Kurt Waldheim: "Ich habe nur meine Pflicht getan."

Ein Wahlkampf überschattet von einer Debatte um den "Opfermythos" - Pflichterfüllung und der Auseinandersetzung Österreichs mit der eigenen NS Vergangenheit

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

eines Magisters der Philosophie

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Christoph Schneeweiss

Am Institut für Geschichte

Begutachter: Ao. Univ. – Prof. Dr. phil. Dieter Anton Binder

Graz, 2018

Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

Graz am 26.07.2018 Unterschrift: Christoph Schneeweiss

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Danksagung

Ich bedanke mich bei meinem Betreuer Ao. Univ. – Prof. Dr. phil. Dieter-Anton Binder für die bereitwillige Unterstützung in allen Phasen dieser Diplomarbeit.

Ich bedanke mich bei meinen Eltern, die mir meine Ausbildung ermöglichten und mich auf jede ihnen mögliche Art und Weise unterstützten.

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Inhaltsverzeichnis

I Einleitung…………………………………………………………………………………….5

1.1 Forschungsfrage/These………………………………………………………………….....7

1.2 Stand der Forschung……………………………………………………………………….8

1.3 Theoretischer Rahmen……………………………………………………………………..9

1.4 Methoden…………………………………………………………………………………..9

II Zur Person ………………………………………………………………...11

2.1 Waldheim kurz vor und während des zweiten Weltkriegs..……………………………...12

2.2 Standpunkte der Forschung zur Rolle von Waldheim während des Krieges……………..15

III Politische Lage Mitte der 1980er Jahre in Österreich……………………………………..17

3.1 Situation SPÖ……………………………………………………………………………..21

3.2 Situation ÖVP…………………………………………………………………………….22

IV Der Wahlkampf 1986……………………………………………………………………..23

4.1 Wahlkampfstrategie der ÖVP vor und nach Beginn der Affäre………………………….25

4.2 Haltung der SPÖ………………………………………………………………………….30

4.3 Die Debatte um Waldheim………………………………………………………………..32

V Kollektives Gedächtnis/Kommunikatives Gedächtnis……………………………………..35

5.1 Erinnerungskultur…………………………………………………………………………41

5.2 Vergangenheitsbewältigung……………………………………………………………....45

VI Einfluss der Waldheimaffäre auf die Erinnerungskultur in Österreich…………………...48

6.1 Opfermythos...…………………………………………………………………………….51

6.2 Vermischung von Opfern und Tätern…………………………………………………….55

6.3 Entwicklungen nach dem Ende des Wahlkampfes……………………………………….57

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VII Medienanalyse……………………………………………………………………………61

7.1 Neue Kronenzeitung……………………………………………………………………...62

7.2 Arbeiterzeitung…………………………………………………………………………...62

7.3 Quantifizierung der Artikel zu Waldheims Vergangenheit (03.03.1986 – 09.06.1986)…63

7.4 Qualitative Analyse………………………………………………………………………65

7.5 Zusammenfassung der Ergebnisse………………………………………………………..78

VIII Conclusio………………………………………………………………………………...80

IX Literatur und Quellenverzeichnis………………………………………………………….87

9.1 Literaturverzeichnis/Sekundärliteratur……………………………………………………87

9.1.1 Monographien…………………………………………………………………………..87

9.1.2 Beiträge in Sammelbänden/Lexika……………………………………………………..88

9.1.3 Online Beiträge…………………………………………………………………………91

9.2 Quellenverzeichnis………………………………………………………………………..92

9.2.1 Primärquellen…………………………………………………………………………...92

9.2.2 Zeitungsquellen………………………………………………………………………....92

9.2.2.1 Arbeiterzeitung……………………………………………………………………….92

9.2.2.2 Neue Kronenzeitung………………………………………………………………….93

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I Einleitung

Kurt Waldheim war wohl einer der umstrittensten Kandidaten der jemals den Einzug in die Hofburg geschafft hat. Während am Beginn des Wahlkampfes alles auf einen klaren und ungefährdeten Sieg von Kurt Waldheim hindeutete, änderte sich dies nach dem Bekanntwerden pikanter Details aus seiner Kriegsvergangenheit schlagartig. Waldheim sah sich nun plötzlich vom Schatten seiner eigenen Vergangenheit eingeholt. Doch nicht nur Waldheim wurde von seiner Vergangenheit eingeholt, sondern der Staat Österreich und seine Bevölkerung als Ganzes konnten nicht länger die Augen davor verschließen, dass man ebenfalls eine Verantwortung für die Kriegsereignisse zu tragen hatte. Denn die Sichtweise von Kurt Waldheim lässt sich nur dann öffentlich vertreten, wenn auch das Publikum „sich vor einer scharfen Auseinandersetzung um die geschichtliche Wahrheit fürchtet und anstelle dessen lieber schwarz für weiß gelten lässt.1 Österreich als ein Opfer der Aggression Hitlers darzustellen, verselbständigte sich in der österreichischen Innenpolitik. Die NS Zeit wurde als etwas Externes gesehen, eine Angelegenheit welche nur Deutschland betraf, da Österreich zu dieser Zeit ja nicht existierte. Mit Waldheim bricht das alles auf, auch der allgemein herrschende Gedächtnisschwund scheint ein Ende zu finden, man macht sich vermehrt Gedanken über die NS Zeit und über die Rolle die Österreich dabei gespielt hat.2 Doch nicht nur durch die Affäre rund um Kurt Waldheim setzte sich in Österreich etwas in Bewegung, es brachen auch durch andere Faktoren, wie zum Beispiel einem Generationenwechsel in der Politik, die alten Strukturen und Geschichtsnarrative langsam auf. In anderen Ländern, besonders in den USA hatte dieser Prozess längst begonnen, beziehungsweise war er dort schon um einiges weiter vorangeschritten als in Österreich. In Österreich, war man sich dieser Entwicklung nicht so bewusst, beziehungsweise fand hier laut Göllner in den 1980ern ein Generationenwechsel in der Politik statt.3 Durch diesen Generationenwechsel waren die Politiker und Politikerinnen die 1980 frisch in die Politik kamen nicht mehr direkt am Krieg beteiligt gewesen, daraus ergibt sich, dass sie ihre Opferrolle nicht mehr wie ihre Eltern auf persönlichen Erfahrungen gründeten, sondern auf die Narrative die sie von ihren Eltern mitbekamen. Da das Opfernarrativ in Österreich jedoch 40 Jahre lang als die einzige Sichtweise von der Regierung etabliert wurde,

1 Heindl, Bernhard: „Wir Österreicher sind ein anständiges Volk“ Kurt Waldheim. Linz, Hamburg, 1991, S. 26. 2 Lehnguth, Cornelius: Waldheim und die Folgen: „Der Parteipolitische Umgang mit dem Nationalsozialismus in Österreich“. Frankfurt/New York 2013, S. 11 – 12. 3 Vgl. Göllner, Siegfried: Die politischen Diskurse zu „Entnazifizierung“ „Causa Waldheim“ und „EU – Sanktionen. Opfernarrative und Geschichtsbilder in Nationalratsdebatten. Hamburg 2009. S. 28 – 29.

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kam es für den Großteil der Bevölkerung überraschend, plötzlich als Täter und nicht als Opfer des NS Regimes wahrgenommen zu werden. Während die Affäre rund um Kreisky und Wiesenthal sowie die Frischenschlager Affäre noch recht schnell aus den Medien verschwanden, war dies bei der Affäre Waldheim nicht mehr der Fall.4 Österreich und seine Bevölkerung musste sich seiner Vergangenheit stellen und konnte nicht länger die Augen vor den Verbrechen, die auch von Österreichern und Österreicherinnen während des Weltkriegs begangen wurden, verschließen. Auch wenn Waldheim selbst durchwegs versuchte sich aus allem herauszureden, beziehungsweise seine Aktivitäten während seiner aktiven Zeit bei der deutschen Wehrmacht zu relativieren, so hatte sich doch ein Ventil geöffnet, welches nachhaltige Auswirkungen auf die Erinnerungskultur in Österreich und das Verhältnis des Staates zu seiner eigenen Vergangenheit haben sollte.

In dieser Arbeit soll es nun unter anderem darum gehen, aufzuzeigen, wie unterschiedlich Personen des öffentlichen Lebens, Politiker und die Medien Mitte der 1980er mit dem Thema der NS Vergangenheit von Kurt Waldheim als auch mit der NS – Vergangenheit Österreichs im Allgemeinen umgingen. Von einem homogenen Vorgehen aller Beteiligten kann hier nämlich keinesfalls die Rede sein. Vielmehr stellt sich eine Mehrheit hinter Kurt Waldheim, auch befeuert durch die Meinungsmache des Boulevards. Generell stellt das Aufbrechen des Opfermythos rund um die Affäre Waldheim und die wissenschaftlichen Diskurse sowie Debatten die daraus entstanden sind, einen zentralen Teil der Arbeit dar. Die Erforschung des Aspekts der Berichterstattung über die damalige Affäre basiert zum Großteil auf der Analyse zweier ideologisch unterschiedlicher Zeitungsmedien. Zum einen werde ich hier die Neue Kronenzeitung (NKZ) und zum anderen die Arbeiterzeitung (AZ) analysieren. Diese Analyse soll Aufschluss über die Stimmung im Land während der Affäre rund um Kurt Waldheim geben. Durch diese Analyse wird sich auch zeigen, wie sehr die Debatte die das Land damals gespalten hat und wie sich diese Spaltung auf die politische Landschaft und auf die Erinnerungskultur in Österreich ausgewirkt hat. Außerdem werde ich im Zuge dieser Arbeit genauer auf die Haltung der ÖVP und auf jene der SPÖ im Verlauf der Affäre eingehen. Auf den analytischen Teil werde ich in Kapitel 1.4 noch einmal zu sprechen kommen.

Meine persönlichen Beweggründe warum ich mich für dieses Thema entschieden habe, liegen zu einem großen Teil an meinem persönlichen sehr großen Interesse an Politik. Besonders an den politischen Prozessen in der österreichischen Innenpolitik, sowohl in den letzten Jahren als

4 Vgl. Göllner, Siegfried: Die politischen Diskurse zu „Entnazifizierung“ „Causa Waldheim“ und „EU – Sanktionen. Opfernarrative und Geschichtsbilder in Nationalratsdebatten. Hamburg 2009, S. 250 – 251. 6

auch in den letzten Jahrzehnten. Außerdem jährte sich die Wahl Kurt Waldheims erst vor 2 Jahren zum 30. Mal und erst vor kurzem endete ein nicht minder kontroverser Wahlkampf der sowohl im Inland als auch im Ausland große Wellen schlug. Weiters, erscheint es vor allem im Gedenkjahr 2018, in welchem sich der ‚Anschluss‘ Österreichs an das 3. Reich zum 100. Mal jährt, überaus zweckdienlich zu sein, sich im Zuge einer wissenschaftlichen Arbeit mit den dunklen Kapiteln der österreichischen Vergangenheit zu beschäftigen. Alle diese Aspekte lassen eine erneute Auseinandersetzung mit der Affäre Waldheim und ihrer Auswirkung auf die österreichische Erinnerungskultur als sinnvoll erscheinen.

Die Idee zur Arbeit selbst entstand durch eine Seminararbeit woraufhin ich mich erstmals wirklich genauer mit Dr. Kurt Waldheim und seiner Vergangenheit auseinandergesetzt habe. Je mehr ich mich mit seiner Person beschäftigt habe, desto mehr wurde mir bewusst, welche tiefgreifenden Veränderungen das Geschichtsverständnis der Österreicher und Österreicherinnen durch die Debatte rund um seine Person erfahren hatte, diese Veränderungen prägen unser Geschichtsbild in Österreich bis heute.

1.1 Forschungsfrage/These

Die zentrale Frage der Arbeit wird es sein zu klären, ob und wie sich die Erinnerungskultur in Österreich im Jahr 1986 verändert hat, beziehungsweise welchen Einfluss die Affäre rund um Kurt Waldheim auf diese Veränderung hatte. Außerdem soll der Frage nachgegangen werden, wie die österreichischen Printmedien zur Zeit des Wahlkampfes mit der Darstellung Österreichs als Opfer an sich umgingen, beziehungsweise wie sich dieser Umgang der Medien mit dem Thema auf die Erinnerungskultur und die beginnende tiefer greifende Debatte um Österreichs Rolle im zweiten Weltkrieg ausgewirkt haben. Österreich und seine Sichtweise auf die eigene Vergangenheit hat, ausgelöst durch die Affäre rund um Kurt Waldheim, eine grundlegende Veränderung erfahren und Waldheim wurde im Zuge dieser Debatte zu einem Symbol für die jahrzehntelang verdrängte NS Vergangenheit, der sich Österreich nicht stellen wollte. Durch Waldheim wurde Österreich diese Entscheidung dann letzten Endes abgenommen. Somit stellt die Debatte um Kurt Waldheim eine Zäsur im öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs zu Österreichs Umgang mit der eigenen NS Vergangenheit dar. Außerdem stellt sich die Frage nach der medialen Darstellung von Kurt Waldheim in der Presse und wie und ob sich diese Darstellung im Verlauf der Affäre verändert hat. Aus dieser Frage ergibt sich dann auch noch die Frage wie die beiden Großparteien die Affäre Waldheim sahen und wie sie damit umgingen. Abschließend soll auch noch der Frage nachgegangen werden, welche Auswirkungen die Affäre auf die Erinnerungskultur in Österreich gehabt hat beziehungsweise wie sich diese 7

Erinnerungskultur seit der Affäre um Waldheim weiterentwickelt beziehungsweise verändert hat.

1.2 Stand der Forschung

Zur Affäre Waldheim gibt es bereits eine Vielzahl von literarischen Werken die sich mit den unterschiedlichsten Aspekten der Affäre beschäftigten oder auch mit der Person Waldheim im Allgemeinen. Wenn man sich mit der Aufarbeitung der Debatte zum Thema Opfermythos und unbewältigter Vergangenheit beschäftigt, dann sind hier als zentrale Werke jene von Heidemarie Uhl5 sowie die Werke von Ziegler Meinrad/Kannonier Finster6 und der Beitrag von Gerhard Botz7, stellvertretend neben vielen weiteren zu nennen. Diese Werke beschäftigen sich mit der Opferthese, die durch die Affäre Waldheim im Jahr 1986 zu erodieren begann.

Auch in der englischsprachigen Literatur hat man sich auf vielfältige Weise mit der Debatte auseinandergesetzt, Lederer8 stellt hier die These auf, dass man Waldheim und sein Handeln auch aus einer langen Tradition des Antisemitismus in Österreich heraus verstehen müsse. Jedoch wurden diese Themen in Österreich lange tabuisiert. Dieselbe Strategie der Tabuisierung der NS – Vergangenheit von Österreich verfolgt auch Waldheim und eine Vielzahl an Österreichern und Österreicherinnen sind überaus gerne bereit diesem Beispiel zu folgen, da das Geschichtsbewusstsein in der österreichischen Gesellschaft zu einem großen Teil noch darauf fußt, die Vergangenheit dort zu belassen wo sie ist, nämlich weit weg und deswegen hat sie mit der Lebensrealität in Österreich nichts zu tun und sollte am besten totgeschwiegen werden.9 Bernhard Heindl10 beschäftigt sich sehr ausführlich mit der Biographie von Kurt Waldheim, da sich auch dort einige problematische Lücken finden lassen, die der dann später zum Präsident gewählte Kandidat für das höchste Amt im Staat, immer erst nach und nach und auf mehrmaliges Nachhacken hin zu schließen bereit war. Aleida Assmann11

5 Uhl, Heidemarie: Vom Opfermythos zur Mitverantwortungsthese. NS – Herrschaft, Krieg und Holocaust im ‚österreichischen Gedächtnis‘. In: Christian, Gerbel / Manfred, Lechner / Dagmar, C.G. Lorenz et.al. (Hrsg.) Transformation gesellschaftlicher Erinnerung: Studien zur ‚Gedächtnisgeschichte‘ der zweiten Republik. Wien 2005, S. 50 – 86 (Reihe Kultur. Wissenschaften, Bd. 9). 6 Ziegler, Meinrad / Kannonier – Finster, Waltraud: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS – Vergangenheit. / Wien/ Bozen 1993/2016 (2.Aufl). 7 Botz, Gerhad: Die ‚Waldheim – Affäre‘ als Widerstreit kollektiver Erinnerungen. Zur Gegenwärtigkeit und Transformation von Vergangenem. In: Barbara, Tòth / Hubertus, Czernin (Hrsg.) 1986. Das Jahr, das Österreich veränderte. Wien 2006, S. 74 - 96. 8 Lederer, Gerda: „Young Austrians and the Election of Kurt Waldheim “. In: Political Psychology, Vol. 9, No. 4 1988, S. 633 – 647. 9 Vgl. Lederer, Young Austrians and the Elections, 1988, S. 646. 10 Heindl, Bernhard: „Wir Österreicher sind ein Anständiges Volk“ Kurt Waldheim. Linz/ Hamburg 1991. 11 Assmann, Aleida: Der lange Schatten der Vergangenheit: Erinnerungskultur und Geschichtspolitik. München 2014. 8

beschäftigte sich mit der Erinnerungskultur, dem kollektiven und individuellen Gedächtnis. Dieser Aspekt spiele bei der Debatte Waldheim eine zentrale Rolle.

Mein eigenes Forschungsinteresse geht in eine ähnliche Richtung, ich bin jedoch speziell daran interessiert, wie sich die Waldheim Debatte in Bezug auf den Umgang mit der NS Vergangenheit von Waldheim als auch im gesamtösterreichischen Kontext in den österreichischen Printmedien darstellte und habe mir hierzu12 zwei Zeitungen herausgesucht, die ich über einen bestimmten Zeitraum hinweg analysieren werde.

1.3 Theoretischer Rahmen

Der theoretische Rahmen der Arbeit dreht sich um die Angelpunkte „Gedächtniskultur in Österreich“, NS Vergangenheit und deren Aufarbeitung, der reflektierte Umgang mit der eigenen Geschichte sowie um die Darstellung politisch wichtiger Ereignisse in den Printmedien. Ich werde hier einen besonderen Fokus auf die Gedächtniskultur legen und ich werde im Verlauf der Arbeit herausarbeiten, wie und ob sich diese Gedächtniskultur durch die Affäre Waldheim nachhaltig verändert hat.

1.4 Methoden

Dem analytischen Teil der Arbeit, wird ein theoretischer Teil, welcher der Beschreibung der Ereignisse im Jahr 1986 dienen soll, vorangestellt werden. Dies dient vorrangig zur Schaffung eines theoretischen Rahmens, um daraus dann anschließend die Ansichten und Meinungen der Journalisten die in den Zeitungsquellen vertreten werden besser einordnen und einschätzen zu können. Konkret wird sich die Analyse auf eine quantitative und qualitative Analyse der Tageszeitungen: Neue Kronen Zeitung (NKZ) und der Arbeiterzeitung (AZ) beschränken. Der hierfür gewählte Zeitraum erstreckt sich vom 03.03.1986 bis 08.06.1986. Zuerst soll quantitativ festgestellt werden, wie viele Artikel mit Waldheim Bezug insgesamt vom 03.03. 1986 bis zum 08.06. 1986 erschienen sind. Außerdem soll erhoben werden, wie viele der Artikel sich mit Waldheims NS Vergangenheit beschäftigen, im Vergleich zu jenen, die andere Themen des Wahlkampfs beleuchten. Hiermit soll verdeutlicht werden, welche zentrale Rolle dieses Thema während des Wahlkampfs eingenommen hat.

Anschließend werden beide Zeitungen einer qualitativen Analyse unterzogen werden. Es wird hierbei vorab von meiner Seite angenommen, dass sich aufgrund der unterschiedlichen

12 siehe Kap. 1.4 9

Blattlinien, klare Unterschiede in der Berichterstattung über die Debatte finden lassen werden. Es wird hierbei um den Inhalt der Zeitungstexte gehen und um die Absichten des Autors/der Autorin mit denen er/sie die Leserschaft zu beeinflussen gedenkt. Die Artikel sollen einander gegenübergestellt werden, um die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Berichterstattung im Zeitraum des Wahlkampfes einer genaueren Analyse zu unterziehen. Wichtig für die Auswahl der Zeitungen war es, dass es sich um keine regionalen Blätter handelte, da es sich um eine Wahl handelt, die alle Österreicher und Österreicherinnen betraf und deswegen müssen auch die Beiträge in den jeweiligen Zeitungen eine dementsprechende österreichweite Reichweite haben. Hierbei ist auch festzuhalten, dass es mir bei der Analyse auch darum ging, bewusst zwei ideologisch unterschiedlich geprägte Zeitungsorgane auszuwählen. Dies heißt im konkreten Fall, dass die Arbeiterzeitung also Parteizeitung der SPÖ Waldheim kritisch gegenüberstand, wobei die Neue Kronenzeitung zu den Zeitungen zu zählen war, die tendenziell positiver über Waldheim berichteten. Die qualitative Analyse wird von folgenden Fragen geleitet sein, die den Kern der Analyse darstellen werden:

1) Wie wird Waldheims Rolle im Krieg in den beiden Zeitungen gesehen?

2) Wer wird als Drahtzieher der Affäre bezeichnet?

3) Wie verhalten sich die beiden großen politischen Lager (Sozialdemokraten, Konservative Anm.) bezüglich der Anschuldigungen die gegen Waldheim vorgebracht werden? Wird er in Schutz genommen oder an den Pranger gestellt?

4) Finden die Themen Vergangenheitsbewältigung und Erinnerungskultur ihren Niederschlag in der Berichterstattung. Falls ja gibt es bezüglich dieser Berichterstattung nennenswerte Unterschiede zwischen den beiden Zeitungen?

5) Ist eine Änderung des Meinungsverlaufs während des Wahlkampfs erkennbar, oder bleiben die beiden Zeitungen ihrer zu Beginn gewählten Linie treu?

6) Lassen sich Anzeichen in den Zeitungsartikeln finden, die auf eine beginnende Erosion der Opferthese hindeuten?

Anhand dieser Leitfragen wird die qualitative Analyse der beiden Tageszeitungen durchgeführt werden, um am Ende die unterschiedlichen Positionen einschätzen, vergleichen und einordnen zu können. 10

Zur Gendergerechten Sprache möchte ich hier noch abschließend anmerken, dass der geschlechtsneutrale Plural zur besseren Lesbarkeit so gut es geht zur Anwendung kommen wird. Wo dies nicht möglich ist wird im Rahmen die Paarform verwendet werden, um eine Gender konforme Repräsentierung beider Geschlechter in Wort und Schrift in dieser wissenschaftlichen Arbeit so gut es irgend möglich ist gewährleisten zu können.

II Zur Person Kurt Waldheim

Kurt Waldheim kam am 21. Dezember 1918 in Wödern in Niederösterreich zur Welt. Sein Vater war Lehrer und Waldheim besuchte das Gymnasium Korneuburg. Nach seiner Gymnasial Zeit übte er einen einjährigen Militärdienst aus. Danach trat Waldheim in die Konsular - Akademie ein und begann gleichzeitig mit einem Studium der Rechtswissenschaften in Wien. Dieses schloss er 1944 mit dem akademischen Grad eines Doktors der Rechte ab. Während des Krieges wurde Waldheim als Frontoffizier eingesetzt.

Nach dem Krieg startete Waldheim seine diplomatische Karriere. Diese führte ihn zuerst ins österreichische Außenministerium wo er als Sekretär unter Außenminister Dr. Karl Gruber seinen Dienst versah. Anschließend wurde er als Legationssekretär der österreichischen Botschaft nach Paris entsandt. Anschließend leitete Waldheim die Personalabteilung des österreichischen Außenministeriums. Danach begann Waldheim seine Karriere bei der UNO, zuerst als ständiger Beobachter Österreichs bei den Vereinten Nationen, anschließend als Missionschef für Österreich in Kanada. Über einige weitere Stationen kletterte Waldheim die Karriereleiter der UNO immer weiter nach oben, nach einer missglückten Kandidatur zum österreichischen Bundespräsidenten im Jahr 1971, als er dem Amtsinhaber Jonas unterlag, wurde er schließlich im Jahr 1971 nach seiner Rückkehr zur UNO, deren Generalsekretär. Das Amt des Generalsekretärs übte er zehn Jahre aus. Anschließend folgte ein Auslandsaufenthalt in Washington D.C., wo ihm eine Position an der ‚Georgetown University‘ als Professor für internationale Beziehungen angeboten wurde. Nach seiner Rückkehr trat er erneut als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten an. Nach einem Wahlkampf der durch eine Debatte um Waldheims Kriegsvergangenheit überschattet war, setzte er sich letzten Endes dennoch in der Stichwahl gegen seinen Gegenkandidaten Kurt Steyrer durch. Seine Amtszeit endete am 08.

11

Juli 1992. Waldheim verstarb am 14. Juni 2007 in Wien und wurde in der Präsidentengruft beigesetzt.13

2.1 Waldheim kurz vor und während des zweiten Weltkriegs

Waldheim fühlte sich von den Medien unfair behandelt und verurteilte deren, seiner Ansicht nach, einseitige Berichterstattung über seine Person.14 Besonders in Bezug auf seine Kriegsjahre und bezüglich der Darstellung der Ereignisse während des Krieges fühlte sich Waldheim oft missverstanden beziehungsweise versuchte diese zu relativieren.

Seine Zeit an der Front bedachte Waldheim im Buch Im Glaspalast der Weltpolitik mit ein paar sporadischen Anmerkungen. Eine davon lässt den Leser wissen, dass er einer Aufklärungsabteilung in einer oberösterreichischen Division zugewiesen wurde. Und eine weitere Anmerkung findet sich zu seinem Einsatz in Russland und dass er dort durch einen Granatsplitter verletzt wurde und aus diesem Grund in Wien operiert wurde und laut eigenen Angaben dann nach Österreich zurückkehrte, um dort sein Studium zu beenden.15 Sein Kriegsnarrativ setzt erst wieder im Jahr 1945 ein, wo er wie er nach eigenen Aussagen „im Raum Triest stationiert gewesen sei. Insgesamt wird die Zeit im Krieg in diesem Werk auf vier Seiten abgehandelt. Außerdem verschweigt Waldheim in diesem Bericht seine Zeit in Griechenland und am Balkan zur Gänze, so als ob er sich dort niemals aufgehalten hätte. Dies wurde zwar später von ihm im Buch die Antwort noch nachgeholt, jedoch hinterlässt diese Lücke in seinem Narrativ über seine Kriegserfahrungen jedenfalls einen fahlen Beigeschmack.

Waldheim besuchte nach eigenen Angaben ein Jahr vor dem Abschluss neben seinem Jus Studium in Wien auch die Wiener Konsular – Akademie. Er selbst streitet auch 1996 ab, Mitglied bei der SA gewesen zu sein. Seine Mitgliedschaft beim NS Studentenbund streitet er ebenfalls ab. Hierbei spricht er von einem Rahmen, der immer nur informal blieb, jedoch nie als eine echte Mitgliedschaft bezeichnet worden sein könne. Auch seine Reitaktivitäten relativiert er in seinem Buch die Antwort. Er spricht davon, dass zwar mehrere Reiterverbände in die SA Reiterstandarte integriert wurden, jedoch habe dies nichts mit dem paramilitärischen Arm der SA zu tun gehabt.16 Seine Angaben bezüglich seiner Mitgliedschaft bei der SA sind

13 Vgl. https://www.parlament.gv.at/WWER/PAD_13961/index.shtml#tab-Ueberblick [Zugriff am 02.06.2018]; https://austria-forum.org/af/Biographien/Waldheim%2C_Kurt [Zugriff am 02.06.2018]; http://www.bundespraesident.at/index.php?id=210&no_cache=0&L=0 [Zugriff am 02.06.2018] 14 Waldheim, Kurt: Die Antwort: Mit 50 Abbildungen und Dokumenten. Wien/ München/ Berlin 1996. 15 Vgl. Waldheim, Kurt: Im Glaspalast der Weltpolitik. 3. Aufl., Düsseldorf, Wien 1985, S. 40 – 41. 16 Vgl. Waldheim, die Antwort, 1996, S. 62 – 65. 12

laut Heindl falsch und dienen ihm zur Verschleierung seiner Vergangenheit.17 Auch Pelinka hält fest, dass folgendes aus den Akten hervorgeht: „Kurt Waldheim tritt 1938 nach der Aktenlage zwei NS Organisationen bei. Am 1. April dem Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund und am 18. November 1938 als SA Mann der SA Reiterstandarte 5/90.“18

Er behauptete bereits 1946 in einem Schreiben an das Oberlandesgericht, um seine Anti – Nationalsozialistische Gesinnung zu beweisen, dass ihm sein Stipendium der österreichischen Industrie und Handelskammer gestrichen worden sei, nachdem Deutschland den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich vollzogen hatte. Es stellte sich jedoch heraus, dass der Sachverhalt sich genau anders herum darstellte. Wie Heindl festhält, wurde „sein Stipendium (…) ihm erst am 5. Mai 1938 (also nach dem ‚Anschluss‘) bewilligt, unter der Voraussetzung seiner politischen Zuverlässigkeit im Sinne des NS Regimes.“19

Zu seinen Kriegsjahren, sagt Waldheim, dass er in Frankreich kaum mit dem Feind in Kontakt kam und auch im vorherigen Angriffskrieg gegen Polen nicht anwesend war. In Russland, so Waldheim, habe sich sein persönliches Kriegsglück gewendet und er sei von einem Granatsplitter getroffen worden. Durch diese Verletzung erfolgte laut Waldheim eine Versetzung auf den Balkan, dies geschah aufgrund der Sprachkenntnisse die Waldheim vorweisen konnte. Es ging hier vor allem um die italienisch Kenntnisse von Waldheim, die er dort als Verbindungsoffizier für die deutsche Heeresleitung einsetzte, um mit dem italienischen Stab zu kommunizieren. Er spricht davon zuerst in Arsakli bei Saloniki und später am Balkan stationiert gewesen zu sein. Zugeteilt war er dort jeweils der Heeresgruppe E. Seine Rolle bei dieser Einheit stellt Waldheim als „wenig Bedeutsam“ dar.20 Nach eigenen Angaben, befand er sich auch zur Zeit der Deportationen der Juden aus Saloniki nicht vor Ort, sondern auf Studienurlaub in Wien, dann in Tirana und anschließend in Athen.21 Gegen Ende des Krieges beendet Waldheim nach eigenen Aussagen sein Studium und wurde in den Raum Triest versetzt seine dortige Einheit erreichte er jedoch nicht mehr, da diese von den Truppen Titos eingekreist wurden. Er und seine Kameraden wurden dann von amerikanischen GIs aufgegriffen zu einer

17 Vgl. Heindl, wir Österreicher, 1991, S. 29. 18 Pelinka, Anton: Waldheim in uns. In: „Pflichterfüllung: Ein Bericht über Kurt Waldheim“. Mit einem Vorwort von Peter, Handke Herausgeber Von der Gruppe „Neues Österreich“. Wien 1986, S. 8.

