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Das andere Melodrama. Vom Pathos der Fremdheit in Fassbinders 'Angst essen Seele auf', 'Die Sehnsucht der ' und 'Die bitteren Tränen der Petra von Kant'

Röttger, K.; Butte, M.

Publication date 2012 Document Version Accepted author manuscript Published in Prekäre Obsession: Minoritäten im Werk von

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Citation for published version (APA): Röttger, K., & Butte, M. (2012). Das andere Melodrama. Vom Pathos der Fremdheit in Fassbinders 'Angst essen Seele auf', 'Die Sehnsucht der Veronika Voss' und 'Die bitteren Tränen der Petra von Kant'. In C. Colin, F. Schössler, & N. Thurn (Eds.), Prekäre Obsession: Minoritäten im Werk von Rainer Werner Fassbinder (pp. 125-153). (Film). Transcript.

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Download date:28 Sep 2021 Inhalt

Einleitung Nicole Colin, Franziska Schössler und Nike Thurn | 5

Töte Amigo! Zur Archäologie von Fassbinders Filmen in LIEBE IST KÄLTER ALS DER TOD Rolf G. Renner | 27

Western Goes East. Fassbinders WHITY als Race-Melodrama Claudia Liebrand | 47

»Schrei, Whity, schrei« Sadomasochismus und Dynamiken der Macht in Fassbinders WHITY Priscilla Layne | 69

Peripherien zwischen Repräsentation und Individuation Die Körper der Minderheiten in Fassbinders KATZELMACHER und ANGST ESSEN SEELE AUF Özkan Ezli | 93

Das andere Melodrama Vom Pathos der Fremdheit in Fassbinders Filmen Kati Röttger und Maren Butte | 25

Über den zweifelhaften Fortschritt in Sachen Liebe Sexualität und strukturelle Gewalt in Fassbinders FONTANE EFFI BRIEST und MARTHA Nicole Colin | 155

Der Skandal, der keiner war Behinderung in Fassbinders CHINESISCHES ROULETTE Carol Poore | 177 ›Jüdische Kapitalisten‹ und Queerness in Fassbinders IN EINEM JAHR MIT 13 MONDEN und DIE SEHNSUCHT DER VERONIKA VOSS Franziska Schössler | 195

Keine Minderheitendramen Homosexuelle Minoritäten und Fassbinders Filme Volker Woltersdorff | 222

Ein krisenhaftes Bewusstsein Fassbinders In einem Jahr mit 13 Monden Senta Siewert | 239

Ein »Reicher Jude« – und dessen Konstrukteure Zur Darstellung von Juden und Antisemiten in Fassbinders Der Müll, die Stadt und der Tod Nike Thurn | 267

»Deutschland ist Weltmeister!« Zur Dekonstruktion eines politischen Mythos in Fassbinders DIE EHE DER MARIA BRAUN Tilman Heisterhagen und Uwe Jun | 293

Imagination des Minoritären Terroristen in Fassbinders DIE DRITTE GENERATION Valentin Rauer | 357

Die Anschaulichkeit der Verhältnisse Zu Fassbinders Politik des Ästhetischen Alexander Zons | 373

Filmverzeichnis | 391

Autorinnen und Autoren | 397

Das andere Melodrama Vom Pathos der Fremdheit in Fassbinders Filmen

KATI RÖTTGER UND MAREN BUTTE

FÜR († 31.8.2011)

Ein expressiver Filmmoment: Eine ältere Frau im blau-karierten Mor- genmantel und mit dürftig getöntem rotem Haar öffnet hastig die Tür ihrer Münchner Altbauwohnung und stürzt ins Treppenhaus. Sie ruft mit verzweifelter Stimme Ali, ihren Geliebten, einen marokkanischen Einwanderer (El Hedi ben Salem), mit dem sie allen Widerständen zum Trotz zusammenlebt. Doch er kommt nicht zurück. Emmi (Brigit- te Mira), die verzweifelt Liebende und mit dem Missfallen ihrer Freunde und Kinder kämpfende Figur, bricht in Tränen aus, lehnt sich gegen den leicht schäbigen, weiß gestrichenen Türrahmen und weint zitternd (Abb. 1). Dieser Moment in Fassbinders ANGST ESSEN SEELE AUF (BRD 1974) folgt dem Schema eines sentimentalen Liebesfilms im Stile Hollywoods, in dem eine zumeist weibliche Figur Opfer einer sozial nicht tragbaren Liebesbeziehung wird. Ihr Pathos gerinnt in ei- nem Moment des exaltierten leidvollen Ausbruchs zu einem emotiona- len Bild.1 Die Szene von Emmis Verzweiflung verweist demnach auf

1 Zu dieser Form des melodramatischen Ausdrucks vgl. Kappelhoff, Her- mann: Matrix der Gefühle. Das Kino, das Melodrama und das Theater der Empfindsamkeit, Berlin: Vorwerk 2004; Heeg, Günther: Das Phantasma der natürlichen Gestalt. Körper, Sprache und Bild im Theater des 18. Jahr- hunderts, Frankfurt a.M.: Stroemfeld 2000 sowie Butte, Maren: Melodra-

124 | KATI RÖTTGER UND MAREN BUTTE eine prototypisch melodramatische Situation, nämlich die Inszenierung eines tragischen Konflikts, der sich nicht wirklich entladen will;2 ein intimer, innerer Konflikt, der sich in einer ästhetisierten Passion ver- äußert, in einer ›Sprache‹ des Gefühls.

Abbildung 1: Brigitte Mira

Quelle: ANGST ESSEN SEELE AUF (BRD 1974, R: R. W. Fassbinder), DVD, Kinowelt (2007)

Und doch passt diese so typisch melodramatisch inszenierte Szene nicht recht ins übliche Bild. Emmi ist nicht die reife, hingebungsvolle Schönheit, deren Mimik und Gestik sich stilvoll in die Filmikono- graphie fügt. Und Ali ist nicht der stramme Naturbursche à la Rock Hudson, dessen entwaffnende Aufrichtigkeit das Herz der Heldin er- obert – so die Konstellation in Douglas Sirks Hollywood-Melodram ALL THAT HEAVEN ALLOWS (USA 1955), an dem sich Fassbinder in 3 ANGST ESSEN SEELE AUF bekanntermaßen orientierte. Es gibt etwas

matische Figuren. Affektive Bilder im Wechsel der Medien (= Unveröf- fentlichte Dissertation 2011). 2 Vgl. Elsaesser, Thomas: »Tales of Sound and Fury. Observations on the Family Melodrama«, in: Christine Gledhill (Hg.), Home is where the heart is. Studies in Melodrama and the Woman’s Film, London: Brit. Film Insti- tute 1987, S. 43-69. 3 Vgl. Fassbinder, Rainer W.: »Imitations of Life. Über die Filme von Dou- glas Sirk«, in: Michael Töteberg (Hg.), R.W. Fassbinder. Filme befreien

DAS ANDERE MELODRAMA | 125 anderes in Fassbinders Melodramen.4 Dieses Andere liegt nicht nur in der sozialen Fremdheit der Figuren, ebenso wenig in einem Anachro- nismus von Kitsch und Kunst, Ernst und Lächerlichkeit der Leiden- schaften, wie sich in Fassbinders Exposé zum Film andeutet:

»Zur Minderheit der Alten und Einsamen gehört die Witwe Emmi (Brigitte Mira). Zur Außenseiterkaste der Gastarbeiter zählt Ali, ein junger Marokkaner (El Hedi Salem). Sie begegnen einander in einer Ausländerpinte, wagen einen linkischen Tango und gehen zu Emmi nach Hause. Dann heiraten sie. Und als Kolleginnen, der Kaufmann, Hausbewohner, die eigenen Kinder von Mutter Emmi nichts mehr wissen wollen, als Ali bei der üppigen Kneipenwirtin (Bar- bara Valentin) fremd geht – da bewährt sich ihr Verhältnis erst recht. Zusam- men sind sie stark. Und ihre Solidarität überwindet Angst und Vorurteile.«5

Das Andere des Fassbinder’schen Melodramas – so lautet unsere The- se – lässt sich vielmehr als ein Pathos des Fremd-Werdens beschrei- ben, als ein struktureller Prozess, der durch spezifische Dramaturgien des Sehens und Beobachtetwerdens6 ausgelöst wird. Den Prozess der Fremdwerdung verstehen wir dabei mit Bernhard Waldenfels als eine

den Kopf. Essays und Arbeitsnotizen, Frankfurt a.M.: Fischer 1992, S. 11- 24, hier S. 12-14 sowie den Abschnitt: Gesehen-Werden. Das soziale Ta- bleau in ANGST ESSEN SEELE AUF im vorliegenden Beitrag. 4 Die Forschungsliteratur betont Fassbinders Affinität zum melodramati- schen Hollywoodfilm. Vgl. Elsaesser, Thomas: Fassbinder’s . Hi- story, Identity, Subject, Amsterdam: UP 1996; Wojtko, Nikolai: »Nach- Ahmungen oder: Wieviel Text steckt in einem Film? Zu ALL THAT HEA- VEN ALLOWS von Douglas Sirk und HÄNDLER DER VIER JAHRESZEITEN von Rainer Werner Fassbinder«, in: Margrit Frölich/Klaus Gronen- born/Karsten Visarius (Hg.), Das Gefühl der Gefühle. Zum Kinomelo- dram, Marburg: Schüren 2008, S. 142-153; Allmer, Tillman: Zur Funktion des Melodramatischen in Fassbinders Film LOLA, München: Grin 2008. 5 So zu lesen auf dem Cover der DVD, erschienen bei e-m-s, Rainer Werner Fassbinder Collection Spielfim, Werksverzeichnis 23. 6 »Ich bin nicht interessiert, Beobachtungen zu zeigen, sondern eher die Na- tur des Beobachtet-Werdens«, R.W. Fassbinder zitiert nach: Hughes, John/McCormick, Ruth: »Rainer Werner Fassbinder and the Death of Fa- mily Life«, in: Thousand Eyes Magazine April (1977), S. 4-5, hier S. 4.

