Oper Leip Zig Spielzeit 2019.2020
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OPER LEIPZIG SPIELZEIT 2019.2020 IN DEM WOGENDEN SCHWALL, IN DEM TÖNENDEN SCHALL, IN DES WELT-ATEMS WEHENDEM ALL … 13 WELT-ATEM ROMANTIK Prof.. Dr Pirmin Stekeler- Weithofer lehrt Philo sophie an der Universität Leipzig und war von 2008 bis 2015 Präsident der Sächsischen Akademie der Wissen schaften zu Leipzig. Möglicherweise wird kaum gerade für den Belcanto. Mozarts »Zauberflöte« ist eine Epoche der Kunst so eine Art vertonter Bildungsroman des 18. Jahrhun- wenig begriffen wie die derts. Das böse Wort Friedrich von H ardenbergs Romantik, zumal durchaus zu Goethes Projekt klassischer Bildung »Wilhelm offen und umstritten ist, Meisters Lehrjahre oder die Wallfahrt nach was alles unter sie fallen dem Adelsdiplom« trifft in gewissem Sinn schon soll. Ihre expressive Poesie, Malerei, Theater und Taminos Wallfahrt zu den Freimaurern. Wir Musik sind immerhin in unserem Land schon können dennoch mit Novalis die Schönheiten relativ fest mit so großen Namen verbunden wie (und das ›Klassisch-Moderne‹, wie er sagt) dieser Novalis oder Ludwig Tieck, Caspar David Friedrich, beiden Meisterwerke bereitwillig zugestehen. Carl Maria von Weber, Robert Schumann und Das »Capriccio« von Richard Strauss ist noch in schließlich Richard Wagner oder Anton Bruckner einem anderen Sinn klassisch als darin, dass als Vertreter einer so genannten Spät romantik es in seiner Form ganz dem Erzählmuster der im Übergang zum Expressionismus. Wie in der klassischen Komödie folgt. Thematisch nämlich Kunst überhaupt lohnt es sich aber auch hier, erinnert der Streit um den Vorrang der Musik an ihre gesamteuropäischen und partiell schon vor der Poesie schon an Augustinus, der diesen weltweiten Verflechtungen zu erinnern. Das Vorrang in »De musica« verteidigt. Die romantische Problem beginnt allerdings schon, wenn wir den Moderne steht dagegen, grob gesagt, für die Unterschied zwischen der ›Klassik‹ etwa Goethes Umkehrung, damit auch für eine gewisse Abkehr oder Mozarts und einer möglichen ›Romantik‹ von jeder ›Kritik‹ an einer vermeintlichen etwa bei e.t. a. Hoffmann oder Hector Berlioz › Programmmusik‹ in den üblichen Verteidigungen verbal explizit machen wollen, auch wenn die ›absoluter‹ Instrumentalmusik. Das Interessante Unterschiede relativ klar zeigbar bzw. hörbar sind. der ›romantischen‹ Bewegung in der Musik ist in Im tiefsten Sinn als klassisch für das Theater der Tat, dass diese besonders bei Wagner und Nach- überhaupt könnte die Formentradition der späteren folgern, etwa auch in den Symphonien Gustav antiken Komödie gelten. Seit dem Griechen Mahlers, mit dem Titan und damit dem Bezug zu Menander und den Römern Plautus und Terenz Jean Paul am Anfang, einem Text oder Plot ›dient‹ – prägt sie das (vertonte) Lustspiel ebenso wie das bis hin zur Moderne Leoš Janácˇ eks oder Francis Trauerspiel, die S tücke Molières ebenso wie die Poulencs. Über lokale Einführungen wie in der Shakespeares. Der »Liebestrank« von Donizetti späteren Filmmusik erhält Musik ihren expres- kann dabei, exempli gratia, für die italienische Oper siven Ausdruck oder sie vermittelt ihre (Gefühls-) als paradigmatisch angesehen werden, auch und Inhalte in einer Art impliziter Anspielung an bekannte Muster – wie in den musikalischen Moral‹ Shaftesburys und Hutchesons. Diese gehören Benthams wenden, dessen Sozialkontrolle, wie im »Carmen« oder »La Traviata« finden wir je neue Allegorien auf die Ausdrucksform der Orgelmusik alle zur Vorgeschichte der deutschen Romantik Sozialismus, darauf abzielt, das Durchschnittsmaß Aspekte zu diesem Thema. in den Symphonien Anton Bruckners. und sind als solche very british, was die Trennung von Leid und Schmerz zu verringern und das des Im »Tristan« ist also nicht nur Wagners eigenes Ver - Zur Frage, wie dieses Stück von Strauss in einer des Romantischen vom Klassischen in den Wohlgefühls irgendwie zu maximieren. Was aber hältnis zu seinen Gönnern, den Wesen doncks, politischen Diktatur als selbstreflexive, auch üblichen deutschen Literaturgeschichten schon soll gut daran sein, fragt Nietzsche, wenn Massen- in der Alternative dargestellt zwischen tödlichem ironisch-distanzierte und damit scheinbar unpoli- höchst fragwürdig macht. menschen wie gefangene Tiere ohne großen Auf- Treueverrat und asketischem Verzicht – wie er tische Kunst möglich gewesen ist, wäre freilich Und dennoch gibt es auch etwas Besonderes in der wand nur genug zum Essen haben? durchaus versöhnlich präsentiert wird in der Figur viel zu sagen. Hinweise, wie sie hier genannt sind, deutschen Vertiefung der romantischen Bewegung Vor diesem komplexen Hintergrund ist Richard des Hans Sachs der »Meistersinger«. Er stellt weit können ohnehin nur Begleit kommentare sein, in Europa ab 1800. Sie besteht in einer eigen- Wagners Oper »Tristan