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Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich (1999) 144/1: 25-36

►?easeits eiav Salatkopf-Perspektive: LiaeckeLlii aus und Weiach im 51EcEffuld des modernen Na . irschtn6. ,L)

Peter Müller, Zürich

Zusammenfassung The other side of the salad head perspective: Snails from Bachs and Weiach in the focus of An 13 Standorten der Gemeinden Bachs und Weiach. the modern nature protection Kanton Zürich, Schweiz, wurden zwischen 1996 und 1998 73 Schneckenarten nachgewiesen. Darunler sind Between /996 and 1998 73 ,snail species have beers neun gesamtschweizerisch gefährdete bis vorn Aus- found in 13 ,Vines of the communities of Bachs and sterben bedrohte Arten. zwei Erstnachweise für den Weiach (Canton of Zurich, ). Among therm, Kanton Ztirich und ein Erstnachweis fair die Schweiz, nine species belong to the categories 1-3 (4. the Red list Columella aspera. Ausgehend von der lokalen Situati- of Switzerland. Two species are reported for the first onwerden dienotwendigen Natnrschutzmassnahmen time in the canton of Zurich, and one species, Columel- in einen grösseren ZusaImnenhang gestellt. la aspera, is reported to the first time in Switzerland. Starting on the basis of the local situation the conser- vation measures are discussed in a greater content.

1 ERFASSUNGSMETHODIK

Zwischen April 1996 und März 1998 suchte ich – meist im Winter- Individuen- und Artendichte rechnete. Üblicherweise werden von halbjahr und bei niederschlagsfreiem Wetter – an 13 Standorten in einem Standort l-2 1 Bodenmaterial mitgenommen (TRÜEB, 1988; den Gemeinden Bachs und Weiach im Zürcher Unterland nach GOSTELI, 1994), auch ich handhabte dies in der Regel so. Zum Teil Schnecken (Abb. l). 12 dieser Standorte überprüfte ich relativ sammelte ich aber bis zu 7 1 Bodenmaterial. Im Büro las ich dann ausgiebig, der Zeitaufwand betrug jeweils 20-195 Minuten. Diese die toten und lebenden Schnecken heraus. Bei den beiden Flach- Standorte sind in der Tabelle 1 aufgeführt. Am 13. Standort bückte mooren und dem schattigen Waldstandort 7 wurde jeweils das ganze ich mich nur kurz. Bodenmaterial gründlich durchsucht. Bei den übrigen terrestrischen Die im folgenden genauer skizzierte Datenerfassung habe ich in Standorten wurden von den leeren Gehäusen weitgehend nur diese erster Linie im Rahmen meiner ehrenamtlichen Mitarbeit am Atlas erfasst, die auf Wasser obenauf schwammen. Die lebenden Tiere, der Mollusken der Schweiz und Liechtensteins (TURNER et al., 1998) die meist absinken, liess ich dann jeweils aus dem vom Wasser und zur Weiterbildung in der Natur durchgeführt. überstandenen Sediment herauskriechen. Bei relativ trockenen Wenn man nicht nur lebende Tiere, sondern auch leere Gehäuse Standorten ist ein solches Vorgehen durchaus angebracht: Von Stand- sammelt, gewinnt man am raschesten einen Überblick über die ort 7, einem Wald auf frischem Boden, wurden insgesamt 643 leere Molluskenfauna eines Gebiets. Dieses Vorgehen ist bei Mollusken- Häuschen bestimmt. Davon schwammen nur 26 nicht auf (4%). inventaren üblich (vgl. SCHMID, 1966). Wer nur mit lebenden Tieren Eine Nichtbeachtung des Sediments hätte zu keiner Minderung der arbeitet, um sich der Aktualität seiner Daten vollkommen gewiss zu Artenzahl geführt. sein, braucht ein Vielfaches an Zeitaufwand, um die gleiche Arten- Nachdem die leeren Häuschen schliesslich mit Ultraschall ge- zahl nachzuweisen. In Ergänzung zur Erfassung von blossem Auge reinigt worden waren, konnten sie bestimmt werden. Die Bestim- am Standort selbst, wodurch vor allem grosse und auffällige Arten mung erfolgte allein aufgrund äusserer morphologischer Merkmale erfasst und bestimmt werden konnten, hatte ich von 11 Standorten am lebenden Tier und leeren Gehäuse. Es wurden keine Sektionen auch Bodenmaterial mitgenommen. Entgegen der mehr punktuellen vorgenommen. Zum Teil wurden auch Verbreitung und ökologische Arbeitsweise von GOSTELI (1994) beispielsweise, habe ich eher Ansprüche als Bestimmungshilfen verwendet. Aegopinella nitens lebensraumbezogen gearbeitet – ähnlich wie beim Zürcher Repti- und A. minor konnte ich äusserlich nicht voneinander unterschei- lieninventar (DUSE7 MÜLLER, 1997). Innerhalb eines Lebens- den. Da A. minor anscheinend nur warme, trockene Standorte raums habe ich jeweils dort gesammelt, wo ich mit der grössten besiedelt (KERNEY et al., 1983), wurde an feuchteren, kühleren

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Abb. l. Lage der 13 nach Schnecken untersuchten Standorte, Ausschnitt aus der Landeskarte, Massstab 1:25 000. Reproduziert mit Bewilligung des Bundesamtes für Landestopographie vom 8.12.1998. Fig. 1. Position of the 13 sites where the snail fauna was investigated, map scale 1:25 000.

Standorten davon ausgegangen, dass es sich jeweils nur umA. nitens der Arten müssen ausgewachsene oder zumindest weitgehend aus- handelt. Euconulus alderi und E. fulvus lassen sich nur am lebenden gewachsene Individuen vorliegen. Tier sicher unterscheiden. Bei der ersteren ist das Tier schwarz, bei Die Bestimmung erfolgte unter Verwendung von KERNEY et al. der zweiten Art braun. E. alderi kommt jedoch nur in Feuchtgebie- (1983), FECHTER FALKNER (1990) und GLOER MEIER-BROOK ten und nassen Wäldern vor. Leere Gehäuse von Euconulus wurden (1994). Die Nomenklatur folgt TURNER et al. (1998). deshalb mit Ausnahme der beiden Flachmoore jeweils E. fulvus 11 Standorte wurden einmal, 2 Standorte zweimal besucht. Der zugeteilt. pflanzensoziologische Waldtyp konnte grösstenteils direkt aus den Bei den Gehäuseschnecken lassen sich die meisten Arten schon Standortkarten der vegetationskundlichen Kartierung der Wälder anhand von jungen Gehäusen bestimmen, bei einem kleineren Teil im Kanton Zürich (BGU, 1984 a, 1984 b) übernommen werden.