19 Heindl, wir Österreicher, 1991, S. 29. 20 Vgl. Waldheim, die Antwort, 1996, S. 68 – 72. 21 Vgl. Waldheim, die Antwort, 1996, S. 74. 13

Gefangennahme kam es jedoch nicht, da er sich dieser erfolgreich durch Flucht entziehen konnte.22

Erst im März 1986 wird Waldheim zu einer Korrektur seines Lebenslaufes gezwungen, da ihm die Berichte im Profil und in der New York Times keine andere Wahl lassen. Er muss wohl oder übel zugeben, dass er sich zwischen 1942 und 1944 keineswegs in Wien, sondern im Kriegseinsatz am Balkan befand.23 Wie man hier erkennen kann, divergieren die Aussagen von Waldheim zum Teil sehr stark von den vorliegenden Fakten, wie sie von Heindl und Tidl recherchiert wurden. Wie Tidl es richtig ausdrückt; „Abgesehen von der prinzipiellen Problematik, war das ganz persönliche Problem Waldheims, dass er ein Relikt der Wehrmachtsgeneration darstellte, und als ihr einziger Repräsentant zu einem Zeitpunkt einen hohen Staatsposten besetzte, in dem seine prinzipielle Einstellung zu den Kriegsjahren nicht mehr kritiklos akzeptiert wurde.“24 Waldheim sieht dies zehn Jahre nach der Affäre auch selbst ein, dass er sich durch diese spärlichen Angaben in seiner Biographie selbst in eine für ihn nachteilhafte Position gebracht hat. Da seine äußerst kurz gefassten Anmerkungen in seinen Büchern Der schwierigste Job der Welt und Im Glaspalast der Weltpolitik, sucht Waldheim dadurch zu erklären, dass es in diesen Büchern vorwiegend um seine Tätigkeit bei der UNO ginge und sie auch keinen Anspruch stellen eine Autobiographie sein zu wollen. Er merkt jedoch auch an, dass es nie seine Intention war, in diesen Werken den Eindruck zu vermitteln aus der Wehrmacht ausgeschieden zu sein. Vielmehr sei dies durch ein Missverständnis zwischen ihm und Rouleau entstanden und dies habe sich dann durch alle späteren Werke in denen Autoren ähnlich formulierten durchgezogen.25

Im Nachhinein betrachtet gibt Waldheim zu, dass eine genaue Aufschlüsselung seines Lebenslaufs ihm wohl „später viele Schwierigkeiten erspart und manchen Zweifel an meiner Redlichkeit nie erst aufkommen lassen.“26 Er bleibt dennoch eine Erklärung schuldig warum er diesen Teil seiner Biographie überhaupt verschwiegen hat. Seine einzige Erklärung hierfür war, dass er diese Ereignisse für seine Biographie als nicht wichtig erachtete.27

22 Vgl. Waldheim, die Antwort, 1996, S. 89 – 91. 23 Vgl. Heindl, wir Österreicher, 1991, S. 17. 24 Tidl, Georg: „Waldheim: Wie es wirklich war, die Geschichte einer Recherche“. Wien 2015, S. 120. 25 Vgl. Waldheim, die Antwort, 1996, S. 97 – 99. 26 Waldheim, die Antwort, 1996, S. 102. 27 Vgl. Waldheim, die Antwort, 1996, S. 97 – 99. 14

2.2 Standpunkte der Forschung zur Rolle von Waldheim während des Krieges

Es wird in dieser Arbeit jedoch nicht darum gehen, näher darauf einzugehen, was Waldheim während des Krieges getan hat und was er nicht getan hat. Dies wurde schon zu genüge in der Literatur erörtert und man kam zu dem Schluss, dass wie Rauscher richtig festhält, Waldheim selbst keine Befehlsgewalt hatte, jedoch ist seine örtliche Nähe zu den Orten an denen solche Befehle gegeben wurden, bereits Grund genug seine Rolle am Balkan kritisch zu hinterfragen. Darin lag laut Rauscher, wohl auch der Grund dafür, dass Waldheim seine Jahre am Balkan in seiner Biographie weitgehend unerwähnt ließ.28 Auch die Frage, ob Waldheim sich nun Kriegsverbrechen anlasten lassen müsse oder nicht, wurde bereits in der Literatur erörtert. Mitten schließt sich der Meinung Wendes und Wollschlägers an, die Waldheim eine eher untergeordnete Rolle beim Partisanenkampf im Balkankrieg zustehen. Waldheim hatte zwar laut Mitten sicher mehrere harte Entscheidungen im Krieg zu treffen, jedoch waren diese Entscheidungen nicht als Verbrechen nach den in Nürnberg prozessierten Verbrechen zu klassifizieren.29

Die Frage nach der persönlichen Schuld oder Unschuld wurde also bereits zu genüge von etlichen Historikern abgehandelt und kann so zusammengefasst werden, dass Waldheim während des Krieges zwar in der Nähe solcher Verbrechen stationiert gewesen sein mag, jedoch gilt es heute als allgemein anerkannt, dass sich Waldheim nicht aktiv an den Verbrechen beteiligt zu haben scheint. Als die Bulgarische Front 1944 zusammenbrach, geht laut Tidl aus den Akten eindeutig hervor, „dass Waldheim wichtiges militärisches Wissen besaß, das für den Generalstab jeder Armee von großer Bedeutung war: Gliederung von Einheiten, Kräfteverteilung, Schema und Wellenlänge für den Funkverkehr.“30 Somit ist jedenfalls anzunehmen, dass Waldheim wohl zumindest in voller Kenntnis der Ereignisse um ihn herum war, wenn er diese auch keinesfalls als befehlsgebendes Organ angeordnet hat. Ich möchte mich hier Schollum anschließen, die festhält, dass es sich kaum feststellen lässt, was sich in der Zeit von 1943 bis 1945 wirklich zugetragen hat, jedoch gilt es festzuhalten, dass der Vorwurf der Waldheim gemacht werden kann, wohl eher darin liegt, dass er nicht offen mit seiner eigenen Vergangenheit umgegangen ist. Wie Schollum weiter festhält, wiegen laut der New York Times jedoch jene Anschuldigungen am schwersten, die sich auf die Zeit im März 1943 beziehen wo

28 Vgl. Rauscher Hans: Das Bürgertum und die Pflichterfüllung: Die Waldheim Affäre im Spiegel von zeitgenössischen Leserreaktionen an den Kurier. In: Barbara, Tòth / Hubertus, Czernin (Hrsg.) 1986. Das Jahr das Österreich veränderte. Wien 2006, S. 67. 29 Vgl. Mitten Richard: Der kurze Schatten der Vergangenheit. In: Barbara, Tòth / Hubertus, Czernin (Hrsg.) 1986. Das Jahr das Österreich veränderte. Wien 2006, S. 117 – 118. 30 Tidl, wie es wirklich war, 2015, S. 92. 15

Waldheim sich in der Nähe der Deportation von 42.830 Juden befunden haben musste.31 Auch aus diesem Umstand lässt sich jedoch noch kein schuldhaftes Verhalten von Waldheim ableiten, seine eigenen Angaben nicht vor Ort gewesen zu sein.32 werden jedoch dadurch nicht glaubwürdiger. Nach den Recherchen von Stepan Rainer, darf dies zumindest in Zweifel gezogen werden. Rainer hält fest, dass Waldheim zum Zeitpunkt der Deportationen der Juden aus Saloniki der Heeresgruppe E zugeteilt war, „deren Hauptquartier sich in Saloniki befand und dessen Oberbefehlshaber Generaloberst Alexander Löhr war, dem Waldheim als Dolmetsch zugeteilt war.“33 Diese Thematik wurde jedoch bereits oft genug behandelt und eine völlig Lückenlose Aufklärung der genauen Ereignisse von damals scheint nach heutigem Wissenstand nicht erreichbar zu sein. Es ist jedoch unumgänglich für das Verständnis der Situation während der Wahl 1986, sich auch mit diesen Aspekten der persönlichen Kriegserfahrung von Kurt Waldheim zu beschäftigen, da diese Kriegserfahrungen sowohl von Waldheim selbst, als auch von seinen Wahlkampfstrategen mehrfach zur Meinungsmache ausgenützt wurden. Lehnguth meint hierzu, dass Waldheim hierfür als Mann an vorderster Front einer Generation von hunderttausenden Männern fungierte, die in diesem Krieg gekämpft und wie Waldheim es sagte nur ihre Pflicht erfüllt hätten.34

Für die Betrachtung in dieser Arbeit wird es jedoch von zentraler Bedeutung sein, sich mit dem Umgang Kurt Waldheims bezüglich des Opferstatus von Österreich zu beschäftigen. Wie Vansant ausführt, ist es eine typische Herangehensweise Waldheims, größere moralische Dilemmata dadurch zu vermeiden, sich auf ein bestimmtes Detail zu konzentrieren. Auch vom österreichischen Opferstatus versucht Waldheim seine Leser in dieser Autobiographie durch negative Rhetorik immer wieder zu überzeugen.35 Außerdem führt Vansant weiter aus, dass Waldheim die Moskauer Deklaration als Ganzes zurückweist, dieses Dokument weist Österreich zwar als Opfer des NS Terrors aus, jedoch wird Österreich darin auch dazu aufgefordert, für die Verbrechen die Verantwortung zu übernehmen. Waldheim weist dies zurück und er weist auch sämtliche Verantwortung Österreichs für diesen Krieg von sich. Durch diese Konstruktion Österreichs als Opfer und durch die Suggestion, dass der Anschluss nicht

31 Vgl. Schollum, Esther: „Die Waldheim Kampagne in den österreichischen und internationalen Medien.“ In: Andreas, Khol / Theodor, Faulhaber / Günther, Ofner (Hrsg.) Die Kampagne. Kurt Waldheim Opfer oder Täter? Hintergründe eines Falles von Medienjustiz. München/ Berlin 1987, S. 21 – 24. 32 Vgl. Waldheim, die Antwort, 1996, S. 74. 33 Stepan, Rainer: „Die Vorwürfe, Daten und Fakten – eine historische Dokumentation.“ In: Andreas, Khol / Theodor, Faulhaber / Günther, Ofner (Hrsg.) Die Kampagne: Kurt Waldheim Opfer oder Täter? Hintergründe eines Falles von Medienjustiz. München/ Berlin 1987, S. 335. 34 Vgl. Lehnguth, Waldheim und die Folgen, 2013, S. 94. 35 Vgl. Vansant, Jaqueline: „Political Memoirs and negative rhetoric: Kurt Waldheim’s in the eye of the storm and im Glaspalast der Weltpolitik. In: Biography Vol. 25, No. 2, 2002, S. 347. 16

zu vermeiden war, porträtiert Waldheim sich und alle anderen Österreicher als Opfer des Anschlusses.36 Denn wie Lehnguth festhält diente die Moskauer Deklaration als „Legimitationsgrundlage der 2. Republik.“37

Dies führt mich nun zum nächsten Kapitel dieser Arbeit in der ein allgemeines Bild der politischen Lage in Österreich gezeichnet werden soll. Ich beschränke mich hierbei auf die beiden Großparteien die zu diesem Zeitpunkt in Österreich noch immer klar den Ton angaben. Für das Verständnis dieser politischen Lage sind die Vorgänge, die sich bei der Affäre Waldheim abgespielt haben unerlässlich, da der Opfermythos und die Argumentationslinie von Waldheim durchaus auch in den beiden Parteien SPÖ und ÖVP auf ein positives Echo gestoßen sind.

III Politische Lage Mitte der 1980er Jahre in Österreich

Während die Identifikation mit der 2. Republik zuerst nur langsam voran Schritt, hatten sich die Österreicher in den 80er Jahren, aufgrund der stark gebesserten wirtschaftlichen, politischen und sozioökonomischen Lage in ihrem Land, stark mit Österreich identifiziert. Wie Lehnguth ausführt, war „der Prozess der ´Reaustrifizierung´ in der unmittelbaren Nachkriegszeit (…) also ganz direkt mit der Selbstdarstellung als Opfer verknüpft, ohne die dieser Nationalbildungsprozess unmöglich gewesen wäre.“38 Innenpolitisch hatte sich die Opferthese bald verselbständigt und war von Abwehrmechanismen sowie einer Vermengung aller am Krieg beteiligten Personen als Opfer geprägt. Es wurde ein gemeinsames Leid heraufbeschworen, mit dem sich auch die ehemaligen Nationalsozialisten identifizieren konnten.39 Auch Kurt Waldheim bediente sich dieser Rhetorik im Laufe seiner Kampagne immer wieder, besonders in Bezug auf seine eigene Zeit im Krieg, denn die „erfolgreiche Legendenbildung von einer sauberen Wehrmacht unter den spezifisch österreichischen Bedingungen, diente als zentrale Scharnierstelle zwischen offizieller Opferthese und dem sozialpsychologischen Bedürfnis der Betroffenen nach authentischer Erinnerung.“40 Überhaupt war die Opferthese „Dreh und Angelpunkt der österreichischen Vergangenheitspolitik.“41 Lehnguth zitiert Rathkolb der von einer „Externalisierung“ des Nationalsozialismus spricht und der Nationalsozialismus

36 Vgl. ebda. S. 354 – 355. 37 Lehnguth, Waldheim und die Folgen, 2013, S. 59. 38 Lehnguth, Waldheim und die Folgen, 2013, S. 62. 39 Vgl. Lehnguth, Waldheim und die Folgen, 2013, S. 63 – 64. 40 Lehnguth, Waldheim und die Folgen, 2013, S. 64 -65. 41 Lehnguth, Waldheim und die Folgen, 2013, S. 68. 17

wurde „zu einem Ereignis außerhalb der österreichischen Geschichte erklärt.“42 Die Affäre führte darüber hinaus auch zu einer ersten Beeinträchtigung des internationalen Ansehens des Landes. Sie kann daher laut Lehnguth als Auftakt zum Ende der Fiktion einer bewältigten Vergangenheit aufgefasst werden.43 Dies spielte auch in innenpolitischen Angelegenheiten in Österreich immer wieder eine Rolle. Zum Beispiel bei der Reder Frischenschlager Affäre in der Mitte der 1980er Jahre.

Die innenpolitische Lage in Österreich hatte sich mit der Wahl im April 1983 verändert. Nachdem die Wahl am 24. April 1983 beendet war, einigten sich die SPÖ und die FPÖ schnell auf eine kleine Koalition. Bereits am 17. Mai 1983 segnete auch die Basis der SPÖ diese Koalition ab. Jedoch geschah dies keineswegs ganz ohne Misstrauen, nicht nur weil sich in den Rängen der FPÖ viele deutschnationale befanden, sondern auch weil die FPÖ als Heimstätte vieler ehemaliger Nationalsozialisten galt. Für die SPÖ war diese Form der Koalition als eine Überbrückung gedacht, da man innerhalb der Partei davon ausging, schon bald wieder alleine regieren zu können. Auch die FPÖ profitierte von dieser Koalition, da sie es ihr ermöglichte, aus ihrer Stellung am Rand des politischen Spektrums auszubrechen, um endlich zeigen zu können, dass man regierungsfähig ist.44 Auch das Wahlverhalten der Österreicher und Österreicherinnen hat sich in den 1980ern laut Dachs grundlegend verändert. Die Wähler und Wählerinnen begannen sich an den Spitzenkandidaten und Spitzenkandidatinnen zu orientieren, somit fand eine Personalisierung statt. Anstelle einer Partei wählten die Menschen von nun an eher Personen, welche diese Partei und ihre Ansichten vertraten. Das Programm rückte hierbei zumeist in den Hintergrund. Außerdem gab es eine immer größer werdende Gruppe an Protestwählern, dies wirkte sich vor allem negativ für die Großparteien aus.45

Die Gründe hierfür liegen für mich recht klar auf der Hand, durch die jahrelange Aufteilung der Macht zwischen den beiden großen Parteien, entweder in Form einer zweier Koalition, oder als Alleinregierung, waren immer mehr Stammwähler mit der Politik ihrer Partei nicht einverstanden. Da es in Österreich in den 1980ern zu einem Paradigmenwechsel in der Politik und in der politischen Landschaft kam, passt diese steigende Zahl an Wechselwählern sehr gut

42 Ebda. S. 89. 43 Ebda. S. 93. 44 Vgl. Pelinka, Peter: „Eine kurze Geschichte der SPÖ“ Ereignisse, Persönlichkeiten, Jahreszahlen. Wien 2005, S. 280 – 281. 45 Vgl. Dachs, Herbert: Von der Sanierungspartnerschaft zur konfliktgeladenen Unübersichtlichkeit: Über politische Entwicklungen und Verschiebungen während der Großen Koalition 1986 bis 1994. In: Reinhard, Sieder / Heinz, Steinert / Emmerich, Tàlos, (Hrsg.) „Österreich 1945 – 1995“ Gesellschaft Politik Kultur. 2. Aufl. Wien 1996, S. 296. 18

in dieses Bild. Teil dieses Paradigmenwechsels war die Verschiebung hin zu einer Personenwahl, dies hatte starke Auswirkungen auf die kommenden Wahlen. So hält Pelinka fest, dass die Orientierung an einem Spitzenkandidaten oder an einer Spitzenkandidatin zum Beispiel in Kärnten beobachtet werden konnte. Die Richtung die Jörg Haider dort einschlug, richtete sich gegen die Regierung in Wien und er war mit dieser Strategie sehr erfolgreich, dies lag auch daran, dass sich die Regierung in Wien, Mitte der 1980er Jahre in Österreich nur geringer Beliebtheit erfreute. Die ÖVP, konnte fast überall Stimmgewinne verbuchen, wobei man in Vorarlberg und Kärnten auch mit Rückschlägen leben musste. In Kärnten lag dies an Jörg Haider und in Vorarlberg am erstmaligen Einzug der Grünen in den Landtag.46

Wie Chorherr festhält, änderte sich die politische Landschaft zu dieser Zeit von Grund auf, das Lagerdenken gehörte der Vergangenheit an. „Man sprach von einer Entkoppelung von Sozialstruktur und Wählerverhalten.“47 „Das Fazit des Jahres 1986 war demnach ein grundlegender Wandel in den Parteien.“48 Diesen beginnenden Wandel konnte man auch an der ungewöhnlichen Regierungskonstellation, also sprich dieser kleinen Koalition die zwischen der SPÖ und der FPÖ geformt wurde erkennen. Das politische Klima war dennoch rauer geworden und der SPÖ machten die veränderten Bedingungen durchaus zu schaffen, da man vor allem bei den Großparteien immer mehr um seine Stammwähler bangen musste. Die Gründe hierfür werde ich nun hier kurz darlegen.

Wie Pelinka festhält, nahm die Öffentlichkeit diese Koalition aus SPÖ und FPÖ nicht als eine gleichwertige Partnerschaft wahr, sondern als eine Regierung der Sozialdemokratie mit einem Anhängsel, um eine Mehrheit im Nationalrat zu erhalten. Die politische Lage im Land war Mitte der 1980er Jahre sehr aufgeladen. Erstens, durch die Ereignisse die sich zwischen DemonstrantInnen und der Regierung Sinowatz rund um ein Kraftwerk, welches in der Hainburger Au errichtet werden sollte abspielten. Zweitens durch die Affäre rund um Friedhelm Frischenschlager. Dieser empfing in seiner Funktion als Verteidigungsminister, den ehemaligen SS Offizier Walter Reder, der vorzeitig aus der italienischen Haft entlassen wurde, mit einem Handschlag bei seiner Rückkehr nach Österreich. Dies wurde sowohl im In - als auch im Ausland als eine Provokation angesehen. Diese Vorgänge schwächten die Koalition zwischen der SPÖ und der FPÖ zusehends.49 Weiter hält Pelinka fest, dass die Koalition auch

46 Vgl. Pelinka, Anton: Die Kleine Koalition. In: Reinhard, Sieder / Heinz, Steinert / Emmerich, Tàlos (Hrsg.) „Österreich 1945 – 1995“ Gesellschaft Politik Kultur. 2. Aufl., Wien 1996, S. 285 – 286. 47 Chorherr, Thomas: „Eine kurze Geschichte der ÖVP“ Ereignisse, Persönlichkeiten, Jahreszahlen. Wien 2005, S. 68. 48 Chorherr, kurze Geschichte der ÖVP, 2005, S. 68. 49 Vgl. Pelinka, Die kleine Koalition, 1996, S. 281 – 283. 19

in der Bevölkerung unbeliebt war, dies spiegelte sich in fast allen Landtagswahlen wieder. Die ÖVP konnte fast in allen Bundesländern in den folgenden Jahren von 1983 bis 1986 Stimmengewinne verbuchen. Eine Ausnahme bildete hierbei Kärnten und Vorarlberg. In Kärnten lag dies am Konfrontationskurs von Jörg Haider zur Regierungslinie seiner Partei und in Vorarlberg büßte die schwarze Partei Stimmen ein, da die Grünen erstmals in den Landtag einzogen. Dieser Trend einer immer größer werdenden Parteienlandschaft sollte sich auch in den folgenden Jahren fortsetzen und zwar auf Kosten der beiden Großparteien.50 Jedoch spielte die Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit zu Beginn der 1980er Jahre immer noch kaum eine Rolle oder zumindest stellte diese Aufarbeitung kein Thema dar, welches in Österreich in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt wurde. Dies zeigte sich während der Kreisky – Wiesenthal Affäre Mitte der 1970er Jahre. Jedoch flaute das Interesse der Medieninteresse damals sehr schnell wieder ab.

Auch in den 1980ern änderte sich daran wenig. Gehler und Sickinger halten fest, dass die NS Vergangenheit Österreichs lange Zeit ein Tabuthema darstellte. Doch in den 1980ern holte die eigene dunkle Vergangenheit Österreich endgültig ein. Die Debatte rund um den Handschlag von Friedhelm Frischenschlager und dem verurteilten SS-Offizier Walter Reder war der erste größere Skandal dieser Art in den 1980ern. Hier kam die Diskussion jedoch rasch zum Stillstand. Die anschließende Debatte rund um die NS Vergangenheit von Kurt Waldheim war tiefgreifender und der Skandal wurde von beiden Parteien auf ihre eigene Art für den Wahlkampf genutzt. Selbst der Bundespräsident Rudolf Kirchschläger ging davon aus, dass Waldheim aufgrund der ihm vorliegenden Unterlagen von den Vorgängen am Balkan Kenntnis gehabt haben musste. Die Kritik an Waldheim löste bei der Bevölkerung zum einen Mitleid und zum anderen eine Solidarisierung mit Kurt Waldheim aus. Die Aussage Waldheims, dass er nur seine Pflicht getan habe, ließ die Darstellung Österreichs als erstes Opfer der hitlerischen Aggression zusehends bröckeln. Dieses „Diktum von der Pflichterfüllung für die deutsche Wehrmacht lenkte (…) die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Frage der Mitwirkung von Österreichern an den Verbrechen im zweiten Weltkrieg.“51 Diese Thematisierung der österreichischen Rolle im zweiten Weltkrieg war laut Gehler und Sickinger ein unerwünschter Nebeneffekt, welcher der Staaträson widersprach.52 Bevor ich nun jedoch genauer auf den Wahlkampf, der die Debatte rund um die Opferthese und deren Infragestellung in Gang setzte

50 Vgl. Pelinka, die kleine Koalition, 1996, 285 – 286. 51 Gehler, Michael / Sickinger, Hubert: Politische Skandale in der zweiten Republik. In: Reinhard, Sieder / Heinz, Steinert / Emmerich, Tàlos (Hrsg.) „Österreich 1945 – 1995“ Gesellschaft Politik Kultur. 2.Aufl., Wien 1996, S. 680. 52 Vgl. Gehler / Sickinger, politische Skandale, 1996, S. 678 – 680. 20

möchte ich noch auf die Situation der SPÖ und der ÖVP Mitte der 1970er bis zur Mitte der 1980er Jahre genauer eingehen.

3.1 Situation SPÖ

Bereits in den 1970ern änderte sich die politische Marschrichtung in Österreich maßgeblich durch erstmalige Alleinregierung der SPÖ. Wie Pelinka ausführt, war in den 1970ern dann die Zeit der SPÖ gekommen. Die Partei sicherte sich im Oktober 1971 die absolute Mehrheit. Es gab eine Reihe von äußerst populären Reformen die Kreisky durchgesetzt hat. Hierzu zählt die gratis Schulbuch Aktion, die Mehrwertsteuer sowie eine Reform des Strafrechts, des ORF um nur einige davon zu nennen. Diese Reformen hatten eine Demokratisierung der österreichischen Bevölkerung zur Folge. Noch konnte Kreisky daraus politisches Kapital schlagen und er gewannt die nächsten Wahlen 1975 noch deutlicher, jedoch hatten seine Reformen auch Nachteile, so stieg zum Beispiel die Staatsverschuldung in Österreich in der Ära Kreisky enorm an.53 Wie Pelinka weiter ausführt, sollte sich das politische Klima gegen Ende des Jahrzehnts jedoch zu Ungunsten von Kreisky ändern, während die SPÖ 1979 noch das beste Wahlergebnis ihrer Geschichte einfahren konnte, indem sie über 51 Prozent der Stimmen erlangte, erodierte die Macht von Kreisky und seinem Kabinett ab diesem Zeitpunkt zusehends. Die Arbeitslosenrate stieg an und das „deficit spending“ der letzten Jahre ließ sich nur noch eingeschränkt fortsetzen. Überhaupt setzte der Sozialdemokratie in den frühen 1980ern ein genereller Schwenk der Politik zu54 „in England und den USA begann die Ära neokonservativer Politik, verbunden mit den Namen Margareth Thatcher und Ronald Reagan.55 Ein gut ausgebildeter junger neuer Mittelstand, der sich in den 1980ern herausbildete, stellte sich als eine schwierige neue Wählergruppe für die Sozialdemokraten heraus, dies lag nicht zuletzt auch daran, dass die Grüne Bewegung immer mehr an Einfluss gewann und besonders den Sozialdemokraten einiges an Stimmen kostete.56 In den 1980ern änderte sich die politische Situation in Österreich. Ausgelöst wurde dies durch eine Wirtschaftskrise die auch in Österreich die Arbeitslosenrate ansteigen ließ. In der Folge wurde die Regierung Kreisky abgelöst und fortan regierte die SPÖ in einer kleinen Koalition mit der FPÖ dies wurde von Kreisky noch so eingefädelt bevor er abtrat.57 Diese Minderheitenregierung war jedoch bei der Bevölkerung

53 Pelinka, eine kurze Geschichte der SPÖ, 2005, S. 59 – 61. 54 Vgl. ebda. S. 63. 55 Vgl. ebda. S. 62 – 63. 56 Vgl. ebda. S. 65 57 Vgl. Sieder, Reinhard / Steinert, Heinz / Tálos, Emmerich: Wirtschaft, Gesellschaft und Politik in der zweiten Republik: Eine Einführung. In: Reinhard, Sieder / Heinz, Steinert / Emmerich, Tálos (Hrsg.) „Österreich 1945 – 1995“ Gesellschaft Politik Kultur. Wien 1996, S. 13 – 14. 21

nicht besonders beliebt. Die politische Situation verschlechterte sich für die SPÖ allgemein zusehends im Laufe der 1980er, laut Tóth, war die SPÖ in eine Legimitationskrise geraten, ausgelöst wurde diese durch diverse Skandale in 1980ern (Hainburg, Noricum Affäre, VOEST Krise Anm.) Dadurch hatte sich ein Teil der Wählerschaft aus Protest gegen die Partei von der SPÖ distanziert.58 Dies verschaffte der ÖVP eine noch bessere Ausgangslage für die Wahl. Auch Chorherr äußerst sich ähnlich, denn laut Chorherr kam die SPÖ Regierung unter Sinowatz immer mehr ins Hintertreffen. Die Besetzung der Hainburger Au lies der Partei vor allem junge Wähler und Wählerinnen abhandenkommen. Die schmerzlichste Niederlage stand der SPÖ jedoch laut Chorherr noch bevor und zwar bei der Bundespräsidentenwahl 1986.59 Doch bevor ich mich nun näher mit dem Wahlkampf des Jahres 1986 auseinandersetzen werde, möchte ich zuvor noch in aller Kürze auf die Situation der ÖVP in den späten 1970ern und in den 1980ern eingehen.

3.2 Situation ÖVP

Wie Dachs ausführt, konnte „Österreichs Parteiensystem (…) lange Jahrzehnte hindurch als hinkendes Zweiparteiensystem oder als Zweieinhalbparteiensystem charakterisiert werden.“60 (Dachs, Sanierungspartnerschaft, S. 297) Die SPÖ und die ÖVP dominierten die Parteienlandschaft die FPÖ spielte damals eine untergeordnete Rolle seit 1986 lässt sich hier jedoch eine Ausdifferenzierung feststellen und die bisherigen Verhältnisse in der österreichischen Parteienlandschaft änderten sich grundlegend. Dies lag am erstmaligen Einzug der Grünen Partei ins Parlament.61 Die ÖVP musste sich durch die 1970er hindurch und in den 1980ern in der Rolle der Opposition zurechtfinden. Jedoch speziell in den 1980ern konnte sie wieder immer mehr an Einfluss gewinnen und befand sich laut Pelinka klar im Aufwind.62 Laut Chorherr wählte die ÖVP Alois Mock 1979 zum Bundesparteiobmann der ÖVP und im Jahr „1980 proklamierte der Obmann das selbständig moderne Menschenbild zur zentralen Leitlinie der ÖVP. Wie Busek in Wien, konnte auch Mock auf Bundesebene die Partei zur Themenführerschaft bringen.“63 Die Partei sollte nun bei der Bundespräsidentenwahl, wie es Pelinka formuliert, „den „ersten großen konservativen Wahlsieg seit 1966“64 erringen. Die

58 Vgl. Tòth, Barbara: Die ‚Jetzt erst recht‘ Wahlbewegung. In: Barbara, Tòth / Hubertus, Czernin (Hrsg.) „1986: Das Jahr das Österreich veränderte. Wien 2006, S. 32. 59 Vgl. Chorherr, kurze Geschichte der ÖVP, 2005, S. 64. 60 Dachs, Sanierungspartnerschaft, 1996, S. 297. 61 Vgl. Dachs, Sanierungspartnerschaft, 1996, S. 297 – 298. 62 Vgl. Pelinka, kurze Geschichte der SPÖ, 2005, S. 73. 63 Chorherr, kurze Geschichte der ÖVP, 2005, S. 63. 64 Pelinka, eine kurze Geschichte der SPÖ, 2005, S. 73. 22

Parteien klammerten jedoch das Thema des Nationalsozialismus und die eigene kritisch zu betrachtende Vergangenheit in Bezug auf die NS Zeit, fast zur Gänze aus den Debatten aus. Der Nationalsozialismus wurde in Österreich lange Zeit tabuisiert, Göllner zitiert Rathkolb und Uhl die festhalten, dass „Parteimitgliedschaft und sonstige Verflechtung mit dem NS – Regime (…) nicht thematisiert [wurden], bis dieses Tabu nach einigen Brüchen etwa durch die Kreisky -Wiesenthal-Affäre in Folge der ‚Causa Waldheim‘ aufbrechen sollte.“65 Wie Heindl festhält, lag weder der ÖVP noch der SPÖ etwas daran, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Viel mehr wollen beide Parteien nach vorne schauen „indem sie ihre konfliktreiche Vergangenheit vergessen“66 Diese Strategie der Verdrängung geriet nun durch die Affäre Waldheim erstmals ins Wanken und ein Prozess des Umdenkens bezüglich der damaligen Ereignisse setzte langsam ein. Im nächsten Kapitel möchte ich nun auf diesen Wahlkampf und den Umgang der SPÖ und der ÖVP mit den Ereignissen näher eingehen.

IV Der Wahlkampf 1986

Die Affäre rund um Kurt Waldheim ließ einen Riss durch die österreichische Bevölkerung gehen und zeigte einen Konflikt zwischen der Generation die den zweiten Weltkrieg Krieg noch aktiv miterlebt hatten und der Generation die den Krieg nur noch aus den Erzählungen ihrer Eltern oder Großeltern kannten. Gleichzeitig löste die Affäre einen der größten politischen Skandale der zweiten Republik aus. Bevor ich mich nun jedoch näher mit dem Wahlkampf an sich beschäftigen werde, muss zuerst noch geklärt werden wie ein politischer Skandal zu definieren ist. Ein solcher Skandal weist laut Sickinger und Gehler bestimmte Merkmale auf die vorliegen müssen, um einen solchen Skandal auszulösen. Erstens müsse sich jemand finden, der den Skandal aufdeckt, dies passiere in öffentlichen Skandalen meist durch Journalisten oder durch die konkurrierende Partei. Zweitens brauche ein Skandal eine öffentlichkeitswirksame Bühne, denn ohne die Öffentlichkeit handle es sich bei einem Skandal allenfalls um eine Intrige. Als letzten Punkt brauche ein Skandal ein Publikum welches gewillt ist sich ob der Enthüllungen zu empören.67 Wenn man sich nun spezifisch die Situation in Österreich ansieht, so halten Sickinger und Gehler fest, dass sich politische Skandale in Österreich meist um die Themen Korruption, Grauzonen von Parteienfinanzierung, Sonderregelungen für Politiker oder wie im Falle Waldheim die problematische Behandlung der österreichischen NS Vergangenheit

65 Zitiert nach Rathkolb, 2005, S. 383ff; Uhl 2005. In: Göllner, politische Diskurse, 2009, S. 245. 66 Heindl, wir Österreicher, 1991, S. 146. 67 Vgl. Gehler / Sickinger, politische Skandale, 1996, S. 671. 23

drehen.68 Bei einer näheren Betrachtung der verschiedenen objektiven Kriterien die ein Skandal aufweisen muss, kann man festhalten, dass im Falle Waldheim alle diese Kriterien zutreffen. Als Aufdecker fungierten die Medien und nach heutigem Forschungsstand wohl auch unter Mithilfe der SPÖ. Die Bühne ist durch den Wahlkampf, um das Amt des Bundespräsidenten auch in jedem Fall gegeben. Das Publikum in Österreich als auch im Ausland war durchaus bereit sich zu empören und zwar in beiderlei Richtung, zum einen um Waldheim in Schutz zu nehmen und zum anderen um ihn offen zu kritisieren. Besonders das Thema der NS Vergangenheit von Österreich wurde jedoch in Österreich in den Nachkriegsjahrzenten immer erfolgreich ausgeklammert. Doch genau diese verdrängte Vergangenheit sollte für beide Parteien bei dieser Wahl nun unumgänglich zu einem Thema werden, mit dem man sich beschäftigen musste, beziehungsweise machte sich die ÖVP die Situation nach dem Aufkommen der Vorwürfe sogar für ihre Wahlkampfziele zunutze. Laut Knight ist die Frage nach der Verstrickung der SPÖ in die Affäre bezüglich der NS Vergangenheit von Kurt Waldheim von zentraler Bedeutung. Denn die SPÖ und die ÖVP versuchten hier in einer Art gegenseitigem Einvernehmen die braune Vergangenheit der jeweils anderen Partei aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Doch durch die Waldheimaffäre kam es hier zu einem Bruch dieses nicht ausgesprochenen Vertrages, da die SPÖ plötzlich doch damit anfing, die braune Vergangenheit von Kurt Waldheim gegen ihn und seine Partei als politische Waffe einzusetzen. Wie Knight weiter ausführt, war diese angebliche Kampagne der SPÖ jedoch nur Nebensache. Wesentlich schwerer wog hier die eigene Unaufrichtigkeit von Waldheim mit der eigenen Vergangenheit.69

Knight konstatiert aber auch einen grundsätzlichen Wandel der politischen Bedingungen in den 1980er Jahren. Diese Einflüsse schwappten aus dem Ausland nach Österreich herein und hatten maßgeblichen Einfluss auf die Ereignisse die sich im Zuge des Wahlkampfes in Österreich abspielen sollten. Knight führt hierzu aus:

In den Achtzigern hatte sich das internationale Klima aus unterschiedlichsten Gründen gewandelt. Eine neue Sensibilität hinsichtlich des Holocausts, aber auch eine Politik der Sensibilisierung hatten sich entwickelt. Österreich wurde nicht, wie manche behaupteten, herausgepickt und dem prüfenden Blick der Welt ausgesetzt – es war eben einfach nicht mehr so immun gegen einen solchen prüfenden Blick wie in der Vergangenheit.70

68 ebda. S. 672 69 Vgl. Knight Robert: Waldheim revisited Historisierung, Hysterie und Schulterschluss. In: Brigitte, Lehmann / Doron, Rabinovici / Sibylle Summer (Hrsg.) Von der Kunst der Nestbeschmutzung: Dokumente gegen Ressentiment und Rassismus seit 1986. Wien 2009, S. 74 – 75. 70 Knight, Waldheim revisited, 2009, S. 76. 24

Diese veränderte Sensibilität gegenüber dem Holocaust wurde in Österreich jedoch erst später wahrgenommen als dies zum Beispiel in den USA der Fall war. Auch kurz vor der Affäre konnte man an der Affäre rund um Reder und Frischenschlager beobachten, dass der mediale Widerhall in dieser Sache noch relativ schnell abflachte. Im Wahlkampf 1986 sollte sich dieses Phänomen jedoch nicht wiederholen, ganz im Gegenteil, dieses Mal bildete sich eine Kontroverse zwischen jenen die Waldheim in Schutz nahmen, und jenen die um eine lückenlose Aufklärung der Vorwürfe die gegen ihn vorgebracht wurden, interessiert waren. Wie Ofner ausführt, wurde die Wahl von den Parteien auch als eine Vorwahl für die Nationalratswahl im nächsten Jahr gesehen.71 Jedoch wurde sie bald weit mehr als das, es ging schnell um andere Fragen. Zum Beispiel darum, wie sich das offizielle Österreich nach außen hin präsentiert und ob das offizielle Geschichtsbild als erstes Opfer von Hitler Deutschland, weiterhin Bestand haben kann. Die nachfolgende Debatte sollte zeigen das dies klar zu verneinen ist.

Hinter den Kulissen wurde eigentlich geplant Kurt Waldheim als gemeinsamen Kandidaten zu präsentieren, die ÖVP entschloss sich dann, sehr zur Verwunderung der SPÖ, Kurt Waldheim als unabhängigen Kandidaten aufzustellen, woraufhin die SPÖ Kurt Steyrer gegen ihn ins Rennen schickte.72 Nachdem diese Idee also hinfällig geworden war, legte man sich bei ÖVP nun eine eigene Strategie zurecht, mit der man Kurt Waldheim sicher in der Hofburg landen sehen wollte. Im nächsten Unterkapitel werde ich nun genauer auf die Strategie der ÖVP vor und nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Waldheim eingehen.

