2005 Fachbeiträge 12. Erfahrungsaustausch 7 Der Wasserverband Kocher- von Melchior Rettenmeier

Die Lein ist ein Seitenfluss des Kochers, die im Welz- Aufstellung des Haushaltsplanes, die Aufnahme von heimer Wald entspringt und in Abtsgmünd in den Ko- Darlehen, die Entscheidung in Rechtsmittelverfahren, cher fließt. Sie ist zum größten Teil G.I.O. und besitzt usw. ein Einzugsgebiet von ca. 250 km². Die Fläche des Detailfragen werden in der Verbandsverwaltung -Ver- Wasserverbandes umfasst den größten Teil des bandsvorsteher, Geschäftsführer (in), Kassenverwal- Leineinzugsgebietes und den mittleren Abschnitt des ter und Technischer Betriebsleiter- entschieden, wel- Kochers. che sich i.d.R. monatlich trifft.

Organisation Der Technische Betriebsleiter stellt das LRA Ostalb- kreis, mit welchem der Wasserverband den Aufga- Mitglieder beim Wasserverband sind die drei Land- benumfang vertraglich geregelt hat und die geleiste- kreise Ostalb, Rems-Murr und Schwäbisch Hall und ten Arbeitsstunden bezahlt. Deshalb werden hier 18 Gemeinden bzw. Teilgemeinden der Städte nicht nur Aufgaben des Betriebsbeauftragten erfüllt Schwäbisch Gmünd und . sondern in der Hauptsache Aufgaben welche dem Betreiber zugeordnet sind, wie die komplette Über- Die satzungsgemäße Aufgabe des Verbandes ist die wachung und Steuerung der Anlagen im Normal- und Regelung des Wasserabflusses der Lein und des Ko- im Hochwasserbetrieb, Inspektion und Instandhal- chers durch Hochwasserrückhaltung sowie die tung, Anweisung und Aufsicht der Verbandsarbeiter Durchführung von Umweltschutz- Naherholungs- bzw. Stauwärter, Planung und Überwachung der re- und Landschaftspflegemaßnahmen. Organe des gelmäßigen Unterhaltung sowie sämtlicher Sanie- Verbandes sind die Verbandsversammlung und der rungs- und Investitionsmaßnahmen unter Mithilfe von Vorstand. Dieser besteht aus acht Personen sowie Ing.-Büros. dem Verbandsvorsteher. Dies ist derzeit: Bürger- meister Georg Ruf, Abtsgmünd (Abb. 1). Entstehung und Chronik

Dem Vorstand obliegen alle Geschäfte, zu denen Nach vermutlich sehr vielen starken Hochwassern nicht durch Gesetz oder Satzung die Verbandsver- gab das Ereignis im März 1956 den Ausschlag zur sammlung zuständig ist. Dies sind insbesondere die Gründung des Verbandes, welche im März 1957, also

Vorsitzender Bürgermeister Georg Ruf Stellvertreter: BM Michael Segan

Klaus Pavel Johannes Fuchs Georg Ruf Michael Segan Landrat Landrat Bürgermeister Bürgermeister Rems-Murr-Kreis Abtsgmünd Alfdorf

H. Krockenberger Jochen Renner Peter Lang Günther Nesper Bürgermeister Bürgermeister Bürgermeister Bürgermeister Sulzbach-Laufen Täferrot Heuchlingen Leinzell

Abb. 1: Die Vorstände des WVB Kocher-Lein

Berichtsband 12. Erfahrungsaustausch HRB, WBW Fortbildungsgesellschaft, Heidelberg 2005 8 Fachbeiträge 12. Erfahrungsaustausch 2005 vor knapp 50 Jahren er- folgte. Pläne dazu kamen vom Regierungspräsidium Nordwürttemberg und dort vorwiegend von Kurt Rich- ter, einem Pionier auf dem Gebiet: “Hochwasser- schutz durch Rückhaltebe- cken“. Es schloss sich sehr schnell der Bau der ersten sieben HRB an (Laubbach, Küferbach, Reichenbach, Hüttenbühl, Eisenbach, Leineck und Aichstrut) – und zwar in den Jahren 1959 bis 1962.