26 Schnecken aus Bachs und Weiach im Blickfeld des modernen Naturschutzes

Einzig bei kleinflächigen Standorten wurde die Waldgesellschaft nig-sandiger, krümmeliger Boden. Am Felsfuss stockt ein magerer nach SCHMIDER et al. (1993) sowie ELLENBERG KLÖTZLI (1972) Schuttwald (39, Kronwicken-Eichenwald). Dessen Schutt besteht nachbestimmt. vorwiegend aus Rundkies. Exp.: SW, 535 m ü. M. Gesammelt wurde am Fuss der Felswand, oberhalb der Felswand (Kalkbereich) und auf einzelnen Felssimsen, soweit zugänglich. 2 KARTIERTE LEBENSRÄUME 6 Geringwüchsiger Trockenwald mit Eichen und Föhren (39, Die Zahlen in Klammern geben die Nummer der Waldgesellschaft Kronwicken-Eichenwald, sowie 64, Geissklee-Föhrenwald). Mit Nagelfluhfelsbändern und -köpfchen. Die letzteren, die obendrauf an (Bau, 1984 a & b; SCHMIDER et al., 1993). 1 Sehr saurer, trockener geringwüchsiger Wald mit Eichen, Föhren sehr mager sind, weisen eine degenerierende (Halb)trocken- und Buchen (2, Waldhainsimsen-Buchenwald mit Weissmoos). rasenvegetation bei halbschattigen Verhältnissen auf. Sonst liegt die Eher magere Krautschicht: Melampyrum pratense, Vaccinium myr- Baumdeckung bereits bei 70% bis 80%. Zum Teil recht dichtes tilus, Calluna vulgaris. Stark ausgeprägte Moosschicht. Strauch- Trockengebüsch. Steinig-sandiger, krümmeliger Boden. Gegen schicht weitgehend fehlend. Sehr geringe Laubauflage (grössten- oben in sauren Eichenwald übergehend (l, Typischer Waldhainsim- teils weggeweht). Nur wenig liegendes Totholz, mässig geneigt. sen-Buchenwald, bzw. 15, Bergseggen-Buchenwald). Exp.: SSW, 530 m ü. M. Gesammelt wurde vor allem auf den sonnigsten Boden grösstenteils sehr hart und kompakt. Exp.: W. 542 m O. M. Baumdeckung 80%. Felsköpfchen und unterhalb dieser Felsköpfchen, zum Teil aber 2 Trockener Föhren-Eichenwald mit kleinen Nagelfluhfelsen (39, auch im sauren Bereich. Kronwicken-Eichenwald). Krautschicht mässig entwickelt. Nach 7 Steiler, ca. 80jähriger wüchsiger Buchen-Hangschuttwald auf oben Übergang in den Typischen Waldhainsimsen-Buchenwald (l), frischem Boden (13t, Linden-Zahnwurz-Buchenwald, Ausbildung nach unten folgt eine im obersten Bereich halbschattige (bis Winter mit weisser Segge, Übergang zu 13a, Flurname: Fürstenhalden) 96/97, seither nach Eingriff sonnig) Felswand. Mässig geneigt. unter stark geneigten bis senkrechten, trockenen bis leicht feuchten Krümmelig-steiniger Boden. Exp.: W. 542 m ü. M. Baumdeckung hohen Nagelfluhfelsen mit veIschiedenen Felssimsen. Einzelne 80%. Linden. Karge Busch- und Krautschicht. Der Schutt besteht vorwie- 3 Trockener, steiler Eichenwald mit einzelnen Föhren und Buchen gend aus Rundkies mit teilweise grossen Mullansammlungen. Die (39, Kronwicken-Eichenwald) und zwei grösseren und mehreren Felsen sind grösstenteils mit Efeu, Laub- und Lebermoosen sowie kleinen Nagelfluhfelsbändern (Abb. 2). Artenreiche Busch- und Farnen (Asplenium trichomanes, Polystichum aculeatum usw.), aber Krautschicht. Die Felsen und zum Teil auch die Felssimse sind nur wenigen Büschen bewachsen. Zum Teil auch grasige Stellen. grösstenteils mit Efeu überwachsen. In den sonnigeren Partien Auf den Felsen wachsen neben kleinwüchsigen Buchen auch klein- wächst auf den Felssimsen auch Trockenrasen. Nach oben in einen wüchsige Eichen und Linden. An der Oberkante Übergang zu sanren Waldhainsimsen-Buchenwald übergehend (l bzw. 2, mit saurem Mischwald aus Föhren, Buchen und Eichen (l, Typischer Vaccinium inyrtillus, Calluna vulgaris, Melampyrum pratense, Ge- Waldhainsimsen-Buchenwald). Exposition: NNW. 490 m U. M. nista sagittalis; dominiert von Föhren u. Eichen). Dünne, kriimme- Baumdeckung: 70% bis 90%. Gesammelt wurde vor allem am Fuss lige und sehr steinige Humusauflage. Exp.: SSW. 530 m ü. M. der Felsen und auf den untersten Felssimsen. Baumdeckung 70% bis 80% (bis Winter 94/95, seither ca. 50%). 8 Grosse, weitgehend trockene Kiesgrube mit unterschiedlichen Die sonnigsten Teile konnten nicht begangen werden. Sukzessionsstadien. 360 m ü. M. Gesammelt wurde auf kiesigen, 4 Weitgehend senkrechte, trockene Nagelfluhfelswand (Flurname: erst wenig bewachsenen Flächen, in einem Halbtrockenrasen und Hohflue) mit wenigen kleinen, von Trockenrasen und einzelnen in einer lockeren, leicht verbuschten Goldrutenflur mit einer fast zu Büschen bewachsenen Felssimsen. Oberer Drittel sonnig. Darunter 100% deckenden dicken Laubmoosschicht über kiesigem Grund. bis zum Winter 92/93 stark beschattet, seither halbschattig. Die 9 Grosse, vorwiegend trockene Kiesgrube mit eher jungen Sukzes- Oberkante ist nur auf ca. l-2 m Breite kalkreich. Dann folgt ein sionsstadien, teilweise bereits wieder aufgefüllt. 350 m U. M. Ge- saurer Waldhainsimsen-Buchenwald (wie oberhalb von Standort 3). sammelt wurde auf den erst karg bewachsenen Kiesböden und in Unterhalb der Felswand liegt ein von Buchen und Fichten dominier- kleinen Tümpeln. ter Schuttwald (13e, Linden-Zahnwurz-Buchenwald, Ausbildung 10 Mageres Strassenbord mit lückiger, artenarmer, junger mit Weisser Segge). Dessen Schutt besteht vorwiegend aus Rund- Halbtrockenrasen-Vegetation. Gehölzfrei. Krümmelig-kiesiger Bo- kies. Exp.: WSW. 515 m ü. M. Gesammelt wurde am Fuss der den. 60% des Bodens ist durch eine dicke Laubmoosschicht be- Felswand und auf dem untersten Felssims. deckt. Exp.: W. 370 m ü. M. 5 In der unteren Hälfte mässig beschattete, sonst sonnige, weitge- 11 Von Wald umgebene, schwach geneigte, leicht bis mässig ver- hend trockene Nagelfluhfelswand mit verschiedenen Felssimsen schilfte Pfeifengraswiese (vgl. BURNAND ZOST, 1976/77, Flurna- (Abb. 3). Diese sind mit artenreichen Trockenrasen, Büschen und me: Mastälchen), zumindest stellenweise kalkreich (Sintherstück- zum Teil auch einzelnen kleinwüchsigen Bäumen bewachsen. Der chen). Einzelne Bereiche mit Filipendula ulmaria und Thelypteris rund 3-6 m breite, vorwiegend mit Krüppeleichen bestandene palustris. Relativ viel Moos, sehr wenig Altkraut/Altgras (vollstän- Kalkstreifen an der Oberkante geht weiter oben in einen sauren dig gemäht). Wenige Büsche und Fichten. Boden krümmelig-hu- Eichenwald über (l, Typischer Waldhainsimsen-Buchenwald). Stei- mos. Vermutlich immer etwa gleich feucht. Exp.: WNW. 477 In ü. M. In den Gräben und Wasserlöchern wurde nicht gesammelt.

