Plenarprotokoll 12/233

Deutscher

Stenographischer Bericht

233. Sitzung

Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Inhalt:

Erweiterung und Abwicklung der Tages- c) — Zweite und dritte Beratung des von ordnung 20275A den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs ei- Absetzung von Tagesordnungspunkten 20275D, nes Gesetzes zur Aufhebung der 20347 C Zugabeverordnung (Drucksache 12/6723) Tagesordnungspunkt 7: — Zweite und dritte Beratung des vom Zweite und dritte Beratung des von der Bundesrat eingebrachten Entwurfs Bundesregierung eingebrachten Ent- eines Gesetzes zur Änderung der wurfs eines Gesetzes zu dem Überein- Zugabeverordnung (Drucksachen kommen vom 9. Februar 1994 über die 12/3164, 12/7911) Erhebung von Gebühren für die Benut- zung bestimmter Straßen mit schwe- Dr. CDU/CSU 20282 D ren Nutzfahrzeugen (Autobahnbenut- Albert Pfuhl SPD 20284 C zungsgebührengesetz) (Drucksachen 12/7267, 12/7896, 12/7897) Dieter-Julius Cronenberg (Arnsberg) F.D.P. ...... 20286 A Dr. CDU/CSU 20276 A Elke Ferner SPD 20277 B Dr. F.D.P. 20287C, 20296 A Ekkehard Gries F D P 20278 D Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . . 20288 C Dr. PDS/Linke Liste 20280 A (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 20289 B Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . ...... 20280 D Ortwin Lowack fraktionslos ...... 20290B , Bundesminister BMV 20281 B Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi ...... 20290D Namentliche Abstimmung 20282 B Ernst Hinsken CDU/CSU 20291 B Ergebnis 20299 A Lieselott Blunck (Uetersen) SPD . . . 20292 D

Tagesordnungspunkt 8: Dr. Uwe Jens SPD 20293 A a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs Josef Grünbeck F D P 20293 D eines Gesetzes zur Aufhebung des Rabattgesetzes und der Verordnung zur Hansjürgen Doss CDU/CSU 20294 B Durchführung des Rabattgesetzes (Ra- Hans Büttner (Ingolstadt) SPD 20294 D battgesetzaufhebungsgesetz) (Drucksa- chen 12/6722, 12/7271, 12/7715) Walter Schöler SPD 20295 B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Renate Blank CDU/CSU (Erklärung nach Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 20314 A § 31 GO) 20296B Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . . 20315B Ernst Hinsken CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 20297 B CDU/CSU 20317B Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . 20318A Namentliche Abstimmung 20298 D Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . 20318D Ergebnis 20304 A Eckart Kuhlwein SPD (Erklärung nach § 31 GO) 20320B Tagesordnungspunkt 9: a) Zweite und dritte Beratung des von den Josef Vosen SPD (Erklärung nach § 31 Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg), GO) 20320D Horst Gibtner, weiteren Abgeordneten Ernst Waltemathe SPD (Erklärung nach § 31 und der Fraktion der CDU/CSU sowie GO) 20321 C den Abgeordneten Ekkehard Gries, , weiteren Abgeordneten Tagesordnungspunkt 10: und der Fraktion der F.D.P. eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Rege- ai) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs lung des Planungsverfahrens für Ma- eines Gesetzes zur Änderung des Um- gnetschwebebahnen (Magnetschwe- wandlungssteuerrechts (Drucksachen bebahnplanungsgesetz) (Drucksachen 12/6885, 12/7263, 12/7945, 12/7946) 12/7006, 12/7925, 12/7926) a2) Beratung der Unterrichtung durch b) Beratung der Beschlußempfehlung und die Bundesregierung (Drucksache des Berichts des Ausschusses für Ver- 12/6054 Nr. 2.1) kehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über das Fi- Vorschlag für eine Richtlinie des Ra- nanzierungskonzept der Magnet- tes zur Änderung der Richtlinie schwebebahnverbindung Berlin-Ham- 90/434/EWG vom 23. Juli 1990 über das burg (TRANSRAPID) (Drucksachen gemeinsame Steuersystem für Fusio- 12/6964, 12/7925) nen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch in Verbindung mit von Anteilen, die Gesellschaften ver- schiedener Mitgliedstaaten betreffen Zusatztagesordnungspunkt 5: Vorschlag für eine Richtlinie des Ra- Beratung des Antrags der Abgeordne- tes zur Änderung der Richtlinie ten Dr. Dagmar Enkelmann und der 90/435/EWG vom 23. Juli 1990 über das Gruppe der PDS/Linke Liste: Ausbau gemeinsame Steuersystem der Mutter- der Bahnverbindungen Hamburg-Ber- und Tochtergesellschaften verschie- lin (Drucksache 12/7732) dener Mitgliedstaaten — KOM(93) 293 endg. — »Rats-Dok. Nr. 8261/93« in Verbindung mit (Drucksache 12/7945)

Zusatztagesordnungspunkt 9: b) Zweite und dritte Beratung des Ent- wurfs eines Gesetzes zur Bereinigung Beratung des Antrags der Fraktion der des Umwandlungsrechts (Drucksachen SPD: Kreuzungen mit anderen Eisen- 12/6699, 12/7265, 12/7850) bahnen und mit Straßen (Drucksache 12/7906) c) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. Horst Gibtner CDU/CSU 20301 D eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes Eckart Kuhlwein SPD . . 20302B, 20319 D für kleine Aktiengesellschaften und Wolf-Michael Catenhusen SPD 20302D, 20318 C zur Deregulierung des Aktienrechts (Drucksachen 12/6721, 12/7848) Siegfried Scheffler SPD . . . 20303C, 20307 B d) — Zweite und dritte Beratung des von Dr. SPD 20306B den Fraktionen der CDU/CSU und Horst Gibtner CDU/CSU 20306 D F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beibehaltung der Mit- Jürgen Koppelin F.D.P. 20308B bestimmung beim Austausch von Horst Friedrich F.D.P. 20309 C Anteilen und der Einbringung von Unternehmensteilen, die Gesell- Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 20311A schaften verschiedener Mitglied- Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste . . . . 20311 C staaten der Europäischen Gemein- schaften betreffen (Mitbestimmungs- Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/DIE Beibehaltungsgesetz) (Drucksache GRÜNEN 20312D 12/3280)

Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 III

— Zweite und dritte Beratung des von Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P. . 20341 A der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beibe- Günter Verheugen SPD 20342 D haltung der Mitbestimmung beim Austausch von Anteilen und der Ein- Dr. PDS/Linke Liste . . 20343 A bringung von Unternehmensteilen, Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P. 20343 C die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten der Europäischen Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE Gemeinschaften betreffen (Mitbe- GRÜNEN 20344 A stimmungs - Beibehaltungsgesetz) (Drucksachen 12/4532, 12/7735) Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 20345 A e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE 20345 C und Sozialordnung zu dem Antrag der GRÜNEN Fraktion der SPD: Sicherung der Tarif- autonomie (Drucksachen 12/4818, Tagesordnungspunkt 25: 12/7735) Überweisungen im vereinfachten Verfah- Joachim Gres CDU/CSU 20323 D ren Hans-Eberhard Urbaniak SPD 20325 C a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. einge- Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 20328A brachten Entwurfs eines Siebzehnten Hans-Eberhard Urbaniak SPD 20328B, 20331A, Gesetzes zur Änderung des Abge- 20332 C ordnetengesetzes und eines Vier- zehnten Gesetzes zur Änderung des Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste . . . . 20328D Europaabgeordnetengesetzes (Druck- sache 12/7777) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bun- desministerin BMJ 20330 B b) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Heinz-Adolf Hörsken CDU/CSU . . . 20331 D Gesetzes zur Änderung des Zeitgeset- Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekre zes (Drucksache 12/7631) tär BMF ...... 20333 B c) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Dr. Otto Graf Lambsdorff (Erklärung nach- § 31 GO) 20334A Gesetzes zu dem Protokoll vom 19. No- vember 1991 zu dem Übereinkommen Tagesordnungspunkt 11: von 1979 über weiträumige grenzüber- schreitende Luftverunreinigung betref- a) Zweite und dritte Beratung des von den fend die Bekämpfung von Emissionen Abgeordneten Siegfried Hornung, flüchtiger organischer Verbindungen Dr. Hans Stercken, weiteren Abgeord- oder ihres grenzüberschreitenden Flus- neten und der Fraktion der CDU/CSU ses (Drucksache 12/7846) sowie den Abgeordneten Hans-Joachim Erste Beratung des von der Bundesre- Otto (Frankfurt), , weiteren d) Abgeordneten und der Fraktion der gierung eingebrachten Entwurfs eines F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu internationalen Überein- Gesetzes über den deutschen Auslands- kommen über den Schutz der Meeres- umwelt des Ostseegebiets und des rundfunk (Drucksachen 12/7401, 12/7927, 12/7928) Nordostatlantiks (Drucksache 12/7847) e) Erste Beratung des von der Bundesre- b) Beratung der Beschlußempfehlung und gierung eingebrachten Entwurfs eines des Berichts des Innenausschusses Gesetzes zu dem Abkommen vom zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/ 16. Dezember 1992 zwischen der Regie- CSU und F.D.P.: Nationaler Hörfunk rung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Russischen zu dem Antrag der Abgeordneten Föderation über die gegenseitige Dr. , Günter Verheugen, wei- Hilfeleistung bei Katastrophen oder terer Abgeordneter und der Fraktion der schweren Unglücksfällen (Drucksache SPD: Neugestaltung der deutschen 12/7506) Rundfunklandschaft (Drucksachen 12/3623, 12/2749, 12/6698) f) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Dr. Joseph-Theodor Blank CDU/CSU . . 20336A Gesetzes zu dem Abkommen vom 2. De- Günter Verheugen SPD 20338 B zember 1993 zwischen der Bundesrepu- blik Deutschland und der Republik Dr. Joseph-Theodor Blank CDU/CSU . 20339 D Namibia zur Vermeidung der Doppel- IV Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

besteuerung auf dem Gebiet der Steu- c) Zweite Beratung und Schlußabstim- ern vom Einkommen und vom Vermö- mung des von der Bundesregierung ein- gen (Drucksache 12/7771) 20346C gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 17. März Zusatztagesordnungspunkt 6: 1992 zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und Weitere Überweisungen im vereinfachten internationaler Seen Verfahren (Gesetz zu dem Übereinkommen zum Schutz grenz- a) Erste Beratung des von der Bundesre- überschreitender Wasserläufe) (Druck- gierung eingebrachten Entwurfs eines sachen 12/7190, 12/7913) Gesetzes zur Änderung des Umsatz- steuergesetzes und anderer Gesetze e) — Zweite Beratung und Schlußabstim- (Drucksachen 12/7842, 12/7910) mung des von der Bundesregierung b) Erste Beratung des von der Bundesre- eingebrachten Entwurfs eines Geset- gierung eingebrachten Entwurfs eines zes zu den Protokollen vom 27. No- Gesetzes zu dem Abkommen vom vember 1992 zur Änderung des 5. April 1993 zwischen der Regierung Internationalen Übereinkommens der Bundesrepublik Deutschland und von 1969 über die zivilrechtliche der Regierung der Republik Lettland Haftung für Ölverschmutzungsschä- über die Seeschiffahrt (Drucksache den und zur Änderung des Interna- 12/7769) tionalen Übereinkommens von 1971 c) Erste Beratung des von der Bundesre- über die Errichtung eines Inter- gierung eingebrachten Entwurfs eines nationalen Fonds zur Entschädi- Zweiten Gesetzes zur Änderung des gung für Ölverschmutzungsschäden Gesetzes zur Förderung der bäuer- (Drucksache 12/6364) lichen Landwirtschaft (Drucksache — Zweite und dritte Beratung des von 12/7770) der Bundesregierung eingebrachten d) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- Entwurfs eines Gesetzes zur Än- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur derung des Ölschadensgesetzes Änderung des Flurbereinigungsgeset- (Drucksachen 12/6373, 12/7602) zes (Drucksache 12/7909) e) Erste Beratung des von den Fraktionen f) Zweite und dritte Beratung des vom der CDU/CSU, SPD und F.D.P. einge- Bundesrat eingebrachten Entwurfs brachten Entwurfs eines Gesetzes über eines Gesetzes zur Stärkung des die Errichtung einer Bundeskanz- Rechtsfriedens und zur Bekämpfung ler-Willy-Brand-Stiftung (Drucksache des Schlepperunwesens (Drucksachen 12/7880) 12/5683, 12/7827) f) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur g) Zweite und dritte Beratung des von der Änderung des Wasserhaushaltsgeset- Bundesregierung eingebrachten Ent- zes (Drucksache 12/7924) 20347A wurfs eines Gesetzes über die Errich- tung einer Bundesanstalt für Landwirt- schaft und Ernährung und zur Ände- Tagesordnungspunkt 26: rung von Vorschriften auf den Gebieten Abschließende Beratungen ohne Ausspra- der Land- und Ernährungswirtschaft che (Drucksachen 12/7133, 12/7853, a) Zweite Beratung und Schlußabstim- 12/7854) mung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu h) Zweite und dritte Beratung des von der dem Europa-Abkommen vom 1. Fe- Bundesregierung eingebrachten Ent- bruar 1993 zur Gründung einer Asso- wurfs eines Gesetzes zur Reform des ziation zwischen den Europäischen Markenrechts und zur Umsetzung der Gemeinschaften sowie ihren Mitglied- Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates staaten und Rumänien (Drucksachen vom 21. Dezember 1988 zur Anglei- 12/7010, 12/7787) chung der Rechtsvorschriften der Mit- b) Zweite Beratung und Schlußabstim- gliedstaaten über die Marken (Marken- mung des von der Bundesregierung ein- rechtsreformgesetz) (Drucksachen gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu 12/6581, 12/7671, 12/7679) dem Europa-Abkommen vom 8. März 1993 zur Gründung einer Assoziation j) — Zweite und dritte Beratung des von zwischen den Europäischen Gemein- der Bundesregierung eingebrachten schaften sowie ihren Mitgliedstaaten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur und der Republik Bulgarien (Drucksa- Änderung des D-Markbilanzgeset- chen 12/7012, 12/7851) zes (Drucksache 12/7262) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 V

— Zweite und dritte Beratung des von Bundesregierung: Vorschlag für eine der Fraktion der SPD eingebrachten Richtlinie des Rates zur Angleichung Entwurfs eines Gesetzes zur An- der Rechtsvorschriften der Mitglied- derung des Handelsgesetzbuches staaten für den Gefahrguttransport auf (Drucksachen 12/7570, 12/7912) der Straße (Drucksachen 12/6902 Nr. 2.51, 12/7636) k) Zweite Beratung und Schlußabstim- mung des von der Bundesregierung ein- r) Beratung der Beschlußempfehlung und gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu des Berichts des Ausschusses für Ver- dem Europäischen Übereinkommen kehr zu der Unterrichtung durch die vom 6. November 1990 über die allge- Bundesregierung: Vorschlag für eine meine Gleichwertigkeit der Studienzei- Richtlinie des Rates über einheitliche ten an Universitäten (Drucksachen Verfahren für die Kontrolle von Gefahr- 12/6916, 12/7889) guttransporten auf der Straße (Drucksa- chen 12/6970 Nr. 13, 12/7637) 1) Zweite Beratung und Schlußab- stimmung des von der Bundes- s) Beratung der Beschlußempfehlung und regierung eingebrachten Entwurfs ei- des Berichts des Ausschusses für Ver- nes Gesetzes zu dem Abkommen vom kehr zu der Unterrichtung durch die 18. März 1993 zur Änderung des Zusatz- Bundesregierung: Vorschlag für eine abkommens zum NATO-Truppenstatut Richtlinie des Rates zur Festlegung der und zu weiteren Übereinkünften höchstzulässigen Gewichte und Ab- (Drucksachen 12/6477, 12/7957, messungen für Straßenfahrzeuge über 12/7958) 3,5 Tonnen im innergemeinschaftlichen Verkehr (Drucksachen 12/6970 Nr. 14, m) Beratung der Beschlußempfehlung und 12/7652) des Berichts des Ausschusses für Arbeit Beratung der Beschlußempfehlung und und Sozialordnung zu dem Antrag der t) des Berichts des Finanzausschusses zu Abgeordneten , Peter der Unterrichtung durch das Europäi- Büchner (Speyer), weiterer Abgeordne- sche Parlament: Entschließung zur Be- ter und der Fraktion der SPD: Mitbe- seitigung der rechtlichen Hindernisse stimmungsrechte der Zivilbeschäftig- für die Verwendung des ECU (Drucksa- ten bei den Alliierten Stationierungs- chen 12/6231, 12/7663) streitkräften (Drucksachen 12/2138, 12/7464) u) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelüber- n) Beratung der Beschlußempfehlung des sicht 153 zu Petitionen (Drucksache Haushaltsausschusses zu dem Antrag 12/7698) des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der v) Beratung der Beschlußempfehlung Bundeshaushaltsordnung zur Veräuße- des Petitionsausschusses: Sammelüber- rung des bundeseigenen Grundstückes sicht 154 zu Petitionen (Drucksache in München an der Heidemannstraße 12/7699) 20347 D (Drucksachen 12/7146, 12/7624) Zusatztagesordnungspunkt 7: o) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses Weitere abschließende Beratungen ohne zu dem Antrag des Bundesministeriums Aussprache der Finanzen: Veräußerung bundesei- gener Liegenschaften im Wert von a) Zweite Beratung und Schlußabstim- mehr als 30 Mio. DM mung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu hier: Ehemalige NVA-Kaserne in Zwik- dem Abkommen vom 2. Dezember 1993 kau, Werdauer Straße (Drucksachen zwischen der Bundesrepublik Deutsch- 12/7311, 12/7626) land und der Republik Namibia zur Vermeidung der Doppelbesteuerung p) Beratung der Beschlußempfehlung und auf dem Gebiet der Steuern vom Ein- des Berichts des Haushaltsausschusses kommen und vom Vermögen (Drucksa- zu dem Antrag des Präsidenten des chen 12/7771, 12/7894) Bundesrechnungshofes: Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haus- b) Zweite Beratung und Schlußabstim- haltsjahr 1992 — Einzelplan 20 — mung des von der Bundesregierung ein- (Drucksachen 12/4844, 12/7627) gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 15. Juli 1993 q) Beratung der Beschlußempfehlung und über den Rechtsstatus des internationa- des Berichts des Ausschusses für Ver- len Suchdienstes in Arolsen (Drucksa- kehr zu der Unterrichtung durch die chen 12/6824, 12/7903) VI Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 c) Beratung des Antrags der Fraktionen ordnung, Bauwesen und Städtebau zu der CDU/CSU und F.D.P.: Förderung dem Antrag der Abgeordneten Achim des Einsatzes biologisch schnell abbau- Großmann, Otto Reschke, weiterer Ab- barer Schmierstoffe und Hydraulikflüs- geordneter und der Fraktion der SPD: sigkeiten (Drucksache 12/7915) . . . 20350B Für einen Wechsel in der Wohnungspo- litik (Drucksachen 12/5578, 12/6598) Tagesordnungspunkt 2: d) Zweite und dritte Beratung des von dem Fragestunde (Fortsetzung) Abgeordneten Dr. Ilja Seifert und der Gruppe der PDS/Linke Liste einge- — Drucksache 12/7821 vom 10. Juni brachten Entwurfs eines Ersten Geset- 1994 — zes zur Änderung des Altschuldenhilfe-

Gesetzes (Erstes Altschuldenhilfe -Ä n- Sonderwünsche des Bundeskanzlers für die derungsgesetz) (Drucksachen 12/7054, Unterbringung anläßlich der Reise zum EU 12/7923, 12/7943) -Gipfeltreffen nach Korfu; Kosten e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Raum- MdlAnfr 6, 7 ordnung, Bauwesen und Städtebau zu Stephan Hilsberg SPD dem Antrag der Abgeordneten Achim Antw StMin BK . . . 20353 A Großmann, Iris Gleicke, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD: Novellierung des Altschuldenhilfege- Ausschluß des amerikanischen Jazzpiani- setzes (Drucksachen 12/6746, 12/7923) sten Chick Corea von einer Sportveranstal- f) Beratung der Beschlußempfehlung und tung in Stuttgart wegen dessen Zúgehörig- des Berichts des Ausschusses für Raum- keit zur Scientology-Kirche ordnung, Bauwesen und Städtebau zu MdlAnfr 28 dem Antrag der Abgeordneten Dieter Maaß (Herne), Achim Großmann, weite- Birgit Homburger F.D.P. rer Abgeordneter und der Fraktion der Antw StMin Helmut Schäfer AA . . . . 20353 D SPD: Förderung des genossen- schaftlichen Wohnungsbaus (Drucksa- ZusFr Birgit Homburger F.D.P...... 20354 A chen 12/4301, 12/7921)

- in Verbindung mit Bewertung neofaschistischer Tendenzen in Italien; Forderung der Neofaschisten nach Revision des Grenzvertrages mit Jugosla- Zusatztagesordnungspunkt 8: wien Beratung des Antrags der Abgeordne- ten Dr. Ilja Seifert, Dr. und MdlAnfr 31, 32 der Gruppe der PDS/Linke Liste: Mie- Dr. BÜNDNIS 90/DIE tenmoratorium für die preisgebunde- GRÜNEN nen Wohnungen in Ostdeutschland — weitere Maßnahmen für ein sozial ver- Antw StMin Helmut Schäfer AA 20354B, 20355 B trägliches und überschaubares Mieten- system in Deutschland (Drucksache ZusFr Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/ 12/7856) DIE GRÜNEN 20354C, 20355 B Dr. , Bundesministerin ZusFr Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/ BMBau 20356C, 20373 C DIE GRÜNEN 20354 D Achim Großmann SPD . . . 20360B, 20378B Jürgen Sikora CDU/CSU 20361A Tagesordnungspunkt 12: Peter Götz CDU/CSU 20362 C a) Abgabe einer Erklärung der Bundesre- gierung: Wohnungspolitische Bilanz Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU . 20363 D der Bundesregierung Dr. F.D.P. 20366B b) Beratung der Beschlußempfehlung und Peter Conradi SPD ...... 20367 A des Berichts des Ausschusses für Raum- ordnung, Bauwesen und Städtebau zu Dr. Ilja Seife rt PDS/Linke Liste . . 20367 C der Unterrichtung durch die Bundesre- Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 20369A, 20379B gierung: Wohngeld - und Mietenbericht 1993 (Drucksachen 12/7153, 12/7922) Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20370 D c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Raum Iris Gleicke SPD 20371D, 20373 D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 VII

Hans Raidel CDU/CSU 20373 D Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 20397A, 20406B Dr. Walter Hitschler F.D.P. . . 20375C, 20378C, 20382 C Josef Hollerith CDU/CSU 20397 A Joachim Günther F.D.P. (Plauen) (Erklä Doris Odendahl SPD 20398 A rung nach § 30 GO) 20379 A Dr. CDU/CSU . . . 20400 A Rolf Rau CDU/CSU 20379 C Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink F.D.P. 20400B Dieter Maaß (Herne) SPD . . . 20381B, 20382 D Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . 20401 C Peter Götz CDU/CSU 20382 D Dirk Hansen F D P. 20401 D Tagesordnungspunkt 13: Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann, Bundesmini- Zweite und dritte Beratung eines Geset- ster BMBW 20402 C zes über das Ausländerzentralregister (Drucksachen 12/6938, 12/7520, 12/7601, Eckart Kuhlwein SPD 20404 B 12/7944) (Nordstrand) CDU/CSU 20385 B CDU/CSU 20404 C Dorle Marx SPD 20386 A Stephan Hilsberg SPD 20404 D Cornelia Schmalz-Jacobsen F D P 20387 C Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . 20405 C PDS/Linke Liste 20388 C Tagesordnungspunkt 16: Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE a) Zweite und dritte Beratung des von der GRÜNEN 20389 B Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Zweiten Gesetzes zur Ände- Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär BMI 20390 A rung des Lebensmittel- und Bedarfs- gegenständegesetzes (Drucksachen Tagesordnungspunkt 14: 12/6992, 12/7929) Zweite und dritte Beratung des von der b) Beratung der Beschlußempfehlung und Bundesregierung eingebrachten Ent- des Berichts des Ausschusses für Ge- wurfs eines Gesetzes über den Verkehr sundheit zu dem Antrag der Abgeordne- mit Medizinprodukten (Medizinpro-- ten Lieselott Blunck (Uetersen), Hans duktegesetz) (Drucksachen 12/6991, Gottfried Bernrath, weiterer Abgeord- 12/7930) neter und der Fraktion der SPD: Einsatz Wolfgang Zöller CDU/CSU 20391 A der Gentechnik und anderer neuartiger biotechnologischer Verfahren in der Antje-Marie Steen SPD 20392 A Lebensmittelproduktion (Drucksachen 12/3463, 12/7261) Detlef Parr F.D.P. 20393 D c) Beratung des Antrags der Abgeordne- Dr. PDS/Linke Liste . . 20394 D ten Klaus Lennartz, Susanne Kastner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Staatssekretä der SPD: Vermeidung und Verhinde- rin BMG 20395 B rung von Planzenschutzmittelrückstän- den in Lebensmitteln (Drucksache Tagesordnungspunkt 15: 12/7742) a) Zweite und dritte Beratung des von der Editha Limbach CDU/CSU 20408B Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Siebzehnten Gesetzes zur Antje-Marie Steen SPD 20409A Änderung des Bundesausbildungsför- Dr. Bruno Menzel F D P 20410 D derungsgesetzes (Drucksachen 12/7430, 12/7902, 12/7942) Lieselott Blunck (Uetersen) SPD 20412A b) Beratung der Beschlußempfehlung und Dr. Bruno Menzel F D P 20413 A des Berichts des Ausschusses für Bil- dung und Wissenschaft zu der Unter- Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatsse richtung durch die Bundesregierung: kretärin BMG 20414 A Zehnter Bericht nach § 35 des Bun- desausbildungsförderungsgesetzes zur Lieselott Blunck (Uetersen) SPD . . . 20415 D Überprüfung der Bedarfssätze, Freibe- Antje-Marie Steen SPD 20415 D träge sowie Vomhundertsätze und Höchstbeträge nach § 21 Abs. 2 (Druck-. Dr. Rudolf Karl Krause (Bonese) fraktions sachen 12/6605, 12/7902) los 20416C VIII Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Tagesordnungspunkt 17: Anlage 5 Zweite Beratung und Schlußabstim- mung des von der Bundesregierung ein- Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesord- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu nungspunkt 15 (a — Entwurf eines Sieb- dem Übereinkommen vom 7. Novem- zehnten Gesetzes zur Änderung des Bun- ber 1991 zum Schutz der Alpen (Alpen- desausbildungsförderungsgesetzes, b — konvention) (Drucksachen 12/7268, Beschlußempfehlung zum Zehnten Bericht 12/7914) nach § 35 des Bundesausbildungsförde- rungsgesetzes zur Überprüfung der Be- Simon Wittmann (Tännesberg) CDU/CSU 20417 C darfssätze, Freibeträge sowie Vomhundert- Horst Kubatschka SPD 20418B sätze und Höchstbeträge nach § 21 Abs. 2)

Birgit Homburger F D P 20420 A Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE Horst Kubatschka SPD 20421 B GRÜNEN 20425* B Ulrich Klinkert, Parl. Staatssekretär BMU 20421 C Anlage 6 Tagesordnungspunkt 18: Zweite und dritte Beratung des von der Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesord- Bundesregierung eingebrachten Ent- nungspunkt 16 (a — Entwurf eines Zweiten wurfs eines Achten Gesetzes zur Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- Änderung des Außenwirtschaftsgeset- und Bedarfsgegenständegesetzes, b — Be- zes (Drucksachen 12/6911, 12/7115, schlußempfehlung zu dem Antrag: Einsatz 12/7793) 20422 C der Gentechnik und anderer neuartiger biotechnologischer Verfahren in der Le- Nächste Sitzung 20422 D bensmittelproduktion, c — Antrag: Vermei- dung und Verhinderung von Pflanzen- schutzmittelrückständen in Lebensmitteln) Anlage 1 Dr. Ursula Fischer PDS/Linke Liste . . . 20425* D Liste der entschuldigten Abgeordneten . 20423* A Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRU NEN 20427* A Anlage 2 - Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Horst Friedrich (F.D.P.) zur Abstimmung über den Gesetzentwurf zur Erhebung von Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesord- Autobahnbenutzungsgebühren (Tagesord- nungspunkt 18 (Entwurf eines Achten nungspunkt 7) ...... 20423 * C Gesetzes zur Änderung des Außenwirt- schaftsgesetzes) Erich G. Fritz CDU/CSU 20427* D Anlage 3 Marita Sehn F.D.P. 20429* D Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über das Rabattaufhebungsgesetz (Tages- Hermann Bachmaier SPD 20430* B ordnungspunkt 8) Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Jürgen Augustinowitz CDU/CSU. . 20423* D NEN 20431* D Klaus Bühler (Bruchsal) CDU/CSU . . . 20424* A Dr. PDS/Linke Liste 20432* C Arno Schmidt (Dresden) F.D.P...... 20424* B Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 20433' C Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 20424* C Wolfgang Zöller CDU/CSU 20424* D Anlage 8 Otto Hauser (Esslingen) CDU/CSU . . 20425* A Vermarktung der zivilen Nutzung des Flug- platzes Bitburg; Belastung der US-Air-Base Anlage 4 Spangdahlem und des Flughafens Bitburg mit Altlasten Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten MdlAnfr 13, 14 — Drs 12/7821 — Jürgen Koppelin (F.D.P.) zur Abstimmung Dr. Elke Leonhard-Schmid SPD über den Entwurf eines Magnetschwebe- bahngesetzes (Tagesordnungspunkt 9) . 20425* A SchrAntw PStSekr Bernd Wilz BMVg . . 20434* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 IX

Anlage 9 Anlage 11 Entwicklung neuer, sog. sauberer Atom- Ausländische Reaktionen auf die beabsich- waffen in Rußland, die nicht dem Atomwaf- tigte Verwendung von hochangereicher- fensperrvertrag oder anderen Verträgen tem Uran im künftigen Forschungsreaktor unterliegen München II; Vereinbarkeit einer möglichen Weigerung der USA zur Lieferung des

MdlAnfr 26 — Drs 12/7821 — Urans mit dem Atomwaffensperrvertrag Claus Jäger CDU/CSU MdlAnfr 29, 30 — Drs 12/7821 — SchrAntw StMin Helmut Schäfer AA . . 20435* B Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/ CSU SchrAntw StMin Helmut Schäfer AA . . 20435* C

Anlage 10 Mutwillige Beschädigung der Begegnungs- Anlage 12 stätte des Deutschen Freundschaftskreises in Gleiwitz (Polen) Tod des aus Deutschland abgeschobenen indischen Bürgers Singh

MdlAnfr 27 — Drs 12/7821 — MdlAnfr 33 — Drs 12/7821 — Ortwin Lowack fraktionslos Dr. Klaus Kübler SPD SchrAntw StMin Helmut Schäfer AA . . 20435* C SchrAntw StMin Helmut Schäfer AA . . 20436* A

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233. Sitzung

Bonn, den 16. Juni 1994

Beginn: 9.00 Uhr

Vizepräsidentin : Guten Morgen! b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Die Sitzung ist eröffnet. Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 15. Juli 1993 über den Rechtsstatus des internationalen Suchdienstes in Arolsen Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich folgende — Drucksachen 12/6824, 12/7903 — amtliche Mitteilungen zu machen: c) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbun- F.D.P.: Förderung des Einsatzes biologisch schnell abbaubarer Schmierstoffe und Hydraulikflüssigkeiten dene Tagesordnung um weitere Zusatzpunkte zu — Drucksache 12/7915 — erweitern. Die Punkte sind in der Ihnen vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführt: 8. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Ilja Seife rt, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Mietenmoratorium für die preisgebundenen Wohnungen in 5. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkel- Ostdeutschland — weitere Maßnahmen für ein sozial ver- mann und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Ausbau der trägliches und überschaubares Mietensystem in Deutsch- Bahnverbindungen Hamburg-Berlin — Drucksache land — Drucksache 12/7856 — 12/7732 — Von der Frist für den Beginn der Beratung soll, 6. Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren (Er- soweit es bei einzelnen Punkten der Tagesordnung gänzung zu TOP 25) und der Zusatzpunktliste erforderlich ist, abgewichen a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrach- werden. ten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatz- Darüber hinaus ist vereinbart worden, den Antrag steuergesetzes und anderer Gesetze — Drucksachen 12/7842, 12/7910 — der Fraktion der SPD „Kreuzungen mit anderen Eisenbahnen und mit Straßen" auf Drucksache b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrach- 12/7906 mit Tagesordnungspunkt 9 zu beraten. ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 5. April 1993 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Außerdem wurde vereinbart, den Tagesordnungs- Deutschland und der Regierung der Republik Lettland punkt 8b — Änderung des Gesetzes gegen den über die Seeschiffahrt — Drucksache 12/7769 — unlauteren Wettbewerb — abzusetzen. c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrach- Der Tagesordnungspunkt 10f — Änderung des ten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuches — soll zusammen mit Tages- Gesetzes zur Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft — Drucksache 12/7770 — ordnungspunkt 26j — Änderung des D-Markbilanz- gesetzes — aufgerufen werden. d) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Ent- Die Beratungen ohne Aussprache finden vor der wurfs eines Gesetzes zur Anderung des Flurbereinigungs- gesetzes (FlurbG) — Drucksache 12/7909 — Fragestunde statt. Der ohne Debatte vorgesehene Tagesordnungs- e) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes punkt 26i — Änderung des Umsatzsteuergesetzes — über die Errichtung einer Bundeskanzler-Willy-Brandt- soll erst am Freitag beraten werden. Drucksache 12/7880 — Stiftung — Sind Sie mit alldem einverstanden? f) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Ent- (Zurufe: Ja!) wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushalts- gesetzes (WHG) — Drucksache 12/7924 — — Das ist wunderbar. Dann ist das so beschlossen.

7. Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache (Er- gänzung zu TOP 26) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7a und b auf: a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes Zweite und dritte Beratung des von der Bun- zu dem Abkommen vom 2. Dezember 1993 zwischen der desregierung eingebrachten Entwurfs eines Bundesrepublik Deutschland und der Republik Namibia Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 9. Fe- zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen bruar 1994 über die Erhebung von Gebühren — Drucksachen 12/7771, 12/7894 — für die Benutzung bestimmter Straßen mit 20276 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Vizepräsidentin Renate Schmidt schweren Nutzfahrzeugen (Autobahnbenut- dem die Bundesregierung aufgefordert wird, hier für zungsgebührengesetz) Abhilfe zu sorgen. — Drucksache 12/7267 — Gestatten Sie mir jetzt zur Definition des Begriffs (Erste Beratung 225. Sitzung) „ausschließlich für den Güterkraftverkehr" eine a) Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- Bemerkung. Hierbei geht es um die berechtigten schusses für Verkehr (16. Ausschuß) Interessen des Schaustellergewerbes. Der Gesetzent- wurf ist ja so formuliert, daß für die Durchsetzung der — Drucksache 12/7896 — Interessen von Schaustellern eigentlich kein Hand- Berichterstattung: lungsbedarf besteht; denn die Gebührenpflicht gilt Abgeordneter Dr. Wolf Bauer nur für Kraftfahrzeuge oder für Fahrzeugkombinatio- b) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus- nen, die ausschließlich für den Güterverkehr schuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung bestimmt sind. Das heißt, daß Kraftfahrzeuge und — Drucksache 12/7897 — Fahrzeugkombinationen nicht gebührenpflichtig sind, wenn sie einem anderen Zweck dienen, also Berichterstattung: nicht für den Güterverkehr bestimmt sind. Letztend- Abgeordnete Ernst Waltemathe lich bedeutet das, daß der Großteil der Fahrzeuge der Schausteller von der Gebührenpflicht befreit ist. Um Werner Zywietz den Schaustellern hier aber eine Sicherheit zu geben, Ich weise darauf hin, daß wir nach der Aussprache wird das zuständige Bundesamt für Güterverkehr namentlich abstimmen werden. Nach Art. 87 Abs. 3 durch eine entsprechende Verwaltungsanweisung für des Grundgesetzes ist zur Annahme des Gesetzent- den praktischen Vollzug klarstellen, daß derartige wurfs die absolute Mehrheit erforderlich. Fahrzeuge der Gebührenpflicht nicht unterliegen. Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Meine Damen, meine Herren, das Gebot der Stunde Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es ist die Harmonisierung. Hier müssen wir weiterkom- dagegen Widerspruch? — Auch dies ist nicht der Fall. men. Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein wesentli- Dann ist auch das so beschlossen. cher Schritt in die richtige Richtung. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Warum brauchen wir eine Harmonisierung? Die dem Herrn Kollegen Dr. Bauer das Wort. Liberalisierung ist schneller vorangeschritten als die Harmonisierung. Das hat zu einem erbitterten Über- lebenskampf unserer vor allem mittelständisch geprägten Spediteure geführt. Wir müssen dafür sor- (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Dr. Wolf Bauer gen, daß nicht, wie prophezeit worden ist, bis zum Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Liebe Jahre 1995 möglicherweise ein Drittel unserer Spedi- Kolleginnen und Kollegen! Daß wir den vorliegenden teure Deutschland verlassen haben wird. Wenn wir Gesetzentwurf heute beraten können, geht vor allem den Wirtschaftsstandort Bundesrepublik Deutschland darauf zurück, daß sich unser Verkehrsminister, Mat- stärken wollen, dann müssen wir genau an dieser thias Wissmann, durch ein außergewöhnlich großes Stelle ansetzen und nach einer Lösung suchen. Engagement und Verhandlungsgeschick ausgezeich- net hat. Ich möchte ihm im Namen meiner Frak tion Was ist zu harmonisieren? Zu harmonisieren sind dafür ausdrücklich Lob und Anerkennung ausspre- die Überwachung der Sozialvorschriften, die techni- chen. schen Zulassungsvorschriften, Sicherheitsbestim- mungen und vor allem natürlich die Kontrolle dar- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — über. Zu harmonisieren ist aber auch der fiskalische Zurufe von der SPD) Bereich: Kraftfahrzeugsteuer, Mineralölsteuer, Stra- Gebührenpflichtig wird die Benutzung sämtlicher ßenbenutzungsgebühr. Mit dem vorliegenden Ge- Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen, setzentwurf machen wir durch die Einführung ei- und zwar sowohl für inländische als auch für auslän- ner Straßenbenutzungsgebühr einen wesentlichen dische Lkw, Schritt in diese Richtung. (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das wird Der Gesetzentwurf ist das Ergebnis langwieriger, höchste Zeit!) schwieriger und zäher Verhandlungen im EG-Mini- mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mindestens sterrat. Höhere Beträge, die wir natürlich gewünscht 12 t, die ausschließlich für den Güterkraftverkehr hätten, sind zur Zeit nicht drin. Wichtig dabei aber ist bestimmt sind. — das ist ausschlaggebend —, daß uns der Durch- bruch gelungen ist, daß wir jetzt endlich das Instru- Zu dem Punkt 1 möchte ich noch eine Bemerkung ment haben, um in dieser Richtung weiterarbeiten zu machen. Im Laufe der Verhandlungen hat sich näm- können. lich herausgestellt, daß sich hier eine Ungereimtheit eingeschlichen hat. Für die Lkw mit einem zulässigen (Beifall bei der CDU/CSU) Gesamtgewicht zwischen 12 und 16 t ist eine ausge- Hierzu hat eben unser Verkehrsminister eine großar- wogene Kompensation durch die Senkung der Kraft- tige Leistung erbracht. fahrzeugsteuer nicht vorgesehen. Diese Ungereimt- heit müssen wir noch reparieren; das müssen wir noch Eines der Ziele ist schon erreicht. Wir haben es in Ordnung bringen. Das kann so nicht bleiben. Alle geschafft, daß ausländische Lkw an den Kosten der Fraktionen des Bundestages haben daher einen Ent- Benutzung unserer Verkehrsinfrastruktur beteiligt schließungsantrag formuliert und eingebracht, mit werden. Das ist richtig und wichtig; denn über die Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20277