4.1 Wahlkampfstrategie der ÖVP vor und nach Beginn der Affäre

Laut Tòth war die ÖVP darum bemüht, Waldheim vor der Wahl als staatsmännisch darzustellen. Man hatte geplant Waldheim mit diesem Image sanft in der Hofburg landen zu sehen.73 Dieser Plan schien aufgrund der langjährigen Erfahrung Waldheims als UN Mitarbeiter und später als UN Generalsekretär nur allzu naheliegend. In Österreich war Waldheim zu dieser Zeit hoch angesehen und von den Vorwürfen mit denen er sich bald konfrontiert sehen würde ahnte man zu Beginn des Wahlkampfs noch nichts. Auch Göllner führt aus, dass sich die ÖVP bemühte, Waldheim am Beginn des Wahlkampfes als staatsmännisch und als einen Mann dem die Welt vertraut zu präsentieren. Als das Magazin Profil, Waldheim als knochentrocken und ohne Charisma bezeichnete, wurde dies von der ÖVP auf das Schärfste zurückgewiesen und

71 Ofner, Günther: „Die Rolle der SPÖ in der Waldheim Kampagne.“ In: Andreas, Khol / Theodor, Faulhaber / Günther, Ofner (Hrsg.) Die Kampagne: Kurt Waldheim Opfer oder Täter? Hintergründe eines Falles von Medienjustiz. München/ Berlin 1987, S. 124. 72 Chorherr, eine kurze Geschichte der ÖVP, 2005, S. 66. 73 Vgl. Tóth, Jetzt erst recht, 2006, S. 32. 25

man sprach schon zu diesem Zeitpunkt das erste Mal von einer Schmutzkübelkampagne. Somit war laut Göllner für Wodak bereits zu diesem Zeitpunkt klar, „dass das ‚Muster von der ‚Verleumdungskampagne‘, auf das die ÖVP später zurückgreifen sollte, in eine teilweise schon etablierte, zumindest aber bekannte Argumentationsstrategie hineingepasst habe.“74 Wie Lehnguth ausführt, erhoffte sich die ÖVP durch die Aufstellung Kurt Waldheims den ersten schwarzen Bundespräsidenten der Republik zu stellen. Rudolf Kirchschläger durfte nach zweimaliger Amtszeit nicht mehr kandidieren. Seinem Gegenkandidaten Kurt Steyrer von der SPÖ wurden nur geringe Chancen eingeräumt. Jedoch änderte sich die Strategie nachdem das Nachrichtenmagazin Profil und die New York Times die Affäre um die Nazi Vergangenheit von Kurt Waldheim ins Rollen brachte. Aus der Wehrstammkarte Waldheims ging nämlich hervor, dass Waldheim sowohl Mitglied des SA Reitersturms als auch des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes war. Es gab auch Akten die Waldheim als einen Stabsoffizier in der Heeresgruppe Löhr auswiesen, diese Heeresgruppe war auf brutale Art und Weise gegen Partisanen vorgegangen und sie war an Massendeportationen beteiligt.75

Außerdem führte noch ein anderer Aspekt zu einem Umdenken bezüglich der Wahlkampfstrategie in der Affäre Waldheim. Denn in ihrer Kampagne bemerkten die Wahlkampfmanager der ÖVP sehr schnell, dass man gegen den politischen Gegner Steyrer durch den Vorwurf Dirty Campaigning zu betreiben, punkten konnte. Das Ziel war es laut Tòth eine ‚Kampagne mit der Kampagne‘ zu machen und so den politischen Kontrahenten in Misskredit zu bringen.76 Somit änderte sich auch der Plan der Kampagnenmanager von Waldheim. Der ursprüngliche Plan ihn als umsichtigen Staatsmann zu porträtieren, schien ob der Anschuldigungen gegen ihn keine valide Strategie mehr zu sein. Der Plan der seiner Kampagnenleiter war es nun nicht mehr Kurt Waldheim wie zuerst angedacht als großen Diplomaten hinzustellen, sondern nun schien es so, als ob die Strategen der ÖVP planten die SPÖ und ihren Kandidaten Kurt Steyrer zu besiegen, indem man es zur nationalen Frage machte, ob Waldheim sich nun in diesem Krieg schuldig gemacht hat oder nicht und gleichzeitig stand damit auch die Frage im Raum, ob sich Österreich nun in diesem Krieg schuldig gemacht hat oder nicht. Waldheim fungierte hierfür als Mann an vorderster Front, der eine Generation von hunderttausenden Männern verkörperte, die in diesem Krieg gekämpft und wie er immer sagte nur ihre Pflicht erfüllt hätten. Ich möchte hier Lehnguth zitieren, der diese

74 Zitiert nach Wodak et. al. 1990, S. 63. In: Göllner, politische Diskurse, 2009, S. 252. 75 Vgl. Lehnguth, Waldheim und die Folgen, 2013, S. 92 – 93. 76 Vgl. Tòth, Jetzt erst recht, 2006, S. 28 – 29. 26

Ansichten teilt und auch noch näher ausführt wie es Waldheim anlegte mit den Vorwürfen die gegen ihn vorgebracht wurden umzugehen.

Vorwürfe gegen seine Person seien in Wirklichkeit gegen seine Generation bzw. ganz Österreich gerichtet, so die implizite Botschaft. Für den weiteren Ablauf der Debatte lässt sich Waldheims Verteidigungsstrategie wie folgt beschreiben: Er dementierte vorerst immer alle gegen ihn erhobenen Anschuldigungen, um dann (…) nur jene Dinge zuzugeben, die durch Dokumente eindeutig belegt waren. Diese Strategie war seiner Glaubwürdigkeit nicht förderlich. Selbst Menschen wie Simon Wiesenthal, die ihm politisch nahestanden und von seiner Unschuld überzeugt waren, waren schließlich empört.77 Wie man an den Ausführungen von Lenguth erkennen kann, war sich Waldheim seiner Symbolkraft wohl durchaus bewusst, beziehungsweise porträtierte er sich gerne als Gallionsfigur für die Kriegsgeneration, jedoch nicht um deren und seine eigene Rolle während des Krieges kritisch zu betrachten, sondern um sich und seine Kameraden freizusprechen beziehungsweise zumindest so zu argumentieren, dass ihm damals keine Wahl gelassen wurde. Sein lückenhaftes Gedächtnis tat ihr übriges, gehörte doch auch dies zur Strategie der ÖVP um ihren Kandidaten für die Hofburg in Position zu bringen. Es wurde hier eine „jetzt erst recht“ Mentalität erzeugt. Es ging hier nicht mehr nur um die Person Waldheim, die ÖVP versuchte mit ihrer Wahlkampfstrategie bei den Wählern den Eindruck zu erwecken, als ob Österreich und seine Bevölkerung in seiner Gesamtheit von außen angegriffen werden und man sich zur Wehr setzen müsste, indem man Waldheim trotz dieser Anschuldigungen zum Präsidenten macht.

Die Strategie der ÖVP nach Bekanntwerden der Affäre war laut Göllner die Existenz einer ‚Kampagne‘ und von ‚Drahtziehern‘ die hinter den Enthüllungen stehen sollten zu propagieren.78 Es sollte ein Bild vermittelt werden, dass Waldheim von außen angegriffen wurde und das entweder die SPÖ oder Mächte aus dem Ausland hinter diesen Angriffen stecken. Dass die SPÖ etwas mit den Anschuldigungen zu tun haben könnte, wird auch bei Schollum erwähnt.79 Diese Strategie war für die ÖVP auf zwei Arten von Vorteil, zum einen wurde durch das Streuen dieser Gerüchte der politische Gegner geschädigt und zum anderen, konnte man durch Anschuldigungen auch sehr gut vom eigentlichen Thema, nämlich das Österreich die Aufarbeitung der eigenen NS Vergangenheit endlich gezielt und ohne Kompromisse angehen muss, ablenken. Stattdessen schoss sich die ÖVP von nun an voll und ganz auf den World Jewish Congress (WJC) und die SPÖ ein und warf der SPÖ beispielweise vor, Informationen an das Profil weitergeleitet zu haben. Göllner führt aus, dass sich die ÖVP

77 Lehnguth, Waldheim und die Folgen, 2013, S. 94 – 95. 78 Vgl. Göllner, politische Diskurse, 2009, S. 267. 79 Vgl. Schollum, Die Waldheim Kampagne, 1987, S. 41. 27

auch die überzeichnete Darstellung von Kurt Waldheim durch den World Jewish Congress zunutze machte. Beziehungsweise war dieser der ideale Vorwand, um die Öffentlichkeit gegen das Ausland und die SPÖ aufzubringen, indem behauptet wurde, dass versucht würde Waldheim als Kriegsverbrecher zu denunzieren. Jedoch wurde das Wort Kriegsverbrecher weder von den Medien noch vom WJC dezidiert ausgesprochen.80

Die ÖVP ging nun also in ihrer gesamten Strategie wesentlich aggressiver vor als dies wohl am Beginn der Wahlkampagne geplant gewesen war. Es schien fast so, als ob man den ersten Treffer landen wollte noch bevor die SPÖ überhaupt zum Gegenschlag ausholen konnte.

Göllner führt aus, dass die ÖVP durchwegs bemüht war sämtliche Vorwürfe gegen Waldheim zu delegitimieren. Diese Art des Umgangs mit der Causa ist bereits seit dem Beginn der Affäre rund um Kurt Waldheim zu beobachten. Großteils wurde vonseiten der ÖVP versucht die Verantwortung zu externalisieren. Die Verantwortung wurde nicht bei Waldheim gesucht, sondern bei äußeren Einflüssen. Die Kampagne wurde als von außen gesteuert dargestellt, um dadurch einen Effekt der Solidarisierung in der Bevölkerung zu erzielen. Jegliche Kritik an Waldheim wurde als Kritik an Österreich als Staatsganzes interpretiert. Es wurde nicht versucht nach den Ursachen für diese Kritik zu suchen, sondern die Kritik an sich wurde als die eigentliche Problematik dargestellt. Falls es zu Kritik am Umgang Österreichs mit der eigenen Vergangenheit kam, wurde dies zwar nicht per se kritisiert, aber man versuchte in diesem Fall eine Gegendarstellung zu bringen und führte die Errungenschaften Österreichs sich als demokratisches Land und als hilfsbereites Land gegenüber Flüchtlingen erwiesen zu haben ins Treffen. Der Vorwurf, dass Österreich eine Nähe zum NS Regimes gehabt habe, wurde dadurch relativiert, dass es auch Widerstand gegen das Regime gegeben habe und auch Österreicher Opfer des Regimes wurden. Dies alles geschah ganz im Sinne der zur Staatsdoktrin gewordenen Darstellung Österreichs als Opfer des NS – Regimes.81 Diese Externalisierung die hier durch Waldheim und seine Partei bezüglich der Privatperson Waldheim stattfand weist auch starke parallelen zur Externalisierung der Verantwortung für die Verbrechen des NS Regimes auf. Diese Verantwortung wurde in Österreich über mehrere Jahrzehnte hinweg Deutschland zugeschoben. Die Debatte um Waldheim und auch die Debatte um die Rolle Österreichs im zweiten Weltkrieg, hängen also wie man erkennen kann eng zusammen. Waldheim tat nämlich auf einer persönlichen Ebene genau das Gleiche, er schob die Verantwortung anderen zu und

80 Göllner, politische Diskurse, 2009, S. 256. 81 Vgl. Göllner, politische Diskurse, 2009, S. 361 – 363. 28

versuchte sich selbst als unwichtigen Mitläufer zu präsentieren. Diese Strategie hatte wie man ob des Wahlergebnisses erkennen konnte durchaus Erfolg.

Zur Kampagne nach Bekanntwerden der Anschuldigungen muss gesagt werden, dass dieser Erfolg auch als ein enormer Erfolg der Wahlkampfstrategen der ÖVP gesehen werden kann. Es wurde beharrlich darauf bestanden das Wort Verleumdungskampagne mit Waldheim zu verknüpfen. Somit entstand in der Bevölkerung das Gefühl, dass es sich laut Heindl „beim Forschen nach der NS – Vergangenheit eines Präsidentschaftskandidaten, (…) um einen unanständigen Akt [handle]!“82 Außerdem wurde der Wahlkampf von den ÖVP Strategen geschickt auf eine sehr persönliche Ebene gezogen. Man entfernte sich zusehends von Sachthemen, anstelle dieser Sachthemen, modellierte die ÖVP den Wahlkampf in den letzten Märzwochen laut Tòth „endgültig zu einer Volksabstimmung über Kurt Waldheim um“.83

Im Verlauf des Wahlkampfes kam es jedoch auch zu einem ungewollten Nebeneffekt und zwar wurde hier ein Prozess und eine Diskussion in Gang gesetzt, welche auch zu einer tiefer greifenden Auseinandersetzung mit der Rolle Österreichs während des zweiten Weltkrieges führen sollte. Tòth hält hierzu fest: „Alle Mittel wurden ausgeschöpft – persönliche Anspielungen inklusive. Vor allem aber wurde die Auseinandersetzung mit dem Holocaust und die Frage der persönlichen Verantwortung und Schuld zum zentralen Thema des Wahlkampfs.“84 Jedoch herrschte während des Wahlkampfes sowohl in der Regierung als auch unter der Bevölkerung noch immer eine geteilte Meinung, wenn es um die Frage ging, ob Österreich nun doch eine Verantwortung und Mitschuld für die Ereignisse während des Krieges getragen hat oder nicht. Kurt Waldheim wurde hier zum Symbol der Generation, die während des Krieges oder in der Generation nach dem Krieg sozialisiert wurden. Vor allem die junge Generation an Politikern und jener Teil der Bevölkerung, die jene Ereignisse nicht mehr persönlich miterlebt hatten, beziehungsweise diese Zeit nur aus Erzählungen ihrer Eltern oder Großeltern kannten, stellten einen Gegenpol zu jenen dar die noch in der Zeit der Verdrängung der Ereignisse während des Krieges aufgewachsen waren. Diese junge Generation die erst weit nach dem Ende des Krieges geboren wurde war an einer lückenlosen Aufklärung der Ereignisse von damals interessiert. Jedoch gilt es hier auch festzuhalten, dass sich die Verweigerung der Auseinandersetzung mit jenen Ereignissen keinesfalls auf die Politiker der ÖVP beschränkt haben, auch die ältere Generation der SPÖ hatte ihre eigenen Leichen im Keller und aus diesem

82 Heindl, wir Österreicher, 1991, S. 121. 83 Tòth, jetzt erst recht, 2006, S. 29. 84 Tòth, jetzt erst recht, 2006, S. 29. 29

Grund hielt man sich zum Großteil eher zurück, wenn es darum ging, Kurt Waldheim öffentlich massiv zu kritisieren. Im nächsten Kapitel werde ich nun näher auf die Haltung der SPÖ während der Affäre eingehen.

4.2 Haltung der SPÖ

Die SPÖ rechnete sich von Beginn an nur geringe Chancen auf einen Wahlsieg aus. Jedoch witterte man zumindest eine kleine Chance nachdem die Vorwürfe gegen Waldheim publik gemacht wurden. Laut Ofner verlangte der Generalsekretär der SPÖ Peter Schieder, dass Waldheim zum Beginn der Kampagne Stellung zu diesen Anschuldigungen beziehen solle und falls er Mitglied bei der SA oder dem NS Studentenbund war, solle er dies zugeben. Zwar sei es nicht das Ziel der SPÖ die Vergangenheit von Waldheim zum Wahlkampfthema zu machen. Jedoch müsste man ihn und seine Position aus einem anderen Blickwinkel heraus betrachten, falls sich herausstellen sollte, dass er über mehrere Jahrzehnte hinweg seine Vergangenheit verdunkelt habe.85

Außerdem ist hier weiter festzuhalten, dass sich die Position der SPÖ keineswegs als klar Anti - Waldheim festlegen lässt. Denn wie Heindl festhält, ist ein weiterer nicht zu unterschätzender Punkt in der Affäre um Waldheim, die indifferente Haltung der SPÖ zu den Zeiten des damaligen Wahlkampfs. Anstatt klar Position zu beziehen wird Waldheim hier sogar noch teilweise in Schutz genommen.86 Heindl hält fest, dass auch dem politischen Gegner wenig an der Aufklärung der Vorgänge gelegen. Wie sich in der Wiener Zeitung nachlesen lässt sagt Kurt Steyrer dazu: „Wir müssen zu den lebenswichtigen Zukunftsfragen kommen und die fruchtlosen Vergangenheitsdiskussionen endlich hinter uns lassen“87 Es war der SPÖ in diesem Zusammenhang auch wichtig zu betonen, dass man die sich die Berichterstattung um Waldheim nicht zunutze machen wollte. Laut Tòth, die von Göllner zitiert wird, bestreitet die SPÖ „eine geplante Instrumentalisierung von Waldheims Vergangenheit.“88

Diese Haltung war wohl auch der Furcht geschuldet, dass Politiker aus den eigenen Reihen in ähnliche Diskussionen hineingezogen werden könnten. Überhaupt war es der SPÖ laut Schollum daran gelegen klarzustellen, dass man nicht hinter dieser Affäre steckte. Man hatte auch nicht die Absicht die Vorgänge rund um Waldheim in das Zentrum des Wahlkampfes zu

85 Vgl. Ofner, Die Rolle der SPÖ, 1987, S. 135.

86 Vgl. Heindl, wir Österreicher, 1991, S. 68 – 69. 87 Zitiert nach ‚Wiener Zeitung‘ 05.06.1986. In: Heindl, wir Österreicher, 1991, S. 145. 88 Zitiert nach: Tòth, 2006, S. 26. In: Göllner, politische Diskurse, 2009, S. 272. 30

rücken. Selbst Kreisky wollte keine Einmischung von außen in Angelegenheiten der österreichischen Innenpolitik tolerieren. Auch mit Waldheims Umgang mit der Affäre war Kreisky laut Schollum mehr als unzufrieden.89

Jedoch war die Wahl für die SPÖ mehr als nur eine Bundespräsidentschaftswahl es ging hier auch um einen Stimmungstest für die kommenden Wahlen, allen voran für die nächste Nationalratswahl. Ofner interpretierte die Lage während des Wahlkampfs so, dass, die Auseinandersetzung zwischen den beiden Kontrahenten über das Schicksal der SPÖ bei zukünftigen folgenden Wahlen mitbestimmen würde, „deren Ausgang bedeutsam sei, dass alle Mittel in die Schlacht geworfen werden müssten, um sie zu gewinnen.“90

Hierbei lassen sich in der Literatur Hinweise finden, dass der SPÖ wohl jedes Mittel recht war um das Ziel des Wahlsieges zu erreichen. Besonders schien sich Verzweiflung breit zu machen nachdem Waldheim den ersten Wahlgang klar für sich entschieden hatte. Laut Ofner ging dadurch ein Schock durch die SPÖ und die Strategie änderte sich. Nun wurde der eigene Kandidat mehr in den Fokus gerückt und auch die FPÖ sollte dazu gedrängt werden ihren neutralen Standpunkt zu verlassen und eine Empfehlung für Steyrer abgeben.91 Dies zeigt doch recht deutlich, dass die SPÖ nun langsam ihre Felle davon schwimmen sah, und sich eine neue Strategie zu überlegen schien. Nach heutigem Wissenstand hatte die SPÖ nämlich ihre Finger mit im Spiel, als es darum ging, die Angriffe gegen Waldheim voranzutreiben. Chorherr sagt hierzu: „Es scheint heute nicht mehr zweifelhaft, dass diese Angriffe von der SPÖ, genauer: aus der Umgebung des SP – Bundeskanzlers lanciert wurden.“92

Chorherr führt weiter aus, dass die SPÖ den Medien wohl Material zugespielt hat, dies geschah aus dem Kalkül heraus zu verhindern, dass Waldheim zum Präsidenten gewählt wird. Die schmutzig geführte Kampagne die darauf folgte, hatte jedoch einen Schulterschluss einer Mehrheit der Bevölkerung, mit dem Kandidaten Waldheim zur Folge. Dieser setzte sich im zweiten Wahlgang mit knapp 54 Prozent der Stimmen klar gegen seinen Kontrahenten Kurt Steyrer durch. Die Strategie der ÖVP Waldheim als Opfer zu porträtieren und so die Wähler dazu zu bringen ihn erst recht zu wählen ging also voll auf.93

89 Vgl. Schollum, Die Waldheim Kampagne, 1987, S. 43 – 45. 90 Ofner, die Rolle der SPÖ, 1987, S. 126. 91 Vgl. ebda. S. 157 – 158. 92 Chorherr, kurze Geschichte der ÖVP, 2005, S. 66. 93 Vgl. Chorherr, kurze Geschichte der ÖVP, 2005, S. 66 – 67. 31

Laut Chorherr spielte die SPÖ auch ausländischen Medien Material zu, um zu verhindern, dass Waldheim zum Bundespräsidenten gemacht wird. Die anschließende schmutzige Kampagne gegen Waldheim, hatte jedoch einen Schulterschluss der österreichischen Bevölkerung zur Folge und so setzte sich Waldheim im zweiten Wahlgang mit knapp 54 Prozent der Stimmen klar gegen seinen Kontrahenten Steyrer durch. Die Strategie der ÖVP, Waldheim als Opfer zu porträtieren und die Bevölkerung dazu zu bringen ihn deswegen erst recht zu wählen, war vollends aufgegangen.

4.3 Die Debatte um Waldheim

Nachdem die Debatte richtig ins Rollen kam war es laut Göllner für Waldheim klar, dass es sich um eine groß angelegte Verleumdungskampagne gegen seine Person handle, die zentral gesteuert wäre und seit Monaten gegen ihn geplant sei. Somit änderte sie auch die Strategie der ÖVP und man machte von nun an keinen Wahlkampf der von Inhalten geprägt wurde, sondern man machte eine Wahlkampagne mit der Kampagne die vermeintlich gegen Kurt Waldheim im Gange war. Die ÖVP vermutete laut Göllner die SPÖ als Drahtzieher hinter dieser Kampagne, auch wenn dies die SPÖ damals wie heute vehement zurückweist. Die Lehrmeinungen darüber, ob es diese Kampagne überhaupt gab, gehen laut Göllner weit auseinander und reichen von Zustimmung zu dieser Theorie durch Gehler94 über die Ansicht von Mitten der von einer „vermeintlichen Kampagne spricht“95 bis hin zu Tòth die von einem „Mythos“9697 spricht. Ich selbst gehe davon aus, dass die SPÖ einer der Drahtzieher war, die hinter der Kampagne standen, lanciert und vorangetrieben wurde sie jedoch von den Medien. Es ist jedoch anzunehmen, dass auch die SPÖ hierzu den Medien Material zukommen ließ, welches Waldheim potenziell belasten könnte. Jedoch hat die SPÖ es verabsäumt aus dieser Affäre politisches Kapital zu schlagen während die ÖVP es geschickt verstand sich die Affäre zunutze zu machen, um die Bevölkerung in einer Welle der Solidarisierung hinter sich zu scharen und die Erzeugung eines „wir gegen die Mächte von außen Gefühls“ wirkte sich äußerst positiv auf die Popularität des Präsidentschaftskandidaten Kurt Waldheim aus und führte zu einer Solidarisierung der Bevölkerung mit Waldheim.98

94 Zitiert nach Gehler, 1997, S. 381. In: Göllner, politische Diskurse, 2009, S. 254. 95 Zitiert nach Mitten, 2006, S.111. In: Göllner, politische Diskurse, 2009, S. 254 96 Zitiert nach Tòth, 2006, S. 26; Vgl. Interview mit Kurt Bergmann. In: profil, 18.06.2007, S. 25. In: Göllner, politische Diskurse, 2009, S. 254. 97 Vgl. Göllner, politische Diskurse, 2009, S. 254. 98 Vgl. Göllner, politische Diskurse, 2009, S. 257. 32

Denn im Zuge der Affäre waren sowohl ausländische und inländische Medien, sowie der World Jewish Congress treibende Kräfte, die sich der Aufklärung dieser Sachbestände verschrieben hatten. Besonders der WJC schoss dabei jedoch einige Male über das Ziel hinaus, in seinem Versuch Beweise dafür zu finden, dass Waldheim ein Kriegsverbrecher war. Jedoch verwendete auch der WJC dieses Wort selbst nie. Waldheim selbst „wies sie alle (die Anschuldigungen Anm.) kategorisch von sich und sprach stets von einer groß angelegten Verleumdungskampagne“.99 Diese Debatte sollte zum Zentralen Dreh - und Angelpunkt des gesamten Wahlkampfes werden. Auch die SPÖ wurde mit hineingezogen und von der ÖVP, wenn auch hinter vorgehaltener Hand, als einer der Drahtzieher angesehen. Die ÖVP und Waldheim bemühen sich laut Heindl im Wahlkampf 1986 auch immer wieder zu betonen, dass die Kritik die Waldheim aus dem Ausland entgegenschlägt sich eigentlich gar nicht gegen Waldheim, sondern gegen Österreich richtet. Es wird sozusagen so dargestellt, als ob es in diesem Wahlkampf darum ginge, dem Ausland zu zeigen sich nicht in die vermeintlich innenpolitischen Angelegenheiten der Republik einzumischen.100

Waldheim sprach auch immer wieder von Verleumdung, beziehungsweise behaupteten Waldheim und andere Mitglieder der ÖVP, dass der politische Mitbewerber in eine Verleumdungskampagne gegen Waldheim involviert wären. Wie Heindl ausführt, scheut es Waldheim geschickt die von ihm der Verleumdung bezichtigten Personen auch tatsächlich vor Gericht zu stellen. Somit enthält er laut Heindl dem österreichischen Volk wiederum die Möglichkeit vor, dass ein Gericht über Wahrheit und Unwahrheit entscheiden kann. Beschuldigt werden von Waldheim hier sowieso nur alle anderen in einem Versuch das eigene Ansehen beim Wähler zu retten. Waldheim wendet die Worte geschickt an und dreht sich im Laufe der Kampagne seine Realität immer in die Richtung in der er sie gerade braucht. Meinungen werden zu beweisen, Kriegsberichte zu Erfindungen, Tatsachen zu Unterstellungen etc. Dies alles soll dem Zweck dienen, seine Wähler hinter sich zu scharen, die ihn mit „einer jetzt erst recht Mentalität“ wählen sollen. Auch auf die SPÖ wird der Verdacht immer wieder geschickt gelenkt, um diese zumindest für den Wähler verdächtig zu machen. Aber auch der jüdische Weltkongress spielt immer wieder eine zentrale Rolle in den Anschuldigungen die Waldheim vorbringt.101

99 Lehnguth, Waldheim und die Folgen, 2013, S. 94. 100 Vgl. Heindl, wir Österreicher, 1991, S. 104. 101 Vgl. Heindl, wir Österreicher, 1991, S. 121 – 125. 33

Außerdem endete eine lange Phase des Leugnens jeder Schuld Österreichs an den Verbrechen aus der Zeit der Besetzung durch die Nationalsozialisten. Oftmals ging man auch zu weit etwa indem Waldheim von einigen seiner Kritiker gar zum Kriegsverbrecher hochstilisiert wurde. Die SPÖ hütete sich zu viel zu diesem Thema und blieb in ihrem Vorgehen laut Pelinka eher zurückhaltend.102

Jedoch verwendete die ÖVP die Taktik Waldheim als Opfer hinzustellen geschickt, um so die Wahl klar für sich zu entscheiden. Der Wahlkampf der diesem Wahlsieg von Kurt Waldheim vorausgegangen war, wurde sehr emotional geführt und löste eine historisch lang hinausgezögerte Debatte, um die Rolle Österreichs während der NS Zeit aus. Wie Pelinka festhält hat der Wahlkampf demonstriert „wie stark in Österreich – abgestuft in allen Parteien – das NS Erbe verdrängt worden war. Waldheim wurde plötzlich zum Katalysator für heikle Themen und Thesen.“103 Doch diese Emotionalität mit der die Debatte geführt wurde hatte auch viele Schattenseiten. Laut Ofner degenerierte der Wahlkampf „also zusehends zu einem irrationalen und unkontrollierten Emotionsausbruch. Auch tatsächliche oder selbsternannte Wissenschaftler konnten sich dem nicht entziehen.104 Die Gründe hierfür lagen wohl bei der Emotionalität des Themas, immerhin wurde hier an einem Grundpfeiler der 2. Republik gerüttelt, nämlich dem durch die Moskauer Deklaration als verbrieft angesehenem Anrecht darauf sich als Opfer des NS Regimes sehen zu dürfen. Jedoch führt Kohl noch einen zweiten Punkt ins Treffen dem ich mich unumwunden anschließen kann. Er konstatiert, dass der Mangel an Selbst - und Fremdeinschätzung wohl auch einer der Gründe war, warum die Kampagne um Kurt Waldheim und die Debatte um seine Person mit einer derartigen Intensität geführt wurde.105

Jedoch hatte die Affäre rund um Waldheim einen von ihm wohl nicht unbedingt erwünschten, jedoch positiven Nebeneffekt. Die Debatte rund um Waldheim brachte nämlich einen Diskurs um die österreichische NS – Vergangenheit in Gang, der über Jahrzehnte hinweg verschleppt wurde.

Der Verdienst Waldheims wie es Helena Maimann ausdrückte, sei darin gelegen, dass er „Stöpsel aus der Flasche gezogen hätte, in der sich der Geist der österreichischen Vergangenheit

102 Vgl. Pelinka, kurze Geschichte der SPÖ, 2005, S. 75. 103 Pelinka, kurze Geschichte der SPÖ, 2005, S. 74. 104 Ofner, die Rolle der SPÖ, 1987, S. 155. 105 Vgl. Khol, Andreas: „Die Kampagne gegen Waldheim – Internationale und nationale Hintergründe.“ In: Andreas, Khol / Theodor, Faulhaber / Günther, Ofner (Hrsg.) Die Kampagne: Kurt Waldheim Opfer oder Täter? Hintergründe eines Falles von Medienjustiz. München/ Berlin 1987, S. 188 – 189. 34

befand“106 Weiters führt Markova aus, dass die beiden Großparteien ÖVP und SPÖ in der Vergangenheit dadurch geeint wurden, dass die jeweilige Verstrickung mit der NS Zeit ein gegenseitiges Totschweigen der Ereignisse, als die beste Lösung erscheinen ließ. Dies änderte sich jedoch mit einer neuen Riege an Journalisten, die persönlich nichts mit dieser Vergangenheit zu tun hatten und dies führte zu einem Aufbrechen der alten Wunden und zu einem Diskurs der für viele Politiker äußerst unangenehm war.107

Besonders die jungen Politiker in den Reihen der Großparteien waren daran interessiert, endlich mit der Vergangenheit aufzuräumen und es setzte ein Prozess ein, der die Erinnerungskultur in Österreich nachhaltig beeinflussen und verändern sollte. Waldheim diente für diesen Veränderungsprozess wie bereits oben erwähnt108 als „Katalysator.“109 Er wurde durch die Affäre wirklich zu einem Symbol für hunderttausende Österreicher, jedoch nicht für jene hunderttausenden Österreicher, die nur ihre soldatische Pflicht erfüllt hatten wie dies von Waldheim dargestellt wurde, sondern er wurde zum Symbol für jenen Teil der Bevölkerung, der Österreich auch 1986 noch immer als ein Opfer des NS – Regimes betrachtete. Im nun folgenden Kapitel möchte ich nun näher auf die theoretischen Konzepte zum Thema Erinnerungskultur und Vergangenheitsbewältigung eingehen.

V Kollektives Gedächtnis, Kommunikatives Gedächtnis

Bevor nun näher auf die Erinnerungskultur und anschließend darauf wie diese zu Kurt Waldheim in Beziehung zu setzen ist, eingegangen werden kann, muss zuerst auf die allgemeine Theorie zu den verschiedenen Gedächtnisbegriffen näher eingegangen werden. Wie Errl ausführt, haben das kulturelle und kommunikative Gedächtnis zwei verschiedene Bezugsrahmen, gehen aber dennoch ineinander über. Das kollektive Gedächtnis umschreibt eine zeremonielle Art des Erinnerns, das kommunikative Gedächtnis hat eine wesentlich kürzere Halbwertszeit (maximal 100 Jahre). Den eigentlichen Fokus sollte jedoch das kulturelle

106 Vgl. Markova, Ina: „Visualizing Waldheim: Mediale Schlüsselbilder der Affäre Waldheim“ In: Journal of Austrian Studies, Vol. 49, No. 1 – 2, 2016, S. 74. 107 Ebda. S. 74. 108 siehe S. 36. 109 Pelinka, kurze Geschichte der SPÖ, 2005, S. 74. 35

Gedächtnis darstellen.110 Somit lassen sich also zwei große Unterscheidungen machen. Zum einen gibt es das kollektive Gedächtnis. Hierzu führt Assmann aus, dass

die zeitliche Reichweite des kulturellen Gedächtnisses ist nicht die der sterblichen Menschen, sondern der materiell fixierten und institutionell stabilisierten Zeichen. Die entkörperten und zeitlich entfristeten Inhalte des kulturellen Gedächtnisses müssen drittens immer wieder neu mit lebendigen Gedächtnissen verkoppelt und von dieses angeeignet werden.111 Damit bringt sie zum Ausdruck, dass das kulturelle Gedächtnis einer Nation von dieser am Leben gehalten werden muss durch Bräuche und Rituale und somit kann dieses Gedächtnis auch weit über den Lebenshorizont eines Menschen oder einer ganzen Generation von Menschen hinausgehen.

Jan Assmann verweist hier auch auf Halbwachs der auch das kulturelle Gedächtnis anspricht, welches nach Assmann im Gegensatz zum kommunikativen Gedächtnis, dass dem Alltag nahe ist, dadurch geprägt ist, dass es dem Alltag fern liegt. Es zeichnet sich laut Assman dadurch aus, dass eine Gruppe daraus ihren Vorrat an Wissen bezieht. Sozusagen was die Gruppe ausmacht und was sie nicht ausmacht. Es „verfährt rekonstruktiv, d.h., es bezieht sein Wissen immer auf eine aktuelle gegenwärtige Situation. Es ist zwar fixiert auf unverrückbare Erinnerungsfiguren und Wissensbestände, aber jede Gegenwart setzt sich dazu in aneignende, auseinandersetzende, bewahrende und verändernde Beziehung.“112

Er beschreibt weiterhin, dass es grundsätzlich zwei Arten dieses Gedächtnisses gibt. Die eine ist archivarisch zu verstehen, im Sinne einer Ansammlung an Bildern, Dokumenten oder auch Handlungsmustern. Der zweite Modus hängt von der Gegenwart der Akteure ab aus denen sich dann Handlungsmuster ableiten lassen. Außerdem findet diese Erinnerung immer in einer bestimmten Form statt und sie ist auf eine Art und Weise organisiert. Damit meint Assmann zum Beispiel eine Absicherung des Wissens in Form einer Institution oder durch bestimmte Riten und Rituale. Daraus ergibt sich auch, dass man diese Form des kulturellen Gedächtnisses pflegen müsse, damit dieses erhalten bleibe, so Assmann. Auch die Gewichtung in wichtige, unwichtige und nebensächliche Aspekte dieser Art des Gedächtnisses wird von der jeweiligen Gruppe vorgenommen.

110 Vgl. Erll, Astrid: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen: Eine Einführung. 2. Aufl., Stuttgart/ Weimar 2011, S. 30 – 31.

111 Assmann, der lange Schatten, 2014, S. 34. 112 Assmann, Jan: Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität. In: Jan, Assmann / Toni, Hölscher (Hrsg.) Kultur und Gedächtnis. Frankfurt am Main 1988, S. 13. 36

Ein weiterer wichtiger Punkt dieser Form des kulturellen Gedächtnisses, ist seine Reflexivität sowohl auf sich selbst als auch auf die Gruppe und auf die Praxis. Mit der Praxis sind hier zum Beispiel Sprichwörter oder ähnliches gemeint deren Bedeutung sich im Laufe der Zeit und durch diesen reflexiven Prozess ändern könne.113 Zusammenfassend sei Gedächtnis in dem Kontext laut Assmann „als Kollektivbegriff für angesammelte Erinnerungen, als Fundus und Rahmen für einzelne memoriale Akte und Einträge“114 zu verstehen. Dies bedeutet laut Assman/Frevert „dass sich Erinnerungsprozesse im Spannungsfeld zwischen subjektiver Erfahrung, wissenschaftlich objektivierter Geschichte und kultureller Kommemoration bewegen.“115 Somit setzt sich das kulturelle Gedächtnis aus verschiedenen Komponenten zusammen, die sich sowohl auf persönlicher Ebene als auch auf offizieller Eben abspielen und dadurch entsteht dann ein Narrativ, welches der Erinnerungskultur als Basis dient.