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12 Kleines Hangried. Im oberen Teil grösstenteils verschilft. Kleine gefährdet, 5 sind gefährdet, 2 sind stark gefährdet und 2 vom Bereiche mit Thelypteris palustris, bultigem Sumpfseggenbestand, Aussterben bedroht. Eine Art, die Rauhe Windelschnecke, Spierstaudenflur und Knotenbinsenbestand. Im unteren Teil Über- Columella aspera, ist neu für die Schweiz, sie ist wohl gang in Kleinseggenried bzw. mässig feuchte Magerwiese (vgl. ebenfalls stärker bedroht. 2 Arten waren bisher auch im BURNAND & ZÜST, 1976/77). Bergwärts grenzt ein versumpfter KantoH Zürich noch nicht bekannt: die Gestreifte Waldrand mit Laubbäumen und dicken Laublagern an. Boden krüm- melig-humos bis nass-humos. Exp.: NNE. 465 m ü. M. Puppenschnecke, Pupilla sterrii, und die Vierzähnige 13 Trockener, eher geringwüchsiger Laubwald. Waldgesellschaften Windelschnecke, Vertigo geyeri. 7e (Waldmeister-Buchenwald mit Hornstrauch) und 14 (Typischer Die VerteiluHg der Arten auf die 12 intensiv bearbeiteten Weissseggen-Buchenwald). Kraut- und Buschschicht mässig Standorte und ihre Dominanz ist in Tab. 1 dargestellt. Die entwickelt. Boden hart bis krümmelig. Baumdeckung: 80%. Exp.: Nacktschneckenarten sind darin gegenüber ihrem tatsächlichen ESE. 350 m ü. M. Vorkommen eindeutig zu wenig vertreten. Grössere uHd auf- fälligere Arten, sowie Arten, deren Bestimmung an jungen 3 SCHNECKENFAUNA Gehäusen vorgenommen werden kann, dürften dagegen leicht überrepräsentiert sein. Eine Verschiebung um mehr als 3.1 Überblick eine Häufigkeitsklasse ist aber nicht zu erwarten. Insgesamt wurden von den 13 Standorten (Tab. 1) 8222 leere Die geringe Artenzahl (7) am einzigen bodensauren Gehäuse und 743 lebende Individuen zumindest bis zur Gat- WaldstaHdort (1) ist nicht verwunderlich: Die meisten tung, meist sogar bis zur Art bestimmt. Bei den lebenden Indi- Schnecken sind auf eiH ausreichendes Kalkangebot angewie- vidueH entfielen 500 Exemplare auf ein Massenvorkommen der sen. Auch die IndividueHdichte war an diesem Standort um Kleinen Schlammschnecke, Galba truncatula, am Standort 10 ein Vielfaches geringer als an den anderen bewaldeteH Stand- (KiesgIube). Die sonst geringe Zahl lebender Tiere ist znm orten. Die leeren Gehäuse waren grösstenteils stark verätzt, grosseH Teil darauf zuIückzuführen, dass meist im Winterhalb- bei der GefälteteH Schliessmundschnecke, Macrogastra pli- jahr uHd weitgeheHd nur bei trockener Witterung gesammelt catula, traf dies auch für die Gehäuse der lebenden Tiere zu. wurde. Mit Ausnahme der Rauhen Windelschnecke, Columella as- Es konnten total 73 SchneckeHarten Hachgewiesen werden, pera, besiedelH alle hier gefundenen Arten ein sehr breites was rund einem Drittel der Schweizer Schneckenfauna ent- Spektrnm verschiedener Waldlebensräume und stossen zum spricht. Darunter sind 18 Arten, die in der Roten Liste der Teil auch bis ins Offenland vor. Die Artenvielfalt an den Schweiz aufgeführt sind (TURNER et al., 1994). 9 sind potentiell Waldstandorten 3-7 mit 27-37 festgestellten Arten ist für

Tab. l. Verteilung und relative Häuflgkeit der in den Gemeinden Bachs und Weiach an 12 verschiedenen Standorten nachgewiesenen Schneckenarten. l. Zeile: Lebensraumtypen: stW: saurer, trockener Wald, tWF: trockener Wald mit kalkhaltigen Felsen (Nagelfluh, auch im folgenden), otF: offener, trockener Fels, fWF: Wald auf frischem Standort mit Felsen, KG: Kiesgrube, HTR: Halbtrockenrasen, FM: Flachmoor. 2. Zeile: Exposition: VEX: vielseitig exponiert. 3. Zeile: Gemeinde: B: Bachs, W: Weiach. 4. Zeile: Standortnummern. Die Zahlen darunter geben die relative Häuflgkeit (= Dominanz) einer Art am jeweiligen Standort an. Es wurden 4 Häuflgkeitsklassen (H) gebildet (vgl. SCHMID, 1966): l: 0

28 Schnecken aus Bachs und Weiach im Blickfeld des modernen Naturschutzes

Familie Art Lebensrau nnyp Rote stW tWF IWF DIP otP IWF tNW KG KG HTR FM FM Exposition Liste W W SSW SSW SW SSW NNW VEX VEX W WNW ENE Gemeinde B B B B W W W W W W W W Standortnummer N CH I 2 3 4 5 6 7 8 9 10 II 12

Cochlostomatidae Turmdeckelschnecken Cochlostoma septemspirale Kleine Walddeckelschnecke 2, L 3, L 3 Aciculidae Mulmnadeln Acicula lineare Gestreifte Mulmnadel 4 4 1 I I I 3 3. L 2. L Platyla polite Glatte Mulmnadel 4 4 2 Carychiidae Zwerghornschnecken Carychium minimum Bauchige Zwerghomschnecke 3, L 3 Carychium tridentatnnr Schlanke Zwerghomschnecke I 4 4, L 5

Physidae Blasenschnecken Phynella acuta Spitze Blasenschnecke 3 3 x Lymnaeidae Schlammschnecken Gall's truncatula Kleine Sumpfschnecke I x, L 1 Radix ovata Eiförmige Schlammschnecke Radix peregm Gemeine Schlammschnecke (x) Cochlicopidae Achat- o. Glattschnecken Cochlicopa lubrica Gemeine Achat- o. Glattschnecke I 2, L x 2 2 Cochlicopa lubricella Kleine Achat- o. Glattschnecke (2) 1 I (I) I Pyramidulidae Pyeamidenschnecken Pyr:unidula pusilla Felsen-Pyramidenschnecke 4 4 4 4. L 3 Vertiginidae Windelschnecken Columella edentula Zahnlose Windelschnecke I, L 2, L Columella espen/ Rauhe Windelschnecke kB kB x 1 1 4, L 3 Tmncalellina cylindrica Zylinderwindelschnecke 2 2 2 I Vertigo angustior Schmale Windelschnecke 3 3 2 Vertigo antivenigo Sumpf-Windelschnecke 4 4 2 Vertigo geyeri Vierzähnige Windelschnecke 1 I 1 Vertigo pygmaea Gemeine Windelschnecke x I 2. L 2 2 1 Chondrinidae Kornschnecken Abide secnle Roggenkom(achnecke) 3 2 2 3 4. L 4 Chondrina avenacea (Westliche) Haferkom(schnecke) 2 2 4 3 2, L Pupillidae Puppenschnecken Pupilla muacorum Moospüppchen 2. L 4, L 2 Pupilla bigrnnata Zweizähniges Moospüppchen 1 I 1 Pupilla stemii Gestreifte Puppenschnecke 4 4 2 2 3 2

Valloniidue Grasschnecken Vallonia coslata Gerippte Grasschnecke 2 2 2 3. L 5 1 3. L x 4 2 Vallonia excentrica Schiefe Grasschnecke 2 2 2 2 3, L 3 Vallonia pulchella Glatte Grasschnecke 2 1 Acannhinula aculeala Stachelige Streuscltn./Slacltelschn. 2 1 1 1 I I

Buliminidae Vielfrassschnecken Ena montana Berg-Vielfrassschnecke I 2 Merdigera obscure Kleine Vielfrassschnecke I 2 I I I I Cl usiliidae Schliessmundschnecken Cochladina laminate Glatte Schliessmundschnecke 2 1 I 1 Cochladina 6mbriala Bleiche Schliessmundschnecke 2 Macrogaslru allenuala Mittlere Schliessmundschnecke I, L Macrogaslm plantain Gefältelte Schliessmundschnecke x. L I I I I 1 Clausilia rugasa parvula Kleine Schliessmundschnecke 3 3 3 3. L 4, L 2 Clausilia cmciata Scharfgerippte Schliessmundschn. I Laciniaria plicam Faltenrandige Schliessmundschn. I Species Eine Schliessmundschnecke I 1 Succineidae Bernsteinschnecken Succinella ahlonga Kleine Bernsteinschnecke Succinea pairs Gemeine Bernsteinschnecke I 2, L Oxyloma elegans Schlanke Bernsteinschnecke I Ferussaciidae Bodenschnecken Cecilioides acicula Gemeine Blindschnecke 4 4 I 2 I I 1 1 Punctidae Punktschnecken Punctmn pygmaeum Punktschnecke 2 I I I 2 2 I 2 I Discidue Knopfschnecken Discus rotundatus Gefleckte Knopfschnecke x, L 3 2 2 I 2 2 I 2 Euconulidae Kegelehen Euconulus fulvus Helles Kegelche 1 I 2 x. L Euconulus fulvus a. alderi Helles oder Dunkles Kegelchen –/3 –/3 s 2 2 Vitrinidae Glasschnecken Vitrina pellucida Kugelige Glasschneck 2 2 2, L I 3, L x 1 Eucebresia diaphane Ohrförmige Glasschnecke 2 2 Zonilidue Glanzschnecken Vitrea diaphana Ungenuhelte Kristallschnecke 4 4 I I I, L Vitrea crystalline Gemeine Kristallschnecke I I 4, L Vitrea commem Weitgenabelte Kristallschnecke 3 3 2 I 2 Vitrea subrimata Enggenabelte Kristallschnecke I I I I 2 1 Aegopinellu puru Kleine Glanzschnecke I I 1 2 3 2, L 2 Aegopinellu niters Weitmiindige Glanzschnecke 2 3 3, L Aegopinella nitens o. minor Weitm. o. Wärmeliebende Glanzschn. Perpolita hammenis Slreifenglanzschnecke –/2 –/4 3 3 2 1 2 Oxychilus cellarins Keller-Glanzschnecke x. I I 2. L I I, L 2 I Oxychilus deapernaudi Grosse Glanzschnecke x, L (1) 1 1 Oxychilus depressus Flache Glanzschnecke x Oxychilus glaber Glatte Glanzschnecke 3 3 1 Oxychilus species Eine Glanzschnecke 1 Daudebardiidae Duudebardien Duudebardia rufa Rötliche Daudebardie 2 2 Daudebardia brevipes Kleine Duudebnrdie 2 2 I I Baettgerillidae Wurnnschnegel Bueltgerilla pollens Wurmschnegel x, L Arianidae Wegschnecken Anion subfuscus Braune Wegschnecke (x). L (x), L Arian silvaticus Wald-Wegschnecke (x), L Arian intermedius Igelvvegschnecke 4 4 x, L Bradybaenidae Strauchschnecken Fmlicicola fruticum Strauchschnecke I, L I. L