Dr. Wolf Bauer Kraftfahrzeugsteuer bzw. über die Mineralölsteuer Der Gesetzentwurf setzt die Vereinbarung zwi- allein hätten wir dieses Ziel nicht erreicht. Hinzu schen der Bundesrepublik, den Benelux-Staaten und kommt, daß die Kraftfahrzeugsteuer in Deutschland Dänemark um. Aber die Vorgeschichte dazu ist alles noch immer nicht dem internationalen Niveau ent- andere als ein Ruhmesblatt. spricht und daß andere Länder hier weiter kompen- Die Vorgeschichte ist kein Ruhmesblatt für die sieren. Bundesregierung, weil sie es versäumt hat, die drin- Festzuhalten bleibt nach wie vor: Machbares — was gend erforderlichen Steuerharmonisierungsschritte wir ursprünglich nicht geglaubt haben durchsetzen zu auf hohem Niveau in ein Paket einzubinden. können — wurde hier möglich gemacht. Wir sind dem Sie ist kein Ruhmesblatt für die Europäische Kom- Ziel einer echten Harmonisierung in diesem Bereich mission, weil hier lange der Glaube vorgeherrscht hat, ein wesentliches Stück nähergekommen. man könne den Verkehrsmarkt in der Gemeinschaft Auch wenn wir dem Ziel ein wesentliches Stück deregulieren, ohne gleichzeitig die Steuerharmoni- nähergekommen sind und einiges erreicht haben, so sierungsschritte zu vollziehen, die bisher noch fehlen. haben wir natürlich noch nicht alles erreicht, was wir Leider wurde erst zu einem sehr späten Zeitpunkt von uns als Verkehrspolitiker vorgestellt haben. Wir hät- dem damals zuständigen Verkehrskommissar Karel ten gern auch eine Zweckbindung des Gebührenauf- van Miert ein konstruktiver Vorschlag vorgelegt, der kommens erreicht. Hierum haben wir als Verkehrs- dann aber auch nicht umgesetzt wurde. politiker gekämpft und gestritten. Letztendlich haben Sie ist kein Ruhmesblatt für den EU-Verkehrs- wir unsere Vorstellungen nicht durchsetzen können, ministerrat, weil an diesem Beispiel deutlich gewor- obwohl es viele Gründe gibt, die für eine solche den ist, daß durch nationale Egoismen dringend Zweckbindung sprechen. — Wenn hier jetzt mehr Zeit notwendige Lösungen auf der europäischen Ebene wäre, könnte ich auf die einzelnen Punkte noch blockiert werden und daß diejenigen, die bisher von eingehen, aber die Zeit ist leider nicht vorhanden. einem unfairen Wettbewerb profitiert haben, nicht Zum Schluß möchte ich daher nur noch einmal bereit waren, faire Wettbewerbsbedingungen zuzu- sagen und mit Nachdruck festhalten: Mit oder ohne lassen. Zweckbindung, meine Damen, meine Herren: Für eine vernünftige Ausstattung mit Haushaltsmitteln für (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Leider, lei unsere Verkehrsinfrastruktur müssen wir uns nach- der!) haltig einsetzen. Ich bitte hier um Unterstützung des Nach dem Urteil des EUCH, der die Einführung Hauses, weil das ein überaus wich tiges Ziel ist, auch einer Schwerverkehrsabgabe bei gleichzeitiger Ab- letztlich wieder im Hinblick auf den Wirtschaftsstand- senkung der Kfz-Steuer in der Bundesrepublik als ort Bundesrepublik Deutschland. diskriminierend verworfen hatte, gingen die Ver- Ich bedanke mich. handlungen in eine neue Runde. Wir haben damals im - Verkehrsausschuß mehrfach gefordert, den kompli- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) zierten Sachverhalt der anstehenden Deregulierung des Verkehrsmarktes auf der einen Seite und der noch nicht vorhandenen Steuerharmonisierung auf der Vizepräsidentin Renate Schmidt: Als nächste anderen Seite in ein Paket mit Verhandlungen zu spricht nun die Kollegin Elke Ferner. anderen Sachverhalten einzuschnüren, um eine bes- sere Verhandlungsposition zu haben. Die Problema tik war eben, daß der Verkehrsmini- Elke Ferner (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolle- sterrat mit Mehrheit entschieden hat und der Ecofin gen! Liebe Kolleginnen! Um es vorwegzunehmen: Wir Rat einstimmig entscheiden mußte. Hier war schon werden diesem Gesetzentwurf zustimmen. vorauszusehen, daß, solange ein Mitgliedstaat für sich (Horst Friedrich [F.D.P.]: Oh! — Weitere keine befriedigende Lösung sieht, permanent ein Zurufe von der F.D.P.) Veto eingelegt werden würde und daß hier eigentlich — Kollege Friedrich, das haben wir ja gestern im nur eine Paketlösung zu größeren Erfolgen, als sie Ausschuß schon diskutiert. Insofern verwundert mich tatsächlich erreicht worden sind, hätte führen kön- Ihre Verwunderung. nen. (Ina Albowitz [F.D.P.]: Ihr seid lernfähig! — Diese ganze Geschichte hatte natürlich auch zur Zuruf von der F.D.P.: Das ist ein gutes Folge, daß sich die Wettbewerbssituation sowohl für Gesetz!) das deutsche Speditionsgewerbe als auch für den Verkehrsträger Schiene dramatisch zu verschlechtern Das bedeutet jedoch nicht, daß diese Zustimmung drohte. Auf dem Sondergipfel wurde dann der klägli- unsere grundsätzliche Kri tik an der mangelhaf- che Versuch unternommen, die sich verschärfende ten EU-weiten Harmonisierung hinfällig machen Wettbewerbsverzerrung einzuengen. Das ist für den würde. Verkehrsträger Straße auf niedrigstem Niveau und (Zuruf von der F.D.P.: Aha!) auch nur unvollständig gelungen. Für den Verkehrs- Nachdem die Kfz-Steuer für schwere Nutzfahr- träger Schiene hat sich die Wettbewerbssituation zeuge bereits zum 1. Januar 1994 abgesenkt wurde, ist weiter verschlechtert. die Einführung der sogenannten Euro-Vignette für Wer dieses Ergebnis dann als grandiosen Verhand- Lkws der zweite Schritt. Ein Verzicht würde bedeuten, lungserfolg des deutschen Verkehrsministers feiert, daß der Straßengüterverkehr in einer unangemesse- hat entweder völlig den Realitätssinn verloren, oder er nen Weise billig gehalten würde. will kaschieren, daß der deutsche Verkehrsminister 20278 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Elke Ferner von seiner niederländischen Kollegin über den Tisch ten, daß er in einen fairen Wettbewerb eintreten kann. gezogen worden ist. Insofern war die Absenkung der Kfz-Steuer für Lkws gerade im ersten Jahr nach der Bahnreform kontra- (Beifall bei der SPD) produktiv. Die Reaktionen des deutschen Speditionsgewerbes (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ sprechen für sich. Ein großer Erfolg war die Verein- DIE GRÜNEN) barung für Frau Maj-Weggen. Dies wurde spätestens deutlich, als die Niederlande ihre Kfz-Steuer von Dies hat die Wettbewerbssituation der Bahn gerade 3 400 DM im Jahr auf 1 900 DM im Jahr abgesenkt im Güterverkehr nicht verbessert. Im Gegenteil: Es haben. Damit wurde dann die Straßenbenutzungsge- hat sie weiter verschlechtert. Außer Sprechblasen ist bühr für Lkws, die ja erst zum 1. Januar 1995 greifen in diesem Bereich von der Bundesregierung nichts wird, zu mehr als der Hälfte wieder aufgefangen. gekommen. Ich bedaure sehr, daß sich die Koalition nicht auf Als wir im Ausschuß, nachdem das Luxemburger eine Zweckbindung des Vignettenaufkommens für Ergebnis auf dem Tisch lag, darauf aufmerksam Verkehrszwecke, wie es auch der Bundesrat gefordert gemacht haben, dies beinhalte auch die Möglichkeit, hat, verständigen konnte. Wir haben das auch gestern daß einige Mitgliedstaaten ihre Kfz-Steuer weiter im Ausschuß diskutiert. Es geht uns nicht darum, absenken, hat der Parlamentarische Staatssekretär dieses Vignettenaufkommen dazu zu benutzen, die Carstens sinngemäß geantwortet, die Bundesregie- Straßenunterhaltung zu finanzieren, sondern es geht rung gehe davon aus, daß kein Mitgliedstaat von uns darum, mit dem zusätzlichen Geld die Möglich- dieser Möglichkeit Gebrauch machen wird. Das keiten der Schiene endlich weiter zu verbessern. Das Gegenteil ist der Fall gewesen. Dann muß m an sich heißt, wir brauchen einen Ausbau der Schienenin- eben fragen: Sollte man nicht vorher in Verhandlun- frastruktur und vor allen Dingen einen massiven gen festzurren, daß eine solche Möglichkeit nicht Ausbau, um den kombinierten Verkehr zu stärken, besteht, anstatt sich auf Aussagen zu verlassen, von damit auch eine Verlagerung von der Straße auf die denen man ja schon im Vorfeld annehmen konnte, daß Schiene, die dringend notwendig ist, erfolgen kann. sie so nicht eingehalten werden? (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und Im Grundsatz ist es richtig, daß der Straßengüter- dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) verkehr, der seine Kosten nicht trägt, mit einer Wir werden, wie ich schon gesagt habe, diesem Abgabe belastet wird. Dazu stellt die Euro-Vignette Gesetz trotz aller Kritik zustimmen. Wir werden auch einen Einstieg dar, allerdings auf niedrigstem Niveau. dem Entschließungsantrag zustimmen, zu dem der Es ist auch richtig, das sogenannte Territorialprinzip Kollege Bauer eben noch einmal Stellung genommen einzuführen, damit da, wo die Kosten entstehen und hat. Es ist ein erster Schritt. Wir meinen: Es ist kein wo die Straßen benutzt werden, die Einnahmen zuflie- grandioser Erfolg, und es ist auch kein großer Schritt. Ben. - Es ist ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung. Allerdings sind noch weitere Schritte notwendig. Wir sind nach wie vor der Meinung, mit etwas mehr Die Harmonisierung auf der europäischen Ebene darf Verhandlungsgeschick hätte ein besseres Ergebnis an diesem Punkt nicht stehenbleiben. Es muß so erzielt werden können. Aber ich glaube, daß wir nach schnell wie möglich ein höheres Harmonisierungsni- dem 16. Oktober selber auf der europäischen Ebene in veau erreicht werden, und zwar nicht nur was die diesem Sinne weiterarbeiten werden. Steuerharmonisierung anbelangt, sondern auch in (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und den Bereichen der Sozialharmonisierung, der techni- dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN — Lachen schen Vorschriften und auch der Umweltvorschriften. bei der CDU/CSU) Hier ist besondere Beachtung darauf zu legen, daß die Kontrollen, die in jedem Mitgliedstaat durchgeführt werden, einheitlich durchgeführt werden, so daß sich Vizepräsidentin Renate Schmidt: Nun hat der Kol- nicht wieder der eine oder andere Mitgliedstaat über lege Ekkehard Gries das Wort. die Kontrollen der Umsetzung und der Durchführung dieser Vorschriften entziehen kann. Bei der Abgabenbelastung muß die zeitbezogene Ekkehard Gries (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine Kostenanlastung auf eine benutzungsabhängige Ko- Damen und Herren! Es ist heute gewiß kein Jubeltag. stenanlastung umgestellt werden. Dies ist mit dieser Aber es ist trotzdem ein Erfolg europäischer Verkehrs- Vereinbarung zur Zeit nicht möglich. Die Option politik. Dafür haben viele Minister gekämpft. Allein in darauf besteht jedoch. Es ist allerdings auch wichtig, meiner Zeit hier waren es vier, die sich die Zähne daß hier schon frühzeitig in dieser Richtung verhan- daran ausgebissen haben, weil das Verständnis bei delt wird. Es muß auch endlich angefangen werden, unseren europäischen Nachbarn nicht entwickelt konkrete Schritte zu unternehmen, um dem Ziel der war. Verkehrsvermeidung und dem Ziel der Verkehrsver- (Unruhe — Zuruf von der F.D.P.: Die Akustik! lagerung auf umweltverträglichere Verkehrsmittel Man versteht nichts mehr!) näherzukommen. — Für die Technik bin ich nicht zuständig. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Unruhe — Zurufe: Lauter! Wir verstehen DIE GRÜNEN) nichts!) Es muß damit begonnen werden, die Rahmenbedin- Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß Mini gungen für den Verkehrsträger Schiene so zu gestal- ster von Warnke über Zimmermann und Krause bis Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20279

Ekkehard Gries Matthias Wissmann versucht haben, auf diesem Weg 16 t. Es kann ja nicht wahr sein und muß gegen jedes voranzukommen. Gerechtigkeitsgefühl verstoßen, daß zwar die Lkws (Dr. Dionys Jobst [CDU/CSU]: Die F.D.P. ist mit einem Gesamtgewicht von 12 bis 16 t die Vignette wiederauferstanden!) bezahlen dürfen, aber bei der schon längst beschlos- senen Entlastung über die Kraftfahrzeugsteuer nicht Der jetzige Verkehrsminister hat es mit seinem Ver- beteiligt sind. Hier müssen wir also nachbessern. handlungsgeschick geschafft — insofern ist es auch ein persönlicher Erfolg für ihn —, unsere europäi- Meine herzliche Bitte geht — ich habe das gestern schen — — im Ausschuß schon gesagt — an die Haushalts- und (Johannes Nitsch [CDU/CSU]: Ich verstehe Finanzpolitiker aller Fraktionen dieses Hauses, in der nichts!) nächsten Woche kurzerhand dafür zu sorgen, daß im Kraftfahrzeugsteuergesetz aus der Zahl 16 die Zahl 12 gemacht wird. Dann ist diese Ungerechtigkeit besei- Vizepräsidentin Renate Schmidt: Ich bitte die Tech- tigt. Ich denke, das ist nur vernünftig. nik, dem Kollegen Gries so viel Lautstärke zu ver- schaffen, daß man ihn versteht. — Eigentlich müßte es (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) jetzt gehen. Ich muß hier ein Wort — einfach auch zur Selbst- rechtfertigung — hinsichtlich der Zweckbestimmung Ekkehard Gries (F.D.P.): Jetzt geht es. Ich bitte aber sagen. Herr Bauer und Frau Ferner haben das schon die Präsidentin, dies nicht auf meine Redezeit anzu- getan. Auch ich bin der Meinung: Die Akzeptanz des rechnen; denn es kann ja nicht zu meinen Lasten Bürgers und des Nutzers ist sehr viel größer, wenn er gehen, wenn hier wieder einmal die Technik ver- erkennt, daß er die Gebühr, die er aufbringt, bei der sagt. Unterhaltung oder Erneuerung und Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur auch wiederfindet. Anders als Meine Damen und Herren, wesentlich ist doch, daß Sie, Frau Ferner, bin ich der Meinung: Das gehört in wir jetzt zum erstenmal seit Jahren dazu kommen, den Straßenbau, nicht aber in irgendeinen Bereich, deutsche und ausländische Fahrzeuge — hier nun erst den Sie in Ihrem Antrag mit Verkehrswesen umschrei- einmal die Schwerlastkraftfahrzeuge — für die Benut- ben; denn die Straßenbenutzer bezahlen das. zung auf deutschen Verkehrswegen gleichzubehan- deln. Das war bisher nicht erreichbar, und das ist jetzt (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) wirklich ein europäischer Erfolg. Aber wir haben uns nicht durchsetzen können. Ich (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) bedaure das sehr. Ich habe ja auch in meiner eigenen Ich weiß, daß das alles noch kein großer Erfolg ist, Fraktion und in der Koalition nicht die Mehrheit daß das noch nicht die Lösung sein kann, die wir gefunden. Man soll das ruhig einmal sagen. Hier hat eigentlich brauchen bei der Aasstrebung des- Ziels, die das Diktat des Finanzministers eine vernünftige Wegekosten anzulasten. Aber Sie sollten nicht ver- Lösung kaputt gemacht, wobei ich die Argumente gessen, daß die Luxemburger Beschlüsse auch die nicht akzeptieren kann. Es ist keine Steuer, sondern es Möglichkeit eröffnen, ab 1998 ein streckenbezogenes ist eine Gebühr, und die kann ich an einen Zweck Gebührensystem, auch für Pkws, einzuführen. Dar- binden. Das wäre eigentlich vernünftig. über muß man jetzt nicht spekulieren. Da ist noch viel Arbeit zu leisten. Aber der Durchbruch ist geschafft, (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) und das Tor ist geöffnet für eine vernünftige Behand- Es soll keiner glauben, daß das, was wir jetzt hier lung der Verkehrswegebenutzung. beschließen, ohne Zweckbindung noch möglich ist, Daß das, was wir jetzt haben, also eine zeitbezogene wenn wir einmal zu dem Ergebnis kommen, eine Vignette, durchaus problematisch ist, das wissen wir elektronisch erfaßte streckenbezogene Gebühr einzu- alle. Darin stimmen wir auch überein. Wir brauchen führen. Wenn Sie das nämlich nicht tun, dann werden eine streckenbezogene Regelung, die der Benutzung Sie weder Privatfinanzierungen von Verkehrsinfra- natürlich angemessener ist, als das im Augenblick der struktur erreichen können noch überhaupt Verkehrs- Fall ist. infrastruktur bezahlen können. Auch die Höhe der Vignette mit 2 500 DM ist im Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Grunde zu niedrig — Schluß sagen: Es ist ein vernünftiger Schritt zur (Beifall des Abg. Dr. Jürgen Warnke [CDU/ Gleichbehandlung, zu mehr Gerechtigkeit in Europa. CSU]) Das kommt dem Wettbewerb zugute. Es ist auch ein gerade im Hinblick auf die europäischen Nachbarn —, wenig Schutz, und zwar berechtigter und begründeter aber mehr war nicht herauszuholen. Aber zwischen Schutz unseres eigenen Verkehrsgewerbes. null und 2 500 DM liegen eben 2 500 DM, die jetzt zum Für mich selber — ich sage das einmal nur wenige erstenmal für ausländische Lkws zu zahlen sind. Über Tage nach der Europawahl — ist das auch ein Prüf- die Erhöhung kann man reden. Auch das haben die stein für Europa. Luxemburger Beschlüsse durchaus zugelassen. Ich glaube also, das ist ein Schritt in die richtige Rich- (Elke Ferner [SPD]: Am Parlament hat es aber tung. nie gehangen! Es waren immer der Bundes tag und die Kommission!) Wir haben — ich will auch das hier noch kurz erwähnen — im Laufe des Verfahrens eine Rege- In Europa müssen wir fair miteinander umgehen. lungslücke hinterlassen. Das ist die Frage der Behand- Dann ist Europa begreifbar. Dann begreifen das auch lung der Lkws mit einem Gesamtgewicht von 12 bis unsere Bürger. Wir dürfen uns nicht untereinander 20280 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Ekkehard Gries diskriminieren. Das hier ist ein Weg, Diskriminierung für in- und ausländische Lkw, würde aber den modal abzubauen und Harmonisierung zu erreichen. split zwischen Straße und Schiene zugunsten der Vielen Dank. Bahn verändern. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Die Einnahmen aus dieser Schwerverkehrsabgabe sollten zweckgebunden zur Beseitigung der durch den Lkw-Verkehr verursachten Schäden sowie zum Vizepräsidentin Renate Schmidt: Als nächste Ausbau und zur Modernisierung des Schienengüter- spricht Frau Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann. verkehrs und des kombinierten Verkehrs herangezo- Sie wissen, daß wir in diesem Raum immer wieder gen werden. Eine so zu erreichende Vollkostendek- akustische Probleme haben. Die Mikrofonstörungen kung nach dem Verursacherprinzip hätte die positi- lagen daran, daß hier der Geräuschpegel so hoch war, ven Wirkungen, daß überflüssiger Verkehr entfiele, daß das Aussteuern der Anlage zu Schwierigkeiten regionale Wirtschaftskreisläufe gestärkt und umwelt- führte. — Es wäre schön, wenn wir ein bißchen leiser verträglichere Verkehrsmittel bevorzugt würden. Mit würden. Dann geht es auch heute mit den Mikrofonen Maßnahmen zur Reduzierung des Gütertransports auf etwas besser. der Straße müssen auf der Angebotsseite selbstver- Frau Dr. Enkelmann, bitte. ständlich Maßnahmen zur Verbesserung des Bahnan- gebots einhergehen: der Ausbau neuer, schneller Umschlagtechnologien, eine flächendeckende Infra- Dr. Dagmar Enkelmann (PDS/Linke Liste): Frau struktur von Güterverkehrszentren, die Entwicklung Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundes- neuer Tranportprodukte, der Einsatz von Telematik regierung versucht, das Autobahnbenutzungsgebüh- usw. rengesetz als Einstieg in eine gerechte Anlastung der Nur mit entschiedenen Schritten läßt sich die pro- Wegekosten im Bereich des Schwerlastverkehrs zu gnostizierte Verdoppelung des Straßengüterverkehrs verkaufen. So weit, so gut, und das Anliegen können noch verhindern. Das vorliegende Autobahnbenut- wir voll und ganz unterstützen. Betrachtet man nun zungsgebührengesetz ist eher halbherzig. Die PDS allerdings die Umsetzung, bleibt von der hehren kann ihm daher nicht zustimmen. Zielstellung nicht allzuviel übrig. Der Lkw - Verkehr wird nämlich — alles in allem — billiger. Die jährli- Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. chen Einnahmen durch die Autobahnbenutzungsge- (Beifall bei der PDS/Linke Liste) bühr werden ab 1995 bei 700 Millionen DM liegen. Auf der anderen Seite gehen dem Staat jedoch 1,4 Mil- liarden DM durch die seit April 1994 gültige Steuer- Vizepräsidentin Renate Schmidt: Als nächster senkung für Lkw verloren, und genau die vergessen spricht der Kollege Klaus-Dieter Feige. Sie in Ihrer Gesamtrechnung immer wieder. Selbst wenn man die Mineralölsteuererhöhung zu Anfang dieses Jahres mitberechnet, kann die kosten- Dr. Klaus-Dieter Feige (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- senkende Wirkung der reduzierten Steuerbelastung NEN): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen nicht durch die Autobahnbenutzungsgebühr kom- und Herren! Die Einführung der Lkw - Vignette ist für pensiert werden. Berücksichtigt man dann noch die sich gesehen ein kleiner Schritt und ganz isoliert Aufhebung des innerdeutschen Tarifbindungssy- betrachtet sogar ein Schritt in Richtung einer ökologi- stems sowie die auf EU-Ebene beschlossene schritt- schen Verkehrsentwicklung. Es scheint zudem der weise Aufhebung der Kabotagevorbehalte, so wird erste Versuch der Koalition zu sein, dem Straßengü- das Tarifniveau im Straßengüterfernverkehr mittelfri- terverkehr wenigstens im Ansatz die von ihm verur- stig sogar um 20 bis 30 % sinken. sachten Kosten anzulasten. Als Resultat wird der Straßengüterverkehr nach wie Ein Gewinn für unsere Umwelt ist diese Autobahn- vor drastisch anwachsen, während sich die Wettbe- benutzungsgebühr allerdings noch lange nicht. Durch werbspositionen von Bahn und Binnenschiffahrt wei- die Vignette wird, wie manchmal fälschlich sugge- ter verschlechtern. Dies hat im übrigen auch der riert, nämlich weder die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrat erkannt, der die festgelegten Gebühren- Bahn im Güterbereich hergestellt, noch erhalten sätze als zu niedrig kritisiert. Auch das Umweltbun- Unternehmensstrategien zur Verkehrsvermeidung desamt hat erst gestern angesichts des drastisch den notwendigen Antrieb. Solchem hat die Verkehrs- steigenden Güterfernverkehrs eine gerechte Anla- politik der Bundesregierung schon 1994 vorgebaut. stung der verursachten Kosten gefordert und vorge- Zum Beispiel beläuft sich jetzt für einen 40-Tonnen- rechnet, daß sich dafür die Kosten für den Lkw- Lastzug die Kfz-Steuer anstelle von ursprünglich Güterverkehr etwa verdoppeln müßten. 10 500 DM nur noch auf 5 000 bzw. 3 500 DM für Diese Rechnung ist realistisch. Nur muß selbstver- immissionsarme Fahrzeuge. So kommen die deut- ständlich sichergestellt sein, daß die Einnahmen nicht schen Spediteure auf Grund der überdimensionierten in Herrn Waigels großen Haushaltstaschen sozusagen Absenkung der Kfz-Steuer trotz Mineralölsteuererhö- auf Nimmerwiedersehen verschwinden, sondern daß hung und trotz Vignette finanziell immer noch besser sie zweckgebunden für den Ausbau eines ökologi- zurecht als 1993. schen Transportsystems verwendet werden. Die PDS Die Lkw-Vignette der Bundesregierung bleibt ver- fordert daher die Einführung einer EU-weiten kehrsökologisch also ein Scheinmaßnahme. Der von Schwerverkehrsabgabe, die nach dem zulässigen Experten und von der Bundesregierung erwartete Gesamtgewicht und der gefahrenen Strecke berech- Trend im Güterverkehr wird überhaupt nicht tan- net werden müßte. Sie besäße Geltung gleichermaßen giert. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20281

Dr. Klaus-Dieter Feige Die Bundesregierung ist schlicht nicht willens, dischen und dem ausländischen Lkw auf deutschen sich gezielt der anstehenden Verdoppelung der Autobahnen eine Anlastung der Wegekosten abzu- Brummischlangen auf unseren Straßen entgegenzu- verlangen. Das war überfällig. Das wird jetzt endlich stellen. Der Bahnreform sind angesichts dieser wider- möglich sein. sprüchlichen und resignativen Verkehrspolitik real (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) noch engere Grenzen gesetzt als bisher. Eine Renaissance der Bahn wird es erst geben, Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und wenn sie ihre heutigen Infrastrukturnachteile durch Kollegen, natürlich kann man immer über Höhen eine ökologische Preispolitik des Staates ausgegli- streiten. Wir fangen mit 2 500 DM pro Jahr für den chen bekommt. Erst dann kann von fairen Wettbe- Schwerst-Lkw an. Daß aber ohne eine Anlastung der werbschancen im Verkehrsmarkt gesprochen wer- Wegekosten unser zweites großes Ziel nicht zu errei- den. Zukünftige Kostenanlastungen dürfen allerdings chen sein wird, nämlich mehr Verkehr auf die Schiene nicht auf die Benutzung der Autobahnen beschränkt zu bringen, ist doch jedem hier in diesem Raum klar. bleiben. Das produziert nur Ausweichverkehre und Insofern ist die Gesetzgebung, über die wir heute führt zu mehr Staus auf Bundes- und Landstraßen. entscheiden, auch Teil jenes Konzepts, das in den nächsten Jahren Schritt für Schritt mehr vom Ver- Deswegen ist BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mittelfri- kehrszuwachs auf die Schiene bringen soll. stig für die Umwandlung der Vignette in eine allge- meine Schwerverkehrsabgabe, die für alle Straßen Die Bahnreform, unsere Investitionen in Güterter- gilt und das Gewicht wie die gefahrenen Kilometer minals, Umschlagbahnhöfe, Kombiverkehr, Hucke- einbezieht. Das Aufkommen von Vignette oder packverkehr — all das ist zusammen mit der Lkw- Schwerverkehrsabgabe wollen wir zweckgebunden Gebühr Teil einer Konzeption, die Schritt für Schritt für mehr Investitionen in das Schienennetz verwen- die Schiene attraktiver machen und dafür sorgen will, den. In diesem Sinne ist der gestrige Vorschlag der daß nicht aller Verkehr auf der Straße abrollt. SPD für eine Zweckbindung der im Gesetzentwurf Liebe Kolleginnen und Kollegen, gleichzeitig vorgesehenen Einnahmen annehmbar. Schade, daß kommt es darauf an, daß wir die Wettbewerbsbedin- er heute nicht wiederholt wird. gungen für das deutsche Verkehrsgewerbe gegen- Grundsätzlich steht BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN über seinen ausländischen Konkurrenten verbessern. auch für das europäische Übereinkommen; aber weil Dieses haben wir mit der Vereinbarung von Luxem- Sie wieder einmal einen Schritt nach vorn machen und burg, mit der Abstimmung im Europäischen Minister- zwei dafür zurück — wegen Ihrer ungezügelten Kfz- rat, in einem ersten Schritt erreicht, indem wir die Steuer-Entlastung und der fehlenden Zweckbindung Lkw-Gebühr ab 1. Januar 1995 einführen und ein der Einnahmen der Vignette —, können wir uns, um Dreivierteljahr zuvor eine ökologische Staffelung der das schöne Gesamtbild heute wenigstens nicht zu Lkw-Steuern — für die deutschen Fuhrunternehmen versauen, maximal der Stimme enthalten.- eine Senkung — erreichen konnten. Danke. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge (Beifall bei der PDS/Linke Liste sowie bei ordneten der F.D.P.) Abgeordneten der SPD) Unser Ziel muß es doch sein, die Arbeitsplätze in Speditionen und Fuhrunternehmen in Deutschland zu Vizepräsidentin Renate Schmidt: Nun spricht Herr sichern und ein Auswandern dieser Speditionen und Bundesminister Matthias Wissmann. Fuhrunternehmen über die deutsche Grenze zu ver- hindern. Matthias Wissmann, Bundesminister für Verkehr: (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Entscheidung, die wir Genau das erreichen wir in diesem ersten Schritt. heute treffen, ist ja nicht ein isolierter Vorgang. Darauf Jetzt wird es darauf ankommen, auf dem Wege der haben mehrere Redner bereits hingewiesen. Sie ist technischen und sozialen Harmonisierung in Europa vielmehr Teil einer verkehrspolitischen S trategie voranzukommen, für die deutschen Fuhrunterneh- angesichts von Verkehrsherausforderungen, wie wir men dort etwas zu tun. Noch immer sind die Umwelt- sie seit Jahren erleben und in den kommenden standards unterschiedlich. Noch immer sind die Jahrzehnten verstärkt erleben werden. Sicherheitsvorschriften unterschiedlich. Noch immer Die Globalprognosen, die dem Bundesverkehrswe- werden viele Vorschriften, die wir in Europa verein- geplan zugrunde liegen, gehen davon aus, daß wir in bart haben, in allen anderen Ländern nicht so streng den nächsten beiden Jahrzehnten einen Zuwachs des angewendet wie bei uns. Es wird eine der Aufgaben Güterverkehrs zwischen 80 % und 100 % und einen der deutschen Präsidentschaft im Europäischen Mini- Zuwachs des Transitverkehrs von über 100 % erleben sterrat sein, hier voranzukommen und baldmöglichst werden. auch im technischen und sozialen Bereich für eine Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und weitere Angleichung der Wettbewerbsbedingungen Kollegen, deswegen war es entscheidend, nach der zu sorgen. guten Arbeit meiner Vorgänger, die seit zehn Jahren Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir in Europa über die Anlastung der Wegekosten für den machen heute einen ersten großen Schritt, um auch Lkw mit großem Engagement verhandelt haben, nun den Transitverkehr zur Finanzierung der deutschen den gordischen Knoten zu lösen. Wir können den Wegekosten heranzuziehen. Mitbürgerinnen und Mitbürgern jetzt sagen: Ab 1. Ja- nuar 1995 wird es erstmals möglich sein, dem inlän- (Beifall bei der CDU/CSU) 20282 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Bundesminister Matthias Wissmann Ich glaube, es ist wichtig, daß wir den Bürgern in Stimme? — Damit ist diese Beschlußempfehlung — so- einer solchen Entscheidung auch nach der Europa- weit ich das sehe — einstimmig angenommen. wahl klarmachen können: Wir treten für die deut- Ich möchte noch darauf hinweisen, daß der Kollege schen Interessen in Europa ein. In einer Zeit, in der auf Horst Friedrich und der Kollege Klaus Bühler (Bruch nahezu allen anderen europäischen Straßen deutsche sal) Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 unserer Lkws Gebühren zahlen müssen, kommen wir jetzt in Geschäftsordnung abgegeben haben. *) die Lage, gleiches Recht für alle gelten zu lassen und auch auf deutschen Straßen vom inländischen und Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 8a und 8 c vom ausländischen Lkw entsprechende Gebühren auf: verlangen zu können. a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Gesetzes zur Aufhebung des Rabattgesetzes ordneten der F.D.P.) und der Verordnung zur Durchführung des Das ist ein wichtiger Schritt in einer verkehrspoliti- Rabattgesetzes schen Gesamtstrategie. (Rabattgesetzaufhebungsgetz — RabattGAufhG) Ich bin dankbar, daß alle Fraktionen Zustimmung oder Enthaltung signalisieren. Ich wäre froh, wenn Sie - Drucksachen 12/6722, 12/7271 — unseren verkehrspolitischen Weg mitgehen würden. (Erste Beratungen 208. und 222. Sitzung) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) — Drucksache 12/7715 — Vizepräsidentin Renate Schmidt: Weitere Wortmel- Berichterstattung: dungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die Abgeordneter Hansjürgen Doss Aussprache. c) — Zweite und dritte Beratung des von den Frakti Wir kommen zur Abstimmung über den von der onen der CDU/CSU und F.D.P. einge- Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Auf- setzes zu dem Übereinkommen über die Erhebung hebung der Zugabeverordnung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Straßen — Drucksache 12/6723 — mit schweren Nutzfahrzeugen, Drucksachen 12/7267 (Erste Beratung 208. Sitzung) und 12/7896 Nr. 1. Ich bitte diejenigen, die dem — Zweite und dritte Beratung des vom Bun- Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zustimmen desrat eingebrachten Entwurfs eines Geset- wollen, um das Handzeichen. —Wer stimmt dagegen? zes zur Änderung der Zugabeverordnung — Stimmenthaltungen? — Damit ist der Gesetzent- - — Drucksache 12/3164 — wurf in zweiter Beratung mit großer Mehrheit ange- (Erste Beratung 107. Sitzung) nommen. Beschlußempfehlung und Bericht des Wir kommen nun zur Rechtsausschusses (6. Ausschuß) dritten Beratung — Drucksache 12/7911 — und Schlußabstimmung. Ich weise nochmals darauf Berichterstattung: hin, daß für die Annahme des Gesetzentwurfs nach Abgeordnete Andreas Schmidt (Mühl- Art. 87 Abs. 3 des Grundgesetzes die absolute Mehr- heim) heit erforderlich ist. Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich eröffne die Abstimmung. Ich weise darauf hin, daß wir nach der Aussprache Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das über das Rabattgesetz namentlich abstimmen wer- seine Stimme abzugeben wünscht? — Dieses scheint den. nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstim- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für mung und bitte die Schriftführer und Schriftführerin- die gemeinsame Aussprache eine Stunde vorgesehen. nen, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis Gibt es dazu anderweitige Vorstellungen? — Das ist der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgege- nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. ben.*) Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem (Unruhe) dem Kollegen Dr. Kurt Faltlhauser das Wort. — Ich bitte Sie herzlich, liebe Kollegen, liebe Kolle- Dr. Kurt Faltlhauser (CDU/CSU): Frau Präsidentin! ginnen, wieder Platz zu nehmen; Sie sind sonst Meine Damen und Herren! Wie in der Praxis des nämlich nicht in der Lage, überhaupt zu wissen, täglichen Lebens passiert es gelegentlich auch im worüber Sie abstimmen. Bundestag, daß es eine merkwürdige Diskrepanz Wir setzen nun die Beratungen fort und kommen zu zwischen der tatsächlichen Bedeutung eines gesetz- einer weiteren Abstimmung. Der Ausschuß für Ver- geberischen Anstoßes einerseits und der emotionalen kehr empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlußempfeh- Anteilnahme an diesem Anstoß hier und draußen lung auf Drucksache 12/7896 die Annahme einer gibt. Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfeh-- Gerade in der letzten Zeit haben wir eine ganze lung? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Menge großer Reformwerke auf den Weg gebracht,

*) Seite 20299A *) Anlage 2 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20283

Dr. Kurt Faltlhauser die wir, wenn ich es richtig beobachtet habe, eigent- haben es sich selbst schon seit vielen Jahren so lich etwas routinemäßig, ruhig, nüchtern abgehandelt eingerichtet, als gäbe es dieses Gesetz überhaupt haben. Beim vorliegenden Thema Rabattgesetz ist es nicht. gerade umgekehrt: ein relativ kleiner Anstoß und (Lieselott Blunck (Uetersen] [SPD]: Können große Emotionalisierung. Um so mehr halte ich es für wir jetzt auch andere Gesetzesverstöße lega richtig, daß wir uns in dieser Frage nüchtern und lisieren?) emotionslos die Sachverhalte ansehen. Nach sorgfältiger Abwägung der Pro- und Contra- Der Grundgedanke des 1933 geschaffenen Rabatt- Argumente steht die ersatzlose und völlige Abschaf- gesetzes war immer vorrangig der Schutz der Interes- fung des Rabattgesetzes, Frau Kollegin Blunck, heute sen des Verbrauchers nicht mehr zur Debatte. Und das ist gut so. (Beifall des Abg. [CDU/CSU]) (Beifall des Abg. [CDU/ und nicht der Schutz der Interessen der Anbieter. Es CSU]) würde der marktwirtschaftlichen Ordnung ja im Ke rn Bei der Anhörung zum Rabattaufhebungsgesetz an durch Gesetze den Preis- widersprechen, wollte m wurde eine Vielzahl von sehr kritischen Stimmen laut. wettbewerb vor allem zum Wohle der Anbieter Es war allerdings interessant, daß auch engagierteste beschränken. Nein, es geht erstrangig um den Ver- Befürworter der Erhaltung des Rabattgesetzes die braucher. Der Verbraucher soll durch das Rabattge- grundsätzliche Notwendigkeit einer Reform dieses setz geschützt werden, indem die Prinzipien von über 60 Jahre alten Gesetzes nicht bestritten haben. Preiswahrheit und Preisklarheit eingehalten werden. Der Verbraucher soll die Preise vergleichen können. Die entscheidenden Einwände gegen eine ersatz- Er soll nicht durch Scheinrabatte betrogen werden. Er lose Streichung, die ja heute nicht zur Debatte steht, soll nicht durch Nachlässe, die bei genauerem Nach- konzentrierten sich auf zwei Sachverhalte. rechnen gar keine sind, zum Kauf überzeugt werden. Der erste Sachverhalt: die Gefahr, daß durch die Das ist der Kern der Schutzregelung des bisherigen völlige Auflösung des Rabattgesetzes die kumulati- Rabattgesetzes. ven Rabatte gerade von Kaufhäusern und großen Meine Damen und Herren in diesem Hause, wir Sortimentsanbietern möglich gewesen wären, und müssen uns fragen, ob Preiswahrheit und Preisklar- zwar zu Lasten der mittelständischen und der kleinen heit in diesem Sinne heute und in den letzten Jahren Händler. Realität sind und waren. Ich glaube, wenn wir die Das zweite Argument: die Gefahr der Mondpreis- Realität draußen beobachten, müssen wir folgendes bildung, d. h. also der Rabattierung auf der Rech- feststellen: Beim Erwerb eines Wohnzimmers gibt es nungsgrundlage eines ohnehin völlig illusorischen kaum einen Käufer, der nicht Rabatte erheblichen und utopischen Preises. Maßes herausschlägt und diesen gesetzwidrigen Meine Damen und Herren, wir haben genau diese Umstand stolz und ohne Widerspruch seinem Freun- beiden Punkte im vorliegenden Deregulierungsge- deskreis erläutert. Bei allen teureren Waren und setz aufgegriffen und geregelt. Dieses Reformgesetz Dienstleistungen ist das aktive Angebot von Nachläs- enthält zum einen ein Verbot von Gesamtumsatzra- sen gang und gäbe, und dies schon seit vielen Jah- batten. ren. (Abg. Dr. Uwe Jens [SPD] meldet sich zu Gerade im Zusammenhang mit dem immer stärke- einer Zwischenfrage) ren Auftreten von Kreditkarten ist der Nachlaß für den Fall einer Barzahlung ein selbstverständlicher Rabatt- vorgang. Jeder in diesem Hause kann aus eigener Vizepräsidentin Renate Schmidt: Der Kollege Faltl- Erfahrung viele Beispiele hinzufügen. Wer in diesem hauser läßt keine Zwischenfragen zu. Haus zahlt denn eigentlich, wenn er irgendwo einzeln bucht, noch den normalen, verlangten Hotelpreis? Ist es richtig — so müssen wir uns fragen —, daß es Dr. Kurt Faltlhauser (CDU/CSU): Ach, mein Kollege der Gesetzgeber für viele Jahre duldet, daß die Jens, Sie wissen es doch besser als ich. Ich gebe Ihnen Lebenswirklichkeit in keiner Weise mehr mit der dafür aber einen freundschaftlichen Rabatt. gesetzlichen Absicht übereinstimmt? Ich meine: nein. Damit wird die Ankündigung oder die Gewährung Wir haben die Verpflichtung, Lebenswirklichkeit und eines Preisnachlasses, der von innerhalb eines Zeit- gesetzliche Grundlage immer wieder möglichst dek- raumes bezogenen Warenmengen oder Gesamtum- kungsgleich zu machen. sätzen abhängig gemacht wird, an den Letztverbrau- Dies, meine Damen und Herren, gilt auch für das cher zum Kauf von Waren untersagt. Die vom kleinen Rabattgesetz und für die Rabattpraxis. Einzelhändler so gefürchteten Jahreskontenblätter im Kaufhaus wird es also nicht geben. Das ist der ent- scheidende Punkt aller Einwendungen gewesen. Das Vizepräsidentin Renate Schmidt: Herr Kollege wird in diesem Reformgesetz aufgegriffen. Damit Faltlhauser, gestatten Sie eine Zwischenfrage der haben wir, glaube ich, eine gute Regelung geschaf- Kollegin Blunck? fen. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) Dr. Kurt Faltlhauser (CDU/CSU): Nein, danke. - Zum zweiten: das Verbot der Ankündigung von Ich kann es auch anders sagen: Viele Händler, die in Rabatten auf sogenannte Mondpreise. Im Gesetz den letzten Monaten lautstark gegen die völlige gegen den unlauteren Wettbewerb wird ein aus- Abschaffung des Rabattgesetzes argumentiert haben, drückliches Verbot von Rabatten auf der Basis irrefüh- 20284 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Dr. Kurt Faltlhauser render und überhöhter Preisangaben verankert. Auch lierungsgesetz, Wettbewerbspielräume eröffnen, die das halte ich für einen wesentlichen Fortschritt. dem Verbraucher zugute kommen. (Lieselott Blunck [Uetersen] [SPD]: Rabatt, Veränderung bedeutet immer Risiko, und Risiko Rabatt, das laß dir sagen, wird immer vorher erzeugt Ängstlichkeit. Ich bin aber trotzdem über- aufgeschlagen!) zeugt, daß der Handel mit dem jetzigen Ergebnis sehr gut leben kann. — Ich nehme an, daß Sie hinterher genug Zeit haben, sich hier zu äußern. Eine letzte Bemerkung. Meine Damen und Herren, der konjunkturelle Einbruch in den letzten 18 Mona- (Lieselott Blunck [Uetersen] [SPD]: Sie lassen ten hat manche strukturellen Defizite in der Wirt- ja keine Zwischenfragen zu!) schaft offengelegt. Ein Defizit ist das der Anpassungs- Sie haben sicher von Ihrer Fraktion ausreichend Zeit fähigkeit und Veränderungsfähigkeit. Die Debatte erhalten, hier zu sprechen. um das Rabattgesetz ist ein Spiegelbild dieser Gesamtsituation: Nur nichts verändern! Das Ge- Insbesondere durch die erste Regelung ist für uns wohnte behalten. Durch die Zustimmung im Bundes- alle das beeindruckende Argument der Konzentra- tag zu diesem „Rabattderegulierungsgesetz", glaube tionsförderung und der Mittelstandsfeindlichkeit be- ich, geben wir auch ein Signal für Beweglichkeit und seitigt. Das vorliegende Gesetz ist in diesem Sinne Veränderungsfähigkeit in unserem Land. In diesem eindeutig mittelstandsfreundlich. Sinne bitte ich für meine Fraktion um Zustimmung zu Im übrigen — das will ich hinzufügen —: Wir diesem Ref ormgesetz. werden heute für den Mittelstand eine weitere gute (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Entscheidung treffen. Wir werden viele Einzelhändler der F.D.P.) von den absahnenden Abmahnern befreien, nämlich denjenigen, die zum Teil mißbräuchlich den § 13 des UWG handhaben und alle möglichen Händler nicht Vizepräsidentin Renate Schmidt: Als nächstes hat nur ärgern, sondern ihnen auch ohne Ziel Geld aus der der Kollege Albert Pfuhl das Wort. Nase ziehen. Auch das ist mittelstandsfreundlich. Der Einzelhändler hat nunmehr die Möglichkeit, Albert Pfuhl (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen mit dem zentralen Instrument unserer Wettbewerbs- und Herren! Ich freue mich, daß der Kollege Faltlhau- wirtschaft stärker zu agieren, nämlich mit dem ser heute hier gesprochen hat. Bei der Debatte im Preis. Ausschuß haben wir ihn selten oder nie gesehen. (Lieselott Blunck [Uetersen] [SPD]: Das hatte (Dr. Peter Struck [SPD]: Aha, aha! Typisch! — er vorher auch schon!) Lieselott Blunck [Uetersen] [SPD]: Und bei der Anhörung hat er anders gesprochen!) Meine Damen und Herren, man hat uns in den Deswegen muß das, was er sagt, natürlich sehr Debatten über die völlige Aufhebung des Rabattge- informativ sein. Ich gebe zu, daß eine merkwürdige setzes auch andere Vorschläge als Kompromiß Diskrepanz in der Diskussion zwischen der eigentli- gemacht. Im Zentrum stand dabei der Vorschlag des chen Bedeutung und — so sagt er — der öffentlichen Bundesrates, Güter des ständig wiederkehrenden emotionellen Reaktion besteht. Meine Damen und täglichen Verbrauches von der Rabattierung auszu- Herren, ich habe noch nie so viele Zuschriften und nehmen. Faxe wie in dieser Sache Das scheint zunächst vernünftig. Er würde nämlich (Ina Albowitz [F.D.P.]: Und soviel Unsinn!) die Gegenstände aus der Rabattbeschränkung her- ausnehmen, die auf Grund ihrer Preise und der und noch nie eine so eindeutige negative Beurteilung bisherigen Marktverhältnisse rabattfähig und rabatt- eines Gesetzes wie bei diesem bekommen. würdig sind. Leider hat sich bei genauer Prüfung (Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS herausgestellt: Das geht nicht, genausowenig die 90/DIE GRÜNEN) Abgrenzung zwischen den Gütern, die man mitneh- Ich weiß, meine Damen und Herren — wenn Sie men kann, und denjenigen, die man nicht mitnehmen ehrlich sind, geben Sie es zu —, daß bei Ihnen ja doch kann. eine große Minderheit vorhanden war, die genauso Kennzeichnend für all diese Vorschläge ist: Sie sind denkt wie wir, nämlich daß dieses Gesetz in unserer zum einen in der Praxis nicht durchführbar und Sozialen Marktwirtschaft fehl am Platze ist. kontrollierbar. Zum zweiten würden sie einen unend- (Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS lichen Verwaltungsaufwand nach sich ziehen. Eine 90/DIE GRÜNEN) derartige Regelung der Abgrenzung von Gütern Herr Kollege Faltlhauser, Grundsatz kann nicht nur würde die Zielsetzung der Deregulierung und der der Schutz des Verbrauchers sein. Wenn wir eine Entbürokratisierung konterkarieren. Wir würden uns echte Mittelstandspolitik treiben wollen, auch zugun- als Gesetzgeber, meine ich, auch geradezu lächerlich sten unseres Einzelhandels, dann hängt dieses auch machen, wenn wir einen derartigen Kompromißver- von dem Schutz ab, den wir ihm geben. Das können such gemacht hätten. Sie nicht bestreiten. (Dr. Otto Graf Lambsdorff [F.D.P.]: Sehr (Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS wahr!) 90/DIE GRÜNEN) Deshalb bin ich überzeugt, daß wir durch die jetzt Auch die Preisklarheit und die Preiswahrheit, die Sie vorliegende Kompromißregelung, das Rabattderegu- angesprochen haben, haben damit etwas zu tun. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20285