Die zweite Komponente die hierbei eine maßgebliche Rolle spielt, ist das bereits oben genannte kommunikative Gedächtnis. Dieser Begriff wurde von Jan Assmann geprägt und er führt dazu aus: „Unter dem Begriff des kommunikativen Gedächtnisses fassen wir jene Spielarten des kollektiven Gedächtnisses zusammen, die ausschließlich auf Alltagskommunikation beruhen.“116 Außerdem geht Assmann davon aus, dass unsere kommunikatives Gedächtnis ein zeitlich begrenztes ist und nicht länger als 80 bis 100 Jahre Bestand hat. Es findet hier ein stetiger Wechsel an Erinnerungen zwischen den Generationen statt. Aus diesem ständigen Generationenwechsel entsteht eine Dynamik die sehr zentral für das Gedächtnis einer Gesellschaft sind. Hierfür prägt Assmann den Begriff soziales Gedächtnis.117 Dieses Gedächtnis ist auch immer mit persönlichen Erinnerungen verflochten. Welche Rolle diese spielen wird von Assmann und Frevert näher ausgeführt.

Persönliche Erinnerungen existieren nicht nur in einem besonderen sozialen Milieu, sondern auch in einem spezifischen Zeithorizont. Dieser Zeithorizont wird durch den Wechsel der Generationen bestimmt. Mit jedem Generationenwechsel, der nach einer Periode von ca. vierzig Jahren stattfindet, verschiebt sich das Erinnerungsprofil einer Gesellschaft merklich. Haltungen die einmal bestimmend oder repräsentativ waren, rücken allmählich vom Zentrum an die Peripherie. Dann stellen wir rückblickend fest, dass sich ein bestimmtes Milieu von

113 Vgl. Assmann, Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, 1988, S. 13 – 15. 114 Assmann, Aleida, Frevert, Ute. Geschichtsvergessenheit – Geschichtsversessenheit: Vom Umgang mit der deutschen Vergangenheit nach 1945. Stuttgart 1999, S. 35. 115 Assman/Frevert, Geschichtsvergessenheit, 1999, S. 36. 116 Assmann, Gedächtnis und kulturelle Identität, 1988, S. 10. 117 Assmann, der lange Schatten, 2014, S. 26 – 27. 37

Erfahrungen und Werten, Hoffnungen und Obsessionen aufgelöst hat, das die Erinnerungen wie ein unsichtbares Netz umfangen hatte.118

Diesen Ausführungen folgend, ist das kommunikative Gedächtnis in der zeitlich begrenzten Dauer von 80 – 100 Jahren also auch immer wieder größeren Veränderungen begleitet. Eine solche Veränderung können wir auch in der Affäre Waldheim beobachten, da sich diese fast exakt 40 Jahre nach dem Ende des Krieges ereignet hatte. Auch dadurch wird erkennbar, dass sich die Waldheimaffäre an einer Sollbruchstelle abgespielt hat, zwischen einer Erinnerungskultur und der nächsten. Außerdem bestehen laut Assmann persönliche Erinnerungen immer in einem bestimmten Rahmen. Wir konstruieren uns unsere Erinnerungen aus der Vergangenheit heraus, wobei wir hierbei immer unsere gegenwärtige Situation ebenfalls mitbedenken müssen, somit ist die Vergangenheit immer in Bezug zur Gegenwart zu setzen.119 Dies ist ein weiterer wichtiger Aspekt, wenn es um das kommunikative Gedächtnis geht muss dieses auch immer in Begriff zu einer sozialen Gruppe verstanden werden, die ihre Erinnerungen in einem gewissen Rahmen verorten. Zu diesem Rahmen führt Assmann folgendes aus:

Durch die sozialen Rahmen vereinheitlichen und vergesellschaften Menschen ihre persönlichen Erinnerungen; auf diese Weise werden diese nicht nur mitteilbar, sondern auch zu einem gemeinsamen Besitz der Gruppe, der man angehört, zusammenhält. Da sich die Welt und die Gesellschaft über die Zeit hinweg ändern, ändern sich auch die sozialen Rahmen mit diesem historischen Wandel. Dinge, die gestern unwichtig waren, können plötzlich wieder hochaktuell werden.120 Auch an diesen Ausführungen ist ersichtlich, dass das kommunikative Gedächtnis immer auch etwas mit einem Wandel zu tun hat, beziehungsweise verändern sich in einer Gesellschaft laufend die Prioritäten nach denen ausgewählt wird, woran man sich erinnert und in welcher Form diese Erinnerung stattfindet. Dieser soziale Rahmen steht in einem Spannungsfeld mit dem kollektiven Gedächtnis und jenen Individuen, die sich an diesem Gedächtnis beteiligen. Ziegler und Kanonnier – Finster führen hierzu aus, dass

Das individuelle Denken ist in dem Maße fähig, sich zu erinnern, in dem es sich innerhalb des kollektiven Gedächtnisses und des gesellschaftlichen Rahmens dieses Gedächtnisses bewegt und an diesem Gedächtnis partizipiert. Gruppenbezogenheit ist das eine Merkmal des kollektiven Gedächtnisses. Ein anderes Merkmal ist, dass das Gedächtnis stets rekonstruktiv arbeitet und die Vergangenheit als solche bewahrt. Diese wird beständig von den sich ändernden Bezugsrahmen der Gegenwart her reorganisiert. Von diesen sozialen Bezugsrahmen hängt es ab, ob ein Mensch überhaupt erinnern kann. Ereignisse sind nur rekonstruierbar, wenn dafür entsprechende Bezugsrahmen in der gesellschaftlichen Gegenwart

118 Assmann/Frevert, Geschichtsvergessenheit, 1999, S. 37. 119 Assmann, der lange Schatten, 2014, S. 157 – 158. 120 Assmann, der lange Schatten, 2014, S. 159. 38

zur Verfügung stehen. Vergessen wird, was in einer solchen Gegenwart keinen Rahmen mehr findet. (…) Das Gedächtnis sei als kollektive Funktion zu denken, bei der, vom Standpunkt der Gruppe zwei Tätigkeitsarten im Spiel sind: Einmal ein Gedächtnis, das aus einem Rahmen von Begriffen besteht, die den einzelnen Mitgliedern als Anhaltspunkte dienen und sich ausschließlich auf die Vergangenheit beziehen. Zum anderen kommt eine Vernunfttätigkeit zur Wirkung, die von den gegenwärtigen Bedingungen und ihren Anforderungen ausgeht. Diese unter dem Eindruck der Gegenwart stehende Vernunft kann ihre Kraft gegen die Macht der Vergangenheit nur entwickeln, wenn sie Traditionen, vielleicht sprechen wir in unserem Zusammenhang besser von Erinnerungen an die Vergangenheit nicht völlig blockiert. Eine Gesellschaft kann sich von ihrer Vergangenheit befreien. Sie setzt also nicht die Gegenwart insgesamt gegen die Vergangenheit, sondern nur eine Vergangenheit gegen eine andere Vergangenheit, eine Tradition gegen eine andere Tradition.121 Somit bestimmt also die Gesellschaft, welche Ereignisse aus dem Horizont ihres kommunikativen Gedächtnisses erinnert und an welche nicht. Jedoch bestimmen dies nicht nur die Individuen an sich, sondern auch Institutionen und der Staat spielen bei der Wahl dieser Dinge die es einer Gesellschaft als sinnvoll erscheinen lassen, sie zu erinnern, eine große Rolle. Hier besteht nun die Verbindung zwischen dem individuellen Gedächtnis und dem kollektiven Gedächtnis, das kollektive Gedächtnis ist laut Assmann Frevert „eine Steigerungsform des Generationsgedächtnisses, das sich ohne entsprechende Maßnahmen mit dem Ableben seiner Träger wieder von selbst auflöst.“122

Diese Begriffe sind hier von Assmann noch einmal in 2 Info - Graphiken genau aufgeschlüsselt. In der ersten Graphik, sind die drei wichtigsten Dimensionen der verschiedenen Gedächtnisarten (neuronal, sozial und kulturelles Gedächtnis) noch einmal dargestellt, dazu ist auch aufgelistet in welchem Milieu diese Arten von Gedächtnis entstehen und wer sie stützt. Die zweite Info - Graphik legt noch einmal die grundlegenden Unterschiede die es zwischen dem sozialen (kommunikativen) Gedächtnis und dem kollektiven Gedächtnis genau dar.

Dimension: neuronales Gedächtnis soziales Gedächtnis kulturelles Gedächtnis Träger: individuelles Gehirn soziale symbolische Medien Kommunikation Milieu: soziale Kommunikation individuelles Gehirn soziale Kommunikation Stütze: symbolische Medien symbolische Medien individuelles Gedächtnis 123

121 Ziegler, Kannonier – Finster, Österreichisches Gedächtnis, 1993/2016, S. 54. 122 Assmann – Frevert, Geschichtsvergessenheit, 1999, S. 42. 123 Assmann, der lange Schatten, 2014, S. 33. 39

soziales Gedächtnis kulturelles Gedächtnis biologische Träger materielle Träger befristet (80 – 100 Jahre) entfristet Intergenerationell transgenerationell Kommunikation Symbole und Zeichen Monumente, Jahrestage, Riten, Texte, Bilder 124

Assmann und Frevert merken hierzu an: „Gedächtnis und Kollektiv unterstützen sich gegenseitig: Das Kollektiv ist der Träger des Gedächtnisses, das Gedächtnis stabilisiert das Kollektiv.“125 Daraus ergibt sich jedoch die Gefahr, dass „sich im kollektiven Gedächtnis eine Geschichtserinnerung zu einem ‚ideologischen Fundament‘ erhärtet.“126 Diesen Vorgang konnte man bei der Debatte rund um die Opferthese und auch über Kurt Waldheim beobachten. Hier hatte sich eine kollektive Erinnerung nämlich jene der Opferthese langsam soweit erhärtet, dass daran nicht mehr zu rütteln war. Jede Nation hat ihre eigenen Erfahrungen mit Momenten die als Unrecht und als eine Viktimisierung der eigenen Nation empfunden worden sind. Um die Achse dieser beiden Konzepte spinnt sich eine Nation ihr eigenes Narrativ und ihre spezifischen Mythen. Auf exakt diesem Wege zementierte sich auch das Narrativ von Österreich als erstes Opfer des Nationalsozialismus ein. „Das historische Trauma einer gemeinsamen Opfererfahrung schlägt sich als eine unaustilgbare Spur im kollektiven Gedächtnis nieder und erzeugt einen besonders starken Zusammenhalt der betroffenen Gruppe.“127 Ganz im Gegensatz zu diesem Opfergedächtnis steht laut Assmann Frevert jedoch das ‚Tätergedächtnis‘ dieses sei von „vitaler Vergesslichkeit“128 geprägt. Es sei eben immer leichter die Schuld eines anderen zu erinnern als sich an seine eigene Schuld zu erinnern, bzw. die Existenz einer solchen Schuld überhaupt zuzugeben.

Deswegen sehnt man sich als Täter nach einer Möglichkeit einen Schlussstrich ziehen zu können, dem Prinzip folgend, dass irgendwann auch einmal mit der Vergangenheit Schluss gemacht werden müsse. Es liegt jedoch nicht alleine in der Hand einer Nation zu bestimmen wann und wo dieser Schlussstrich gezogen wird. Auch die Weltöffentlichkeit hat hier ein Wort mitzureden. Genau diesem Druck von außen wollte sich Österreich Mitte der 1980er jedoch

124 Assmann, der lange Schatten, 2014, S. 54. 125 Assmann/Frevert, Geschichtsvergessenheit, 1999, S. 42. 126 Assmann/Frevert, Geschichtsvergessenheit, 1999, S. 43. 127 Assmann/Frevert, Geschichtsvergessenheit, 1999, S. 44. 128 Assmann/Frevert, Geschichtsvergessenheit, 1999, S. 45. 40

partout nicht beugen. Dies traf sowohl auf die politische Elite zu, als auch auf einen großen Teil der österreichischen Bevölkerung, sonst wäre Waldheim nicht mit einer klaren Mehrheit gewählt worden. Dieser Einstellung lag wohl die Fehlannahme zugrunde, dass man als Nation ganz alleine bestimmen kann wie man Ereignisse der eigenen Geschichte erinnert, außerdem wollte man sich hierbei keinesfalls hineinreden lassen, schon gar nicht vom Ausland. Hierbei wurde jedoch vergessen, dass der Holocaust keine österreichische Privatangelegenheit war. Der Holocaust betraf Familien und Menschenleben rund um den Globus, die durch die Gräuel der Nazis geliebte Angehörige verloren hatten. Österreich wurde wie auch Deutschland vom Ausland darauf hingewiesen, dass „wir nicht allein bestimmen wann es genug ist, Folgerungen aus einer Vergangenheit zu ziehen, die Leben und Glück einer so großen Zahl von Menschen vernichtet hat.“129

Wenn man sich nun mit der Frage auseinandersetzt, wie sich eine Nation erinnert und welche Ereignisse erinnert werden sollen, hängen diese Überlegungen immer auch mit Erinnerungskultur des jeweiligen Landes zusammen, hierbei hinkte Österreich bis in die Mitte der 1980er Jahren, wenn es um Fragen die den Holocaust betrafen oder wenn es um die Aufarbeitung der eigenen Rolle im zweiten Weltkrieg ging, anderen Nationen weit hinterher. Im nachfolgenden Unterkapitel möchte ich nun auf die Erinnerungskultur im Allgemeinen und im österreichischen Kontext genauer eingehen.

5.1 Erinnerungskultur

Die Politik setzt laut Leggewie und Meyer fest, welche geschichtlichen Ereignisse wie erinnert werden sollten. Es gibt in unsere pluralistischen Gesellschaften somit einen ständigen Konflikt darüber was und wie Ereignisse erinnert werden sollen bzw. an welche Ereignisse man sich erinnern sollte.130 Durch diese Übereinkunft entsteht eine Erinnerungskultur die von offizieller Seite vorgegeben wird und von den Bürgern und Bürgerinnen des jeweiligen Landes mitgetragen wird. Jedoch ist diese Erinnerungskultur auch immer bestimmten Veränderungen ausgesetzt. Diese können sowohl von offizieller Seite herrühren aber auch durch die Bevölkerung ausgelöst werden, welche sich eine Veränderung in der Kultur des Erinnerns wünscht. Dies steht in einem engen Zusammenhang zum kollektiven Gedächtnis einer Nation. Denn wie Errl festhält: „Erst durch ihre Verortung im Gesamtkomplex ‚kollektives Gedächtnis‘

129 Assmann / Frevert, Geschichtsvergessenheit, 1999, S. 45. 130 Vgl. Leggewie, Claus / Meyer, Erik: Geschichtspolitik in der Mediengesellschaft. In: Günter, Oesterle (Hrsg.) Erinnerung, Gedächtnis, Wissen: Studien zur kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung (Bnd 26). Göttingen 2005, S. 663. 41

erschließen sich die Zusammenhänge zwischen einzelnen Phänomenen der Erinnerungskultur.“131 Der Fokus dieses Erinnerns ist laut Errl jedoch nicht auf die Vergangenheit gerichtet, sondern auf die Gegenwart jener, die sich an vergangene Ereignisse auf eine spezifische Art und Weise erinnern.132 Wenn wir uns jedoch damit auseinandersetzen was eine Nation erinnert, dann darf hier auch nicht außer Acht gelassen werden, dass es im Umkehrschluss auch immer um die Frage geht, was eine Nation dem Vergessen preisgibt und zumindest was man gerne dem Vergessen preisgeben würde. Es gibt in dieser Erinnerungskultur also auch immer Lücken im Gedächtnis. Laut Malina resultieren die Lücken im Gedächtnis aus einer Mischung von Verweigerung und Verdrängung, sie sind nicht nur bloßes Vergessen. Er spricht davon, dass sich das Vergessen als Gegenkraft zum Erinnern bezeichnen lässt. Sozusagen wirkt das Vergessen dem Erinnern aktiv entgegen.133 Die Kräfte des Erinnerns und Vergessens wirken also gleichzeitig aber sie arbeiten gegeneinander.

Damit eine Kultur des Erinnerns überhaupt entstehen kann, braucht es jedoch auch ein Medium um diese Erinnerungen zu bewahren. Unsere heutige Erinnerungskultur wäre ohne diese diversen Medien gar nicht vorstellbar, denn erst durch sie haben wir die Möglichkeit erhalten Erinnerungen dauerhaft jederzeit abrufbar zu machen. Laut Erll sind das kollektive Gedächtnis und die Medien eng verknüpft, da erst die Medien dabei helfen eine Erinnerungskultur zu erzeugen. Die erste wirkliche Möglichkeit sich in größerem Stile mit der Vergangenheit zu beschäftigen und diese zu erinnern, die Erfindung des Computers, führte letzten Endes zu den Möglichkeiten die wir heute haben. Und zwar soziale und biologische Erinnerung in einer Analogie zum Computer zu konzipieren.134 In Bezug auf Kurt Waldheim und die Affäre um seine Person schließt dieses kollektive Gedächtnis auch die andere Seite der Medaille mit ein, nämlich ein nicht erinnern an die eigene Vergangenheit.135 Dies fand nicht nur auf der Ebene der kollektiven Erinnerung statt, sondern in Bezug auf die Erinnerungskultur spielt neben der kollektiven Erinnerung, auch die individuelle Erinnerung der einzelnen Menschen eine wichtige Rolle. Laut Ziegler, Kannonier – Finster wird die individuelle Erinnerung stark von der kollektiven Erinnerung beeinflusst, da sich Menschen auch an Ereignisse erinnern, an denen sie physisch selbst gar nicht teilgenommen hatten. Somit sei die individuelle Erinnerung auch immer eingebettet in die Erinnerungskultur eines Landes. Österreich betreibt in seiner eigenen

131 Erll, kollektives Gedächtnis, 2011, S. 6. 132 Vgl. Erll, kollektives Gedächtnis, 2011, S. 7. 133 Vgl. Malina, Peter. Geschichte ist die Vergangenheit die uns angeht. In: Gretel, Anzengruber / Gerhard, Bisovsky, et. al. (Hrsg.) Vergangenheitsbewältigung. Wien 1989, S. 11 – 12. 134 Vgl. Erll, kollektives Gedächtnis, 2011, S. 140 – 141. 135 Vgl. Ziegler / Kannonier – Finster, österreichisches Gedächtnis, 1993/2016, S. 58. 42

Erinnerungskultur bezüglich des Nationalsozialismus eine Politik des Abwehrens oder eine Reduktion der Ereignisse auf eine bestimmte von Menschen. Außerdem wird versucht die Erinnerung in eine andere Richtung zu lenken und dadurch wird der Effekt der Realitätsverweigerung nur noch weiter verstärkt.136

Die NS Zeit sei in Österreich sowieso nur marginal in das soziale Gedächtnis der Österreicher eingegangen. Die Darstellung als Opfer bedeutete gleichzeitig für die Individuen eine Verdrängung der eigenen Erwartungen, die man an das Regime welches 1945 zusammenbrach hatte. Die Großmachphantasien der Bevölkerung und ihre aktive und passive Beteiligung am NS Staat gerieten nach dem Ende des Krieges aus dem Blickfeld der Bevölkerung. „Die NS Zeit wird damit subjektiv zu einer Erfahrung, die einem zugestoßen ist, aber nicht zu einer, die man gemacht hat.“137 Diese Absperrung von den damaligen Ereignissen ermöglichte es laut Ziegler/Kanonier Finster, den Menschen die Zeit als ein Kapitel in ihrem Leben zu betrachten, dass wie ein Abenteuer oder ein Drama oder ein Schicksalsschlag war, dass man daran jedoch wirklich bedeutsam beteiligt sein könnte, wollten nur die wenigsten wahrhaben. Die Opferthese diente den Menschen hier als ein wirksamer Mechanismus in ihrer Abwehrstrategie, wenn es um das Thema NS Regime und ihre eigene Rolle in diesem Staat ging. Anders als in Deutschland wurde in Österreich dieses Mitlaufen mit dem NS Regime oder das opportune Ergreifen von Chancen während dieser Zeit keineswegs als moralisch falsch angesehen. Auch an der Aussage von Kurt Waldheim zur Pflichterfüllung gegenüber dem NS Regime kann man diesen bewusst Reflexionsfreien individuellen Umgang mit der eigenen NS Vergangenheit klar erkennen. Ansonsten wäre der Widerspruch zwischen einer Pflichterfüllung gegenüber der Wehrmacht und einem gleichzeitigen Pochen auf ein Fortbestehen des Opfermythos sofort klar zu erkennen gewesen.138

In Österreich war dieses Pochen auf den Opferstatus jahrzehntelang gelebte Praxis in der Erinnerungskultur des Landes oder besser gesagt, man einigte sich gemeinsam in einer stillschweigenden Übereinkunft zwischen den offiziellen Vertretern des Staates und der österreichischen Bevölkerung darauf, die Ereignisse von damals in eine Schublade zu stecken und den Schlüssel wegzuwerfen. Diese Büchse der Pandora wurde in den 1980ern jedoch langsam geöffnet und durch die Waldheim Affäre kam die Diskussion dann letzten Endes voll in Gang.

136 Vgl. Ziegler/Kannonier – Finster, Österreichisches Gedächtnis, 1993/2016, S. 87 – 88. 137 Ebda. S. 90. 138 Vgl. Ziegler/Kannonier – Finster, österreichisches Gedächtnis, 1993/2016, S. 90 – 92. 43

Eine Erklärung hierfür sieht Uhl darin, dass sie eine ‚Universalisierung‘ der Erinnerung an den Holocaust feststellt und dass diese Universalisierung von einer „Phase der konfliktreichen Neuverhandlungen des Geschichtsbildes seit den 80er Jahren“139, Uhl erklärt diese Neuverhandlung des Geschichtsbildes als eine Umkehr des Gedenkens, nicht mehr das was einer Nation angetan wurde, sondern was die Nation anderen angetan hat steht im Mittelpunkt dieses Gedenkens. Obwohl laut Uhl eine offizielle Position zur Mittäterschaft Österreichs noch immer ausständig ist, ist diese für sie unbestritten.140 Ich stimme in dieser Hinsicht völlig mit ihr überein, dass Österreich über mehrere Jahrzehnte hinweg versucht hat Opfer und Täter zu vermischen, um so eine kollektive Opfergesellschaft zu erschaffen. Die sowohl Täter als auch Opfer in einen Topf warf und sie somit alle zu unschuldigen Opfern werden ließ. Wobei es eher heißen müsste, dass die Österreicher zu einem gewissen Teil zu unschuldigen Tätern gemacht wurden. Damit will ich zum Ausdruck bringen, dass aus Tätern Opfer gemacht wurden und ihnen somit vom offiziellen Österreich über mehrere Jahrzehnte hinweg eine einfache Möglichkeit geboten wurde, sich nicht mit der eigenen Vergangenheit auseinandersetzen zu müssen, indem man sich bequem hinter der Opferthese verstecken konnte. Dies war durch das Aufbrechen des Opfermythos und durch einen grundlegenden Wandel der Erinnerungskultur Mitte der 1980er Jahre nun aber auch in Österreich nicht mehr möglich.

Kurt Waldheim der einen ähnlichen Versuch machte, indem er bewusst Fakten verschwieg, beziehungsweise diese immer erst dann preisgab, wenn er gar nicht anders konnte, fügte sich so in das Bild vieler anderer Österreicher der Kriegsgeneration ein, die wie das offizielle Österreich auch versuchten, die Zeit der NS – Herrschaft in Österreich einfach Tod zu schweigen. Doch mit der Waldheim Affäre holte den Staat seine Vergangenheit letzten Endes doch noch ein. Bevor ich nun jedoch genauer auf den Einfluss der Affäre auf die Erinnerungskultur in Österreich in Kapitel 6 eingehen werde, möchte ich noch kurz auf die Problematik der Vergangenheitsbewältigung an sich und um spezifisch österreichischen Kontext eingehen.

139 Uhl, Heidemarie: Von ‚Endlösung‘ zu ‚Holocaust‘. Die TV – Ausstrahlung von „Holocaust“ und die Transformationen des österreichischen Gedächtnisses. In: Heidemarie, Uhl (Hrsg.) Zivilisationsbruch und Gedächtniskultur: Das 20. Jahrhundert in der Erinnerung des beginnenden 21. Jahrhunderts. Innsbruck/ Wien/ München/ Bozen 2003, S. 153. 140 Vgl. Uhl, Heidemarie. Anschluss Gedenken 2008: Abschied von der Opferthese. In: Brigitte, Lehmann / Doron, Rabinovici / Sybille, Summer (Hrsg.) Von der Kunst der Nestbeschmutzung: Dokumente gegen Ressentiment und Rassismus seit 1986. Wien 2009, S. 61 – 62. 44

5.2 Vergangenheitsbewältigung

Laut Uhl haben sich in Österreich seit den 1940er Jahren auf politischer Ebene zwei verschiedene Arten des Umgangs mit der eigenen Vergangenheit herauskristallisiert. Entweder die beiden Großparteien haben ihre Vergangenheit konfliktreich betrachtet hierbei ging es darum den anderen schlechter dastehen zu lassen als sich selbst, oder es wurde ein Weg der gemeinsamen Geschichtsschreibung gewählt, hierbei wurden „die historischen Konflikte zwischen den feindlichen Lagern der ersten Republik bis zur Unkenntlichkeit verschliffen und entstellt.“141 Welches Format der Erklärung zur Anwendung kam war laut Uhl vom Kontext abhängig, damit meint sie, dass abgewogen wurde, ob es sich um eine außen oder innenpolitische Angelegenheit handelte oder auch welche Themen mit der Haltung angesprochen werden sollten.142

SPÖ und ÖVP nutzten dieses Erklärungsmodell zum ‚Untergang‘ Österreichs 1938 auch geschickt in dem Sinne, dass man dieses Modell des Untergangs Österreichs im Jahr 38 „auf die Zeit der Ersten Republik und zudem auf die politischen Parteien und deren Führungseliten projiziert.“143

Es gab jedoch laut Uhl einen großen Unterschied zwischen der Waldheim Debatte und den vorherigen Skandalen zum Beispiel der Affäre Kreisky - Wiesenthal elf Jahre zuvor. Damals unterhielt man sich im öffentlichen Diskurs noch nicht über den Anschluss und seine Folgen, sondern man versuchte den Beginn der Katastrophe bereits früher anzusiedeln und als Erklärungsmuster diente die Erste Republik. Die dort begangenen Fehler wurden als Erklärung dafür verwendet, dass der Weg in den Abgrund unausweichlich gewesen sei. Erste Risse in diesem Konzept des öffentlichen Umgangs oder besser Verleugnens der eigenen Vergangenheit zeigten sich jedoch bereits 1978, es gab einen großen Widerspruch zwischen dem was die Österreicher in Filmen und Dokumentationen über den Holocaust sahen und hörten und der mündlich tradierten Erinnerung der Ereignisse von damals. Diese mündlichen Tradierungen stellten die Nazi Herrschaft nämlich in einem wesentlich helleren Licht dar, als dies die Filmquellen taten.144 1986 wurde laut Uhl „die Kluft zwischen offizieller Darstellung der österreichischen NS – Vergangenheit und der subjektiven Geschichtserfahrung vieler

141 Uhl, Transformationen des österreichischen Gedächtnisses, 2003, S. 157. 142 Vgl. ebda. S. 157. 143 Ebda. S. 160. 144 Vgl. ebda. S. 158 – 159. 45

Österreicher“145 sichtbar. Wie sie anmerkt führte jedoch wohl erst seine Wahl dazu, dass die alten und verkrusteten Strukturen in den österreichischen Geschichtsbildern endlich aufbrachen. Es folgte sowohl ein Bruch mit dem österreichischen Geschichtsbewusstsein als auch mit dem nationalen Selbstverständnis. Das Selbstbild des offiziellen Österreichs, als weltoffenes, demokratisches Land wurde durch die Waldheimaffäre stark erschüttert. Die Bewältigung der eigenen Vergangenheit fand bis zum Jahr 1986 nur scheinbar statt, eine wirkliche Bewältigung gab es nicht.146

Doch woran scheiterte nun diese Vergangenheitsbewältigung in Österreich beziehungsweise woran krankt sie bis heute. Rabinovici führt hierzu aus, dass es einen eklatanten Unterschied zwischen der Vergangenheitsbewältigung anderer Länder und der Vergangenheitsbewältigung Österreichs gab. Während man sich andernorts mit den Verbrechen der Nazis und der Verstrickung der eigenen Elterngeneration in diese Verbrechen auseinandersetzte und die Aussage nichts getan zu haben, mehr ein „Bekenntnis eigener Unterlassungsschuld, als Geständnis, gegenüber den Morden untätig geblieben zu sein.“147 gewertet wurde, war dies in Österreich völlig anders. Hier konnte man sich mit dieser Aussage bis 1986 recht günstig aus der Affäre ziehen, da es in Österreich nicht als Schuld, sondern als Freispruch gewertet wurde nichts getan und nichts gewusst zu haben. Waldheim wurde in dieser Sache zum Symbol der Lüge die Österreich bis zu diesem Wahlkampf gelebt hatte. Dabei ging es primär jedoch nicht um Waldheims Vergangenheit, sondern vielmehr darum, wie er damit umging. Denn erst Täuschungsmanöver und der Versuch von Waldheim falsche Angaben zu machen, um sein Image nicht zu schädigen, waren dann das eigentliche Problem. In Österreich gab es laut Rabinovici allgemein den Konsens die Vergangenheit besser ruhen zu lassen und nicht darüber zu sprechen. Sich als Opfer zu sehen half auch dabei eine These der kollektiven Unschuld zu entwickeln und dadurch eine Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit erfolgreich zu vermeiden. Auch die Wahlkampfstrategen der beiden Großparteien wussten laut Rabinovici nur allzu gut, dass es politisch unklug war sich mit der Verantwortung Österreichs während des

145 Uhl, Heidemarie: Zwischen Versöhnung und Verstörung: Eine Kontroverse um Österreichs historische Identität fünfzig Jahre nach dem „Anschluss“. Konrad, Helmut (Hrsg.) Böhlaus Zeitgeschichtliche Bibliothek Band 17. Wien/ Köln/ Weimar 1992, S. 16. 146 Vgl. Uhl, Zwischen Versöhnung und Verstörung, 1992, S. 16 – 17. 147 Rabinovici, Doron: Aktion und Artikulation: Das Bestehen des Republikanischen Clubs. In: Brigitte, Lehmann / Doron, Rabinovici / Sybille, Summer (Hrsg.) Von der Kunst der Nestbeschmutzung: Dokumente gegen Ressentiment und Rassismus seit 1986. Wien 2009, S. 12. 46

Krieges auseinanderzusetzen, da sich hiermit kein Stimmengewinn in Österreich machen ließ.148

Die NS Zeit als gesamtes wurde von Österreich jahrzehntelang zwar so gut es ging verdrängt - eine Bewältigung fand jedoch mit Sicherheit nie statt. Wie Ziegler und Kannonier – Finster festhalten, sei die NS Zeit in Österreich sowieso nur marginal in das soziale Gedächtnis der Österreicher eingegangen. Die Darstellung als Opfer bedeutete gleichzeitig für die Individuen eine Verdrängung der eigenen Erwartungen die man an das Regime welches 1945 zusammenbrach hatte. Die Großmachphantasien der Bevölkerung und ihre aktive und passive Beteiligung am NS Staat gerieten nach dem Ende des Krieges aus dem Blickfeld der Bevölkerung. „Die NS Zeit wird damit subjektiv zu einer Erfahrung, die einem zugestoßen ist, aber nicht zu einer, die man gemacht hat.“149 Diese Absperrung von den damaligen Ereignissen ermöglichte es den Menschen die Zeit als ein Kapitel in ihrem Leben zu betrachten, das wie ein Abenteuer oder ein Drama oder ein Schicksalsschlag war, dass man daran jedoch wirklich bedeutsam beteiligt sein könnte, wollten nur die wenigsten wahrhaben.

Die Opferthese diente den Menschen hier als ein wirksamer Mechanismus in ihrer Abwehrstrategie, wenn es um das Thema NS Regime und ihre eigene Rolle in diesem Staat ging. Anders als in Deutschland wurde in Österreich dieses Mitlaufen mit dem NS Regime oder das opportune Ergreifen von Chancen während dieser Zeit keineswegs als moralisch falsch angesehen. Auch an der Aussage von Kurt Waldheim zur Pflichterfüllung gegenüber dem NS Regime kann man diesen bewusst Reflexionsfreien individuellen Umgang mit der eigenen NS Vergangenheit klar erkennen. Ansonsten wäre der Widerspruch zwischen einer Pflichterfüllung gegenüber der Wehrmacht und einem gleichzeitigen Pochen auf ein Fortbestehen des Opfermythos sofort klar zu erkennen gewesen.150 Laut Tòth et al. hatte sich eine große Mehrheit der damals in der Wehrmacht kämpfenden Soldaten nach dem Krieg längst einen Freispruch zuerkannt. Sie sahen sich als Opfer des NS Regimes und nicht als eine Stütze desselben.151

Es stellt sich nun jedoch die Frage wie eine Bewältigung dieser Vergangenheit nun tatsächlich stattfinden kann. Diese Vergangenheitsbewältigung wird laut Botz nur dann stattfinden, wenn es gelingt einem großen Teil der Bevölkerung schlüssig vor Augen zu führen, in welche Art

148 Vgl. Rabinovici, Aktion und Artikulation, 2009, S. 12 – 15. 149 Ziegler / Kannonier – Finster, österreichisches Gedächtnis, 1993/2016, S. 90. 150 Ebda. vgl. S. 90 – 92. 151 Vgl. Barbara, Tòth / Hubertus, Czernin (Hrsg) „1986: Das Jahr das Österreich veränderte“. Wien 2006, S. 20.

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von Regime Österreich damals verstrickt war und welche Art von Krieg hier geführt wurde.152 Dies wird nötig sein, um zu verstehen, dass eine Pflichterfüllung gegenüber einem solchen Regime nicht als Pflichterfüllung, sondern als Schuldeingeständnis angesehen werden muss. Auch die Verblendung in Österreich muss eklatant gewesen sein, da es sonst wohl kaum 40 Jahre dauern konnte, bis Österreich endlich damit begann, sich ernsthaft mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Die Zielsetzung bei diesem Prozess der Bewältigung der Vergangenheit ist laut Assmann „die Überwindung einer schmerzhaften Erinnerung um einer gemeinsamen freien Zukunft willen“153 Dieser Prozess ist in Österreich am Voranschreiten. Jedoch geht es in diesem Prozess weniger darum, mit der Vergangenheit fertig zu werden, sondern um eine „Auseinandersetzung mit dem, was von der Vergangenheit für die Gegenwart relevant ist.“154 Im nun folgenden Kapitel möchte ich darauf eingehen, welche Auswirkungen dieses nicht Aufarbeiten der eigenen Vergangenheit auf die Debatte rund um Kurt Waldheim während der Bundespräsidentschaftswahlen in Österreich hatte und wie diese Debatte die Sichtweise innerhalb Österreichs änderte und einen Prozess der Veränderung im Umgang mit der eigenen Vergangenheit, der Erinnerungskultur und der Bewältigung der eigenen Vergangenheit in Gang setzte.