Hygromiidae Laubschnecken Flelicodonla obvoluto Riemenschnecke 1 I I 2 I I Monoehe carmsiana Kanäuserschnecke 3 4 2 x 2 Trichia sedcea Seidige Haarschnecke x 2 2 I 2 Petasina edentula Zahnlose Haarschnecke 1 (I) (I) I. L I Helicella itala Westliche Heideschnecke 4 4 I I I 2 2 3 I Xeralenta ohvia Östliche Heideschnecke 3 Monachoides incemalus Inkarnatschnecke x, L I I 2 I, L 2

Helicidae Eigentliche Ariania arbustonun Baumschnecke I 2 Schnirkelschnecken Helicigono lapicida Steinpicken 2 2 I I I 2 Isognatnostoma isognantostomas Maskenschnecke Cepea horlensis Garten-Bänderschnecke I 1 2 Helix pomalia Weinbergschnecke I I 2 4 4 I I I x I I Anzahl Aden number of species 7 16 37 27 31 31 33 14 12 7 39 31 Leere Gehäuse empty shells 25 154 451 976 2049 778 644 411 170 324 2078 164 Individuen total total number of individuals 63 159 454 976 2056 786 707 461 670 325 2127 183 Bodenprobe soil sample ja ja ja ja ja ja ja ja nein ja ja ja

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Wälder — im Kanton Zürich — überdurchschnittlich. Zum Vergleich sei hier noch auf eine Arbeit voH RÜETSCHI (1998) hingewieseH: Er fand in Eschenwäldern des Kantons jeweils zwischen 20 und 41 Arten.

3.2 Malakologische Kostbarkeiten Die im folgenden gemachten Verbreitungsangaben für die Schweiz und den Kanton Zürich beruheH Hicht nur auf per- sönlichen BeobachtuHgeH, sondern stützen sich auch auf Auszüge aus der Schweizer Molluskendatenbank am CSCF in Neuchatel (Centre Suisse de Cartographie de la Faune, Stand: 6. 5. 98) ab, was im folgenden nicht mehr speziell erwähnt wird. Auch auf die Tab. 1, die der Besprechung der Abb. 2. Bei der Hohflue, Bachs, 37 Schneckenarten: u. a. Rauhe einzelnen Standorle zugrunde liegt, wird meist nicht mehr Windelschnecke, Haferkorn, Westliche Heideschnecke, Gestreifte speziell verwiesen. Die Gefährdungsangaben zur Schweiz Puppenschnecke. Der ehemals sehr lichte Standort ist heute weit- stammen aus der offiziellen Roten Liste (TURNER et al., gehend zugewachsen. Sonnenliebende Bewohner von felsigen 1994). Zahlen in Klammern ohne weitere Angaben bezeich- Trockenstandorten, wie die drei letzten Arten, sind hier akut vorn Verschwinden bedroht bzw. bereits ausgestorben (Westliche nen entweder die Standortnummer oder die Nummer der Heideschnecke) (3). Zahlen in Klammern = Standortnummern, Waldgesellschaft gemäss SCHMIDER et al. (1993). auch im folgenden. Fig. 2. Near Hohflue, Bachs, 37 snail species, as Columella aspe- Peripher ra, Chondrina avenacea, Helicella itala, Pupilla sterrii. Today the formerly open place is largely overgrown. The sun-loving organis- Der Kanton Zürich liegt am Rand des Verbreitungsgebietes mens of rocky dry sites, as the three last species, are here acutely der kalkliebeHden Kleinen Walddeckelschnecke, Cochlosto- threatened by extinction or already extincted (Helicella itala) (3). ma septemspirale. Diese Art ist im Jura weit verbreitet, sie Figures in brackets = numbers of site, also in the following. besiedelt hier alle kalkhaltigen Wälder. AH steiH- oder fels- reichen Standorten kommt sie in der Regel in hoher Dichte vor. RaHdlich findet maH sie auch im mageren, kalkreichen Kulturland. Im Kanton Zürich besiedelt sie die Lägern und, entlang des Rheins, die Nordwestecke des Kantons. Alles deutet hier auf ein allmähliches Ausfransen der Verbreitung hin. 'AH den drei felsigeH Standorten 2-4 in Bachs (3: Abb. 2) kommt die Kleine Walddeckelschnecke vor, während sie es anscheinend (noch) nicht bis zu den drei felsigen Standorten 5-7 von Weiach geschafft hal (5: Abb. 3) oder dort wieder ausgestorben ist. Eine plausible ökologische Erklärung für ihr Fehlen aH diesen Standorten habe ich jedenfalls keine. In Weiach habe ich sie bisher nor an Standort 13 gefunden, der rund 1,1 km vom nächsten der drei Standorte entfernt ist. Imismassiemmomem Abb. 3. Nagelfluh-Felsword von Stein-Häulen, Weiach, 31 Schnek- kenarten: u. a. Haferkorn, Westliche Heideschnecke, Gestreifte Felsklimmerinnen Puppenschnecke, Zweizähniges Moospüppchen. Der isolierte Die Felsenpyramidenschnecke, Pyramidula pusilla, lebt aus- Standort ist eine der letzten sonnigen Felsinseln im dunklen Hoch- wald-Meer des Schweizer Mittellandes und beherbergt noch weite- schliesslich an Felsen, an Mauern und in Blockschutthalden. re, zum Teil stark gefährdete sonnenliebende Spezialisten unserer Sie weidet hier Algen und Flechlen ab. Wie aus Tab. 1 Flora und Fauna (5). ersichtlich, gehört sie im Bereich von Felsen, woran sie Fig. 3. The rockface (Nagelfluh) of Stein-Häulen, Weiach, 31 snail vorkommt, zu den dominanten Arten. Auffällig ist, dass sie species, as Chondrina avenacea, Helicella itala, Papilla sterrii, P an sämtlicheH untersuchten süd- bis westorientierten Fels- bigranata. The isolated site is one of the last sunny rock isles in the deep high forest sea of the Swiss Plateau and contains further standorten vorkommt, aH den gegen NNW exponierten Fel- sunloving specialists of our flora and fauna, who are in parts sen von Standort 7 jedoch fehlt. Von verschiedenen Autoren strongly endangered (5).