Albert Pfuhl Im übrigen sollten Sie sich einmal Gedanken über Nun behaupten Sie unverdrossen, die Änderung den Unterschied zwischen der sogenannten Preisfest- des Rabattgesetzes wird die Wachstumskräfte in der setzung, die der Händler vornimmt, und dem Rabatt Wirtschaft und den Wettbewerb stärken und den machen. Auch hier besteht ein Unterschied. Wirtschaftsstando rt Deutschland für die Zukunft sicherer machen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) ( [Köln] [SPD]: Wer sagt das Aber, meine Damen und Herren, um es gleich denn?) vorwegzunehmen: Wir werden diesem Gesetz nicht zustimmen. Die Regierungskoalition glaubt offenbar immer noch, daß unsere konjunkturellen und strukturellen wirt- (Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS schaftlichen Probleme darin begründet wären, daß 90/DIE GRÜNEN) der Preisnachlaß bei Barzahlung einer Ware, nämlich Wir haben in der ersten Lesung, damals hier im 3 %, dies verhindert. Es ist wirklich mehr als grotesk, Bundestag im Februar, sehr deutlich gemacht, daß die zwischen den Bestimmungen des Rabattgesetzes und Abschaffung des Rabattgesetzes nach unserer Auffas- der Zukunftssicherung des Standorts Deutschland sung sowohl für die Verbraucher als auch für die einen tieferen Zusammenhang zu sehen. kleinen und mittleren Unternehmer zu deutlichen Zum Wettbewerb nur soviel: Das seitherige Wettbe- Nachteilen führen würde. An den Gründen dafür werbsgesetz schränkt den Preiswettbewerb und den haben Sie in der Zwischenzeit, auch durch das Abän- Handlungsspielraum der Unternehmer — in ihrer derungsgesetz, das Sie eingebracht haben, nichts Preisgestaltung sind sie frei — nicht ein. Nach wie vor geändert. bleibt aber rätselhaft, wie Regierungskoalition und Ich will es deshalb noch einmal betonen: Preiswahr- Bundesregierung zu der Auffassung gelangen, daß heit und Preisklarheit sind wichtige Voraussetzungen die ursprünglich geplante Abschaffung des Rabattge- für eine vergleichende Kaufentscheidung der Ver- setzes die Wachstumskräfte stärken würde. Tatsache braucher. Es liegt auf der Hand, daß viele Einzelhan- ist und bleibt, daß die Probleme insbesondere im delsunternehmen auf Grund der geringen Umsatzren- Handel zu einem großen Teil in der von der Bundes- diten ihre Preise zunächst werden erhöhen müssen; regierung zu verantwortenden sinkenden Kaufkraft denn bei Umsatzrenditen von höchstens 3 % bis 5 % in weiter Teile der Bevölkerung liegen. vielen Bereichen kann der Einzelhändler auf einen (Beifall bei Abgeordneten der SPD) solchen Preis keinen Rabatt geben. Er muß den Preis erst erhöhen, bevor er darauf einen Rabatt geben Eine Stärkung der Wachstumskräfte im Einzelhandel kann. Denn wie sagte der ehrbare Kaufmann — dies setzt vor allem voraus, daß der Kunde mehr Geld hat, ist ein Zitat aus der Anhörung —: Rabatt, Rabatt, mein damit er mehr einkaufen kann. Kind, das laß dir sagen, Rabatt wird vorher immer (Beifall bei Abgeordneten der SPD) draufgeschlagen. Dies können die Kunden sehr oft nicht mehr. Warum? (Beifall bei Abgeordneten der SPD) — Weil Sie die Abgabenlast für die Masse der Bevöl- kerung und damit auch der Käufer immens erhöht Diese Entwicklung zu Fantasiepreisen, die auch haben. jegliche Verbindlichkeit verlieren, wird praktisch zu einer Aushöhlung der Preisangabenverordnung füh- Die Einführung von Basarmethoden im deutschen ren. Wozu brauchen wir dann noch eine Preisanga- Einzelhandel ist uns fremd, und sie schafft wirklich benverordnung? Darm hätte man sie auch abschaffen keine Wende zum Besseren. Statt endlich für eine sollen. wirkungsvolle Wirtschafts- und Finanzpolitik zu sor- gen, mit der Wachstum und vor allem auch mehr (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Arbeitsplätze geschaffen werden, weicht man auf Die faktische Abschaffung des Rabattgesetzes wird Nebenkriegsschauplätze aus; dies ist ein Neben- auch die Existenz vieler kleinerer und mittlerer Ein- kriegsschauplatz. Wenn es Ihnen aber ernsthaft um zelhändler gefährden. Dies ist die Sorge, die in den Wettbewerb und Marktwirtschaft gehen würde, dann Hunderten und Tausenden von B riefen ausgedrückt hätten Sie die Fragen der Bankenmacht, der Verfil- wurde, die wir bekommen haben. Denn hier sind zung, wegen fehlender Möglichkeiten zur Mischkalkula- (Beifall bei der SPD) tion, die sie im Gegensatz zu den Großen nicht haben, die Einkaufskonditionen das Problem. Im Ergebnis die Fragen also, die Sie als Prüfungsauftrag in Ihrer wird die Änderung des bestehenden Rabattgesetzes Koalitionsvereinbarung stehen haben, längst geklärt. nach meiner Einschätzung den ohnehin starken Kon- Was ist geschehen? Ich habe gehört, der Ausschuß war zentrationsprozeß im Einzelhandel verstärken. unter Ihrer Führung, Graf Lambsdorff, ein einziges Mal zusammen, und danach kam nichts mehr. Der (Beifall bei der SPD) Berg kreißte, und heraus kam ein Mäuslein. Meine Damen und Herren, für uns bedeutet Soziale (Dr. Otto Graf Lambsdorff [F.D.P.]: Albert, Marktwirtschaft faire Bedingungen im fairen Wettbe- unter meinem Vorsitz, nicht unter meiner werb. Führung!) (Beifall bei der SPD) Für Sie scheint es zu heißen: Die großen Fische fressen Herr Pfuhl, wür- die kleinen. Manchester läßt grüßen. Vizepräsidentin Renate Schmidt: den Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Cronenberg (Beifall bei der SPD) gestatten? 20286 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Albert Pfuhl (SPD): Ja, Ihnen immer. dadurch angeblich geholfen werden. Der Gesamtum- satzrabatt soll für unzulässig erklärt werden. Aber bei genauer Betrachtung zeigt sich, daß diese Vorschrift (Arnsberg) (F.D.P.): Herr Dieter-Julius Cronenberg von so vielen Ausnahmen durchlöchert ist, daß sie das Kollege Pfuhl, Sie beklagen die basarhaften Verhal- Papier nicht wert ist, auf dem sie steht. So gilt dieses tensweisen im deutschen Handel. Verbot nicht für gewerbliche Kunden, und die Metro (Dr. Willfried Penner [SPD]: Keine Auslän- läßt dabei schön grüßen. derdebatte!) (Beifall bei der SPD) Darum wollte ich Sie fragen, ob nach Ihrem Verständ- nis die Wünsche des Einzelhandels und des Großhan- Davon ausgenommen sind auch die sogenannten dels gegenüber den Herstellern, Treuerabatte, Ein- Großverbraucher; was auch immer man in der Praxis führungsrabatte, Mengenrabatte, Grundrabatte, Ju- unter einem Großverbraucher versteht. Ich bin biläumsrabatte und Bestückungsrabatte — ich könnte manchmal auch ein Großverbraucher, wenn ich mehr weitere aufzählen — zu verlangen, von Ihnen auch als zu mir nehme, als mir guttut. Ist dies damit auch basarhaftes Verhalten bezeichnet werden? gemeint? Mit dieser Wunderkonstruktion sollen alle von mir eingangs dargestellten und nach wie vor gültigen Negativauswirkungen beseitigt werden. Albert Pfuhl (SPD): Herr Kollege Cronenberg, Sie sind selbst Produzent und Lieferant an den Großhan- Im übrigen schaffen Sie — damit auch dies nicht del. Bei Ihnen setze ich viel mehr Handlungsfähigkeit völlig in Vergessenheit gerät — die Zugabeverord- voraus als bei dem einzelnen Verbraucher, der in den nung ab. Damit verstärken Sie noch die negativen Laden geht und sich etwas kauft. Hier sind doch Auswirkungen der Aufhebung des Rabattgesetzes. gewisse Unterschiede festzustellen. (Dr. Jürgen Rüttgers [CDU/CSU]: Das stimmt (Widerspruch bei der F.D.P.) ja gar nicht!) Meine Damen und Herren, noch eine Anmerkung Wenn Sie der Vernunft gefolgt wären, hätten Sie das an die Adresse des Wirtschaftsministers. Für mehr gesamte Gesetzesvorhaben still und leise beerdigt. Arbeitsplätze zu kämpfen und es damit zu einem (Beifall bei der SPD) Beschäftigungsaufschwung zu bringen, könnte hier mehr leisten, und wir hätten mehr Möglichkeiten, die Dies hätte dem Verbraucher genutzt, es hätte den Perspektiven wären besser. Ich brauche also von der Einzelhändlern genutzt, und es hätte Ihrem Ansehen damaligen Kritik aus der Debatte nichts zurückzuneh- weniger geschadet. Aber offensichtlich fehlen Ihnen men. Doch die Ergebnisse der Anhörung, die wir die Kraft und der Mut dazu. Hinter vorgehaltener hatten, scheinen Sie völlig zu ignorieren. Damit Sie Hand haben die Kolleginnen und Kollegen der Koali- aber genau wissen, was Sie tun, will ich Sie noch tionsfraktionen und auch wir diese Novelle inhaltlich einmal daran erinnern: Die Experten haben in der für völlig verfehlt gehalten. Aber sie abzulehnen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft die beab- trauen Sie sich vermutlich nicht. sichtigte Aufhebung und Änderung des Rabattgeset- (Dr. Jürgen Rüttgers [CDU/CSU]: Ach zes ganz überwiegend abgelehnt. Um es deutlich zu was!) sagen: Das Urteil namhafter Sachverständiger und großer Wirtschaftsverbände war vernichtend. Dieses Heute werden Sie in namentlicher Abstimmung haben alle Kollegen, die dabei waren, egal welcher nicht nur vor diesem Hause Farbe bekennen, sondern Couleur, einhellig anerkannt. Die vorzeitige Flucht auch vor Ihren Wählern, Ihrer mittelständischen des Kollegen Lambsdorff war für mich der Beweis. Klientel zu Hause, in Ihren Wahlkreisen. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Lambsdorff (Beifall bei der SPD) flieht!) Ich weiß, daß Ihnen der Bundeswirtschaftsminister Nach Ansicht der Sachverständigen und der Ver- das Farbebekennen schwer macht, der sich mit sei- bände ginge die bisher vorhandene Preisklarheit und nem ganzen persönlichen Prestige für die Aufhebung -wahrheit verloren. Dadurch wäre nicht nur der mit- des Rabattgesetzes eingesetzt hat. A propos, Herr telständische Einzelhandel, sondern auch der Ver- Minister, ich habe in der „Frankfurter Allgemeinen braucher benachteiligt. Zeitung" gelesen, Sie hätten Politik im Blut. Ich habe Diese Anhörung scheint für Sie nur eine Farce den Eindruck, der arme Schreiber hat Blut mit roter gewesen zu sein, eine Alibifunktion. Danach richten Tinte verwechselt. wollen Sie sich nicht. Daran ändert auch Ihr Kompro- Wenn im übrigen der wirtschaftspolitische Sprecher miß, den Sie hier präsentieren, nichts. Er stellt keine der F.D.P.-Fraktion vor der Präsidentenwahl in Berlin vernünftige Lösung dar, sondern dient eher als Beru- erklärt hat, daß die Ablehnung des Gesetzes eine higungspille. Er ist nicht mehr als eine Irreführung. Wandlung in der Haltung der F.D.P. hinsichtlich der (Beifall bei der SPD) Wahl des Bundespräsidenten mit sich bringen würde, Wenn wir hier das Gesetz gegen den unlauteren frage ich mich: Wie pervers denken wir, wenn wir das Wettbewerb einführen könnten, würde Ihre Irrefüh- eine mit dem anderen vergleichen? rung unter diesen unlauteren Wettbewerb fallen. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Ich betone noch einmal: Nicht Herr Rexrodt ent- Ich möchte es deutlich sagen: Die Kernvorschriften scheidet heute über die Annahme dieses Gesetzes im des Rabattgesetzes werden aufgehoben. Sie schaffen Parlament, auch wenn er glaubt, die Parlamentarier das bisherige Rabattverbot ab. Dem Mittelstand soll dazu zwingen zu können, wie er es im Wirtschaftsaus- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20287

Albert Pfuhl schuß versucht hat. Sie, meine Damen und Herren von tige Lösungen gab, zustimmen konnten, aber bei der Koalition, müssen heute entscheiden und tragen diesem Gesetz können wir nicht zustimmen. dafür auch die Verantwortung. (Beifall bei der SPD) (Ina Albowitz [F.D.P.]: Nicht nur heute, auch Ihr Umgang mit den berechtigten Interessen der sonst!) Wirtschaft muß allen Betroffenen als Warnung dienen. Statt Vernunft und Kompetenz heißt bei Ihnen die Bei der Zustimmung geht es nicht mehr um eine Parole heute „Augen zu und durch". Dieses aber sachgerechte Entscheidung, sondern nur noch um die können Sie mit uns nicht machen. Risse in der Koalition, die Sie kitten wollen. Herzlichen Dank. Die sozialdemokratischen Mitglieder des Wirt- (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und schaftsausschusses haben sich an der Abstimmung im dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ausschuß nicht beteiligt, weil die Koalition das Min- derheitenrecht im Parlament mißachtet hat. Vizepräsidentin Renate Schmidt: Als nächster hat (Dr. Jürgen Rüttgers [CDU/CSU]: Das ist Dr. Otto Graf Lambsdorff das Wort. unglaublich!) Die mit glühender Nadel vorgelegte Änderung der Dr. Otto Graf Lambsdorff (F.D.P.): Frau Präsidentin! ersten Fassung sieht Änderungen im Gesetz gegen Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Lieber den unlauteren Wettbewerb vor. Dazu haben wir Herr Pfuhl, ich melde mich von der Flucht zurück. Sie dann, um eine ordentliche Beratung zu gewährleisten, kennen mich nur flüchtig; wahrscheinlich hat Ihnen eine Anhörung beantragt. Sie wurde abgelehnt. bei diesem Ausdruck der gängige Witz im Kopfe Damit zeigen Sie, daß Sie eine sachliche Auseinander- gesteckt: „Kennen Sie Herrn Schneider?" — „Ja, setzung nicht führen wollten und nicht wollen. flüchtig". — Also, ich bin wieder da. (Dr. Jürgen Rüttgers [CDU/CSU]: Ich finde Meine Damen und Herren, ich muß es kurz machen, die Angriffe unerträglich!) ich habe nur sechs Minuten. Ich kann es kurz machen, weil ich Herrn Faltlhauser in allem, was er gesagt hat, — Vielleicht hat die Geschäftsführung, sehr verehrter zustimme. Herr Rüttgers, Ihre Kollegen im Wirtschaftsausschuß dazu gezwungen, (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!) Herr Pfuhl, über Kaufkrafttheorie würde ich mich (Dr. Jürgen Rüttgers [CDU/CSU]: Nein!) gerne mit Ihnen unterhalten; dazu habe ich keine Zeit. daß sie nicht ordnungsgemäß beraten, sondern gleich Ich empfehle einen Blick in das neueste Buch von abgestimmt haben. Herrn Siebert. Verbraucher steht nicht im Mittelpunkt der Es geht Ihnen nicht mehr um eine vernünftige Der Sozialen Marktwirtschaft, sagen Sie. — Wer denn Lösung von Problemen, sondern nur um die Koali- dann? Sie sagen ferner, es gebe deutliche Nachteile tionsräson. für die Verbraucher. — Ist es denn nicht richtig, daß (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und sich in der Anhörung ausgerechnet die Verbraucher- dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) verbände unisono massiv für diese Regelung einge- setzt haben? Selbst der verehrte wirtschaftspoli tische Sprecher der CDU/CSU hat gestern im Ausschuß zugegeben, (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne daß in der nächsten Legislaturperiode im Bereich des ten der CDU/CSU) unlauteren Wettbewerbs noch erheblicher Rege- Aber, meine Damen und Herren, ich will das alles lungsbedarf bestehe. Warum also — frage ich Sie — hier im einzelnen gar nicht noch einmal nachvollzie- diese Hektik? Wäre dann nicht, wie von uns gefordert, hen. Sie kennen den bisherigen Weg dieser Gesetz- eine umfassende Diskussion über alle anstehenden gebung. Wir haben die Gesamtumsatzrabatte be- Wettbewerbsfragen im Bundestag sinnvoller gewe- schränkt; das ist auch völlig richtig. Die Großen sen? Es ist ja eine ganze Mauer, die wir dann anpak- fressen die Kleinen, sagt Herr Pfuhl. Wer hat sich denn ken müssen, und wenn man einen Stein herauszieht, über diese Änderung des Gesetzentwurfs beschwert? bricht die ganze Mauer zusammen. — Ausgerechnet die Großen, weil sie genau wissen, daß sie nicht jede Verkäuferin zur Rabatteinräumung Die Koalition hat für den Koalitionsfrieden gesorgt; bevollmächtigen können, sachgerechte Lösungen wurden auf dem Altar der Koalition geopfert. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) während die Kleinen dies nun können. Wir verschaf- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) fen denen einen Wettbewerbsvorteil. Fazit: Wenn fachlich begründete Argumente noch (Dr. Uwe Jens [SPD]: Me tro!) eine Rolle gespielt hätten, dann hätte die Koali tion das Wenn Sie sagen, die Metro läßt grüßen — ich kenne Vorhaben aufgeben müssen. CDU und CSU fehlen das doch alles, Herr Jens; immer wieder dieselben aber anscheinend die Kräfte zu einer vernünftigen Schlagworte —: Wirtschaftspolitik. Wir haben Ihnen angeboten, in der- nächsten Legislaturperiode diese Fragen umfassend (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Ja, genau!) mit zu diskutieren, und wir haben bewiesen, daß wir Wollen Sie denn etwa dem Cash-and-Carry-Großhan bei wirtschaftspoli tischen Fragen dort, wo es vernünf- del die Einräumung von Gesamtumsatzrabatten für 20288 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Dr. Otto Graf Lambsdorff diejenigen, die bei ihm kaufen — und das sind die vergleichen Sie die Worte mit den Taten. Der Standort Meinen Einzelhändler und die Gastronomen —, ver- Deutschland wird nicht durch Programme, Berichte bieten, gegenüber dem bisherigen Zustand also eine und Sonntagsreden verbessert, der Standort Deutsch- Verschlechterung einreißen lassen? Das wäre totaler land wird durch die Umsetzung von Maßnahmen Unsinn gewesen. gesichert. Meine Damen und Herren, wie sich die Bilder Selbstverständlich, meine Damen und Herren, liegt gleichen. Nur muß ich sagen: Damals war es spiegel- das Heil nicht beim Rabattderegulierungsgesetz verkehrt. Anfang der 70er Jahre haben wir hier für die allein, auch nicht bei der p rivaten Arbeitsvermittlung Abschaffung der Preisbindung der zweiten Hand allein, Herr Jens, und auch nicht bei der Privatisierung argumentiert. Da haben die Verbände und die dama- von Bahn und Post allein. Aber diese Schritte und viele lige Opposition mitgeteilt, das würde der Untergang andere mehr zusammen, den ganzheitlichen Ansatz des Einzelhandels und der Untergang der Markenar- brauchen wir zur Überwindung der so oft zitierten tikelindustrie werden. Dann haben wir es gemacht — strukturellen Defizite und auch zur Bekämpfung der nichts ist geschehen. Genauso wird sich in Kürze auch Arbeitslosigkeit, die wir ohne Abschaffung der struk- die Aufregung über diese Veranstaltung, der ganze turellen Defizite nicht erfolgreich in den Griff bekom- Theaterdonner legen, den Sie heute hier entfaltet men werden. haben. (Beifall bei der F.D.P.) (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) Die heutige Vorlage ist nicht der große Befreiungs- Alles wird sich in Friedlichkeit und Ruhe auflösen. schlag. Den gibt es nicht. Es gibt die mühsame Arbeit, aus vielen Einzelteilen ein Mosaik zusammenzuset- Kein Einzelhändler wird durch Rabattierung in den zen. Dieser Mühe verweigert sich die Opposition. Die Bankrott gezwungen, kein Verbraucher wird des- Koalition stellt sich ihr, und deswegen stimmen wir orientiert und verwirrt vor den Regalen stehen, es wird diesem Gesetz zu. kein Feilschen um den täglichen Brötcheneinkauf wie auf einem orientalischen Basar geben — alles das, (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) meine Damen und Herren, werden wir sehr schnell hinter uns haben. Vizepräsidentin Renate Schmidt: Nun spricht Frau Eines allerdings will ich in diesem Zusammenhang Kollegin Dr. Barbara Höll. mit allem Ernst ansprechen. Sie haben die Anhörung erwähnt, Herr Kollege. In dieser Anhörung hat sich auch der Vertreter des Zentralverbands des Deut- Dr. Barbara HöII (PDS/Linke Liste): Frau Präsiden- schen Kraftfahrzeuggewerbes zu Wort gemeldet, und tin! Meine Damen und Herren! In einem kann ich er hat uns in etwas verschlungenen Worten mitgeteilt Herrn Lambsdorff zustimmen: Ich glaube, man kann — Sie können das im Protokoll nachlesen —, daß es sich zu diesem Punkt sehr kurzfassen. eine Rabattgewährung über 3 % hinaus im deutschen Die PDS/Linke Liste mißt dem Rabattgesetz eine Kraftfahrzeughandel nicht gebe. Schutzfunktion für die kleineren und mittleren Unter- Angesichts der Praxis im Kraftfahrzeuggewerbe, nehmen gegenüber den Handelsriesen und Kon- die jeder kennt — Sie auch, wir auch — habe ich zernen zu. Insbesondere berücksichtigen wir auch die langsam Zweifel, ob bei Anhörungen — vielleicht ist bedeutenden Auswirkungen dieses Gesetzes auf den es bei anderen auch so — die Sachverständigen das Mittelstand und auf die Beschäftigung im Mittel- Gebot einhalten, die Abgeordneten wahrheitsgemäß stand. zu unterrichten. Deshalb sind wir gegen die Abschaffung des Rabattgesetzes. Eine Abschaffung des Rabattgesetzes (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- würde Großunternehmen und Großvertriebsfirmen ten der CDU/CSU) auf Kosten der kleinen und mittleren Fachgeschäfte Akzeptieren wir eigentlich widerspruchslos, daß noch größer werden lassen und weitere Existenzen uns in Anhörungen solche Bären aufgebunden wer- und Arbeitsplätze bedrohen. den? Ich finde, wir sollten das nicht tun. Die Anhörung Dieses Problem besteht natürlich besonders in den als wichtiges Instrument parlamentarischer Arbeit neuen Bundesländern, wo viele kleine Unternehmen darf nicht zur Farce verkommen. Ich werde die Frau versuchen, wieder Fuß zu fassen, und ohnehin von Bundestagspräsidentin und den Vorsitzenden des vornherein wesentlich schlechtere Ausgangsbedin- Wirtschaftsausschusses bitten, diesem Vorgang unter gungen gegenüber den großen westdeutschen H an Heranziehung des Protokolls, in dem ja alles festge- -delsketten haben. halten ist, nachzugehen. In dieser Debatte hören wir wiederum das vielfach Wichtig für uns ist, meine Damen und Herren: Das gebrauchte und doch inzwischen abgenutzte, weil Rabattgesetz ist Teil eines umfassenden Deregulie- auch widerlegte Argument vom Wirtschaftsstandort rungspakets. Dazu gehören die schon beschlossene Deutschland. Ich glaube, es wird auch durch ständige Novelle der Handwerksordnung, Bahn- und Postre- Wiederholungen — wie eben von Herrn Lambsdorff — form, Vereinfachung von Planungs- und Genehmi- nicht substantieller. gungsverfahren und vieles andere mehr. Nachdem die von Bundeswirtschaftsminister Gün- Ich kann den Wählern nur raten: Lesen Sie Partei- ter Rexrodt ursprünglich beabsichtigte Aufhebung und Wahlprogramme. In jedem finden Sie eine Pas- des Rabattgesetzes einen Proteststurm von kleinen sage zur Deregulierung, zur Entbürokratisierung, zu und mittleren Unternehmen ausgelöst hat, wird es nun mehr Wettbewerb und weniger Staat. Und dann nicht gänzlich aufgehoben, aber das Gesetz gegen Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20289

Dr. Barbara Höll den unlauteren Wettbewerb soll verändert werden. Zustimmung zur Abschaffung des Rabattgesetzes." Wie das beides zusammenpaßt, ist rechtlich nicht Das ist schon ein delikater Deal, ein politischer Kuh- eindeutig geklärt. Eine Anhörung im Rechtsausschuß handel der Präsidentenklasse. Das muß m an sich wurde verweigert, und es wurde nur lapidar festge- überlegen, wie Gesetzgebung in einem Jahr der stellt, daß dies nicht gegen die bestehenden Rechts- Superwahlen läuft! normen verstoßen würde. Aber eine Hinterfragung Wie tief sinkt das politische Niveau in dieser poli- durch die Experten wurde abgelehnt. tisch verschworenen Koalition eigentlich noch? Das Interesse der Regierungskoalition an einer tatsächlich sachgerechten Lösung muß hier doch stark (Beifall bei der SPD) angezweifelt werden. Ich glaube, es wäre ein Stück- Jetzt verprellt sie die sonst zumindest in Worten chen ehrlicher, wenn die Vorlage nicht Rabattgesetz- pfleglich behandelte Klientel des Mittelstands und aufhebungsgesetz, sondern Rabattderegulierungsge- der Selbständigen. Hört man nicht landauf, landab die setz heißen würde. Herr Lambsdorff hat es ja eben Sprüche von den vielfältigen Vorteilen einer mittel- noch einmal benannt: Privatisierung, Privatisierung, ständisch geprägten Wirtschaft, von mehr Innova tion, Privatisierung! von mehr Flexibilität, von mehr Arbeitsplätzen, von Aber es ist eben noch nicht eindeutig belegt, daß mehr Ausbildungsplätzen? All dies wird nicht zu unter gleichen Rahmenbedingungen eine effektivere, Unrecht den mittleren und kleinen Unternehmen kostengünstigere Variante durch private Unterneh- bescheinigt. men an Stelle von regionalen, kommunalen und Doch diese Koalition hält es im Zweifel mit den anderen Unternehmen möglich wäre. Es ist nicht Großunternehmen. Wir sehen das in der Subventions- bewiesen, daß die p rivate Wirtschaftsform allein die politik, in der Treuhandpolitik, und wir erleben es Lösung darstellt. auch jetzt in der Wettbewerbspolitik. Die F.D.P.- Alle Seiten wenden sich gegen das angestrebte Vertretung der Besserverdienenden ist kein Freud- Hauruckverfahren, allein die Regierungskoalition scher Programmvorsatz, sondern längst Realität. Auch hält an ihrem Vorhaben fest. Das Rabattgesetz wird für diese Politik hat die F.D.P. am letzten Sonntag zwar formal beibehalten; aber bis auf das Verbot der einen Denkzettel bekommen. Hier gilt der Scharping- Jahressammelrabatte werden mit der jetzigen Rege- sche Versprecher: Es werden weitere folgen. lung die Fehler der ursprünglich geplanten ersatzlo- Dieses abwegige Gesetzesvorhaben ist ein schlim- sen Aufhebung des Rabattgesetzes wiederholt. mes Beispiel für ideologiegeleitete, d. h. für verblen- Preiswahrheit und -klarheit gehen nach Aussagen dete Politik. der vielen kleinen und mittelständischen Händler (Zurufe von der CDU/CSU) verloren. Aber nicht nur der mittelständische Einzel- handel, sondern letztlich auch die Verbraucher wer- Das Zauberwort heißt Deregulierung. Der Wirt- den mit Nachteilen zu rechnen haben, weil in Zukunft schaftsminister und die Seinen haben sich eingeredet, im Wettbewerb nicht mehr mit endgültigen Preisen daß Deregulierung der Schlüssel zum Erfolg, das geworben wird. Gerade Käufer, die wirklich mit der Elixier für mehr Wachstum und Beschäftigung sei. Das Mark rechnen müssen, müssen dann vielleicht öfter ist natürlich Unsinn bzw. der Stoff, aus dem Schaum- von Händler zu Händler eilen, um herauszubekom- schläger hervorgehen. men, wo sie etwas günstigere Kondi tionen erhalten. Es muß doch darum gehen auszuloten, wo das Es zeigt sich auch deutlich, daß die Regierungs- vernünftige Maß einer Regulierung liegt. Die Glei- koalition die Abschaffung des Rabattgesetzes als den chung „je weniger Regulierung, desto mehr Wachs Einstieg in weitere Deregulierungsmaßnahmen wie tum" ist sozial und ökologisch verantwortungslos, und die Aufhebung des Laderschlußgesetzes betrachtet. sie ist obendrein falsch. Auch hier sollten wir gewarnt sein und von vornherein Wir haben es in diesem Lande schon ohne Abschaf- diejenigen stärken, die gegen die Aufhebung des fung des Rabattgesetzes mit Konzentrationsprozes- Ladenschlußgesetzes protestieren. sen gerade im Lebensmitteleinzelhandel zu tun, die in Die Abgeordneten der PDS/Linke Liste werden vielerlei Hinsicht besorgniserregend sind. Die Kon- gegen die Abschaffung des Rabattgesetzes stim- zentration auf immer weniger, immer größere Anbie- men. ter hat volkswirtschaftlich eine Reihe äußerst schädli- Ich bedanke mich. cher Folgen. Die Versorgung wird schlechter, viel- (Beifall bei der PDS/Linke Liste) leicht kurzfristig billiger, aber die Vielfalt nimmt ab, und der Autoverkehr zu weiter entfernten Geschäften und Arbeitsplätzen nimmt zu. Dabei gehen Arbeits- Vizepräsidentin Renate Schmidt: Nun spricht der plätze in großem Umfang verloren; der Druck auf die Kollege Werner Schulz. Landwirtschaft hin zu industrieller Produktion und zu stärkerer Konzentration wächst. Auf all dies setzt die Koalition mit ihrer Rabattidiotie noch einen drauf: Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bauern- und Händlersterben auf einen Schlag. Der neue Bundespräsident Roman Herzog ist noch gar Es gibt offenbar zwei grundlegend voneinander nicht im Amt, da zahlt die Union bereits ihre Bring- abweichende Auffassungen von Wettbewerbspolitik schuld beim kleinen Koalitionspartner ab. Der „Han-- in diesem Hause. Die Regierung glaubt, es sei schon delsblatt"-Chefredakteur Mundorf hat unwiderspro- eine Förderung des Wettbewerbs, wenn man im chen geschrieben: „Die Union zahlt als Preis für die Wettbewerb alles erlaubt, auch wenn am Ende nur F.D.P.-Stimmen bei der Präsidentenwahl mit der noch ein einziger Wettbewerber übrigbleibt. Wir 20290 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Werner Schulz (Berlin) glauben das nicht. Für uns kommt es darauf an, daß im sich in Deutschland eigentlich bewährt hat. Wir müs- Ergebnis ein vielfältiger Wettbewerb erhalten und sen nicht immer nur nach anderen Ländern schauen, gefördert wird. Das ist aber nur möglich, wenn auch sondern wir haben eine eigene Kultur, eine eigene den Kleinen im Markt die Luft zum Atmen bleibt. Die Denkweise, die sich durchaus positiv entwickelt dumpfe Deregulierungswut muß gestoppt werden. Ich hat. hoffe, daß die CDU-Mittelständler sich daran beteili- Graf Lambsdorff, Deregulierung ist notwendig, ja. gen, dieses trübe und unausgegorene Rexrodt-Vorha- Aber beginnen wir doch eher damit, nicht ständig ben zu Fall zu bringen. neue Gesetze zu produzieren. Beginnen wir doch Wir hängen nicht am Rabattgesetz, um da keine damit, die Verwaltungsverfahren zu vereinfachen und Mißverständnisse aufkommen zu lassen. Wir halten es aus unseren Verwaltungen moderne Dienstleistungs- durchaus für überprüfungs- und novellierungsbedürf- unternehmen zu machen, die den Mittelstand und tig. allen, die in diesem Wirtschaftsbereich tätig sind, (Zurufe von der CDU/CSU: Was soll die tatsächlich helfen. Tun wir mehr dafür, daß das ganze Rederei? Sie eiern! Wischiwaschi!) Subsidiaritätsprinzip in Europa eingehalten wird und sich der Mittelstand nicht einer unübersehbaren Flut Das muß gründlich und in Ruhe erfolgen. Es gibt nur gesetzgeberischer Maßnahmen der Europäischen einen Zeitdruck aus dieser künstlich geschaffenen Union gegenübersieht, die er gar nicht mehr verste- Erfolgsillusion. hen kann. Vor allem die Bedenken des Gewerbes und die Was die Koalition heute vorlegt, dient all dem nicht. Schutzinteressen der Verbraucherinnen und Ver- Ich lehne deshalb das Gesetz mit aller Klarheit ab. braucher müssen sorgfältig bedacht werden. Die Auf- hebung des Rabattgesetzes auch in der vom Wirt- schaftsausschuß abgedämpften Version fördert weder Vizepräsidentin Renate Schmidt: Zu einer Kurzin- den Handel, noch schafft sie neue Arbeitsplätze. Sie tervention erhält die Abgeordnete Lilo Blunck das vergrößert hingegen die Konzentration im H andel Wort, falls sie es noch will. und führt zu einem Abbau des Verbraucherschutzes. (Lieselott Blunck [Uetersen] [SPD]: Ich wollte Deshalb lehnen wir sie ab. Und sie verhalf — das darf gerne auf Herrn Rexrodt eingehen!) bitte schön nicht vergessen werden — Roman Herzog — Frau Kollegin, Sie können keine Kurzintervention ins Amt des Bundespräsidenten, ganz ohne Preisnach- zum Beitrag von Herrn Rexrodt anmelden, wenn er laß. überhaupt noch nicht gesprochen hat. So geht es (Zuruf von der CDU/CSU: So ein Blödsinn!) nicht. Das ist nicht möglich. (Heiterkeit) Vizepräsidentin Renate Schmidt: Als nächster hat Dann erhält Herr Bundesminister Rexrodt das der Kollege Ortwin Lowack das Wo rt. Wort. (Zuruf von der CDU/CSU: Ortwin, auch in Bayreuth gibt es Rabatt — auch heute schon!) Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister für Wirtschaft: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die vorliegenden Gesetzentwürfe zum Rabattgesetz sind Ortwin Lowack (fraktionslos): Frau Präsidentin! Teil des Aktionsprogramms für mehr Wachstum und Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir tun die Beschäftigung. Mit dem neuen Namen „Gesetz über vielen Kollegen und Kolleginnen im Deutschen Bun- die Deregulierung des Rabattrechts" wird das Ziel destag leid, die heute gegen ihre eigene Überzeugung deutlich angesprochen. Es führt kein Weg daran deswegen einem Gesetzesvorhaben zustimmen sol- vorbei, es liegt auf der Hand: Die Wirtschaft ein- len, weil das ein kleiner Koalitionszirkel an der Spitze schließlich des Handels wi ll weniger Regelung und für richtig gehalten hat. Es wird ein klassisches schnellere Verfahren, damit sie frei durchatmen Eigentor werden. Das wäre gar nicht so schlimm; man kann. könnte sich ja, je nach Standort, schadenfroh zurück- Bei den verbissenen Grabenkämpfen um das lehnen. Aber es schadet natürlich immens unserem Rabattgesetz ging manchmal der Blick dafür verloren Mittelstand als dem Rückgrat der wirtschaftlichen — das ist heute auch schon gesagt worden —, daß es Entwicklung, in erster Linie in den Zentren unserer im Vergleich zu den anderen Maßnahmen des Städte und unserer Kommunen. Aktionsprogramms nur ein Mosaikstein ist. In diesem Natürlich leistet es auch betrügerischen Manipula Aktionsprogramm — wiederum Bestandteil des teuren Vorschub. Wir werden in Zukunft nicht mehr Standortprogramms — geht es um Mittelstandsförde- den ordentlichen Kaufmann als Vorbild haben, son- rung, geht es um FuE, geht es um Innovation und dern den gerissenen Kaufmann. Privatisierung. Es wird auch im Endergebnis nicht verbraucher- Zurück zum Rabattgesetz: Im Jahr 1992 ist in freundlich sein. Der Verbraucher wird sehr schnell Österreich, bei unserem Nachbarn, unter einem so- merken, daß er mehr oder weniger verschaukelt wird. zialdemokratischen Regierungschef ohne viel Aufhe- Es fördert — das ist bereits gesagt worden — die bens das Rabattgesetz verschwunden. die mit Schein- und mit Über- Großhandelsbetriebe, (Zuruf von der CDU/CSU: Aha!) raschungsrabatten operieren können, und es wird vor- allen Dingen die Serviceleistungen entweder ver- Niemand hat es in Österreich bereut. schlechtern oder schlimmstenfalls erheblich verteu- Das Festhalten an bestehenden Posi tionen und die ern. Auch verändert es eine Vertriebsstruktur, die Ängste gegenüber Veränderungen sind nachvollzieh- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20291