und Isolde« sozusagen eher das authentische Leben in eine Spannung zu die das Hören, Sehen und willigen Reaktion auf mindestens drei mit einander als eine Art Gipfel oder Summe der Romantik zu den äußeren Formen sozialkonventioneller im guten Fall das eigene verbundenen Krisen der Zeit. Frankreichs politi- verstehen. Wagner selbst wollte ganz offenbar Tugend. Verteidigt wird zwar ein Höchstmaß an DAS SCHÖNE Nachdenken vertiefen scher Aufstand gegen die Vorrechte von Adel und auch als Denker ernst genommen werden, und Subjektivität, aber in Unterordnung jedes Eigen- mögen. Sie dienen nicht Kirche im Königtum wird ergänzt durch eine zwar in allen späteren Stücken. Wie die Summen willens unter den außerordentlichen Anspruch der IST NICHTS ALS etwa der Verteidigung grundsätzliche Infragestellung des Ideals des Edel- des großen Thomas von Aquin für die Theologie Liebe: Die natürliche Zentrierung des Lebens einer Position. manns, das Goethe, wie Novalis klar sieht, noch des Mittelalters hebt aber gerade der »Tristan« im Subjekt ist in einer Art unendlicher Sehnsucht DES SCHRECK- Die Oper zieht schon von immer propagiert. Der Kampf um die politische alles bisher Dagewesene in einem mehrfachen nach Schönheit zu überwinden. ihrem Genre her, als Freiheit des Citoyen wird, zweitens, desavouiert Sinn auf und öffnet Türen für alle zukünftigen Dabei ist die rechte Ebene des Verstehens zu finden. LICHEN ANFANG. Musiktheater mit archi- durch den homo oeconomicus und dessen Slogan: Entwicklungen: Das Stück ist ein Wunder hörbar Es geht um die höchst allgemeine Einsicht in die Rainer Maria Rilke tektonischer Kulisse, ›Bereichert Euch!‹, wie der ›Bürgerkönig‹ gemachter Subjektivität. Es ist ein Hohelied nachgerade fundamentale Lebens haltung und sogar in ihrem freien Spiel alle Louis Philippe seine Herrschaft kapitalistischer ero tischer Liebe, wie es gerade noch ertragbar ist: ästhetische Technik der Sublimierung von Begehren Register gestufter Symbolisierungen. Sie ist in Bourgeoisie charakterisiert. Die Kritik an ihr »Das Schöne ist nichts als des Schrecklichen und Trieb, damit auch von Leid und Schmerz, sogar dieser deutungsoffenen Grundform sozusagen die ist ein Motiv in Wagners »Ring«, leider auch in Anfang«, sagt Rainer Maria Rilke in der ersten von Scheitern und Tod. Das steht in enger Bezie- Gesamtkunst erwachsenen Bürgertums. Daher seinem unsäglichen Antisemitismus. Im theo »Duineser Elegie«, »den wir grade ertragen«, und hung zum amor fati Spinozas, der uns allen bekann- geht es in ihren Aufführungen nie bloß um eine retischen Hinter grund aber steht, drittens, eine völlig das heißt auch: je hier und jetzt. An die Stelle termaßen die Liebe zum je tatsächlichen Geschick Darstellung von Werken vergangener Epochen, allgemeine Subjektivierung und Pragmatisierung stoischer Distanz, wie sie Schopenhauer predigt, empfiehlt. Auch Nietzsche greift diese Forderung zumal es ohne Bindung an unsere Vergangenheit der Wahrheit, vom schottischen Skeptiker David setzt Wagner die ästhetische Vergegenwärtigung auf, die unabwendbare Endlichkeit von Leben und generell keine authentisch begriffene Gegenwart Hume bis zu Kant: Die Welt insgesamt ist bloß von Leidenschaft, die selbst kaum besser zu Welt sozusagen mit Leidenschaft anzu erkennen. und schon gar keine bewusste Haltung zur Zukunft Erscheinung, je meine Welt. Was sie darüber hinaus charakterisieren ist als durch die wunderbaren Wagner hatte das aber schon jedem, der hören und gibt. Wenn wir dabei die Romantik ganz allgemein an sich sein könnte, können wir nicht wissen und Sätze Christian Morgensterns: »Enthusiasmus denken kann, eindrücklichst vorgeführt. Das zu charakterisieren versuchen, könnten wir sie als geht uns, so scheint es, nicht weiter an. ist das schönste Wort der Erde.« Denn sein Wort- unruhige Herz findet nicht, wie bei Augustinus, in Bewegung der Selbstfindung der je eigenen Tradi- Der doppelte Pessimismus Arthur Schopenhauers, laut drückt das Sein im Göttlichen aus. Und: einem mythischen Jenseits Erfüllung. Die höchste tion in partiellem Kontrast zu der des klassischen des für das große Publikum neben seinem späten »Der Dichter schaut im Tod das Leben und im Lust liegt vielmehr in der stetig drängenden Sehn - Griechenland oder der römischen Antike ver- Schüler Friedrich Nietzsche wirkmächtigsten Philo - Lebendigen den Tod.« In der Tat bezahlt schon sucht nach Liebe im Leben selbst. Der Tod ist nur stehen. Insgesamt beginnt dies sozu sagen an der sophen der Romantik, wenn man diese so all- in Clemens Brentanos urromantischem Roman deren Ende, nicht ihre Erfüllung. Er ist in der Oper Peri pherie, in Schottland: Die europäische Begeis- gemein wie hier betrachten darf, beruht dann einer- »Godwi« der Held mit Namen Maria die Einsicht ohnehin symbolisch zu nehmen. Der (mittel- terung für den »Ossian«, diese nordische