30 Schnecken aus Bachs und Weiach im Blickfeld des modernen Naturschutzes

wird sie als Bewohnerin warm-trockener Fels-Standorte be- Sie ist ein typischer Bewohner von Halbtrockenrasen und son- schrieben (TRÜEB, 1988; KERNEY et al., 1983; FECHTER nigen Felsfluren. In der sonnigen Felswand von Weiach (5), FALKNER, 1990). Im Zürcher Oberland habe ich sie jedoch habe ich noch grosse und einigermasseH frische Gehäuse gefun- schon an Standorten gefunden, die um einiges kühler uHd den. An den übrigen warmtrockenen, felsigen Standorten 2, feuchter als Standort 7 sind (940, 1000 und 1060 m ü. M., 3, 4 und 6 nur noch einzelne stark verwitterte und defekte bewaldet, Expositionen: N, NW, NNE). Dass die Art am Gehäuse. Hier wurden die letzten sonnigen, grasigen Flek- Standort 7 fehlt, ist wohl eher darauf zurückzuführen, dass ken offensichtlich bereits zu klein, so dass sie ausgestorben sie diesen noch Hichl erreicht hat oder aus Isolationsgründen ist. Die Felsflur iH Weiach ist möglicherweise neben der wieder verschwunden ist, als auf ökologische Faktoren. Fels- Lägern (?) noch der einzige Felsstandort dieser Art im Kanton standorte sind im Zürcher Mittelland relativ selten, was mög- Zürich. licherweise dazu führt, dass der Prozentsatz besiedelter Fel- Beide Heideschnecken sind heute im Kanton Zürich als sen niedriger ist, als im felsenreicheren Zürcher Oberland. gefährdet anzuschauen. In den Kiesgruben von Weiach (8, 9) Das deutlich wärmebedürftigere Haferkorn, Chondrina werden sie von der gesamtschweizerisch gefährdelen avenacea, braucht sonnige kalkhaltige FelseH (2-6), Schutt- Karthäuserschnecke, Monacha cartusiana, begleitet, die halden oder Mauern. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sonnige, meist extensiv genutzte Standorte mit offenen diese Schnecke an den Felsen von Standort 7, die gegen NNW Bodenstellen in milder Lage liebl. Sie wird wohl oftmals exponiert sind, fehlt. Am bereits stark zugewachsenen Stand- verschleppt, wie Funde auf erst leicht bewachsenen Erd- ort 6 konnten erstaunlicherweise doch noch 3 lebende Indi- depoHien oder in frisch modelierten Landschaften vermu- viduen gefunden werdeH. Die HaferkornschHecke ist im Kan- ten lassen. ton Zürich zumindest gefährdet, wenn nicht sogar stark ge- fährdet. Das verbreitete Zuwachsen der einst viel offeneren Puppenkabinett Felsstandorte im KantoH dürfte ihren Bestand vermutlich Für die Schweiz sind 5 Arten der Gattung Pupilla bekannt: vielerorls ausgelöscht haben. Bisher existierten voH der Art Pupilla muscorum, P. alpicola, P. bigranata, P. sterrii und P. nur 4 Meldungen für den Kanton Zürich: 3 Mal wird Zürich triplicata. Alle besiedeln extensiv genutzte, offene Standorte. genannt (1870, 1900, davon einmal Üetliberg) und 1 Mal Das Moospüppchen, Pupilla muscorum (Abb. 4), ist die Winterthur (1890). häufigste Art. Sie kommt von trockenen Felsen und Schutt- fluren bis in Moore hinein vor, ich fand sie z. B. im Flachmoor Weisse Sonnenanbeterinnen des Mastälchens (11). Trockene Standorte mit dicken Laub- In den beiden Kiesgruben (8, 9) kommen die beiden moospolstern liebt sie besonders: Am Standort 10, einem Heideschnecken, Xerolenta obvia und Helicella itala, teil- Halbtrockenrasen mit einer kräftigen Laubmoosschicht, lral weise syntop vor, was im Kanton Zürich eher selten ist. Beide die Art in sehr hoher Dichte auf, wo sie nach der Gerippten sind auf eine hohe SonHeneinslrahlung angewiesen, ertragen Grasschnecke sogar die zweithäufigste Art darslellt. Die Al- keine Beschattung und leben nur in trockenen, mageren pen-Puppenschnecke, P. alpicola, besiedelt Moore und nasse Lebensräumen. Die Östliche oder Weisse Heideschnecke, Wiesen, vorwiegend über 1000 m (KERNEY et al., 1983). Ein Xerolenta obvia, habe ich im Kanton Zürich vorwiegend an Nachweis für den Kanton Zürich fehlt. Die übrigen Pupilla- kiesigen Standorten gefunden. Kargen, vorwiegend nur mit Arten sind ausgesprochene Spezialisten für kurzrasige, flach- Algen, Flechten, Moosen und einzelHen Krautpflanzen be- gründige, gut besonnte und warme Stellen fiber kalkhaltigem wachsenen Kiesboden schätzt sie besonders. Der weitaus Fels oder Schutt. Pupilla triplicata wurde bisher im Kanton grösste Teil ihres Bestandes dürfte in Kiesgruben leben, Zürich nicht nachgewiesen. wobei heute junge Kiesgruben, die von einer alten Kiesgrube Vom Zweizähnigen Moospüppchen, Pupilla bigranata entfernt angelegt wurden, in der Regel nichl besiedelt sind. (Abb. 4), das am Fuss der offenen Nagelfluhfelswand voH Zweithäufigster Lebensraum sind vermutlich kiesige Bahn- Weiach (5, Abb. 3) gefunden wurde, existierten bisher nnr 9 areale. Sie besiedelt aber auch Halbtrockenrasen und einzelne Fundangaben aus dem Schweizer MittellaHd. Sie stammen Rebberge mit magereH Böschungen. Vielleicht waren bei uns alle aus der Zeit zwischen 1855 und 1927, die genauen die Kiesbänke der Flüsse ihre ursprünglichen Lebensräume. Fundumstände sind mir nichl bekannt. Ein Teil der Funde ist Die Westliche oder Gemeine Heideschnecke, Helicella allenfalls dem Jura zuzuordnen (Baden, Aarau, Trelex). Beim itala, habe ich bisher in der Schweiz vor allem aH mageren, einzigen bisherigen Fundort aus dem Kanton Zürich (Albert feiHerdereichen oder felsigen Trockenstandorten gefunden. Mousson, 1861) handelt sich vermutlich um einen Genist-

31 Peter Müller

Zuwachsen ehemals offener, gut besonnter Felsfluren und Schutthalden.

Halbnackte Fleischfresser Die beiden Daudebardien-Arten, deren Gehäuse ich in Wei- ach faHd (7, 12), nehmen zusammen mit der Ohrförmigen Glasschnecke, Eucobresia diaphana (11), und deren nahen Verwandten in der Evolution zwischen GehäuseschneckeH und Nacktschnecken als sogenanHte Halbnacktschnecken eine Zwischenstellung ein: Sie besitzen dorsal auf dem viel Abb. 4. Von links: zwei Moospüppchen (8, 10; Höhe des linken voluminöseren Weichkörper noch ein äusserlich sichtbares Häuschens: 3,7 mm), ein Zweizähniges Moospüppchen (5) und Minihäuschen (Abb. 5). In dieses können sie sich, zumindest zwei Gestreifte Puppenschnecken (5). im ausgewachsenen Stadium, nicht mehr zurückziehen. Fig. 4. From the left: 2 Pupilla muscorum (8, 10; height of the left shell: 3.7 mm), 1 P. bigranata (5) and 2 P. sterrii (5). Die Ohrförmige GlasschHecke ist in feuchteH bis nassen Laubwäldern des Kantons Zürich recht oft anzutreffen und ernährt sich wie der Hauptharst der Schneckenarten von fund (Angabe: Zürich-Wollishofen, Zürichsee). Seit 1950 ist totem organischen Material. Die Daudebardien hingegen die Art nur 9 Mal iH der Schweiz nachgewiesen worden, mit leben räuberisch und weitgehend unterirdisch, sie scheinen AusHahme von Weiach ausschliesslich in den AlpeH. IH Wei- vor allem unter feuchtem Geröll oder in quelligen Bereichen ach fand ich Hur 2 leere Gehäuse, das eine davon war jedoch mit dicken Laubschichten vorzukommen, oft sogar gemein- so frisch, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Art sam (FECHTER FALKNER, 1990). Standort 7, wo ich sowohl hente noch am Standort 5 vorkommt. die Rötliche Daudebardie, Daudebardia rufa (Abb. 5), wie Die Gestreifte Puppenschnecke, Pupilla sterrii (Abb. 4), auch die KleiHe Daudebardie, D. brevipes, fand, ist ein Linden- fand ich sowohl an der Hohflue in Bachs (3 (Abb. 2), 4) als Zahnwurz-Buchenwald (13t) auf frischem bis mässig trok- auch an den trocken-warmen Felsstandorten in Weiach (5, 6). kenem Boden, wobei hier 3 der 4 Häuschen auf den untersten Von ihr waren bisher nur 2 Mittellandfunde bekannt (Yver- Felssimsen lagen. Im waldnahen Flachmoor von Standort 12 don-Les-Bains VD, La Villette, 1990, und Meggen LU, Ruine fand ich nur zwei HäuscheH der Kleinen Daudebardie, hier Neuhabsburg, 1917). Aus den Alpen stammen relativ viele ist ein quelliger Bereich mit dicken Laubschichten vorhan- FundmelduHgen, insbesondere aus Graubünden und Wallis, den. Das Optimum von Daudebardia rufa fand SCHMID im Jura ist sie nur vereinzelt nachgewiesen. Ich konnte nur (1979) – in der Umgebung des Grenzacher Horns bei Basel leere Gehäuse finden. Wahrscheinlich komml die Art an allen – im Seggen-Buchenwald und voH D. brevipes in einem lich- StelleH noch rezeHt vor. Mit AusHahme der besonHten Fels- wand in Weiach (5), sind die besoHHten, kalkreichen Rasen- flecken jedoch nur noch klein. Vermutlich steht die Gestreifte Puppenschnecke hier jeweils kurz vor dem Erlöschen. Dass sie sich, im GegeHsatz zur Westlichen Heideschnecke, an diesen Standorten noch bis heute halten koHHte, ist wohl nicht zuletzt auch auf ihre geriHge Grösse zurückznführen. Sie ist rund 10x kleiner als die Heideschnecke und dürfte dadurch auch das kleiHere Minimalareal besitzen. Das Moospüppchen ist gesamtschweizerisch nicht ge- fährdet. Im KaHton Zürich muss es wohl als polenliell gefähr- det angeschant werden. Die Gestreifte Puppenschnecke ist gesamtschweizerisch potentiell gefährdet und das Zweizäh- nige Moospüppchen vom Aussterben bedroht. Beide Arten Abb. 5. Rötliche Daudebardie von BeIg am Irchel, Kanton Zürich sind im Schweizer Mittelland und im Kanton Zürich viel (Länge: ca. 13 mm). stärker gefährdet, anch die Gestreifte Puppenschnecke ist hier Fig. 5. Daudebardia rufa from Berg a. Irchel, canton of Zurich vom Aussterben bedroht. Zu schaffen macht ihnen das starke (length: ca. 13 mm).