Bundesminister Dr. Günter Rexrodt bar. Sie sind — das will ich gar nicht in Abrede Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister für Wirtschaft: stellen — zum Teil verständlich. Es führt aber kein Also, zunächst einmal, Herr Abgeordneter Hinsken, Weg an der Deregulierung des Rabattgesetzes vorbei, muß ich Ihnen sagen, daß die Bewertung, wie Sie sie meine Damen und Herren. vornehmen, daß sich nämlich 90 % der Sachverstän- Hier formuliere ich nur das, was mir immer wieder, digen in eine bestimmte Richtung ausgesprochen auch und gerade von mittelständischen Unterneh- haben, nicht richtig ist. Sie müssen auch die Gruppie- men, gesagt wird: Wir wollen weniger Regelungen, rungen mit in Betracht ziehen, die sich dort artikuliert und wir wollen schnellere und effizientere Verfahren. haben, und Sie müssen die Interessenlagen gewich- — Deshalb betreiben wir neben vielen Maßnahmen ten. Dann kommen Sie zu einer richtigen Bewertung, im Rahmen des Aktionsprogramms und des Standort- und dann werden Sie sehen, daß die Verbraucher und programms auch Deregulierung. Mit Deregulierung ein Teil der Handelsverbände, die eben andere Inter- allein geht es nicht, aber ohne Deregulierung geht es essenlagen haben als diejenigen, die in der Aufhe- auch nicht. Deshalb haben wir das Tarifaufhebungs- bung des Rabattgesetzes fälschlicherweise eine gesetz betrieben und den Mobilfunk dereguliert. Im Gefährdung sehen, ein gewichtiges Wo rt haben, und Investionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz zwar deshalb, weil hinter ihnen große Gruppen von und im Planungsvereinfachungsgesetz sind wichtige Menschen stehen, die mit diesem Rabattgesetz nicht Veränderungen vorgenommen worden. Die Nove lle mehr leben wollen. des Gentechnikgesetzes, das Handwerksrecht und Was Österreich angeht, folgendes: Ich war erst vor viele Maßnahmen im Berufsrecht möchte ich anspre- wenigen Tagen und Wochen in Österreich und habe chen und daneben das Rabattgesetz. mir die Sache dort angesehen und erklären lassen. Es Der Einzelhandel beschwert sich zu Recht über die gibt keine ernsthafte Stimme in Österreich, die sagen Vorschriftenflut, die wirtschaftliche Betätigung be- könnte, daß aus der Aufhebung des Gesetzes irgend- hindert. Das ist mir erst gestern noch einmal bestätigt wem im Handel Nachteile entstanden sind. worden, als ich in der Mitgliederversammlung des (Abg. Ernst Hinsken [CDU/CSU] meldet sich BGA mit dem Einzelhandel darüber gesprochen habe. zu einer weiteren Zwischenfrage) Hier hört man sehr moderate, sehr vernünftige und — Ich würde in meiner Rede gerne fortfahren. sehr auf Ausgleich bedachte Stimmen. Bei der Art und Weise, in der manche Verbände und Verbandsfunktionäre des Einzelhandels gegen die Vizepräsidentin Renate Schmidt: Herr Minister, Sie Aufhebung des Rabattgesetzes polemisiert haben, gestatten also keine Zwischenfrage des Kollegen habe ich den Eindruck, daß es da nicht mehr um die Hinsken mehr und auch keine von Frau Blunck? Sache, sondern um ganz andere Dinge geht, meine Damen und Herren. Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister für Wirtschaft: (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Nein, ich möchte jetzt zunächst fortfahren. Die Aufhebung des Rabattgesetzes entspricht im (Zuruf von der SPD) übrigen dem ausdrücklichen Wunsch der Verbrau- — Was da unsicher sein mag, das möchte ich wissen. cherverbände; denn das grundsätzliche Verbot der Ich bin fest davon überzeugt, daß die Aufhebung Rabatte ist eine Behinderung des Wettbewerbs und dieses Gesetzes im Interesse des Handels, auch des eine Bevormundung der Verbraucher, die es in kei- mittelständischen H andels, liegt. nem anderen europäischen L and gibt. (Dr. Hermann Otto Solms [F.D.P.]: Insbeson (Beifall bei der F.D.P.) dere!) Derjenige, der tüchtig ist, derjenige, der sich etwas Vizepräsidentin Renate Schmidt: Herr Minister, einfallen läßt, derjenige, der seine Marktchancen gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hins- wahrnimmt, kann gerade im mittelständischen ken? Bereich mit Blick auf den Verbraucher und sein Geschäft heute sehr viel mehr erreichen, als es früher der Fall war. Gerade die Großen können auf Grund Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister für Wirtschaft: Ja, bitte. — Wo ist er denn? der Tatsache, daß die Jahresumsatzrabatte verboten sind, sehr viel weniger mit Rabatten arbeiten, wäh- (Unruhe) rend der Kleine, wo der Chef noch mit dem Verbrau- cher, mit dem Kunden spricht, spontan Rabatt gewäh- Ernst Hinsken (CDU/CSU): Hier bin ich, Herr Mini- ren kann und daher einen Vorteil hat. Deshalb ist das ster. — Herr Minister, sind Sie bereit, zu bestätigen, ein Gesetz, das — mit der Einschränkung, die wir daß sich bei der Anhörung 90 % der Sachverständigen gemacht haben — eine Veränderung in Richtung auf gegen Ihre Vorstellungen ausgesprochen haben, und einen wettbewerbsfähigen Mittelstand hervorbringt. sind Sie auch bereit, mir zu bestätigen, daß die (Beifall bei der F.D.P. — Anke Fuchs [Köln] Sachverständigen gesagt haben, daß, was speziell die [SPD]: Das glauben Sie doch selbst nicht!) Abschaffung des Rabattgesetzes in Österreich anbe- Ich sage noch einmal: Unser Gesetzesvorhaben liegt langt, noch nicht genau ausgewertet werden kann, im Interesse der Verbraucher. Deshalb ist es für mich welche Auswirkungen das, insgesamt gesehen, hat?- um so erstaunlicher, daß sich die SPD, die sich sonst (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Werner immer zum Anwalt der Verbraucher aufspielt, so Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- vehement gegen die Aufhebung dieses Rabattgeset- NEN]) zes ausspricht. Das Gesetz ist vom 25. November 1933. 20292 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Bundesminister Dr. Günter Rexrodt Es ist ein Gesetz, das von der Wirklichkeit — Sie her zu reagieren. Gerade die mittelständischen Unter- wissen das — längst überholt ist. nehmen werden davon profitieren. (Beifall bei der F.D.P.) Wer da sagt, an der Kaufhauskasse — oder wo auch immer — entstehe nun ein Basar, der sagt die Unwahr- Ich bin ganz sicher, daß Sie die Koalition in ihrer heit. Es ist doch nicht anzunehmen, daß man bei einem Deregulierungspolitik kritisiert hätten, wenn wir die- Stück Butter um einen Rabatt feilscht. ses Rabattgesetz nicht so verändert hätten, wie wir es (Widerspruch bei der SPD) verändert haben. Sie hätten sich aufgespielt und gesagt, daß diese Koalition nicht einmal in der Lage Die Rabattgewährung wird sich wie bisher schon auf ist, ein so einfaches Gesetz wie das Rabattgesetz in die Autos, auf Möbel, auf Kühlschränke, auf hochwertige richtige Fassung zu bringen. Das ist der Tatbestand. Kleidung, auf Luxusgüter und andere hochwertige Das, was Sie hier vortragen, ist nichts anderes als Güter konzentrieren, und das ist gang und gäbe Populismus und Scharfmacherei. heutzutage. (Beifall bei der F.D.P.) (Widerspruch bei der SPD) 40 % derer, die ein Auto kaufen, wissen, daß so Es ist etwas, was sich gegen die Interessen der gearbeitet wird. Wir legalisieren, wir bringen die Verbraucher und der mittelständischen Händler rich- Dinge in Ordnung. Das sind die Sachverhalte. tet. (Beifall bei der F.D.P.) Wir haben im Gesetzgebungsverfahren die Sorgen Meine Damen und Herren, lassen Sie mich als des mittelständischen H andels sehr wohl aufgenom- letztes noch sagen: Wir werden über die Wirkungen men und abgewogen. Dies hat die Koali tion bei der dieser Gesetzesänderung in zwei Jahren berichten. Einbringung des Gesetzentwurfs im übrigen zuge- Wir wissen aus anderen Vorhaben, die dem Einzel- sagt. Die bei der Anhörung im Wirtschaftsausschuß handel mehr Spielraum geschaffen haben — Graf geäußerten Bedenken, Herr Hinsken, sind umfassend Lambsdorff hat das schon erwähnt —, z. B. die berücksichtigt worden. Abschaffung der Preisbindung der zweiten H and, daß Mit dem Verbot von Gesamtumsatzrabatten bei sich die Befürchtungen sehr bald als unbegründet Waren wird der Gefährdung kleiner und mittlerer herausstellen und daß der Handel solche Veränderun- Unternehmen durch die Gesamtrabattstrategie von gen annimmt und begrüßt. Großunternehmen vorgebeugt. Ich bitte, dies doch Das war im übrigen auch so, als außerhalb einer nun wirklich einmal zu bedenken und abzugehen von gesetzlichen Regelung die Fußgängerstraßen aufka- den Klischees und den Vorurteilen. Faktum ist doch, men. Was gab es da für einen Protest seitens des daß der mittelständische Einzelhändler nunmehr im Handels? Heute ist das ein wichtiges und wirksames Gespräch mit dem Verbraucher, mit dem Kunden Instrument zur Belebung der Innenstädte und zur besser mit dem Rabatt zu arbeiten in der Lage ist als Beflügelung des Geschäftes der mittelständischen der große Kaufhaus- oder Warenhauskonzern. Dieser Einzelhändler. kann es eben nicht mehr. Es hat eine Umkehrung stattgefunden. Es ist ein Gesetz zugunsten des Mittel- Vizepräsidentin Renate Schmidt: Herr Minister, standes entstanden. Setzen Sie sich doch endlich darf ich noch einmal fragen, ob Sie doch noch eine einmal inhaltlich mit diesen Dingen auseinander! Zwischenfrage gestatten. (Beifall bei der F.D.P. — Albert Pfuhl [SPD]: Das tun wir doch schon die ganze Zeit!) Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister für Wirtschaft: Wir haben das Deregulierungsziel erreicht und den Bitte schön, ja. mittelständischen Handel geschützt. Als weitere flan- kierende Maßnahmen soll der Katalog von irreführen- Lieselott Blunck (Uetersen) (SPD): Herr Minister, den Sachverhalten im UWG um das Wort „Rabatt" habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie auch deshalb ergänzt werden und eine spezielle Regelung gegen für die Abschaffung des Rabattgesetzes sind, weil so Mondpreise eingeführt werden. — Herr Pfuhl, Sie sind oft dagegen verstoßen wird, und darf ich Sie fragen, vorhin darauf eingegangen. Wir haben das berück- wie das dann weitergehen soll? Wollen Sie auch für sichtigt. Ich bitte doch, das zu erwähnen. eine Abschaffung der einschlägigen Strafvorschriften betreffend Diebstahl und Gewalttätigkeiten eintre- Insgesamt ergibt sich durch das Rabattderegulie- ten? Wo ist das Ende? rungsgesetz folgende Situa tion: Bei Dienstleistungen werden Angebote und Werbung mit Rabatten — vor- (Widerspruch bei der CDU/CSU und der behaltlich der Bestimmungen des UWG — uneinge- F.D.P.) schränkt zulässig, z. B. Hotelrabatte und Vielflieger- begünstigungen sowie Sonderpreise für Senioren, für Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister für Wirtschaft: Studenten oder für Vereine. Ich muß Ihnen ehrlich gestehen, Frau Kollegin, daß ich Ihre Frage nicht verstehe und daß ich aus diesem Dies alles wurde im übrigen schon in der Vergan- Grunde darauf nicht antworten kann. genheit praktiziert. Es war aber immer am Rande dessen, was legal war. Bei Waren gibt es künftig (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) sowohl beim Angebot als auch bei der Werbung mehr Meine Damen und Herren, ich möchte Sie abschlie- Spielräume für Handel und Verbraucher. Der Einzel- ßend bitten: Lassen Sie sich nicht von Katastrophen- handel erhält die Möglichkeit, unter Einbeziehung szenarien verunsichern, die dem Rabattgesetz eine des Wettbewerbsparameters Rabatt flexibler als bis- Bedeutung geben, die es in der Praxis längst nicht Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20293

Bundesminister Dr. Günter Rexrodt mehr hat. Das Wort „Deregulierung" tragen zwar alle Sie sollten uns einmal sagen, wie Sie Arbeitsplätze vor sich her. Aber ich weiß sehr wohl: Wenn es ernst schaffen, wie Sie dafür sorgen, daß sechs Mil lionen wird, laufen die Bataillone, weil dann Druck erzeugt Menschen, die einen Arbeitsplatz suchen, endlich in wird, sehr schnell davon. Brot und Arbeit kommen. Das ist die Frage unserer Ludwig Erhard mußte schon vor vielen Jahrzehnten Zeit! bei Deregulierungsschritten feststellen: Wenn ich (Beifall bei der SPD) morgens an meinen Schreibtisch komme, finde ich Zwei entscheidende Punkte, meine sehr verehrten Berge von Katastrophenmeldungen vor. Bisher ist Damen und Herren, sind es, die bei der Abschaffung noch keine eingetreten. — Das wird auch hier nicht dieses Rabattgesetzes zu kritisieren sind. Einmal trägt der Fall sein, im Gegenteil: Das ist ein Schritt im Sinne es dazu bei, daß Preiswahrheit und Preisklarheit in des mittelständischen Handels und im Sinne der Zukunft in diesem Lande verlorengehen. Verbraucher, meine Damen und Herren. (Zurufe von der SPD: So ist es!) Schönen Dank. In Zukunft wird es wieder möglich sein, selbst um ein (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- Achtel Wurst im Laden zu schachern. ten der CDU/CSU) Und wer schachert darm? Die Kleinen werden nicht schachern können, aber die Großen, die Reichen, die Vizepräsidentin Renate Schmidt: Als nächster schachern. Im Grunde genommen ist es so, daß Sie spricht der Kollege Uwe Jens. einmal mehr etwas für Ihre Klientel tun, was völlig unverständlich ist, meine sehr verehrten Damen und Herren. Dr. Uwe Jens (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich empfinde die Abschaffung (Beifall bei der SPD) des Rabattgesetzes gewissermaßen als eine Groteske. Nein, mit der Abschaffung des Rabattgesetzes wird es Hier wackelt der Schwanz einmal mehr mit dem dazu kommen, daß in Zukunft nicht mehr der Wettbe- Hund; werb um den Preis entscheidend sein wird, sondern es (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der wird um Rabatte gekämpft. Es gibt in Zukunft Rabatt- wettbewerb, eine völlige Verzerrung der Situation. F.D.P.) Preiswettbewerb wollen wir in diesem Land haben, denn in der Tat ist es so, daß bei der CDU viele aber keinen Rabattwettbewerb. Kolleginnen und Kollegen sitzen, die jetzt Bauchgrim- men haben und dies nicht mitmachen möchten. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Aber man billigt ja der F.D.P. gewissermaßen alles zu. Vizepräsidentin Renate Schmidt: Herr Kollege Jens, Man will sie ja über die Fünfprozentklausel retten. würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Grün- beck erlauben? (Widerspruch bei Abgeordneten der F.D.P.) Nur, ich habe das komische Gefühl, meine sehr verehrten Damen und Herren: Das schaffen Sie nicht. Dr. Uwe Jens (SPD): Ja. Was die F.D.P. heute hier macht, trägt ganz entschei- dend dazu bei, daß die kleinen und mittleren Händler Josef Grünbeck (F.D.P.): Herr Kollege Jens, Sie sie in Zukunft nicht mehr wählen werden, und das ist waren bei der Anhörung anwesend. Sie, die SPD, auch gut so. machen sich doch ständig zum Fürsprecher der Ver- (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und braucherverbände. Haben Sie eigentlich die Stel- dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) lungnahme der Verbraucherverbände gelesen, oder haben Sie sich entschlossen, von der Verbraucherpoli- Da redet diese F.D.P. lautstark von Deregulierung tik Abschied zu nehmen? — das ist das eigentliche Anliegen —, um den Wirt- schaftsstandort Deutschland zu sichern. (Beifall bei der F.D.P.) (Dr. Hermann Otto Sohns [F.D.P.]: Haben Sie die Stellungnahmen der Verbraucherver- Dr. Uwe Jens (SPD): Nein, wir vertreten in der Tat bände gelesen?) vor allem auch die Interessen der Verbraucher. Frau Eine Sache wird dereguliert, und zwar wird das Blunck ist ein hervorragendes Beispiel dafür. Rabattgesetz gestrichen. Gleichzeitig werden im (Lachen und Widerspruch bei der F.D.P.) Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb drei neue Die Verbraucherverbände haben in dieser Anhörung Bestimmungen eingeführt, wird also neu reguliert, — vielleicht passen Sie einmal auf, Herr Grünbeck — und das nennt man dann bei der F.D.P. „Deregulie- ausdrücklich gesagt, daß es ihnen auch darum gehe, rung". Das ist eine Verhöhnung des Gesetzgebers. Mißbrauch in dieser Beziehung abzustellen, wo (Beifall bei der SPD) immer es nur geht, und das wollen Sie nicht. Die Abschaffung des Rabattgesetzes sichere den (Beifall bei der SPD) Standort Deutschland. — Also, Herr Rexrodt, Sie Zweitens. Die Abschaffung des Rabattgesetzes sollten sich wirklich um die brennenden Probleme in führt dazu, daß nach dem Wegfall der Rabatte, wie diesem Lande kümmern und nicht um solche Albern- mein Kollege Albert Pfuhl soeben gesagt hat, Preis- heiten. aufschläge vorgenommen werden. Natürlich wird das (Beifall bei der SPD) dazu führen, daß die Preise in dieser Republik tenden- 20294 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Dr. Uwe Jens ziell nach oben gehen. Für die nächsten Preissteige- Es gibt für alles Grenzen, und diese Grenzen haben rungen sind Sie mit verantwortlich, Herr Rexrodt. Sie hier überschritten, meine Damen und Herren. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPD) Jetzt zur Sache: Unbestritten ist bei allen Befürwor- Meine Damen und Herren, in Zukunft werden tern einer Rabattregelung, daß es Handlungsbedarf Gesamtumsatzrabatte abgeschafft. Aber für die gab. Das ist auch bei den Sozialdemokraten unbestrit- Metro, Graf Lambsdorff, werden sie ausdrücklich ten. Die Frage war: Schafft man das Gesetz gänzlich zugelassen. Das halte ich in der Tat für einen Skan- ab? Erhält man es und überarbeitet es nur? Wenn es dal. überarbeitet wird — in welcher Form? Läßt man das (Beifall bei der SPD) Rabattgesetz für den täglichen Bedarf der Güter bestehen und hebt es nur auf für höherwertige Güter? Kaufhof und Karstadt dürfen keine Gesamtumsatzra- batte geben, aber die Metro darf sie geben. Das ist in Läßt man das Gesetz für Waren bestehen und hebt es der Tat ein Beispiel für eine Lex Lambsdorff, wie mir auf für Dienstleistungen? Wenn m an das alte Rabatt- an dann ein neues schaffen, scheint. gesetz aufhebt, muß m und wenn ja, mit welchen Vorschriften? Muß man das (Beifall bei der SPD) überhaupt noch in dieser Wahlperiode tun? Das waren Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist die Fragen. schon ein Trauerspiel, das wir heute erleben müssen, (Zuruf von der SPD: Ja, das waren die Fra was die F.D.P. der Mehrheit dieses Hauses aufzwingt. gen!) Ich kann Ihnen nur sagen: Wir Sozialdemokraten — Ich sage doch, wir reden ehrlich, solide und seriös werden in der nächsten Legislaturperiode — insbe- miteinander. Das ist der Unterschied zwischen uns! sondere natürlich, wenn wir die Mehrheit haben — Ich will nicht verheimlichen, daß ich das Gesetz alles tun, um das Rabattverbot über 3 % für die auch gern in Ruhe im Zusammenhang mit anderen normalen Waren des täglichen Bedarfs und auch für Bereichen behandelt hätte, z. B. zusammen mit dem normale Gebrauchsgüter wieder einzuführen. Dafür Ladenschlußgesetz oder mit einer UWG-Reform, was werden wir kämpfen. wir jetzt vorhaben. Aber in einer Koalition ist es wie in (Beifall bei der SPD) einer Ehe: Man muß aufeinander ein bißchen Rück- sicht nehmen. Und ich tue das gern bei den geschätz- ten Kollegen der F.D.P. Vizepräsidentin Renate Schmidt: Als nächster hat (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) der Kollege Hansjürgen Doss das Wort. Für mich hat das einen hohen Stellenwert. (Zuruf von der SPD: Jetzt kommt es her -aus!) Hansjürgen Doss (CDU/CSU): Frau Präsidentin! — Ja, selbstverständlich. Es ist doch unbestritten Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Natür- — wir sind doch für die Wahrheit —, daß der Bundes- lich hat Uwe Jens recht, wenn er sagt, daß das ein wirtschaftsminister in dieser Frage ein Anliegen hatte Trauerspiel sei. Ein Trauerspiel sind die Beiträge der und daß er geworben hat, auch bei uns. Es gibt doch Sozialdemokraten. auch eine ganze Reihe von Kollegen bei uns, die für (Beifall bei der F.D.P.) diese Änderung des Rabattgesetzes sind. Das gehört zur Wahrheit. Eiern wir doch da nicht herum! Ich meine, daß Sie heute morgen eher Wahlkampf Der Hauptgrund war Deregulierung auf der einen gemacht haben, als sich ernsthaft mit einer Wettbe- Seite, und auf der anderen Seite gab es ein nicht mehr werbsregel, die Sachlichkeit verlangt, wenn m an sie vorhandenes beim Verstoß ge- solide behandeln will, zu befassen. Es ist hier mehr der Unrechtsbewußtsein gen geltendes Recht. Ton des Wahlkampfes angeklungen; das ist ein biß- chen bedauerlich. Vizepräsidentin Renate Schmidt: Herr Kollege Dann hat Kollege Jens dem Bundeswirtschaftsmini- Doss, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen ster gesagt, daß es Wichtigeres gebe als das Rabatt- Büttner? gesetz. Tatsache ist, daß wir zu Beginn dieses Jahres ein 30-Punkte-Programm für Wachstum und Beschäf- (CDU/CSU): Aber gern. tigung beschlossen haben, und ein Teil davon war Hansjürgen Doss diese Entscheidung über das Rabattgesetz, und zwar weit vor der Wahl des Bundespräsidenten. Ich kann Hans Büttner (Ingolstadt) (SPD): Herr Kollege, woll- Ihnen nur sagen, meine Damen, meine Herren auf der ten Sie mit Ihren Ausführungen über das Zustande- linken Seite dieses Hauses, Sie haben heute wieder kommen und Aushandeln des Gesetzes in der Koali- bestätigt, daß Sie schlechte Verlierer sind tion erklären, daß Sie dabei Schwierigkeiten hatten — wie es auch in einer Ehe vorkommen kann — und (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — deshalb nur ein schlampiges Ergebnis herausgekom- Widerspruch bei der SPD) men ist? und daß Sie nicht bereit sind, den Bundespräsidenten aus Debatten um eine Wettbewerbsregel herauszu-- Hansjürgen Doss (CDU/CSU): Hätte ich gewußt, halten. Das ist ein weiterer Hinweis für Ihr Verständ- was Sie mich fragen wollen, hätte ich dem nicht nis von Demokratie. zugestimmt. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Lachen bei der SPD) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20295

Hansjürgen Doss Was wir hier ausgehandelt haben, ist solide; ich werde Die Sachverständigenanhörung im Wirtschaftsaus- das im einzelnen beweisen. schuß hat diesem Gesetzgebungsverfahren eine (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) wesentliche Änderung gebracht, Graf Lambsdorff. Die Anhörung hat rund fünf Stunden gedauert. Mehr Außer solchen unqualifizierten Einwürfen haben Sie als 30 Wissenschaftler und Verbandsvertreter wurden in der wichtigen Frage, wie man Wettbewerb organi- gehört. Die Eingaben und Protokolle haben Ordner siert, nichts zu bieten. Bedauerlicherweise ist das gefüllt. so. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Als Hauptsorge des mittelständischen Einzelhan- der F.D.P.) dels ergab sich dabei: Die Gewährung von Gesamt- als Strategie für Kunden- Zurück zu der Frage: Wie ist es mit den Verstößen, umsatz- und Jahresrabatten die wir heute alle hinnehmen, die auch Sie hinnehmen bindung durch Großunternehmen wurde mit großer Irreführung der Verbraucher und deren Vorteile auch Sie nutzen — ein bißchen Sorge betrachtet. Die Ehrlichkeit gehört dazu —: bei der Lufthansa — Miles durch künstliche Rabatte auf sogenannte Mondpreise Verzerrungen des Leistungswettbewerbs & More —, bei der Bahncard, bei den Hotels? Welcher sowie d. h. Naturalrabatte, wurden be- Handelsvertreter bezahlt den in der Schranktür ein- durch Zugaben, fürchtet. Daraus ergab sich eindeutig — auch wenn es geklebten Preis? Das gibt es doch gar nicht mehr. Wir unterschiedliche Meinungen gibt; so ist das in einer haben alle miteinander so ein hübsches Kärtchen Koalition, auch in einer so großen Frak tion wie der geschickt bekommen, auf dem steht, daß wir für meinen —: Die einfache und ersatzlose Aufhebung bestimmte Mietwagen einen Rabatt bekommen. Sie des Rabattgesetzes kam für uns nicht mehr in Frage. haben das selbstverständlich sofort weggeschmissen, Die Unionsfraktion, die auf diese Anhörung gedrängt das ist ganz klar. hatte, hat damit den richtigen Weg eingeschlagen. (Heiterkeit bei der CDU/CSU) Wir haben Erfolg gehabt. Entgegen der ursprüngli- chen Absicht der Bundesregierung — hier insbeson- Herr Kollege Vizepräsidentin Renate Schmidt: dere des von mir sehr geschätzten Wirtschaftsmini- Doss, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage? sters — und anderer Kollegen aus den Koalitionsfrak- tionen haben wir einen Kompromiß durchgesetzt. Es Hansjörgen Doss (CDU/CSU): Bitte ersparen Sie es heißt jetzt nicht mehr schlicht und einfach: „Das mir! Ich möchte meine Vorstellungen vortragen kön- Rabattgesetz und die Zugabeverordnung werden auf- nen; danach vielleicht. — gehoben." Es wird weiterhin ein Rabattrecht in (Zuruf von der CDU/CSU: Mach jetzt wei- Deutschland geben, und zwar lautet dies im Kern wie ter!) folgt: Gesamtumsatz- und Jahresrabatte auf Waren bleiben im Grundsatz weiterhin verboten. Ausnah- Also gut, bitte schön. men gibt es nur für gewerbliche Letztverbraucher, Großabnehmer und Personalrabatte. Sogenannte Walter Schöler (SPD): Herr Kollege, sind Sie bereit, Mondpreise werden in § 3 UWG ausdrücklich als Ihre Ausführungen auch für die HOAI gelten zu Irreführung aufgenommen. Die Zugabeverordnung, lassen? die quasi schon abgeschafft war, bleibt erhalten. Diese Regelung schafft zweierlei: Die eingangs Hansjürgen Doss (CDU/CSU): Gebührenordnun- genannte rechtswidrige Praxis in vielen Bereichen gen der freien Berufe und Wettbewerbsregeln im wird entkriminalisiert, und den Hauptsorgen des Handel haben nun wirklich nichts miteinander zu mittelständischen Einzelhandels wird Rechnung ge- tun. tragen. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) Eine ganz besonders wichtige Passage in diesem Sie müssen wirklich sehr verzweifelt sein, daß Sie Kompromiß ist, daß die Koalition der Bundesregie- solche Fragen stellen. rung den Auftrag gegeben hat, bis Ende 1996 einen (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und Erfahrungsbericht vorzulegen. Man sollte diesen der F.D.P.) Punkt nicht übersehen. Diese neue Regelung steht Bei dem Kauf von höherwertigen Gütern wird selbstverständlich noch einmal auf dem Prüfstand, natürlich um Rabatte gehandelt, auch wenn Sie das wenn diese Ergebnisse vorliegen. Wenn nega tive selbstverständlich nicht machen. Nach Emnid machen Erfahrungen mit der neuen Rechtslage erkennbar das aber 40 % der Bevölkerung, und das mit Erfolg. werden, besteht Anlaß und Gelegenheit zur Korrek- Das gehört doch zur Wahrheit. tur. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Koali tion dem Auftrag an den Bundesarbeitsminister, einen Be richt Deshalb: Eine Pauschalkritik an dem Kompromiß ist über die offenen Fragen zum Ladenschlußgesetz vor- nicht zulässig, es sei denn, man macht Wahlkampf. zulegen, entsprechen, so daß wir zum Anfang der (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — nächsten Legislaturperiode das gesamte den Handel Zuruf von der SPD: Hier macht nie jemand umgebende Recht auf den Prüfstand stellen können. Wahlkampf!) Kurzum: Mit der Vorlage des Erfahrungsberichtes Man kann über Einzelfragen reden. Auch ich bin Ende 1996 besteht die Möglichkeit einer Überarbei- bereit, darüber zu reden, ob m an das so oder so macht. tung des gesamten Regelwerks, und zwar zusammen Ich habe das schon angedeutet. Aber eine Pauschal- mit dem Handel, wie wir das ja auch in der Anhörung kritik ist nicht vertretbar. Es geht nur um das Wie. gehalten haben. 20296 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Hansjürgen Doss Meine Damen, meine Herren, zum Wesen des Baustein, nämlich das Rabattgesetz, aus dem Gefüge Kompromisses gehört es, daß niemand so recht glück- Preisangabenverordnung, Zugabenverordnung und lich ist, hat Wolfgang Schäuble einmal gesagt. Wenn UWG herauszubrechen. das stimmt, ist dieses Gefühl bei diesem Gesetzesvor- haben gegeben — also ein echter Kompromiß. Ich bin (Beifall bei Abgeordneten der SPD) fest davon überzeugt, daß der mittelständische Einzel- Ich habe kein Verständnis dafür, wenn weder auf handel mit dem, was sich als Kompromiß herauskri- Fachleute noch auf Prak tiker gehört wird. stallisiert, leben kann. (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste Es ist und bleibt eine Illusion, wenn Sie meinen, daß sowie bei Abgeordneten des BÜNDNIS der Einzelhandel wegen dieser Frage mit wehenden SES 90/DIE GRÜNEN) Fahnen zu den Sozialdemokraten umschwenkt. Es tut mir leid, wenn ich sie Ihnen heute nehmen mußte. Das Angebot — auch von Handelsseite — bestand, ohne Hast und Aktionismus, dafür mit erforderlichem (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Sachverstand das Rabattgesetz, die Preisangabenver- ordnung, die Zugabenverordnung und das UWG in Vizepräsidentin Renate Schmidt: Das Wort zu einer der nächsten Legislaturperiode auf den Prüfstand zu Kurzintervention erhält Otto Graf Lambsdorff. stellen und nach optimalen Lösungen zu suchen. Es sollte nicht darum gehen, angekündigte persönliche Dr. Otto Graf Lambsdorff (F.D.P.): Frau Präsidentin! Ministervorgaben sofort zu erfüllen. Man muß nicht gekränkt sein, wenn Herr Jens meint, ein Stück Gesetzgebung hieße in Zukunft „Lex (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Lambsdorff". Vielleicht, Herr Professor, gehe ich auf der PDS/Linke Liste und des BÜNDNIS diesen Vorschlag hin noch in die Rechtsgeschichte SES 90/DIE GRÜNEN) ein. Zielgruppen sollten nicht mit Zielscheiben ver- Damit jeder versteht, was mit der Ausnahmerege- wechselt werden. Wer wie der Wirtschaftsminister lung für den Cash-and-carry-Großhandel, die wir ankündigt, eine Bastion, nämlich den Einzelhandel, getroffen haben, gemeint ist und was auch in Ihrem sturmreif schießen zu wollen, erfährt keine Schonung Interesse dringend notwendig ist, will ich nur eines und braucht sich nicht zu wundern, wenn zurückge- sagen: Der Großhandel darf den Einzelhändlern, den schossen wird und er dann auch angeschossen gewerblichen Wiederverwendern, den Gastronomen, wird. die bei ihm kaufen, selbstverständlich Rabatt einräu- men; das durfte er bisher und das darf er auch in (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Zukunft. Durch diesen Rabatt ergibt sich ein Teil der der PDS/Linke Liste und des BÜNDNIS Spanne, die die Wiederverkäufer, die Gastronomen, SES 90/DIE GRÜNEN) die kleinen Einzelhändler als ihren Verdienst brau- Ich mache nun noch einige Bemerkungen zur Sache chen. Wenn wir das abgeschafft und mit dem Verbot dieses Gesetzes. Durch die generelle Freigabe von der Gesamtrabatte belegt hätten, hätten wir denen die Individualrabatten werden die verbraucher- und Existenzgrundlage genommen. Deswegen ist diese wettbewerbspolitisch wünschenswerten Ziele der Ausnahmeklausel für den Cash-and-carry-Großhan- Preiswahrheit und Preisklarheit gefährdet. del im Interesse der Wiederverwender, der kleinen Einzelhändler unbedingt notwendig. Wenn ich damit (Beifall bei Abgeordneten der SPD) in die Rechtsgeschichte eingehe, bin ich einverstan- In den zurückliegenden Jahrzehnten ist nie angezwei- den. felt worden, daß Preiswahrheit und Preisklarheit für (Beifall bei der F.D.P.) einen seriösen Wettbewerb Grundvoraussetzungen sind. Das Rabattgesetz hat bisher keinen Unterneh- Vizepräsidentin Renate Schmidt: Weitere Wortmel- mer an der freien Festsetzung seiner Preise und deren dungen liegen mir nicht vor. jederzeitigen Abänderbarkeit gehindert. Verboten war bisher lediglich die Bildung eines von diesen Es liegen jetzt noch einige Wortmeldungen zu Preisen im Einzelfall abweichenden individuellen persönlichen Erklärungen nach § 31 vor. Dazu erteile Ausnahmepreises — Stichwort: Gleicher Preis für alle ich zuerst unserer Kollegin Renate Bl ank das Wort. Verbraucher. Renate Blank (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Die durchschnittliche Umsatzrendite im deutschen Damen und Herren! Ich werde dem Rabattderegulie- Einzelhandel in Höhe von rund 2 % ermöglicht keinen rungsgesetz nicht zustimmen, da dieses Gesetz aus Spielraum für Rabatte, es sei denn, sie werden vorher der Sicht einer Einzelhändlerin weder einer sachge- auf den Preis aufgeschlagen. Die Folgen einer rechten noch einer sorgfältigen Gesetzesformulierung Abschaffung des Rabattverbots: Die Preise werden auf und Gesetzgebung entspricht und auch den Bezug zur breiter Front angehoben; die Inflation wird gefördert Praxis vermissen läßt. statt bekämpft; ganz zu schweigen von einer unsozia- (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste len und diskriminierenden Ungleichbehandlung der Kunden. sowie bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ — Der Beifall von der falschen Seite tut mir ein - DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der bißchen leid. PDS/Linke Liste) Die Anhörung zur Aufhebung des Rabattgesetzes Verlierer wäre nämlich die große Mehrheit der Ver hat eindeutig gezeigt, daß es nicht sinnvoll ist, einen braucher, die weniger verhandlungsgeschickt oder Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20297