VI Einfluss der Waldheimaffäre auf die Erinnerungskultur in Österreich

Laut Pelinka hat die Affäre Waldheim zu einem Qualitätssprung im Umgang Österreichs mit seiner eigenen Vergangenheit geführt. Alte Muster brachen auf wie zum Beispiel die zur Staatsdoktrin gewordene Verteidigung der Okkupations - These und der Opferthese. Außenpolitisch war Österreich darauf bedacht, Österreich kollektiv als Opfer darzustellen. Innenpolitisch stellte man sich laut Pelinka in den Jahrzehnten nach dem Krieg oft unkritisch und schützend vor die Ehemaligen die teilweise auch mit Kriegsverbrechen in Verbindung gebracht wurden, wie zum Beispiel der SS – Offizier Walter Reder. Das Opfernarrativ wurde auch lange Zeit nicht in Frage gestellt, da sich in Österreich bis in die 1980er hinein alle als Opfer sahen. Von den Heimkehrern bis hin zu den politisch Verfolgten. Durch die Waldheim Debatte kam nun Bewegung in diese unpräzise Behandlung des Opferbegriffs. Laut Pelinka kam hier auch Waldheims Aussage zur Pflichterfüllung nicht ungelegen, da sich seine Aussage

152 Vgl. Botz, Gerhard: Verdrängung, Pflichterfüllung, Geschichtsklitterung: Probleme mit der NS – Vergangenheit. In: Gerhard, Botz / Gerald, Sprengnagel (Hrsg.) Kontroversen um Österreichs Zeitgeschichte. 2. Aufl., Frankfurt/ New York 2008, S. 99. 153 Assmann, der lange Schatten, 2014, S. 71. 154 Malina, Vergangenheit die uns angeht, 1989, S. 8. 48

zur Pflichterfüllung mit der Opfertheorie nicht vereinbaren ließ. Die Kritik an Waldheim war der Stein des Anstoßes, sich mit der eigenen Vergangenheit in einer differenzierteren Weise auseinanderzusetzen.155

Es ist in der Affäre jedoch eine Verschiebung des Fokus zu erkennen. Man geht weg von einer Debatte in der es hauptsächlich um die großen Namen in den Reihen der NS – Verbrecher geht und sieht sich nun verstärkt die Nebentäter und passiven Teile der Bevölkerung, die zwar nicht direkt an den Verbrechen beteiligt waren, jedoch dazu bereit waren die Augen vor diesen Verbrechen zu verschließen. Rabinovici beschreibt die damalige Situation folgendermaßen:

Was damals in Österreich geschah, war das Aufbrechen einer neuen Geschichtsauseinandersetzung, die bald auf dem ganzen Kontinent und auch in den USA toben sollte. Dabei interessierten nicht mehr die offenkundigen Täter allein, die nationalsozialistischen Spitzen, die Ideologen und Henker des Massenmordes, sondern eher die stillen Teilhaber und Nutznießer des Verbrechens.156 Durch Waldheim wurde nun diese Situation zum ersten Mal wirklich kritisch beleuchtet. Wie es Lehman et. al. in der Einleitung ihres Werks von der Kunst zur Nestbeschmutzung beschreiben, stellte die Affäre Waldheim einen Wendepunkt für die österreichische Geschichte dar. Das Jahr 1986 wird als eine Zäsur bezeichnet und mit dieser Zäsur gehörte auch der Mythos, dass Österreich das erste Opfer des NS Regimes gewesen sei, der Vergangenheit an.157 Auch die Geschichtskultur in Österreich veränderte sich zu dieser Zeit. Botz zitiert Uhl die dazu sagt, dass sich: „die gesamte Geschichtskultur (inklusive des Großteils der Geschichtswissenschaft) in Österreich um die Opfer – Täter Dichotomie neu zu strukturieren [begann]. Das heutige offizielle Opfer – Täter Bild ist davon stark beeinflusst.158 Dieser Umstand traf viele Österreicher und Österreicherinnen und auch die Politiker und Politikerinnen im Land recht unerwartet. Wie Lehnguth festhält, beschäftigte sich österreichische Zeitgeschichte zumeist mit dem Widerstand gegen das NS Regime. Erst durch die Affäre um Kurt Waldheim wurde ein Prozess in Gang gesetzt, der Österreich in die Täterrolle drängte.159 In dieser Täterrolle sah sich Österreich aber bis zu diesem Zeitpunkt nicht. Durch die Affäre Waldheim kam es langsam zu einer Veränderung dieses nicht mehr zeitgemäßen Geschichtsbildes. Laut Tóth war die Bevölkerung in Österreich auf die Waldheim

155 Vgl. Pelinka, Anton: Trendwende und Polarisierung. In: Barbara, Tòth / Hubertus, Czernin (Hrsg.) „1986: Das Jahr das Österreich veränderte. Wien 2006, S. 157 – 159. 156 Rabinovici, Aktion und Artikulation, 2009, S. 16. 157 Vgl. Lehmann et. al., von der Kunst der Nestbeschmutzung, 2009, S. 9. 158 nach Uhl Heidemarie In: Monika, Flacke (Hrsg.) Mythen der Nationen, 2005. In: Botz, Gegenwärtigkeit und Transformation, 2006, S. 89. 159 Lehnguth, Waldheim und die Folgen, 2013, S. 13. 49

Debatte nicht vorbereitet, da man hierzulande noch immer davon ausging, zu den Opfern und nicht zu den Tätern zu gehören. Dies wurde jedoch in den USA zu diesem Zeitpunkt bereits umgekehrt beurteilt. Österreich wurde dort als eine Tätergesellschaft und nicht als eine Opfergesellschaft wahrgenommen.160 Waldheim selbst wollte sich auch immer insofern herausreden, dass ihm dieser Bewusstseinswandel nicht auffiel, da er ja in Österreich sozialisiert wurde und somit mit dem Opfermythos aufwuchs. Jedoch führt Botz dazu aus, dass gerade ihm als Diplomat von Welt der aus den USA zurück nach Österreich kam, wo diese Debatte schon früher in Gang kam, eigentlich hätte auffallen sollen, dass diese Art der Darstellung nicht mehr haltbar war.161

Laut Steinbach erschwerten sich die Österreicher eine Aufarbeitung der Ereignisse von 1938 bis 1945 zu einer Trotzreaktion. Er weist darauf hin, dass viele Österreicher Hitler damals zugejubelt haben. Jedoch sei nicht nur vieles von diesen Ereignissen auf persönlicher Ebene verdrängt worden, sondern auch das offizielle Österreich habe, sich auf die Moskauer Deklaration berufend, eine erfolgreiche Politik der Verdrängung betrieben. Durch die Ereignisse rund um den Wahlkampf von Kurt Waldheim seien die Grundpfeiler des österreichischen Selbstverständnisses ins Wanken geraten. Dass diese Aufklärung jedoch nicht schon früher stattgefunden hat, sei mehr den politischen Eliten geschuldet als allen anderen, da die Zeitgeschichte Forschung laut Steinbach, sehr wohl auf diese Verbrechen hingewiesen hat, nur die Regierung blieb bis zur Mitte der 1980er Jahre untätig auf diesem Gebiet.162 Doch durch die Debatte rund um Kurt Waldheim kam nun wie bereits mehrmals erwähnt, endlich Bewegung in diese Diskussion rund um die Rolle, die Österreich während des Krieges tatsächlich gespielt hatte. Diese allgemeine Verweigerung sich mit der NS Zeit auseinanderzusetzen, hatte laut Lederer wohl auch damit zu tun, dass Österreich auf eine lange Tradition des Nationalismus und Antisemitismus zurückblickt. Jedoch waren diese Themen lange ein Tabu. Dieselbe Strategie verfolgt auch Waldheim.163 Doch mit ihm setzte auch ein Wandel dieser Praxis ein, die nicht mehr bedingungslos von der Bevölkerung akzeptiert wurde.

Waldheim und die Debatte um seine Person hatte auch noch einen weiteren, von ihm nicht gewollten Effekt. Wie Lehnguth festhält, „avancierte [Waldheim] zum Symbol der verdrängten

160 vgl. Tòth, jetzt erst recht, 2006, S. 30. 161 Vgl. Botz, Gegenwärtigkeit und Transformation, 2006, S. 84. 162 Vgl. Steinbach, Peter. Österreichs Zeitgeschichte: Ein Blick von außen. In: Gerhard, Botz / Gerald, Sprengnagel (Hrsg.) Kontroversen um Österreichs Zeitgeschichte. 2. Aufl., Frankfurt/New York 2008, S. 122 – 123. 163 Vgl. Lederer, young Austrians, 1988, S. 646. 50

Vergangenheit.“164 Einen weiteren Effekt den die Debatte laut Tòth hatte war, dass auch das Bild der sauberen Wehrmacht aufbrach.165

Doch dies waren nur die Begleiterscheinungen welche die Affäre mit sich brachte. Waldheim selbst argumentierte völlig anders. Waldheim „vermied es, die österreichische Täterseite zu nennen; die Österreicher blieben in seinen Betrachtungen passive Opfer des nationalsozialistischen Regimes. Sich selbst und seine Familie zählte er auch dazu.“166 Mehr noch, die Opferthese wurde vehement verteidigt, anstatt kritisch beleuchtet zu werden. Sie sollte laut Lehngut „unbeschadet den Wahlkampf überstehen.“167 So zumindest schien das Konzept der beteiligten Akteure die Waldheim unterstützten auszusehen. Das Erkennen einer Mitverantwortung an den Gräuel der NS Zeit und der Übernahme von Verantwortung sowie einer kritischen Auseinandersetzung mit den Verbrechen dieser Zeit sollte erst später erfolgen. Jedoch war eine schnell voranschreitende Erosion der Opferthese auch zu diesem Zeitpunkt kaum mehr zu leugnen.

6.1 Opfermythos

Laut der Definition von Aleida Assmann ist ein Geschichtsmythos „eine Verfälschung von historischen Tatsachen, die durch die Geschichtsforschung widerlegt werden kann; Mythos ist die Manifestation einer Lüge und eines falschen Bewusstseins, die durch die Wahrheit der Historie dekonstruiert und ad acta gelegt werden.“168 Für die Zweite Republik stellte der Opfermythos einen der Eckpfeiler der Identitätsfindung in der zweiten Republik dar. Auch in der Waldheimdebatte spielte der Opfermythos eine wichtige Rolle. Wie jedoch eine große Anzahl an Geschichtswissenschaftlern konstatieren können wir durch die Affäre Waldheim eine endgültige Erosion dieses Opfermythos annehmen.169

Laut Göllner stellte den Ausgangspunkt für den Opfermythos die ambivalente Formulierung der Moskauer Deklaration dar. Österreich wurde in dieser Deklaration zum Opfer Hitler Deutschlands erklärt, gleichzeitig erklärten die Alliierten jedoch auch, dass Österreich eine Mitverantwortung am Krieg zu tragen habe. Besonders die Sowjets bestanden auf einen solchen

164 Lehnguth, Waldheim und die Folgen, 2013, S.112. 165 Vgl. Tòth, das Jahr das Österreich veränderte, 2006, S. 21. 166 Lehnguth, Waldheim und die Folgen, 2013, S. 118. 167 Ebda. S. 120. 168 Assmann, der lange Schatten, 2014, S. 40. 169 Siehe: Ziegler / Kannonier Finster, österreichisches Gedächtnis, 1993/2016, S. 31. / Knight, Waldheim revisited, 2009, S. 78. / Lehnguth, Waldheim und die Folgen, 2013, S. 461. / Kreissler, Nationswerdung und Trauerarbeit, 1987, S. 137. 51

Passus. Österreich selbst legte die Deklaration dann nach eigenen Maßstäben aus und diese „einseitige Auslegung der Moskauer Deklaration durch das offizielle Österreich, war die Geburtsstunde des Opfermythos“.170 Dieser Theorie folgend, wurde der Anschluss selbst als ein Akt dargestellt, der Österreich durch militärische Mittel aufgezwungen wurde. Somit stellte sich Österreich laut Mattl nicht nur gerne als Opfer von Hitler dar, sondern auch als ein Opfer der Großmächte, die Österreich die Unterstützung versagten und es einfach fallen ließen.171 Hierbei wird jedoch übersehen, dass Österreich auch kaum eigene Anstrengungen unternahm den Untergang des eigenen Staates zu verhindern. Im Gegenteil wurde dieser bereits aktiv von einem Teil der Bevölkerung unterstützt. Außerdem gilt es hier zu bedenken, dass Österreich zu diesem Zeitpunkt bereits ein autoritärer Staat war. Dieser nicht unbedeutende Mosaik Stein findet im Opfernarrativ und der Darstellung von Österreich als Opfer jedoch keinen Eingang. Hier gilt es zwei Aspekte zu beachten, erstens die eigenen Anschlussbemühungen an die Weimarer Republik und zweitens die widerstandlose Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich. Auch das eigene autoritäre Regime wird verdreht dargestellt. Das Narrativ nach dem Krieg stellt den Ständestaat als ein Bollwerk gegen Nationalsozialismus dar und „die Beseitigung der Demokratie erscheint in dieser Narration als unausweichlicher Kollateralschaden.“172

Die Opfertheorie musste auch juristisch abgesichert werden. Hierzu gab es grundsätzlich zwei Theorien. Eine Theorie ging vom Untergang und der Annexion Österreichs aus, die andere von der Okkupation Österreichs. Diese Okkupationstheorie geht davon aus, dass Österreich nicht aufgehört hat zu existieren, sondern nur von Deutschland besetzt worden war. Wie Göllner festhält, sollte „Mit Hilfe der Okkupationstheorie (…) die Unschuld Österreichs völkerrechtlich und formaljuridisch bewiesen werden“173 Die Bevölkerung nahm laut Rathkolb diese Bemühungen der Regierung Österreich nach dem zweiten Weltkrieg in eine Opferrolle zu bringen nur allzu bereitwillig auf.174 Die Rolle Österreichs wurde in diesem Narrativ aus der Sicht des Opfers dargestellt.175

Die ersten Jahrzehnte nach dem Krieg waren laut Göllner geprägt, eine Verfestigung der Opferthese und das Festhalten an dieser These war ein wichtiger Bestandteil der

170 Göllner, politische Diskurse, 2009, S. 22. 171 Siegfried Mattl: Nicht die Vergangenheit irrt, sondern die Gegenwart. In: In: Gerhard, Botz / Gerald, Sprengnagel (Hrsg.) Kontroversen um Österreichs Zeitgeschichte. 2. Aufl., Frankfurt/New York 2008 S. 118. 172 Göllner, politische Diskurse, 2009, S. 23. 173 Ebda. S. 23. 174 Zitiert in: Rathkolb, 1986, S. 91. In: Göllner, politische Diskurse, 2009, S. 23. 175 Vgl. Göllner, politische Diskurse, 2009, S. 21 – 23. 52

österreichischen Identität geworden. Laut Göllner hielt diese Vorgehensweise bis in die Mitte der 1980er Jahre. Erst durch die Diskussionen rund um Kurt Waldheim und seine Wahl zum Bundespräsidenten, sei es in der Öffentlichkeit zu einer breiteren Auseinandersetzung mit der Frage, welche Rolle Österreich im zweiten Weltkrieg gespielt hat, gekommen. Vor diesem Zeitpunkt war die Verantwortung Österreichs oder eine Mittäterschaft der österreichischen Bevölkerung kaum ein Thema. Der Mittelpunkt der Betrachtung, war stets der österreichische Widerstand. Die NS Ideologie galt über mehrere Jahrzehnte als etwas Externes von Deutschland an Österreich herangetragen.176

Laut Göllner wurde die Österreichische Bevölkerung nach der Opferthese gezwungen, sich am NS Staat zu beteiligen und die Soldaten dienten mit Widerwillen in der Wehrmacht. Auch in der Debatte zur Affäre rund um Kurt Waldheim änderte sich daran nichts. Die Soldaten die für Hitler Deutschland gekämpft hatten wurden so ein Teil der Opfergemeinschaft in Österreich. Waldheim mit seiner Aussage zur Pflichterfüllung gegenüber der Wehrmacht beschädigt, diese Darstellung da er zum Vorschein brachte, dass das Regime durch die Soldaten gestützt wurde. Durch diesen Widerspruch zwischen der Rolle des Opfers und der Erfüllung der Pflicht gegenüber dem Nazi Regime bekam der Opfermythos im Zuge dieser Debatte erste Risse. Die ÖVP weitete die Opferthese im Zuge des Wahlkampfs sogar noch aus und sah auch Waldheim als Opfer einer Kampagne die gegen ihn geführt wurde. Als Verantwortliche im Hintergrund vermutete die ÖVP das Ausland und die SPÖ. Auch der Umstand, dass versucht wurde die Verantwortung für die Verbrechen zu externalisieren zeigte deutlich, dass man Waldheim in die Rolle des passiven Opfers drängen wollte. Die Opferthese wurde von der ÖVP auch dazu verwendet, um den Mythos aufrecht zu erhalten, dass Österreich sich nicht aktiv an den Machenschaften des NS Regimes beteiligt habe.177

Auch Botz argumentiert in diese Richtung er schreibt, dass die offizielle Darstellung der Republik bis in die Mitte der 1980er Jahre die darauf hindeutete, dass man mit den NS Regime nichts zu tun hatte, schlicht und ergreifend falsch sind. Dies schadete laut Botz auch dem internationalen Ansehen von Österreich. Da auch im Ausland Verwunderung und Bestürzung über den nachlässigen Umgang der 2. Republik mit der eigenen Vergangenheit herrschte. Das Jahr 1986 führte zu einem Kippen des bis dahin als freundlich wahrgenommenen österreichischen Geschichtsbildes. Botz konstatiert, dass in Österreich immer noch ein latentes weiterbestehen der NS Ideologie vorzufinden ist. Dies belegen auch die zahlreichen tendenziell

176 Vgl. Göllner, politische Diskurse, 2009, S. 28 – 29. 177 Vgl. Göllner, politische Diskurse, 2009, S. 398 – 399. 53

antisemitischen Äußerungen diverser Akteure während des Wahlkampfes 1986. Durch die Waldheim Affäre sei jedenfalls laut Botz ein Imageschaden entstanden und es habe auch gezeigt, dass sich die Vergangenheit nicht auf Dauer verdrängen lässt, zumindest nicht ohne schweren politischen und wissenschaftlichen Schaden anzurichten.178

Diesen politischen Schaden will aber in der Debatte selbst noch niemand so recht in seiner vollen Tragweite erkennen. Besonders Waldheim selbst ist sich keiner Schuld bewusst. Laut Vansant weist Waldheim die Moskauer Deklaration als Ganzes zurück, dieses Dokument weist Österreich zwar als Opfer des NS Terrors aus, jedoch wird Österreich darin auch dazu aufgefordert für die Verbrechen die Verantwortung zu übernehmen. Waldheim weist dies zurück und er weist auch sämtliche Verantwortung Österreichs für diesen Krieg von sich. Durch diese Konstruktion Österreichs als Opfer und durch die Suggestion, dass der Anschluss nicht zu vermeiden war, porträtiert Waldheim sich und alle anderen Österreicher als Opfer des Anschlusses.179 Die Argumente für die Opferrolle von Kurt Waldheim sind zum einen, dass der Anschluss in seinen Augen unausweichlich war, und auf der anderen Seite die sehr absurd anmutende Annahme, dass Österreich dadurch, dass es de iure nicht existiert hat und zwischen 1938 und 1945 auch nicht für die Taten die sich in diesem Zeitraum auf österreichischem Boden ereignet haben verantwortlich gemacht werden könne.180 Wie Kreissler jedoch richtig anmerkt, laufen die von Waldheim gemachten Aussagen, nur seine Pflicht erfüllt zu haben, der Opferthese zuwider, sie lassen nämlich gleichzeitig die Opferthese erodieren. Denn diese Pflichterfüllung stellt wie er richtig festhält im Sinne der Okkupationstheorie „geradezu eine Unterminierung der Position Österreichs als unabhängiger Staat dar.“181

Die Abkehr von der Opferthese ist laut Uhl; „insofern die österreichische Variante einer Gesamteuropäischen Transformation“.182 Laut Lehnguth funktionierte die Argumentationslinie der Opferthese nicht mehr so wie sie es die letzten 40 Jahre tat. Der Plan der Regierung NS Opfer und NS Täter miteinander zu vermengen begann mit der Waldheimaffäre vermehrt zu bröckeln. Kritiker der Opferthese wurden zunächst noch damit abgetan, dass es ihnen nur an Geschichtskenntnis mangeln würde.183 Doch diese Art des Umgangs mit der Vergangenheit war in Österreich ab diesem Zeitpunkt einfach nicht mehr gesellschaftlich tragbar. Dies wurde

178 Vgl. Botz, Verdrängung und Pflichterfüllung, 2008, S. 90 – 94. 179 Vgl. Vansant, political memoirs, 2002, S. 354 – 355. 180 Vgl. Vansant, political memoirs, 2002, S. 358 – 359. 181 Kreissler, Felix: Nationswerdung und Trauerarbeit. In: Anton, Pelinka / Erika, Weinzierl (Hrsg.) „Das grosse Tabu: Österreichs Umgang mit seiner Vergangenheit. Innsbruck/ Wien 1987, S. 137. 182 Uhl, Anschluss Gedenken, 2009, S. 60. 183 Lehnguth, Waldheim und die Folgen, 2013, S. 113 – 114. 54

auch in Österreich erkannt, bevor man sich jedoch zu einer Lösung die einen Mittelweg darstellen sollte nämlich jene der Mitverantwortung durchringen konnte wurde vor allem in der Affäre rund um Waldheim vermehrt versucht die Opfer und die Täter im zweiten Weltkrieg zu vermischen.

6.2 Vermischung von Opfern und Tätern

Laut Steinbach ist klar, dass „sich viele Österreicher um eine selbstkritische Auseinandersetzung mit ihrer persönlichen und nationalgeschichtlichen Vergangenheit gedrückt haben.“184 Botz führt weiter aus, dass Österreich offiziell bis Mitte der 1980er davon ausging, im zweiten Weltkrieg von Deutschland okkupiert worden zu sein. Der ‚Anschluss‘ sei den Österreichern und Österreicherinnen somit aufgezwungen worden. In Österreich kam es in den Jahrzehnten nach dem Krieg zu einer Vermengung der Opfer und der Täter und so konnten sich am Ende alle irgendwie als Opfer fühlen. Selbst in den 1980ern gab es in noch sehr viele kritische Stimmen, wie zum Beispiel von Franz Vranitzky, die vor einem aufreißen dieser alten Wunden warnten. Das Infragestellen der Opferthese ging zuerst laut Botz nur von einem kleinen intellektuellen Zirkel aus. Vorangetrieben wurden diese Infragestellungen auch von den Medien, allen voran das Magazin Profil. Den größten Einfluss auf diese Veränderung der Erinnerungskultur zu dieser Zeit hatten jedoch laut Botz ausländische Medien allen voran die New York Times.185 Laut Heindl, macht Waldheim auch immer wieder den Versuch Täter und Opfer des NS Regimes gleichzusetzen. Es geht ihm wiederholt darum, dass auch das Leid der Österreicher anerkannt wird. Zwar ist ihm dabei durchaus bewusst, dass man den Holocaust mit nichts gleichsetzen kann und dennoch tut er es. Auf die Frage in der Volksstimme, 12.06.1986 „wer nun eigentlich seine Pflicht erfüllt hat, die Gegner des NS Regimes oder seine Gehilfen in der Wehrmacht?“186 antwortete Waldheim „Beide“.187 Wie man an dieser Aussage erkennen kann betrachtete sich Waldheim ebenfalls als Opfer des NS Regimes.

Doch dieser ambivalente Opfer - Täter Begriff trifft nicht nur auf Waldheim selbst zu. Auch die Österreicher und Österreicherinnen standen zum überwiegenden Teil hinter den Aussagen von Kurt Waldheim. Dies begründet Göllner so, dass es Waldheim vermeidet, die Österreicher und Österreicherinnen als Täter und Täterinnen während der Herrschaft der Nationalsozialisten in Österreich darzustellen. Die Verantwortung liege in seiner Argumentation einzig und allein

184 Steinbach, Peter: Österreichs Zeitgeschichte: Ein Blick von außen. In: Gerhard, Botz / Gerald, Sprengnagel, (Hrsg.) Kontroversen um Österreichs Zeitgeschichte. 2. Aufl., Frankfurt/ New York 2008, S. 128. 185 Vgl. Botz, Gegenwärtigkeit und Transformation, 2006, S. 84 – 87. 186 Zitiert nach: Volksstimme 12.06.1986 In: Heindl, wir Österreicher, 1991, S. 81 187 Zitiert nach: Volksstimme 12.06.1986 In: Heindl, wir Österreicher, 1991, S. 81. 55

beim NS – Regime. In den Ausführungen von Waldheim, seien die österreichischen StaatsbürgerInnen Opfer des Regimes gewesen. Sie nehmen eine passive Rolle ein und beteiligten sich nicht aktiv an NS Verbrechen.188

Vansant fasst die Strategie von Waldheim wie folgt zusammen:

While his discussion retains a certain internal logic, Waldheim’s use of language and imagery betrays not only the duplicity of the victim narrative, but also exposes his desire to portray himself in a positive light. His aspiration of ´victim´ refer to the state, and his replacement of truly persecuted with the general Austrian population, have already been noted. (…) Waldheim exploits the narratives of those who had been transported to concentration and death camps. His vocabulary and images make the experiences of those ´outsiders´ indistinguishable from his own, and thus he avoids any discussion of personal state or responsibility.189 Doch diese Verweigerung eines tiefer greifenden Verständnisses der eigenen Vergangenheit und das Opfer Täter Verständnis löste eine tiefer greifende Diskussion in Österreich aus, die sich über mehrere Jahrzehnte hinziehen sollte. Manoschek argumentiert hier ähnlich, laut Manoschek änderte die Wortwahl von Kurt Waldheim den Umgang Österreichs mit der eigenen Vergangenheit und es kam zu einer Sensibilisierung für die Ereignisse von damals. Durch den Fall Waldheim wurde auch die Darstellung Österreichs als ein Opfer des NS – Regimes zum ersten Mal in Frage gestellt.190

Dieses Ende der Vermengung von Opfern und Tätern ist ein Prozess, der sich in ganz Europa beobachten ließ. Laut Assmann hat sich inzwischen in Europa ein starkes Opfer Gedächtnis ausgeprägt, jedoch bleiben die Erinnerungsformen zu jenen Menschen die für dieses Leid verantwortlich sind immer noch sehr vage. Dies liegt laut Assmann auch daran, dass Täter im Gegensatz zu Opfern nicht um Anerkennung in der Öffentlichkeit bemüht sind, sondern um das genaue Gegenteil, sie wollen so unsichtbar wie möglich bleiben. In letzter Konsequenz so Assmann, flüchten sich Täter in ihr Schweigen, um nicht mit der Realität der eigenen Taten konfrontiert werden zu müssen.191 Die „Tabuisierung der Tat ist deshalb das Ziel des Täters, während aufarbeitende Erinnerung das therapeutische und moralische Ziel des Opfers ist.192

188 Vgl. Göllner, politische Diskurse, 2009, 380 – 381. 189 Vansant, political memoirs, 2002, S. 357 – 358. 190 Vgl. Manoschek, Walter: Die Generation Waldheim. In: Barbara, Tòth / Hubertus, Czernin (Hrsg.): „1986: Das Jahr das Österreich veränderte. Wien 2006, S. 126. 191 Vgl. Assmann, der lange Schatten, 2014, S. 81 -82. 192 Ebda. S. 82. 56

Außerdem hält sie fest, dass „die Unterscheidung zwischen Siegern und Besiegten einerseits und Tätern und Opfern andererseits, ist heute eine unentbehrliche Grundlage für den Vergleich von Nationen und ihren Problemen im Umgang mit ihrer Vergangenheit.“193

In Österreich hat sich in diesem Zusammenhang inzwischen sehr viel getan jedoch hält Manoschek fest:

Mit etwa 250.000 Gefallenen stehen die Wehrmachtsangehörigen an der Spitze des allumfassenden österreichischen Opferkollektivs, das sowohl jene umfasst, die im KZ oder in den Vernichtungsanlagen ermordet wurden als auch die Gefallenen in der Deutschen Wehrmacht. Nur die Wehrmachtsdeserteure und Wehrdienstverweigerer blieb bis zum Vorjahr [2005 Anm] aus diesem Opferkollektiv ausgegrenzt und wurden gesellschaftlich geächtet. Das zeigt, dass noch fast 20 Jahe nach der Waldheim – Affäre diese paradoxe Erinnerungskultur existent war.194 Waldheim selbst entkam seinen eigenen Ansichten in dieser Hinsicht auch 20 Jahrzehnte nach seiner Wahl nie vollends. Botz bemerkt, dass Waldheim im Interview mit dem Standard sich selbst ebenfalls als Opfer sah und zwar als Opfer der österreichischen Staatsdoktrin die von der Opferthese ausging und da Waldheim von dieser These geprägt war, war es für ihn sozusagen selbstverständlich davon auszugehen, dass dem auch so war. Jedoch sei ihm zu seiner Verteidigung ein gewisser selbstkritischer Umgang mit den Ereignissen aus dem Jahr 1986 durchaus als positiv anzurechnen.195 Die großen Umwälzungen die sich in der Zeit nach seiner Wahl sowohl auf einer gesellschaftlichen Ebene als auch auf der politischen Ebene mit der NS Zeit abzeichneten, konnte er jedoch auch 20 Jahre später noch immer nicht vollends fassen. Im nächsten Unterkapitel möchte ich nun genauer auf die Entwicklungen im Bereich der Erinnerungskultur und im Umgang mit NS – Vergangenheit nach der Affäre genauer eingehen.

6.3 Entwicklungen nach dem Ende des Wahlkampfes

Botz stellt einen Wandel in der Geschichtskultur Österreichs nach der Affäre rund um Kurt Waldheim fest. Der Opfermythos begann in dieser Zeit zu erodieren und durch diese Erosion wurden auch andere Themen in der Erinnerungskultur des Landes plötzlich aktuell. Zum Beispiel ging es hier, um die Frage der Restitution von jüdischen Eigentum im Zuge der Arisierungen oder auch um die Entschädigung von Zwangsarbeitern in österreichischen Konzentrationslagern. Möglich war dies nur, weil sich das kollektive Bewusstsein in Österreich in den 1980ern änderte und dies ermöglichte einen neuen kritischeren Blick auf die eigene

193 Assmann, der lange Schatten, 2014, S. 70. 194 Manoschek, Die Generation Waldheim, 2006, S. 128. 195 Vgl. Botz, Gegenwärtigkeit und Transformation, 2006, S. 80 – 82. 57

Geschichte. Vor allem setzte ein Wandel in der eigenen Perzeption als Opfer des NS – Regimes ein. Laut Botz setzte sich immer stärker die Meinung durch, dass Österreich sowohl Opfer als auch Täter war. Zum Zeitpunkt als die Affäre 1986 ins Rollen kam, sei man sich jedoch laut Botz der vollen Tragweite dieser Debatte noch nicht ganz bewusst gewesen.196 Doch nachdem die Wahl geschlagen war, wurde man sich dieser Veränderungen immer mehr bewusst beziehungsweise stellte man fest, dass ein Veränderungsprozess in der österreichischen Erinnerungskultur in Gang kam, der sich nicht mehr umkehren ließ. Jedoch ist hier festzuhalten, dass dies ein langwieriger Prozess war, denn laut Botz wurde die Opferthese auch nach den Ereignissen rund um Waldheim nicht ganz verworfen. Vielmehr transformierte man sie in eine Mitverantwortungsthese.197 Laut Markova hat die Affäre rund um Kurt Waldheim „die österreichische Erinnerungskultur nachhaltig verändert und die ZeithistorikerInnen der zweiten Republik wiederholt beschäftigt.“198 Laut Markova ist die Affäre ein:

Kulminations – und Wendepunkt von Tradierungskrisen und Bildbrüchen, die sich seit den 1960er Jahren abgezeichnet hatten. Ohne die Ausbildung kritischer Geister in Journalismus, Wissenschaft und Studierendenschaft, ohne die visuellen Zäsuren, die etwas die universalisierten Bildstrategien der US Serie ´Holocaust´ 1979 in die zweite Republik importierten (siehe Uhl 2003), hätte Waldheims Umgang mit seiner Kriegsbiografie nicht jene heftigen Reaktionen mit sich bringen können, die die hegemoniale österreichische Erinnerungskultur herausforderten.199 Die Erinnerungslandschaft befand sich also nach der Affäre rund um Kurt Waldheim im Umbruch. Laut Lehnguth entstand nachdem die Opferthese erodiert war, eine heterogene Erinnerungslandschaft in Österreich. Die Mitverantwortungsthese habe ein großes Spektrum an unterschiedlichen Erzählweisen der Ereignisse speziell jener aus der NS ermöglicht. Die Parteien haben sich sozusagen ihr eigenes Narrativ zurechtgelegt. Besonders die Großparteien blieben hierbei laut Lehnguth zögerlich. Wobei sich die ÖVP noch stärker an den Opferstatus zu klammern schien als die SPÖ. Dies ließe sich laut Lehnguth auf historische Gründe zurückführen. Die SPÖ vertritt demnach eine These der Mitverantwortung. Bei der ÖVP dominiere laut Lehnguth jedoch immer noch stark die Idee von einer Okkupation Österreichs durch deutsche Truppen.200 Auch Göllner kreidet dies der ÖVP an. Laut Göllner wurde Kritik an der Opferrolle Österreichs „als Revisionismus bezeichnet und als Negierung der österreichischen Opfer und Widerstandskämpfer diskreditiert. Trotz dieser tendenziellen

196 Vgl. Botz, Gegenwärtigkeit und Transformation, 2006, S. 74 – 79. 197 Vgl. Botz, Gegenwärtigkeit und Transformation, 2006, S. 83. 198 Markova, mediale Schlüsselbilder, 2016, S. 71. 199 Markova, mediale Schlüsseblider, 2016, S. 83. 200 Vgl. Lehnguth, Waldheim und die Folgen, 2013, S. 461 – 462. 58

Reaktivierung der Opferthese ist eine Transformation derselben nach 1986/1987 auch bei der ÖVP auszumachen.“201

Doch welche Auswirkungen hatte diese Affäre nun auf Österreich. Laut Rabinovici war die Affäre um Kurt Waldheim „das erste Anzeichen für die Globalisierung der Erinnerung.“202 Auch in den Niederlanden, Dänemark, Frankreich und der Schweiz würde eine tiefer greifende Diskussion zur Rolle der eigenen Bevölkerung während der NS Zeit in den nächsten Jahren stattfinden. In den USA hatte sich dieses Geschichtsbewusstsein zu diesem Zeitpunkt längst durchgesetzt. Österreich erreichte die Debatte jedoch erst voll durch die Affäre um Kurt Waldheim.203 Hier kann man erkennen, dass dieser Umbruch kein spezifisch Österreichisches Unikum darstellte, vielmehr dauerte es in Österreich nur länger bis diese Gesamteuropäische Entwicklung im Umgang mit der eigenen Vergangenheit auch Österreich erfasste. In Europa setzt sich laut Uhl in den 1980ern ein Trend durch, die eigene nationale Vergangenheit neu zu bewerten. Die Mythen der Nachkriegszeit zerfallen in den 80ern und anstatt wie es der Tradition entspricht den eigenen Opferstatus zu beschwören, wird wie Uhl schreibt „das neue Format des ‚negativen Gedenken‘ entwickelt, in dessen Zentrum die historische Schuld von Nationen steht.204 Die Erklärung für diese Veränderungen liefert uns Assmann die Lübbe zitiert. Diese hält fest, dass wir in einer globalisierten Welt leben, in der Medien und Vereinigungen sich weit über die Grenzen der eigenen Nation hinaus erstrecken. In einer solchen Welt können die einzelnen Staaten ihre von Mythos und Pathos geprägten Selbstbilder und ihre Erinnerungskonstruktionen nicht mehr ohne weiteres aufrecht erhalten, ohne diese Narrative kritisch zu hinterfragen. Auch das Vergessen der Opfer in dieser eigenen Geschichte wird laut Lübbe immer weniger tragbar.205

Für Österreich und dessen zukünftigen Umgang mit der eigenen Vergangenheit bedeutet dies laut Kreissler, dass Österreich seine Vergangenheit nur dann bewältigen können wird, wenn man nicht länger die persönlichen Irrtümer und Verbrechen gegeneinander aufrechnet, sondern ohne Selbstmitleid die Vergangenheit analysiert, ohne dabei Ausflüchte zu suchen, wie ‚nichts davon gewusst zu haben‘. Erst durch eine Abkehr von der in Österreich noch immer sehr stark ausgeprägten Selbstbemitleidung wird eine echte Trauerarbeit möglich sein. So kann Österreich

201 Göllner, politische Diskurse, 2009, S. 559. 202 Rabinovici, Aktion und Artikulation, 2009, S. 16. 203 Vgl. ebda. S. 16 – 17. 204 Uhl, Anschluss Gedenken, 2008, S. 61. 205 Zitiert nach: Lübbe, Ich entschuldige mich. In: Assmann, der lange Schatten, 2014, S. 116. 59

sich letzten Endes nicht nur des eigenen Schicksals bewusst zu werden, sondern auch des Schicksals derer, denen es passiv oder aktiv Leid zugefügt hat.206

Dieser Prozess des Bewusstwerdens der eigenen Geschichte, setzte in Österreich nach dem Wahlkampf von 1986 immer stärker ein. Laut Uhl ging man nach der Wahl dazu über eine These der Mitverantwortung zu vertreten. Dies wurde auch von breiten Teilen der Bevölkerung gestützt.207 Laut Uhl hat sich diese These der Mitverantwortung seit sie im Jahr 1986 durch die Waldheimdebatte in Gang gesetzt wurde größtenteils durchgesetzt, die Medien haben ihren Blickwinkel geändert und die Täter sind stärker in den Fokus gerückt.208 Laut Uhl gibt es in Europa inzwischen eine ‚Kultur des Erinnerns‘ (sic!) und Österreich positioniert sich dort „im Mainstream einer europäischen bzw. internationalen Gedächtniskultur, die durch die Ablöse von den politischen Nachkriegsmythen und die Ausrichtung auf eine globale Erinnerungskultur an den Holocaust bestimmt ist.“209 Somit hat sich die Opferthese also in den folgenden Jahrzehnten verändert und ist einem Wandel unterzogen worden. Wie Göllner festhält; „brachte die Waldheim – Debatte keine klare Revision der Opfertheorie, sondern lediglich eine Modifizierung und Entmythologisierung.210 In den 2000er Jahren setzte sich diese neue Auslegung der Ereignisse von damals dann immer stärker durch. Laut Uhl ist eine Berufung auf die Opferthese im Jahr 2008 zu einer Minderheitenmeinung geworden. Sie führt jedoch auch aus, dass die Opferthese von Österreich nicht leichten Herzens verworfen wurde. Zu sehr war das offiziöse Österreich mit ihr verstrickt und dennoch die Bilder von jubelnden Massen beim Einmarsch Hitlers geben bereits einen Hinweis darauf, dass die These nicht haltbar ist.211 Jedoch stellte sich diese Thematik während der Wahl noch als wesentlich kontroversieller dar. Im nachfolgenden praktischen Teil der Arbeit werde ich nun Anhand einer Zeitungsanalyse auf einige dieser kontroversiellen Aspekte näher eingehen.