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Bewegung der ständigen Verschiebung.7 Unter dieser Prämisse möch- ten wir zeigen, dass Fassbinder gängige Elemente des Melodramati- schen verwendet, diese aber neu anordnet und sie in ein anderes Me- lodram transformiert – besonders hinsichtlich einer wechselhaften Po- litik der Gefühle, die soziale Dramen verursacht und in diesen wirk- sam ist. Dabei greifen soziale und ästhetische Fremdheit in der Insze- nierung von Befremdung ineinander. In der Bildsprache Fassbinders scheinen die zwischenmenschlichen Beziehungen und sozialen Hierar- chien in einer Logik des Sehens und Gesehen-Werdens zu entstehen, wie auch Thomas Elsaesser in seiner Monographie zu Fassbinder im- mer wieder.8 Im Folgenden wollen wir diesen Gedanken weiterführen. Am Beispiel der drei kanonischen Filmdramen ANGST ESSEN SEELE AUF, DIE SEHNSUCHT DER VERONIKA VOSS (BRD 1982) und DIE BITTE- REN TRÄNEN DER PETRA VON KANT (BRD 1972) sollen Strategien der erzählten, sozialen Fremdwerdung und der ästhetischen »Fremdma- chung«9 aufgezeigt werden. Dabei wird sich zeigen, dass die melo- dramatische Ästhetik oder die ›Sprache des Gefühls‹ nicht zuletzt an eine ›Sprache der (Bild-)Räume‹ gebunden ist, die Fremdheit auf un- terschiedliche Weise in Szene setzen. Während sich DIE BITTEREN TRÄNEN DER PETRA VON KANT ausschließlich im klaustrophobisch er- scheinenden Privatraum abspielt, erweitert ANGST ESSEN SEELE AUF diesen in den sozialen Raum der unmittelbaren Nachbarschaft der Le- benswelt von Emmi und Ali. DIE SEHNSUCHT DER VERONIKA VOSS schließlich überblendet private und soziale Räume mit dem psychi- schen Raum der Imaginationen. Wie werden in diesen Räumen Blicke,

7 Vgl. Waldenfels, Bernhard: Topographie des Fremden. Studien zur Phä- nomenologie des Fremden 1, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1997, S.37f.: »Die Bewegung des Fremdwerdens kann nicht nur wechselnde Steigerungsgra- de durchlaufen, sie kann auch verschiedene Richtungen einschlagen. Dar- aus entstehen verschiedene Fremdheitsvektoren. Fremdwerden kann darin bestehen, daß ich, getragen durch eine Wir-Gruppe, die Anderen als Frem- de erfahre, oder darin, daß ich mich selbst anderen gegenüber als Fremder fühle, so wie ich mich primär um meinen eigenen Tod oder um den Tod Anderer ängstigen kann.« 8 Vgl. Elsaesser, Thomas: Rainer Werner Fassbinder, Berlin: Bertz und Fi- scher 2000. 9 Wir vermeiden an diesem Punkt explizit den Begriff der Verfremdung, der zu eindeutig mit dem Epischen Theater Bertolt Brechts assoziiert ist.

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Körper und Gefühle so zueinander in Beziehung gesetzt, dass »klassi- sche« Machtstrukturen mit Fremdheit durchzogen werden und ein Raum der Differenz oder eine Sphäre des Andersseins entsteht?

GESEHEN-WERDEN. DAS SOZIALE TABLEAU IN ANGST ESSEN SEELE AUF

Fassbinder bezog sich mit ANGST ESSEN SEELE AUF auf die Arbeiten des Hollywoodregisseurs Douglas Sirk. Beide hatten während ihrer Zeit als Theaterdramaturg und -regisseur eine je eigene, symbolische Bildsprache entwickelt,10 die auf je unterschiedliche Weise in ihren Filmen anwesend ist, bei Sirk vor allen in seinen Hollywood-Filmen der 1950er Jahre.11 Diese family melodramas, die sich durch ein ex- pressives Szenenbild auszeichnen und in denen die ›Handschrift des Autors‹ deutlich sichtbar ist,12 wurden für ein vorwiegend weibliches Publikum gedreht. Im Vordergrund standen jeweils familiäre Ge- schichten, deren Beziehungs-, Geld- und Machtkonflikte aus einer weiblich bestimmten Erzählperspektive gezeigt wurden. Auf diese symbolische Formen- und Farbsprache, die den Dialog zugunsten ei- ner visuell-erzählenden mise en scène zurückdrängte, bezog sich Fass- binder, indem er den melodramatischen Grundkonflikt einer prekären

10 Der dänisch-deutsche Hans Detlef Sierck (1897-1987) arbeitete von 1920 bis 1921 als Dramaturg am Deutschen Schauspielhaus in . Von 1929 bis 1935 war er Intendant des Alten Theaters und auch in Berlin tätig. Er inszenierte u.a. Shakespeare, Strindberg und Brecht. Nach ersten Kurzfilmen wurde Fassbinder 1967 im Ensemble des jungen Action-Theaters um Ursula Strätz, und Kurt Raab als Mitglied aufgenommen. Daraus ging das antiteater hervor. 11 Vgl. Läufer, Elisabeth: Skeptiker des Lichts. Douglas Sirk und seine Fil- me, Frankfurt a.M.: Fischer 1987. Diese Bildsprache war u.a. geprägt durch Leopold Jeßner, der am Thalia Theater bereits zwischen 1904 und 1914 mit atmosphärischen und symbolischen Farbflächen und Licht anstatt mit Dekor gearbeitet hatte, sowie durch seine Begegnung mit Max Rein- hardt, Mary Wigman und La Argentina zwischen 1926 und 1929. 12 Vgl. Gledhill, Christine: »The Melodramatic Field. An Investigation«, in: Dies., Home is where the heart is. Studies in Melodrama and the Woman’s Film, London: Brit. Film Institute 1987, S. 5-39.

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Liebesbeziehung übernahm und variierte. Wurde in ALL THAT HEA- VEN ALLOWS die Protagonistin Cary Scott (Jane Wyman) von ihrem sozialen Umfeld ausgegrenzt, weil sie sich in ihren jüngeren Ange- stellten (Rock Hudson) verliebt hatte, so ist in Fassbinders Melodrama der Konflikt übertragen auf die Liebesbeziehung zwischen der älteren verwitweten Putzfrau Emmi Kurowski und dem jüngeren Ausländer Ali im Deutschland der 1970er Jahre. Die Alters- und Herkunftsdiffe- renz der Figuren erscheint damit wiederholt und verstärkt. Brigitte Mi- ra ist in der Rolle der Emmi darüber hinaus auf ähnliche Weise ins Filmbild gebannt: Cary Scott wurde von Sirk immer wieder hinter Fensterglas oder eingesperrt in ihrem reich dekorierten Haus gezeigt und wirkt dabei wie leidend ›in den Film gemalt‹. Auch Emmi ist mit viel Pathos bildhaft dargestellt, eingesperrt im Setting, in dem – in Re- ferenz auf Sirk – die Pastellfarben dominieren und wechselnde Ein- drücke der Ausgrenzung gezeigt werden. Die Figur der liebenden Frau, die zum Opfer von seelischer oder körperlicher Gewalt wird und die im Raum der Blicke schön in Szene gesetzt wird, nutzen beide Re- gisseure als Dreh- und Angelpunkt der sozial-melodramatischen Ge- schichten, aber mit unterschiedlichem Ergebnis. Fassbinder lässt nicht nur die obligatorische musikalische Untermalung, das Melos,13 aus, er verlegt auch den Handlungskonflikt weiter und prägnanter aus der pri- vaten in die soziale Sphäre.14 In einer vergleichenden Lektüre der Fil- me Sirks und Fassbinders macht Douglas Kellner darauf aufmerksam, dass beide Autoren patriarchale, ökonomische und sexuell-repressive Machtmechanismen über Geschichten und Figuren unterschwellig dar- stellten. Doch sei in Sirks Arbeiten stets ein gewisser Restgrad an Af- firmation und Idealisierung anwesend; das zeige auch das obligatori- sche Happy End.15 Fassbinder hingegen schöpfe das sozialkritische Potenzial der melodramatischen Bildsprache aus.16 Dafür verwendet er

13 Zum Melos siehe den Abschnitt: Passion der Banalitäten. DIE BITTEREN TRÄNEN DER PETRA VON KANT im vorliegenden Beitrag. 14 Der Arbeitstitel des Films von 1974 lautete ALLE TÜRKEN HEIßEN ALI und beleuchtet Ausländerfeindlichkeit im Zusammenhang mit der heterogenen Liebesthematik. 15 Vgl. Brandt, Stephan: Film as Symbolic Action. Douglas Sirks IMITATION OF LIFE (1959) als Paradigma kultureller Selbstverständigung im Amerika der 1950er Jahre, Berlin: FUP 1999. 16 Ebd., S. 29.