Renate Blank verhandlungsgewandt sind. Was das Motto „Rabatt, dafür eingetreten, überflüssige gesetzliche Regelun- das laß dir sagen, wird immer vorher aufgeschlagen! " gen über Bord zu werfen, damit sich die Kräfte des angeht, so weiß ich als Einzelhändlerin, wovon ich Marktes frei entfalten können. Dementsprechend rede. habe ich auch zunächst, der Gesetzesbegründung In Artikel 2 des Gesetzentwurfes ist ein Verbot von glaubend, in der Aufhebung des Rabattgesetzes einen Gesamtumsatzrabatten beim Verkauf von Waren vor- Schritt zur Deregulierung gesehen. Die Sachverstän- gesehen. Das klingt zunächst recht gut, doch dieses digenanhörung im Wirtschaftsausschuß hat mir alleinige Verbot kann die mit der generellen Freigabe jedoch gezeigt, daß das Rabattgesetz ein wesentlicher von Individualrabatten verbundenen negativen Aus- Bestandteil des Wettbewerbsrechtes ist, den wir nicht wirkungen nicht auffangen. Darüber hinaus wird im Hauruck-Verfahren beseitigen dürfen und beseiti- dieses generelle Verbot durch eine weit gefaßte gen wollen. Ausnahmeklausel in Frage gestellt. Das Verbot wird (Beifall bei der SPD, beim BÜNDNIS 90/DIE faktisch ausgehöhlt, und der Artikel 2 kommt einer GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Barbara Höll von der F.D.P. favorisierten Großvertriebsform des [PDS/Linke Liste]) Handels sehr entgegen. Der mittelständische Einzel- handel wird das Nachsehen haben; denn Großunter- Ich möchte nur kurz auf die wichtigsten Gesichts- nehmen im Handel werden dieses Verbot von punkte hinweisen, da die Argumente den meisten Gesamtumsatzrabatten zu umgehen wissen. sehr wohl bekannt sein dürften. Die in Artikel 3 des Rabattderegulierungsgesetzes Erstens. Eine durchschnittliche Umsatzrendite im vorgesehenen flankierenden Ergänzungen gegen deutschen Einzelhandel von rund 2 %, im Lebensmit- den unlauteren Wettbewerb bieten inhaltlich absolut teleinzelhandel sogar noch darunter, ermöglicht kei- nichts Neues, um der Gefahr von Mondpreisen zu nen Spielraum für nennenswerte Rabatte, es sei denn, begegnen. Die Aufhebung des Rabattgesetzes wird sie werden vorher auf den Preis aufgeschlagen. Auch die Probleme auf andere Rechtsvorschriften verlagern ich möchte als dritter hier sagen, daß mich sehr wohl und zu einer Vielzahl von Prozessen wegen vermeint- beeindruckt hat und mir noch im Ohr klingt, was der lich unlauterer Benachteiligung oder Irreführung des Sachverständige während der Anhörung gesagt hat: Verbrauchers mit nunmehr ungewissem Ausgang „Rabatt, Rabatt, das laß dir sagen, wird vorher immer führen. aufgeschlagen!" Niemand hat etwas zu verschen- Die Preisangabenverordnung, neben dem Rabatt- ken! gesetz ein Eckpfeiler für die Wahrung von Verbrau- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) cherinteressen, für Markttransparenz, Preiswahrheit und Vergleichbarkeit der Preise wird obsolet, weil es Zweitens. Die Rabattwerbung eröffnet ein bedenk- keinen Sinn mehr macht, Preise anzugeben, an die liches Potential zur Irreführung der Verbraucher. sich der Kaufmann, weil er nach Belieben Rabatte Drittens. Gesamtumsatz- oder Jahresrabatte stehen einräumen darf, nicht zu halten braucht. Mit diesem vorzugsweise Großfirmen des Einzelhandels zur Ver- Gesetzentwurf deregulieren wir durch Regulierung, fügung. Solche Rabatterwartungen üben einen gro und mir ist nicht bekannt, daß das Rabattgesetz eine Ben Sogeffekt aus und konzentrieren die Umsätze der Regulierung war, sondern es war eine Rahmenbedin- Kunden auf solche Unternehmen zu Lasten mittelstän- gung in unserer freien sozialen Marktwirtschaft. discher Einzelhändler. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Viertens. Diese Konzentration geht besonders zu Lasten der Versorgung in ländlichen Gebieten und zu Lasten des Facheinzelhandels in den Innenstädten. Vizepräsidentin Renate Schmidt: Zu einer weiteren Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung erhält Fünftens. Der mittelständische Einzelhandel in den der Kollege Ernst Hinsken das Wort. neuen Bundesländern wäre besonders hart betrof- fen. Sechstens. Die statistische Erfassung des Preis- (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Ver- Ernst Hinsken niveaus wird zumindest erheblich erschwert. ehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin seit fast 14 Jahren im Deutschen Bundestag, habe niemals Siebentens. Die steuerliche Behandlung von Perso- eine persönliche Erklärung abgegeben, aber heute nalrabatten ist bei allgemeiner Rabattfreiheit neu zu sehe ich mich dazu gezwungen. beurteilen. Die meisten von uns — ich meine, fast alle — haben Ich meine, über diese Argumente können wir uns gerade in den letzten Tagen, in den letzten Wochen nicht hinwegsetzen, wenn Expertenanhörungen viele, viele Briefe von besorgten Einzelhändlern überhaupt noch einen Sinn machen sollen. bekommen, weil diese befürchten, daß sie in Zukunft auf Grund der Abschaffung des Rabattgesetzes noch (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ mehr in Mitleidenschaft gezogen werden, als das DIE GRÜNEN) momentan schon der Fall ist. Es kommt in diesem Fall Durch das nunmehr zur Verabschiedung anste- auch die große Sorge um ihre Existenz mehrfach zum- hende sogenannte Rabattderegulierungsgesetz —üb- Ausdruck. rigens ein Zungenbrecher — wird zwar einigen Nun habe ich als Mitglied der Koalitionsarbeits- Bedenken Rechnung getragen; es ist ein Schritt in die gruppe Deregulierung immer dafür gekämpft und bin richtige Richtung, das möchte ich nicht verkennen, 20298 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Ernst Hinsken aber insgesamt sehe ich hierin keinen für mich zustim- Vizepräsidentin Renate Schmidt: Es liegen noch mungsfähigen Kompromiß. weitere Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 unserer Geschäftsordnung vor, die zu Protokoll gege- Zunächst einmal vermag ich nicht einzusehen, ben werden sollen, und zwar von den Kollegen Jürgen worin die Deregulierung zu sehen ist, wenn zwar im Augustinowitz, Klaus Bühler, A rno Schmidt, Alois ersten Schritt das Rabattgesetz aufgehoben wird, um Graf von Waldburg-Zeil, Wolfg ang Zöller und Otto sogleich im nächsten Schritt Rabattstrategien in Form Hauser. Weitere Wortmeldungen liegen mir darüber von Gesamtumsatz und Jahresrabatten auf Waren zu hinaus nicht vor. Ich schließe damit die Aussprache. verbieten. Ich frage mich, warum nur bei Waren und nicht auch auf Dienstleistungen, denn auch im Dienst- Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar leistungsbereich wirken sich diese Gesamtumsatz- zuerst zum Tagesordnungspunkt 8 a. Dabei handelt es strategien großer Dienstleistungsunternehmen zum sich um die Abstimmung über den Entwurf eines Nachteil kleiner und mittelständischer Betriebe aus. Gesetzes zur Deregulierung des Rabattgesetzes auf den Drucksachen 12/6722, 12/7271 und 12/7715. Ich Individualrabatte, d. h. Rabattgewährungen bei bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus- einzelnen Verkaufsvorgängen, sollen hingegen künf- schußfassung zustimmen wollen, um das Handzei- tig zulässig sein. Da frage ich mich wieder: Wie sollen chen. — Gegenstimmen! — Stimmenthaltungen? — eigentlich Versandhandel oder große Handelsunter- Nachdem wir noch eine namentliche Abstimmung nehmen mit dieser Regelung leben können? Hier haben, sage ich jetzt, daß dieser Gesetzentwurf in besteht überhaupt kein Spielraum des Verkaufsperso- zweiter Beratung angenommen ist. Es ist für mich nals für Rabattgewährungen. Gerade diese Handels- etwas unübersichtlich, die Abstimmungssituation formen wären wiederum auf Gesamtumsatz-Rabatt- jetzt zu erkennen. strategien angewiesen, die aber gerade verboten sein Wir kommen nun zur sollen. dritten Beratung Demgegenüber soll das Verbot von Jahresrabatten und Schlußabstimmung. Die Fraktion der SPD ver- dann nicht gelten, wenn die Käufer die Waren beruf- langt namentliche Abstimmung. Ich eröffne die lich oder gewerblich verwerten. Das ist — das möchte Abstimmung. ich klar und deutlich sagen — für mich eine reine Lex Metro, und schon deshalb bin ich dagegen. (Vorsitz: Vizepräsident Helmuth Becker) (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und Meine Damen und Herren, bereits diese hier nur Herren, darf ich fragen, ob ein Mitglied des Hauses kurz skizzierten Beispiele belegen schlaglichtartig die anwesend ist, das die Stimme noch nicht abgegeben Unausgegorenheit des vorliegenden Kompromisses. hat? — Bitte, Herr Kollege. Ich könnte hier noch speziell auf den Art. 3 eingehen, Ich möchte die Abstimmung schließen. Ich höre und weil ich ihn als „weiße Salbe" bezeichne; wir haben sehe keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so. Ich das schon längst. schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer Ich möchte nur noch abschließend bemerken, daß mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der gerade in diesem Zusammenhang für mich genauso Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben. schwerwiegend ist, daß wir aus rein kosmetischen Wir haben jetzt noch eine Reihe von Abstimmun- Gründen eine Vorschrift ins UWG aufnehmen wollen, gen, und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie Platz die eine Abkehr von der bisherigen Gesetzessystema- nehmen würden. tik darstellt. Ich meine, wir sollten mit einer ebenso Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 8 c, Abstim- wichtigen wie komplexen Gesetzesmaterie so nicht mung über den vom Bundesrat eingebrachten Gesetz- verfahren. entwurf zur Änderung der Zugabeverordnung. Das Abschließend möchte ich feststellen: Ich bin nicht so sind die Drucksachen 12/3164 und 12/7911, Buch- weltfremd zu glauben, daß wir alles beim alten stabe a. belassen können. Ich sehe ein, daß Novellierungsbe- Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der darf besteht. Aber ich verstehe nicht, Herr Wirtschafts- Ausschußfassung zustimmen wollen, um das H and- minister, warum hier solche Eile an den Tag gelegt zeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — wird. Sie machen doch sonst gute Politik. Warum Dieser Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit machen Sie es auf diesem Gebiet nicht? großer Mehrheit angenommen. (Lachen und Widerspruch bei der SPD) Wir kommen zur dritten Beratung Wegen der engen Verzahnung mit dem Wettbe- werbsrecht sollte diese Novellierung deshalb im Rah- und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem men einer auf gründlichen Analysen basierenden Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. — Reform des gesamten Wettbewerbsrechts in der näch- Wer stimmt dagegen? — Stimmenthaltungen? — Der sten Legislaturperiode in Angriff genommen werden. Gesetzentwurf ist bei Gegenstimmen aus der Gruppe PDS/Linke Liste angenommen. Wir vergeben uns nichts, wenn wir es verschieben. Deshalb kann und werde ich dieser Gesetzesvorlage Wir kommen zum Gesetzentwurf der Fraktionen der nicht zustimmen. Ich bitte um Verständnis. CDU/CSU und F.D.P. zur Aufhebung der Zugabever- ordnung auf Drucksache 12/6723. Es ist beantragt (Beifall bei der SPD) worden, den Gesetzentwurf an die Ausschüsse Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20299

Vizepräsident Helmuth Becker zurückzuverweisen. Sind Sie damit einverstanden? — Hiebing, Maria Anna Michalk, Maria Hinsken, Ernst Michels, Meinolf Das ist offenbar der Fall. Dann ist auch dies so Hintze, Peter Dr. Mildner, Klaus beschlossen. Hörsken, Heinz-Adolf Dr. Möller, Franz Hörster, Joachim Molnar, Thomas Meine sehr verehrten Damen und Herren, bevor wir Dr. Hoffacker, Paul Müller (Kirchheim), Elmar zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, möchte Hollerith, Josef Müller (Wadern), ich Ihnen noch das von den Schriftführern und Schrift- Dr. Hornhues, Karl-Heinz Hans-Werner Hornung, Siegfried Müller (Wesseling), Alfons führerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Hüppe, Hubert Nelle, Engelbert Abstimmung über den von der Bundesregierung ein- Jäger, Claus Dr. Neuling, Christian gebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Überein- Jaffke, Susanne Neumann (Bremen), Bernd kommen Erhebung von Gebühren für die Benutzung Dr. Jahn (Münster), Niedenthal, Erhard Friedrich-Adolf Nitsch, Johannes bestimmter Straßen mit schweren Nutzfahrzeugen Janovsky, Georg Nolte, Claudia bekanntgeben. Abgegebene Stimmen: 600. Mit Ja Jeltsch, Karin Dr. Olderog, Rolf haben gestimmt: 579, mit Nein haben gestimmt: 10, Dr. Jobst, Dionys Ost, Friedhelm Enthaltungen: 11. Der Gesetzentwurf ist also mit Dr.-Ing. Jork, Rainer Oswald, Eduard Dr. Jüttner, Egon Otto (Erfurt), Norbert absoluter Mehrheit angenommen, denn nach Art. 87 Jung (Limburg), Michael Dr. Päselt, Gerhard Abs. 3 des Grundgesetzes war für die Annahme die Junghanns, Ulrich Dr. Paziorek, Peter absolute Mehrheit der Mitglieder des Bundestages Dr. Kahl, Harald Pesch, Hans-Wilhelm — das sind 332 abgegebene Stimmen — erforder- Kalb, Bartholomäus Petzold, Ulrich Kampeter, Steffen Pfeifer, Anton lich. Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Pfeiffer, Angelika Karwatzki, Irmgard Dr. Pfennig, Gero Kauder, Volker Dr. Pflüger, Friedbert Endgültiges Ergebnis Diemers, Renate Keller, Peter Dr. Pinger, Winfried Dörflinger, Werner Kiechle, Ignaz Pofalla, Ronald Abgegebene Stimmen: 599; Doss, Hansjörgen Kittelmann, Peter Dr. Pohler, Hermann davon: Dr. Dregger, Alfred Klein (Bremen), Günter Priebus, Rosemarie Echternach, Jürgen Klein (München), Hans Dr. Probst, Albert ja: 579 Ehlers, Wolfgang Klinkert, Ulrich Dr. Protzner, Bernd nein: 10 Ehrbar, Udo Köhler (Hainspitz), Pützhofen, Dieter Eichhorn, Maria Hans-Ulrich Raidel, Hans enthalten: 10 Engelmann, Wolfgang Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Ramsauer, Peter Eppelmann, Rainer Volkmar Rau, Rolf Erler (Waldbrunn), Wolfgang Kolbe, Manfred Rauen, Peter Harald Eylmann, Horst Kors, Eva-Maria Rawe, Wilhelm Ja Eymer, Anke Koschyk, Hartmut Reddemann, Gerhard Dr. Faltlhauser, Kurt Kossendey, Thomas Regenspurger, Otto CDU/CSU Feilcke, Jochen Kraus, Rudolf Dr. Reinartz, Bertold Dr. Fell, Karl H. Krause (Dessau), Wolfgang Reinhardt, Erika Dr. Ackermann, Else Fischer (Hamburg), Dirk Krey, Franz Heinrich Repnik, Hans-Peter Adam, Ulrich Francke (Hamburg), Klaus Kriedner, Arnulf Dr. Rieder, Norbert Dr. Altherr, Walter Franz Frankenhauser, Herbert Kronberg, Heinz-Jürgen Dr. Riedl (München), Erich Augustin, Anneliese Dr. Friedrich, Gerhard Krziskewitz, Reiner Riegert, Klaus Augustinowitz, Jürgen Fritz, Erich G. Lamers, Karl Dr. Riesenhuber, Heinz Austermann, Dietrich Fuchtel, Hans-Joachim Dr. Lammert, Norbert Ringkamp, Werner Bargfrede, Heinz-Günter Ganz (St. Wendel), Johannes Lattmann, Herbert Rode (Wietzen), Helmut Dr. Bauer, Wolf Dr. Geiger (Darmstadt), Sissy Dr. Laufs, Paul Rönsch (Wiesbaden), Baumeister, Brigitte Geis, Norbert Laumann, Karl-Josef Hannelore Belle, Meinrad Dr. Geißler, Heiner Lehne, Klaus-Heiner Romer, Franz Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Dr. von Geldern, Wolfgang Dr. Lehr, Ursula Dr. Rose, Klaus Bierling, Hans-Dirk Gerster (Mainz), Johannes Lenzer, Christian Rossmanith, Kurt J. Dr. Blank, Joseph-Theodor Gibtner, Horst Dr. Lieberoth, Immo Roth (Gießen), Adolf Blank, Renate Glos, Michael Limbach, Editha Rother, Heinz Dr. Blens, Heribert Dr. Göhner, Reinhard Link (Diepholz), Walter Dr. Ruck, Christian Bleser, Peter Götz, Peter Lintner, Eduard Rühe, Volker Dr. Blüm, Norbe rt Dr. Götzer, Wolfgang Dr. Lippold (Offenbach), Dr. Rüttgers, Jürgen Böhm (Melsungen), Wilfried Gres, Joachim Klaus W. Sauer (Salzgitter), Helmut Dr. Böhmer, Maria Grochtmann, Elisabeth Dr. Lischewski, Manfred Sauer (Stuttgart), Roland Börnsen (Bönstrup), Wolfgang Gröbl, Wolfgang Löwisch, Sigrun Schätzle, Ortrun Dr. Bötsch, Wolfgang Grotz, Claus-Peter Lohmann (Lüdenscheid), Dr. Schäuble, Wolfgang Bohl, Friedrich Dr. Grünewald, Joachim Wolfgang Scheu, Gerhard Bohlsen, Wilfried Günther (Duisburg), Horst Louven, Julius Schmalz, Ulrich Borchert, Jochen Frhr. von Hammerstein, Lummer, Heinrich Schmidbauer, Bernd Breuer, Paul Carl-Detlev Dr. Luther, Michael Dr. Schmidt, Christa Brudlewsky, Monika Harries, Klaus Maaß (Wilhelmshaven), Erich Schmidt (Fürth), Christian Brunnhuber, Georg Haschke (Großhennersdorf), Männle, Ursula Dr.-Ing. Schmidt (Halsbrücke), Bühler (Bruchsal), Klaus Gottfried Magin, Theo Joachim Büttner (Schönebeck), Haschke (Jena), Udo Dr. Mahlo, Dietrich Schmidt (Mülheim), Andreas Hartmut Hasselfeldt, Gerda Marienfeld, Claire Schmidt (Spiesen), Trudi Buwitt, Dankward Haungs, Rainer Marschewski, Erwin Schmitz (Baesweiler), Carstens (Emstek), Manfred Hauser (Esslingen), Otto Marten, Günter Hans Peter Carstensen (Nordstrand), Hauser (Rednitzhembach), Dr. Mayer (Siegertsbrunn), von Schmude, Michael Peter Harry Hansgeorg Martin Dr. Schneider (Nürnberg), Clemens, Joachim Hedrich, Klaus-Jürgen Meckelburg, Wolfgang Oscar Dehnel, Wolfgang Heise, Manfred Meinl, Rudolf Dr. Schockenhoff, Andreas Dempwolf, Gertrud Dr. Hellwig, Renate Dr. Merkel, Angela Graf von Schönburg - Deres, Karl Dr. h. c. Herkenrath, Adolf Dr. Meyer zu Bentrup, Glauchau, Joachim Deß, Albert Dr. Herr, Norbert Reinhard Dr. Scholz, Rupert 20300 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Vizepräsident Helmuth Becket Frhr. von Schorlemer, Burchardt, Ursula Marx, Done Vergin, Siegfried Reinhard Bury, Hans Martin Mascher, Ulrike Verheugen, Günter Schulhoff, Wolfgang Caspers-Merk, Marion Matschie, Christoph Dr. Vogel, Hans-Jochen Dr. Schulte (Schwäbisch Catenhusen, Wolf-Michael Matthäus-Maier, Ingrid Voigt (Frankfurt), Karsten D. Gmünd), Dieter Conradi, Peter Mattischeck, Heide Wagner, Hans Georg Schulz (Leipzig), Gerhard Dr. Däubler-Gmelin, Herta Mehl, Ulrike Wallow, Hans Schwalbe, Clemens Daubertshäuser, Klaus Meißner, Herbert Waltemathe, Ernst Schwarz, Stefan Dr. Diederich (Berlin), Nils Dr. Mertens (Bottrop), Walter (Cochem), Ralf Dr. Schwarz-Schilling, Diller, Karl Franz-Josef Wartenberg (Berlin), Gerd Christian Dreßler, Rudolf Dr. Meyer (Ulm), Jürgen Dr. Wegner, Konstanze Dr. Schwörer, Hermann Duve, Freimut Mosdorf, Siegmar Weiermann, Wolfgang Seehofer, Horst Ebert , Eike Müller (Düsseldorf), Michael Weiler, Barbara Seesing, Heinrich Dr. Eckardt, Peter Müller (Schweinfurt), Rudolf Weis (Stendal), Reinhard Seibel, Wilfried Dr. Ehmke (Bonn), Horst Müller (Völklingen), Jutta Weisheit, Matthias Seiters, Rudolf Eich, Ludwig Müller (Zittau), Christian Weißgerber, Gunter Sikora, Jürgen Dr. Elmer, Konrad Neumann (Bramsche), Volker Weisskirchen (Wiesloch), Gert Skowron, Werner H. Esters, Helmut Neumann (Gotha), Gerhard Dr. Wernitz, Axel Sothmann, Bärbel Ewen, Carl Dr. Niehuis, Edith Wester, Hildegard Spilker, Karl-Heinz Ferner, Elke Dr. Niese, Rolf Westrich, Lydia Dr. Sprung, Rudolf Fischer (Gräfenhainichen), Niggemeier, Horst Wettig-Danielmeier, Inge Steinbach-Hermann, Erika Evelin Odendahl, Doris Dr. Wetzel, Margrit Dr. Stercken, Hans Formanski, Norbert Oesinghaus, Günter Weyel, Gudrun Dr. Frhr. von Stetten, Fuchs (Köln), Anke Oostergetelo, Jan Wieczorek-Zeul, Heidemarie Wolfgang Fuhrmann, Arne Opel, Manfred Wiefelspütz, Dieter Stockhausen, Karl Gansel, Norbert Ostertag, Adolf Dr. de With, Hans Dr. Stoltenberg, Gerhard Dr. Gautier, Fritz Dr. Otto, Helga Wittich, Berthold Strube, Hans-Gerd Gilges, Konrad Palis, Kurt Wohlleben, Verena Stübgen, Michael Gleicke, Iris Paterna, Peter Wolf, Hanna Dr. Süssmuth, Rita Dr. Glotz, Peter Dr. Penner, Willfried Zapf, Uta Tillmann, Ferdi Graf, Günter Dr. Pfaff, Martin Dr. Zöpel, Christoph Dr. Töpfer, Klaus Großmann, Achim Pfuhl, Albert Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Haack (Extertal), Dr. Pick, Eckhart Uldall, Gunnar Karl Hermann Poß, Joachim F.D.P. Verhülsdonk, Roswitha Habermann, Michael von Renesse, Margot Vogt (Duren), Wolfgang Hacker, Hans-Joachim Rennebach, Renate Albowitz, Ina Dr. Voigt (Northeim), Hämmerle, Gerlinde Reschke, Otto Dr. Babel, Gisela Hans-Peter Hampel, Manfred Reuschenbach, Peter W. Baum, Gerhart Rudolf Dr. Waffenschmidt, Horst Hanewinckel, Christel Reuter, Bernd Dr. Blunk (Lübeck), Michaela Graf von Waldburg-Zeil, Alois Hasenfratz, Klaus Rixe, Günter Bredehorn, Günther Dr. Warnke, Jürgen Dr. Hauchler, Ingomar Schaich-Walch, Gudrun Cronenberg (Arnsberg), Dr. Warrikoff, Alexander Heistermann, Dieter Schanz, Dieter Dieter-Julius Werner (Ulm), Herbert Heyenn, Günther Dr. Scheer, Hermann Eimer (Fürth), Norbert Wetzel, Kersten Hiller (Lübeck), Reinhold Scheffler, Siegfried Engelhard, Hans A. Wiechatzek, Gabriele Hilsberg, Stephan Schily, Otto van Essen, Jörg Dr. Wilms, Dorothee Horn, Erwin Schloten, Dieter Friedhoff, Paul K. Wilz, Bernd Huonker, Gunter Schluckebier, Günter Friedrich, Horst Dr. Wisniewski, Roswitha Ibrügger, Lothar Schmidbauer (Nürnberg), Funke, Rainer Wissmann, Matthias Iwersen, Gabriele Horst Dr. Funke-Schmitt-Rink, Dr. Wittmann, Fritz Jäger, Renate Schmidt (Aachen), Ursula Margret Wittmann (Tännesberg), Janz, Ilse Schmidt (Nürnberg), Renate Genscher, Hans-Diet rich Simon Dr. Janzen, Ulrich Schmidt (Salzgitter), Wilhelm Gries, Ekkehard Wonneberger, Michael Jaunich, Horst Schmidt-Zadel, Regina Grünbeck, Josef Wülfing, Elke Dr. Jens, Uwe Dr. Schmude, Jürgen Grüner, Martin Würzbach, Peter Kurt Jung (Düsseldorf), Volker Dr. Schnell, Emil Günther (Plauen), Joachim Yzer, Cornelia Jungmann (Wittmoldt), Horst Dr. Schöfberger, Rudolf Dr. Guttmacher, Karlheinz Zeitlmann, Wolfgang Kastner, Susanne Schöler, Walter Hansen, Dirk Zierer, Benno Kastning, Ernst Schreiner, Ottmar Dr. Haussmann, Helmut Zöller, Wolfgang Kemper, Hans-Peter Schröter, Gisela Heinrich, Ulrich Kirschner, Klaus Schröter, Karl-Heinz Dr. Hirsch, Burkhard Klappert, Marianne Schutz, Dietmar Dr. Hitschler, Walter Klose, Hans-Ulrich Schulte (Hameln), Brigitte Homburger, Birgit SPD Dr. Knaape, Hans-Hinrich Dr. Schuster, R. Werner Dr. Hoth, Sigrid Körper, Fritz Rudolf Schwanhold, Ernst Dr. Hoyer, Werner Adler, Brigitte Kolbe, Regina Schwanitz, Rolf Irmer, Ulrich Andres, Gerd Kolbow, Walter Seidenthal, Bodo Dr. Jordan, Jens Bachmaier, Hermann Koltzsch, Rolf Seuster, Lisa Kleinert (Hannover), Detlef Barbe, Angelika Kretkowski, Volkmar Sielaff, Horst Kohn, (Nienberge), Helmuth Kubatschka, Horst Singer, Johannes Dr. Kolb, Heinrich L. Becker-Inglau, Ingrid Dr. Kübler, Klaus Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid Koppelin, Jürgen Bernrath, Hans Gottfried Kuessner, Hinrich Dr. Soell, Hartmut Dr.-Ing. Laermann, Karl-Hans Beucher, Friedhelm Julius Dr. Küster, Uwe Dr. Sonntag-Wolgast, Cornelie Dr. Graf Lambsdorff, Otto Bindig, Rudolf Kuhlwein, Eckart Sorge, Wieland Leutheusser-Schnarrenberger, Blunck (Uetersen), Lieselott Lambinus, Uwe Steen, Antje-Marie Sabine Bock, Thea Lange, Brigitte Stiegler, Ludwig Lüder, Wolfgang Dr. Böhme (Unna), Ulrich von Larcher, Detlev Dr. Struck, Peter Lühr, Uwe Börnsen (Ritterhude), Arne Leidinger, Robert Tappe, Joachim Dr. Menzel, Bruno Brandt-Elsweier, Anni Lennartz, Klaus Terborg, Margitta Mischnick, Wolfgang Dr. Brecht, Eberhard Dr. Leonhard-Schmid, Elke Dr. Thalheim, Gerald Nolting, Günther Friedrich Büchler (Hof), Hans Lörcher, Christa Thierse, Wolfgang Dr. Ortleb, Rainer Büchner (Speyer), Peter Lohmann (Witten), Klaus Titze-Stecher, Uta Otto (Frankfurt), Dr. von Bülow, Andreas Dr. Lucyga, Christine Toetemeyer, Hans-Günther Hans-Joachim Büttner (Ingolstadt), Hans Maaß (Herne), Dieter Urbaniak, Hans-Eberhard Paintner, Johann Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20301

Vizepräsident Helmuth Becker Parr, Detlef Nein bb) Bericht des Haushaltsausschusses Peters, Lisa (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäfts- Dr. Pohl, Eva PDS/Linke Liste Richter (Bremerhaven), ordnung Manfred Dr. Enkelmann, Dagmar — Drucksache 12/7926 — Rind, Hermann Dr. Fischer, Ursula Dr. Röhl, Klaus Dr. Fuchs, Ruth Berichterstattung: Schäfer (Mainz), Helmut Dr. Höll, Barbara Abgeordnete Ernst Waltemathe Schmalz-Jacobsen, Cornelia Dr. Keller, Dietmar Wilfried Bohlsen Dr. Schmieder, Jürgen Lederer, Andrea Werner Zywietz Dr. Schnittler, Christoph Dr. Modrow, Hans Schüßler, Gerhard Philipp, Ingeborg b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Schuster, Hans Dr. Seifert , Ilja Berichts des Ausschusses für Verkehr Dr. Schwaetzer, Irmgard (16. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch Sehn, Marita BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Seiler-Albring, Ursula Weiß (Berlin), Konrad die Bundesregierung Dr. Semper, Sigrid Bericht über das Finanzierungskonzept der Dr. Solms, Hermann Otto Magnetschwebebahnverbindung Berlin Dr. Starnick, Jürgen Enthalten Dr. von Teichman, Cornelia Hamburg (TRANSRAPID) Thiele, Carl-Ludwig SPD — Drucksachen 12/6964, 12/7925 — Dr. Thomae, Dieter Timm, Jürgen Dr. Dobberthien, Marliese Berichterstattung: Türk, Jürgen Klemmer, Siegrun Abgeordnete Horst Gibtner Walz, Ingrid Klaus Daubertshäuser Dr. Weng (Gerlingen), PDS/Linke Liste Horst Friedrich Wolfgang Dr. Dagmar Enkelmann Wolfgramm (Göttingen), Dr. Heuer, Uwe-Jens Torsten Dr. Schumann (Kroppenstedt), Dr. Klaus-Dieter Feige Würfel, Uta Fritz ZP5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Zurheide, Burkhard Dr. Dagmar Enkelmann und der Gruppe der Zywietz, Werner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN PDS/Linke Liste Dr. Feige, Klaus-Dieter Ausbau der Bahnverbindungen Hamburg-Ber- Köppe, Ingrid Fraktionslos lin Poppe, Gerd — Drucksache 12/7732 — Dr. Briefs, Ulrich Schulz (Berlin), Werner Wollenberger, Vera Hackel, Heinz-Dieter ZP9 Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Dr. Krause (Bonese), Rudolf Karl Kreuzungen mit anderen Eisenbahnen und mit Fraktionslos Lowack, Ortwin Straßen Stachowa, Angela Schenk, Christina — Drucksache 12/7906 — Zum Magnetschwebebahnplanungsgesetz liegen Meine Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungs- sechs Änderungsanträge und ein Entschließungsantrag punkt 9 a und b, Zusatzpunkt 5 und den zu Beginn der der Fraktion der SPD vor. Sitzung aufgesetzten Zusatzpunkt 9 auf: Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die gemeinsame Aussprache eine Stunde vorgesehen. — 9. a) Zweite und dritte Beratung des von den Ich höre und sehe keinen Widerspruch. Dann ist auch Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg), das so beschlossen. Horst Gibtner, Wolfgang Erler (Waldbrunn), Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst weiteren Abgeordneten und der Fraktion unserem Kollegen Horst Gibtner das Wort. der CDU/CSU sowie den Abgeordneten Ekkehard Gries, Horst Friedrich, Manfred Richter (Bremerhaven), weiteren Abgeordne- Horst Gibtner (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine ten und der Fraktion der F.D.P. eingebrach- Damen und Herren! In der heutigen Debatte geht es ten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung nicht schlechthin nur um den Text eines Gesetzes oder des Planungsverfahrens für Magnetschwebe- um Kenntnisnahme von einem Bericht, den die Bundes- bahnen regierung für die Finanzierung eines bestimmten Pro- (Magnetschwebebahnplanungsgesetz — jekts gegeben hat, sondern es geht schlicht und einfach MBP1G) um die Zukunft des Transrapid. Ich sage Ihnen, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will den Transrapid, — Drucksache 12/7006 — und ich persönlich, der Eisenbahningenieur Gibtner, (Erste Beratung 216. Sitzung) will den Transrapid. aa) Beschlußempfehlung und Bericht des (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ausschusses für Verkehr (16. Aus- Der von uns eingebrachte Gesetzentwurf entspricht schuß) haargenau dem allgemeinen Planungsrecht für Ver- — Drucksache 12/7925 — kehrswege, das in Deutschland gilt, welches mit dem Berichterstattung: Planungsvereinfachungsgesetz auf einen vernünftigen Abgeordnete Horst Gibtner - Rahmen gebracht worden ist. Dieser Rahmen ist genau Klaus Daubertshäuser 1 : 1 in das Allgemeine Eisenbahngesetz übernommen Horst Friedrich worden. Wir schlagen vor, daß dieser Rahmen auch für Dr. Dagmar Enkelmann die Transrapid-Planung irgendwo in Deutschland gel- Dr. Klaus-Dieter Feige ten soll. 20302 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Horst Gibtner Es gibt nach unserer Ansicht keinerlei Begründung, Deutschland seine Bewährungsprobe bestehen. Es von diesem Rahmen beim Transrapid abzuweichen, gibt keinen Bahntechnikexport ohne heimische Refe- etwa wegen des anderen Antriebssystems dieses renzen. Gegenteiliges können nur Leute behaupten, Verkehrsträgers, welches aber längst erprobt worden die solche Geschäfte niemals angebahnt und durch- ist. Darin bestärkt uns auch die Aussage der Sachver- geführt haben. ständigen in der Anhörung vom 18. Mai. (Zurufe von der SPD) (Dr. Dagmar Enkelmann [PDS/Linke Liste]: Meine Damen und Herren, es ist ein fauler T rick der Das war aber dann eine andere Anhörung!) Opposition, wenn Sie sagen, man könne den ersten — Natürlich. — Mir ist klar, die Opposition versucht, Einsatz möglicherweise im Ausland durchführen. Dies unter dem Vorwand, Transrapid sei etwas ganz wird nicht gehen. Es ist auch ein fauler T rick, wenn Sie Besonderes, etwas Mysteriöses und Dunkles, sagen, wir testen ihn nicht auf der Strecke Hamburg- Berlin, sondern auf der Nahverkehrsstrecke Berlin- (Albrecht Müller [Pleisweiler] [SPD]: So ein City zu einem Großflughafen Berlin/Brandenburg. Stuß! Absoluter Stuß, was Sie erzählen!) Kein Mensch weiß, wo ein solcher Großflughafen mögliche Erfolge bei der Planungsvereinfachung und einmal liegen wird und wann er realisiert werden bei der Planungsbeschleunigung nun wieder rück- wird. Dieser faule Trick bedeutet nichts anderes, als gängig zu machen, auf dem Umweg über den Trans- daß der Transrapid nie kommen darf. Wenn der rapid den Fuß wieder in die Tür hineinzubekommen, Transrapid jetzt nicht kommt, hat er international um Planungen in Deutschland wieder zu verkompli- keine Chance. zieren. Da machen wir nicht mit. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aber es ist natürlich genauso dilettantisch, wenn Meine Damen und Herren, das öffentliche Interesse man behauptet, er habe inte rnational überhaupt keine für das Transrapid-Projekt Berlin-Hamburg ist bereits Absatzchance. Warum sind uns eigentlich die Japaner mit der Verabschiedung des Bundesverkehrswege- mit der Entwicklung eines Magnetbahnsystems mit plans 1992 im Plenum des Bundestages festgestellt einem Abstand von fünf Jahren auf den Fersen? worden. Nun versuchen natürlich die parlamentari- Warum erprobt Korea eine Transrapid-Versuchs- sche Opposition und auch manche politische Strö- strecke? Warum planen die USA Schwebebahnstrek- mung in der Bevölkerung jede Gelegenheit zu nutzen, ken und hatten sie sogar vor, ein eigenes System zu demokratische Mehrheitsentscheidungen immer wie- entwickeln? der anzuzweifeln und möglicherweise rückgängig zu Ich muß Ihnen auch sagen, meine Damen und machen. Aber hier gibt es kein Nachgeben. Wenn Herren, daß die Behauptung, daß das europäische und Mehrheiten etwas beschlossen haben, bleibt es dabei. das transeuropäische Hochgeschwindigkeitsnetz auf Davon lebt die Demokratie. Rad-Schiene-Technik festgelegt sei, schlicht und ein- fach erlogen ist. Es gibt bislang keinerlei Vereinba- Vizepräsident Helmuth Becker: Herr Kollege Gibt- rungen über den Realisierungszeitraum und die ner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Finanzierung eines solchen Netzes. Eckart Kuhlwein? — Bitte, Herr Kollege Kuhlwein. (Zurufe von der SPD) Es gibt eine von der EU eingesetzte Gruppe, die Eckart Kuhlwein (SPD): Herr Kollege Gibtner, trifft Christophersen-Gruppe, die unter anderem prüfen es zu, daß Sie in der vergangenen Woche auf einer wird — das steht in ihren Papieren —, ob der Trans- Podiumsdiskussion in Reinbeck, d. h. in der Region, rapid in ein solches europäisches und transeuropäi- die von der Trasse betroffen sein wird, zugegeben und sches Hochgeschwindigkeitsnetz integriert werden selbst erklärt haben, daß es für diese Strecke Ham- kann. burg-Berlin mit dem Transrapid verkehrspolitisch keinen Bedarf gebe? Meine Damen und Herren, wie könnte es anders sein? Sie können doch nicht meinen, daß Fachleute am Ausgang des 20. Jahrhunderts für Bauprojekte des Horst Gibtner (CDU/CSU): Das trifft nicht zu. 21. Jahrhunderts die Technik des 19. Jahrhunderts (Dr. Dagmar Enkelmann [PDS/Linke Liste]: festschreiben werden. Doch, da war ich dabei! Ich kann das bestä- tigen!) Vizepräsident Helmuth Becker: Herr Kollege Gibt- Ich habe gesagt — dazu komme ich noch —, daß die ner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Priorität für dieses Projekt nicht verkehrspolitisch, Catenhusen? — Bitte, Herr Kollege. sondern wirtschaftspolitisch begründet ist. Der Trans- (SPD): Herr Kollege rapid Berlin-Hamburg ist in erster Linie — dies habe Wolf-Michael Catenhusen Gibtner, ist Ihnen bekannt, daß sich die Regierung ich gesagt — durch eine wirtschaftspolitische Notwen- Clinton gerade Ende letzten Jahres oder Anfang digkeit begründet. dieses Jahres eindeutig darauf festgelegt hat, die (Widerspruch und Zurufe von der SPD) Entwicklung von Hochgeschwindigkeitszügen in den Meine Damen und Herren, nun möchte ich Ihnen Vereinigten Staaten industriepolitisch voranzutrei- auch noch begründen — ich war gerade bei diesem ben? Ist Ihnen auch bekannt, daß alle in Amerika zur Thema —, warum eine wirtschaftspolitische Notwen- Zeit in konkreten Entscheidungsprozessen befindli- digkeit besteht, damit der Kollege Kuhlwein nicht so chen Strecken für Züge vorgesehen sind und daß alle lange stehen muß. Transrapid ist deutsche Hochtech- früheren Pläne, Magnetbahnsysteme in den USA, vor nologie in der Verkehrstechnik. Transrapid ist Bahn- allen Dingen in Los Angeles und San Francisco, zu technik der Zukunft, und der Transrapid muß in etablieren, aufgegeben worden sind? Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20303

