Genuss Interview Visite
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2015 – WEINKULTURMAGAZIN Deutschland|Ausgabe 1 Deutschland|Ausgabe GENUSS Backfans, Lust auf Knödel und heitere Spaziergänger INTERVIEW «Entwicklungshelfer» macht Wein auf dem Wasen salonfähig VISITE «Freidenker» und «Edelsteine» im Weinsberger Tal Unfassbar rein. Aus der einzigartigen Ensinger Bio-Geosphäre. www.ensinger.de 2 EDITORIAL Heimat und die Stunde der Wahrheit Die Freunde von Wein aus Württemberg müssen umdenken. Denn der vertraute Slogan «Kenner trinken Württemberger» wird durch ein Heimat- und Qualitätssiegel abgelöst und der Genies- serkopf verjüngt und verschlankt. Kenner schätzen zwar wei- terhin die Gewächse des Ländle – vermutlich aufgrund der Qua- litätssteigerung der letzten Jahre mehr als jemals zuvor. Aber es war an der Zeit bei den Kreativen, sich etwas Neues einfallen zu lassen. Mit «Wein-Heimat-Württemberg» soll der Stolz der Wein- fans am Neckar und sonstigen Weinfl üssen auf Trollinger, Lem- berger, Riesling und Co. zum Ausdruck gebracht werden. Der andere Kopf auf dieser Seite, den Lesern dieses Magazins schon etwas länger vertraut, wurde bei einer besonderen öff ent- lichen Weinverkostung abgelichtet. «Stunde der Wahrheit» war sie betitelt. Diese schlug anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Remstal-Route in Endersbach. Vor rund 150 Gästen durften sechs als Weinexperten angekündigte Genießer (darunter eine Genießerin, eine eher knapp bemessene Frauen-Quote) jeweils vier anonym eingeschenkte Weiß- und Rotweine verkosten und sollten Sorte, Jahrgang sowie möglichst noch den Erzeuger be- lag, obwohl mehr in die Keller kam als nach mageren vier Jahren, stimmen. Bekannt war nur, dass man einen «Piraten» aus einer 10 Prozent unter dem langjährigen Schnitt. Die Lesedauer war anderen Region unter die Remstäler Weine geschmuggelt hatte. wegen Witterungskapriolen und dem Schädling Kirschessigfl ie- Im Vorfeld war sich unser Sextett einig, dass man sich bei einer ge sehr kurz. In nur drei Wochen wurden in einem sehr frühen solchen Blindprobe vor Publikum durchaus blamieren konnte Herbst 90 Prozent der Trauben geerntet. «Die hohe Schlagkraft («mein Auto steht mit laufendem Motor am Hinterausgang» wit- und Professionalität in den Weingärtnergenossenschaften ga- zelte einer der Teilnehmer). Aber unsere Treff erquote war nicht rantierte die höchstmögliche Sicherung der Qualität», stellte Dr. übel, obwohl die leichte Pfl ichtübung Trollinger nicht dabei war. Roman Glaser, der Präsident des Baden-Württembergischen Ge- Riesling, Spätburgunder, Sauvignon blanc und Zweigelt konnten nossenschaftsverbandes, im Rückblick fest. Die Essigfl iege konn- gut bestimmt werden. Selbst den Syrah aus Baden, hatten einige te durch gut abgestimmte Maßnahmen einigermaßen im Zaum in der Runde auf der Rechnung, zumindest was die Sorte betraf. gehalten werden. «Keiner der Experten hat sich blamiert», stellte eine Regionalzei- Neben ersten Empfehlungen zum Jahrgang 2014 fi nden Sie in tung fest. Und wir waren allesamt erleichtert… dieser Ausgabe spannende Portraits von einem «Reben-Doktor» Einfacher war die Verkostung für diese Ausgabe mit weis- und einem Stuttgarter Bierzelt-Wirt, der