32 Schnecken aus Bachs und Weiach im Blickfeld des modernen Naturschutzes

ten, ostexponierten Feld-Ulmengehölz. Darüber hinaus be- 400 m ti. M., 1983) und in Rtite (AI, 1200 m ti. M., 1984). Die siedelteH beide Arten noch eiHe Vielzahl weiterer Waldtypen letztereH beiden Angaben sind in MEIER (1987) publiziert. – alles Laubwälder – und kamen z. T. sogar in stillgelegten Alle diese Fundorte liegen in den AlpeH, der Nachweis in Sleinbrüchen vor. Weiach ist also der erste Fund im MittellaHd. Von der Kleinen Daudebardie existierteH bisher in der Zu ihrer VerbreituHg und Ansprüchen seien JUEG & MEN- Schweiz erst 12 und voH ihrer Schwesterart erst 15 Fundanga- ZEL-HARLOFF (1996) zitiert: «Vertigo geyeri ist eine boreo- ben. Beide Arten gelten als stark gefährdet. Möglicherweise alpine Art mit einer lückeHhaften Verbreitung... Charakteri- wird ihre Gefährdung aufgrund ihrer versteckten Lebensweise stisch für alle Fundorte sind kalkhaltige oder kalkig beein- aber überschätzt. flusste Flachmoore mit einem pH-Wert zwischen 7 und 8, einem konstanten Wasserpegel sowie Binsen (Juncaceae) und Schwindel im Moor Seggen (Cyperaceae) als bestandesbildende Pflanzen... Ver- Im Flachmoor des Mastälchens (11), einer teilweise verschilf- tigo geyeri ist als stenöke Art kaum in der Lage, sich verän- ten Pfeifengraswiese, kommen gleich 4 Vertigo-Arten vor derten UmweltbediHgungen anzupassen. Grundwasserab- (Abb. 6), ihre Häufigkeitsverteilung sieht folgeHdermassen senkung ist die Hauptursache dafür, dass die wenigen Relikt- aus (Anzahl Häuschen in Klammer): Vertigo angustior (111), posten zwischen Skandinavien und Alpen weitestgehend er- V. pygmaea (107) > V. antivertigo (22), V geyeri (16) in 5-61 loschen sind.» Bodenmaterial. Leider fand ich keine lebendeH Tiere. Die SumpfwiHdelschnecke ist gesamtschweizerisch po- Die Gemeine WiHdelschnecke, Vertigo pygmaea, die hier tentiell gefährdet, die Schmale Windelschnecke gefährdet in der NormalfoIm auftritt, ist iH der Regel mehr voH trok- und die Vierzähnige Windelschnecke vom Aussterben be- keneren offeHen MageIstandorteH bekannt (3-6). Die schma- droht. le Windelschnecke, Vertigo angustior, – neben Vertigo pusil- la die einzige linksgewuHdene Art der Gattung iH der Schweiz Neu für Helvetia: Rauhe Windelschnecke – liebt vor allem kalkreiche Moore (TURNER, 1998). Sie soll In der Schweiz waren bisher nur 2 Columella-Arten nach- aber auch iH der Streu von WeideH- und Erlengebiisch vor- gewiesen: die Hohe Windelschnecke, Columella columella, kommen (FECHTER & FALKNER, 1990). IH einer brachliegen- die in höheren Lagen vorkommt, – bisher kein rezenter den Pfeifengraswiese in Kleinandelfingen fand ich die Art – Nachweis für den Kanlon Zürich – und die Zahnlose in Begleitung von V pygmaea und V antivertigo – sogar Windelschnecke, C. edentula (Abb. 7), die extensiv genutzte zusammeH mil der wärmeliebenden Schönen Landdeckel- feuchte Lebensräume in tieferen Lagen besiedelt. Sie fand schHecke, Pomatias elegans, – eine nicht gerade alltägliche ich in den beideH Mooren (11, 12). Mit deH StaHdorten rund Kombination. Die Sumpfwindelschnecke, Vertigo antiverti- urn die Hohflue (1, 3 (Abb. 2), 4) in Bachs, ist nun für die go, ist wohl in tiefereH Lagen am konstantesten von allen Schweiz die dritte Art hinzugekommen, die Rauhe Vertigo-Arten in Sümpfen vertreten. Die Vierzähnige Windelschnecke, Columella aspera (Abb. 7). Am 9.3.1997 Windelschnecke, Vertigo geyeri, wurde bisher in der Schweiz fand ich die ersteH beiden Häuschen. Obwohl ich im darauf- erst 4 Mal rezent nachgewiesen: in Mels (SG, 1890), in folgenden Sommer gegen 101 BodeHmaterial durchsuchte, Grindelwald (BE, 1445 m ü. M., 1982), in SeHnwald (SG, kamen nur noch 6 weitere Häuschen dazu. Die Dichte ist offeHsichtlich sehr niedrig. Leider fand ich keine lebenden Individnen. Anhand von 2 Gehäusen bestätigte mir T. VON PROSCHWITZ (Schweden, briefl.) freuHdlicherweise meine Bestimmung. Gemäss ihm (mdl.) ist die Rauhe Windelschnecke ausserhalb Skandinaviens bisher nur sellen gefuHden worden. Zu ihrem Lebensraum werden folgende Angaben ge- macht: «Bodensaure Standorte; oft iH Heidelbeerbeständen (FECHTER & FALKNER, 1990); Nadel- und Laubwälder, auf schwach sauren Wiesen; häufiger an trockeneren und weni- Abb. 6. Von links: Schmale, Gemeine, Sumpf- (Höhe: 2,15 mm) oft moHtan (KER- und Vierzähnige Windelschnecke (11). ger kalkreichen Standorten als C. edentula; Fig. 6. From the left: Vertigo angustior, V. pygmaea, V. antivertigo NEY et al., 1983); azidophil, Bestandteil «biotoptypischer» (height: 2.15 mm) and V. geyeri (11).

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MassnahmeH, die für die Erhaltung dieser und weiterer ge- fährdeter Arten aus der heutigen Sicht notwendig sind, dar- gelegt und iH den weiteren ZusammeHhang gestellt.

