einzeln zuweisbaren Programmnutzung in Höhe von 2,2 % ausmachen.

3.1.2 Die Zuschaueranteile der auf der Sky-Plattform verbreiteten Programme werden von der AGF/GfK-Fernsehforschung bislang nicht veröffentlicht. Für diese Programme werden der KEK Daten aus der Sky-Marktforschung (Grundgesamtheit: 71,3 Mio. Personen ab drei Jahren) zur Verfügung gestellt, die nach Mitteilung des Unterneh- mens im Prüfverfahren Premiere, Az.: KEK 271, zu den Daten der AGF/GfK- Fernsehforschung in Beziehung gesetzt werden können.

Zum 31.12.2010 verzeichnete Sky insgesamt 2,653 Mio. direkte Abonnenten (30.09.2010: 2,521 Mio.) (vgl. Pressemitteilung vom 12.01.2011). Die Sky Deutsch- land AG teilte im Verfahren Az.: KEK 640/641 für das Jahr 2009 einen Anteil von XXX ... der über die Sky-Plattform verbreiteten Programme an der Gesamtfernseh- nutzung in Deutschland mit.

Gemäß Schreiben der Antragstellerin vom 21.04.2011 beträgt für den Referenzzeit- raum (April 2010 bis März 2011) der interne Marktanteil für das Programm SPIEGEL 9

Geschichte durchschnittlich XXX ... Bezogen auf die die Gesamtfernsehnutzung ab- bildende Grundgesamtheit der AGF/GfK-Fernsehforschung und verglichen mit dem Sky-Zuschaueranteil für 2009 in Höhe von XXX ... erreichte SPIEGEL Geschichte einen Zuschaueranteil von etwa 0,03% .

3.2 Abschließende Feststellungen

Nach dem dargelegten Sachverhalt gibt es keine Anhaltspunkte für die Entstehung vorherrschender Meinungsmacht. Der beantragten Zulassung des Programms spie- gel.tv stehen Gründe der Sicherung der Meinungsvielfalt daher nicht entgegen.

(gez.) Sjurts Lübbert Brautmeier Dörr Fuchs Grüning Hege Hornauer Mailänder Müller-Terpitz Schwarz Thaenert