Horst Gibtner (CDU/CSU): Ja, Herr Kollege, das ist Vizepräsident Helmuth Becker: Gestatten Sie noch mir bekannt. Das hat zwei Ursachen. eine Zwischenfrage, Herr Kollege Gibtner? Sie haben Selbstverständlich kann man zum gegenwärtigen ja nicht mehr viel Redezeit. Zeitpunkt, da der Transrapid seine Bewährungsprobe Bitte. im praktischen Betriebseinsatz noch nicht bestanden hat, sich auch nicht auf den Bau von Magnetschwe- Siegfried Scheffler (SPD): Kollege Gibtner, wir bebahrmetzen festlegen. Dies ist richtig. haben ja beide des öfteren Kontakt mit dem Verkehrs- Ich als Eisenbahningenieur behaupte natürlich senator. Bestätigen Sie aus Berliner Sicht, daß sich der auch nicht, daß die Zukunft des Rad-Schiene-Systems Berliner Senat ausdrücklich dafür ausgesprochen hat, bereits besiegelt sei. Wir werden selbstverständlich daß dem nur zugestimmt wird, wenn die technische dort, wo es angezeigt ist, auch in Rad-Schiene- Lösung und die finanziellen Probleme vom Bund Technik weiterbauen, und wir werden auch diese übernommen werden? Technik, soweit sie noch Entwicklungspotential bein- haltet, weiterentwickeln. Horst Gibtner (CDU/CSU): Das ist richtig, das würde Meine Damen und Herren, es gab bei der Verab- ich auch so fordern, und so wird es auch kommen. schiedung des Bundesverkehrswegeplanes 1992 ei- (Eckart Kuhlwein [SPD]: Was kostet das?) nen parlamentarischen Vorbehalt, das war die Forde- Meine Damen und Herren, verkehrspolitisch — ich rung nach einem tragfähigen Finanzierungskonzept sage das jetzt noch einmal klipp und klar — ist der Bau mit überwiegend privatwirtschaftlichem Engage- einer Transrapidverbindung zwischen Hamburg und ment. Ein solches Finanzierungskonzept liegt vor; die Berlin kein zwingendes Erfordernis, da man ein Bundesregierung unterrichtet darüber in der Druck- attraktives Angebot theoretisch auch in Rad-Schiene- sache 12/6964. Technik realisieren könnte. Aber dieses gleichwertige Die Fraktion der CDU/CSU teilt die Auffassung, daß Angebot ist von der Bahn AG nicht geplant, denn es dieses Konzept tragfähig ist; denn es beinhaltet das erfordert ebenfalls Milliardeninvestitionen. private Betreiberrisiko, es beinhaltet die privaten Der verkehrspolitische Nutzen des Transrapids Ber- Investitionen mit Ausnahme des Fahrweges, und es lin-Hamburg ergibt sich daraus, daß für den Hochge- beinhaltet die Verpflichtung zur Refinanzierung des schwindigkeitsverkehr zwei zusätzliche Spuren ge- öffentlich vorfinanzierten Fahrweges. Es beinhaltet schaffen werden, und diese machen Kapazität auf der weiter Steuereinnahmen schon während der Bau- und Schiene für den Regional- und für den Güterverkehr während der Betriebsphase. Wo, meine Damen und frei, und zwar nicht nur in den Nachtstunden, sondern Herren, gibt es ein derartiges Finanzierungskonzept rund um die Uhr. bei einer einzigen deutschen Eisenbahnstrecke oder Der umweltpolitische Vorteil des Transrapids einer Straße? besteht nicht in erster Linie darin, daß er bei einer (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und bestimmten Geschwindigkeit weniger Energie ver- der F.D.P.) braucht und weniger Schall emittiert als der ICE; denn Nun bezweifeln Projektgegner den Prognosewert bei ihrer jeweiligen Höchstgeschwindigkeit verbrau- von 14,5 Millionen Fahrgästen pro Jahr — in Ordnung. chen beide Verkehrsarten etwa die gleichen Ressour- Sachverständige, Intraplan und das Institut für Wirt- cen. Der Vorteil liegt in der höheren Geschwindigkeit. schaftspolitik und Wirtschaftsforschung halten — das Transrapid ist bei den gleichen Emissionen fast dop- haben sie auch in der öffentlichen Anhörung gesagt, pelt so schnell wie ein ICE, und das führt dazu — das und so steht es auch in der Unterrichtung durch die haben uns die Sachverständigen bestätigt —, daß der Bundesregierung — 11 Millionen Fahrgäste pro Jahr Transrapid zwischen Hamburg und Berlin in der Lage mit steigender Tendenz bzw. 12 Millionen Fahrgäste sein wird, ca. drei Millionen Fahrgäste pro Jahr mehr — darin unterscheiden sich die beiden -- im Jahr von der Straße auf die Spur zu holen, als ein ICE in der 2010 für realistisch, und das reicht für die jährliche Lage wäre. Abschreibungsrate und das erfolgsabhängige Nut- Wenn das kein Umwelt- und verkehrspolitischer zungsentgelt. Vorteil ist, meine Damen und Herren, dann verstehe (Albrecht Müller [Pleisweiler] [SPD]: Nennen ich Ihre Welt nicht mehr. Sie doch die Rahmenbedingungen!) (Zuruf von der F.D.P.: Deren Welt ist sowieso nicht zu verstehen!) Ein Mindestaufkommen von 9,7 Millionen Passagie- ren im Jahr ist von keinem seriösen Gutachter in Resümee: Eine Transrapidstrecke Berlin-Hamburg Zweifel gezogen worden. ist wirtschaftspolitisch unverzichtbar, umweltpolitisch vorteilhaft und verkehrspolitisch sinnvoll. Das Finan- Richtig ist, meine Damen und Herren, daß das zierungskonzept ist tragfähig und entlastet den öffent- Projekt und natürlich auch die Zahl der Passagiere nur lichen Haushalt wie bei keinem anderen Verkehrs- bei einer optimalen Verknüpfung mit dem Nah- und projekt zuvor. Das Magnetschwebebahnplanungsge- Fernverkehr und dem Individualverkehr überhaupt setz gewährleistet, daß die Strecke nach allen Regeln sinnvoll ist. Diese Verknüpfung ist aber eine lösbare der Kunst geplant wird, mit Bürgerbeteiligung, Aufgabe. Der Verkehrssenator von Berlin, wo man die Umweltverträglichkeitsprüfung und einem zügigen größten Schwierigkeiten vermutet, hat uns dies in der Planungsablauf. Sitzung des Verkehrsausschusses im Mai in Berlin gesagt. Es gibt dafür Möglichkeiten. Das ist eben eine Meine Damen und Herren, wir wollen den Transra- Planungsaufgabe, und zwar eine wichtige, und die pid — jetzt! wird gelöst werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) 20304 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Vizepräsident Helmuth Becker: Meine sehr verehr- Janovsky, Georg Raidel, Hans Jeltsch, Karin Rau, Rolf ten Damen und Herren, eine Mahnung an alle, die Dr. Jobst, Dionys Rauen, Peter Harald hier diskutieren: Unterstellen wir uns doch nicht Dr.-Ing. Jork, Rainer Rawe, Wilhelm gegenseitig, mit faulen Tricks und ähnlichem zu Jung (Limburg), Michael Regenspurger, Otto arbeiten! Wenn wir in der Sache abweichender Mei- Junghanns, Ulrich Dr. Reinartz, Bertold Dr. Kahl, Harald Repnik, Hans-Peter nung sind, geht es ja nun meist um Diskussionspro- Kalb, Bartholomäus Dr. Rieder, Norbert zesse über längere Zeit und die Suche nach dem Kampeter, Steffen Dr. Riedl (München), Erich besten Weg. Dr.-Ing. Kansy, Dietmar Riegert, Klaus Karwatzki, Irmgard Dr. Riesenhuber, Heinz Kauder, Volker Ringkamp, Werner (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Keller, Peter Rönsch (Wiesbaden), Abg. Dr. Rudolf Karl Krause [Bonese] [frak- Kiechle, Ignaz Hannelore tionslos]) Kittelmann, Peter Romer, Franz Klein (Bremen), Günter Dr. Rose, Klaus Klein (München), Hans Rossmanith, Kurt J. Nun, meine Damen und Herren, gebe ich das von Klinkert, Ulrich Roth (Gießen), Adolf den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Köhler (Hainspitz), Rother, Heinz Ergebnis der namentlichen Schlußabstimmung über Hans-Ulrich Dr. Ruck, Christian den Gesetzentwurf der Bundesregierung, der Fraktio- Dr. Köhler (Wolfsburg), Rühe, Volker Volkmar Dr. Rüttgers, Jürgen nen der CDU/CSU und F.D.P. zur Aufhebung des Kolbe, Manfred Sauer (Salzgitter), Helmut Rabattgesetzes und der Verordnung zur Durchfüh- Kors, Eva-Maria Sauer (Stuttgart), Roland rung des Rabattgesetzes auf Drucksache 12/7715 Koschyk, Ha rtmut Schätzle, Ortrun bekannt. Abgegebene Stimmen: 603. Mit Ja haben Kossendey, Thomas Dr. Schäuble, Wolfgang Kraus, Rudolf Scheu, Gerhard gestimmt: 314. Mit Nein haben gestimmt: 262. Enthal- Krause (Dessau), Wolfgang Schmalz, Ulrich tungen: 27. Der Gesetzentwurf ist angenommen. Krey, Franz Heinrich Schmidbauer, Bernd Kronberg, Heinz-Jürgen Dr. Schmidt, Christa Krziskewitz, Reiner Schmidt (Fürth), Christian Endgültiges Ergebnis Eichhorn, Maria Lamers, Karl Dr.-Ing. Schmidt (Halsbrücke), Engelmann, Wolfgang Dr. Lammert, Norbert Joachim Abgegebene Stimmen: 599; Eppelmann, Rainer Lattmann, Herbert Schmidt (Mülheim), Andreas davon: Erler (Waldbrunn), Wolfgang Dr. Laufs, Paul Schmidt (Spiesen), Trudi Eylmann, Horst Laumann, Karl-Josef Schmitz (Baesweiler), ja: 312 Eymer, Anke Lehne, Klaus-Heiner Hans Peter nein: 261 Falk, Ilse Dr. Lehr, Ursula von Schmude, Michael Dr. Faltlhauser, Kurt Lenzer, Christian Dr. Schockenhoff, Andreas enthalten: 26 Feilcke, Jochen Dr. Lieberoth, Immo Graf von Schönburg - Dr. Fell, Karl H. Limbach, Editha Glauchau, Joachim Fischer (Hamburg), Dirk Lintner, Eduard Dr. Scholz, Rupert Francke (Hamburg), Klaus Dr. Lippold (Offenbach), Frhr. von Schorlemer, Ja Frankenhauser, Herbert Klaus W. Reinhard Dr. Friedrich, Gerhard Louven, Julius Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU Fritz, Erich G. Lummer, Heinrich Dr. Schulte (Schwäbisch Ganz (St. Wendel), Johannes Dr. Luther, Michael Gmünd), Dieter Dr. Ackermann, Else Dr. Geiger (Darmstadt), Sissy Maaß (Wilhelmshaven), Erich Schulz (Leipzig), Gerhard Adam, Ulrich Geis, Norbert Männle, Ursula Schwalbe, Clemens Dr. Altherr, Walter Franz Dr. Geißler, Heiner Magin, Theo Dr. Schwörer, Hermann Augustin, Anneliese Dr. von Geldern, Wolfgang Dr. Mahlo, Dietrich Seehofer, Horst Bargfrede, Heinz-Günter Gerster (Mainz), Johannes Marienfeld, Claire Seesing, Heinrich Baumeister, Brigitte Gibtner, Horst Marschewski, Erwin Seibel, Wilfried Belle, Meinrad Glos, Michael Dr. Mayer (Siegertsbrunn), Seiters, Rudolf Dr. Bergmann-Pohl, Sabine Dr. Göhner, Reinhard Martin Sikora, Jürgen Bierling, Hans-Dirk Götz, Peter Meckelburg, Wolfgang Skowron, Werner H. Dr. Blank, Joseph-Theodor Dr. Götzer, Wolfgang Meinl, Rudolf Sothmann, Bärbel Dr. Blens, Heribert Gres, Joachim Dr. Merkel, Angela Spilker, Karl-Heinz Bleser, Peter Gröbl, Wolfgang Michalk, Maria Dr. Sprung, Rudolf Dr. Blüm, Norbert Grotz, Claus-Peter Dr. Mildner, Klaus Steinbach-Hermann, Erika Böhm (Melsungen), Wilfried Dr. Grünewald, Joachim Dr. Möller, Franz Dr. Stercken, Hans Dr. Böhmer, Maria Günther (Duisburg), Horst Molnar, Thomas Dr. Frhr. von Stetten, Börnsen (Bönstrup), Wolfgang Harries, Klaus Müller (Kirchheim), Elmar Wolfgang Dr. Bötsch, Wolfgang Haschke (Großhennersdorf), Müller (Wesseling), Alfons Stockhausen, Karl Bohl, Friedrich Gottfried Nelle, Engelbert Dr. Stoltenberg, Gerhard Breuer, Paul Haschke (Jena), Udo Neumann (Bremen), Bernd Strube, Hans-Gerd Brunnhuber, Georg Hasselfeldt, Gerda Niedenthal, Erhard Stübgen, Michael Büttner (Schönebeck), Haungs, Rainer Nitsch, Johannes Susset, Egon Hartmut Hauser (Rednitzhembach), Nolte, Claudia Tillmann, Ferdi Buwitt, Dankward Hansgeorg Ost, Friedhelm Dr. Töpfer, Klaus Carstens (Emstek), Manfred Heise, Manfred Oswald, Eduard Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter Carstensen (Nordstrand), Dr. Hellwig, Renate Otto (Erfurt), Norbe rt Uldall, Gunnar Peter Harry Dr. h. c. Herkenrath, Adolf Dr. Päselt, Gerhard Verhülsdonk, Roswitha Dempwolf, Gertrud Hiebing, Maria Anna Pesch, Hans-Wilhelm Vogt (Duren), Wolfgang Deres, Karl Hintze, Peter Pfeifer, Anton Dr. Voigt (Northeim), Deß, Albert Hörsken, Heinz-Adolf Pfeiffer, Angelika Hans-Peter Diemers, Renate Hörster, Joachim Dr. Pfennig, Gero Dr. Vondran, Ruprecht Dörflinger, Werner Dr. Hornhues, Karl-Heinz Dr. Pflüger, Friedbert Dr. Waffenschmidt, Horst Doss, Hansjürgen Hüppe, Hubert Pofalla, Ronald Graf von Waldburg-Zeil, Alois Dr. Dregger, Alfred Jaffke, Susanne Dr. Pohler, Hermann Dr. Warnke, Jürgen Echternach, Jürgen Dr. Jahn (Münster), Dr. Protzner, Bernd Dr. Warrikoff, Alexander Ehlers, Wolfgang Friedrich-Adolf Pützhofen, Dieter Werner (Ulm), Herbert Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20305

Vizepräsident Helmuth Becker Wiechatzek, Gabriele Walz, Ingrid Erler, Gernot Müller (Pleisweiler), Albrecht Dr. Wilms, Dorothee Dr. Weng (Gerlingen), Esters, Helmut Müller (Schweinfu rt), Rudolf Wilz, Bernd Wolfgang Ewen, Carl Müller (Völklingen), Jutta Dr. Wisniewski, Roswitha Wolfgramm (Göttingen), Ferner, Elke Müller (Zittau), Christian Wissmann, Matthias Torsten Fischer (Gräfenhainichen), Neumann (Bramsche), Volker Dr. Wittmann, Fritz Würfel, Uta Evelin Neumann (Gotha), Gerhard Wittmann (Tännesberg), Zurheide, Burkhard Fischer (Homburg), Lothar Dr. Niehuis, Edith Simon Zywietz, Werner Formanski, Norbert Dr. Niese, Rolf Wohlrabe, Jürgen Fuchs (Köln), Anke Niggemeier, Horst Würzbach, Peter Kurt Fuhrmann, Arne Odendahl, Doris Yzer, Cornelia BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gansel, Norbert Oesinghaus, Günter Zeitlmann, Wolfgang Dr. Gautier, Fritz Oostergetelo, Jan Weiß (Berlin), Konrad Gilges, Konrad Opel, Manfred Gleicke, Iris Ostertag, Adolf F.D.P. Dr. Glotz, Peter Dr. Otto, Helga Nein Graf, Günter Palis, Kurt Albowitz, Ina Großmann, Achim Paterna, Peter Dr. Babel, Gisela CDU/CSU Haack (Extertal), Dr. Penner, Willfried Baum, Gerhart Rudolf Karl Hermann Dr. Pfaff, Martin Dr. Blunk (Lübeck), Michaela Augustinowitz, Jürgen Habermann, Michael Pfuhl, Albert Bredehorn, Günther Austermann, Dietrich Hacker, Hans-Joachim Dr. Pick, Eckhart Cronenberg (Arnsberg), Dr. Bauer, Wolf Hämmerle, Gerlinde Poß, Joachim Dieter-Julius Blank, Renate Hampel, Manfred von Renesse, Margot Eimer (Fürth), Norbert Bohlsen, Wilfried Hanewinckel, Christel Rennebach, Renate Engelhard, Hans A. Ehrbar, Udo Hasenfratz, Klaus Reschke, Otto van Essen, Jörg Fuchtel, Hans-Joachim Dr. Hauchler, Ingomar Reuschenbach, Peter W. Friedhoff, Paul K. Grochtmann, Elisabeth Heistermann, Dieter Reuter, Bernd Friedrich, Horst Frhr. von Hammerstein, Heyenn, Günther Rixe, Günter Funke, Rainer Carl-Detlev Hiller (Lübeck), Reinhold Schaich-Walch, Gudrun Dr. Funke-Schmitt-Rink, Hinsken, Ernst Hilsberg, Stephan Schanz, Dieter Margret Horn, Erwin Dr. Scheer, Hermann Ganschow, Jörg Hornung, Siegfried Dr. Jüttner, Egon Huonker, Gunter Scheffler, Siegfried Genscher, Hans-Dietrich Ibrügger, Lothar Schily, Otto Gries, Ekkehard Löwisch, Sigrun Lohmann (Lüdenscheid), Iwersen, Gabriele Schloten, Dieter Grünbeck, Josef Jäger, Renate Schluckebier, Günter Grüner, Martin Wolfgang Dr. Pinger, Winfried Janz, Ilse Schmidbauer (Nürnberg), Günther (Plauen), Joachim Horst Rode (Wietzen), Helmut Dr. Janzen, Ulrich Hansen, Dirk Schmidt (Aachen), Ursula Dr. Schwarz-Schilling, Jaunich, Horst Dr. Haussmann, Helmut Schmidt (Nürnberg), Christian Dr. Jens, Uwe Renate Heinrich, Ulrich Schmidt (Salzgitter), Wilhelm Wetzel, Kersten Jung (Düsseldorf), Volker Dr. Hirsch, Burkhard Jungmann Schmidt-Zadel, Regina Wonneberger, Michael (Wittmoldt), Horst Dr. Hitschler, Walter Kastner, Susanne Dr. Schmude, Jürgen Homburger, Birgit Kastning, Ernst Dr. Schnell, Emil Dr. Hoth, Sigrid Kemper, Hans-Peter Dr. Schöfberger, Rudolf SPD Dr. Hoyer, Werner Kirschner, Klaus Schöler, Walter Irmer, Ulrich Klappert, Marianne Schreiner, Ottmar Adler, Brigitte Dr. Jordan, Jens Klemmer, Siegrun Schröter, Gisela Andres, Gerd Kleinert (Hannover), Detlef Klose, Hans-Ulrich Schröter, Karl-Heinz Bachmaier, Hermann Dr. Kolb, Heinrich L. . Dr. Knaape, Hans-Hinrich Schütz, Dietmar Dr.-Ing. Laermann, Karl-Hans Barbe, Angelika Körper, Fritz Rudolf Schulte (Hameln), Brigitte Dr. Graf Lambsdorff, Otto Becker (Nienberge), Helmuth Kolbe, Regina Dr. Schuster, R. Werner Leutheusser-Schnarrenberger, Becker-Inglau, Ingrid Kolbow, Walter Schwanhold, Ernst Sabine Bernrath, Hans Gottfried Koltzsch, , Rolf Lüder, Wolfgang Beucher, Friedhelm Julius Kretkowski, Volkmar Seidenthal, Bodo Lühr, Uwe Bindig, Rudolf Kubatschka, Horst Seuster, Lisa Dr. Menzel, Bruno Blunck (Uetersen), Lieselott Dr. Kübler, Klaus Sielaff, Horst Mischnick, Wolfgang Bock, Thea Kuessner, Hinrich Singer, Johannes Nolting, Günther Friedrich Dr. Böhme (Unna), Ulrich Dr. Küster, Uwe Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid Dr. Ortleb, Rainer Börnsen (Ritterhude), Arne Kuhlwein, Eckart Dr. Soell, Hartmut Otto (Frankfurt), Brandt-Elsweier, Anni Lambinus, Uwe Dr. Sonntag-Wolgast, Cornelie Hans-Joachim Dr. Brecht, Eberhard Lange, Brigitte Sorge, Wieland Paintner, Johann Büchler (Hof), Hans von Larcher, Detlev Steen, Antje-Marie Parr, Detlef Büchner (Speyer), Peter Leidinger, Robert Stiegler, Ludwig Peters, Lisa Dr. von Bülow, Andreas Lennartz, Klaus Dr. Struck, Peter Richter (Bremerhaven), Büttner (Ingolstadt), Hans Dr. Leonhard-Schmid, Elke Tappe, Joachim Manfred Burchardt, Ursula Lörcher, Christa Terborg, Margitta Rind, Hermann Bury, Hans Martin Lohmann (Witten), Klaus Dr. Thalheim, Gerald Dr. Röhl, Klaus Caspers-Merk, Marion Dr. Lucyga, Christine Thierse, Wolfgang Schäfer (Mainz), Helmut Catenhusen, Wolf-Michael Maaß (Herne), Dieter Titze-Stecher, Uta Schmalz-Jacobsen, Cornelia Conradi, Peter Marx, Dorle Toetemeyer, Hans-Günther Dr. Schmieder, Jürgen Dr. Däubler-Gmelin, Herta Mascher, Ulrike Urbaniak, Hans-Eberhard Schüßler, Gerhard Daubertshäuser, Klaus Matschie, Christoph Vergin, Siegfried Schuster, Hans Dr. Diederich (Berlin), Nils Matthäus-Maier, Ingrid Verheugen, Günter Dr. Schwaetzer, Irmgard Diller, Karl Mattischeck, Heide Dr. Vogel, Hans-Jochen Sehn, Marita Dr. Dobberthien, Marliese Meckel, Markus Voigt (Frankfurt), Karsten D. Seiler-Albring, Ursula Dreßler, Rudolf Mehl, Ulrike Vosen, Josef Dr. Solms, Hermann Otto Duve, Freimut Meißner, Herbert Wagner, Hans Georg Dr. Starnick, Jürgen Ebert, Eike Dr. Mertens (Bottrop), Wallow, Hans Dr. von Teichman, Cornelia Dr. Eckardt, Peter Franz-Josef Waltemathe, Ernst Thiele, Carl-Ludwig Dr. Ehmke (Bonn), Horst Dr. Meyer (Ulm), Jürgen Walter (Cochem), Ralf Dr. Thomae, Dieter Eich, Ludwig Mosdorf, Siegmar Wartenberg (Berlin), Gerd Timm, Jürgen Dr. Elmer, Konrad Müller (Düsseldorf), Michael Dr. Wegner, Konstanze 20306 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Vizepräsident Helmuth Becker Weiermann, Wolfgang Schulz (Berlin), Werner Herr Gibtner, wenn ich Sie aus der gestrigen Aus- Weiler, Barbara Dr. Ullmann, Wolfgang Weis (Stendal), Reinhard Wollenberger, Vera schußsitzung zitieren darf: Es reicht nicht, wenn Sie Weisheit, Matthias sagen, der politische Bedarf für den Transrapid ist Weißgerber, Gunter festgestellt. Wir brauchen den Nachweis eines ver- Weisskirchen (Wiesloch), Gert Fraktionslos kehrspolitischen Bedarfs. Welt, Jochen Dr. Wernitz, Axel Dr. Briefs, Ulrich (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Wester, Hildegard Dr. Krause (Bonese), Liste) Westrich, Lydia Rudolf Karl Wettig-Danielmeier, Inge Lowack, Ortwin Die SPD-Fraktion erwartet deshalb, daß auch für den Dr. Wetzel, Margrit Schenk, Christina Transrapid als einen neuen Verkehrsträger — und als Weyel, Gudrun Stachowa, Angela diesen wollen wir ihn doch ernst nehmen — und als Wieczorek-Zeul, Heidemarie neue Strecke, die in Konkurrenz zur Straße, zur Bahn Wiefelspütz, Dieter und zur Luft steht, der Bedarf in einem entsprechen- Dr. de With, Hans Enthalten Wittich, Berthold den Gesetz förmlich festgestellt wird. Das ist kein Wohlleben, Verena CDU/CSU fauler Trick, das ist eine dringende Notwendigkeit. Wolf, Hanna (Beifall bei der SPD) Zapf, Uta Brudlewsky, Monika Dr. Zöpel, Christoph Bühler (Bruchsal), Klaus Allerdings wird das sicher nicht einfach sein; denn Clemens, Joachim wer bei einem derzeitigen Fahrgastaufkommen von F.D.P. Dehnel, Wolfgang 1,4 Millionen auf der Strecke zwischen Hamburg und Dr. Herr, Norbert Kohn, Roland Dr. Hoffacker, Paul Berlin für das Jahr 2010 14,5 Millionen, also eine Schmidt (Dresden), Arno Hollerith, Josef Verzehnfachung, prognostiziert, der tut möglicher- Dr. Semper, Sigrid Jäger, Claus weise gut daran, sich einer Überprüfung dieser Zahlen Kriedner, Arnulf zu entziehen. Stillhalteabkommen und Angebotsver- Link (Diepholz), Walter PDS/Linke Liste Dr. Lischewski, Manfred schlechterungen der Deutschen Bahn auf zwei Stun- Dr. Meyer zu Bentrup, den Interregio-Takt stehen außerdem eindeutig in Dr. Enkelmann, Dagmar Reinhard Widerspruch zu der von uns gemeinsam beschlosse- Dr. Fischer, Ursula Michels, Meinolf nen Bahnreform, und sie werden garantiert durch Dr. Fuchs, Ruth Dr. Paziorek, Peter ausländische Anbieter konterkariert; denn ich denke, Dr. Heuer, Uwe-Jens Petzold, Ulrich Dr. Höll, Barbara Priebus, Rosemarie die Dänen und Schweden werden die Marktlücke Dr. Keller, Dietmar Dr. Ramsauer, Peter Hamburg-Berlin im Hochgeschwindigkeitsnetz der Lederer, Andrea Reddemann, Gerhard europäischen Bahnen für uns geschlossen haben, Dr. Modrow, Hans Reinhardt, Erika Philipp, Ingeborg Schwarz, Stefan wenn wir uns bedauerlicherweise noch mit Einwen- Dr. Schumann (Kroppenstedt), Dr. Süssmuth, Rita dungen gegen die Transrapid-Planung auseinander- Fritz Zöller, Wolfgang setzen müssen. Dr. Seifert, Ilja (Beifall bei der SPD) F.D.P. Europa wird die diskriminierungsfreie Zulassung BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dritter auf Schienenwegen eindeutig einfordern. Das Dr. Guttmacher, Karlheinz Dr. Feige, Klaus-Dieter Koppelin, Jürgen ist sicher. Köppe, Ingrid Dr. Pohl, Eva (Dr. Kurt Faltlhauser [CDU/CSU]: Frau Kol Poppe, Gerd Dr. Schnittler, Christoph legin, sagen Sie wirklich mal, was Sie wollen, ja oder nein! Dieses Geeiere ist wirklich Wir kommen nun zu unserem nächsten Redebei- unerträglich! Was wollen Sie denn?) trag, und dazu erteile ich unserer Frau Kollegin Die Bahn kann mit 1 Milliarde DM Investitionsvolu- Dr. Margrit Wetzel das Wort. men ihre Beförderungskapazitäten auf bis zu 7 Mil- lionen Fahrgäste ausweiten, ohne daß es zu Kapazi- Dr. Margrit Wetzel (SPD): Herr Präsident! Liebe tätsengpässen bei der Güterbeförderung kommen Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und würde. Besucher auf der Tribüne! Eine gute Planung ist (Dr. Kurt Faltlhauser [CDU/CSU]: Ja oder bereits die halbe Miete, und eine schlechte Planung nein?) kann das finanzielle Risiko ganz erheblich erhöhen. Was jeder Bauherr und jeder Unternehmer als Binsen- Vizepräsident Helmuth Becker: Frau Kollegin Wet- weisheit verinnerlicht hat, sollte eigentlich auch für zel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen den Transrapid gelten. Für jedes neu auf den Markt zu Gibtner? bringende Produkt muß zunächst einmal sein Bedarf Dr. Margrit Wetzel (SPD): Die Zwischenfrage festgestellt und die realistische Nachfrage ermittelt gestatte ich gern, wenn der Herr Faltlhauser mir dann werden. Bei Verkehrswegen verhalten wir uns über- die Möglichkeit gibt, ungestört zu reden. Es ist sehr haupt nicht anders. Bei Straßen und Schienenwegen anstrengend, gegen Ihr ununterbrochenes Reden prüfen wir den Bedarf für die jeweiligen Verkehrs- anzureden. Ich finde das nicht sehr kollegial. strecken und stellen den über ein entsprechendes Ausbaugesetz als förmlichen Rechtsakt fest. (Beifall bei der SPD) Damit schaffen wir Verbindlichkeiten, mit denen Vizepräsident Helmuth Becker: Bitte, Herr Kollege der Bund seine Investitionsbereitschaft festlegt und an- Gibtner. denen sich Länder und Gemeinden, Investoren, Bau- unternehmen und betroffene Anwohner orientieren Horst Gibtner (CDU/CSU): Liebe Frau Kollegin Dr. können und müssen. Wetzel, mich wundert, woher Sie den Fahrplan der Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20307

Horst Gibtner Bahn für das Jahr 2010 schon kennen. Woher nehmen Dr. Margrit Wetzel (SPD): Ja, das kann ich nur Sie eigentlich die Aussage, die auch in der Begrün- bestätigen. Das ist in sämtlichen Ausschußberatungen dung zu einem Entschließungsantrag formuliert ist, so gewesen und hat die Diskussion dort bestimmt. daß dann auf der Bahnstrecke nur Interregio-Züge verkehren werden? Ich komme zurück zum Text: Für uns ist wichtig, daß für alle betroffenen Bundesländer garantiert ein Raumordnungsverfahren mit Alternativen- und Vari- Dr. Margrit Wetzel (SPD): Herr Gibtner, wenn Sie antenprüfungen und angemessen befristeten Mög- die Anhörungsunterlagen, die schriftlichen Ausfüh- lichkeiten der Beteiligung der Träger öffentlicher rungen der Sachverständigen, die wir bekommen Belange und der betroffenen Öffentlichkeit durchge- haben, aufmerksam gelesen hätten — ich gebe zu, es führt wird. Bei der Anhörung ist dies übrigens, Herr war sehr umfangreich —, hätten Sie diese Zahlen Gibtner, von sämtlichen Sachverständigen als st gefunden. Als Bestätigung kann ich Ihnen nur sagen: rikte Voraussetzung angegeben worden. In der mündlichen Anhörung — ich gehe davon aus, daß Sie überwiegend dabei waren und aufmerksam Wir wissen, daß auch die Bauverfahren auf der zugehört haben — hat Herr Heinisch diese Zahlen Strecke nicht feststehen. Wir wissen nicht, wo aufge- selbst genannt. Das kann man mit Sicherheit im ständert, wo ebenerdig oder vertunnelt gebaut wird. stenographischen Protokoll nachlesen. Ich habe es Vor allem wissen wir nicht, wie die Kostenfragen für jetzt nicht parat, habe aber gut zugehört. die Kreuzungsbauwerke gelöst werden. Warum, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ frage ich Sie, sollen denn die Länder und Gemeinden DIE GRÜNEN) möglicherweise die Kreuzungs- oder Folgekosten für einen Verkehrsweg, von dem sie rein gar nichts Vizepräsident Helmuth Becker: Gestatten Sie noch haben, auch keinen wirtschaftspolitischen Vorteil, eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin Wetzel? — zahlen? Warum vor allem sagt man ihnen das nicht, Bitte, Herr Kollege Gibtner. und zwar jetzt und heute? Damit machen Sie schon die vollständige Antragstellung für die Planung der Horst Gibtner (CDU/CSU): Stammt die Aussage Magnetschwebebahn unmöglich. Das geht schlicht über das Verkehrsangebot der Bahn im Jahre 2010, nicht, weil kein Antragsteller seriös seine Unterlagen die Sie zitiert haben — reiner Interregio-Verkehr, erarbeiten kann, wenn er nicht weiß, wie die Kosten Intercity-Verkehr nicht —, vom Vertreter der Bahn getragen werden. Wir brauchen deshalb ein Magnet- oder von anderen Sachverständigen, die das gar nicht schwebebahnkreuzungsgesetz. Ich frage mich, ob wir wissen können? als Opposition tatsächlich die Hausaufgaben der Regierung machen müssen — eigentlich nicht. Dr. Margrit Wetzel (SPD): In den Unterlagen steht, (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke daß die Bahn damit einverstanden sein muß, ihr Liste) Angebot einzuschränken, um überhaupt Fahrgastpo- tential beim Transrapid zu schaffen. Deshalb soll die Akzeptanzprobleme bei städtebaulichen Auswir- Bahn auch in die Be treibergesellschaft mit hinein. Sie kungen, bei dem zu erwartenden Lärm, Vibrationen soll — das wissen Sie ganz genau, Herr Gibtner — ihr oder auch neuartigen Sicherungsverfahren wegen der Angebot einschränken, damit die Deutsche Bahn auf Sogwirkungen wären z. B. in einem Raumordnungs- der Strecke Hamburg-Berlin weniger attraktiv ist; auf verfahren frühzeitig zu erkennen und zu lösen. Wir diese Weise sollen die Fahrgäste in den Transrapid wissen, daß fehlende Öffentlichkeitsbeteiligung er- gezwungen werden. Das ist eine Rechnung, die nicht fahrungsgemäß hinterher zu gerichtlichen Einsprü- aufgehen wird. chen führt. Daraus folgen Verzögerungen und auch Wenn die Bahn selber sagt, daß sie, wenn sie ihre erhebliche Finanzierungsrisiken, damit letztlich auch eigenen Interessen vertreten würde, das Angebot ein Sinken der Exportchancen. ohne Transrapid ausbauen könnte, und wenn man mit Ich frage Sie, ob Sie, nur weil Sie jetzt ein Planungs- einem europäischen Hochgeschwindigkeitsverkehr gesetz mit der heißen Nadel st ricken und nicht versu- dort fahren würde, wären die Fahrgastzahlen, die wir chen, die Bevölkerung und die Be troffenen zu betei- für die Zukunft zu erwarten haben, mit der Bahn ligen, unbedingt ein so schlechtes Bild von Deutsch- optimal zu bewältigen. Daran besteht, denke ich, land im Ausland und in der Öffentlichkeit zeichnen überhaupt kein Zweifel. wollen. Das erhöht die Akzeptanz für den Transrapid (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/- ganz bestimmt nicht. DIE GRÜNEN) Ein neuer Verkehrsträger hat nun einmal neue raumbedeutsame Auswirkungen. Von daher wäre es Frau Kollegin Wet- Vizepräsident Helmuth Becker: unverantwortlich, an dieser Stelle nur mit Plangeneh- zel, es besteht noch einmal der Wunsch nach einer migungen zu arbeiten. Zwischenfrage. — Bitte. Ich sage Ihnen: Kein p rivater Investor wird ein Siegfried Scheffler (SPD): Frau Kollegin Dr. Wetzel, finanzielles Risiko eingehen, bevor nicht die Fragen stimmen Sie mir zu, daß schon in der Diskussion im der Verknüpfung mit anderen Verkehrsträgern auch Ausschuß um den Bundesverkehrswegeplan von der planerisch gerichtsfest gelöst werden. Nur dann sind Bundesregierung bestätigt wurde, daß die Option für sie auch wirtschaftlich kalkulierbar. Das gilt übrigens die Strecke ICE Hamburg-Berlin direkt auf 160 km/h nicht nur für die privaten Investoren, sondern selbst- gedeckelt wird, um keine Konkurrenzstrecke zum verständlich auch für uns; denn der Bund ist gerade Transrapid zu schaffen? angesichts der knappen Finanzlage gehalten, mit den 20308 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Dr. Margrit Wetzel Steuermitteln sparsam und nach s trengen Grundsät- — Paßt Ihnen das, was ich antworte, nicht? — Die zen der Wirtschaft lichkeit umzugehen. Technologie ist in Ordnung. Dazu stehen wir, und wir (Beifall bei der SPD) wollen das auch unterstützen. Das Problem ist: Das größte Problem — Herr Gibtner hat es schon als (Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der ein planerisch zu lösendes Problem angesprochen, F.D.P. — Glocke des Präsidenten) nur keiner weiß, wie es gelöst werden soll — sind die Wenn Sie diese Technologie sich bewähren lassen Einfädelungen in die sensiblen, dicht und in unter- wollen, dann bitte auf einer Strecke, die garantiert schiedlichsten Ebenen bebauten Innenstadtbereiche auch angenommen wird, für die Sie eindeutige der Städte Hamburg und Berlin. Diese Einfädelungen Rechtsgrundlagen und die Akzeptanz bei der Bevöl- und ihre Kosten und auch ihre Kostenträger müssen kerung schaffen können. Wir halten das doch über- schlicht geklärt sein, bevor man überhaupt eine reali- haupt nicht für unmöglich. Wir wollen nur, daß Sie stische Kosten-Nutzen-Analyse und damit auch eine eine vernünftige Rechtsgrundlage schaffen und daß finanzielle Risikoabschätzung vornehmen kann. Die Sie eine vernünftige Strecke finden. Wir sagen doch Bundesregierung will sich aber all diesen Sorgfalts- nichts gegen die Technologie! pflichten — mehr ist es im Prinzip nicht, was wir einfordern — eindeutig entziehen, denn sie verzichtet (Beifall bei der SPD und dem BÜND sogar ausdrücklich auf eine Linienbestimmung. Ich NIS 90/DIE GRÜNEN — Zuruf von der CDU/ möchte Ihnen gerne sagen: Die Linienbestimmung ist CSU: Das machen wir doch mit dem Gesetz, das einzige im übrigen verwaltungsinterne Verfahren Frau Kollegin! Wir schaffen doch jetzt die des Bundes, bei dem noch nicht einmal irgendwelche Grundlagen! — Wolf-Michael Catenhusen Einsprüche störend oder verzögernd wirken könnten, [SPD]: Glänzende Augen zu haben reicht in dem die Raumbedeutsamkeit, die Planungsreife, hier eben nicht!) die Umweltverträglichkeit und auch die Wirtschaft- Wenn politische Bedarfsentscheidungen ohne lichkeit einer festzustellenden Linie geprüft wird. Ich Raumordnungsverfahren, ohne Linienbestimmung, weiß nicht, warum die Regierung auf diese ihre ohne vergleichende Wirtschaftlichkeitsberechnung Sorgfaltspflicht freiwillig verzichtet und uns die Frak- und schlimmstenfalls noch in Gestalt von Plangeneh- tionen die Anträge ablehnen. migungen fallen, dann können sie nicht verläßlich (Beifall bei der SPD) sein. Damit wird der Transrapid zur Luftnummer. Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU und der Vizepräsident Helmuth Becker: Frau Dr. Wetzel, F.D.P., mindern die Planungs- und Kalkulationssi- gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen cherheit, damit die Investitionsbereitschaft der Wirt- Koppelin? schaft und letztlich das ganze Projekt. Mir drängt sich deshalb tatsächlich der Gedanke auf, ob Sie in Wahr- Dr. Margrit Wetzel (SPD): Ja, bitte. heit den Transrapid gar nicht wollen. (Zuruf des Abg. Dirk Fischer [Hamburg] Vizepräsident Helmuth Becker: Bitte sehr, Herr [CDU/CSU]) Kollege. Der Bedarf wird nicht festgestellt. — Herr Fischer, vielleicht hören Sie einfach einmal zu. — Warum Jürgen Koppelin (F.D.P.): Frau Kollegin, ich muß stellen Sie den Bedarf nicht fest, warum gibt es keine Ihnen eine Frage stellen, damit ich über das Thema Planungssicherheit, und warum verweigert der Bund aufgeklärt werde. Ich habe hier eine Anzeige vorlie- die Wahrnehmung seiner hoheitlichen Aufgaben, gen, die im „Spiegel" erschienen ist. Darin sind ein nämlich der Sorgfaltspflicht? Transrapid abgebildet und der Kollege Rudi Walther, Vorsitzender des Haushaltsausschusses, und das hat (Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Das dann die Überschrift: „Einstieg in die Zukunft. Das können Sie doch nicht im Ernst sagen!) Beste, das wir zum Thema Bahn entwickelt haben, ist Ist das eine Basis, auf der Sie ohne eine einschlägige die Magnetschnellbahn," — dann folgt der Firmen- Rechtsgrundlage die Wirtschaft motivieren wollen zu name — der „Transrapid". Dann wird von Umwelt- investieren? Ich nehme Ihnen das einfach nicht ab! freundlichkeit usw. gesprochen. Könnten Sie das zu Glauben Sie uns doch einmal, daß wir ernsthafte meiner Aufklärung noch einmal kommentieren? Ich Versuche gemacht haben, Ihr lückenhaftes Gesetz zu bin auch gerne bereit, Ihnen diese Anzeige zu korrigieren! geben. (Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Sie kämpfen für Transrapid, das haben wir (SPD): Das mache ich gerne, Herr Dr. Margrit Wetzel gemerkt!) Koppelin. Auf jeden Fall finde ich es toll, daß Sie drei Jahre alte Anzeigen noch parat haben. Das spricht für — Ich kämpfe nicht für Transrapid. Ich kämpfe dafür, Sie und Ihre Aktenkenntnis. daß wir hier anständige und vernünftige, sorgfältig (Ekkehard Gries [F.D.P.]: So schnell ändern durchgearbeitete Gesetze schaffen. Nur das ist eines Sie Ihre Meinung, oder was?) deutschen Parlamentes würdig, nichts anderes. Aber ich will Ihnen das gerne erklären. Ich denke, ich (Beifall bei der SPD und dem BÜND spreche da für meine Fraktion. Wir sind fasziniert von - NIS 90/DIE GRÜNEN) der Technologie Transrapid. Das ist überhaupt keine Wir haben Sie auf die Mängel und Fehler, auf die Frage. fehlende Kosten analyse, auf die fehlende Rechts- (Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.) grundlage aufmerksam gemacht. Sie können mit Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20309