DAS ANDERE MELODRAMA | 129 besondere, die Bildsprache radikalisierende Verfahren: szenische Langsamkeit und Schwere, eine extreme Tiefenschärfe der Einstellun- gen sowie ein verstärkt gestisches Spiel der Darsteller, das aus der Fik- tion und einer melodramatischen Inszenierung der Gefühle hervor- sticht und die Zuschauer immer wieder irritiert und ›denken‹ lässt. Fassbinders Melodramen sind aufgrund dieser Ästhetik beispielsweise auch als »Verkörperungen einer Latenz« interpretiert worden, die man mit dem Nachkriegs- und Nachaufschwungsdeutschland assoziieren kann, mit einem Klima des Traumas, der Verdrängung und Unsicher- 17 heit allem Fremden gegenüber. Dabei ist besonders für ANGST ESSEN SEELE AUF – auch im Gegensatz zu melodramatischen Hollywood- Figuren – zu bemerken, dass weder die Heldin noch der Held rein po- sitiv oder negativ im Sinne einer vereinfachenden (Mit-)Täterschaft bewertet werden können: In der Geschichte betrügt Ali Emmi, wäh- rend Emmi ihren Kolleginnen bei einem Besuch den nackten, schönen und exotischen Körper ihres jungen Liebhabers in einem hemmungslo- sen Zurschaustellen präsentiert, um Anerkennung und Aufnahme in die Gemeinschaft zu erfahren. Macht, Ausbeutung, Exklusionen, aber auch Liebe, Gemeinschaft und Menschlichkeit sind also variabel, ja geradezu prekäre Konstellationen. Sirk und Fassbinder entfalten also mehr oder minder kritische Perspektiven und konzentrieren sich bei der Darstellung des Konflikts auf weibliche Figuren, die zunächst eine Minorität im Sinne einer Ohnmacht (der Gefühle) repräsentieren. In seinem Artikel über Philo- sophie und Minorität schreibt Gilles Deleuze, dass der Minorität ein »potentielles Werden« eigen sei, während sich die Majorität aus einer Konstante herleite:

»Zwischen Minorität und Majorität besteht ein nicht nur quantitativer Gegen- satz. Majorität impliziert eine Idealkonstante, gleichsam ein Standardmaß, an dem sie berechnet, verbucht wird. Nehmen wir an, die Konstante oder das Maß lautete: Mensch – weiße Hautfarbe – männlich – erwachsen – vernünftig – he- terosexuell – Stadtbewohner – eine Standardsprache sprechend […]. Es liegt auf der Hand, daß der Mann die Majorität hat, selbst wenn er weniger zahlreich

17 Zum Begriff des Traumatischen in den Filmen Fassbinders vgl. Chappu- zeau, Bernhard: Transgressionen und Trauma bei Pedro Almodóvar und R.W. Fassbinder. Gender – Memoria – Visum, Tübingen: Narr 2005, S. 11.

130 | KATI RÖTTGER UND MAREN BUTTE ist als die Mücken, die Kinder, die Frauen, die Schwarzen, die Bauern, die Homosexuellen usw. Das kommt daher, weil er zweifach auftaucht, einmal in der Konstante, einmal in der Variablen, aus der die Konstante gezogen wird.«18

Diese Logik des Minoritärwerdens beschreibt hier eine Reibung der Konstanten und der Variablen, von Dominanz und Potenzialität. De- leuze bestimmt hier Prekarität auf eine Weise, dass beispielsweise auch das Weibliche als minoritär zu denken wäre, obwohl es laut Stati- stiken mehr Frauen als Männer auf der Welt gibt. Als eine symboli- sche Konstellation verstanden kann dieses Modell für die Filme Sirks und Fassbinders gelten, die sich mit Prozessen der Ausgrenzung in der Bildsprache des Melodramas befassen: Konstanten und Variablen der Macht verschieben sich und schaffen in der besonderen Bildästhetik Fassbinders neue Machtgefüge aus Blicken, Körpern, Gefühlen und Räumen. In einem Essay von 1971 schreibt Fassbinder, dass Sirk Fil- me mit »wahnsinnigen Sachen«, genauer mit Menschen, mit Blut, Spiegeln, Blumen, Tränen, Gewalt und Liebe gemacht und gesagt ha- be, »das Licht und die Einstellung« seien die »Philosophie des Regis- seurs«.19 Fassbinder bestimmt hier nicht nur die Gegenstände, mit de- nen man etwas erzählt, er legt auch das Grundelement der Ästhetik und der Repräsentation von (Ohn-)Macht offen: die Einstellung als »Philosophie«, als eine Perspektivierung der Repräsentation der Din- ge. Dies ist nicht nur als Erklärung der Autorschaft des Filmemachers zu verstehen, sondern auch als eine spezifische Verräumlichung einer Machtordnung oder auch als eine Politik des Sehens. Wie ist die Politik des Sehens in ANGST ESSEN SEELE AUF zu bestim- men? In der eingangs beschriebenen Szene bricht Emmi an der Tür- schwelle zusammen und schluchzt, völlig entkräftet von den Ereignis- sen. Doch es ist ein anderes Weinen als das Weinen in ALL THAT HEAVEN ALLOWS, das zumeist musikalisch untermalt ist und einer konsistenten Dramaturgie des Schönen und Sentimentalen folgt. In ANGST stellt sich in solchen Momenten sogleich eine Form der Beun- ruhigung ein. In der Filmsequenz, die Emmis Zusammenbruch zeigt, ist die Bildkomposition leicht diagonal angeschnitten und die Kamera

18 Deleuze, Gilles: »Philosophie und Minorität«, in: Joseph Vogl (Hg.), Ge- meinschaften. Positionen zu einer Philosophie des Politischen, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1994, S. 205-207, hier S. 205. 19 Fassbinder: Imitations of Life, S. 11.

DAS ANDERE MELODRAMA | 131 zeichnet den Moment von unten auf; man sieht Emmis Körper weniger als zur Hälfte, das sehr hoch angebrachte Schloss der Tür verstärkt den Eindruck des kleinen Körpers. Auf diese Weise erscheint Emmi wie Sirks Figuren symbolisch eingesperrt in den Verhältnissen eines Bil- des, das ihr Leben repräsentiert, und gefangen in ihrer Emotion, die dem Körper wie eingeschrieben ist; doch wirkt Emmis Weinen im Vergleich wahrhaftiger.20 Obwohl ähnliche Bildstrategien wie bei Sirk verwendet werden, droht hier ein Kippen ins Hässliche und Groteske; das Analytische drängt den sentimentalen Genuss zurück.21 Die Per- spektivierung tritt deutlich kommentierend hervor – aufgrund einer verschärften Dramaturgie der Blicke und Räume. In den Figur-Bild- Komposition ist das Sehen und Gesehen-Werden stärker als bei Sirk auf eine Schnittstelle des Sozialen, Ästhetischen und Philosophischen bezogen. Dies zeigt sich in mehreren Szenen. Nachdem Emmi und Ali geheiratet haben, erfahren sie von allen Seiten Skepsis und andere Formen mehr oder minder subtiler Gewalt – im Lebensmittelgeschäft wird Ali nicht bedient, Emmis (Schwieger-)Kinder wenden sich em- pört von ihr ab, ihre Kolleginnen lassen sie in der Mittagspause allein auf der Treppe essen. »Keiner schaut einem mehr richtig ins Gesicht«, beklagt sich Emmi in einer Szene. Sie möchte gesehen werden – in der Gruppe, in der Gemeinschaft und in der Beziehung.22 Sehen heißt hier Sein und Anerkanntwerden im sozialen Sinne; Gesehen-Werden ist hier für Identität und für emotionale Stabilität grundlegend und in Fil- men Fassbinders in keiner Weise als banal zu verstehen, sondern als unausweichliche Machtkonstellation, verdeutlicht in symbolischen Bildern. In seiner Studie zu Fassbinder beschreibt Thomas Elsaesser dieses Gesehen-Werden als Grundfiguration. Die Figuren seien regel- recht »image-personators« und würden sich selbst in den Blick der Kamera bewegen:

»Esse est percipi in Fassbinder’s films. Yes, but the inverse also applies: if in order to exist one has to be perceived, it is also true that in order to be per-

20 »Wahrhaftigkeit« ist für Fassbinder ein zentraler Begriff – bereits in seiner Theaterarbeit. Vgl. Freybourg, Anne Marie: Bilder lesen. Visionen von Liebe und Politik bei Godard und Fassbinder, Wien: Passagen 1996, S. 53. 21 Zum Begriff des sentimentalen Genießens vgl. H. Kappelhoff: Matrix der Gefühle, S. 20. 22 Vgl. die Szene im Biergarten in ANGST ESSEN SEELE AUF (ca. 57. Min.).

