Die Olivgrüne Früher Hatte Sie Vor, Die Bundeswehr Abzuschaffen, Jetzt Trommelt Sie in Ihrer Partei Für Den Krieg
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Gesellschaft MOBILMACHUNG Die Olivgrüne Früher hatte sie vor, die Bundeswehr abzuschaffen, jetzt trommelt sie in ihrer Partei für den Krieg. Die grüne Wehrexpertin Angelika Beer will ihrer Fraktion beibringen, dass der Feldzug in Afghanistan moralisch und vernünftig sei. Von Barbara Supp ie ist nicht blass geworden wie ihre 44, die verteidigungspolitische Sprecherin litanten Autonomen, aber leise auch von Kollegen Kuhn, Schlauch und Mül- der Grünen im Bundestag. Zwischen Frak- Leuten in ihrer Partei. Sler, als die vom Kanzler gehört ha- tionssitzung, Sonder-Fraktionssitzung, Ver- Jetzt ist Krieg, da richten sich die Blicke ben: Deutsche Soldaten ziehen in den teidigungsausschuss sitzt sie an diesem sehr auf sie. Es geht um Glaubwürdigkeit, Krieg. Ihr wird nicht schlecht, wenn sie Mobilmachungs-Mittwoch in ihrem voll es geht darum, ob die Grünen diesen Krieg Wörter hört wie „Sondereinsatzkräfte“ gestopften Abgeordnetenbüro und sagt sol- als moralisch erklären können und einge- oder „Flottenverband“ oder „Spürpanzer che Sätze, und es gibt Leute in ihrer Par- grenzt und vertretbar, ob man dem grünen Fuchs“. Sie kennt das doch alles, lange tei, auf die wirkt das wie Hohn. Außenminister und dem grünen Partei- schon, und „ich wusste, dass es bald so Das ist dieselbe Frau, bei der „man lan- sprecher und der grünen Wehrexpertin fol- weit sein wird“. Nein, sie war nicht ge Zeit den Eindruck hatte, dass ihr die gen soll, die ihre Fraktion auf Militärkurs schockiert, sondern dachte schnell, dass friedlichen Lösungen wirklich am Herzen drängen. Oder ob Moral in diesem Fall das „vertretbar“ sein würde, was Gerhard lagen“, sagt der pazifistische Grüne Win- hieße, die Koalition platzen zu lassen, nach Schröder da plante, das „Ausmaß“ sei fried Hermann. Diejenige, bei der „einen drei langen Jahren und hässlichen Kom- „richtig eingegrenzt“, und „unsere Leute jetzt das Grauen packt, wenn sie im Fern- promissen. Und zu sagen: Das war’s. verheizen“, das würden sie damit nicht. sehen spricht“, sagt Freyja Scholing, 88- Es sind fürchterliche Tage für eine Par- Schön und gut, dass es noch Pazifisten jähriges Gründungsmitglied der Partei. tei, die mal pazifistisch war. Es ist eine Zeit, gebe, „was wären unsere Partei und Ge- Eine „Kriegstreiberin“ sei die Beer, das ist in der Beer durch das Land reist und in sellschaft ohne sie?“, sagt Angelika Beer, öfter zu hören, laut und aggressiv von mi- Sälen und Nebenzimmern spricht: Ja, es sei Verteidigungspolitikerin Beer bei Soldaten in Bosnien, Protest gegen den Afghanistan-Krieg (in Hamburg): Ich weiß, dass ich nicht nur Freunde Krieg, ja, es müsse sein, nein, man dürfe tion zu sein?“ Eine schickt einen scharfen am Tor vorspricht. Drinnen ist eine andere nicht aufhören, Afghanistan zu bombar- Verweis nach Berlin: „Deutsche Außen- Welt. Es ist diejenige, aus der die Grünen dieren. Im Gegenteil: Sie sei am überle- politik ist Friedenspolitik, steht im Koali- gekommen sind, in den späten siebziger gen, müsse man dort nicht richtig mit Bo- tionsvertrag – das habt ihr unterschrieben!