Dr. Margrit Wetzel einem neuen Verkehrsträger nicht so umgehen, wie Horst Friedrich (F.D.P.): Herr Präsident! Meine sehr Sie das hier leichtfertig machen. Eine solide Planung verehrten Damen und Herren! Das Faxgerät wurde in würde aufzeigen, daß das Verkehrsaufkommen auf Deutschland erfunden und in Japan gebaut. Die der Strecke Hamburg-Berlin mit den vorhandenen Neigezugtechnik ist eine deutsche Erfindung. Sie Verkehrsträgern, speziell der Deutschen Bahn, gut zu wird in Italien und in Schweden gebaut und von uns bewältigen ist, und zwar mit relativ geringen Investi- für teures Geld als Pendolino oder als X 2000 wieder tionen. Konfliktpotentiale bei der Verknüpfung mit zurückgekauft. Heute und hier stehen wir wieder vor anderen Verkehren, beim Nahverkehr und bei der einem entscheidenden Punkt, nämlich der Entschei- Einfädelung in die Zentren von Hamburg und Berlin dung über eine zukunftsweisende Technik, die und auch gegebenenfalls bei der einmal anstehenden Magnetschwebebahntechnik. Fortführung von Strecken werden weder wirtschaft- lich noch verkehrlich angemessen zu beseitigen sein. Die Technik ist in Deutschland erfunden worden. Deshalb ist nicht die Technik, aber — das betone ich Sie ist hier entwickelt worden. Ihr ist nach einem noch einmal — die Strecke falsch. langen Hürdenlauf, nach einem Lauf über viele tat- sächliche, hauptsächlich aber über viele künstlich Sie werden in den neuen Ländern auch nicht die errichtete Hürden, zum Jahresende 1991 vom Bundes- versprochenen Arbeitsplätze schaffen, denn — das bahnzentralamt die technische Einsatzreife bestätigt wissen wir — wir müssen europaweit ausschreiben. Es worden. werden Folgelasten und Folgekosten in den ohnehin schon finanzschwachen Kommunen entstehen, auf „Der Stand der Magnetbahntechnik ist nunmehr denen die Länder und Gemeinden sitzenbleiben wer- nach der Systementwicklung und -erprobung so weit den. fortgeschritten, daß in absehbarer Zeit ihre Anwen- dung in der Praxis, d. h. zunächst auf einer Schnell- Unserer eigentlichen gemeinsamen politischen bahnstrecke des Fernverkehrs, nichts mehr im Wege Absicht, nämlich einem erfolgversprechenden Hoch- stehen sollte", sagt Klaus Daubertshäuser in seinem technologieprojekt Transrapid durch Serienreife und Buch „Kurs 2000 — Eine Verkehrspolitik der Ver- eine ausreichende Zahl von Betriebsjahren und nunft" zu diesem Thema. — Recht hat er. Betriebskilometern zum exportpolitischen Durch- bruch zu verhelfen, selbst wenn der erst im Jahre 2010 (Zurufe von der F.D.P.: Der ist doch von der realisierbar ist — wir wissen auch, daß das realistisch SPD! — Das ist schon vier Jahre alt!) ist —, wäre mit einem soliden Planungsgesetz, mit einer vernünftigen Bedarfsfeststellung und vor allem Weil auch die Regierungskoalition unabhängig vom mit der Planung einer besseren Strecke erheblich Buchautor Daubertshäuser dieser Meinung war und besser gedient. ist, wurde eine Umsetzung und Realisierung in der Koalitionsvereinbarung für diese Wahlperiode festge- Deshalb halte ich das vorliegende Planungsgesetz schrieben, bei den Beratungen und Beschlüssen zum wirklich für eine reine Wahlstrategie und Wahltaktik. Bundesverkehrswegeplan unter wesentlicher Beteili- Dieses Planungsgesetz, denke ich, steht seiner eige- gung der Liberalen weiter konkretisiert und auf der nen Realisierung am meisten entgegen. Wir haben Grundlage dieser Beschlüsse die Privatwirtschaft auf- Änderungsanträge vorgelegt, um diese Lücken im gefordert, ein Finanzierungskonzept vorzulegen, das Gesetz zu schließen, um da zu korrigieren. Wir wissen den Betrieb ohne staatliche Beteiligung und Garan- aus den Beratungen im Verkehrsausschuß, daß Sie tien vorsieht und bei dem die Infrastruktur — so wie diese Anträge bedauerlicherweise ablehnen werden. bei der Bahn — in der Hand des Staates liegt und zu Aus diesem Grund müssen wir Ihren Entwurf eines seinen Lasten geht. Planungsgesetzes ablehnen. (Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Einen Die Industrie, meine Damen und Herren, ist dieser sinnvollen haben wir mitgemacht!) Aufforderung nachgekommen. Die Bundesregierung hat am 4. März dieses Jahres das Parlament über die — Einen sinnvollen, weil Sie das Ergebnis des Ver- Finanzierung unterrichtet. Die Regierungskoalition mittlungsausschusses vergessen hatten; natürlich, hat das sogenannte Magnetschwebebahnplanungs- Herr Fischer. Den einzigen Antrag von uns, dem Sie gesetz vorgelegt — die Voraussetzung, um überhaupt zugestimmt haben, weil wir die Hausaufgaben für Sie den Verkehrsträger Transrapid in unsere Gesetze gemacht haben, wollte ich nicht noch extra erwäh- einzuführen, die Grundlage, um all das zu machen, nen. was Sie, liebe Frau Kollegin Wetzel, verlangen. (Beifall bei der SPD) Was die Technik, die Vorteile, aber auch die Bewer- Wir lehnen jedenfalls die vorgelegte Fassung des tung des Finanzierungskonzepts angeht, sind sowohl Gesetzentwurfs ab. in der ersten Lesung in diesem Hause als auch in der Expertenanhörung, die am 18. Mai stattgefunden hat, Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. eigentlich alle gegenteiligen Argumente ausge- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/- tauscht worden. DIE GRÜNEN) (Zuruf von der F.D.P.: Richtig!) Aus F.D.P.-Sicht in Kurzform das Fazit: Der Trans- rapid ist verkehrs-, aber auch umweltpolitisch sinn- Vizepräsident Helmuth Becker Meine Damen und voll. Herren, nächster Redner ist jetzt unser Kollege Horst Friedrich. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) 20310 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Horst Friedrich Das Finanzierungskonzept ist grundsätzlich stimmig rungskonzept zu empfehlen, wieder mit den Stimmen und ein erster Schritt, um in Deutschl and überhaupt der SPD. Verkehrsinfrastruktur auch privat zu finanzieren. (Zurufe von der F.D.P. und der CDU/CSU: (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!) Hört! Hört!) So weit, so gut, liebe Kollegen. Der Kollege Müller hat das gestern als unse riös bezeichnet. Der Transrapid ist — entgegen allen Über die aus unserer Sicht bestehenden verkehrli- Behauptungen in der Presse — kein donnernder Pfeil, chen Vorzüge hinaus — das stelle ich an die erste sondern ein leises Verkehrsmittel, Stelle — gilt — da zitiere ich wieder den Kollegen (Dr. Dagmar Enkelmann [PDS/Linke Liste]: Klaus Daubertshäuser —: Bei welcher Geschwindigkeit denn?) (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!) extrem umweltfreundlich, preiswert und verschleiß- Diese Technik vermeidet das reibungsabhängige frei. Es ist vermutlich das Transportmittel des näch- Trag-, Führ- und Antriebssystem der Rad- sten Jahrhunderts, sagte die Vertreterversammlung Schiene-Technik. Das bedeutet weniger Ver- der IG Metall Kassel im April 1994. Die Verkehrs- schleiß und damit erheblich geringere Betriebs- politiker der SPD lehnen dieses Verkehrsmittel ab. kosten bei etwa gleichen Kosten für Streckenin- (Ekkehard G ries [F.D.P.]: Basis!) vestitionen und bei wesentlich höheren Ge- schwindigkeiten. Durch die Produktion des Transrapid könnte eine Reihe von Arbeitsplätzen aus der Wehrtechnik in die (Zuruf von der F.D.P.: Kluger Mann! — Zuruf Magnetbahnfertigung wechseln. Dies wäre nicht nur von der SPD: Ja!) ein Lippenbekenntnis, sondern aktive Rüstungskon- von der Vertrauenskörper- Diese Debatte war von Anfang an auch eine Debatte version, sagt Heiko Horn leitung von Thyssen Henschel in der IG-Metall über die Zukunft des Forschungs- und Technologie- Zeitschrift im Mai 1994. Die Verkehrspolitiker der standorts Deutschland, vor allem um die Fähigkeit, in Deutschland entwickelte High-Technologie kurzfri- SPD sind dagegen. stig und nicht erst am Sankt-Nimmerleins-Tag (Zuruf von der CDU/CSU: Die SPD ist ja auch betriebsfähig zu machen und damit Wettbewerbsvor- nicht regierungsfähig! Sie ist weit weg teile gegenüber einer größer gewordenen Welt aus davon!) technischer Sicht zu erreichen. Der Vorsitzende der SPD, meine lieben Kollegen, (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Rudolf Scharping, schreibt in einem Brief an den Betriebsratsvorsitzenden der Thyssen Henschel Die Magnetschwebebahntechnik ist, anders als die GmbH, Gerhard Vetter — ich zitiere —: des ICE, nur in Deutschland so weit entwickelt, daß sie auch kurzfristig in Betrieb gehen kann. Deshalb hat Der Transrapid ist für mich unter technologischen der Ausschuß für Forschung, Technologie und Tech- Aspekten eine sehr interessante und anspruchs- nikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages volle Entwicklung, am 13. April 1994 bei einer Stimmenthaltung aus der (Zuruf von der SPD: Das ist richtig!) SPD einstimmig dem Magnetschwebebahnplanungs- gesetz zugestimmt, also mit der überwiegenden ein Vorhaben also, das insoweit durchaus einer Mehrheit der SPD-Mitglieder. zukunftsorientierten Technologiepolitik ent- spricht, wie sie von der SPD auf Bundesebene (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — früher praktiziert wurde und heute gefordert Zurufe von der F.D.P.: Hört! Hört!) wird. Aber die Verkehrspolitikerinnen und Verkehrspoliti- (Zuruf von der F.D.P.: Na bitte! Das ist ker der SPD lehnen das Gesetz ab. SPD!) Der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages — Hören Sie zu! — hat am 19. Mai einstimmig beschlossen, gegen den Und Du hast mit Deiner Feststellung recht, daß Gesetzentwurf zum Magnetschwebebahnplanungs- man einem derartigen technologischen Sprung gesetz keine Bedenken verfassungsrechtlicher und nicht mit den Maßstäben oder gar Ideologien von rechtsförmlicher Art zu erheben, also wieder mit den vorgestern gerecht werden kann. Stimmen der SPD. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) (Zurufe von der F.D.P. und der CDU/CSU: Hört! Hört!) Soweit der Vorsitzende der SPD, Rudolf Scharping. Sein Pech ist nur, daß die Verkehrspolitiker der SPD Die Verkehrspolitiker der SPD lehnen das Gesetz unsere Vorlagen ablehnen. Aber, liebe Freunde, Herr ab. Scharping, keine Angst: Wir greifen Ihre Anregungen (Dr. Kurt Faltlhauser [CDU/CSU]: Zerrisse- auf. Die F.D.P. stimmt dem Magnetschwebebahnpla- ner Haufen!) nungsgesetz zu und nimmt die Unterrichtung der Bundesregierung zum Finanzierungskonzept zustim- Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundesta-- mend zur Kenntnis. ges hat am 25. Mai einvernehmlich vorgeschlagen, Danke schön für die Aufmerksamkeit. dem Deutschen Bundestag die Annahme der Unter- richtung der Bundesregierung über das Finanzie- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20311

Vizepräsident Helmuth Becker: Ich erteile jetzt den für dieses Projekt verpulvert. Für die Weiterent- unserer Frau Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann das wicklung der Bahn, für moderne Schienentechnik, Wort. Telematik in der Schienentechnik usw. bleibt nichts übrig. Dr. Dagmar Enkelmann (PDS/Linke Liste): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Transrapid Vizepräsident Helmuth Becker: Frau Dr. Enkel- erscheint immer mehr als ein Riesenspielzeug für mann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Männer, die das Kind in sich nicht leugnen können. Dr. Seifert? So, wie Kinder nur ungern von ihrem Lieblingsspiel- zeug lassen, hält auch die Koali tion krampfhaft am Dr. Dagmar Enkelmann (PDS/Linke Liste): Ja. Transrapid fest. Die Ohren schalten auf Durchgang, wenn Sachverständige — wie in der von der PDS Vizepräsident Helmuth Becker: Bitte, Kollege Sei- initiierten Anhörung am 18. Mai — ihre fundierte fert. Kritik vortragen. Frei nach Christian Morgenstern, weil nicht sein kann, was nicht sein darf, wird selbst Dr. Ilja Seifert (PDS/Linke Liste): Frau Kollegin das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Enkelmann, da Sie gerade von Diebstahl von Volks- Verkehrsministeriums mit Handstreich vom Tisch vermögen sprechen: Können Sie mich vielleicht ein- gewischt. Die Gutachter jedenfalls kamen mit Aus- mal aufklären, ob es eine Prüfung anderer Varianten nahme der Herren von der Industrie — wen verwun- gibt, die bei Reisezeit und Investitionskosten — sagen dert es? — zu einem vernichtenden Urteil. wir einmal — vernünftigere Vorschläge beinhalten, Erstens. Die Grundlagen für eine solide Kosten- wo also das Volksvermögen sinnvoller eingesetzt Nutzen-Analyse fehlen. Die von der Industrie progno- wird? stizierten Fahrgastzahlen, 14,5 Millionen pro Jahr, wurden stark angezweifelt. Die Deutsche Bahn AG Dr. Dagmar Enkelmann (PDS/Linke Liste): Hier geht von etwa der Hälfte aus. Dann allerdings stimmt hätte man sehr wohl Diebstahl vornehmen können, die ganze Wirtschaftlichkeitsrechnung hinten und vorne nicht mehr. (Dr. Dionys Jobst [CDU/CSU]: Mit dem Dieb stahl ist er nicht einverstanden!) Woher also die Reisenden nehmen? Ganz einfach — so die Antwort aus der Koali tion —: Darm können indem man nämlich die Gutachten der Sachverstän- die Leute aus Hamburg mal eben schnell am Abend digen gründlicher gelesen hätte. Es sind sehr wohl nach Berlin in die Oper fahren. Das offenbart Wert- auch in den Gutachten eine ganze Reihe von Vari an vorstellungen! -ten vorgestellt worden, (Dr. Kurt Faltlhauser [CDU/CSU]: Das ist (Horst Friedrich [F.D.P.]: Der ICE mit 350 km/h, doch auch was!) den wir noch gar nicht haben!) die von ihren Investitionen her wesentlich günstiger So steht das gesamte Finanzierungskonzept auf tönernen Füßen. sind, als auch keine wesentlich längere Reisezeit prognostizieren. (Zurufe von der CDU/CSU: Am Abend nach Ich will einfach ein paar Varianten nennen: Wäh- Berlin, sicher! — Das wollten wir doch schon rend man beim Transrapid davon ausgeht, daß er am immer!) Ende etwa 10 Milliarden DM gekostet haben wird und — Es gibt in Berlin und auch in Hamburg sehr schöne eine Fahrzeit ohne Halt, und zwar nur bis zum Kultureinrichtungen. Westkreuz, von etwa 55 Minuten braucht — wenn Die Einführung in die Städte, Verknüpfungsbahn- man die Fahrt vom Westkreuz noch bis in das Stadt- höfe, Kompensation von Standortnachteilen an den zentrum, also z. B. Lehrter Bahnhof, hinzurechnet, Haltepunkten und die Anbindung an den ÖPNV sind kommen noch 24 Minuten dazu —, so heißt das: Man offen und damit auch deren Finanzierung. Das Risiko braucht mit dem Transrapid etwa eine Stunde und

— so die Sachverständige Frau Maike Spitzner —, 19 Minuten. etwa zusätzliche Kosten aus den Genehmigungsver- Jetzt gibt es u. a. die Variante, die Strecke Ham- fahren einschließlich der Zurverfügungstellung von burg—Berlin über Uelzen und Stendal auszubauen. Grund und Boden oder infolge negativer Planungsab- Das ist ein Antrag, den die PDS hier vorgelegt hat. Ich weichung bei der Streckenauslastung, sowie techni- bitte, den auch noch einmal zu prüfen. Die Kosten für sche Probleme bei Bau und Betrieb trägt die öffentli- diese Variante wären etwa 800 Millionen DM. Es gäbe che Hand und somit der Steuerzahler. Wer so mit eine Reisezeit von einer Stunde und 25 Minuten, d. h. öffentlichen Geldern umgeht, macht sich wegen Dieb- etwa sechs Minuten mehr, als der Transrapid stahls am Volksvermögen schuldig. braucht. (Lachen und Widerspruch bei der CDU/CSU Es gibt auch die Variante eines Neu- und Ausbaus und der F.D.P. -- Horst F riedrich [F.D.P.]: Das über Wittenberge. Die Kosten würden etwa 2,4 Milli- kommt ja aus der richtigen Ecke! Das war ja arden DM be tragen. Die Reisezeit läge bei einer der Hammer! — Dr. Kurt Faltlhauser [CDU/ Stunde und 22 Minuten. CSU]: Diebstahl am Volksvermögen, das Es gibt auch die Variante des Ausbaus über Witten- sagt die SED-Nachfolgepartei!) - berge mit Hilfe von Neigetechnik: Kosten von etwa Zweitens. Das Projekt ist aus verkehrspolitischer 1,1 Milliarden DM und einer Fahrzeit von einer Sicht nicht tragbar. Das gilt auch für die von der SPD Stunde und 35 Minuten. Selbst die Bahn AG hat bei favorisierte Variante Transrapid light. Milliarden wer- der Anhörung gesagt, daß sie 1998 in der Lage sein 20312 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Dr. Dagmar Enkelmann werde, in anderthalb Stunden mit Hilfe von Neige- und das im Zehn-Minuten-Abstand, eher entnervt das technik von Berlin nach Hamburg zu fahren. Weite suchen. Herr Präsident, ich bitte aber, das jetzt nicht auf Aber Umweltstaatssekretär Klinkert hatte gestern meine Zeit anzurechnen. im Umweltausschuß auch dafür Trost. Eine höhere Geschwindigkeit führe eben zu geringeren Einwirk- zeiten des Lärms. Danach müßte Überschall künftig Vizepräsident Helmuth Becker: Nein. als Therapie beim Ohrenarzt Verwendung finden. Sämtliche Einwände aus umweltpolitischer Sicht, wie Energie, Flächenverbrauch und Lärmbelastung, Dr. Dagmar Enkelmann (PDS/Linke Liste): Das sind werden ignoriert. die Varianten. Ich denke, genau die sollten gründlich Als zutiefst verletzend empfand ich in der Anhörung geprüft werden. den Umgang mit dem Vertreter der Bürgerinitiative (Horst Friedrich [F.D.P.]: So verlängert man „Prignitz contra Transrapid". In einer Nachlese hat er die Redezeit!) seine Eindrücke geschildert. Dort heißt es u. a.: — Nein, das wird ja nicht angerechnet. Zugegeben, mit sehr gemischten Gefühlen ging (Horst Friedrich [F.D.P.]: Ja eben, deshalb!) ich in die Anhörung zum Transrapid. Da wirst Du also in Kürze unter Managern, Bankern, diplo- Im Gegensatz zum TGV in Frankreich fehlen für die mierten Ingenieuren, Verkehrsexperten und Ver- Magnetbahn in der Bundesrepublik die Vorausset- waltungsfachleuten mit Professur sitzen. Hoffent- zungen für eine Einbindung in das gesamte Verkehrs- lich findest Du auch Gehör. system. Völlig verkannt — das haben wir von Herrn Friedrich heute auch wieder gehört — wird die euro- Er schreibt weiter: päische Entwicklung. Ob wir uns in Prignitz — ein Abgeordneter (Dr. Kurt Faltlhauser [CDU/CSU]: Langsa- meinte, sie läge in Mecklenburg-Vorpommern — mer! — Eduard Oswald [CDU/CSU]: Holen gegen das Wohl der Allgemeinheit stellen woll- Sie doch einmal Luft!) ten und ob ich als Pfarrer nichts Besseres zu tun hätte, als mich gegen den Bau des Transrapid Während der Berliner Verkehrssenator Haase den auszusprechen. Transrapid als Beginn einer europaweiten Ablösung der Rad-Schiene-Technik feiert, sind die Weichen in Welche Arroganz gegenüber Leuten, die sich zuge- gebenermaßen weniger Sorgen um die Gewinne von Europa längst für ein Hochgeschwindigkeitsnetz auf dieser Basis gestellt. Thyssen als um Storchennester, Speicherseen, entste- hende Gewerbegebiete und Windparks in ihrer (Eduard Oswald [CDU/CSU]: Schneller als Region machen. der Transrapid werden Sie auch nicht!) Meine Damen und Herren, die Zustimmung zum Den Zug der Zeit hat wohl auch die Deutsche Bahn Milliarden fressenden Prestigeprojekt ist eine ver- AG erkannt und bestellte Anfang Juni gleich 13 neue kehrs-, industrie- und umweltpolitische Fehlentschei- sogenannte Mehrsystem-ICE-Züge, die auch im Aus- dung, die sich in wenigen Jahren, vor allem für die land fahren können. öffentliche Hand und für die betroffenen Bürgerinnen (Horst Friedrich [F.D.P.]: Warum denn erst und Bürger in den Regionen, bitter rächen wird. Wie jetzt?) fragte doch der Vertreter des wissenschaftlichen Bei- rats, Herr Professor Ewers, am Schluß der Anhörung: Verkehrsminister Wissmann lobt das als einen „wich- Wo ist die Legitima tion des Staates, reales Geld für tigen Schritt in die richtige Richtung". Warum aber um Visionen auszugeben? Dem kann m an sich nur Gottes willen dann noch den Transrapid zwischen anschließen. Berlin und Hamburg? Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Horst Friedrich [F.D.P.]: Warum denn erst jetzt?) (Beifall bei der PDS/Linke Liste — Zuruf von der F.D.P.: Tosender Beifall im ganzen Die Antwort blieb die Industrie auf der Anhörung Hause!) nicht schuldig. Es gehe, so der Vertreter von Thyssen, allein um Betriebserfahrung, um das System inte rna- tional anbieten zu können. Also, Sinn und Zweck sind Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und wieder einmal die Gewinne der großen Unterneh- Herren, nächster Redner ist jetzt unser Kollege men. Dr. Klaus-Dieter Feige. Drittens. Vor diesem Hintergrund wird ein böses Spiel mit den Hoffnungen der Menschen vor allem in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg betrie- Dr. Klaus-Dieter Feige (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ben. Tausende von Arbeitsplätzen werden ihnen NEN): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen versprochen. Hotels und Touristen, alle angelockt und Herren! Die Geschichte der Technikwissenschaf- vom Transrapid. Daß Sie sich nicht schämen, so mit ten lehrt uns, daß wirklich nur ein Bruchteil aller Ideen den Leuten umzugehen und sie so für dumm zu — auch faszinierender —, nicht einmal alle patentier- verkaufen! Dabei wissen Sie ganz genau, daß späte- ten, in der Praxis realisiert wurden. Die Ursachen stens nach einer möglichen Bauphase nur ein Bruch- bestanden u. a. in der physikalischen Unmöglichkeit teil von Arbeitsplätzen an der Strecke bleibt. Touri- der Umsetzung, in der fehlenden Reife der Technolo- sten werden angesichts einer vorbeipfeifenden Bahn, gie selbst, in mangelndem gesellschaftlichen Bedarf Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20313

Dr. Klaus-Dieter Feige oder in der Unmöglichkeit, die Visionen mit seriösen In diese Logik paßt schließlich auch die vorgese- Methoden zu finanzieren. hene Planungsmethodik. Sie wollen diese Magnet- schwebebahn im Sinne des Planungsvereinfachungs- (Zuruf des Abg. Horst F riedrich [F.D.P.]) gesetzes vorbereiten — für die Bürger der Bundesre- — Kollege Friedrich, nicht nur das Fax. Es wurden in publik, aber doch auch ohne deren wesentliche Betei- Deutschland auch diverse Perpetuum mobile als ligung. Patent eingereicht, aber nie gebaut. (Horst Friedrich [F.D.P.]: Das stimmt nicht!) (Horst Friedrich [F.D.P.]: Im Gegensatz zum Ihr Planungsverfahren sieht eine Projektierung prak- Perpetuum mobile funktioniert aber das tisch unter Ausschluß der Öffentlichkeit vor, weil Sie Fax!) vor den kritischen Bürgern in diesem Land einfach Angst haben. Das erinnert mich in fataler Weise an die Die zu planende Magnetschwebebahn ist zwar kein letzten Tage der ehemaligen DDR-Führung. Perpetuum mobile, aber alle weiteren Kriterien für einen vorläufigen Nichtbau treffen für sie zu. Der (Horst Friedrich [F.D.P.]: Was verstehen Sie Technologie selbst kann sicherlich in eingeschränk- unter Demokratie?) tem Maße eine Testtauglichkeit nachgesagt werden, Herr Gibtner selbst hat gestern im Verkehrsaus- jedoch alle anderen Rahmenvoraussetzungen für den schuß genau auf den Umstand hingewiesen, daß die Freilandversuch zwischen Hamburg und Berlin feh- DDR-Bürger eben nicht an der Regelung der sie len. Da ist weder die Anbindung der Magnetschwe- betreffenden Dinge beteiligt waren. Wenn Sie dies bezüge an andere Verkehrssysteme gelöst, noch lie- aber beklagen, warum machen Sie dann die Gesetze gen hinreichende Untersuchungen im Weichen- oder in der Bundesrepublik immer DDR-ähnlicher? Haben Begegnungsverhalten der Bahn vor. Die Liste der Sie, meine Damen und Herren von der Koa lition, denn noch zu lösenden technischen Probleme ließe sich wirklich nichts aus der jüngsten Geschichte gelernt? fortsetzen; ich möchte darauf verzichten. Ich verkneife mir an dieser Stelle auch eine längere Ich gebe auch zu, daß sich die technischen Probleme Bewertung des Umstandes, daß Sie mit dieser Tech- mit etwas Zeit auch noch beherrschen lassen werden. nologie vorhaben, höhere Umweltbelastungen mit Dann mag aber Grund für die Hektik bei der Einbrin- dem trügerischen Lebensqualitätsgewinn an Ge- gung und Beschlußfassung des Gesetzentwurfes viel- schwindigkeitszuwachs zu begründen. Das ist nun leicht in einem enormen gesellschaftlichen Bedarf für einmal Ihre Ideologie. Aber aus den Aussagen nahezu eine derartige Superschnellstrecke liegen. Nur — und aller Sachverständigen in der Ausschußanhörung das haben die Anhörungen belegt —, diesen Bedarf folgt, daß es keinen, aber auch keinen Grund gibt, müssen die Betreiber einer solchen zukünftigen Bahn- dieses Vorhaben dera rt ungeprüft noch in dieser linie erst noch wecken. Sie geben zwar vor, daß Sie Legislaturperiode durchzupowern. fast allen Autoverkehr von der para llel laufenden Dieser Gesetzentwurf hat also einen ganz anderen Autobahn in diese Züge holen wollen. Aber selbst Grund: Sie brauchen noch ein paar erste Spatenstiche wenn man sämtliche Autostraßen zwischen Hamburg oder Rammschläge, die den Leuten in den neuen und Berlin wegsprengen würde, bliebe immer noch Ländern vorgaukeln sollen, daß der ersehnte Auf- ein riesiges Fahrgastdefizit, für dessen Schließung schwung ganz, ganz nahe ist. sicherlich auch noch zusätzliche Werbemittel einge- (Zuruf von der F.D.P.: Das würde ja bedeu plant werden müssen. ten, daß die Bevölkerung dafür ist!) Hierin liegt dann auch der wirkliche Grund, sich Dieses Vorhaben ist eine pure Wahlkampfshow und dem Anliegen einer vorausschauenden Bedarfspla- nutzt schnöde die Not und die Hoffnungen der Kom- nung zu verweigern. Meine Damen und Herren von munen in den betroffenen Ländern im Osten Deutsch- der Koalition, Sie haben einfach Angst, daß eine lands aus. Bedarfsplanung Ihr Kartenhaus von der Transrapid Wirtschaftlichkeit zusammenfallen läßt. Wenn sogar der Parchimer Kreistagspräsident uns glauben machen will, daß der Transrapid seiner Damit sind wir schon beim dritten Grund, der gegen Region den touristischen Aufschwung bringt, obwohl die panische Hektik Ihres Vorhabens spricht. Die der Zug dort nicht einmal hält, wird das Ausmaß der Magnetschwebebahn ließe sich zwar bezahlen, aber Wählertäuschung grotesk. Ich stelle mir schon ein die Einnahmen werden die Aufwendungen des Bun- Hotel mit dem Namen „Transrapid-Blick" vor, und die des nicht annähernd decken. Das haben auch die Gäste sausen mit 400 km/h an diesem Hotel vorbei. privaten Investoren bemerkt. Andernfalls wären sie Es ist höchste Zeit, daß Ihre unseriösen Wahlkampf- längst auf die Idee gekommen, auch das geringe methoden den Bürgerinnen und Bürgern in den neuen Restrisiko für den Schienenweg, von dem Sie spre- Ländern vorgeführt werden, damit sie auch wirklich chen, auf sich zu nehmen. wieder eine Wahl haben. Nun gut, das ist Ihre Lobby, und seine Amigos läßt Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. man halt nicht im Stich. Dennoch haben Sie nicht das (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Recht, derart mit Steuermitteln zugunsten der jetzt Liste) schon besser Verdienenden herumzuschmeißen, wie die Koalition und Ihre unsägliche Regierung es hier vorhaben. - Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und (Beifall des Abg. Albrecht Müller [Pleiswei- Herren, jetzt hat das Wo rt der Herr Bundesminister für ler] [SPD]) Verkehr, unser Kollege Matthias Wissmann. 20314 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Matthias Wissmann, Bundesminister für Verkehr: dem Eindruck der Wahlniederlage veranlaßt, in der Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! rot-grünen Ecke zu verschwinden? Eigentlich ist diese heutige Diskussion typisch für Diskussionen über Technik, über Fortschritt, über (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Industriestandort in Deutschland. Widerspruch bei der SPD) (Eduard Oswald [CDU/CSU]: So ist es!) Oder sind Sie nicht bereit, sich weiterhin Zukunftsge- Auf Ihrer Seite bestimmen die Bedenkenträger das danken zu öffnen, so wie das in Ihren politischen Bild. Äußerungen immer wieder zum Ausdruck kommt? (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das sitzt!) Meine Damen und Herren, wer will in Deutschland Bei ruhiger und seriöser Betrachtung weiß jeder, der eigentlich den Anspruch erheben, in die Zukunft sich damit beschäftigt hat, daß der Energieverbrauch hineinzuführen, wenn er sich am entscheidenden des Transrapid bei vergleichbarer Geschwindigkeit Punkt in Details von Fahrgastprognosen und in tech- um ein Drittel geringer ist als bei der Bahn, nische Einzelheiten verzettelt und zu einem großen Wurf überhaupt nicht mehr fähig ist? (Dr. Margrit Wetzel [SPD]: Aber er soll doch (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) schneller sein!) Wie wollen wir dann eigentlich Arbeitsplätze schaf- weiß jeder, der sich damit beschäftigt hat, daß die fen, Zukunft sichern und Technologien durchset- Lärmentwicklung des Transrapid bei vergleichbarer zen? Geschwindigkeit geringer ist als bei der Bahn, weiß jeder, der sich damit beschäftigt hat, daß wir ein ( [SPD]: Der Teufel steckt im Gesetz vorlegen, das genau entlang dem von den Detail!) großen politischen Kräften gemeinsam durchgesetz- Kollegin Wetzel, wenn Sie hier sagen, Sie seien von ten neuen Planungsrecht geht, keinen Zentimeter der Technologie fasziniert — ja, meine Damen und mehr, keinen Zentimeter weniger. Herren, es fehlt in Deutschland nicht an tüchtigen Tüftlern, an guten Erfindern, an phantasievollen Inge- (Zuruf von der CDU/CSU: Die haben das nieuren, es fehlt in Deutschland an der Kraft, gute immer noch nicht verstanden!) Entwicklungen und Erfindungen auch wirtschaftlich Oder wollen die Sozialdemokraten plötzlich — viel- und politisch durchzusetzen. leicht auch wiederum unter dem Eindruck von Wahl- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) ergebnissen — wieder hinter die Fortschritte, die wir Glauben Sie doch nicht, daß es sich hier um eine rein beim Planungsrecht gemeinsam im Vermittlungsaus- politische Überlegung handelt! Glauben Sie denn, schuß am 27. Oktober 1993 durchgesetzt haben, daß die Chefs von Siemens, die Chefs von Thyssen zurück? Wollen Sie wirklich, weil Sie nicht mehr und viele andere Verantwortliche in der Wirtschaft, glauben, Mehrheiten in Deutschland erringen zu die sich zur ausschließlich privatwirtschaftlichen können, die eigene Klientel pflegen und die rot-grüne Finanzierung des Betriebs des Transrapid bereit Nische ausleuchten, oder wollen Sie für die Arbeit- erklärt und dazu ein seriöses Konzept erarbeitet nehmer, für die Menschen in Deutschland Zukunfts- haben, dieses wegen politischer S trategien tun? Nein, strategien durchsetzen und Zehntausende Arbeits- sie machen es, weil sie glauben, daß auch sie einen plätze schaffen? Sie müssen sich entscheiden. Eine Beitrag leisten müssen, um große Technologien in Wischiwaschi-Politik genügt bei diesem Thema wirk- Deutschland durchzusetzen und weil sie davon über- lich nicht. zeugt sind, daß sich die Überlegung am Ende auch als (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — rentabel herausstellen wird. Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das tut weh!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Natürlich ist es richtig: Es gibt gute verkehrspoliti- Wenn vorhin — ich sehe das als eine Einheit — in sche Gründe für diese Entscheidung. Aber aus rein der Debatte über die Lkw-Gebühr gesagt worden ist, verkehrspolitischen Gesichtspunkten heraus könnten daß wir mehr Verkehr von der Straße auf spurgeführte wir auf dieser Strecke auch das Hochgeschwindig- Systeme holen müssen — meine Damen und Herren, keitsnetz des ICE bauen. Das würde etwa gleich viel was sind denn eigentlich diese Reden alle wert, wenn kosten. das Denken von manchen hier im Raum an den Eisenbahnschwellen steckenbleibt? (Dr. Margrit Wetzel [SPD]: Richtig! — Dr. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Klaus-Dieter Feige [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!) Sagen wir es doch einmal ganz offen: In Ihrer Fraktion gibt es doch viele aufgeschlossene Geister, In Wahrheit entscheiden wir uns auf dieser Strecke für die sich für den Transrapid ausgesprochen haben, eine Ergänzung der klassischen Rad-Schiene-Tech- z. B. Rudi Walther. nik mittels der Magnetbahn, weil wir der Meinung sind, daß es sich auch um eine große industrie- und (Horst Friedrich [F.D.P.]: So ist es!) technologiepolitische Entscheidung handelt. Es han- Ich darf einmal die Forschungspolitiker, Herrn Vosen delt sich schlicht um die Frage, ob wir eine Technik, in und andere, die sich dazu positiv geäußert haben, der wir nachgewiesenermaßen in der Entwicklung fragen: Kann es denn sein, daß eine abendlich fünf Jahre vor den Japanern liegen, in Deutschl and schlecht besuchte Fraktionssitzung der SPD Sie unter durchsetzen. Denn nur wenn wir sie in Deutschland Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20315

Bundesminister Matthias Wissmann durchsetzen, hat sie auch auf den Weltmärkten eine Büttel von wirtschaftlich mächtigen Einzelinteressen Chance. wird? (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Wie wollen wir eigentlich — uns geht es doch allen Liste) um künftige Arbeitsplätze — auf den Weltmärkten Bei der heute anstehenden Entscheidung sind wir mit Produkte verkaufen, wenn es sich nicht um technolo- diesen beiden Fragen konfrontiert. gieintensive Produkte handelt? Wie wollen wir auf Wir, die SPD-Fraktion, haben versucht, Fakten, den Weltmärkten eigentlich Erfolg haben, wenn wir Daten und Informa tionen herbeizuschaffen, damit der nicht bereit sind, auch Risiken in Kauf zu nehmen? Es stellt sich doch keiner vor Sie, der bestreitet, daß in Deutsche Bundestag eine sachliche, an den Fakten orientierte und damit vernünftige Entscheidung tref- dieser Entscheidung auch Risiken liegen. Aber zu fen kann. Dem diente im Mai eine neuerliche Exper- diesen Risiken haben sich Poli tik und Wirtschaft, und zwar unter sehr sorgfältiger Berechnung aller Progno- tenanhörung, eine der interessantesten und präzise- sten Anhörungen, die ich bisher erlebt habe. Sie war sen, gemeinsam entschlossen. Erfreulicherweise steht zugleich im Ergebnis eindeutig und für das geplante die Transrapid-Planungsgesellschaft kurz vor ihrer Projekt vernichtend. Gründung. Ich nehme noch einmal ein Schlüsselwort auf: Für (Horst Friedrich [F.D.P.]: Das kommt auf den den Betrieb des Transrapid gibt es keine Steuermark. Standpunkt der Sicht an!) Der Transrapid fährt mit S trom, nicht mit Subventio- Auch wer wie viele in meiner Fraktion viel für nen. Magnetbahntechnik übrig hat, wer diese Verkehrs- (Beifall bei der CDU/CSU — Albrecht Mü ller technik für zukunftsträchtig hält, muß nach der [Pleisweiler] [SPD]: Wann sind Sie denn mit gemeinsamen Anhörung von Experten feststellen: der Bahn gefahren? — Dr. Klaus-Dieter Feige Erstens. Das konkrete Projekt Transrapid Berlin- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja so Hamburg rechnet sich nicht. Die Erlöse, der Bedarf, etwas von unsachlich!) die Fahrgastzahlen und die zu erzielenden Preise sind Welche vernünftigen Gründe gibt es eigentlich weit überschätzt, die Kosten sind weit unterschätzt. — abgesehen von den üblichen Bedenken, die man (Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Ein hat, wenn man glaubt, auch in Zukunft in der Oppo- zelmeinungen!) sition sein zu müssen — gegen eine solche Zukunfts- entscheidung? In Wahrheit gibt es keine. Deswegen Zweitens. Das Finanzierungskonzept der Bundes- bitte ich, daß die verantwortlichen Kräfte in Ihrer regierung und der Industrie ist nicht mehr haltbar; es Fraktion, die sich früher ja für den Transrapid geäu- ist zusammengebrochen. ßert haben, auch heute einmal die Stimme erheben, (Widerspruch bei der CDU/CSU und der damit wir das wahre Bild kennen. F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Drittens. Die export- und industriepolitischen Erwartungen und die Hoffnung auf Arbeitsplätze müssen als weit überzogen bezeichnet werden. Auf Vizepräsident Helmuth Becker Meine Damen und Grund falscher Produktivitätsannahmen werden die Herren, nächster Redner ist jetzt unser Kollege Arbeitsplatzeffekte z. B. für Ostdeutschland um das Albrecht Müller. Dreifache überschätzt. Viertens. Das Projekt der Magnetschwebebahn von Albrecht Müller (Pleisweiler) (SPD): Herr Präsident! Hamburg nach Berlin ist verkehrspolitisch äußerst Meine Damen und Herren! Ich muß eine Vorbemer- fragwürdig. Das sieht Herr Wissmann genauso. Die kung machen. Der Herr Minister hat, als mein Kollege Transrapidplanung sieht nämlich zur Vermeidung Gibtner redete, sehr bedenklich den Kopf gewiegt. Ich von Wettbewerb vor, die Schienenverbindung Ham- habe gedacht, es wäre ein Signal für den Charakter burg-Berlin aus dem europäischen Hochgeschwin- dieser Debatte, daß man sachlich über die Dinge digkeitsnetz auszuklinken, obwohl es anders billiger reden kann. Jetzt habe ich eine Wahlkampfrede wäre. gehört, bei der dieses schwierige Problem gerade (Horst Friedrich [F.D.P.]: Die war nie anders nicht mit sachlichen Argumenten, sondern mit Etiket- geplant!) ten angepackt worden ist. Das ist auf keinen Fall akzeptabel. (Eckart Kuhlwein [SPD]: Ein ziemlich plum- per Wahlkampf!) Deshalb haben wir einen Entschließungsantrag ein- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe heute das gebracht, in dem die Bundesregierung aufgefordert zweifelhafte Vergnügen, mich bei meiner wahr- wird, die Schienenverbindung Hamburg-Büchen- scheinlich letzten Rede im Deutschen Bundestag mit Berlin für eine Entwurfsgeschwindigkeit von minde- zwei Fragen zu beschäftigen, die mich während stens 200 km/h zu realisieren und die notwendigen meiner bisherigen Arbeit in Bonn immer wieder Investitionsmittel dafür bereitzustellen. Wir sind dabei bedrängt haben. Das ist zum einen die Frage: Wie übrigens offen, die andere Alterna tive der Linienfüh- rung zu prüfen. schaffen wir es, mehr Vernunft, auch mehr ökonomi- - sche Vernunft in politische Entscheidungen einzu- Fünftens. Die Verknüpfung zwischen dem Transra- bringen? Das ist zum anderen die Frage: Wie können pid und den übrigen Verkehrsträgern sowie die Ein- wir unser Volk davor bewahren, daß der Staat zum fädelungen in die Städte sind in keiner Weise geklärt. 20316 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Albrecht Müller (Pleisweiler) Das konnte und wollte die Bundesregierung auch nen Betriebe, der Mittelstand und die Arbeitnehmer nicht klären, weil sie, wenn sie dieser ihrer Pflicht — die Kleinen — die Zeche bezahlen sollen. Der Staat genügt hätte, einen verkehrs- und finanzpolitischen im Griff von privaten Interessen — das ist die Melodie, Offenbarungseid hätte leisten müssen. die wir in Variationen von dieser Bundesregierung (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke immer wieder vorgespielt bekommen. Liste) (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ Sechstens. So ergeben sich unabsehbare Risiken für CSU]: Von welcher Republik reden Sie den öffentlichen Haushalt und für den Steuerzahler. denn?) Es ergeben sich finanzielle Risiken, die weit über die Stamokap in Bonn — wem dieses Urteil ungerecht in Ihrem sogenannten Finanzierungskonzept genann-- erscheint, der möge im schon erwähnten Be richt der ten Beträge von 5,6 Milliarden DM hinausgehen. Das Bundesregierung über das Finanzierungskonzept der ist schon heute erkennbar: Der Transrapid von Ham- Magnetschwebebahnverbindung Berlin-Hamburg burg nach Berlin wird zum Faß ohne Boden. nachlesen, was dort im Kapitel 7 über Zukunftsper- Siebtens. Die Magnetschwebebahn wird zum Klotz spektiven, über Exportchancen und Arbeitsplätze zu am Bein der Deutschen Bundesbahn. Kaum in die lesen steht. Da beruft sich die Bundesregierung stets Privatisierung entlassen, wird sie von Ihnen zur und gänzlich wie selbstverständlich auf das Urteil der „schwarzen Kasse" degradiert. Sie bürden der Bahn Industrie und der Wirtschaft. Zu einem eigenen Urteil z. B. die Verpflichtung auf, sich auf der Rad-Schiene- ist diese Bundesregierung auch bei einem Projekt, das Strecke Hamburg-Berlin entgegen den marktwirt- mindestens 5,6 Milliarden DM kostet, nicht willig und schaftlichen Gesetzen des Wettbewerbs zu verhalten. nicht fähig. Die Bahn soll ihre Chance in der Rad-Schiene- (Zurufe von der SPD: Jawohl! — Widerspruch Technik bewußt nicht nutzen. Sie soll nicht investie- bei der CDU/CSU und der F.D.P.) ren, die Preise hochhalten, und dann soll sie auch noch die Löcher stopfen, die in Ihrem unsoliden Finanzie- — Lesen Sie es nach! Es ist jämmerlich, was dort rungskonzept ständig neu aufreißen. steht. (Zustimmung bei der SPD) (Horst Friedrich [F.D.P.]: Das ist Ihre Ein schätzung!) In der Anhörung wurde der Bundesregierung von Wissenschaftlern, die der Koali tion ansonsten poli- Diese Abhängigkeit von Bewertungen und Empfeh- tisch nahestehen, ins Stammbuch geschrieben, „daß lungen der Wirtschaft ist im konkreten Fall der Trans- sie ihrer Pflicht nicht gerecht wird, die wirtschaftlich- rapid-Strecke Berlin-Hamburg besonders bedenk- ste Lösung von Verkehrsproblemen zu suchen", wie lich, weil die Ignoranz mancher der politisch Verant- es wörtlich heißt. Es wurde bestätigt, daß die Bundes- wortlichen nur noch von der unsoliden und schwa- regierung unseriös und unsolide rechnet. chen Argumentation der interessierten Manager und Wirtschaftsführer übertroffen wird. Ein trauriger (Horst Friedrich [F.D.P.]: Wer sagt das?) Beleg dafür war das Hearing vom 18. Mai. Für manche Dennoch, der Deutsche Bundestag soll heute ein dieser Leute, die da aufgetreten sind, mußte man sich Projekt befürworten, von dem Sie in Ihrem sogenann- schämen. ten Finanzierungskonzept selbst schreiben: (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Die Kostenrisiken für den Bundeshaushalt sind Liste) zur Zeit zahlenmäßig nicht abschätzbar. Man kann angesichts der geplanten staatlichen An anderer Stelle heißt es: Stützung ja verstehen, daß die p rivate Wirtschaft die Da die Rentabilitätsrechnungen vom Verhalten kaufmännische Vorsicht außer acht läßt. Wenn in der konkurrierenden Verkehrsträger Eisenbahn Wirtschaft und Poli tik über die Auswahl von förde- und Luftverkehr abhängen, ist eine endgültige rungswürdigen zukunftsträchtigen Technologien auf Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Magnet- dem Niveau argumentiert und entschieden wird, wie bahn zur Zeit nicht möglich. wir das beim Transrapid-Projekt Hamburg-Berlin erlebt haben, dann ist es schlecht um unsere Indu- (Horst Friedrich [F.D.P.]: Richtig!) strie- und Forschungspolitik bestellt. Dazu wi ll ich Eine endgültige Beurteilung der Wirtschaftlichkeit noch ein paar Anmerkungen machen. ist nicht möglich, aber der Steuerzahler soll zahlen. Die Bundesregierung gibt Milliarden für For- Das Finanzierungskonzept stimmt hinten und vorn schungs- und Technologieförderung aus. Das halten nicht, dennoch peitschen Sie die Entscheidung wir für richtig. Aber sie hat es bisher nicht geschafft durch. und weigert sich wohl auch, eine wirklich moderne (Beifall bei der SPD — Horst F riedrich und intelligente Industrie- und Forschungspolitik zu [F.D.P.]: Das hat doch mit der Strecke nichts entwickeln. Deshalb hat Herr Grünbeck ja auch nicht zu tun!) zugestimmt. Fast nichts spricht für dieses konkrete Projekt, und (Beifall bei der SPD) dennoch soll es nach dem Willen der Koalition gebaut Dabei ist dies eine Aufgabe von existentieller werden. Bedeutung. Je härter nämlich der inte rnationale Wett- Das hat etwas damit zu tun, daß sich bei uns im Land bewerb wird, um so wichtiger ist es, die knappen große, mächtige Interessen auch gegen wirtschaftli- Mittel intelligent einzusetzen, um so wich tiger ist es, che Vernunft durchzusetzen vermögen und die klei- sich ein eigenes Urteil über die Ch ancen von Deutscher Bundestaa — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn. Donnerstag, den 16. Juni 1994 20317

Albrecht Müller (Pleisweiler) Zukunftstechnologien zu verschaffen. Eine moderne Ziel unserer Verkehrspolitik ist die Sicherung von und intelligente Industrie- und Forschungspolitik ver- Mobilität. Die Stärkung umweltfreundlicher Ver- langt von uns politisch Verantwortlichen mehr als das kehrsträger oder die Einführung eines neuen Ver- naive Beeindrucktsein von großen Milliardenprojek- kehrsträgers gehört unbedingt dazu. Der Transrapid ten und vom Faszinosum neuer Technik. wird dazu beitragen, Verkehr von der Straße und aus (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke der Luft auf den spurgeführten Verkehr zu verla- Liste) gern. Von uns werden Phantasie und Nüchternheit ver- (Eckart Kuhlwein [SPD]: Für diese Rede soll langt, Perspektive nach vorn und auch der Mut zum ten Sie Rabatt bekommen!) Rechnen. - Neben der neuen Technologie geht es auch um (Horst Friedrich [F.D.P.]: Dazu gehören Sie Wachstum und Beschäftigung in Deutschland. Wer nicht!) sich so wie die SPD bei der Einführung neuer Tech- nologien verweigert, hat meines Erachtens kein Statt sich auf die Bewertungen und Empfehlungen Recht, über fehlende Arbeitsplätze zu klagen. festgefugter und wohlorganisierter Interessengrup- pen zu berufen, sollte die Bundesregierung endlich (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge die Beratung unabhängiger Experten organisieren, ordneten der F.D.P.) die uns bei der schwierigen Aufgabe helfen, die Mit dem Transrapid werden selbst bei vorsichtiger knappen Mittel staatlicher Technologieförderung Schätzung voraussichtlich zwischen 8 000 und 10 000 dorthin fließen zu lassen, wo wirkliche Zukunftschan- Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen. cen liegen. Meine Damen und Herren, da ich aus Nü rnberg Wenn Sie die Entscheidung heute in Ihrem Sinne komme, wo am 7. Dezember 1835 die erste deutsche durchpeitschen, dann werden Sie — anders, als Sie es Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth gefahren ist, erwarten — die Technologiefeindlichkeit fördern. möchte ich nur daran erinnern, daß es in der damali- (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ gen Zeit bei der Ablösung der Pferdebahn durch die Dampflok auch einen harten Kampf zwischen Befür- CSU]: Sie stellen doch die Dinge völlig auf den Kopf!) wortern und Gegnern der neuen Technologie gab. Aber unsere Vorväter berechneten damals schon das — Hören Sie einmal gut zu! — Sie werden ein Projekt Verkehrsaufkommen und ließen nach nahezu moder- realisieren, das unwirtschaftlich und verkehrspoli- ner Art, so wie wir das heute machen, eine Art tisch sinnlos ist. Ich glaube nicht, daß man damit die Kosten-Nutzen-Analyse erstellen. Man rechnete da- Öffentlichkeit und potentielle Kunden im Jahre 2005 mals mit Kosten von 132 000 Gulden. Der Baubeginn oder 2010 von diesem Projekt überzeugen könnte. konnte allerdings erst im März 1835 sein — die Insofern erweisen Sie mit diesem konkreten Projekt Gesellschaft hatte sich 1833 gegründet —, da sich der der Magnetschwebebahntechnik einen Bärendienst. Grunderwerb über ein Jahr hinzog. Parallelen sind (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und heute durchaus vorhanden, doch damals ging alles dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) viel schneller.