132 | KATI RÖTTGER UND MAREN BUTTE ceived, one has to be an ›image‹, a recognizable representation: this, for in- stance, is the way the classical Hollywood cinema ›sutures‹ the field of the visible and the field of the look. However, as argued above, the look in Fass- binder is also a kind of imposture, because there is already another look in which the stare, the hostile or desiring look of the characters is enfolded, ›held‹.«23

Emmi positioniert sich also in einem ›Feld des Sichtbaren‹, um wahr- genommen zu werden und zwar in einem mehr als metaphorischen Sinne. Elsaesser erklärt hier die Bildwerdung der Figuren an der Schwelle zwischen Sozialität, Philosophie und Ästhetik, indem er die Bildkomposition dreifach ausdeutet. Zentral wird hier die Dimension des Kamerablicks, die sich mit dem des Zuschauers überblendet. In dieser wiederkehrenden Blickkonstellation wird das Leben der beiden Helden aus einer voyeuristisch-anmutenden Perspektive dargestellt und gleichsam seziert. Die einzelnen Szenen scheinen sich in dieser Hinsicht wie Tableaux im bewegten Film aneinanderzureihen. Das Tableau vivant als eine ästhetische und intermediale Kategorie,24 in der sich die Figuren kurzzeitig in einer bedeutungsvollen Weise grup- pieren, ist in ANGST ESSEN SEELE AUF auf die Spitze getrieben. In der Anordnung der Räume und Körper werden Sphären der Macht und der Andersheit als soziale Konfigurationen inszeniert. Das Schauspiel er- scheint hier im Sinne Brechts episch und wird in dieser Geste produk- tiv fremd.25 Eine Szene des Films veranschaulicht diese Politik des Se-

23 T. Elsaesser: Fassbinder’s Germany, S. 68. 24 Das Tableau beschreibt als theatrale Praxis und als gesellschaftliche Un- terhaltungsform seit seiner Entstehung im 18. Jahrhundert einen Moment der Stasis, eine Art Bildwerdung des Köpers für eine kurze Dauer. Zu Ge- schichte und Ästhetik des Tableau vivant im Medienwechsel vgl. Jooss, Birgit: Lebende Bilder. Körperliche Nachahmung von Kunstwerken in der Goethezeit, Berlin: Reimer 1999; Barck, Joanna: Hin zum Film, Zurück zu den Bildern. Tableaux Vivants: Lebende Bilder in Filmen von Antamoro, Korda, Visconti und Pasolini, Bielefeld: transcript 2008; Folie, Sabi- ne/Glasmeier, Michael (Hg.), Tableaux Vivants. Lebende Bilder und Atti- tüden in Fotografie, Film und Video (= Ausstellungskatalog Tableaux Vi- vants 24.5.-25.8.2002), Wien: Kunsthalle 2002. 25 Aufbauend auf einer marxistischen Gesellschaftskritik, angeregt von Erwin Piscators proletarischem Theater und beeinflusst von der Peking-Oper

DAS ANDERE MELODRAMA | 133 hens eindrücklich: Nur einige Filmminuten vor Emmis Zusammen- bruch an der Türschwelle verbringt das Ehepaar einen Nachmittag im Biergarten. Es ist verregnet, sie sind die einzigen Gäste, umringt von gelben Plastikstühlen, die einen ironisch-fröhlichen Kontrast zur düste- ren Stimmung bilden. Während die Kamera an Emmi heranfährt, die am liebsten mit Ali allein auf der Welt wäre und die anderen als neidi- sche »Schweine« beschimpft, formiert sich erneut eine prägnante Kon- stellation, ein Blickfeld der Macht. Zunächst ist das Paar in der Di- stanz sichtbar, gerahmt von zwei Bäumen, wobei die Perspektive er- neut wie in Anführungszeichen angeschnitten ist. Man sieht wie Ali sich umdreht und die nächste Einstellung zeigt, was er sieht: eine Gruppe von Menschen, die in einem Tableau vivant verharrend das Liebespaar anstarren (Abb. 2). Es handelt sich um zwei Kellner sowie ein älteres und ein junges, modisch gekleidetes Paar, die zu einer Spit- ze angeordnet sind: Vorne steht der Oberkellner und jeweils zu seinen Seiten stehen asymmetrisch gruppiert die weiteren Repräsentantinnen und Repräsentanten der Gesellschaft. Der Blickpfeil als symbolisches Bild wirkt in seiner Diagonalen dynamisch und trotz der Stasis und geordneten Unbewegtheit aggressiv; er lässt das Paar in einer intimen, liebevollen Isolation hervortreten. Dann fährt die Kamera näher heran, umkreist Emmi und bleibt schließlich in der Blickperspektive Alis ste- hen: Sein wiederum durch die Kadrage angeschnittener Hinterkopf und seine Schulter bleiben seitlich sichtbar, Emmi ist in der Frontalen, aber wiederum aus dem Zentrum versetzt zu sehen. Sie kämpft mit den Tränen, während schließlich ihr Kopf auf die Hände herabsinkt und sie so versucht, sich dem Machtfeld der Blicke zu entziehen.

entwickelte Brecht in den 1930er Jahren das Epische Theater als Gegen- modell zum dramatischen oder aristotelischen, in dem durch den einfüh- lenden Nachvollzug der Handlung die Zuschauer geläutert werden sollten (Katharsis). Im (beispielsweise durch einen Erzähler oder Chor) episierten Theater sollte das kritische Denken der Zuschauer angeregt werden. Die Begleitung durch geschriebene und gesprochen-kommentierende Sprache nimmt den Akt der Interpretation bereits vorweg, vgl. Brecht, Bertolt: Kleines Organon für das Theater, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1961.

134 | KATI RÖTTGER UND MAREN BUTTE

Abbildung 2: Tableau vivant

Quelle: ANGST ESSEN SEELE AUF (BRD 1974, R: R. W. Fassbinder), DVD, Kinowelt (2007)

Die Szene wirkt durch die Distanz der Einstellung und in der Anord- nung der Beobachter zu einem Tableau vivant theatralisch und büh- nenhaft – und dennoch auf gewisse Weise ›wirklich‹ im Sinne eines Nachvollzugs einer Erfahrung. Man könnte diese Art des Wirklich- Werdens mit dem Konzept der Grausamkeit von Antonin Artaud in Verbindung setzen.26 Insgesamt scheint es aber eine Frage des Verfah- rens Fassbinders und der Form dieser Szene zu sein. In seinem Artikel über eine Politik der Form in Fassbinders Filmen bearbeitet Hermann Kappelhoff jene Frage der »physischen Verortung der individuellen Existenz im Raum des Sozialen« und weist darauf hin, dass diese Art medialer Inszenierung nicht als »Repräsentation« von abstrakten Macht-, Hierarchie- und Abhängigkeitsverhältnissen zu verstehen sei. Vielmehr sei hier ein »Modus«, der die Erfahrungsmöglichkeiten Ein-

26 Zu Momenten des Theatralen im Sinne Antonin Artauds vgl. die Argu- mentation von Peucker, Brigitte: Incorporating Images. Film and the Rival Arts, Princeton: UP 1995, S. 147-155 sowie Artaud, Antonin: Das Theater und sein Double, München: Matthes u. Seitz 1996. Artaud stellt in dieser Schrift das Konzept eines antimimetischen Theaters vor, das der Sprache eine starke, authentische Physikalität im Ausdruck entgegensetzen will.

DAS ANDERE MELODRAMA | 135 zelner zum Ausgangspunkt mache, inszeniert.27 Vor diesem Horizont der Erfahrung von Gruppenzugehörigkeit, Vereinzelung und Exklusi- on bewegt sich die Bilderzählung Emmis und synchronisiert sie mit den Erfahrungen ihrer Zuschauerinnen und Zuschauer.