“ Jahren: Das Teegeschirr ist aus Ton und ruht dentruppen rein? Und Beer steht da vor 160 Delegierten, in Weinkisten, die als Regale dienen. Der Sie sagt das wieder mal am ersten No- ziemlich allein wirkt sie, weit weg von die- Plattenspieler ist von Dual und zum Ab- vember-Wochenende, drei Tage vor jenem ser Basis, und warnt vor Pazifismus und spielen echter Schallplatten da. Die Land- Moment, da der Kanzler zum ersten Mal Feuerpausen. „Der Dschihad kennt keinen karte an der Wand zeigt Kurdistan, das Pla- von der Entsendung der 3900 Soldaten Ramadan“, ruft sie, und wer für Bomben- kat gegenüber erinnert an die Ermordung spricht. Die Niedersachsen-Grünen halten stopp sei, nütze bloß den Taliban: „Es gibt des Dichters Victor Jara und an jenen 11. in Verden ihren Landesparteitag, und wenn keine Alternative!“ Entschlossen, aber ein September 1973, an dem sich mit Hilfe der Beer wissen will, wie die Basis denkt: Hier bisschen verstört stimmt man sie nieder. amerikanischen CIA die Hoffnung auf ein kann sie es erfahren. Sie ist als Gastred- Man hat ja geahnt, dass sie so etwas sagen demokratisches Chile zerschlug. nerin da, und dass das „schwierig, sehr Auf einem Sitzkissen hockt Angelika schwierig“ werden würde, hat sie vorher Beer und raucht und schiebt ein paar Fo- schon gewusst. Die sind nicht wie die Ber- „Es gibt keine Alternative“, tos beiseite, sie zeigen sie selbst mit einem liner. Die haben nicht diese Warnblink- ruft sie, „der Dschihad Uniformierten, der Soldat lacht freundlich, lampe im Hirn, die sagt: Staatsräson. kennt keinen Ramadan!“ Beer lacht auch. Sie sitzt auf ihrem Floka- Die haben noch den Länderratsbeschluss ti, trägt Blue Jeans wie damals, das Krau- im Kopf, nach dem Anschlag vom 11. Sep- selhaar wie damals, lebt mit ihren zwei tember, mit dem die Partei den USA Un- würde, aber seltsam ist es doch: Sie, die vor Katzen in ihrem Siebziger-Jahre-Museum terstützung erklärt hat – vorausgesetzt, wenigen Jahren noch die Bundeswehr ab- und macht Militärpolitik. Und könnte sich dass Amerika die Zivilisten schont. Und schaffen wollte, und raus aus der Nato so- eigentlich seltsam finden, sich und ihren jetzt setzt das US-Militär B-52-Bomber ein wieso, jetzt geht sie weiter, viel weiter als Lebensweg vom Kind aus konservativem und wirft Streubomben und hat keines- die meisten Spitzen-Grünen, wie konnte Hause zum Kommunistischen Bund und wegs die Zivilbevölkerung geschont, jetzt das passieren? zur Wehrexpertin im Bundestag, aber sie wäre doch Zeit für den Aufschrei, finden sagt: „Wieso? Das war eine nette Zeit, da- die meisten Redner, oder etwa nicht? An einer Dorfstraße in Schleswig-Hol- mals. Ich habe beim KB viel gelernt.“ Nicht wütend, nein, zunehmend ver- stein, in der Nähe von Neumünster, steht Ja doch, es war ein weiter Weg. Aus Lüt- zweifelt treten sie ans Mikrofon, „dieser ein grüner Polizeicontainer, Sicherheitszaun jenburg stammt sie, der Vater CDU-Mann Krieg ist falsch“, sagen sie und fragen: „Ist und Panzerglas schützen das Wohnhaus da- und Besitzer einer Reetfabrik; er starb es nicht manchmal besser, in der Opposi- hinter, eine Videokamera überprüft, wer früh, den Weg seiner Tochter nach links hat habe, soll ich deswegen meine Meinung ändern? ACTION PRESS (L.);ACTION / DDP (R.) BRANDT MARCUS THOMAS GRABKA / ACTION PRESS / ACTION GRABKA THOMAS Grünen-Politiker Beer, Fischer*: Die Partei auf Militärkurs bringen er nicht mehr erlebt. Mit 15 ist sie Waise, verträgt. Immer öfter sehen ihre Grünen das Go gegeben haben, weil wir gesagt mit 16 verheiratet, mit 18 geschiedene Mut- mit