206 Vgl. Kreissler, Nationswerdung und Trauerarbeit, 1987, S. 131 – 132. 207 Vgl. Uhl, vom Opfermythos zur Mitverantwortungsthese, 2005, S. 74. 208 Vgl. ebda. S. 77. 209 Ebda. S. 77. 210 Göllner, politische Diskurse, 2009, S. 261. 211 Vgl. Uhl, Anschluss und Gedenken, 2008, S. 59 – 60. 60

VII) Medienanalyse

Die Debatte rund um Kurt Waldheim wurde auch von den Medien mit größtem Interesse verfolgt. Es wurde von einer Kampagne gegen Kurt Waldheim gesprochen. Diese Kampagnen verfolgen laut Leggewie/Meyer „eine kommunikative Doppelstrategie. Sie wenden sich einerseits direkt an die betreffende Zielgruppe und andererseits adressieren sie die Massenmedien, um durch die erzielte Medienresonanz der jeweiligen Kampagne ein größeres Publikum zu erschließen.“212 In der Waldheim Kampagne sah man diese Art der Resonanz sehr deutlich. Laut Lehnguth, stellten sich während des Wahlkampfs viele auflagenstarke Zeitungen vorbehaltlos auf die Seite Waldheims. Unter anderem die Presse, die Salzburger Nachrichten versuchen eine neutrale Position einzunehmen. Das Wochenmagazin Profil stand Waldheim von Beginn an sehr kritisch gegenüber. Die von der ÖVP vermutete SPÖ Verleumdungskampagne wurde von dieser als „Gipfel der Unverfrorenheit“213 bezeichnet.214 Die neue Kronenzeitung und ihr Herausgeber zu dieser Zeit Hans Dichand, taten sich bei dieser leidenschaftlichen Verteidigung von Kurt Waldheim besonders hervor. Laut Manoschek der von Göllner zitiert wird, hat sich der Herausgeber der Kronenenzeitung Hans Dichand als „Verteidiger der Wehrmachtsgeneration gefühlt. (…) und sich mit seiner publizistischen Macht hinter Waldheim und die Kriegsgeneration stellte“.215 Diese medialen Inhalte hatten einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Meinungsbildung in Österreich. Wie Ziegler und Kannonier – Finster festhalten unterliegt „die Wahrnehmung von medialen Inhalten (…) wie jede Wahrnehmung bestimmten Gesichtspunkten der Auswahl, die sich im betrachteten Subjekt schon vorneweg und auf der Grundlage einer umfassenden sozialen Praxis herausgebildet haben.“216

Im Falle der Medienkampagne rund um Waldheim möchte ich nun zeigen wie sich die Wahrnehmung dieser Inhalte auf die Wahl ausgewirkt haben und außerdem möchte ich feststellen, ob die zu Beginn der Arbeit gestellte Frage der Darstellung Waldheims und der österreichischen Gesellschaft, als Opfer des NS – Regimes während des Wahlkampfes weiter in dieser Art und Weise von den beiden für die Analyse relevanten Zeitungen217 kommuniziert wird. Die Methode für diese Analyse wurde bereits in der Einleitung dieser Arbeit

212 Leggewie / Meyer, Geschichtspolitik und Medienlandschaft, 2005, S. 672. 213 Lehnguth, Waldheim und die Folgen, 2013, S. 99. 214 Vgl. ebda. S. 98 – 99. 215 Zitiert nach: Manoschek, 2006, S. 128ff. In: Göllner, politische Diskurse, 2009, S. 258. 216 Ziegler und Kannonier – Finster, Österreichisches Gedächtnis, 1993/2016, S. 58. 217 Neue Kronenzeitung und die Arbeiterzeitung (Anm.) 61

besprochen218 ebenso wie der Fragenkatalog nach welchem sich die qualitative Analyse des Quellenmaterials richten wird.219

7.1 Neue Kronenzeitung

Die Geschichte der Zeitung geht bis ins Jahr 1900 zurück, damals wurde sie von Gustav Davis aus der Taufe gehoben. Die Auflage der Zeitung erreichte bald sehr hohe Stückzahlen. Im Jahr 1938 waren diese bereits auf 260.000 verkaufte Ausgaben pro Tag angestiegen.220

Kurz vor dem Ende des Krieges wurde der Verkauf durch eine Zusammenlegung mit anderen Winter Zeitungen für 15 Jahre eingestellt. 1959 wurde die Kronenzeitung als „Neue Kronen Zeitung“221 wieder neu aufgelegt. Zuerst hieß sie Unabhängige Kronenzeitung dann ab 1971 Neue Kronen Zeitung. Bereits 1980 konnte die Kronenzeitung eine Auflagenstärke von 1 Million verkauften Exemplaren erreichen. Dieser Wert stieg bis zum Jahr 2011 auf 2.720.000 tägliche Leser.222 Dies macht sie zur auflagenstärksten Zeitung von ganz Österreich. „Die neue Kronenzeitung dominiert den österreichischen Tageszeitungsmarkt“.223 Die Neue Kronenzeitung ist ein Boulevardblatt. Was jedoch bei der Blattlinie noch speziell hervorgehoben werden sollte, ist der Umstand, dass besonders der langjährige Herausgeber der Zeitung Hans Dichand großen Einfluss auf die Blattlinie hatte. Dieses Gewicht macht er, wie bereits weiter oben erwähnt wurde, auch in der Waldheim Affäre, um sich auf dessen Seite zu schlagen.224

7.2 Arbeiterzeitung

Die Arbeiterzeitung wurde 1889 von Oscar Pollak gegründet und diente als das publizistische Sprachrohr der österreichischen Sozialdemokratie der späten Kaiserzeit und in der ersten Republik. Im Ständestaat wurde die Zeitung 1934 verboten und war bis zum Ende des Krieges 1945 nicht erhältlich. In den ersten 10 Jahren nach dem Krieg zählte sie zu einer der am häufigsten gelesenen Tageszeitungen der Republik.225 Neben der Berichterstattung im Bereich Politik tat sich die Arbeiterzeitung auch im Bereich der Kulturberichterstattung und in der

218 Siehe: Kapitel 1.4 S. 11 – 12. 219 Siehe: Kapitel 1.4. S. 12. 220 Vgl. http://www.demokratiezentrum.org/wissen/wissenslexikon/kronen-zeitung.html [abgerufen am 27.06.2018]. 221 Vgl. http://www.demokratiezentrum.org/wissen/wissenslexikon/kronen-zeitung.html [abgerufen am 27.06.2018]. 222 Ebda. [abgerufen am 28.06.2018. 223 http://archiv.bundeskanzleramt.at/DocView.axd?CobId=57669 [abgerufen am 28.06.2018]. 224 Siehe. S. 63. 225 Vgl. http://www.arbeiter-zeitung.at/geschichte/ [abgerufen am 28.06.2018]. 62

kommunalen besonders hervor. Sie stellte eine „reale politische Macht“226 dar. Die Macht der Arbeiterzeitung nahm über die Jahrzehnte immer weiter ab und sie wurde als Sprachrohr der Partei immer unwichtiger. In der Affäre rund um Kurt Waldheim kam ihr jedoch als eine Zeitung die einer seiner schärfsten Kritiker im Lande war noch einmal mehr Bedeutung zu. Während sich viele Zeitungen in Österreich eher neutral oder pro Waldheim in ihrer Berichterstattung gerierten, war die Arbeiterzeitung aufgrund ihrer Nähe zur SPÖ einer seiner schärfsten Kritiker.

7.3 Quantifizierung Waldheim Artikel

In diesem Kapitel soll kurz anhand einer Tabelle aufgeführt werden, wie viele Artikel in den beiden Zeitungen sich mit der Bundespräsidentenwahl beschäftigen und wie viele dieser Artikel sich speziell mit der Kriegsvergangenheit von Kurt Waldheim beschäftigen. Durch diese Quantifizierung möchte ich zeigen, welche zentrale Rolle dieses Thema während des gesamten Wahlkampfes auch in den Tageszeitungen eingenommen hat.

Neue Kronenzeitung Artikel zur Wahl Artikel die Waldheims NS Vergangenheit thematisieren (03.03.1986 – 08.06.1986)

Anzahl der Artikel 91 74

Insgesamt gab es im Zeitraum vom 03.03.1986 bis zum 08.06.1986 dem Tag der Wahl 91 Artikel in der neuen Kronenzeitung die sich mit der Wahl beschäftigten. Von diesen 91 Artikeln beschäftigten sich 58 Artikel parallel dazu auch mit der Kriegsvergangenheit von Kurt Waldheim. Die restlichen 33 Artikel beschäftigten sich ausschließlich mit der Wahl und ließen das Thema Kurt Waldheim und seine NS Vergangenheit dabei unbeachtet. In demselben Zeitraum wurden insgesamt 74 Artikel veröffentlicht die sich mit der Kriegsvergangenheit von Kurt Waldheim auseinandergesetzt haben. 58 dieser Artikel thematisierten sowohl den Wahlkampf als auch die Rolle von Waldheim während des Krieges. Die restlichen 16 Artikel beschäftigten sich ausschließlich mit der Kriegsvergangenheit von Kurt Waldheim ohne diese mit der Wahl in Verbindung zu bringen.

226 http://www.arbeiter-zeitung.at/geschichte/ [abgerufen am 28.06.2018]. 63

Somit haben sich rund 64 Prozent der Artikel, die zu dieser Wahl im Zeitraum vom 03.03.1986 – 08.06.1986 in der Neuen Kronenzeitung zu diesem Wahlkampf veröffentlicht wurden, gleichzeitig auch mit der Kriegsvergangenheit von Kurt Waldheim befasst. Nur rund 36 Prozent der Artikel beschäftigten sich mit anderen Themen die für die Wahl von Relevanz waren.

Seine Kriegsvergangenheit wurde insgesamt 74 Mal thematisiert rund 79 Prozent dieser Artikel beschäftigten sich sowohl mit der Kriegsvergangenheit von Waldheim als auch mit der Bundespräsidentenwahl. Die restlichen rund 21 Prozent der Beiträge beschäftigten sich nur mit der NS Vergangenheit von Waldheim ohne dabei näher auf den Wahlkampf einzugehen.

Wie man diesen Statistiken entnehmen kann, waren für die Berichterstatter in der Kronenzeitung die Themen rund um Waldheims NS Vergangenheit von Waldheim und die Berichterstattung zur Wahl, eng miteinander verknüpft. Fast zwei Drittel aller Berichte zu dieser Wahl hatten auch die Vergangenheit von Waldheim zum Thema. Bei den Artikeln die Waldheim und seine NS Vergangenheit erwähnten, hatten sogar 79 Prozent der Artikel einen Bezug zur Wahl. 21 Prozent beschäftigten sich ausschließlich mit der Rolle Waldheims während der NS Zeit. Somit kann hier festgehalten werden, dass die Vergangenheit von Kurt Waldheim das zentralste Thema während dieses Wahlkampfes in der Neuen Kronenzeitung darstellte. In der Arbeiterzeitung sieht die Verteilung der Beiträge wie folgt aus:

Arbeiterzeitung Artikel zur Wahl Artikel die Waldheims NS Vergangenheit thematisieren (03.03.1986 – 08.06.1986)

Anzahl der Artikel 212 163

Insgesamt haben sich im Zeitraum zwischen 03.03.1986 und 08.06.1986 212 Artikel in der Arbeiterzeitung mit der Wahl beschäftigt parallel dazu haben sich 88 Artikel auch mit der Vergangenheit von Kurt Waldheim beschäftigt. Die restlichen 124 Artikel beschäftigten sich nur mit dem Wahlkampf und mit anderen Themen die für die Wahl relevant waren. In demselben Zeitraum wurden 163 Artikel veröffentlicht, welche die Vergangenheit von Waldheim thematisierten. 88 Artikel beschäftigten sich parallel dazu auch mit dem Wahlkampf. Die restlichen 75 Artikel thematisierten ausschließlich die NS Vergangenheit von Kurt Waldheim beziehungsweise wie Waldheim mit den Anschuldigen gegen seine Person umging. Diese Artikel wurden jedoch nicht mit der Wahl in Verbindung gebracht. 64

Somit beschäftigten sich 58 Prozent der Artikel in der Arbeiterzeitung für den Zeitraum zwischen dem 03.03.1986 und dem 08.06.1986 ausschließlich mit der Wahl, die restlichen 42 Prozent der Artikel beschäftigten sich parallel dazu auch mit der Vergangenheit von Kurt Waldheim. Man kann hier erkennen, dass die Zahlen hier eine andere Sprache sprechen als in der NKZ, die Verteilung ist wesentlich knapper beisammen. Dies liegt aber vor allem auch daran, dass Kurt Steyrer in der Arbeiterzeitung wesentlich mehr ins Rampenlicht gerückt wird als dies in der NKZ der Fall ist. Ausschließlich mit seiner Kriegsvergangenheit beschäftigten sich 46 Prozent der Artikel für diesen Zeitraum, diese Artikel gingen dabei nicht näher auf den Wahlkampf ein. 54 Prozent der Artikel beschäftigten sich parallel dazu auch mit dem Wahlkampf.

Auch wenn die Verteilung in der Arbeiterzeitung etwas weniger eindeutig ausfällt als dies in der NKZ der Fall ist, kann man trotzdem festhalten, dass Waldheim und seine NS – Vergangenheit auch in der AZ eine wichtige Rolle spielten. Die Statistik sieht auch hauptsächlich deswegen etwas weniger eindeutig aus, da die Arbeiterzeitung sehr viel Werbung für Kurt Steyrer den Kandidaten der SPÖ gemacht hatte. In diesen Beiträgen wurde Waldheim und seine Vergangenheit nicht thematisiert. Somit kann abschließend festgehalten werden, dass es in der Arbeiterzeitung zwei führende Themen während der Wahl gegeben hat. Diese Themen waren zum einen Kurt Steyrer und seine Kandidatur, zum anderen die Debatte rund um Kurt Waldheim und seine Rolle während des Krieges. Zum Abschluss möchte ich nun auf einige inhaltliche Aspekte in den Zeitungen näher eingehen.

7.4 Qualitative Analyse

Für die inhaltliche Analyse wird mir der bereits zuvor in dieser Arbeit besprochene Fragenkatalog dienen. Zur besseren Übersichtlichkeit wird dieser Katalog hier noch ein weiteres Mal eingefügt. Im Zuge der qualitativen Analyse werden die einzelnen Punkte dieses Fragenkatalogs nacheinander von Frage 1 bis 6 Frage abgearbeitet werden und im Anschluss daran wird noch eine Zusammenfassung und eine Auswertung der Ergebnisse erfolgen.

65

1) Wie wird Waldheims Rolle im Krieg in den beiden Zeitungen gesehen?

2) Wer wird als Drahtzieher der Affäre bezeichnet?

3) Wie verhalten sich die beiden großen politischen Lager (Sozialdemokraten, Konservative Anm.) bezüglich der Anschuldigungen die gegen Waldheim vorgebracht werden? Wird er in Schutz genommen oder an den Pranger gestellt?

4) Finden die Themen Vergangenheitsbewältigung und Erinnerungskultur ihren Niederschlag in der Berichterstattung. Falls ja, gibt es bezüglich dieser Berichterstattung nennenswerte Unterschiede zwischen den beiden Zeitungen?

5) Ist eine Änderung des Meinungsverlaufs während des Wahlkampfs erkennbar, oder bleiben die beiden Zeitungen ihrer zu Beginn gewählten Linie treu?

6) Lassen sich Anzeichen in den Zeitungsartikeln finden, die auf eine beginnende Erosion der Opferthese hindeuten?

227

Die hier gestellten Fragen sollen nacheinander abgearbeitet werden und hierbei werde ich auch immer wieder aus den beiden Zeitungen zitieren, um meine Ergebnisse zu verifizieren.

Die erste Frage die ich bezüglich der Affäre gestellt habe, ist die Frage nach der Rolle von Kurt Waldheim während dem Krieg und wie diese Rolle in den beiden Zeitungen gesehen wird. Damit ist gemeint wie man in den Zeitungen darüber berichtet, welche Aufgaben Waldheim während des Krieges hatte und ob die Zeitungen ihm während des Krieges eher wie er es selbst darstellte eine Nebenrolle zugedacht haben oder eben nicht.

Die Ausgabe der NKZ vom 21. März 1986 thematisiert die Mitgliedschaft von Kurt Waldheim bei der SA, jedoch wird darauf hingewiesen, dass Waldheim sich laut seiner Wehrstammakte bewusst nicht als Mitglied einer der Wehrverbände des 3. Reiches ausweisen lassen wollte. Diese Spalte blieb nämlich nach dem Krieg im Personalstandesdatenblatt frei als sich Waldheim bei Gericht bewarb.228 Zu seiner Rolle bei der Wehrmacht während des Krieges findet sich in der NKZ am 28. März 1986 ein interessanter Beitrag, da die Zeitung hier fast schon triumphal erklärt sie habe den direkten Vorgesetzten von Kurt Waldheim Herbert Warnstoff in

227 Anm. Siehe S. 11. 228 Vgl. Kindermann, Dieter: Politik inoffiziell. In: Neue Kronenzeitung vom 21.03.1986, S. 2. 66

Mönchengladbach ausfindig gemacht. Dieser äußerte sich zur Rolle die Waldheim zugeteilt wurde wie folgt:

Wir haben laufend über Telefon, Funk und Fernschreiber Meldungen von der Front hereinbekommen. Das waren Informationen von der Truppe, der Luftaufklärung, über abgefangene Funkgespräche des Feindes oder über Ergebnisse von Gefangenenverhören. (…) Er musste alle diese Informationen sammeln, sichten und aus diesen Mosaiksteinchen einen Lagebericht zusammenstoppeln. Waldheim hat diesen Lagebericht erst mir und dann, wenn ich grünes Licht dafür gab, dem Oberbefehlshaber der Heeresgruppe E, Generaloberst Löhr, vorgetragen.229 In dem Artikel wird dann auch noch festgestellt, dass Waldheim nie persönlich an den „Säuberungsaktionen“ beteiligt war. Auch bei Verhören hatte er laut Warnstoff nur eine Meldetätigkeit, war jedoch nie bei den Verhören anwesend. Auch mit den Deportationen der Juden aus Saloniki hatte Waldheim laut Warnstoff nichts zu tun, da dies außerhalb des Tätigkeitsbereiches eines Ordonanzoffiziers gelegen sei.230 Am 29. März wird ein weiterer Artikel in der NKZ veröffentlicht, hier wird erneut bekräftigt, dass Waldheim als Ordonanzoffizier nichts mit den Judendeportationen zu tun gehabt habe.231

In der Arbeiterzeitung wird am 04.03.1986 zum ersten Mal darauf verwiesen, dass Waldheim als Adjutant für Generaloberst Löhr während dem Krieg gedient haben soll. Sollte dies tatsächlich der Fall der gewesen sein, fordert die AZ das Waldheim dies eingestehen soll.232 Am 5. März wird anhand von Archivmaterial zu seiner Wehrstammakte vermerkt, dass die dortigen Einträge bestimmt nicht durch Willkür vermerkt worden sind, die Einträge würden laut Archivar also jedenfalls ihre Richtigkeit haben.233 Seine Mitgliedschaft bei der SA spielt Waldheim gezielt herunter und spricht davon, dass dort nur Kaffee getrunken worden sei. Es habe sich eben um eine Formalität gehandelt, ein Vollwertiges Mitglied der SA will Waldheim jedoch jedenfalls nicht gewesen sein.234 Dass dies wohl doch der Fall war und zwar mit seiner eigenhändigen Unterschrift wurde dann acht Tage später von der Arbeiterzeitung aufgedeckt. Denn Waldheim hat wie die Zeitung schreibt „ im November 1945 einen Personalfragebogen ausgefüllt und unterschrieben (…) indem er eine Mitgliedschaft beim ‚NS – Reiterkorps‘

229 Kindermann, Dieter / Niederl, Manfred: Waldheims Vorgesetzter im Krieg packt jetzt aus! In: Neue Kronenzeitung vom 28.03.1986, S. 2. 230 Vgl. Kindermann, Dieter, Niederl, Manfred: Waldheims Vorgesetzter im Krieg packt jetzt aus! In: Neue Kronenzeitung vom 28.03.1986, S. 2 – 3. 231 Vgl. Kindermann, Dieter: Waldheims Name steht nicht in den Akten. In: Neue Kronenzeitung vom 29.03.1986, S. 2 – 3. 232 Vgl. Wenn Waldheim bei der SA war soll er dies offen eingestehen. In: Arbeiterzeitung vom 04.03.1986, S. 2 – 3. 233 Vgl. Presse Agentur: Wehrstammakte „An sich schon richtig“. In: Arbeiterzeitung vom 05.03.1986, S. 3. 234 Vgl. Den Stolperstein legte Kurt Waldheim selbst. In: Arbeiterzeitung vom 13.03.1986, S. 5. 67

angibt.“235 Bei seiner Rolle im Krieg selbst geht auch die Arbeiterzeitung davon aus, dass Waldheim zumindest gewusst haben musste was vorging, auch wenn er nicht aktiv an den Deportationen beteiligt war so wird ihm dennoch vorgeworfen, zumindest davon Kenntnis gehabt zu haben und dies verschwiegen zu haben.236 Auch seine anderen Kriegsaktivitäten werden in ein wesentlich schlechteres Licht gerückt, als dies in der NKZ der Fall ist. Auch die Entlastung von Waldheim durch Warnstoff findet in der Berichterstattung der Arbeiterzeitung so nicht statt. Es wird zwar auch hier am 04.04.1986 ein Bericht veröffentlicht in dem von Zeitzeugen die Rede ist. Jedoch wird es im Artikel so dargestellt, dass diese Augenzeugen die Lage nicht aufklärten, sondern noch diffuser machten.237 Jedoch geht die Zeitung am darauffolgenden Montag noch einmal in einer großen zwei Seitigen Reportage auf die Vorgänge speziell in Saloniki ein. Für Georg Hoffmann Ostenhof den Verfasser des Artikels ist es geradezu „absolut unmöglich, dass der junge Oberleutnant nichts von Ghettos und Transporten wusste, wie er jetzt beschwört.“238

Wie man also erkennen kann, stellen die beiden Zeitungen die Rolle von Kurt Waldheim im Krieg sehr unterschiedlich dar. Während die Neue Kronenzeitung stets darum bemüht schien zu beschwichtigen und Waldheim in Schutz nahm, agierte die Arbeiterzeitung wesentlich kritischer und der Grundtenor war klar darauf ausgelegt, Waldheim zumindest als verdächtig erscheinen zu lassen. Dies wird zum Beispiel dadurch erreicht, indem Hoffmann – Ostenhof davon spricht, dass „Waldheims Abteilung 1944 in der ‚Lösung‘ der Judenfrage auf den griechischen Inseln“239 involviert gewesen sei. Zwar geht die Zeitung nicht so weit Waldheim diese Dinge direkt vorzuwerfen, aber dennoch beleuchtet man den Fall um einiges kritischer als dies die NKZ, das Ziel scheint es eher zu sein die Integrität Waldheims durch eine Auflistung solcher Indizien in Frage zu stellen. Es wird nämlich im selben Artikel noch festgehalten, dass diese Indizien Waldheim keineswegs vorverurteilen sollen, jedoch hält der Autor trotzdem fest, dass diese Indizien darauf hindeuten würden, dass Waldheims Tätigkeiten bei der Heeresgruppe E wohl doch nicht von ganz harmloser Natur gewesen sein können ob der Indizien Kette gegen ihn.240 Somit kann hier abschließend festgehalten werden, dass die Rolle Waldheims im Krieg in der Arbeiterzeitung wesentlich kritischer gesehen wurde und sich Waldheim hier wesentlich

235 Waldheim Akt: Er war beim NS Reiterkorps. In: Arbeiterzeitung vom 21.03.1986, S. 2. 236 Vgl. Griechenland: Wussten was da vorging. In: Arbeiterzeitung vom 25.03.1986, S. 3. 237 Vgl. Lackner, Herbert: Zeugen für Kurt Waldheim ließen viele Fragen offen. In: Arbeiterzeitung vom 04.04.1986, S. 2 -3. 238 Hoffmann – Ostenhof, Georg: Saloniki ein Lokalaugenschein. In: Arbeiterzeitung vom 07.04.1986, S. 4. 239 Hoffmann – Ostenhof, Georg: Saloniki ein Lokalaugenschein. In: Arbeiterzeitung vom 07.04.1986, S. 4. 240 Vgl. Hoffmann – Ostenhof, Georg: Saloniki ein Lokalaugenschein. In: Arbeiterzeitung vom 07.04.1986, S. 5. 68

mehr Kritik ausgesetzt sah. Die NKZ war hingegen darum bemüht zu beschwichtigen und Waldheim in Schutz zu nehmen.

Die Zweite Frage dieser Zeitungsquellenanalyse beschäftigt sich damit wer nun in den Zeitungen als Drahtzieher hinter den Anschuldigungen ausgemacht wurde, beziehungsweise die NKZ oder die Arbeiterzeitung einen solchen vermeintlichen Drahtzieher überhaupt ausfindig gemacht haben.

Die NKZ spricht hier bereits sehr früh von einer gezielten Kampagne gegen Waldheim241 Am 7.03.1986 berichtet die NKZ von einer Spurensuche der ÖVP um die Drahtzieher, die hinter der Kampagne stehen, ausfindig zu machen. Laut NKZ führen diese Spuren nach New York und nach Athen.242 Am 08.03.1986 veröffentlicht die NKZ einen weiteren Artikel in dem davon die Rede ist, dass „sich die Drahtzieher der Waldheim Kampagne bei gewissen Medien die richtigen Leute ausgesucht haben und die Veröffentlichung termingerecht zwischen den TV Pressestunden von Waldheim und Steyrer stattgefunden hat.“243 Auch die SPÖ wird hier immer wieder als mögliche Drahtzieherin hinter der Kampagne genannt.244 Als Hauptverdächtigen hat die NKZ jedoch den Jüdischen Weltkongress ausgemacht. So wird am 24. März davon berichtet, dass der Jüdische Weltkongress „seine Anti Waldheim Kampagne mit der Behauptung verschärfte, dass er nach dem Krieg von Jugoslawien wegen des Verdachts der Mordbeihilfe gesucht worden sei.“245 Sehr deutlich wird dies durch den Artikel von Peter Gnam am 28. März in einem Kommentar veröffentlicht, ich zitiere wörtlich:

Langsam aber sicher erweisen sich die ungeheuren Vorwürfe gegen Kurt Waldheim als das was sie sind: Als eine vom jüdischen Weltkongress minutiös geplante Kampagne bei der mittels bisher geheim oder zurückgehaltener Dokumente Gerüchte in die Welt gesetzt werden, die den Tatsachen nicht entsprechen. Kronzeugen dafür sind nicht nur der unmittelbare Vorgesetzte im Krieg den die ‚Krone‘ aufstöberte, sondern auch der Leiter des jüdischen Dokumentationszentrums in Wien. Simon Wiesenthal der schon vor Tagen sinngemäß erklärte, dass man die Dokumente aus dem Krieg auch lesen können müsse und dass das bei gewissen Leuten aus den USA nicht der Fall sei.246

241 Vgl. Gnam, Peter: Wilde Empörung und Wut in der ÖVP über „Kampagne gegen Waldheim. In: Neue Kronenzeitung vom 06.03.1986, S. 3. 242 Vgl. Gnam, Peter: ÖVP verfolgt Spuren: Wer hat die Waldheim Kampagne angezettelt? In: Neue Kronenzeitung vom 07.03.1986, S. 3. 243 Gnam Peter: Kampagne gegen Waldheim war seit Monaten sorgfältigst geplant. In: Neue Kronenzeitung vom 08.03.1986, S. 5. 244 Vgl. SPÖ zieht über Waldheim her. In: Neue Kronenzeitung vom 23.03.1986, S. 3. 245 Kindermann, Dieter: Zeitbombe tickt: 100.000 Gauakte im Keller. In: Neue Kronenzeitung vom 24.03.1986, S. 2. 246 Gnam, Peter: Waldheims Fehler. In: Neue Kronenzeitung vom 28.03.1986, S. 3. 69

Auch im Artikel vom 1. April ist von einer „internationalen Kampagne gegen Kurt Waldheim wegen dessen angeblicher Nazi Vergangenheit“247 die Rede. Auch vom Jüdischen Weltkongress ist in der Kronenzeitung immer wieder die Rede.248 Für die NKZ scheint die Sachlage also eindeutig. Hinter der Kampagne steckt das Ausland und der Jüdische Weltkongress spielt für das Boulevard Blatt hier als Hauptakteur eine zentrale Rolle. Doch auch die SPÖ wird zumindest am Rande immer wieder als möglicher Komplize ins Spiel gebracht. Kurt Steyrer selbst möchte dieses Thema jedoch nicht zum Inhalt des Wahlkampfs machen.249 Auch die SPÖ beteuert bereits zu Beginn der Affäre, dass man mit den Enthüllungen nichts zu tun habe und man „bestreitet jegliches Interesse an einer Diffamierungskampagne gegen den ÖVP Präsidentschaftskandidaten.“250

Doch genau gegen diesen Vorwurf, nämlich dass die SPÖ doch stärker in diese Sache verwickelt war, versucht die Arbeiterzeitung anzuschreiben. Hier ist zu lesen, dass SPÖ Generalsekretär Schieder eine Verleumdungsklage gegen die Generalsekretäre der ÖVP erwägt, da wie in dem Artikel zu lesen ist, dass Schieder und sein näheres Umfeld als Hauptdrahtzieher hinter der Waldheim Kampagne stünden.251 Am nächsten Tag geht es in ähnlicher Tonart weiter, die SPÖ weist weiter jegliche Anschuldigungen zurück und man verwehrt sich dagegen, etwas mit der Affäre Waldheim zu tun zu haben.252 Die Arbeiterzeitung ist somit nicht wie NKZ auf der Suche nach einem Sündenbock, sondern sie beschränkt sich darauf es glaubhaft erscheinen zu lassen, dass die SPÖ nicht in diese Angelegenheit verstrickt ist. Denn die SPÖ führt laut AZ eine „pro Steyrer Wahlwerbung und keinen Anti Waldheim Wahlkampf.“253 Die AZ weist auch darauf hin, dass man bei der ÖVP durchaus vermutet, dass die SPÖ hinter der Kampagne gegen Kurt Waldheim steht.254 Auf einen bestimmten Drahtzieher legt sich die AZ nicht fest, auch der Jüdische Weltkongress kommt in der Berichterstattung nur am Rande vor. Zentral bleibt jedoch der Versuch der AZ die SPÖ aus der

247 Gnam, Peter: Die Internationale Kampagne gegen Dr. Kurt Waldheim nimmt kein Ende. In: Neue Kronenzeitung vom 01.04.1986, S. 3. 248 Vgl. Gnam, Peter: Kampagne gegen Waldheim wie Seifenblase geplatzt. In: Neue Kronenzeitung vom 02.04.1986, S. 2 – 3. 249 Vgl. Gnam, Peter: ÖVP verfolgt Spuren: Wer hat die Waldheim Kampagne angezettelt? In: Neue Kronenzeitung vom 07.03.1986, S. 3. 250 Gnam, Peter: Wilde Empörung und Wut in der ÖVP über die Kampagne gegen Waldheim. In: Neue Kronenzeitung vom 06.03.1986, S. 3. 251 Vgl. Schieder klagt ÖVP Landessekretäre: Lasse mir Verleumdung nicht gefallen. In: Arbeiterzeitung vom 11.03.1986, S. 3. 252 Vgl. Affäre Waldheim: SPÖ „zerlegt“ Verleumdungskampagne der ÖVP. In: Arbeiterzeitung vom 12.03.1986, S 2. 253 SPÖ führt pro Steyrer Wahlkampf und keine Anti Waldheim Kampagne. In: Arbeiterzeitung vom 14.03.1986, S. 4. 254 Graff Austritt gegen SPÖ wegen Gauakten. In: Arbeiterzeitung vom 26.03.1986, S. 2. 70