POSIEREN. GESEHEN-WERDEN-WOLLEN IN DIE SEHNSUCHT DER VERONIKA VOSS

Dieses Verfahren eines blickmächtigen Figurenarrangements, das eine einzelne Figur zum Objekt eines Andersseins, von Blicken und Gewalt macht und diese Vorgänge gleichsam in ihrer Form erfahrbar werden lässt, findet seine Wiederholung in Fassbinders spätem Melodram DIE SEHNSUCHT DER VERONIKA VOSS. Der Film erzählt die Geschichte der ehemaligen UFA-Schauspielerin Veronika Voss (Rosel Zech) im München der 1950er Jahre, die von ihrer Ärztin Dr. Marianne Katz (Annemarie Düringer) und deren Assistenten ihres Geldes wegen me- dikamentenabhängig gemacht und nach einem jahrelang andauernden Leidensweg in einen qualvollen Tod getrieben wird. Fassbinder setzt auch hier ein Drama der Blicke und des Sich-Positionierens im sozia- len Feld des Sichtbaren in Szene. Allerdings steht bei Veronika Voss – mehr als bei Emmi und Ali – das Moment des Posierens im Vorder- grund. Das Posieren stellt dabei einen Schutz- und Manipulationsme- chanismus dar28 und beleuchtet Prozesse des Fremdwerdens noch ein- mal neu und anders. Veronika Voss posiert unaufhörlich und doppelt für die Blicke: einerseits für die Augen der Figuren innerhalb der Ge- schichte, andererseits auch für die Kamera selbst, also für die Zu- schauerinnen und Zuschauer. Damit setzt sich die Figur aus Posieren und ständigen Blickverschiebungen zusammen. Die nervöse Veronika Voss ist in einer Traumwelt ihrer Erinnerung gefangen und hält sich, wahrscheinlich auch aufgrund der Medikamente, teils noch für die er-

27 Kappelhoff, Hermann: »Utopie Film. R.W. Fassbinder und die Frage nach einer Politik der Form«, in: Armen Avanessian/Franck Hofmann/Susanne Leeb u.a. (Hg.), Form. Zwischen Ästhetik und künstlerischer Praxis, Zü- rich/Berlin: Diaphanes 2009, S. 259-272, hier S. 259. 28 Vgl. Owens, Craig: »Posieren«, in: Herta Wolf (Hg.), Diskurse der Foto- grafie. Fotokritik am Ende des fotografischen Zeitalters, Bd. I und II, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2003, S. 92-114.

136 | KATI RÖTTGER UND MAREN BUTTE folgreiche UFA-Schauspielerin, die sie längst nicht mehr ist. Sie möchte auf bestimmte Weise gesehen und anerkannt werden, versucht ein Bild von sich zu inszenieren und zu manipulieren, scheitert jedoch damit. Auf diese Weise wird die verzweifelte Figur zunehmend zur Ausgegrenzten, die jede Kontrolle verloren hat.29 Die Schlussszene des Films bildet ein Amalgam aus dem heftigen körperlich-seelischen To- deskampf der Voss, eingesperrt im Krankenzimmer, und der als Paral- lelhandlung gezeigten, von Voss imaginierten Abschiedsfeier, in der sie im Fokus der Aufmerksamkeit steht. ›Reale‹ und imaginäre Räume verschmelzen in diesem sozialen Drama der Blicke miteinander. Der gesamte, statuarisch anmutende Film erscheint gar als eine verräum- lichte Imagination der Voss – in der irritierten Fremdbeobachtung – und als ein bewegter Katalog von dunklen Affekten, eines wechseln- den Posierens von Rosel Zech: Angst, Trauer, gespielte Fröhlichkeit, Verzweiflung, Abscheu und ein Wanken zwischen Narzissmus und Selbsthass manifestieren sich im mimischen und gestischen Spiel. Zech verkörpert die Rolle mit sehr viel Präsenz, betont theatralisch und übertrieben. Dieser Eindruck entsteht nicht nur durch die häufige, distanziert bühnenhafte Totale, sondern auch dadurch, dass sich Zechs Körper immer wieder auf viele Blickrichtungen hin auszurichten scheint. Dabei wird ihr Sprechen so intoniert, als müsse sie einen gan- zen Zuschauerraum erreichen. Der Sprachduktus erinnert an die über- trieben-deutliche bis naiv-wirkende Prosodie der UFA-Filme und sug- geriert eine altmodische Vornehmheit; das Melos, die musikalische Untermalung (durch Peer Raben) ist hingegen weitestgehend in den Hintergrund gedrängt.30 Diese nahezu solistisch-gestische Spielweise, die ein Psychodrama zwischen Privat und Öffentlich inszeniert, lässt die Blicke der Anderen als Gegenspieler auftreten, die sie aber nicht als Subjekt zeigen, sondern als Brechungen eines Anderen, Fremden,

29 Bezeichnenderweise wird das Melodram auch weniger aus der Perspektive der weiblichen Hauptfigur erzählt, sondern aus der eines Beobachters, des Sportreporters Robert Krohn (Hilmar Thate). 30 Zwar finden sich leitmotivische Melodien – beispielsweise erklingt bei Krohns Recherchen eine zwischen konventioneller Krimi-Musik und dem Zitterspiel in DER DRITTE MANN (UK 1949, R: Carol Reed/Graham Gree- ne) changierende, fast heitere Musik und in der Sterbeszene hört man ein Oster-Oratorium –, dennoch überwiegt der Eindruck der statischen Stille und bedeutsamen Schwere der Posen.

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Irrationalen stigmatisieren. Zu den Affektgesten der Voss treten erneut Tableau-vivant-Figurenanordnungen ins Filmbild, welche die Figur in einem Blickfeld der Macht als minoritär kennzeichnen.

PASSION DER BANALITÄTEN. DIE BITTEREN TRÄNEN DER PETRA VON KANT

»Ein Krankheitsfall. Gewidmet dem, der Marlene wurde«31

In DIE BITTEREN TRÄNEN DER PETRA VON KANT spielen sich schließ- lich (Blick-)Prozesse des Fremdwerdens im privaten Raum einer Mo- deschöpferin in Bremen ab. Auch dieses Film-Drama veranschaulicht zwischenmenschliche (Macht-)Beziehungen in emotionalen Zustän- den. Es zeigt, »was es heißt, Macht über das Liebesbedürfnis eines an- deren zu haben und inmitten wechselseitiger Abhängigkeiten zu le- 32 ben«. Ähnlich wie ANGST ESSEN SEELE AUF changiert der Film zwi- schen Melos und (sozialem) Drama, jedoch in einer Minimalanord- nung arrangiert. Melos ist dabei nicht im ursprünglichen Sinne einer musikalischen Untermalung zu verstehen – viele von Fassbinders Fil- men verzichten weitgehend auf Musik –, sondern als eine besondere Form der »Orchestrierung von Gefühlen«33, die einen sozialen Gestus im Sinne Bertolt Brechts erzeugt. Denn es gelingt Fassbinder, in kli- schierten emotionalen Mustern die Abgründe zwischenmenschlicher Beziehungen als widersprüchliches soziales Kräfteverhältnis zu zei- gen.

31 So der Untertitel des Films. 32 T. Elsaesser: Rainer Werner Fassbinder, S. 44. 33 Den Begriff einer Orchestrierung der Empfindungen oder Gefühle entwirft Johann N. Schmidt in seiner Studie zum Melodram des 19. Jahrhunderts. Er beschreibt die emotionale Auf- und Ab-Bewegung der Partizipation der Zuschauerinnen und Zuschauer durch die rhythmische Organisation der äs- thetischen Raum-Zeit-Gefüge und bestimmt dies als Melos. Schmidt, Jo- hann N.: Die Ästhetik des Melodramas. Studien zu einem Genre des popu- lären Theaters im England des 19. Jahrhunderts, Heidelberg: Winter 1986, S. 129.

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DIE BITTEREN TRÄNEN DER PETRA VON KANT entstand zunächst als Theaterstück, wurde 1971 als Produktion des Landestheater bei der »Experimenta 4« in Frankfurt am Main uraufgeführt und ge- hört heute mit über 100 Inszenierungen zu Fassbinders meistgespielten Stücken. Dieser Erfolg ist in erster Linie seinem gleichnamigen Film zu verdanken, der im selben Jahr bei den Berliner Filmfestspielen Premiere hatte. Der Film macht keinen Hehl aus seiner Herkunft aus dem Theater: Er ist in einem einzigen Set gedreht und besteht aus fünf, durch zeitliche Sprünge charakterisierten Akten. Die Figuren treten häufig frontal wie bei einem Bühnenauftritt ins Bild und das Privatge- mach der Petra von Kant, wo sich die Handlung, die unglückliche Lie- be der Protagonistin Petra () zu der jungen Karin Thimm (Hanna Schygulla) abspielt, gleicht eher einer Opernbühne denn einem Appartement: Ein großes, mit jugendstilartigen Ornamen- ten ausgestattetes Bett bildet das optische Zentrum des Raums, das die Kamera aus vielen Blickwinkeln aufzeichnet. Von hier aus lenkt die Heldin ihre Geschicke, erteilt der (scheinbar) stummen Dienerin Mar- lene ihre Befehle und erprobt ihre Macht und Ohnmacht in Sachen Geld, Arbeit und Liebe. Umgeben von piktoral angeordneten Gegen- ständen, wie zum Beispiel Puppen, Blumen, Spiegel, Aschenbecher, einer Staffelei mit Modeentwürfen, einem Plattenspieler, Lampen aus allen Jahrzehnten, einem weißen Fellteppich und einem Getränke- schrank, wird das Bett von einem ausladenden Kulissenbild in Form einer Wandtapete konterkariert. Es handelt sich um das Gemälde Mi- das und Bacchus (1625) des Barockmalers Nicholas Poussin, dessen Werk für seine ausgeprägte Theatralität bekannt ist. Die häufig mytho- logischen Szenen in seinen Bildern sind meistens nach aristotelischen Gesetzen des barockisierten griechischen Dramas komponiert und ge- kennzeichnet durch das ikonographische Muster eines Bildaufbaus, der sich an der antiken skene orientiert.34 Die augenfälligen Anleihen an das Theater machen aus dem Film jedoch keinen Theaterfilm oder eine abgefilmte Theateraufführung. Vielmehr wird die Theatralität als Verfahren der medialen Beobach- tung inszeniert, das einer kritischen Reflexion des Films als Medium

34 Das lässt sich sogar in populärwissenschaftlichen Werken nachlesen, wie z.B. bei Mullins, Edwin (Hg.), 100 Meisterwerke der Welt, Stutt- gart/Hamburg/München: Lizenzverlag des deutschen Bücherbundes 1984, S. 42-49.