Drei weitere Becken (Tä- ferrot, Rehnenmühle und Hagerwald) wurden von 1964-1969 gebaut. Damit waren in kurzer Zeit schon Abb. 2: Heuchlingen beim Märzhochwasser 1998 ca. 10 Mio. m³ Stauraum geschaffen. Die folgenden Jahre waren geprägt von fen. Von 1993-2000 wurden die Anlagen den neuen starken Hochwasserereignissen wie 1970, im März Sicherheitsvorschriften angepasst und dafür ca. 3,5 1988 (Abb. 2), im Dezember 1993 und im April 1994. Millionen Euro ausgegeben (Abb. 3). Zwischenzeitlich waren die Becken Götzenbach und Federbach gebaut, der Bauhof in Horn errichtet und zahlreiche Einrichtungen zur Naherholung geschaf-

Abb. 3 : Sicherheitsanpassung des HRB Täferrot

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Die Dammentwässerung wird aus diesem Grund im Hochwasserfall mittels eines Schiebers verschlossen und leergepumpt. Das zweitgrößte Becken des Verbandes stellt das 1964 erbaute HRB Täferrot dar. Ein Teil des EZG von 110 km² wird durch andere Becken beeinflusst. Das HRB mit einem Gesamtstauraum von 2,2 Millionen m³ liegt im Hauptschluss der Lein und wurde 1996/ 1997 aufwändig saniert und den „damaligen“ Sicher- heitsvorschriften angepasst. Es hat keinen „ausge- sprochenen Dauerstau“ mehr – dieser ist fast voll- ständig verlandet (Abb. 5). Es ist vorgesehen, dass keine Ausräumungen mehr durchgeführt werden was durch die besondere Konstruktion des Einlaufbau- werkes möglich ist, da dieser eine Verklausung ver- hindert. Nahezu ebenso groß ist das HRB Leineck mit einem Stauvolumen von 2,18 Millionen m³. Es liegt ebenfalls in der Gemeinde Alfdorf und sperrt ein Einzugsgebiet von 32 km² ab. Dieses Becken wurde 1998 an die Sicherheitsvorschriften angepasst und 2003 wurde die vorhanden Asphaltoberflächendichtung mit einer Bentonitmatte überdeckt um die vollständige Dicht- heit wieder herzustellen. Abb. 4: Hochwasserrückhaltebecken Eisenbach Steuerung und Betrieb der Becken Vorstellung von Hochwasserrückhaltebecken Für sämtliche Anlagen des Verbandes sind Betriebs- Nachfolgend werden einige Becken beispielhaft für vorschriften entsprechend DVWK Merkblatt vorhan- die Anlagen des Wasserverbandes Kocher-Lein vor- den. Diese regeln die grundsätzlichen Steuerungs- gestellt: eingriffe zur Einhaltung der Wasserstände an den Steuerzielen. Bei anlaufendem Hochwasser sind die Begonnen wird mit dem kleinsten HRB im Becken- Schieber so geöffnet, dass der Abfluss der Menge system. Das HRB Laubbach in Abtsgmünd wurde entspricht die schadlos abgeführt werden kann. Die 1959 als Trockenbecken erbaut und 1970 um einen Überschwemmung von landwirtschaftlich genützten Dauerstau erweitert. Es besitzt ein Einzugsgebiet von Flächen wird dafür akzeptiert. 2,9 km² und einen Stauraum von 190.000 m³. Die Dammhöhe beträgt 12.6 m, als Dichtung wurde eine As- phaltoberflächendichtung eingebaut.

Das HRB Eisenbach (Abb. 4) liegt in der Gemeinde Alf- dorf und umfasst ein Ein- zugsgebiet von 7,4 km². Der Dauerstauraum beträgt 40.000 m³ und der Gesamt- stauraum 580.000 m³. Mit ei- ner Dammhöhe von 13,5 m ist es als mittleres Becken einzustufen. Eine Besonder- heit ist, dass der freie Aus- lauf aus der Dammentwäs- serung bei Einstau des un- terhalb liegenden HRB Lein- eck nicht mehr möglich ist, da dieser direkt hinter dem Damm des Eisenbachbe- ckens aufstaut. Abb. 5: Rest einer Dauerstaufläche