Affäre herauszuhalten, in dem man jegliche Anmerkung etwas mit der Affäre zu tun zu haben als Diffamierung zurückweist.255 Die Berichterstattung bleibt meist sachlich und kühl. Jedoch ist eine klare „Anti Waldheim Tendenz“ zu erkennen. Dass die Drahtzieher sich im Ausland befinden glaubt die AZ jedoch nicht, viel mehr geht es der AZ darum keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass die SPÖ jedenfalls nicht hinter der Kampagne steht. Der größte Unterschied den man feststellen kann ist, dass die AZ im Gegensatz zur NKZ den Jüdischen Weltkongress nicht in den Fokus rückt. Überhaupt finden sich keine Artikel für den gesamten betrachteten Zeitraum wo von einer gezielten aus dem Ausland lancierten Kampagne die Rede wäre. Vielmehr wird die Glaubwürdigkeit von Waldheim in der Berichterstattung der AZ in Zweifel gezogen.256 Obwohl im allgemeinen die Berichterstattung wesentlich zurückhaltender ist, als dies in der NKZ der Fall ist. Die Arbeiterzeitung geht nämlich wie aus meiner Recherchetätigkeit hervorgeht im Gegensatz zur NKZ nicht davon aus, dass die Kampagne gegen Waldheim gezielt aus den USA gesteuert wird. Viel mehr geht die Argumentation des Blattes eher in die Richtung, dass Waldheim sich die jetzigen Probleme selbst zuzuschreiben habe da er nicht früher mit seiner Vergangenheit aufgeräumt hat.257

Die dritte Fragestellung beschäftigt sich mit der Haltung der beiden großen politischen Lager im Zuge der Affäre gegenüber, beziehungsweise wie diese Haltung in den beiden Tageszeitungen die hier näher unter die Lupe genommen wurden, dargestellt wird. Der erste Artikel bezüglich der Positionen der beiden Großparteien findet sich bereits am 04.03.1986 hier schreibt die NKZ:

Die besten Geheimdienste der Welt hätten Waldheim durchleuchtet und nichts gefunden. SPÖ Generalsekretär Schieder forderte dagegen Waldheim auf alles offen einzugestehen falls er tatsächlich bei den SA Reitern oder beim NS – Studentenbund gewesen sei. Die SPÖ beabsichtige nicht, Waldheims tatsächliche oder vermeintliche Mitgliedschaft bei NS – Organisationen zum Wahlkampfthema zu machen.258 In einem weiteren Artikel spricht die ÖVP von Wut und wilder Empörung bezüglich der Vorwürfe gegen ihren Präsidentschaftskandidaten. Die SPÖ bestreitet weiterhin etwas mit den Anschuldigungen zu tun zu haben.259 Jedoch finden sich auch durchaus kritische Äußerungen zur Waldheim Affäre von Seiten der SPÖ. So wird Waldheim von einem Funktionär der

255 Vgl. SP Reaktionen auf neue VP Panik: Waldheim widerlegt sich selbst. In: Arbeiterzeitung vom 22.03.1986, S. 2. 256 Vgl. Hoffmann – Ostenhof, Georg: Welt in Bewegung: Poor Standard. In: Arbeiterzeitung vom 17.05.1986, S. 4. 257 Vgl. Den Stolperstein legte Kurt Waldheim selbst. In: Arbeiterzeitung vom 13.03.1986, S. 5. 258 ÖVP stellt sich vor Waldheim, SPÖ fordert volle Aufklärung. In: Neue Kronenzeitung vom 04.03.1986, S. 2. 259 Vgl. Gnam, Peter: Wilde Empörung und Wut in der ÖVP über ‚Kampagne gegen Waldheim‘. In: Neue Kronenzeitung vom 06.03.1986, S. 2 – 3. 71

Waldheim darauf hinwies, dass Friedrich Peter ob seiner NS – Vergangenheit auf eine Kandidatur als 3. Nationalratspräsident verzichtet hatte und dies sollte Waldheim als Beispiel dienen.260 Es lässt sich eine Verhärtung der Fronten mit dem Voranschreiten des Wahlkampfes feststellen. Die ÖVP versucht immer wieder die SPÖ mit der Affäre in Verbindung zu bringen, dies wird jedoch von der SPÖ auch wiederholt auf das schärfste zurückgewiesen.261 Ein weiteres Indiz die auf negative Einstellung gegenüber Waldheim von Seiten der SPÖ festzustellen ist, ist die Wortspende von Kanzler Sinowatz in der Ausgabe der NKZ vom 12.03.1986 dort sprich Sinowatz, dass „Waldheim nicht bei der SA war, sondern nur sein Pferd bei der SA gewesen ist“.262 Im selben Artikel wird Waldheim von der ÖVP, genauer gesagt von Graff, jedoch wieder in Schutz genommen gegen die angebliche schmutzige Kampagne, welche die SPÖ gegen Waldheim führt. Aus dem Lager der Sozialdemokraten kommen immer wieder kritische Stimmen zu Waldheim, so zum Beispiel Altkanzler der in der Ausgabe der NKZ vom 01.05.1986 Waldheim direkt angreift und davor warnt, „dass die Kampagne nicht aufhören würde, wenn Waldheim tatsächlich gewählt werden sollte“263 . Die NKZ schreibt auch davon, dass die Kampagne von der SPÖ zumindest „geduldet worden ist“264

In der Arbeiterzeitung finden wir gleich zu Beginn der Kampagne einen Hinweis darauf wie die SPÖ zu dem Thema steht. Hier wird SPÖ Generalsekretär Schieder zitiert. Dieser sagte, dass Waldheim seine Mitgliedschaft bei der SA eingestehen soll, falls es eine solche Mitgliedschaft gegeben hat.265 Alois Mock sagt am 06.03.1986 dass die Anschuldigungen für ihn „eine gelenkte abenteuerliche Verleumdungskampagne sind“266 In demselben Artikel bekräftigt die SPÖ, dass sie kein Interesse daran hat Waldheim in irgendeiner Form zu diffamieren.267 Kurt Steyrer will sich wie in einem weiteren Artikel dargelegt wird, um eine Verbesserung des Klimas sowohl zu Waldheim als auch unter den Parlamentsparteien bemühen. Für den restlichen Wahlkampf sollten laut dem Wunsch Steyrers wieder die Kandidaten und nicht die Parteien im Vordergrund stehen.268 ÖVP Generalsekretär Graff äußerst sich ebenfalls am 26.03.1986 zur Affäre, hierbei geht es um die Gauakten die noch in

260 Vgl. Gnam, Peter: Die Nazifratze. In: Neue Kronenzeitung vom 08.03.1986, S. 3. 261 Vgl. Waldheim gegen Steyrer wird zur Schlammlacht. In: Neue Kronenzeitung vom 11.03.1986, S. 3. 262 Kindermann, Dieter: Nur sein Pferd war bei der SA! In: Neue Kronenzeitung vom 12.03.1986, S. 3. 263 Kindermann, Dieter: Kreisky attackiert Waldheim. In: Neue Kronenzeitung vom 01.05.1986, S. 3. 264 Gnam, Peter: Wilde Kampagne gegen Waldheim hat SPÖ Kandidat Kurt Steyrer nur geschadet. In: Neue Kronenzeitung vom 06.05.1986, S. 3. 265 Vgl. Wenn Waldheim bei der SA war sollte er dies offen eingestehen. In: Arbeiterzeitung vom 04.03.1986, S. 3. 266 Waldheims Vergangenheit nun Schlagzeile in allen US – Medien. In: Arbeiterzeitung vom 06.03.1986, S. 2. 267 Vgl. Waldheims Vergangenheit nun Schlagzeile in allen US – Medien. In: Arbeiterzeitung vom 06.03.1986, S. 2. 268 Vgl. Steyrer will in Brief an Parteichefs Mäßigung erzielen. In: Arbeiterzeitung vom 18.03.1986. S. 3. 72

den Archiven liegen. Er wirft der SPÖ vor diese Akten nun gegen jeden politischen Gegner einzusetzen der ihnen nicht passt. Die SPÖ spricht hierbei wieder von einer glatten Lüge da man diese Akten niemals veröffentlicht habe und das auch nicht vorhabe.269 Auch äußert sich gegenüber Waldheim kritisch beziehungsweise gegenüber dem Stil seiner Partei. Er wird hier auch sehr direkt, wenn er davon spricht, dass die Kampagne gegen die SPÖ ganz bewusst von der ÖVP initiiert wurde.270

Die Rückschlüsse die man hieraus ziehen kann zeigen auf, dass die Neue Kronenzeitung ein stärkeres schwarz-weißes Bild von der Affäre zeichnet und Kurt Waldheim dort oftmals direkt von der Partei in Schutz genommen wird. Die SPÖ wird als daran interessiert dargestellt, den Kandidaten anzupatzen, um dadurch in einem besseren Licht dazustehen. In der Arbeiterzeitung bleibt die Berichterstattung allgemeiner. Die AZ belässt die Affäre auf einer Ebene der Parteien. Auf dieser Ebene wird von einer Verleumdungskampagne gesprochen. Jedoch nicht von einer Kampagne gegen Waldheim, sondern gegen die SPÖ. Waldheim selbst wird zumindest indirekt mehrmals im Verlauf des Wahlkampfs kritisiert und einige Male auch findet sich auch eine direktere Kritik am Umgang Waldheims mit der eigenen Vergangenheit.

Zusammenfassend kann man sagen, dass es in der Neuen Kronenzeitung überhaupt keine kritischen Stimmen aus den politischen Lagern gibt, beziehungsweise davon nicht berichtet wird. Und falls es doch Kritik an Waldheim gibt, dann wird diese als Lügenkampagne und Diffamierung bezeichnet. Die Arbeiterzeitung bildet hier ein Gegengewicht, da sich in der Berichterstattung der AZ durchaus kritische Stimmen von Seiten der SPÖ finden lassen die offen gegen Waldheim auftreten und ihn für seinen Wahlkampf und seine Verschlossenheit bezüglich seiner Biographie kritisieren. Die Meinung der ÖVP wird in der AZ durchwegs als Kontrast dargestellt, jedoch wird die SPÖ direkt kritisiert und gar nicht so sehr die Aussagen zur Person Waldheim selbst. Die AZ hebt die Affäre Waldheim somit um eine Stufe höher und stellt sie mehr als einen Streit zwischen den Parteien dar. Die SPÖ vertritt in der Schreibweise der AZ den integren Kandidaten Steyrer und die andere Partei vertritt Waldheim, der in der Sichtweise der AZ, ob des Skandals rund um seine Person, als nicht wählbar dargestellt werden soll, um die Frage zu beantworten ob Waldheim in Schutz genommen oder an den Pranger gestellt wird. Es scheint sich so darzustellen, dass er von seiner Partei jedenfalls in Schutz genommen wird sobald neue Anschuldigungen gegen ihn erhoben werden. Die SPÖ zögert jedoch Waldheim direkt anzugreifen und bleibt mit ihren Angriffen bezüglich des

269 Vgl. Graff Austritt gegen SPÖ wegen Gauakten. In: Arbeiterzeitung vom 26.03.1986, S. 2. 270 Vgl. Heinz Fischer: Niemand steht uns heute ferner als die ÖVP. In: Arbeiterzeitung vom 27.05.1986, S. 2. 73

Vergangenheitsthemas eher zurückhaltend. Steyrer selbst möchte den Wahlkampf mit Sachthemen und nicht mit einer Kampagne gegen Waldheim gewinnen und auch die SPÖ lässt Waldheim meist außen vor und richtet ihre Attacken eher gegen die Partei als gegen Kurt Waldheim selbst.

Die nächste Frage die ich im Zuge dieser Analyse gestellt habe, beschäftigt sich mit dem Thema Vergangenheitsbewältigung und Erinnerungskultur und ob diese Themen in der Berichterstattung ihren Niederschlag finden. Falls dies der Fall sein sollte, dann wäre es noch von Interesse herauszufinden, ob diese Berichterstattung sich erneut unterschiedlich in den beiden Tageszeitungen darstellt oder nicht. Wie bereits bei den vorangegangenen Fragen werde ich mit der Analyse der Neue Kronenzeitung beginnen und anschließend die Situation in der Arbeiterzeitung näher beleuchten.

Humbert Fink verteidigt Waldheim in der NKZ und spricht davon, dass auch er nicht genau gewusst hätte wie er sich damals richtig verhalten hätte.271 Am 09. März 1986 wird eine Umfrage in der NKZ veröffentlicht wonach 56 Prozent der Bevölkerung nicht an eine Nazi Vergangenheit von Kurt Waldheim glauben.272 Hier lässt sich bereits eine erste Tendenz erkennen die in die Richtung geht, dass die Bevölkerung damals noch zum überwiegenden Teil eine Kultur des Vergessens und Verdrängens betrieb anstatt sich tatsächlich mit den Geschehnissen auseinanderzusetzen. Laut der Umfrage schienen vor allem ältere und weniger gebildete Menschen der Meinung zu sein, dass die Nazi Vergangenheit von Kurt Waldheim nicht der Wahrheit entspricht.

Viktor Reimann bezeichnet die Attacken gegen Waldheim als unfair, und er spricht davon, dass die Affäre die rund um Waldheim losgetreten wurde dem Ausland „uns wieder einmal die Nichtbewältigung der Vergangenheit vorzuwerfen.“273 Die Krone spricht in ihrer Ausgabe vom 24. März 1986 auch von einer „angeblichen NS – Vergangenheit“274 Kurt Waldheims. In einem Artikel vom 26. März wird davon gesprochen, dass der Fall Waldheim „in Österreich alte, zum Teil vernarbt geglaubte Wunden“275 wieder aufreiße. Viktor Reimann spricht außerdem in einem Kommentar davon, dass man Österreich keine Kollektivschuld geben dürfe, vielmehr sei die Klasse der Herrschenden damals die Täter gewesen. Unter der Bevölkerung hätte es auch

271 Vgl. Fink, Humbert: Die Moralisten. In: Neue Kronenzeitung vom 04.03.1986, S. 8. 272 Vgl. Gnam, Peter: Mehrheit der Wähler nimmt Waldheim in Schutz. In: Neue Kronenzeitung vom 09.03.1986, S. 2 – 3. 273 Reimann, Viktor: Widerstand ohne Gegner. In: Neue Kronenzeitung vom 23.03.1986, S. 2. 274 Kindermann, Dieter: Zeitbombe tickt: 100.000 Gauakte im Keller. In: Neue Kronenzeitung vom 24.03.1986, S. 3. 275 Gnam, Peter: Der Fall Waldheim reißt Wunden auf. In: Neue Kronenzeitung vom 26.03.1986, S. 3. 74

viele Personen gegeben die aktiv gegen den NS – Staat gekämpft haben.276 An diesem Kommentar lässt sich sehr gut erkennen, wie tief die Idee der Opferthese zu diesem Zeitpunkt noch immer in der allgemeinen Meinung und in den Medien verankert war. Diese Argumentation deckt sich mit der in der Einleitung angesprochenen Annahme, dass sich Österreich während der Affäre zu einem großen Teil noch immer als Opfer des NS – Regimes wahrgenommen hat. Was man hier auch noch anmerken muss, ist der Umstand, dass die NKZ auch noch weit mehr als einen Monat nach Beginn der Affäre immer noch von der „angeblichen Nazivergangenheit“277 Waldheims spricht. Die Linie der NKZ bezüglich der Themen, welche die Vergangenheit von Kurt Waldheim betreffen, scheinen also klar abgesteckt zu sein. Die Vergangenheit von Waldheim wird zwar oft thematisiert jedoch nicht aufgearbeitet oder kritisch beleuchtet. Es passiert das Gegenteil, Waldheim wird in Schutz genommen und die Linie der NKZ folgt der Argumentation, dass es besser wäre die Vergangenheit ruhen zu lassen. Ein Kommentar aus der NKZ unterstreicht diese These. Ich zitiere wörtlich aus der Ausgabe vom 18.05.1986:

Dann könnten wir uns jetzt schon wieder wichtigeren Dingen zuwenden als dem angeblichen SA Pferd des Kandidaten Waldheim oder einer weitgehend unerheblichen Untersuchungshaft des Kandidaten Steyrer unter den Auspizien einer Besatzungsmacht und in der verworrenen Situation der ersten Nachkriegszeit widmen.278 Wie sich an diesem Kommentar erkennen lässt, wäre, wenn es nach diesem Journalisten der NKZ geht, für ihn am besten gewesen, wenn man das Thema Waldheim und alles was damit zusammenhing einfach wieder ruhen gelassen hätte. Nun möchte ich mich mit der Situation in der Arbeiterzeitung auseinandersetzen beziehungsweise feststellen, wie und ob das Thema der Vergangenheitsbewältigung und der Erinnerungskultur dort behandelt wurde.

Die Thematik der Erinnerungskultur und der Vergangenheitsbewältigung wird in der Arbeiterzeitung nur am Rande behandelt. Der erste relevante Artikel hierzu wird am 28.03.1986 veröffentlicht. Es wird in dem Artikel angesprochen, dass Waldheim sich mit der Strategie zu verteidigen sucht, dass man sich eben nicht an alles erinnern könne.279 In einem Kommentar vom 29.03.1986 wird darauf verwiesen, dass in der Affäre Waldheim die Meinung vorzuherrschen scheint, dass die jungen Journalisten und die jüngeren Menschen im Lande die erst nach den Ereignissen des Krieges auf die Welt kamen, dadurch das Recht verwirkt hätten,

276 Vgl. Reimann, Viktor: Es gibt keine Kollektivschuld. In: Neue Kronenzeitung vom 30.03.1986, S. 8. 277 Gnam, Peter: Waldheim Dokumente: ÖVP setzt sich auf Spur von Fälschern. In: Neue Kronenzeitung vom 15.04.1986, S. 3. 278 Staberl: Fünf Wochen für die Bürokraten. In: Neue Kronenzeitung vom 18.05.1986, S. 10. 279 Vgl. Wer kann sich schon an alles erinnern? In: Arbeiterzeitung vom 28.03.1986, S. 3. 75

sich überhaupt an der Diskussion rund um Waldheim zu beteiligen. Es wird auch richtig darauf hingewiesen, dass diese Denkweise geradezu absurd anmutet, da somit jegliche kritische Auseinandersetzung auch mit anderen zeithistorischen Themen unmöglich gemacht werden würde, wenn man dieser Argumentationslinie folgen würde.280 Auch Peter Pelinka macht Waldheim in einem weiteren Kommentar in der Arbeiterzeitung den Vorwurf, dass er zumindest durchaus versucht habe, seine Vergangenheit zu verschleiern, bis die Faktenlage nichts mehr anderes zuließ. Dieses Verhalten des Leugnens und nichts gewusst haben Wollens konstatiert Pelinka einem Großteil der österreichischen Bevölkerung, wenn es um die NS Zeit geht.281 Waldheim wird diese Verschleierung auch in späterer Folge von Simon Wiesenthal erneut vorgeworfen. Dieser sagt in der Ausgabe der Arbeiterzeitung vom 21.04.1986, „dass Herr Waldheim bewusst seine Vergangenheit verschleiert hat.“282

Es ging also in der Arbeiterzeitung bei den Themen Erinnerungskultur und Vergangenheitsbewältigung nie um einen gesamt – österreichischen Kontext. Wenn ein Artikel zu diesem Thema veröffentlich wurde, dann waren diese meist auf den Kandidaten Waldheim selbst gerichtet und auf seinen persönlichen problematischen Umgang mit seiner eigenen Biographie. Im Vergleich zur NKZ nahm die Arbeiterzeitung Waldheim jedoch keinesfalls in Schutz. Ein weiterer Aspekt der als Unterschied ins Auge springt, ist der Umstand, dass die NS – Vergangenheit von Waldheim in der Arbeiterzeitung niemals in Zweifel gezogen wurde. In der NKZ wurde dies sehr wohl getan, da dort immer von einer angeblichen Nazi – Vergangenheit283 von Kurt Waldheim gesprochen wurde. Überhaupt war der Grundtenor in den beiden Zeitungen ein anderer. Während die NKZ versuchte das Thema der NS Vergangenheit von Kurt Waldheim zu relativieren oder als nicht wichtig darzustellen, schien es der Arbeiterzeitung durchaus wichtig zu sein, dass es eine lückenlose Aufklärung der Vorgänge rund um die Zeit während des Krieges geben müsse.

Bei der vorletzten Fragestellung dieser Analyse soll nun kurz beleuchtet werden, wie die Blattlinie der beiden Tageszeitungen bezüglich der Berichterstattung über Kurt Waldheim ausgesehen hat und ob diese Linie sich während der Debatte rund um Kurt Waldheim verändert hat oder nicht.

280 Andy, Kaltenbrunner: Zu spät geboren? In: Arbeiterzeitung vom 29.03.1986, S. 3. 281 Pelinka, Peter: Kurt Waldheim. In: Arbeiterzeitung vom 03.04.1986, S. 4. 282 Waldheim verschleiert bewusst die Vergangenheit. In: Arbeiterzeitung vom 21.04.1986, S. 3. 283 Gnam, Peter: Waldheim Dokumente: ÖVP setzt sich auf Spur von Fälschern. In: Neue Kronenzeitung vom 15.04.1986, S. 3. 76

Hierzu kann ich aufgrund meiner Recherche festhalten, dass sowohl die Arbeiterzeitung als auch die NKZ ihrer Haltung treu geblieben sind. Für die Arbeiterzeitung war die Kampagne nicht gegen Kurt Waldheim, sondern gegen den SPÖ Kandidaten Steyrer und die SPÖ als Gesamtes gerichtet. Die immer wieder neu ins Spiel kommenden Vorwürfe gegen Waldheim wurden nüchtern und ohne viel Emotion analysiert. In der NKZ war man sich von Anfang an sicher, dass das Ausland hinter den Attacken gegen Waldheim stecken müsse, der Jüdische Weltkongress wurde hier schon bald als Hauptverdächtiger geführt. Von dieser Linie wich das Blatt auch während des restlichen Wahlkampfes nicht mehr ab. Die NKZ nahm Waldheim auch während der gesamten Affäre in Schutz. Kritische Stimmen gegen Waldheim kamen in der NKZ kaum zu Wort dies änderte sich auch im Verlauf des Wahlkampfs nicht. Somit kann zusammenfassend festgehalten werden, dass die Neue Kronenzeitung einen konsequenten Pro – Waldheim Kurs im Zuge ihrer Berichterstattung einschlug und die Arbeiterzeitung Waldheim durchwegs kritisch gegenüberstand. Diese kritische Haltung hing natürlich auch mit der politischen Nähe der Zeitung zur SPÖ zusammen, dies muss man hier noch als Fußnote anmerken. Was eventuell auch noch von Interesse ist, ist der Umstand, dass die Berichterstattung über die Vergangenheit von Kurt Waldheim im Laufe der Zeit an Stellenwert einzubüßen scheint da sowohl die NKZ als auch die AZ sich über den Lauf der Zeit immer seltener mit der Affäre beschäftigen und andere Themen des Wahlkampfs in den Fokus zu rücken scheinen.

Bei der letzten Fragestellung ging es darum, ob sich während der Affäre bereits Anzeichen dafür finden lassen, dass die Opferthese zu erodieren beginnt. Zu diesem Punkt gilt es nach Abschluss meiner Analyse zu sagen, dass die Opferthese oder die Darstellung Österreichs als erstes Opfer von Hitler Deutschland im Zuge der Berichterstattung in beiden Tageszeitungen keinen Niederschlag findet. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle von Österreich im Krieg auf einer nationalen Ebene ist nicht Teil der Berichterstattung. Zwar wird darauf verwiesen, dass nicht alle Österreicher unbeteiligt an den Ereignissen während des Krieges waren, jedoch wird nie explizit auf die kaum mehr tragbare Darstellung von Österreich als ein Opfer des NS – Regimes hingewiesen. Waldheim wird vielmehr als eine Art Einzelfall gesehen der wie viele andere Österreicher auch nur ein Mitläufer des Regimes war. Keinesfalls jedoch ein ausführendes Organ oder jemand mit tatsächlicher Befehlsgewalt. Eine allgemeine kritische Hinterfragung der Rolle Österreichs während des Krieges beziehungsweise Anzeichen dafür, dass es in Österreich neben den Opfern auch Täter gegeben hat, bleibt in der Berichterstattung in beiden Tageszeitungen außen vor. Auch in den Wortspenden der Politiker finden sich diesbezüglich in den beiden Zeitungen keine Andeutungen, dass Österreich seine offizielle 77

Darstellung als Opfer des NS – Regimes grundsätzlich hinterfragen müsste. Diese Ergebnisse bezüglich der Opferthesen Thematik überraschen mich hier jedoch keineswegs, da eine grundsätzliche Debatte die weit über die Affäre Waldheim hinausging, erst nach der Wahl von Kurt Waldheim losgetreten wurde. Bis zu seiner Wahl ging es hier hauptsächlich darum, auf einer persönlichen Ebene die Schuld oder Unschuld Waldheims festzustellen, beziehungsweise schien es für beide Zeitungen von großer Bedeutung zu sein, herauszufinden was sich während den Kriegsjahren ereignet hat und wie viel Glauben man den Ausführungen von Waldheim diesbezüglich schenken könne. Eine breitere Beschäftigung mit den Fragen ob Österreich nun Opfer, Täter oder eben beides während dem Krieg war, wurde erst durch die Debatte rund um Kurt Waldheim und seine NS – Vergangenheit in Gang gebracht. Man schien während der Affäre davon auszugehen, dass die Debatte rund um die Rolle die Österreich während des Krieges gespielt hat ähnlich wie bei vorangegangenen Skandalen,284 abebben würde. Dies war jedoch bei der Affäre rund um Kurt Waldheim nicht der Fall, da dessen Wahl zum Bundespräsidenten erst den Stein des Anstoßes für eine breitere Debatte rund um die Darstellung von Österreich als Opfer des NS – Regimes darstellte.

7.5 Zusammenfassung der Ergebnisse

Zusammenfassend kann man nun sagen, dass die beiden Zeitungen unterschiedliche Standpunkte bezüglich der Affäre Waldheim vertraten und diese auch vehement verteidigten. Während die NKZ darum bemüht war Waldheim möglichst rein zu waschen und die Drahtzieher einer geplanten Kampagne gegen den ÖVP Kandidaten im Ausland vermuteten, war es der AZ hingegen wichtig klarzustellen, dass die SPÖ nichts mit den Vorwürfen zu tun hatte. Seine Rolle während des Krieges wurde von beiden Zeitungen ähnlich gesehen Waldheim wurde als Mitläufer gesehen, einer von vielen Soldaten die in der Wehrmacht gekämpft hätten, weil sie dazu gezwungen waren. Die NKZ ist hier noch wesentlich unkritischer als die AZ. Die Kriegsverbrecher Vorwürfe gegen Waldheim werden von der NKZ sofort abgeschmettert aber auch die Arbeiterzeitung erhebt solche Vorwürfe nicht, sie berichtet aber eher neutral auch von diesen Vorwürfen ohne Waldheim jedoch offen anzugreifen.

Die Drahtzieher der Affäre sind für NKZ früh ausgemacht. Man vermutet, dass der WJC (World Jewish Council) hinter den Anschuldigungen steckt. Außerdem geht man von einer Verleumdungskampagne aus, in welche auch die SPÖ verstrickt wäre. Die AZ sieht diesen Punkt völlig konträr, man sieht eher Waldheim als selbst schuld an seiner misslichen Lage, da

284 Anm. Affären „Frischenschlager“ und „Reder“. 78

er ungenaue Angaben zu seiner Vergangenheit gemacht habe. Dass die SPÖ etwas mit der Sache zu tun hat wird von der Arbeiterzeitung vehement abgestritten auch der WJC kommt nur am Rande der Berichterstattung vor, er wird jedoch keineswegs als Drahtzieher hinter den Vorwürfen gegen Waldheim dargestellt.

Bezüglich dem Verhalten der großen politischen Lager in Bezug auf Waldheim gilt es zu sagen, dass dieser von ÖVP durchwegs in Schutz genommen wird. Viel mehr noch wird bald ein Kurs eingeschlagen, dass man Waldheim erst recht wählen sollte, da man sich nicht vom Ausland in interne österreichische Angelegenheiten hineinreden lassen solle. Die SPÖ hingegen greift Waldheim immer wieder direkt an. Mehrere Male fordert die SPÖ, dass Waldheim seine Kandidatur zurücklegt, da er seine Glaubwürdigkeit verloren habe. Die kritischen Stimmen in der SPÖ werden im Verlauf der Kampagne zwar immer lauter, es ist jedoch auffallend, dass sich Kurt Steyrer der Kandidat der SPÖ weder in der NKZ noch in der AZ jemals negativ über Waldheim äußert. Dies geschieht eher durch andere Parteigenossen allen voran Generalstaatsekretär Schieder, der als scharfer Kritiker Waldheims auftritt.

Die Themen Vergangenheitsbewältigung und Erinnerungskultur nehmen in beiden Zeitungen nur wenig Platz ein. In der Neuen Kronenzeitung jedoch mehr als in der Arbeiterzeitung. Die NKZ argumentiert jedoch nicht in die Richtung, dass man sich mit diesem nur mangelhaft aufgearbeiteten dunklen Kapitel der österreichischen Geschichte stärker auseinandersetzen müsse. Vielmehr sind die Artikel bezüglich der Vergangenheitsbewältigung relativierend und es wird gefordert, dass man die Vergangenheit endlich ruhen lassen sollte. Am Ende des Wahlkampfs gibt es hierzu einen Artikel der am 09.06.1986 veröffentlicht wurde, dort wird gefordert, den Wahlkampf zu vergessen.285 Außerdem wird die NS Vergangenheit von Waldheim mehrmals in der NKZ in Zweifel gezogen. In mehreren Artikeln wird von einer angeblichen NS – Vergangenheit Waldheims gesprochen. In der Arbeiterzeitung wird das Thema nur am Rande behandelt hauptsächlich geht es hierbei um Waldheim und seine ungenauen Angaben zu seiner Biographie. Der Versuch die Affäre in einen größeren nationalen Kontext zu stellen findet hier gar nicht statt. Waldheim wird nur auf persönlicher Ebene seine Vergesslichkeit vorgeworfen.

Bezüglich der Blattlinie bleibt nur zu sagen, dass die Zeitungen ihre Meinungen und ihre Schreibweise während des Affäre nicht nennenswert verändert hatten. Die NKZ war eindeutig auf der Seite Waldheims und die AZ schrieb klar gegen ihn an und wollte somit Steyrer zum

285 Vgl. Staberl: Vergessen wir den Wahlkampf. In: Neue Kronenzeitung vom 09.06.1986, S. 2. 79

Wahlsieg verhelfen. Jedoch denunzierte die AZ Waldheim nicht direkt sondern hielt ihm nur vor, dass er sich mit seinen Darstellungen unglaubwürdig und somit nicht wählbar machen würde.

Die Erosion der Opferthese findet in beiden Zeitungen keine Erwähnung. Aus dieser Nichterwähnung folgt, dass das Ergebnis in diesem Punkt der Analyse darin liegt, dass es keine Ergebnisse gibt. Daraus kann man ableiten, dass die Opferthese und die Rolle Österreichs als erstes Opfer von Hitler Deutschland während des Wahlkampfs noch keine Rolle gespielt zu haben scheint. Dieser Punkt meiner Analyse ist vor allem deswegen bemerkenswert, da er sich nicht mit der Annahme deckt, dass bereits die Affäre Waldheim die Opferthese erodieren ließ. Diese grundsätzliche Diskussion über die angebliche Opferrolle von Österreich während des Krieges wurde erst im Anschluss an die Affäre im Zuge der Untersuchung der Historikerkommission losgetreten. Die Affäre rund um Kurt Waldheim stellte hier den Stein des Anstoßes dar, Anzeichen einer Erosion während der Affäre konnte ich jedoch in der Analyse der beiden Tageszeitungen während des Wahlkampfes nicht feststellen. Vielmehr ein schon fast verzweifelt anmutendes festklammern aller beteiligten Parteien an den seit 1945 althergebrachten Erklärungsmustern und Nachkriegsmythen.

VIII Conclusio

Die Affäre rund um Kurt Waldheim war wie anhand dieser Arbeit gezeigt werden konnte eine Debatte die sehr kontroversiell geführt wurde. Von der eigenen Partei und vom Großteil der Bevölkerung wurde Waldheim in Schutz genommen. Doch er wurde auch kritisiert für seine Verschleierungsversuche und seinen laxen Umgang mit seinem eigenen Lebenslauf. Botz hält fest, dass in Österreich der alte und neue Formen des Nationalsozialismus und des Nationalismus in einer Synthese stehen. Waldheim sei hierfür ein Symbol geworden. Er sei zwar kein überzeugter Nazi gewesen aber war er „ein Symbol des Verdrängens, Verleugnens, Verharmlosens des Mitwirkens so vieler Österreicher am NS – Regime geworden.“286 Diese Strategie des Verdrängens lässt sich auch sehr gut an der Darstellung von Waldheim in den Printmedien ablesen. Besonders die Neue Kronenzeitung hat sich wie durch die Recherche in dieser Arbeit gezeigt werden konnte überaus bereitwillig vor Waldheim gestellt und hat Waldheim unhinterfragte Rückendeckung geboten. Somit kann die eingangs erwähnte

286 Vgl. Botz, Gerhard: Die Synthese mit Österreichs NS – Vergangenheit. In: Milo, Dor (Hrsg.) Die Leiche im Keller: Dokumente des Widerstands gegen Dr. Kurt Waldheim. Wien 1988, S. 23 – 24. 80

Annahme, dass das Meinungsspektrum über die Schuld oder Unschuld von Kurt Waldheim sehr weit auseinanderging. Die Berichterstattung in der NKZ hatte darauf einen nicht zu unterschätzenden Einfluss. Wie die Analyse gezeigt hat, war die Stimmung im Land sehr aufgeheizt besonders in der NKZ wurde durchwegs sehr emotional über die Debatte berichtet. Die Trennlinie die ausgelöst durch die Affäre durch das Land ging war klar erkennbar. Wie es Heidemarie Uhl ausdrückt wurde 1986 „die Kluft zwischen offizieller Darstellung der österreichischen NS – Vergangenheit und der subjektiven Geschichtserfahrung vieler Österreicher“287 sichtbar. Wie sie anmerkt führte jedoch wohl erst seine Wahl dazu, dass die alten und verkrusteten Strukturen in den österreichischen Geschichtsbildern endlich aufbrachen. Es folgte sowohl ein Bruch mit dem österreichischen Geschichtsbewusstsein als auch mit dem nationalen Selbstverständnis. Das Selbstbild des offiziellen Österreichs, als weltoffenes demokratisches Land wurde durch die Waldheimaffäre stark erschüttert. Die Bewältigung der eigenen Vergangenheit fand bis zum Jahr 1986 nur scheinbar statt, eine nachhaltige und tatsächliche Auseinandersetzung mit den Ereignissen von damals gab es nicht.288 Dass es diese Bewältigung nicht gab, beziehungsweise dass man sich in Österreich kaum mit der eigenen Vergangenheit auseinandersetzte, wurde auch während meiner Quellenanalyse deutlich, denn die Affäre rund um Waldheims Vergangenheit blieb durchwegs auf Waldheim selbst gerichtet. Eine breitere Diskussion die auch die Darstellung Österreichs als Opfer des Nationalsozialismus in Frage stellen würde war in den Medien zu dieser Zeit noch kein Thema. Auch für die beiden Großparteien war eine solche Debatte nicht von Relevanz. Was sich aber anhand der Analyse durchaus feststellen ließ, die SPÖ attackierte Waldheim für seinen unsorgfältigen Umgang mit seiner eigenen Biographie. Die ÖVP blieb hier noch ganz den alten Mustern verhaftet und nahm ihren Kandidaten durchwegs in Schutz und man suchte die Schuld bei den anderen anstatt bei Waldheim selbst.