4.1 Von der Tabula rasa zum Mähmosaik Seit einigeH Jahren wird das vorher stark verbuschte und brachliegende Feuchtgebiet im Mastälchen (11) bis auf deH letzten Quadratmeter jedes Jahr gründlich gemäht und die Streu abgeführt. Im Winter präsentiert sich der Boden weit- gehend nackt. Am meisten lebende Schnecken fand ich je- doch an offenen MagerstandorteH in der Regel dorl, wo verfilzte Krautpflanzenschichten vorhanden sind, z. B. in der Form von flächig niedergedrücktem Schilf oder von Gras- und Seggenbulten. Dieses abgestorbene Pflanzenmaterial

Abb. 7. Von links: Zahnlose (12, Höhe: 2,7 mm) und Rauhe dient als Nahrung und als Deckung. Es bietet zahlreiche Windelschnecke (3). Hohlräume und Etagen mit uHterschiedlichen Wärme- und Fig. 7. From the left: Columella edentula (12, height: 2.7 mm) and Feuchtigkeitsverhältnissen. Teilweise dient es auch der Über- C. aspera (3). winterung. In alljährlich gemähten Bereichen – besonders, wenn so Molluskengemeinschaften trockener Kiefern- oder Eichen- tief gemäht wird, wie im Mastälchen – fehlt diese wichtige, mischwälder (BÖSSNECK, 1997).» stark kompartimentierte Mikrostruktur in der Regel. Es ist Standort 1 ist tatsächlich ein sehr saurer trockener Mischwald nicht auszuschliessen, dass durch die neuere rigorose Bewirt- aus Eichen, Föhren und Buchen (Waldhainsimsen-Buchenwald schaftnngsform die vom Aussterben bedrohte Vierzähnige mit Weissmoos (2)). An den übrigen Standorten kann nicht Windelschnecke und vielleichl auch andere gefährdete ArteH gesagt werden, ob die Häuschen aus dem sauren Plateau- im Mastälchen zum Verschwinden gebracht worden siHd. Wald (gleiche Baumarten, ebenfalls Waldhainsimsen-Bu- Umgekehrt gibt es natürlich auch eine Reihe von Schnek- cheHwald (1, 2)) heruntergekollert sind oder, ob die Tiere auf kenarten, die anf offeHe Bodenstellen besonders angewiesen den kalkreichen, sonnigen Felssimsen, im trockenen kalkrei- sind. Paradebeispiel dafür ist die ebenfalls vorgestellte Östli- chen Kronwicken-Eichenwald (39) bzw. im trockenen, kalkrei- che Heideschnecke, Xerolenta obvia. Denkbar ist auch, dass chen Linden-Zahnwurz-Buchenwald (13 e) gelebt habeH. sich die Schnecken je nach Witterung, Saison nnd Aktivität Es ist nicht ausgeschlossen, dass man die Rauhe einmal lieber an offenen Stellen aufhalten, kurz darauf aber WiHdelschnecke bereits früher in der Schweiz fand, sie je- wieder die Streuschicht aufsuchen. doch als Zahnlose Windelschnecke bestimmte. Bevor nicht Bis abgeklärt ist, wie die verschiedenen gefährdeten weitere Standorte bekannt sind, muss der Rauhen Schneckenarten an MagerstandorteH den Raum nutzen und WiHdelschnecke vorsichtshalber in der Schweiz der Status welche Mikrostrukturen sie genau brauchen – eine Aufgabe «vom Aussterben bedroht» eingeräumt werden. u. a. auch für die Hochschulen –, sollten bei der Pflege verschiedene Bereiche unteIschiedlicher Vegetation während eiHem bis mehreren Jahren nicht gemäht werden. So kann 4 NATURSCHUTZ sich ein kleinräumiges Strukturmosaik bilden, das die unter- Ein Teil der in den Gemeinden Bachs und Weiach nachgewie- schiedlichen Bedürfnisse der verschiedenen Organismen senen Schneckenarten ist für den Kanton Zürich und das vorersl wohl am besten zu erfüllen vermag. Vielleicht sollte Schweizerische Mittelland sehr speziell. Zumindest das Vor- auch mit uHterschiedlichem Abstand zum Boden gemäht kommen der drei Arten Pupilla bigranata, Vertigo geyeri und werden. Columella aspera ist sogar von nationaler Bedeutung. Die Aus der Sicht vieler Insekten wiederum ist zusätzlich eine längerfristige Erhaltung der Bestände dieser Arten iH Bachs im Jahresablauf gestaffelte Mand anzustreben. Ein Teil der und Weiach ist für die Erhaltung der Biologischen Vielfalt im zusammengeHommenen Streu sollte zudem in nährstoffrei- Kanton Zürich zwingend. AnhaHd der lokalen Situation in cheren ZoneH am Rand liegen gelassen werden, damit ein Teil den beiden Gemeinden werden im folgenden die wichtigsten der Kleintiere, die mit der Streu zusammengenommen wor-

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den sind, wieder hinauskriechen kann. Auch wenn es mehr letzteH JahrhuHderls zunehmend dunkler und nährstoff- Aufwand erfordert: Es gilt im Kanton Zürich vom noch weit reicher geworden siHd. Mit der breiten Umstellung auf Erdöl verbreiteten Tabula-rasa-Mähregime auf die differenzierlere und Erdgas hat sich dieser Vorgang noch verschärft. Die Form der Mosaikmand zu wechseln. Der Mehraufwand, der lichtliebenden PflanzeH- und Tierarten siHd dadurch damit für die BauerH verbunden ist, sollte von Bund oder grösstenteils aus dem Wald verschwunden. Oft sind es die Kanton in Zukunft ebenfalls durch Ökobeiträge entschädigt gleichen Arten, die auch im Landwirtschaftsgebiet stark werden. zurückgegangen sind (vgl. SCHIESS & SCHIESS-BÜHLER, 1997). 4.2 Reifen lassen und impfen Die hier vorgestellten beiden lichten Waldinseln in Bachs Auf die hohe Bedeutung von Kiesgrnbenarealen als Weich- und Weiach (1-6), die das umgebende dunkle Hochwaldmeer tierlebensraum ist anhand der Östlichen Heideschnecke, ebenfalls am verschlucken ist, sind nicht nur malakologisch, Xerolenta obvia, bereits hingewiesen wordeH. DemeHtspre- sondern auch botanisch sehr wertvoll: So kommen Rauher chend sollten in deH beiden Kiesgruben mehrere Hektaren Alant (Inula hirta), Astlose und Ästige Graslilie (Anthericum nicht wiederaufgefüllt, sondern als ausgesprochen magere liliago, A. ramosum), Flügelginster (Genista sagittalis), Pur- Trockenstandorte auf dem angestammten Rohboden erhalten purklee (Trifolium rubens) uHd viele andere, zum Teil stark werden. Für Wasserschnecken, die bis jetzt erst mit ein paar gefährdete Pflanzenarten vor. Sie brauchen, wie beispiels- häufigen PionierarteH vertreten sind, sollten dabei auch ein- weise die beiden stark bedrohten Puppenschnecken, sehr zelne persistierende und periodische Wasserflächen erhalten sonHige Standorle. An den beiden sonnigen Felswänden (4, beziehungsweise geschaffen werden. Gerade die Temporär- 5) leben zudem noch kleine Manereidechsenbestände (Po- gewässer sind im Kanton Zürich ausgesprochene Mangel- darcis muralis). Diese Arl ist im Kanton Zürich ebenfalls biotope. Auf sie sind beispielsweise die Weissmündige vom Aussterben bedroht (DUEJ & MÜLLER, 1997). Tellerschnecke, Anisus leucostoma, und die Gelippte Um die Vorkommen all dieser Arten für die Zukunft zu Tellerschnecke, Anisus spirorbis, spezialisiert, die beide ge- sicherH, muss der Wald rund um diese Standorte kräftig samtschweizerisch bedroht sind. Letztere Art ist eine lypische aufgelichtet werden. In Kernbereichen sollte dabei die TieflaHdform (FECHTER & FALKNER, 1990) und vermutlich Baumdeckung auf eiHen Wert von maximal 5% reduziert sogar stark bedroht. werdeH. Für die Fauna ist diese Massnahme eher noch drin- Das hier vorgeschlageHe Vorgehen kommt in dieser kli- gender als für die Flora. Pflanzen können an solcheH Stand- matisch besonders günstigen Region auch vielen anderen orten bei ungünstigen Lichtverhältnissen noch jahrelang in gefährdeten Tier- und Pflanzenarten, die in den beiden Kies- Kümmerformen dahinvegetieren oder auch als Samen über- grubeH vorkommen, zugute. dauern. Für die hier vorgestellten sonnenliebenden Tierarten Bei der Anlage neuer Kiesgruben sollten zudem jeweils heisst es hingegen nur Sein oder Nichtsein. Ihre geringe ein paar Quadratmeter des Oberbodenmaterials einer benach- Mobilität und die starke Isolation der Standorte verunmög- barten alten Kiesgrube eingebracht würden. Eventuell wäre licht im Falle ihres Ausslerbens eine rasche spontane Wie- ein solches Vorgehen in angepasster Form auch bei der Be- derbesiedlung – möglicherweise sogar auf Jahrhunderte hin- gründung Heuer, isoliert liegender Halbtrockenrasen oder aus. Nassstandorte angebracht. Vermutlich werden bei der Direkt- Zur Erhaltung des Bestandes der Rauhen Windelschnek- begrünung – AusbriHgeH von reifem Schnittgut bestehender ke, Columella aspera, wird es notwendig sein, ihre Verbrei- Magerstandorte des gleichen Biotoptyps auf entsprechend tuHg rund um die Hohflue in Bachs und genauer präparierte neue Standorte – die verschiedenen spezialisier- abzuklären. ten SchneckenarteH nur zum Teil verschleppt. 4.4 Appell an die Hochschulen 4.3 Stark bedrohte Biodiversität im Wald Die biologische Naturschutzforschung fristet besonders im Die immer stärkere Ausrichtung der Waldwirtschaft auf die zoologischen Bereich an den Hochschulen ein Mauerblüm- Produktion von Stammholz, verbunden mit dem Zusammen- chendasein. Eine natnrschützerisch orientierte malakozoolo- bruch des Brennholzbedarfs, der Aufgabe der vielfältigen gische Forschung existiert praktisch nicht. Als Naturschutz- übrigeH Waldnutzungen und der wachsenden Düngung durch praktiker slolpere ich laufend über ökologische, systemati- Luflschadstoffe (Stickoxide) hat dazu geführt, dass die Wäl- sche und populalionsgenetische wissenschaftliche Fragen, der in Mittelland, Jura und Voralpen etwa seit der Mitte des deren Lösung angesichts der kümmerlichen Reste naturnaher