Misstrauen, wie sie mit ihm herum- haben: ja“. ter eines Sohns. Anwaltsgehilfin hat sie ge- steht und schwatzt, ihm Marmelade Jetzt ist es wieder so weit, wieder geht lernt und Arzthelferin, und dann gab es schenkt, und einmal sagt sie sogar, der sei es um Menschenleben, es geht darum, ob jemanden in der Nachbarschaft, der mit „einer der fähigsten Politiker, die wir ha- die Mehrheit der Grünen sagt: go. Sie hat dem Kommunistischen Bund zu tun hatte, ben“. Was ist da passiert? sich gewöhnt ans Ja-Sagen, diese Mehrheit, was aufregend klang und auch war. Sie war Es gibt diesen Sog des Expertentums, unter Krämpfen und Schritt für Schritt. jünger als die meisten, aber voll dabei. und anerkannt werden, das will sie unbe- Die Linken um Ebermann und Ditfurth Es machte Spaß, am AKW-Bauzaun rüt- dingt. Will den Kriterien der politischen sind lange schon weg. Geblieben sind Leu- teln und den „Arbeiterkampf“ lesen, aber Gegner genügen und den eigenen oben- te wie Daniel Cohn-Bendit, der 1993 schon eine kleine K-Gruppen-Minderheit zu sein drein, anstrengend ist das, und ein ständi- für grüne Kriegsführung in Bosnien warb, machte dann doch irgendwann keinen ger Zwiespalt, und vielleicht muss in sol- und Joschka Fischer, der wenig später Spaß mehr. Als die Zeit der Ökologie an- chen Fällen die eine oder die andere Seite nachzog und das Regieren im Blick hatte: brach, war sie mit Jutta Ditfurth, mit Tho- auf die Dauer verlieren? Bereits 1995 warnte er, dass man mit For- mas Ebermann und noch ein paar KB-Ge- Verlockend ist das Bescheidwissen in derungen wie nach dem Austritt aus der nossen als Gründerin mit dabei. Aber um Echtzeit, das Teilhaben am exklusiven Wis- Nato „keinen Regierungspartner gewinnt“. Gottes willen nicht, um zu regieren, fand sen, und Parteifreunde erinnern sich, wie Angelika Beer redete noch 1996 öffentlich dieser linke grüne Flügel. Sondern um davon, dass man sich „die Bundeswehr spa- Sand im Getriebe zu sein. ren“ könne. Aber unter Debatten und Zwei- Fast 15 Jahre ist das her, da zog sie als Sie sitzt auf ihrem Flokati- feln schwenkte die Mehrheit auf Fischers zweitjüngste Abgeordnete ins Bonner Parla- Teppich, trinkt Tee Kurs, und Beer, erst langsam und dann im- ment; ein neugieriges junges Wesen, das sich und macht Militärpolitik. mer schneller, schwenkte mit. Anfangs for- ausgerechnet den Verteidigungsausschuss derte sie noch, dass es Bundeswehreinsätze aussucht, Feindesland, wieso? „Ich als An- nur mit Uno-Mandat geben dürfe. Aber timilitaristin“, sagt sie, ein bisschen grinsend sie nun immer öfter geheimnisvoll tat. Da beim Kosovo-Krieg, bei dem es dieses Man- im Rückblick, „ich musste ja wissen, was ich war diese Geschichte in Tirana, 1997: Deut- dat nicht gab, machte sie trotzdem mit. Nur da abschaffen will.“ Ein ehrgeiziges Wesen. sche Staatsbürger waren aus dem plötzlich war das ja dann schon rot-grüne Politik. Fleißig auch. Akten liest sie, paukt Begriffe, kriegerischen Albanien zu evakuieren. „FüAk“ heißt „Führungsakademie“, „Ein- Rühe plante einen verdeckten Einsatz, er- „Das war unser Todesurteil“, sagt eine zelplan 14“ ist der Haushaltstitel für die Bun- zählt sie in einem Ton, der die Auszeich- alte Frau in einem dämmrigen Wohnzim- deswehr. Hat mit diversen Verteidigungs- nung von damals noch nachschmeckt, „er mer in der Nähe von Lüneburg, „die Koa- ministern zu tun, Manfred Wörner, „der wollte von uns das Go.