Dennoch setzte die Affäre und der mediale Umgang mit diesem für Österreich besonders heiklen Thema, einen nachhaltigen und unumkehrbaren Prozess in Gang, der sich bis heute fortsetzt. Laut Lenger entfernt man sich zusehends von nationalen Mythen und der Darstellung großer Ereignisse in der Erinnerungskultur. Jedoch brechen diese Strukturen nur langsam auf und es wird noch eine Weile dauern bis sich dieser Prozess vollständig vollzogen hat.289 Somit

287 Uhl, Zwischen Versöhnung und Verstörung, 1992, S. 16. 288 Vgl. ebda. S. S. 16 – 17. 289 Vgl. Lenger, Friedrich: Geschichte und Erinnerung im Zeichen der Nation: Einige Beobachtungen zur jüngsten Entwicklung. In: Günter, Oesterle (Hrsg.) Erinnerung, Gedächtnis, Wissen: Studien zur kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung (Bnd 26). Göttingen 2005, S. 526.

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kann eine der zentralen Fragen der Arbeit beantwortet werden, die sich um die Fragestellung drehte, ob das Jahr 1986 eine Veränderung in der österreichischen Erinnerungskultur bewirkt hat. Diese Frage kann mit einem ja beantwortet werden. Jedoch ist hier anzumerken, dass die Wahl einen Stein des Anstoßes darstellte. Der Prozess sollte sich noch über Jahrzehnte hinziehen und ist in manchen Bereichen der Erinnerungskultur auch heute noch nicht abgeschlossen. Jedoch kann durch die Ausführungen in dieser Arbeit jedenfalls bestätigt werden, dass sich die Sichtweise des Staates durch die Affäre grundlegend verändert hat. Österreich hat durch die Affäre Waldheim erkannt, dass ohne eine ernsthafte Aufarbeitung der NS – Zeit die offenen Wunden niemals ganz verheilen können. Besonders nach außen hin konnte man sich den Gesichtsverlust nicht länger leisten, der durch die Affäre ausgelöst wurde. Bailer – Galanda argumentiert hier in eine ähnliche Richtung, laut Bailer – Galanda führte die Wahl von Kurt Waldheim für Österreich zu einem Image Problem, im Ausland ausgelöst durch die Reaktion des offiziellen Österreichs auf die Affäre. Dies beschädigte das Bild von Österreich im Ausland und auch im Inland. Dies wurde unter anderem damit argumentiert, dass ein Teil der österreichischen Bevölkerung den ‚Anschluss‘ mit Begeisterung begrüßte. Sie merkt jedoch auch an, dass sich durch die Affäre Waldheim zwar im Bereich der Opferforschung einiges getan hat, aber im Bereich der Täterforschung sind immer noch viele Probleme ungelöst und Österreich hinkt hier weiter im europäischen Vergleich hinterher.290

Dennoch hat sich in den letzten 30 Jahren auf diesem Gebiet sehr viel getan. Um hier noch einmal Uhl zu zitieren, dass sich heutzutage auch Österreich „im Mainstream einer europäischen bzw. internationalen Gedächtniskultur, die durch die Ablöse von den politischen Nachkriegsmythen und die Ausrichtung auf eine globale Erinnerungskultur an den Holocaust bestimmt ist [befindet].“291 Die Debatte rund um Waldheim stellte also definitiv eine Zäsur in der Sichtweise auf die eigene Vergangenheit dar. Die Affäre rund um Waldheim, hat in Österreich eine tiefer greifende Diskussion ausgelöst, die zuvor so nicht möglich war. Denn noch bei der den Skandalen rund um Friedhelm Frischenschlager und Walter Reder verebbte das mediale Interesse schnell wieder. In der Affäre rund um Kurt Waldheim dominierte dieser für mehrere Monate die Titelseiten und den Politik - Teil der Printmedien.

290 Vgl. Bailer – Galanda, Brigitte: Die Thematisierung des Widerstandes gegen das NS – Regime in Zeitgeschichte und Publizistik seit der Waldheim – Debatte. In: Brigitte, Lehmann / Doron, Rabinovici / Sibylle Summer (Hrsg.) Von der Kunst der Nestbeschmutzung: Dokumente gegen Ressentiment und Rassismus seit 1986. Wien 2009, S. 65 – 66.

291 Uhl, Vom Opfermythos zur Mitverantwortungsthese, 2005, S. 77. 82

Eine weitere Frage die eingangs gestellt wurde, war jene nach der medialen Darstellung von Kurt Waldheim in den beiden analysierten Printmedien. Hierzu gilt es zusammenfassend zu sagen, dass Waldheim von der Arbeiterzeitung vorgeworfen wurde er habe sich durch die Lücken in seinem Lebenslauf unglaubwürdig gemacht und sei somit unwählbar geworden. In der Neuen Kronenzeitung wird Waldheims Rolle im Krieg relativiert und er wird als Opfer einer Kampagne dargestellt, die das Ausland gegen ihn führt. Auch die Lücken in seinem Lebenslauf werden ihm in der NKZ nicht angelastet, viel mehr wird er dafür in Schutz genommen. Hier wird argumentiert, dass man sich eben nicht an alles so genau erinnern könne. Deswegen wird in der NKZ auch bis zuletzt nur von einer angeblichen NS – Vergangenheit Waldheims gesprochen. Eine Veränderung der Darstellung von Kurt Waldheim und der Tonart der Artikel, die sich mit ihm beschäftigten, konnte ich im Zuge meiner Recherche nicht feststellen. Die beiden näher unter die Lupe genommenen Tageszeitungen blieben ihrer jeweiligen Blattlinie durchwegs treu. Auch die beiden Großparteien positionierten sich schon zu Beginn klar und blieben in ihren Ansichten starr, bis zum Ende des Wahlkampfs. Die SPÖ war strikt darum bemüht sich nicht in die Affäre hineinziehen zu lassen. Waldheim wurden zwar keine direkten Vorwürfe gemacht jedoch wollte man sich die Affäre zumindest insofern zunutze machen, indem man Kurt Steyrer als den integren und glaubwürdigen Kandidaten hinstellte, während man Waldheim diese Glaubwürdigkeit absprach da er bezüglich seiner Biographie ein Versteckspiel betrieben habe. Auf Seiten der ÖVP lagen die Dinge so, dass man den eigenen Kandidaten in Schutz nahm und von Anfang an einen Wahlkampf mit der vermeintlichen Kampagne die gegen Waldheim geführt wurde machte. Falls es zu Kritik am Kandidaten kam, wurde dies von der ÖVP so ausgelegt, dass auch diese Kritiker Teil der schmutzigen Kampagne gegen ihren Kandidaten waren. Von einem reflexiven Umgang mit der NS – Vergangenheit von Kurt Waldheim oder eines Versuches, dass man sich kritisch mit der Vergangenheit auseinandersetzt, kann also auf beiden Seiten keine Rede sein.

Die Affäre um Waldheim kann trotzdem als eine Zäsur gesehen werden die einen Stein des Anstoßes in der österreichischen Erinnerungskultur darstellte. Durch die Wunden die während dieser Affäre aufgerissen wurden, konnte und wollte die Österreichische Öffentlichkeit die Augen vor der Vergangenheit nicht mehr verschließen. Durch die Affäre rund um Waldheim wurde ein langwieriger Prozess in Gang gesetzt der auch bis heute noch nicht völlig abgeschlossen ist. Denn wie Lehnguth richtig anmerkt, gibt es zwar heute eine hohe Zustimmung zur „Mitverantwortungs und der kritischen Mittäterthese. Der im Vergleich späte Zeitpunkt dieses Umdenkens, das sich bis heute nicht unumschränkt durchgesetzt hat, macht

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einmal mehr die Beharrungskraft des exkulpierenden Opfer-Narrativs deutlich.“292 Obwohl laut Uhl eine offizielle Position zur Mittäterschaft Österreichs noch immer ausständig ist, ist diese für sie unbestritten.293 Dennoch hat sich Österreich inzwischen von seiner Darstellung als Opfer des NS – Regimes verabschiedet und man ist nun auch von offizieller Seite her bereit sich der Vergangenheit zu stellen und diese auch aus einer Täter – Perspektive heraus zu betrachten. Für Waldheim war eine solche Betrachtung zu dem damaligen Zeitpunkt wohl einfach noch nicht möglich. Laut Klingenstein wählen die Menschen die Ereignisse der Vergangenheit immer so aus, „wie wir es für unsere Absichten brauchen und wie es uns plausibel erscheint, d. h. wie es glaubhaft wird durch unsere eigenen Erfahrungen.“294 Dies schien auch auf Waldheim zuzutreffen der in seiner eigenen Erfahrungswelt noch zu sehr dem Mythos von Österreich als Opfer des NS – Regimes verhaftet war. Somit war es ihm während der Affäre und auch danach kaum möglich ein tiefer greifendes Verständnis dafür zu entwickeln, wieso man seine Pflichterfüllung gegenüber den Kameraden in der deutschen Wehrmacht kritisch betrachten könnte oder warum sich eine solche Aufregung um seine Zeit bei der Wehrmacht entsponnen hatte. Dennoch der durch die Debatte um Waldheim in Gang gesetzte Prozess ist nicht von der Hand zu weisen und setzte sich seitdem er damals durch die Waldheim Affäre ausgelöst, kontinuierlich auf allen Ebenen der Gesellschaft und auch auf der Ebene der österreichischen Geschichtswissenschaft fort. Heute gibt es unter den Zeithistorikern des deutschsprachigen Raumes wohl kaum noch einen namhaften Vertreter der die Mitverantwortung Österreichs für die Verbrechen des NS – Regimes ernsthaft anzweifeln würde.

Dass der Prozess dennoch auch heute noch nicht abgeschlossen ist und es wohl noch viele Jahre dauern wird bis sich die These der Mitverantwortung völlig durchgesetzt hat, ist ob der heiklen Thematik nur allzu verständlich, jedoch wurden hier in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Doch gerade in Zeiten in denen der Nationalismus in ganz Europa wieder auf dem Vormarsch zu sein scheint und die Zeitzeugen und Zeitzeuginnen der Weltkriege Jahr für Jahr weniger werden, ist eine aktive und lebendige Erinnerungskultur wichtiger denn je. Laut Hauer ist eine Aufarbeitung der Vergangenheit deswegen wichtig, da auch durch das Aussterben der Generation die den Krieg aktiv miterlebt hat deren Kinder dazu geneigt sind über die Vergangenheit zu schweigen oder die Gräuel der NS Zeit sogar aktiv zu verteidigen.295

292 Lehnguth, Waldheim und die Folgen, 2013, S. 468. 293 Vgl. Uhl, Anschluss und Gedenken, 2009, S. 61 – 62. 294 Klingenstein, Grete: Was heißt „unbewältigte Vergangenheit“? In: Gerhard, Botz / Gerald, Sprengnagel (Hrsg.) Kontroversen um Österreichs Zeitgeschichte. 2. Aufl., Frankfurt/ New York 2008, S. 414. 295 Vgl. Hauer, Nadine: NS – Trauma und kein Ende. In: Anton, Pelinka / Erika, Weinzierl (Hrsg.) „Das grosse Tabu: Österreichs Umgang mit seiner Vergangenheit. Innsbruck/ Wien 1987, S. 28. 84

Auch von einer Aufbruchsstimmung oder Umbruchsstimmung kann während des Wahlkampfes noch keine Rede sein. Zu sehr ist die Nation noch den alten Denkmustern des Opfermythos verhaftet, jedoch ist bereits während der Affäre eine Trennlinie zu erkennen zwischen der Generation die den zweiten Weltkrieg Krieg noch aktiv miterlebt hat und jener die den Krieg nur noch aus Erzählungen kannten. Waldheim stand als Symbol für jene die weiterhin einfach alles vergessen wollten, um so mit der Vergangenheit abzuschließen. Doch die Debatte rund um Kurt Waldheim hat gezeigt, dass eine solche Vorgehensweise auch in Österreich einfach nicht mehr möglich war. Waldheim und seine Vergangenheit dominierten nicht umsonst wochenlang die Berichterstattung in den nationalen Medien. Meine in der Analyse gestellte Frage, ob sich in den von mir analysierten Medien bereits eine Erosion der Opferthese feststellen lässt, ist jedoch mit einem klaren nein zu beantworten. Ein sich verändernder Umgang mit den Ereignissen von 1938 bis 1945 kann man jedoch als gegeben ansehen und dieser Prozess sollte sich im Laufe der kommenden Jahre auch immer weiter intensivieren. Die Opferthese hatte sich dann im weiteren Verlauf zu der wie Botz festhält, heute en bloc akzeptierten Mitverantwortungsthese umgewandelt.296

Somit können die Erinnerungskultur und die Gedächtniskultur auch als einer der Bausteine dienen, um zu verhindern, dass sich Geschichte wiederholt, beziehungsweise ist es essentiell, dass auf diese Ereignisse immer wieder hingewiesen wird, um zu verhindern, dass die Gräueltaten von damals in Vergessenheit geraten könnten. Aus diesem Grund ist die Erinnerungskultur und Gedächtniskultur heute wichtiger denn je und nur wenn eine Nation offen mit ihrer eigenen Vergangenheit umgeht und es keine Tabus gibt, kann eine lückenlose und sinnvolle Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit stattfinden.

Abschließend bleibt zu sagen, dass die Auswirkungen der Affäre Waldheim noch bis heute spürbar geblieben sind. Auch wenn es nicht im Interesse des ehemaligen Präsidenten warm, so ist er dennoch wie Gehler es ausdrückt ungewollt „zum Symbol der österreichischen Lebenslüge“297 avanciert. Abschließend bleibt noch zu sagen, dass Österreich seit der Affäre rund um Kurt Waldheim sehr große Fortschritte auf diesem Gebiet vorzuweisen hat und das man von der heutigen Sicht mit Sicherheit behaupten kann, dass ein breiter Diskurs über die NS – Zeit inzwischen ohne Scheuklappen möglich ist. Dies ist auch die Grundvoraussetzung für einen offenen Umgang mit der Vergangenheit und für eine funktionierende Erinnerungskultur. Diese Voraussetzungen waren zum Zeitpunkt der Wahl von Kurt Waldheim

296 Vgl. Botz, Gegenwärtigkeit und Transformation, 2006, S. 83. 297 Gehler et. al., politische Skandale, 1996, S. 680. 85

aufgrund von unterschiedlichsten Faktoren noch nicht gegeben. Inzwischen kann man jedoch als Schlusswort sagen, dass Österreich sich seiner dunklen Vergangenheit inzwischen gestellt hat und die Aufarbeitung dieser Vergangenheit nun aktiv vorangetrieben wird.

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IX) Literatur- und Quellenverzeichnis

9.1 Literaturverzeichnis/Sekundärliteratur

9.1.1 Monographien

Assmann, Aleida: Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik. München 2006.

Assmann, Aleida / Frevert, Ute: Geschichtsvergessenheit – Geschichtsversessenheit: Vom Umgang mit der deutschen Vergangenheit nach 1945. Stuttgart 1999.

Barbara, Tòth / Hubertus, Czernin (Hrsg.): „1986: Das Jahr das Österreich veränderte“. Wien 2006. Chorherr, Thomas: „Eine kurze Geschichte der ÖVP“ Ereignisse, Persönlichkeiten, Jahreszahlen. Wien 2005. Erll, Astrid: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen: Eine Einführung. 2. Aufl., Stuttgart/ Weimar 2011. Göllner, Siegfried: Die politischen Diskurse zu „Entnazifizierung“ „Causa Waldheim“ und „EU – Sanktionen. Opfernarrative und Geschichtsbilder in Nationalratsdebatten. Hamburg 2009.

Heindl, Bernhard: „Wir Österreicher sind ein anständiges Volk“ Kurt Waldheim. Linz/ Hamburg 1991.

Lehnguth, Cornelius: Waldheim und die Folgen: „Der parteipolitische Umgang mit dem Nationalsozialismus in Österreich“. Frankfurt/ New York 2013.

Pelinka, Peter: „Eine kurze Geschichte der SPÖ“ Ereignisse, Persönlichkeiten, Jahreszahlen. Wien 2005.

Tidl, Georg: „Waldheim: Wie es wirklich war, die Geschichte einer Recherche“. Wien 2015.

Ziegler, Meinrad, Kannonier – Finster, Waltraud: Österreichisches Gedächtnis: Über Erinnern und Vergessen der NS – Vergangenheit. 2. Aufl., Innsbruck/ Wien/ Bozen 1993 / 2016.

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9.1.2 Beiträge in Sammelbänden/Lexika

Assmann, Jan: Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität. In: Jan, Assmann / Toni, Hölscher (Hrsg.) Kultur und Gedächtnis. Frankfurt am Main 1988, Seite 9 – 20.

Bailer – Galanda, Brigitte: Die Thematisierung des Widerstandes gegen das NS – Regime in Zeitgeschichte und Publizistik seit der Waldheim – Debatte. In: Brigitte, Lehmann / Doron, Rabinovici / Sibylle, Summer (Hrsg.) Von der Kunst der Nestbeschmutzung: Dokumente gegen Ressentiment und Rassismus seit 1986. Wien 2009, S. 63 – 70.

Botz, Gerhard: Die Synthese mit Österreichs NS – Vergangenheit. In: Milo, Dor (Hrsg.) Die Leiche im Keller: Dokumente des Widerstands gegen Dr. Kurt Waldheim. Wien 1988, S. 22 – 26.

Botz, Gerhard: Die ‚Waldheim – Affäre‘ als Widerstreit kollektiver Erinnerungen: Zur Gegenwärtigkeit und Transformation von Vergangenem. In: Barbara, Tóth / Hubertus, Czernin (Hrsg.) 1986. Das Jahr, das Österreich veränderte. Wien 2006, S. 74 - 96.

Botz, Gerhard: Verdrängung, Pflichterfüllung, Geschichtsklitterung: Probleme mit der NS – Vergangenheit. In: Gerhard, Botz / Gerald, Sprengnagel (Hrsg.) Kontroversen um Österreichs Zeitgeschichte. 2. Aufl., Frankfurt/ New York 2008, S. 89 - 104.

Dachs, Herbert: Von der Sanierungspartnerschaft zur konfliktgeladenen Unübersichtlichkeit: Über politische Entwicklungen und Verschiebungen während der Großen Koalition 1986 bis 1994. In: Reinhard, Sieder / Heinz, Steinert / Emmerich, Tálos (Hrsg.) „Österreich 1945 – 1995“ Gesellschaft Politik Kultur. 2. Aufl., Wien 1996, S. 290 – 304.

Gehler, Michael / Sickinger Hubert: Politische Skandale in der zweiten Republik. In: Reinhard, Sieder / Heinz, Steinert / Emmerich, Tálos (Hrsg.) „Österreich 1945 – 1995“ Gesellschaft Politik Kultur. 2. Aufl., Wien 1996, S. 671 – 684.

Khol, Andreas: „Die Kampagne gegen Waldheim – Internationale und nationale Hintergründe.“ In: Andreas, Khol / Theodor, Faulhaber / Ofner, Günther (Hrsg.) Die Kampagne: Kurt Waldheim Opfer oder Täter? Hintergründe eines Falles von Medienjustiz. München / Berlin 1987, S. 177 – 213.

Klingenstein, Grete: Was heißt „unbewältigte Vergangenheit“? In: Gerhard, Botz / Gerald Sprengnagel (Hrsg.) Kontroversen um Österreichs Zeitgeschichte. 2. Aufl., Frankfurt/ New York 2008, S. 409 - 420. 88

Knight, Robert: Waldheim revisited Historisierung, Hysterie und Schulterschluss. In: Brigitte, Lehmann / Doron, Rabinovici / Sibylle, Summer (Hrsg.) Von der Kunst der Nestbeschmutzung: Dokumente gegen Ressentiment und Rassismus seit 1986. Wien 2009, S. 70 – 85.

Kreissler, Felix: Nationswerdung und Trauerarbeit. In: Anton, Pelinka / Erika, Weinzierl (Hrsg.) „Das große Tabu: Österreichs Umgang mit seiner Vergangenheit. Innsbruck/ Wien 1987, S. 127 – 143.

Lederer, Gerda: „Young Austrians and the Election of Kurt Waldheim “. In: Political Psychology, Vol. 9, No. 4 1988, S. 633 – 647.

Leggewie, Claus / Meyer, Erik: Geschichtspolitik in der Mediengesellschaft. In: Günter, Oesterle, (Hrsg.) Erinnerung, Gedächtnis, Wissen: Studien zur kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung (Bnd 26). Göttingen 2005, S. 663 – 676.

Lenger, Friedrich. Geschichte und Erinnerung im Zeichen der Nation: Einige Beobachtungen zur jüngsten Entwicklung. In: Günther, Oesterle (Hrsg.) Erinnerung, Gedächtnis, Wissen: Studien zur kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung (Bnd 26). Göttingen 2005, S. 521 – 536.

Malina, Peter. Geschichte ist die Vergangenheit die uns angeht. In: Gretel, Anzengruber / Gerhard, Bisovsky et. al. (Hrsg.) Vergangenheitsbewältigung. Wien 1989, S. 5 – 19.

Manoschek, Walter: Die Generation Waldheim. In: Barbara, Tòth / Hubertus, Czernin (Hrsg.) „1986: Das Jahr das Österreich veränderte. Wien 2006, S. 124 - 132.

Markova, Ina: „Visualizing Waldheim: Mediale Schlüsselbilder der Affäre Waldheim“ In: Journal of Austrian Studies, Vol. 49, No. 1 – 2, 2016, S. 71 – 89.

Mitten, Richard: Der kurze Schatten der Vergangenheit. In: Barbara, Tòth / Hubertus, Czernin (Hrsg.) 1986. Das Jahr das Österreich veränderte. Wien 2006, S. 109 – 124.

Ofner, Günther: „Die Rolle der SPÖ in der Waldheim Kampagne.“ In: Andreas, Khol / Theodor, Faulhaber / Günther, Ofner (Hrsg.) Die Kampagne: Kurt Waldheim Opfer oder Täter? Hintergründe eines Falles von Medienjustiz. München/ Berlin 1987, S. 119 – 177.

Pelinka, Anton: Die Kleine Koalition. S. 279 – 290. In: Reinhard, Sieder / Heinz, Steinert / Emmerich, Tálos (Hrsg.) „Österreich 1945 – 1995“ Gesellschaft Politik Kultur. 2. Aufl., Wien 1996, S. 279 – 290.

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Pelinka, Anton: Trendwende und Polarisierung. In: Barbara, Tòth / Hubertus, Czernin (Hrsg.): „1986: Das Jahr das Österreich veränderte. Wien 2006, S. 157 – 164.

Pelinka, Anton: Waldheim in uns. In: „Pflichterfüllung: Ein Bericht über Kurt Waldheim“ mit einem Vorwort von Peter Handke Herausgeber Von der Gruppe „Neues Österreich“. Wien 1986, S. 4 -34.

Rabinovici, Doron: Aktion und Artikulation: Das Bestehen des Republikanischen Clubs. In: Brigitte, Lehmann / Doron, Rabinovici / Sybille, Summer (Hrsg.) Von der Kunst der Nestbeschmutzung: Dokumente gegen Ressentiment und Rassismus seit 1986. Wien 2009, S. 12 – 27.

Rauscher, Hans: Das Bürgertum und die Pflichterfüllung: Die Waldheim Affäre im Spiegel von zeitgenössischen Leserreaktionen an den Kurier. In: Barbara, Tòth / Hubertus, Czernin (Hrsg.) 1986. Das Jahr das Österreich veränderte. Wien 2006, S. 63 – 74.

Schollum, Esther: „Die Waldheim Kampagne in den österreichischen und internationalen Medien.“ In: Andreas, Khol / Theodor, Faulhaber / Günther, Ofner (Hrsg.) Die Kampagne. Kurt Waldheim Opfer oder Täter? Hintergründe eines Falles von Medienjustiz. München/ Berlin 1987, S. 12 – 119.

Steinbach, Peter. Österreichs Zeitgeschichte: Ein Blick von außen. In: Gerhard, Botz / Gerald, Sprengnagel (Hrsg.) Kontroversen um Österreichs Zeitgeschichte. 2. Aufl., Frankfurt/ New York 2008, S. 120 – 129.

Stepan, Rainer: „Die Vorwürfe, Daten und Fakten – eine historische Dokumentation.“ In: Andreas, Khol / Theodor, Faulhaber / Günther, Ofner (Hrsg.) Die Kampagne: Kurt Waldheim Opfer oder Täter? Hintergründe eines Falles von Medienjustiz. München/ Berlin 1987, S. 325 -353.

Tòth, Barbara: Die ‚Jetzt erst recht‘ Wahlbewegung. In: Barbara, Tòth / Hubertus, Czernin (Hrsg.) „1986: Das Jahr das Österreich veränderte. Wien 2006, S. 25 - 63.

Uhl, Heidemarie: Anschluss Gedenken 2008: Abschied von der Opferthese. In: Brigitte, Lehmann / Doron, Rabinovici / Sybille, Summer (Hrsg.) Von der Kunst der Nestbeschmutzung: Dokumente gegen Ressentiment und Rassismus seit 1986. Wien 2009, S. 59 – 63.

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Uhl, Heidemarie: Vom Opfermythos zur Mitverantwortungsthese. NS – Herrschaft, Krieg und Holocaust im ‚österreichischen Gedächtnis‘. In: Christian, Gerbel / Manfred, Lechner / Dagmar, C.G Lorenz et. al. (Hrsg.) Transformation gesellschaftlicher Erinnerung: Studien zur ‚Gedächtnisgeschichte‘ der zweiten Republik. Wien 2005, S. 50 – 86 (Reihe Kultur. Wissenschaften, Bd. 9).

Uhl, Heidemarie: Von ‚Endlösung‘ zu ‚Holocaust‘. Die TV – Ausstrahlung von „Holocaust“ und die Transformationen des österreichischen Gedächtnisses. In: Heidemarie, Uhl (Hrsg.) Zivilisationsbruch und Gedächtniskultur: Das 20. Jahrhundert in der Erinnerung des beginnenden 21. Jahrhunderts. Innsbruck/ Wien/ München/ Bozen 2003, S. 153 – 180.

Uhl, Heidemarie: Zwischen Versöhnung und Verstörung: Eine Kontroverse um Österreichs historische Identität fünfzig Jahre nach dem „Anschluss“. Konrad, Helmut (Hrsg.) Böhlaus Zeitgeschichtliche Bibliothek Band 17. Wien/ Köln/ Weimar 1992.

Vansant, Jaqueline: „Political Memoirs and negative rhetoric: Kurt Waldheim’s in the eye of the storm and im Glaspalast der Weltpolitik. In: Biography Vol. 25, No. 2, 2002, S. 343 – 362.

9.1.3 Online Beiträge

[online] http://www.arbeiter-zeitung.at/geschichte/ [abgerufen am 28.06.2018].

[online] http://archiv.bundeskanzleramt.at/DocView.axd?CobId=57669 [abgerufen am 28.06.2018].

[online] https://austria-forum.org/af/Biographien/Waldheim%2C_Kurt [Zugriff am 02.06.2018].

[online] http://www.bundespraesident.at/index.php?id=210&no_cache=0&L=0 [Zugriff am 02.06.2018].

[online] http://www.demokratiezentrum.org/wissen/wissenslexikon/kronen-zeitung.html [abgerufen am 27.06.2018].

[online] https://www.parlament.gv.at/WWER/PAD_13961/index.shtml#tab-Ueberblick [Zugriff am 02.06.2018].

91

9.2 Quellenverzeichnis

9.2.1 Primärquellen

Waldheim, Kurt: Die Antwort: Mit 50 Abbildungen und Dokumenten. Wien/ München/ Berlin 1996.

Waldheim, Kurt: Im Glaspalast der Weltpolitik. 3. Aufl., Düsseldorf/ Wien 1985.

9.2.2 Zeitungsquellen298

9.2.2.1 Arbeiterzeitung

Wenn Waldheim bei der SA war sollte er dies offen eingestehen. In: Arbeiterzeitung vom 04.03.1986, S. 2 – 3.

Austria Presse Agentur: Wehrstammakte „An sich schon richtig“. In: Arbeiterzeitung vom 05.03.1986, S. 3.

Waldheims Vergangenheit nun Schlagzeile in allen US – Medien. In: Arbeiterzeitung vom 06.03.1986, S. 2.

Schieder klagt ÖVP Landessekretäre: Lasse mir Verleumdung nicht gefallen. In: Arbeiterzeitung vom 11.03.1986, S. 3.

Affäre Waldheim: SPÖ „zerlegt“ Verleumdungskampagne der ÖVP. In: Arbeiterzeitung vom 12.03.1986, S. 2.

Den Stolperstein legte Kurt Waldheim selbst. In: Arbeiterzeitung vom 13.03.1986, S. 5.

SPÖ führt pro Steyrer Wahlkampf und keine Anti Waldheim Kampagne. In: Arbeiterzeitung vom 14.03.1986, S. 4.

Steyrer will in Brief an Parteichefs Mäßigung erzielen. In: Arbeiterzeitung vom 18.03.1986, S. 3.

Waldheim Akt: Er war beim NS Reiterkorps. In: Arbeiterzeitung vom 21.03.1986, S. 2.

298 Anm.: Die Quellen die für die Analyse verwendet wurden sind nach der jeweiligen Zeitung sowie chronologisch (aufsteigend) hier angeführt. 92

SP Reaktionen auf neue VP Panik: Waldheim widerlegt sich selbst. In: Arbeiterzeitung vom 22.03.1986, S. 2. Griechenland: Wussten was da vorging. In: Arbeiterzeitung vom 25.03.1986, S. 3.

Graff Austritt gegen SPÖ wegen Gauakten. In: Arbeiterzeitung vom 26.03.1986, S. 2.

Wer kann sich schon an alles erinnern? In: Arbeiterzeitung vom 28.03.1986, S. 3.

Andy, Kaltenbrunner: Zu spät geboren? In: Arbeiterzeitung vom 29.03.1986, S. 3.

Pelinka, Peter: Kurt Waldheim. In: Arbeiterzeitung vom 03.04.1986, S. 4.

Lackner, Herbert: Zeugen für Kurt Waldheim ließen viele Fragen offen. In: Arbeiterzeitung vom 04.04.1986, S. 2 – 3.

Hoffmann – Ostenhof, Georg: Saloniki ein Lokalaugenschein. In: Arbeiterzeitung vom 07.04.1986, S. 4 – 5.

Waldheim verschleiert bewusst die Vergangenheit. In: Arbeiterzeitung vom 21.04.1986, S. 3.

Hoffmann – Ostenhof, Georg: Welt in Bewegung: Poor Standard. In: Arbeiterzeitung vom 17.05.1986, S. 4.

Heinz Fischer: Niemand steht uns heute ferner als die ÖVP. In: Arbeiterzeitung vom 27.05.1986, S. 2. 9.2.2.2 Neue Kronenzeitung

Fink, Humbert: Die Moralisten. In: Neue Kronenzeitung vom 04.03.1986, S. 8.

ÖVP stellt sich vor Waldheim, SPÖ fordert volle Aufklärung. In: Neue Kronenzeitung vom 04.03.1986, S. 2.

Gnam, Peter: Wilde Empörung und Wut in der ÖVP über „Kampagne gegen Waldheim. In: Neue Kronenzeitung vom 06.03.1986, S. 2 – 3.

Gnam, Peter: ÖVP verfolgt Spuren: Wer hat die Waldheim Kampagne angezettelt? In: Neue Kronenzeitung vom 07.03.1986, S. 3.

Gnam, Peter: Die Nazifratze. In: Neue Kronenzeitung vom 08.03.1986, S. 3.

93

Gnam Peter: Kampagne gegen Waldheim war seit Monaten sorgfältigst geplant. In: Neue Kronenzeitung vom 08.03.1986, S. 5.

Gnam, Peter: Mehrheit der Wähler nimmt Waldheim in Schutz. In: Neue Kronenzeitung vom 09.03.1986, S. 2 – 3.

Waldheim gegen Steyrer wird zur Schlammlacht. In: Neue Kronenzeitung vom 11.03.1986.

Kindermann, Dieter: Nur sein Pferd war bei der SA! In: Neue Kronenzeitung vom 12.03.1986, S. 3.

Kindermann, Dieter: Politik inoffiziell. In: Neue Kronenzeitung vom 21.03.1986, S. 2.

Reimann, Viktor: Widerstand ohne Gegner. In: Neue Kronenzeitung vom 23.03.1986, S. 2.

SPÖ zieht über Waldheim her. In: Neue Kronenzeitung vom 23.03.1986, S. 3.

Kindermann, Dieter: Zeitbombe tickt: 100.000 Gauakte im Keller. In: Neue Kronenzeitung vom 24.03.1986, S. 2.

Gnam, Peter: Der Fall Waldheim reißt Wunden auf. In: Neue Kronenzeitung vom 26.03.1986, S. 3.

Gnam, Peter: Waldheims Fehler. In: Neue Kronenzeitung vom 28.03.1986, S. 3.

Kindermann, Dieter / Niederl, Manfred: Waldheims Vorgesetzter im Krieg packt jetzt aus! In: Neue Kronenzeitung vom 28.03.1986, S. 2 – 3.

Kindermann, Dieter: Waldheims Name steht nicht in den Akten. In: Neue Kronenzeitung vom 29.03.1986, S. 2 - 3.

Reimann, Viktor: Es gibt keine Kollektivschuld. In: Neue Kronenzeitung vom 30.03.1986, S. 8.

Gnam, Peter: Die internationale Kampagne gegen Dr. Kurt Waldheim nimmt kein Ende. In: Neue Kronenzeitung vom 01.04.1986, S. 3.

Gnam, Peter: Kampagne gegen Waldheim wie Seifenblase geplatzt. In: Neue Kronenzeitung vom 02.04.1986, S. 2 - 3.

Gnam, Peter: Waldheim Dokumente: ÖVP setzt sich auf Spur von Fälschern. In: Neue Kronenzeitung vom 15.04.1986, S. 3. 94

Kindermann, Dieter: Kreisky attackiert Waldheim. In: Neue Kronenzeitung vom 01.05.1986, S. 3.

Gnam, Peter: Wilde Kampagne gegen Waldheim hat SPÖ Kandidat Kurt Steyrer nur geschadet. In: Neue Kronenzeitung vom 06.05.1986, S. 3.

Staberl: Fünf Wochen für die Bürokraten. In: Neue Kronenzeitung vom 18.05.1986, S. 10.

Staberl: Vergessen wir den Wahlkampf. In: Neue Kronenzeitung vom 09.06.1986, S. 2.

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