DAS ANDERE MELODRAMA | 139 sowie der Strukturelemente des Melodramas zuarbeitet. Die Zuschaue- rinnen und Zuschauer werden mit medialen Transformationen, manchmal auch harten Wechseln von Blick- und Kamera-Perspektiven konfrontiert,35 in denen sich Körper und Räume zu temporären Bildern und umgekehrt Bilder zu Körpern und Räumen transformieren oder sich gegenseitig kommentieren. So werden z.B. die nackten, mit aus- ladenden Gesten posierenden Figuren des Gemäldes immer wieder von der Kamera (Michael Ballhaus) aus wechselnden Distanzen eingefan- gen oder auch fragmentarisiert, um als metaphorische Kommentare des emotionalen Beziehungsdramas zu dienen, das sich vor ihnen ab- spielt, oder aber um in einen bildhaften Dialog mit den Filmfiguren zu treten, der die techné ihrer artifiziellen Fixierung im Filmbild betont. Die Theatralität und Opazität der räumlichen Umgebung findet ih- ren Widerhall in den divenhaft wallenden, mit Schleppen, Schleiern, Pailletten, Pelzen und Rüschen besetzten, wechselnden Kleidern, die von Petra von Kant, ihrer Mutter Valerie wie auch ihrer Freundin Si- donie von Grasenapp getragen werden. Sie verweisen nicht zuletzt auch auf das orientalistische Bildprogramm des späten 19. Jahrhun- derts, das in zahlreichen Melodramen wie Kleopatra, Adrienne Lecou- vrier, Théodora, Fédora, Salome oder Die Kameliendame von Autoren wie Eugène Scribe, Alexandre Dumas und Victorien Sardou bis hin zu den exotisierenden Selbstinszenierungspraktiken einer Sarah Bern- hardt immer wieder neu aufgelegt wurde.36 Die exaltierte visuelle Üp-

35 Diese Reflexion ist zunächst als Rätsel formuliert – ein Rätsel, das sich aus zwei geringfügigen Abwandlungen des Theaterstücks ergibt. Es betrifft die schwarz gekleidete Antagonistin der Petra von Kant, die Figur der Marle- ne, stumme Dienerin ihrer Herrin und intime Beobachterin des Gesche- hens. Ihr ist nämlich, wie der Titel zeigt, nicht nur der Film gewidmet. Am Ende des Films verlässt sie darüber hinaus die geläuterte Petra von Kant, während sie im Theaterstück vor Petra auf die Knie geht und ihr die Hand küssen will, vgl. Fassbinder, Rainer Werner: Die bitteren Tränen der Petra von Kant. Tropfen auf heiße Steine, Frankfurt a.M.: Verlag der Autoren 1999, S. 9-60, hier S. 60. 36 Röttger, Kati: »Performative Bildpraxis und melodramatische Technik. Zur Orientalisierung des Bild/Körpers Sarah Bernhardt. Eine Ikone der vi- suellen Kultur im ausgehenden 19. Jahrhundert«, in: Hans-Peter Bayerdör- fer/Bettina Dietz/Frank Heidemann u.a. (Hg.), Bilder des Fremden. Media-

140 | KATI RÖTTGER UND MAREN BUTTE pigkeit der Ausstattung steht auf den ersten Blick in einem auffälligen Kontrast zum Pathos der Mittelmäßigkeit, das sich zwischen den Men- schen in diesem Film abspielt. Gleichzeitig wird auf diese Weise eine kritische Variation des Liebesthemas inszeniert, das den amerikani- schen Hollywoodfilm bestimmt. Als Hinweis darauf mag nicht zuletzt die Tatsache gelten, dass Fassbinder in einer Replik der Petra von Kant seine Bewunderung für die Filme Douglas Sirks beinahe wortwörtlich anklingen lässt: »Ich glaub, der Mensch ist so gemacht, dass er den anderen Menschen braucht, doch hat er nicht gelernt, wie man zusam- men ist.«37 Diese Grundformel der unmöglichen Liebe variiert Fass- binder immer wieder in unkonformistischen Beziehungen, die das ge- sellschaftliche Anderswerden provozieren und gleichzeitig anklagen: sei es die bereits analysierte doppelt tabuisierte Beziehung zwischen einer älteren Frau und einem nicht nur jüngeren, sondern (in zusätzlich ›unmöglicher‹ Weise) in der kleinbürgerlichen Welt der 1970er Jahre Deutschlands auch ethnisch stigmatisierten (marokkanischen) Mann in ANGST ESSEN SEELE AUF oder eben die lesbische Liebe zwischen der reichen Modeschöpferin und dem dahergelaufenen, mittellosen Mäd- chen aus Australien in DIE BITTEREN TRÄNEN DER PETRA VON KANT. Diese Fokussierung auf Frauen, die in ihren Beziehungen auf mutige Weise gesellschaftliche Schranken übertreten und dabei riskieren, von ihrer Familie – in beiden Fällen findet sich das Unverständnis der Kin- der, die geradezu traumatisiert werden – und/oder der Gesellschaft ausgegrenzt zu werden, orientiert sich ebenfalls an Motiven aus den Melodramen Sirks, die bei Fassbinder weit drastischer in die Inszenie- rung des sozialen Gestus – im Brecht’schen Sinne eines »Sowohl-als- auch« scheinbar (ideologisch) unvereinbarer Gegensätze – überführt werden. Dabei sind es die melodramatischen Heldinnen, die erdulden und gleichzeitig aufbegehren: »Bei Douglas Sirk, da denken die Frau- en. Das ist mir bei keinem anderen Regisseur aufgefallen. [...] Sonst reagieren die Frauen immer. […] Es ist schön, eine Frau denken zu

le Inszenierung von Alterität im 19. Jahrhundert (= Kulturgeschichtliche Perspektiven, Band 5), Berlin: LIT 2007, S. 379-398. 37 R. W.Fassbinder: Die bitteren Tränen der Petra von Kant, S. 19. Vgl. dazu R.W. Fassbinder über das Thema der Filme von Douglas Sirk: »Allein kann er nicht sein, der Mensch, und zusammen auch nicht«; Fassbinder: Imitations of Life, S. 13.

DAS ANDERE MELODRAMA | 141 sehen. Das gibt Hoffnung. Ehrlich.«38 Und Petra von Kant denkt: Im fünften Akt, nach 115 Filmminuten der BITTEREN TRÄNEN, kommt sie zur Einsicht: »Man muß lernen zu lieben, ohne zu fordern. [...] Ich ha- be sie gar nicht geliebt. Ich habe sie nur besitzen wollen. Ich habe ge- lernt, Mutter, und es hat sehr weh getan.«39 Mit anderen Worten: Auch wenn Fassbinder in seinen Filmen immer wieder Perspektiven von Außenseitern oder Minderheiten thematisiert, bleiben seine Figuren nicht in der Rolle der Opfer, sondern zeigen sich in komplexer Gleich- zeitigkeit von Geben und Nehmen, Schuld und Vergebung, Konformi- tät und Auflehnung, Macht und Unterdrückung, ja selbst Schönheit und Hässlichkeit. Wie nun kommt diese Gleichzeitigkeit, das Sowohl- als-auch im sozialen Gestus des Andersseins und Anderswerdens, mit den ästhetischen Strategien des Melodramas zusammen? Ein Blick auf den Beginn der ersten Einstellung der BITTEREN TRÄNEN vermag Auf- schluss zu geben: Dämmerung. Die Kamera fährt auf das Bett, auf eine kaum erkennbare schlafende Gestalt. Marlene (Irm Hermann) zieht geräuschvoll die Jalousien hoch, grelles Sonnenlicht fällt auf das Ge- sicht der Schlafenden und weckt sie auf. Ihr erstes Wort lautet: »Mar- lene«. Aus »schweren Träumen erwachend« richtet sie sich langsam auf, wie vom Licht aus der Welt der Träume in die Welt des Films ge- holt, in dem sich nun ihr Leben abspielen wird. Sie ist ungeschminkt, wirkt wächsern, mit Schweiß im Gesicht. Ihr Nachthemd betont ihre dünnen Schultern und Arme, kein Klischee-Bild weiblicher Schönheit. Sofort verlangt sie von Marlene das Telefon, den dünnen Draht zur Welt außerhalb ihrer Privatsphäre, die sie in diesem Film nie verlässt. Petra von Kant verharrt im Bett, während sie in gekünsteltem, gedehn- tem Tonfall, in einer ›unnatürlich‹ wirkenden, melodiös anmutenden Sprechweise (die durchgehalten wird) folgende Sätze an ihre Mutter richtet:

»Mama! Ich hab’s nicht mehr geschafft gestern, Mama, die Arbeit, tja, du kennst das ja. Nein, ich bin schon lange auf, wirklich. Man hat ja keine Ruhe. Und das ist denn auch wieder gut, nicht? Wohin fährst du? Nach Miami? Oh, das freut mich für dich, Mutter, Miami ist ganz reizend. Wirklich, ganz rei- zend. Und die Menschen. Fabelhafter Umgang. Einfach fabelhaft. Sechs Mona- te? Oh Mama, das macht mich sprachlos. [...] Wieviel brauchst du denn? Acht-

38 Ebd., S. 14. 39 R. W.Fassbinder: Die bitteren Tränen der Petra von Kant, S. 59.

142 | KATI RÖTTGER UND MAREN BUTTE tausend? Das ist viel Geld. Warte mal. [...] Also, ich kann dir fünftausend lei- hen, mehr ist im Moment nicht drin [...].«40

Geld, Lüge, gespielte Freude, Jet-Set-Leben, eine oberflächlich er- scheinende Mutter-Tochter-Beziehung – mit diesen banalen Themen könnte die Replik auch aus dem Dialog einer Seifenoper sein. Die ex- altierte Banalität des Alltags, die nahezu Bedeutungslosigkeit, die ›den Ton angibt‹, wird zusätzlich hypertrophiert durch das Pathos der Dar- stellung. Dieses vollzieht sich in einer medialen Transformation, von Bild-Körper in Körper-Bild. Sie wird ausgelöst durch die sukzessive Aneignung oder Indienstnahme verschiedener technischer Medien, die jeweils von Marlene gereicht oder bedient werden (Abb. 3). Nach dem Telefon werden Zeichenstift, Schreibmaschine, Brief und schließlich, diesmal von der Heldin selbst, der Plattenspieler betätigt. So struktu- riert sich das offensichtlich zwischen Theater, Oper, Film und Tableau vivant oszillierende Setting bereits in den ersten sechs Minuten des Filmdramas über verschiedene Stationen von Kommunikationsmedien. Gleichzeitig erholt sich die am Beginn wie eine Tote (und erinnernd an die bleichen Schaufensterpuppen der Dekoration) im Bett liegende Protagonistin zusehends, nachdem sie den von Marlene gebrachten Orangensaft getrunken hat. Die darauf folgende allmähliche Verwandlung in die Filmfigur vollzieht sich durch Maskeraden mit einer Perücke und dem drapierten Morgenrock, um sich dem opulenten Klischee-Bild der Modeschöpfe- rin und der ›schönen Frau‹ anzunähern. Dieses Bild erstarrt in einem ersten Höhepunkt genau in dem Moment, in dem sie – nach den besag- ten sechs Minuten – die Apparatur des Plattenspielers bedient und Mu- sik erklingen lässt: Smoke gets in your eyes von The Platters (1958). In diesem prägnanten Augenblick werden verschiedene historische Re- miniszenzen an das Melodrama zusammengeführt, da dieser Song nicht nur auf das US-amerikanische Melodrama verweist. Er erklang zum ersten Mal im Kino – nach ersten Erfolgen im berühmten Broad- way-Musical Roberta (1933) – in dem gleichnamigen Hollywoodfilm mit Fred Astaire und Ginger Rogers in der Hauptrolle.41 Zusätzlich nimmt Margit Carstensen, nachdem sie sich divengleich in ihren wal- lenden Morgenrock gehüllt hat, an den Balken gelehnt die kontrapo-

40 R. W. Fassbinder: Die bitteren Tränen der Petra von Kant, S. 9. 41 ROBERTA (USA 1935, R: William A. Seiter).

DAS ANDERE MELODRAMA | 143 stierte Pose des Affekts ein, die sich seit dem 18. Jahrhundert als Geste emotionellen Ausdrucks im Repertoire des Melodramas erhalten hat: die Haltung der schön-geschwungenen Silhouette (Abb. 4).42 Erst als Marlene von ihrem kurzen Botengang zurückkehrt, löst sich die Pose, das Bild zerfließt und geht über in einen kurzen, langsamen Tanz mit Marlene zur erklingenden Musik –als fände hier eine flüchtige Ver- schmelzung zwischen der stummen, beobachtenden Botin (Marlene) und der beobachteten Befehlshaberin (Petra) statt.

Abbildung 3: Margit Carstensen und Irm Hermann

Quelle: DIE BITTEREN TRÄNEN DER PETRA VON KANT (BRD 1972, R: R. W. Fassbinder), DVD, Kinowelt (2007)

42 Vgl. Butte, Maren: Das Absterben der Pose. Die Subversion des Melodra- mas in Cindy Shermans Fotoarbeiten, Marburg: Tectum 2006.

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Abbildung 4: Margit Carstensen

Quelle: DIE BITTEREN TRÄNEN DER PETRA VON KANT (BRD 1972, R: R. W. Fassbinder), DVD, Kinowelt (2007)

Jetzt kann das Film-Liebes-Drama beginnen: als melodramatische Komposition kontrastierender Gestaltungen von Gefühlsmomenten des Verlangens, Sehnens, Verlassen-Werdens und Verlassen-Seins. Wie bereits im ersten Melodrama der deutschen Theatergeschichte, Ariadne auf Naxos (1775),43 das vom Verlassenwerden der Ariadne durch The- seus handelt, bestimmt die szenische Abfolge von körperlichen Aus- drucksformen des Leids und der Klage einen großen Teil des Hand- lungsgeschehens. Petra, die Karin über ihre Freundin Sidonie kennen- gelernt hat und an sich zu binden versucht, indem sie ihr Arbeit als Modell verschafft, muss bereits nach kurzer Zeit erkennen, dass sie für Karin nichts weiter als ein Zeitvertreib ist. Das zeigt sich unwiderleg- bar in dem Moment, als Karins Mann, der aus Australien nach Europa gekommen ist, aus Zürich anruft und Karin ohne zu zögern zu ihm

43 Libretto: Christian Brandes, Musik: Anton Benda, Aufführung durch die Seyler’sche Schauspielergesellschaft. Der Gothaer Theaterkalender be- schreibt die Uraufführung der Ariadne auf Naxos als die Bereicherung der deutschen Bühne mit einer »neuen Gattung des Schauspiels«. Vgl. Gothaer Theaterkalender aus dem Jahr 1776, S. 103ff. Siehe hierzu auch: Schimpf, Wolfgang: Lyrisches Drama. Das Melodrama des 18. Jahrhunderts, Göt- tingen: Vandenhoeck und Ruprecht 1988, S. 26f.

DAS ANDERE MELODRAMA | 145 fährt. Die anschließende Trauer zeigt sich im Film in einer gestischen, wechselnden Repräsentation von Gefühlsszenarien, die von Verzweif- lung, Wut, Raserei bis Todessehnsucht reichen. Ein typisch melodra- matisches Repertoire, welches sich im pathetischen Körperspiel von Fallen, Zittern, Wimmern in deklamatorischen Gesten zwischen Be- wegung und Stillstand vollzieht.44 Allerdings wird in Fassbinders Film dieses Repertoire wiederum nicht durch Musik unterstützt, sondern durch das Telefon, dessen Klingeln Petras Leidensmomente jeweils hoffnungsvoll durchbricht und dann – enttäuscht über die falsche Stimme am anderen Ende – wieder neu antreibt und steigert. Zusätz- lich wird es gerahmt durch die Anwesenheit der Tochter Gabriele (Eva Mattes), der Freundin und der Mutter (schließlich hat Petra Geburts- tag). Diese Rahmung ergänzt das private Drama um ein familiäres, denn die Tochter ist es, die aufgrund des Zustands der Mutter einen Schock erleidet. Das Pathos der privaten Krise wird somit in ein Pa- thos der sozialen Krise überführt, die wiederum in der Wahl der filmi- schen Mittel Melos und sozialen Gestus verbindet und damit vorgege- bene Kategorien sozialer Identität in Frage stellt: In der Familie, die wir hier sehen, fehlt der Vater, der bürgerliche Patriarch; stattdessen sehen wir hier eine Familie, in der die väterliche Position ›frei flot- tiert‹. Die Verschränkung zwischen Pathos als affektivem und sozialem Gestus ist eine Grundgeste des Films, die auf Schillers Pathosbegriff zurückzuführen ist, nach dem nur der Widerstand gegen das Leiden pathetisch und der Darstellung würdig ist:

»Eine Darstellung der bloßen Passion (sowohl der wollüstigen als der peinli- chen) ohne Darstellung der übersinnlichen Widerstehungskraft heißt gemein, das Gegenteil heißt edel. Gemein und edel sind Begriffe, die überall, wo sie gebraucht werden, eine Beziehung auf den Anteil oder Nichtanteil der über- sinnlichen Natur des Menschen an einer Handlung oder an einem Werke be- zeichnen.«45

44 Vgl. M. Butte: Das Absterben der Pose, S. 45ff. 45 Schiller, Friedrich: »Über das Pathetische«, in: Ders.: Erzählungen/Theo- retische Schriften. Sämtliche Werke, Bd.5, hg.v. Gerhard Fricke und Her- bert G. Göpfert, München: Carl Hanser 1959, S. 512-537, hier S. 517.