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LebeHsräume in der Schweiz für einen gezielten Artenschutz FECHTER, R. & FALKNER, G. 1990. Weichtiere. Europäische Meeres- essentiell ist. Zum Schluss dieses Artikels möchte ich die und Binnenmollusken. – Mosaik Verlag, München, 287 pp. Hoffnung äussern, dass die Professorenschaft der verschie- GLOER, P. & MEIER-BROOK, C. 1998. Süsswassermollusken. 12. denen Disziplinen der Biologie und der Forstwissenschaften erweiterte Auflage. – DJN, Hamburg, 136 pp. sich im Naturschutz vermehrt ihrer gesellschaftlichen Verant- GOSTELI, M. 1994. Die Mollusken des Bödmerenwaldes und an- wortung bewusst wird und ihren notwendigen Beitrag zur grenzender Gebiete. – Schwyz. Naturforsch. Ges. 10, 133-149. Naturschutzbiologie leistet. JUEG, U. & MENZEL-HARLOFF, H. 1996. Vertigo geyeri (LINDHOLM 1925) in Mecklenburg-Vorpommern (subfossil und rezent) (Gastro- poda: Stylommatophora: Vertiginidae). –Malak. Abh. Mus. Tierkd. 5 DANK Dresden 18 (11), 125-131.

Dr. Margret Gosteli (Bern), Dr. Ted von Proschwitz (Schweden: Colu- KERNEY, M. P., CAMERON, R. A. D. & JUNGBLUTH, J.H. 1983. Die mella aspera) und Jörg Rüetschi (Bern) unterstützten mich bei der Landschnecken Nord- und Mitteleuropas. – Paul Parey, Hamburg Bestimmung schwieriger Arten. Jörg Rüetschi gab mir zusätzlich auch und Berlin, 384 pp. kritische Hinweise zum Manuskript. Dr. Regula Dickenmann (Zürich) MEIER, T. (1988): Die Landschnecken im Alpstein und seiner Um- half mir mit ihrem botanischen Wissen. Dr. Susanne Haller-Brem gebung. – Mitt. dtsch. malakozool. Ges. 40, l-19. redigierte den Text. Das Centre Suisse de Cartographie de la Faune RÜETSCHI, J. 1998, im Druck. Weichtiere in Schweizer Eschenwäl- (CSCF, Neuenburg) lieferte mir verschiedene Datenbank-Auszüge dem. Vorkommen und Standorte mit naturschützerischen Empfeh- aus der Schweizer Mollusken-Datenbank und Charles Henry von lungen für den Waldbau. – Umweltmaterialien Nr. 102, Dokumen- der Fachstelle Naturschutz des Kantons Zürich half mir mit Karten- tationsstelle BUWAL, Bern, ca. 60 pp. material. Diesen Personen und Institutionen möchte ich für ihre SCHIESS, H. & SCHIESS-BÜHLER, C. 1997. Dominanzminderung als Hilfe ganz herzlich danken. ökologisches Prinzip: eine Neubewertung der ursprünglichen Wald- nutzungen für den Arten- und Biotopschutz am Beispiel der Tagfal- 6 LITERATUR terfauna eines Auenwaldes in der Nordschweiz. – Mitt. Eidgenöss. Forsch.anst. Wald Schnee Landsch. 72, l, l-127. BGU (Beratungsgemeinschaft für Umweltfragen) 1984a. Vegetati- ScHMm, G. 1966. Die Mollusken des Spitzbergs. In: Der Spitzberg onskundliche Kartierung der Wälder im Kanton Zürich, Gemeinde bei Tübingen. – Natur- u. Landschaftsschutzgebiete Bad.-Württ., 3, Bachs. – Unveröff. Karte l:5000 für den Kanton Zürich, Ober- 596-701. forstamt und Amt für Raumplanung. SCHMID, G. 1979. Mollusken vom Grenzacher Horn. In: Der Buchs- BGU 1984b. Vegetationskundliche Kartierung der Wälder im Kanton wald bei Grenzach. – Natur- u. Landschaftsschutzgebiete Bad.- Zürich, Gemeinde Weiach. – Unveröff. Karte l:5000 für den Kanton Württ., 9, 225-359. Zürich, Oberforstamt und Amt für Raumplanung. SCHMIDER, P., KÖPER, M., TSCHANDER, B. & KÄSER, B. 1993. Die BÖSSNECK, U. 1997. Ein neuer Nachweis der nordischen Waldstandorte im Kanton Zürich. – vdf, Zürich, 287 pp. Windelschnecke Vertigo ronnebyensis (WESTERLUND 1871) aus Mecklenburg-Vorpommern (Gastropoda: Vertiginidae). – Schr. TURNER, H., WÜTHRICH, M. RÜETSCHI, J. 1994. Rote Liste der gefährdeten Weichtiere der Schweiz. In: Rote Listen der gefährde- Malakozool. 10, 17-19. ten Tierarten der Schweiz, BUWAL (Ed.), pp. 75-79. – EDMZ, BURNAND, J. & ZÜST, S. 1976/77. Vegetationskarte der Feuchtge- Bern, 97 pp. biete. Weiach. – Unveröff. Kartierung für das Amt für Raumplanung des Kantons Zürich. TURNER, H., KUIPER, J.G.H., THEW, N., BERNASCONI, R., RÜETSCHI, J., WÜTHRICH, M. GOSTELI, M. 1998. Mollusca-Atlas. Atlas der DUSE.I, G. & MÜLLER, P. 1997. Reptilieninventar des Kantons Zü- Mollusken der Schweiz und Liechtensteins. – Fauna Helvetica, 2, rich. – Neujahrsblatt der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich, 527 pp. 200. Stück, 47 pp.

Peter Müller, Zoologe, Englischviertelstrasse 34, 8032 Zürich

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