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Vor fast 15 Jahren hat man sich beim Verband zum des Systems sind Fehlermeldungen wie Spannungs- erstenmal mit dem Thema Datenfernübertragung ausfall, Ausfall von Einzelkomponenten, und Wasser- und Fernsteuerung befasst. Ziel war es Zeit, Wege standsmeldungen bei festgelegten Grenzwerten. und Geld zu sparen und schneller und flexibler auf Ein äußerst wichtiger Teil der Arbeiten im Hochwas- Hochwasserereignisse reagieren zu können. So wur- serfall obliegt den Stauwärtern. Beim Kocher-Lein den in den Jahren 1993 und 1994 die notwendigen Verband hat jeder Stauwärter zwei bis drei HRB zu Voraussetzungen geschaffen und 1995 wurde dann betreuen. Die Festlegung der Becken wurde entspre- die Installation der elektrotechnischen Anlagen chend dem Wohnort der Stauwärter getroffen. durchgeführt. Die vier Stauwärter des Verbandes sind hauptamtlich Von der Fa. Joos, Mess-Steuer und Regelungstech- angestellte Arbeiter. Deren Aufgaben im Hochwas- nik in Adelmannsfelden wurde an jedem HRB und je- serfall sind: dem Abflusspegel ein PC installiert, der die Daten die dort gemessen werden (Beckenwasserstand, Abfluß- - Kontrolle des Dammes und der Bauwerke pegelwasserstand, Schieberstellungen, usw.) auf- - Überwachung von automatischen Funktionen nimmt und speichert. Diese Daten werden täglich zur und Messeinrichtungen festgesetzten Zeit per Modem und ISDN-Leitung in - Ausführen von Anweisungen des Betriebslei- die Leitzentrale, im Landratsamt in Ellwangen, über- ters tragen. Dort steht ein Steuer-PC des Wasserverban- - Bei Beauftragung manuelle Steuerung. des an welchem diese Daten auflaufen, visualisiert und gespeichert werden. (Abb. 6 zeigt das Hauptme- Im Normalfall sind diese Arbeitskräfte beschäftigt mit nü des Leitsystems). der Überwachung und Unterhaltung der Anlagen ent- sprechend der Betriebsvorschrift, mit der Beseitigung Durch Mausklick können sämtliche Anlagen aufgeru- von Mängeln und Störungen und mit der Pflege der fen werden, die Detailangaben abgerufen, verglichen Verbandsanlagen und Grundstücke durch Mäh-, Ge- und die Steuerschieber bewegt werden. Außerdem hölz und Waldarbeiten. können die gespeicherten Daten in sogenannten His- Zur Bewältigung dieser Aufgaben steht den Ver- togrammen dargestellt werden. Die gewünschten bandsarbeitern ein Stützpunkt im westlichen Teil des Zeitabschnitte sind frei wählbar. Weitere Funktionen Verbandsgebietes am HRB Leineck und ein gut aus-

Abb. 6: Leitzentrale Kocher-Lein

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klarlegen, dass sich diese Form des Hochwasser- schutzes sehr gut bewährt hat: Es handelt sich um die Aufstellung der Hochwasser- jahreswerte (höchster Wasserstand jeden Jahres) am Leinpegel in Abtsgmünd über 80 Jahre. Eindrucksvoll die Spitzen der Hochwasser in den Jah- ren 1922-1958. Im Mittel eine jährliche Hochwasser- spitze von 108 m³/s - dagegen die Abflüsse nach Ver- bandsgründung und Bau bzw. Betrieb der Stauanla- gen von 1959-2002. Zwar sind auch hier Hochwassserspitzen erkennbar, aber auf einem ganz anderen Niveau, im Mittel näm- lich bei 46 m³/s! Dazu ist noch eine Tendenz nach unten erkennbar, welche mit der verbesserten und ef- fizienteren Steuerung in den letzten Jahren erklärt Abb. 7: Bauhof am HRB Federbach werden kann. gestatter Bauhof im östlichen Verbandsteil in der Ge- meinde Göggingen zur Verfügung (Abb. 7). Außer Abschließend kann festgehalten werden, dass sich einem MAN LkW mit Ladekran, einem Mercedes- die Anlagen des Verbandes bestens bewährt haben. Sprinter und einem Reform Metrac K 3003 besitzt der Ohne sie wären die Entwicklungsmöglichkeiten für Verband eine Vielzahl an Baumaschinen und Schlos- das untere Leintal und das mittlere Kochertal deutlich serwerkzeug. Der Aufgabenerfüllung kommt die her- schlechter gewesen wären. vorragende Qualifikation der Arbeiter zugute, welche gelernte Maurer, Schlosser, Elektriker und Landma- schinenmechaniker sind. Dadurch kann ein Großteil von Arbeiten selbstständig beim Verband durchge- führt werden.

Erfahrungen Kritik an der Steuerung der Hochwasserrückhaltebe- Anschrift des Verfassers: cken kommt, wenn überhaupt, von Landwirten wel- che ständigen Schutz für ihre landwirtschaftlich ge- KBA Melchior Rettenmeier Landratsamt Ostalkbreis nutzten Flächen erwarten – was nicht geleistet wer- -GB Wasserwirtschaft- den kann ohne sehr große Risiken für die bebauten 73479 Ellwangen Flächen einzugehen. Dieser Kritik muss man eine email: [email protected] eindrucksvolle Grafik (Abb. 8) gegenüberstellen und Alle Grafiken und Bilder: M. Rettenmeier

Abb. 8: Langzeitauswertung Leinpegel/Abtsgmünd

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