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Damit überschreitet Fassbinder einmal mehr die sich bis in den Holly- wood-Film fortsetzende Entwicklung rein phrasenhaft-deklamato- rischer Elemente des affektiven Pathos, wie sie für das Melodrama seit dem 18. Jahrhundert bestimmend waren. Die Grenzen zwischen priva- tem Innenraum und sozialem Außenraum werden durchlässig. Diese Grenzverwischung erfolgt durch eine filmische Strategie stationärer Bilder. Dieser Begriff ist hier doppeldeutig gemeint, nämlich zum ei- nen metaphorisch in Anlehnung an die stationäre Aufnahme im ›Krankheitsfall‹ (mit Blick auf den Titel des Films), um Pathologien ruhig zu stellen. Zum anderen bezeichnet er die dramaturgische Ver- fahrensweise des Films, die eine spezifische Orchestrierung der Passi- on darstellt. Es ist bekannt, dass sich das mittelalterliche Passionsspiel durch Stationen mit lebenden Bildern auszeichnet, die auf verschiede- nen Bühnen simultan dargestellt werden. Diese Dramaturgie reicht bis in das expressionistische Stationendrama hinein, das statt einer drama- tischen Entwicklung einzelner Charaktere oder der eines Konflikts im zeitlichen Nacheinander die Subjektwelt in eine Objektwelt überführt: durch die Demonstrationen von Zuständen, die im Raum nebeneinan- der stehen. In Umkehrung des kinematographischen Bewegungsbildes (Gilles Deleuze)46 finden wir bei Fassbinder in der Tat häufig still ge- stellte Bilder, die teilweise so gefilmt sind, als ob sich die Figuren vor der Kamera aufgestellt hätten. Damit wird der Standpunkt eines ›ande- ren Blicks‹ ermöglicht.47 Selbstentfremdung, so Elsaesser, kann zur Selbstentäußerung werden.48 Nicht nur die Kamera blickt, sondern auch die Protagonisten schauen uns tatsächlich an. Der dem Opfer im Feld des Sichtbaren zuteil werdende Effekt des Mitleids wird auf diese Weise durch Fassbinder hintertrieben. Das geschieht zusätzlich durch eine weitere Konzentration des Blicks auf die kinetisch-mechanischen Aspekte menschlichen Handelns (movere als innere veräußerlichte Bewegung), die den Eindruck des Artifiziellen erzeugen. Nicht nur die besondere Rolle, die den technischen Medien zugeteilt wird, trägt dazu bei, sondern auch eine wiederholte Blickspiegelung, die an den Objek-

46 Deleuze, Gilles: Das Bewegungs-Bild. Kino 1, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1997. 47 Anders als die Blickökonomie im Film, die zum Beispiel Laura Mulvey in ihrem Artikel beschreibt: Mulvey, Laura: »Visual Pleasure and Narrative Cinema«, in: Screen 3, Autumn (1975), S. 6-18. 48 Fassbinder zitiert nach T. Elsaesser: Rainer Werner Fassbinder, S. 105.

DAS ANDERE MELODRAMA | 147 ten stattfindet. Die Künstlichkeit der Bewegungen und Regungen der Darstellerinnen finden vielfach ihren Widerhall in den sie umgebenden Objekten, wie zum Beispiel den Modepuppen, die den Zuschauerblick mit ihren tränenlosen Augen auf das Leid der Petra von Kant lenken. Das Verhalten der Menschen ist so abgestimmt auf die Objekte und Räume, dass es im Blick der Objekte immer wieder zum stationären Bild gerinnt, ebenso wie die Bewegung der Filmbilder unterbrochen wird, wenn das Kameraauge wieder einmal im Raum verweilt. Stati- sche Momente und fließende Bewegung sind also auf besondere Weise komponiert und in der Verschaltung von Körpern, Objekten und Me- dien verdichtet. Diese Konstellation manifestiert sich besonders drastisch in der Fi- gur der Marlene. Sie und die Kamera machen sich gewissermaßen den Blick streitig und »produzieren einen Exzess des filmischen Sehens«49. Selbst die intimste Regung von Petra wird von Marlene beobachtet, der Zuschauer sieht Petra vermittelt durch Marlenes unerbittlichen Blick. Diese Situation wird noch verschärft durch Marlenes Devotion und Schweigsamkeit. Es macht den Anschein, als sei sie Petra hörig – gleichzeitig bietet sie sich uns als Sympathieträgerin an, als stumme Repräsentantin des Gefühls und des Menschlichen.50 Darüber hinaus verkörpert Marlene aber auch das Medium des Filmes selbst: Sie er- weckt (mit Licht), nährt, dient ihrer Figur und fängt deren Drama mit ihren Blicken ein. Sie ist die mediale Bedingung ihrer Existenz. Kon- sequenterweise verlässt sie Petra, sobald das Drama und der Film be- endet sind. Aus dieser Perspektive erhält die Widmung im Filmtitel, »Gewidmet dem, der Marlene wurde«, einen ganz anderen Sinn: sie gälte so gesehen dem Film selbst.51

49 Ebd., S. 138. 50 Man denke hier an die vielen stummen und blinden Figuren in historischen Melodramen, die Denis Diderots Brief über die Taubstummen (1751) ent- sprechend zu natürlich-gutherzigen Opfern stilisiert werden. Vgl. M. But- te: Melodramatische Figuren. 51 Viele Interpretationen besagen in einer biographischen Ausdeutung u.a., dass Peer Raben, der damalige Partner von Fassbinder, damit gemeint ge- wesen sei.

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SCHLUSS

Die Gegenüberstellung der ausgewählten Filme vor dem Hintergrund der Ästhetik des Melodramas zeigt, wie Prozesse des Fremdwerdens in einer Dramaturgie der Räume, Körper und Blicke inszeniert werden. In ihr werden nicht nur Machtverhältnisse (de-)reguliert, sondern auch Bilder von anderen mit Blicken von anderen konterkariert, um Prozes- se von Ausgrenzung und Eingrenzung sichtbar zu machen. Damit ge- lingt Fassbinder eine Reformulierung des Melodramas als Drama der Beunruhigung. Fassbinder nutzt die Fähigkeit des Genres, Muster von Beherrschung und Unterdrückung in Verbindung mit Moral, Liebe und Leidenschaft zum Ausdruck zu bringen, um individuelle Zustände von Sehnsucht nach Zugehörigkeit, von Entfremdung, Einsamkeit, Miss- lingen und emotionaler Ausbeutung zu zeigen. An dieser Inszenierung von sozialen Mustern gesellschaftlicher Krisen in prägnanten Bildern zeigt sich insbesondere immer wieder eine Anlehnung an Douglas Sirk, der in Fassbinders Augen »keine Filme über Menschen, sondern mit Menschen«52 mache: Auf diese Weise entwirft Fassbinder Bezie- hungsmuster und Psychogramme, die sich durch die Inszenierung selbst, in der techné (d.h. durch die Sprache der Körper und der Kame- ra) manifestieren und erfahrbar werden. So wird das Melodram in Fassbinders Blick zu einer besonderen Form des Melos und des sozia- len Dramas, in dem sich ein (im Sinne von »esse est percipi«) philoso- phischer, ein sozialer und ein ästhetischer Filmraum überschneiden.53

LITERATUR

Allmer, Tillman: Zur Funktion des Melodramatischen in Fassbinders Film LOLA, München: Grin 2008. Artaud, Antonin: Das Theater und sein Double, München: Matthes u. Seitz 1996.

52 Fassbinder: Imitations of Life, S. 11. 53 Vgl. Paech, Joachim: »Rodin, Rilke und der kinematographische Raum«, in: Ders., Der Bewegung einer Linie folgen... Schriften zum Film, Berlin: Vorwerk 8 (2002), S. 24-41.

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150 | KATI RÖTTGER UND MAREN BUTTE

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FILME

ALL THAT HEAVEN ALLOWS (USA 1955, R: Douglas Sirk) ANGST ESSEN SEELE AUF (BRD 1974, R: Rainer Werner Fassbinder) DIE BITTEREN TRÄNEN DER PETRA VON KANT (BRD 1972 R: Rainer Werner Fassbinder) DIE SEHNSUCHT DER VERONIKA VOSS (BRD 1981, R: Rainer Werner Fassbin- der) IMITATION OF LIFE (USA 1959, R: Douglas Sirk) MAGNIFICENT OBSESSION (USA 1951, R: Douglas Sirk) THE THIRD MAN (UK 1949, R: Carol Reed/Graham Greene) ROBERTA (USA 1935, R: William A. Seiter) WRITTEN ON THE WIND (USA 1956, R: Douglas Sirk)