eigentlich ein Weinfan ist Foto: Uli Reinhardt Uli Reinhardt Foto: sen Frühlingsweinen. Hier waren die Sorten bekannt, zu und «Entwicklungshelfer» in Bayern war. Wir präsentieren über- beurteilen gab es hauptsächlich die raschende Knödel-Rezepte, blicken in ein Dorfb ackhaus und stel- PS: Unser Weinrätsel Qualität. Aber auf die Typizität wurde len einen weinorientierten Männerchor namens «Spätlese» vor, fi nden Sie diesmal auf ebenfalls geachtet – und deshalb ge- dem Wetterkapriolen und ein Schädling nichts anhaben können. Seite 37, die Aufl ösung legentlich der Daumen gesenkt. Etliche vom letzten Mal auf der Weine kamen bereits aus dem neuen Weinfreundliche Grüße Seite 44. Jahrgang 2014, mit dem die Weingärtner Ihr durchaus zufrieden waren. Nur die Menge Rudolf Knoll 03 INHALTSVERZEICHNIS GENUSS GESELLIGKEIT 20 Petra geht aus: 10 Kulinarischer Spaziergang Gasthof «Rössle» durch Besigheim in Weinstadt-Endersbach 38 Die Backfans von Stetten 26 Rezepte: 40 Termine: Viele Höhepunkte Lust auf feine Knödel im Programm 32 Weintest: Frühling im Glas 26 12 10 HINTERGRÜNDE 06 «Freidenker» und «Edelsteine» im Weinsberger Tal 12 75 Jahre Remstalkellerei: Frostiger Start 45 17 Jubiläum Weinwanderweg: 511 Kilometer Genuss 18 37 Rätsel: Halbtrocken und die Säure MENSCHEN 14 Interview: Bier-Festwirt Hans-Peter PRAXIS UND NEWS Grandl war Entwicklungshelfer in Bayern 45 Sortenkunde: Duftiger Gewürztraminer 18 Rebendoktor Kast: 46 News: Berliner Muskelspiele/ Auf den Hund gekommen Strahlende Genossen/Steigende 24 Die musikalische Spätlese-Gang Sortenvielfalt, neue Produkte/Fackeln im Weinberg 44 Die Seite der Leser: 50 Vorschau, Karikatur, Impressum Bezeichnungsunschädliche 15% 2015 – WEINKULTURMAGAZIN Ausgabe 1 | Deutschland GENUSS Backfans, Lust auf Knödel und heitere Der Weinfrühling ist da – festgehalten von Simone Mathias (gegenwart-Foto) Spaziergänger INTERVIEW «Entwicklungshelfer» macht Wein auf dem Wasen salonfähig VISITE «Freidenker» und «Edelsteine» im Weinsberger Tal 04 Wohlgeordnete Weingärten in harmonischer Nachbarschaft mit sonstiger grüner, idyllischer Natur. Im Weinsberger Tal bei Heilbronn scheint es, als ob jemand die Uhr vor Jahrzehnten angehalten hätte. 06 HINTERGRÜNDE Besuch im Weinsberger Tal «Freidenker» und «Edelsteine» Die Bezeichnung «Elefantenhochzeit» war nicht ganz abwegig, als sich vor vier Jahren gleich vier Genossenschaften aus dem Großraum Heilbronn zu einem Unternehmen – Winzer vom Weinsberger Tal – zusammenschlossen. Die Folge: neue Ideen, neue Weine, glücklichere Mitglieder. Text: Rudolf Knoll, Fotos: Eileen Aiello, Simone Mathias Die Ehe ist verdammt glücklich, wir spüren nach wie an einen Investor verkauft werden. Inzwischen hat hier ein Steak- vor Schmetterlinge im Bauch», lacht Dirk Mosthaf, haus («Grillgott») Einzug gehalten. «Das war für die Kollegen in Wills- Geschäftsführer der Winzer vom Weinsberger Tal, in bach eine harte Nuss, die sie schlucken mussten», berichtet der jun- Anspielung auf die 2011 erfolgte Fusion der Genossen- ge Geschäftsführer Mosthaf (37). Er musste gemeinsam mit seinem schaften von Eberstadt, Löwenstein, Willsbach und Eschenau. Die Kollegen Thomas Prieschl zudem beim Personal einige Einschnitte « vorherige «Verlobungszeit» in Form einer Weingärtnervertriebsge- vornehmen. «Aber alle, die gehen mussten, sind wieder gut unterge- nossenschaft war relativ lang gewesen. Aber bis zum endgültigen kommen», freut sich Freyer. Vermelden kann er außerdem, dass die «Ja-Wort» gab es, so erinnert sich der aus Löwenstein gekommene Traubenpreise erhöht werden konnten, «noch mit Luft nach oben». heutige Vorstandsvorsitzende Otto Freyer, «jede Menge Gespräche Zurückgegangen ist dagegen die Rebfl äche. 510 Hektar waren es bei und manche Nachtsitzung». der Fusion, mittlerweile sind es nur noch 430 Hektar. Den größten Denn bis zum Zusammenwachsen waren Kennzeichen der Eber- Aderlass verzeichneten, wen wundert’s, die Willsbacher Fluren. «Ei- stadter, Löwensteiner und Willsbacher jeweils ein ausgeprägtes nige Mitglieder sind nach Heilbronn zur großen Genossenschafts- Selbstbewusstsein mit «Wir-Gefühl» und ein gewisses gegenseiti- kellerei abgewandert, andere beliefern jetzt private Wengerter mit ges Misstrauen, das sich schon mal in freilich nicht ganz ernst ge- Trauben», weiß Mosthaf. Dafür bekam man Zuwachs durch die klei- meinten Äußerungen wie «Könne’ die überhaupt Wein mache’?» ne 30-Hektar-Genossenschaft Weiler bei Weinsberg, die vorher, wie ausdrückte (ausgenommen von solchen Muskelspielen war allen- so manche kleinere Kooperative, Vollablieferer bei der Weingärtner- falls die kleine Kooperative von Eschenau). Aber im Rückblick kann Zentralgenossenschaft in Möglingen war. Insgesamt wandern heute Freyer bilanzieren: «Die Fusion war der einzig richtige Schritt, um in 25 Prozent der Ernte nach Möglingen; die Privatkundschaft nimmt der Zukunft bestehen zu können.» Geringe Weinernten und damit mehr als 20 Prozent ab. Ansonsten wird viel in der Region über die verbunden schlechte Auszahlungsleistungen für die Mitglieder er- Gastronomie und den Handel vermarktet. zeugten den nötigen Druck, der zueinander führte. Beibehalten wurden die Standorte Löwenstein und Eberstadt, wo Vier Jahrgänge seit 2011 wurden inzwischen gemeinsam einge- ein modernes, weiträumiges Betriebsgebäude eine Art Aushänge- bracht. In dieser Zeit gab es eine Reihe von Einschnitten, die nicht schild der Winzer vom Weinsberger Tal ist. Hier probieren wir uns ganz schmerzfrei waren. Die Erfassungsstelle in Eschenau wurde durch die kleiner gewordene Kollektion, die mal über 270 Weine aufgrund notwendiger Umstrukturierungen ebenso aufgelöst wie umfasste und inzwischen auf 130 Weine reduziert wurde. Zu einem der stattliche Betrieb in Willsbach. «Ein Stück Ortsgeschichte geht weiteren Abbau könnte der mengenmäßig geringe Jahrgang 2014 verloren», meinte Tilman Schmidt, Bürgermeister von Obersulm- beitragen. «Das Weinsberger Tal war negativ betroff en», berichtet Willsbach, als die Entscheidung im Herbst 2012 verkündet wurde. der technische Betriebsleiter Joachim Stock, vorher verantwort- 1924 war das Gründungsjahr der Genossenschaft; sie war in dem lich in Willsbach. Der 46-Jährige beklagt viel Niederschläge sowie Trio Eberstadt (gegründet 1923), Löwenstein (1939) und Willsbach die Kirschessigfl iege und ist glücklich, dass zumindest die Qualität mit über 200 Hektar die größte Kooperative. Das Gebäude konnte stimmt: «Absolut