Vizepräsident Helmuth Becker Meine Damen und Vizepräsident Helmuth Becker: Frau Kollegin Herren, jetzt hat unsere Frau Kollegin Renate Blank Blank, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen das Wort. Hasenfratz?

(CDU/CSU): Herr Präsident, ich (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Renate Blank, Renate Blank gestatte keine Zwischenfrage, denn ich habe heute Damen und Herren! Die Magnetschwebebahn wurde schon einmal Beifall von der falschen Seite erhalten als zukunftsweisendes Transportsystem, das einen und möchte dies nicht wiederholen. wirksamen Beitrag zur umweltschonenden Bewälti- gung des wachsenden Verkehrsaufkommens leisten (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) kann, in den ersten gesamtdeutschen Bundesver- Sogar die Erhöhung der Gesamtkosten auf 200 000 kehrswegeplan als fünfter Verkehrsträger aufgenom- Gulden konnte verkraftet werden. Allerdings erhielt men. Der Transrapid wird mit dem übrigen Verkehrs- der Lokführer damals mehr Gehalt als der Direktor der netz optimal verknüpft werden, also sowohl mit dem Gesellschaft! Dies hat sich heute ja gründlich geän- öffentlichen Verkehrssystem als auch mit dem Indivi- dert — zu Ihrem Vorteil, Kollege Daubertshäuser. dualverkehr. „Gott sei Dank" haben damals unsere Vorfahren Mit der Ablehnung des von Ihnen, meine Kollegin- zukunftsweisender gedacht als derzeit SPD und nen und Kollegen von der SPD, Anfang der 70er Jahre Grüne in Deutschland. Nehmen Sie sich doch ein forcierten Vorhabens Transrapid verabschiedet sich Beispiel an dem damaligen Mut der Zuständigen, die SPD jetzt ganz von neuer Technologie. meine Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) und stimmen Sie den Gesetzen zum Einsatz neuer Technologie zu! Wer die neue Magnetschwebetechnik, für die deut- sche Firmen noch einen Technologievorsprung von (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge etwa 5 Jahren besitzen, vermarkten will, muß sie auch ordneten der F.D.P.) im eigenen Lande zu nutzen bereit sein. Durch den Einsatz des Transrapid können Zukunftstechnologien Vizepräsident Helmuth Becker: Nun hat unser Kol- im öffentlichen Verkehrssystem gesichert werden. lege Dirk Fischer das Wort. 20318 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Dirk Fischer (Hamburg), (CDU/CSU): Herr Präsi- Videosimulation vorführen läßt, nach dem Motto: Ich dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die bin begeistert; schön wäre es gewesen. Das wollte Verabschiedung des Magnetschwebebahnplanungs- Schorsch Leber mit Sicherheit nicht. gesetzes ist der Beginn einer neuen Ära im Bereich der (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Verkehrstechnik und der Verkehrspolitik. Transrapid Denn, meine Damen und Herren, die jetzige SPD ist der Beweis für weltweiten Technologievorsprung Opposition ist eben doch eine Ansammlung von Deutschlands in der Magnetschwebebahntechnik, ausgesprochen kleinmütigen Nachfahren des (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Schorsch Leber. für die Innovationstechnik unserer Industrienation (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) und für den Mut zur Zukunftssicherung des Industrie-- und Wirtschaftsst andorts Deutschlands. Vizepräsident Helmuth Becker: Gestatten Sie eine (Dr. Dionys Jobst [CDU/CSU]: Sehr wahr!) Zwischenfrage des Kollegen Catenhusen? Dieses System wird mit der Verbindung der beiden größten Metropolen Hamburg und Berlin den Nach- Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): Gerne, ja. weis erbringen, daß der Transrapid bei einer Reisezeit von unter einer Stunde gegenüber dem Pkw und vor Vizepräsident Helmuth Becker: Bitte, Kollege allem dem Flugzeug konkurrenzlos überlegen sein Catenhusen. und gerade die erwünschten Umsteigeeffekte auslö- sen wird. Wolf-Michael Catenhusen (SPD): Lieber Kollege Günstige Perspektiven der beiden größten deut- Fischer! Lieber Dirk! Ich glaube, die Frage der Klein- schen Städte und der Technologie des Transrapid sind mütigkeit könnte man auch im Vergleich zu den begründet im überdurchschnittlichen wirtschaftli- Japanern sehen. Deshalb frage ich einmal: Könnte chen Wachstum, das prognos tiziert wird, und in einer man sich nicht doch unter Weglassung vieler ideolo- großräumigen Verkehrsverlagerung dadurch, daß mit gischer Nebelkerzen die S trategie der Japaner zum dem Transrapid über Hamburg, Schwerin nach Berlin Vorbild nehmen, die sich überlegt haben, das, was sie für Reisende der gesamten Region ein attraktives Anwenderstrecke nennen, als eine 40 bis 45 Kilometer Angebot gemacht wird, daß mit dem Transrapid lange Strecke innerhalb der nächsten acht bis zehn Projekt in der Bauphase über 10 000 Arbeitsplätze Jahre zu bauen, damit die Technik zwar in Anwen- gesichert oder geschaffen werden und daß dann auch dungsreife erprobt werden kann, damit aber gleich- in der Betriebsphase erhebliche posi tive Arbeits- zeitig nicht zu große Investitionssummen gebunden markteffekte auf Dauer entstehen. werden, bevor man eine Systementscheidung trifft? Ist Meine Damen und Herren, Deutschland braucht das nicht vielleicht intelligenter? gerade in der gegenwärtigen Situa tion dringend wirt- (Zuruf von der CDU/CSU: Die haben doch schaftliche und technologische Zukunftsimpulse. Die- eine andere Technik!) jenigen, die unfähig sind, diese zukunftsorientierte Politik als einen Baustein für die Zukunftssicherung Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): Also, Herr des Standortes Deutschl and und Europas zu unterstüt- Kollege, vielleicht sollte am Ende die Stimme doch zen, müssen sich entweder den Vorwurf der prinzi- hochgezogen werden, damit daraus noch eine Frage piellen Technologiefeindlichkeit, wie geschickt auch wird. immer verpackt, Ich weiß, daß wir gegenüber den Japanern den (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!) entscheidenden Nachteil haben, daß wir entweder oder aber den Vorwurf des Mangels an Mut und — der Kollege Friedrich hat dafür erstklassige Bei- Entscheidungsbereitschaft gefallen lassen. spiele genannt — überhaupt nicht den Mut haben, aus (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) einer bahnbrechenden Entwicklung am Ende auch in der Vermarktung einen Erfolg zu machen, oder aber daß wir für die Umsetzung so viel Zeit benötigen, daß Vizepräsident Helmuth Becker: Herr Kollege am Ende andere Wettbewerber uns den R ang abge- Fischer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kolle- laufen und unseren Zeitvorsprung eingeholt haben. gen Albrecht Müller? Dies ist der entscheidende Nachteil unseres Landes, gerade gegenüber dem Hauptwettbewerbsland Ja- Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): Ich möchte pan. zunächst meine Ausführungen fortsetzen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Ich möchte darauf hinweisen, daß dieses Unter- nehmen mit einer Präsentation des Modells durch Vizepräsident Helmuth Becker: Gestatten Sie noch Schorsch Leber in München startete. Das heißt also, eine Zwischenfrage, des Kollegen Albrecht Müller? heute arbeiten und entscheiden wir hier in memo riam Schorsch Leber als Verkehrsminister. Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): Bitte. (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Der ist noch nicht tot!) Vizepräsident Helmuth Becker: Bitte. Es ist von ihm ja wohl nicht die Absicht verfolgt worden, einen Prototypen für das Deutsche Museum Albrecht Müller (Pleisweiler) (SPD): Herr Kollege, in München herzustellen, in dem dann hinterher Frau wollen Sie mit der Vermarktung im Jahre 2010 begin- Dr. Wetzel sitzt und sich eine Fahrt sozusagen per nen, wenn diese Referenzstrecke fertig ist, oder ist es Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20319

Albrecht Müller (Pleisweiler) nicht viel produktiver, früher zu beginnen und heute nungsgesetz gleich ab. Das kann wohl insgesamt nicht zu versuchen, dieses Projekt zu vermarkten? zueinander passen. (Zurufe von der F.D.P.: Beides! — Unterstützt Meine Damen und Herren, ich will mich über dieses es doch! — Zustimmung!) Wirrwarr der SPD in der gesamten Verkehrspolitik nicht weiter auslassen: Mineralölsteuer, Tempolimit, die Frage „Will man nun Straßenbau, oder will man keinen haben?". Da könnte man Zitate in Hülle und Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): Ich glaube, es Fülle wie in einem Pingpongspiel nacheinander kann nicht darum herumgeredet werden: Wir müssen, anführen. Da weiß die Linke nicht, was die Rechte tut, damit wir überhaupt Exportchancen haben, zeigen, und Sie sind alle unterschiedlicher Auffassung. daß dieses System technologisch funktioniert. Der - Nachweis ist geführt worden; die Zulassung ist ja (Beifall bei der CDU/CSU — Eckart Kuhl gegeben worden. Es ist einsatzbereit. Nun müssen wir wein [SPD]: Und Sie erfinden jeden Tag zeigen, daß es auch in der Akzeptanz der Nutzer und einen neuen Großflughafen!) betriebswirtschaftlich zu einem Erfolg gemacht wer- Ich will das mit einem wunderschönen Zitat des den kann. Wenn wir diesen Mut und diese Risikobe- Kollegen Ost zusammenfassen, der das in den letzten reitschaft nicht haben, können wir im Ausland von Tagen aufgeschrieben hat: niemand anderem den Mut verlangen, zu dem wir SPD-Verkehrspolitik liest sich wie eine Speise- nicht fähig sind. Das ist das Entscheidende. karte auf Kuba: Es wird viel angeboten, aber es ist (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) wenig zu haben. Meine Damen und Herren, die SPD-Opposition hat (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und in der Frage Transrapid stets widersprüchliche Posi- der F.D.P.) tionen eingenommen. Herr Vosen als forschungspoli- tischer Sprecher unterstützt grundsätz lich das techni- Vizepräsident Helmuth Becker: Herr Fischer, sche System Transrapid. Die Arbeitsgruppe Verkehr gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen der SPD macht in Fundamentalopposition und lehnt Kuhlwein? alles ab. Ihr Sprecher Klaus Daubertshäuser schreibt vor fast fünf Jahren ein Buch, in dem steht: Diese Entwicklung Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): Bitte schön, ist „so weit fortgeschritten, daß in absehbarer Zeit Herr Kuhlwein. ihrer Anwendung in der Praxis, d. h. zunächst auf (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Woher kennt einer Schnellbahnstrecke des Fernverkehrs" — Kol- der Ost Kuba?) lege Müller, Kollege Catenhusen: des Fernverkehrs; das hat doch der Kollege Daubertshäuser vor fünf Eckart Kuhlwein (SPD): Herr Kollege Fischer, was ist Jahren ins Stammbuch der SPD geschrieben —, eigentlich aus der Verlegung des Hamburger Flugha- „nichts mehr im Wege stehen sollte". fens und dem Bau eines neuen Großflughafens ost- (Zuruf von der CDU/CSU: Weitsichtiger wärts von Büchen geworden, dem Konzept, das Sie im Mann! — Albrecht Müller [Pleisweiler] Wahlkampf 1990 als verkehrspolitischer Sprecher [SPD]: Er unterscheidet sich von Ihnen Ihrer Bundestagsfraktion so engagiert vertreten dadurch, daß er lernfähig ist!) haben? Vor fünf Jahren verlangte Daubertshäuser: Jetzt r an. (Heiterkeit bei der SPD) Fünf Jahre später wird hier in Fundamentalopposition gemacht. Ich würde in aller Bescheidenheit, geschätz- Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): Herr Kollege ter Herr Kollege Daubertshäuser, doch empfehlen, Kuhlwein, da haben Sie vielleicht jemand anderen im den Titel von „Kurs 2000" in „Bauchklatscher 1994" Auge. umzubenennen. (Eckart Kuhlwein [SPD]: Nein, nein!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Mit der Art Wenn Sie vielleicht Herrn Voscherau zitiert hätten, und Weise haben Sie schon in Hamburg würde es zutreffend sein. verloren!) (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und Der Kollege Friedrich hat das widersprüchliche der F.D.P.) Verhalten in den Fachausschüssen — Haushaltsaus- Meine Auffassung ist seit Jahren unverändert: das schuß, Rechtsausschuß — genannt. Scharping ist Eintreten für Kaltenkirchen. In Hamburg weiß auch offenbar überhaupt nicht in der Lage, eine Linie in jeder, daß ich für dieses Projekt unverändert ein- seiner Partei herzustellen. Der Gipfel der Wider- trete. sprüchlichkeit ist, daß man aus einem Hochgeschwin- (Eckart Kuhlwein [SPD]: Sie sagen im digkeitssystem für lange Distanzen eine Vorortbahn Augenblick nicht die Wahrheit!) von Berlin nach Jüterbog machen will. Aber da Sie so schön zwischenfragen, muß ich (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — einmal sagen: Ihre Fundamentalopposition zu Trans- Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Nun plustern rapid hat dazu geführt, daß der Wähler Ihnen am Sie sich doch nicht so auf!) letzten Sonntag in Schleswig-Holstein schon einmal Diese Vorortbahn wollen Sie dann wohl noch ohne über 8 % abgezogen hat Planungsgesetz machen, denn Sie lehnen das Pla- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) 20320 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Dirk Fischer (Hamburg) und in dem Planungsraum Ihres Wahlkreises überpro- den Bau der ökonomisch und verkehrspolitisch unsin- portionale Verluste, die noch weit über dem Landes- nigen und deshalb ökologisch auch nicht verantwort- schnitt liegen, beschert hat. Ich finde, das ist eine baren Strecke Hamburg-Berlin ausgestellt wird. deutliche Antwort des Wählers. Ich stimme gegen das Gesetz, weil die Menschen in (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — der stark belasteten Region östlich von Hamburg Dr. Dagmar Enkelmann [PDS/Linke Liste]: — dasselbe dürfte auch für den Ballungsraum um Sprechen Sie einmal mit Ihren Ortsvorsitzen Berlin gelten — nicht bereit sind, ein zusätzliches den! Die haben eine ganz andere Mei Verkehrssystem im Fünfminutentakt zu akzeptieren, nung!) für das es offensichtlich keinen Bedarf gibt. Der Eine Partei, die in der Verkehrspolitik ein so ex tre- - Kollege Gibtner hat dies heute noch einmal bestätigt. mes Hü und Hott veranstaltet und soviel Widersprüch- Diese Menschen wollen nicht Versuchskaninchen in lichkeit und Entscheidungsunfähigkeit an den Tag einem Ausstellungspark werden. legt, ist nach meiner Auffassung für die Aufgabe der Ich stimme gegen das Gesetz, weil der Transrapid Gestaltung der deutschen Verkehrspolitik absolut die Anbindung Hamburgs, Schleswig-Holsteins und ungeeignet. Teilen von Skandinavien, insbesondere Kopenha- (Beifall bei der CDU/CSU) gens, an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz verhindert. Diese Anbindung ist nur über die Rad- Am Transrapid zeigt sich, wer in der Poli tik die Kraft Schiene-Technik möglich, die die Bundesregierung und die Kompetenz besitzt, die verkehrs- und wirt- mit der Rückstufung der Bahnstrecke auf 160 km pro schaftspolitischen und technologischen Vorteile des Stunde, d. h. nur noch alle zwei Stunden Interregio Transrapid für unser Land zu nutzen. Die Bundesre- und kein Intercity, vernachlässigen will. gierung wird gemeinsam mit Industrie und Banken die Chancen und auch die Risiken eines einzigartigen Als Bundeskanzler Kohl dem russischen Präsiden- innovativen Infrastrukturprojektes teilen, der eine in ten Jelzin eine Hochgeschwindigkeitsstrecke Paris- der Fahrwegsverantwortung, der andere in der Moskau in Aussicht stellte, hat er an Rad-Schiene- betrieblichen Verantwortung. Wer an dieser Stelle Technik gedacht, vom Transrapid war nicht die Rede. dem Transrapid die Zustimmung verwehrt, wird nicht Dies hatte seine guten Gründe. in der Lage sein, für künftige Genera tionen die Ich stimme gegen das Gesetz, weil es keine Antwort Verantwortung politisch zu übernehmen. auf die Frage gibt, wie und auf wessen Kosten der (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr!) Transrapid mit dem ÖPNV verbunden werden soll. Ich bin sicher, daß die Bundesregierung von Ländern und Ich möchte Sie in aller Bescheidenheit sehr herzlich Gemeinden an der Trasse, die ohnehin finanziell darum bitten, der Region Norddeutschland die einma- gebeutelt sind, erwartet, daß sie ihre ÖPNV-Planun- lige Zukunftschance in einem nicht gerade überent- gen darauf abstellen und dies auch noch finanzieren. wickelten Bereich nicht kaputtzumachen, das techno- Sonst wäre in der Unterrichtung der Bundesregierung logische Schaufenster für die ganze Welt zu sein und über die Kosten etwas gesagt worden. damit auch kräftige regionalwirtschaftliche Impulse zu bekommen. Wir sind darauf angewiesen. Ich stimme schließlich gegen das Gesetz, weil ich an die Zukunft denke und weil mir ein vernünftiges Deswegen bitte ich Sie gerade auch als Norddeut- Verkehrssystem mit einer leistungsfähigen Bahn am scher um Ihre Zustimmung zu dem Gesetzentwurf, um Herzen liegt, weil mir die Finanzen des Bundes, der sicherzustellen, daß eine starke Innovationskraft und Länder und der Kommunen am Herzen liegen und weltweiter Technologievorsprung für ein wirtschaft- weil mir die Interessen der Menschen am Herzen lich und sozial florierendes Deutschland des 21. Jahr- liegen, die von der Trasse be troffen sein würden. hunderts auch genutzt werden können. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Helmuth Becker: Meine sehr verehr- ten Damen und Herren, vor der Abstimmung gibt es jetzt drei Wünsche zu Erklärungen nach § 31 der Vizepräsident Helmuth Becker: Zu einer weiteren Geschäftsordnung. Der erste Wunsch stammt vom Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung hat jetzt Kollegen Kuhlwein. Die Redezeit beträgt bis zu fünf der Kollege Josef Vosen das Wort. Minuten. (Jürgen Timm [F.D.P.]: Jetzt erklärt er, daß er ja sagt!) Josef Vosen (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich bei all den Punkten, die hier heute zur Abstimmung stehen, enthalten, Eckart Kuhlwein (SPD): Herr Präsident! Liebe Kol- (Zuruf von der CDU/CSU: Feigling!) leginnen und Kollegen! Es ist nicht verboten, auch dann eine Erklärung abzugeben, wenn m an mit der auch wenn ich seit 30 Jahren Mitglied der sozialde- eigenen Fraktion stimmt. mokratischen Partei bin und das Wort „Solidarität" Obwohl ich ein aufgeschlossener Geist bin, stimme nicht nur in den Mund nehme, sondern auch prakti- ich gegen das Magnetschwebebahnplanungsgesetz, ziere. Ich werde meiner Partei nicht in den Rücken weil es nicht nur der Versuch ist, planungsrechtliche fallen. Grundlagen für die Anwendung einer neuen Techno- (Dr. Dionys Jobst [CDU/CSU]: Aber im Her logie zu schaffen, sondern weil ein Bl ankoscheck für zen sind Sie dafür!) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20321

Josef Vosen Ich denke, daß das, was hier abläuft, ein Trauerspiel denke ich, nicht zusammen entwickeln können. Das ist, und zwar von allen Seiten, weil wir — ich muß das scheint mir in der Tat eine einzige große Wahlkampf- leider sagen — durchaus die drei Monate bis zur aktion zu sein — das ist der Vorwurf an Ihre Adres- Bundestagswahl hätten warten können, um über se —, aber nicht wirklich eine Ak tion zur Einführung dieses Gesetz hier mehrheitlich zu befinden. So kom- des Transrapid. Das wollte ich hier gesagt haben. men wir in den Verdacht — das ist wirklich mein (Zuruf von der F.D.P.: Aber Jupp, deshalb Verdacht —, daß dies eine einzige Wahlkampfge- machen wir es doch vor dem Wahlkampf!) schichte ist. Denn man wird erst nach den neuen Mehrheiten im Deutschen Bundestag eine wirkliche Meine Damen und Solidität für die Zukunft von Transrapid bekommen. Vizepräsident Helmuth Becker: -Herren, die letzte Erklärung gemäß § 31 will jetzt der Wenn wir in 20 Jahren unter fünf sozialdemokra- Kollege Ernst Waltemathe abgeben. tischen Forschungsministern 2 Milliarden DM an Steuermitteln ausgegeben haben, für die auch ich Ernst Waltemathe (SPD): Herr Präsident! Meine Verantwortung trage — ich bin seit über zwölf Jahren Damen und Herren! Die sehr polemische Rede des forschungspolitischer Sprecher —, und das meiner verkehrspolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bun- Meinung nach beste bodengebundene Verkehrssy- destagsfraktion macht es mir schwer, eine ganz nüch- stem für die Zukunft dabei herausgekommen ist terne und sachliche Feststellung zu meinem Abstim- — davon bin ich zutiefst überzeugt —, dann hat dieses mungsverhalten abzugeben. System es nicht verdient, in den Wahlkampf hinein- gezogen zu werden. Ich bin der Meinung, daß wir in Deutschland aus verkehrspolitischen Gründen zwar keinen Transrapid (Beifall bei Abgeordneten der SPD) bräuchten. Aber wenn wir im eigenen Lande eine Ich muß aber kritisieren — das sage ich auch —, daß Forschung mit annähernd zwei Milliarden DM seit die Abänderungsanträge — denen ich nicht zustim- 25 Jahren gefördert haben, die dazu geführt hat, daß men werde; ich werde mich enthalten — hinter das das Ding anwendungsfähig ist, dann müssen wir auch bestehende Planbeschleunigungsgesetz, hinter die bereit sein, das auf einer echten Strecke zu demon- geltende Rechtslage zurückgehen strieren, nicht auf einer Spielstrecke im Emsland, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) und dann müssen wir auch ja sagen zu Investitionen in einen entsprechenden Verkehrsweg. und daß damit das, was wir alle wollen, daß nämlich (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge private Financiers und nicht der Staat diese Sache bauen, unmöglich gemacht wird. ordneten der F.D.P.) Als Mitglied des Haushaltausschusses kann ich im Wenn ich private Investoren haben möchte, muß ich übrigen nicht verstehen, daß man sich darüber auf- ihnen auch die Chance einräumen, innerhalb einer regt, daß wir den Verkehrsweg finanzieren müssen. absehbaren Zeit mit einem Planbeschleunigungsge- Das müßten wir bei jeder Eisenbahnstrecke auch. setz, wie es existiert, zu einem solchen betriebswirt- schaftlichen Ergebnis kommen zu können. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Es ist aber das erste Mal, daß ein öffentliches Ich muß Ihnen sagen: In diesem Gesetzentwurf, dem Verkehrsmittel oder ein ersatzöffentliches Verkehrs- ich aus Solidarität nicht zustimmen werde, steht mittel mit privatem Kapitaleinsatz, mit p rivater Kapi- überhaupt nichts darüber, wo die Strecke gebaut wird; talansammlung betrieben werden soll. hier steht nichts von Hamburg und Berlin. Hier steht (Zurufe von der F.D.P.: Sehr gut!) d eine Strecke gebaut nur drin, daß in Deutschl an Bei der Bundesbahn haben wir jetzt erst vor einigen werden kann. Monaten auf den Weg gebracht, daß nicht alles Ich bin dafür, daß eine solche Strecke in Deutsch- unmittelbar aus dem Bundeshaushalt kommt. land gebaut werden kann. Das muß nicht die Strecke Ich werde also, obwohl ich von dem Gesetz, das hier Hamburg-Berlin sein; da würde ich mich meiner zur Abstimmung steht, in den Einzelheiten nicht Fraktion anschließen. Aber daß eine Strecke gebaut überzeugt bin — es sind da einige Dinge enthalten, die werden kann, ist auch Beschlußlage der SPD-Frak- ich gern anders darin gesehen hätte —, dem Planungs- hon. Wir haben gesagt, wir wollen eine kleinere gesetz zustimmen, weil ich es für richtig halte, daß wir Anwendungsstrecke ohne große finanzielle, techni- überhaupt eine anwendungsbezogene Strecke in sche und politische Risiken verwirklichen. Deutschland errichten. Ich sage ilmen: Die Sache ist nicht eilig. Wir hätten (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — die Monate Zeit, diese Diskussion aus dem Wahl- Zuruf von der CDU/CSU: Zivilcourage!) kampf herauszuhalten. (Zuruf von der F.D.P.: Aber nicht nach drei Vizepräsident Helmuth Becker: Meine Damen und Jahren Diskussion!) Herren, es liegt mir eine weitere schriftliche Erklärung gemäß § 31 der Geschäftsordnung des Kollegen Ich bedaure außerordentlich, daß die Koa lition das Jürgen Koppelin vor, die zu Protokoll gegeben jetzt macht, weil wir damit Gemeinsamkeiten, wurde.*) (Zuruf von der F.D.P.: Die es nie gegeben hat!) *) Anlage 4 20322 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Vizepräsident Helmuth Becker Wir kommen nun zu den Abstimmungen zu Tages- auch in dritter Lesung abgestimmt worden. Der ordnungspunkt 9a. Wir kommen zur Abstimmung Gesetzentwurf ist angenommen. über den von den Fraktionen der CDU/CSU und der Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- F.D.P. eingebrachten Entwurf eines Magnetschwebe- ßungsantrag der Frak tion der SPD auf Drucksache bahnplanungsgesetzes auf den Drucksachen 12/7006 12/7937. Wer stimmt für diesen Entschließungsan- und 12/7925 Buchstabe a. Dazu liegen jetzt sechs trag? — Die Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Änderungsanträge der Frak tion der SPD vor, über die Auch hier etwa gleiches Stimmverhalten. Der Ent- wir zuerst abstimmen. schließungsantrag ist abgelehnt. Wir stimmen über den Änderungsantrag auf Druck- Meine Damen und Herren, Tagesordnungs- sache 12/7931 ab. Wer stimmt zu? — Wer stimmt- punkt 9b: Beschlußempfehlung des Ausschusses für dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Bei einer Verkehr zum Bericht über das Finanzierungskonzept Reihe von Stimmenthaltungen aus der SPD-Frak tion der Magnetschwebebahnverbindung Berlin-Ham- und der Gruppe PDS/Linke Liste ist der Änderungs- burg auf den Drucksachen 12/7964 und 12/7925 antrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen Buchstabe b. abgelehnt. Der Ausschuß empfiehlt, den Bericht zur Kenntnis zu Wir kommen nunmehr zu dem Änderungsantrag nehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? auf Drucksache 12/7932. Wer stimmt für diesen Ände- — Wer stimmt dagegen? — Stimmenthaltungen? — rungsantrag? — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen ist die — Mit gleichem Stimmenverhältnis ist auch dieser Beschlußempfehlung angenommen. Antrag abgelehnt. Zusatzpunkt 5: Wir stimmen über den Antrag der Gruppe PDS/Linke Liste zum Ausbau der Bahnver- Wir stimmen jetzt über den Änderungsantrag auf bindungen Hamburg-Berlin auf Drucksache 12/7732 Drucksache 12/7933 ab. Wer stimmt für diesen Ände- ab. Wer stimmt für diesen Antrag? — Wer stimmt rungsantrag? — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? dagegen? — Stimmenthaltungen? — Für den Antrag — Mit dem gleichen Stimmenverhältnis ist auch dieser stimmt die Gruppe PDS/Linke Liste, dagegen stim- Antrag abgelehnt. men die Koalitionsfraktionen, und die SPD-Fraktion Wir kommen nunmehr zum Änderungsantrag auf hat sich der Stimme enthalten. Damit ist der Antrag Drucksache 12/7934. Wer stimmt für diesen Ände- abgelehnt. rungsantrag? — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? Nun kommen wir zum Zusatzpunkt Antrag der — Bei nahezu gleichen Stimmenverhältnissen ist auch Fraktion der SPD zu Kreuzungen mit anderen Eisen- dieser Antrag abgelehnt. bahnen und mit Straßen auf Drucksache 12/7906. Wer stimmt für diesen Antrag? — Die SPD-Fraktion. Wer Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksa- stimmt dagegen? — Die Koalitionsfraktionen. Wer che 12/7935? — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? enthält sich der Stimme? — Die beiden Gruppen. Der — Auch hier ist mit etwa gleichem Stimmverhalten der Antrag ist damit abgelehnt. Antrag abgelehnt.

Wir kommen nunmehr zum Änderungsantrag auf Meine Damen und Herren, nunmehr rufe ich den Drucksache 12/7936. Wer stimmt für diesen Ände- Tagesordnungspunkt 10a1 bis e auf: rungsantrag? — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Auch hier etwa gleiches Stimmverhalten. Der ai) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Antrag ist abgelehnt. Gesetzes zur Änderung des Umwandlungs- steuerrechts Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der — Drucksachen 12/6885, 12/7263 — Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Hand- zeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — (Erste Beratungen 213. und 225. Sitzung) Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der aa) Beschlußempfehlung und Be richt des Fi Stimme des Kollegen Waltemathe ist bei einigen nanzausschusses (7. Ausschuß) Enthaltungen der Gesetzentwurf in der Ausschußfas- — Drucksache 12/7945 — sung angenommen. Berichterstattung: (Eckart Kuhlwein [SPD]: Der Kollege Koppe Abgeordnete Ludwig Eich lin hat dagegen gestimmt!) Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) Hermann Rind — Herr Kollege Koppelin hat dagegengestimmt. Neh- bb) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus- men wir auch das zu Protokoll. schuß) gemäß § 96 der Geschäftsord- Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung nung angenommen. — Drucksache 12/7946 — Wir kommen zur Berichterstattung: Abgeordnete Helmut Esters dritten Beratung Adolf Roth (Gießen) Ina Albowitz und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. — az) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes- Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei etwa glei- regierung chem Stimmverhalten wie in der zweiten Lesung ist — Drucksache 12/6054 Nr. 2.1 — Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20323

Vizepräsident Helmuth Becker Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur und der Einbringung von Unternehmenstei- Änderung der Richtlinie 90/434/EWG vom len, die Gesellschaften verschiedener Mit- 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersy- gliedstaaten der Europäischen Gemein- stem für Fusionen, Spaltungen, die Einbrin- schaften be treffen gung von Unternehmensteilen und den Aus- (Mitbestimmungs-Beibehaltungsgesetz — tausch von Anteilen, die Gesellschaften ver- MitbestBeiG) schiedener Mitgliedstaaten be treffen — Drucksache 12/4532 — Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur (Erste Beratung 165. Sitzung) Änderung der Richtlinie 90/435/EWG vom Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersy- schusses für Arbeit und Sozialordnung stem der Mutter- und Tochtergesellschaften (11. Ausschuß) verschiedener Mitgliedstaaten — KOM(93) 293 endg. — «Rats-Dok. Nr. 8261/93» — Drucksache 12/7735 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanz- Berichterstattung: ausschusses (7. Ausschuß) Abgeordneter Hans-Eberhard Urbaniak — Drucksache 12/7954 — e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozial- Berichterstattung: ordnung (11. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordnete Ludwig Eich Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) Fraktion der SPD Hermann Rind Sicherung der Tarifautonomie b) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines — Drucksachen 12/4818, 12/7735 — Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungs- Berichterstattung: rechts (UmwBerG) Abgeordneter Hans-Eberhard Urbaniak — Drucksachen 12/6699, 12/7265 — Zu den Gesetzentwürfen zur Bereinigung des (Erste Beratungen 208. und 225. Sitzung) Umwandlungsrechtes für Kleine Aktiengesellschaf- ten und für ein Mitbestimmungs-Beibehaltungsgesetz Beschlußempfehlung und Bericht des Rechts- liegt je ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD ausschusses (6. Ausschuß) vor. — Drucksache 12/7850 — Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für Berichterstattung: die Aussprache eine Stunde vorgesehen. — Ich höre Abgeordnete Joachim Gres und sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so Detlef Kleinert (Hannover) beschlossen. Dr. Wolfgang Frhr. von Stetten Ich erteile als erstem Redner dem Kollegen Joachim Ludwig Stiegler Gres das Wort. c) Zweite und dritte Beratung des von den Frak- tionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes für kleine Aktienge- Joachim Gres (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sellschaften und zur Deregulierung des Ak- sehr geehrten Damen und Herren! Wir verabschieden tienrechts heute in dritter Lesung das Gesetz für Kleine Aktien- lierung des Aktien- — Drucksache 12/6721 — gesellschaften und zur Deregu rechtes und das Umwandlungsbereinigungsgesetz. (Erste Beratung 208. Sitzung) Zu beiden Gesetzesvorhaben möchte ich hier spre- Beschlußempfehlung und Be richt des Rechts- chen. ausschusses (6. Ausschuß) Wir verabschieden das Gesetz nach einer intensi- — Drucksache 12/7848 — ven und gründlichen Beratung. Wir haben im Rechts- Berichterstattung: ausschuß zu beiden Gesetzen eine Anhörung durch- Abgeordnete Joachim Gres geführt, die eine breite Zustimmung zu diesen Geset- Detlef Kleinert (Hannover) zesvorhaben ergeben hat. Ergebnis der Anhörung Ludwig Stiegler sind einige Verbesserungen und Anregungen, die d) — Zweite und dritte Beratung des von den Ihnen heute vorliegen, da wir sie in die Gesetzent- Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. einge- würfe aufgenommen haben. Im Grundsatz sind beide brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bei- Gesetzentwürfe aber unverändert geblieben, so daß behaltung der Mitbestimmung beim Aus- ich mich auf die Darstellung der Grundkonzeptionen tausch von Anteilen und der Einbringung beschränken kann. von Unternehmensteilen, die Gesellschaf- Meine Damen und Herren, zunächst zum Gesetz für ten verschiedener Mitgliedstaaten der Eu- Kleine Aktiengesellschaften. Im Rechtsausschuß be- ropäischen Gemeinschaften betreffen stand Konsens, daß dieses Gesetz in seinem Ansatz (Mitbestimmungs-Beibehaltungsgesetz — richtig und gerade für mittelständische Unternehmen MitbestBeiG) wichtig ist. Das Gesetz ist allerdings nur eine erste — Drucksache 12/3280 — Deregulierungs- und Vereinfachungsnovelle des Ak- (Erste Beratung 107. Sitzung) tienrechtes. In der kommenden Legislaturperiode — Zweite und dritte Beratung des von der sollten wir uns die Zeit nehmen, das Aktienrecht Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs grundsätzlich zu überarbeiten, um Aktiengesellschaf- eines Gesetzes zur Beibehaltung der Mitbe- ten ganz generell attraktiver zu machen und auch stimmung beim Austausch von Anteilen gewisse Problembereiche, die sich in der Vergangen- 20324 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Joachim Gres heit ergeben haben, gesetzlich aufzuarbeiten. Ich Gesetzentwurf sieht daher vor, Kleine Aktiengesell- nenne hier nur beispielhaft die Problema tik der Kon- schaften den Gesellschaften mit beschränkter Haf- trollfunktion des Aufsichtsrates gegenüber dem Vor- tung mitbestimmungsrechtlich gleichzustellen. stand einer Aktiengesellschaft. Dieses komplexe Thema aber haben wir in dieser Legislaturperiode Andererseits haben wir uns im Zuge der Beratung wegen der vielen anderen prioritären Gesetzesvorha- des Gesetzes dazu entschlossen, den Regierungsent- ben nicht mehr in Angriff nehmen können. Deswegen wurf so abzuändern, daß das Betriebsverfassungsge- legen wir heute nur die kleine Novelle zum Aktien- setz von 1952 bei Unternehmen mit weniger als gesetz vor. 500 Mitarbeitern nur bei neugegründeten Aktienge- sellschaften nicht anzuwenden ist. Bereits bestehende Wichtig ist aber auch dieses Deregulierungsvorha- Aktiengesellschaften hingegen bleiben dem Betriebs- ben; denn es ist in der Tat so, daß die deutschen verfassungsgesetz von 1952 unterworfen — obwohl mittelständischen Unternehmen deutlich unterkapi- dies im Grunde genommen ein Systembruch ist —, talisiert sind bzw. über zuwenig haftendes Eigenkapi- weil durch die bereits erfolgte Wahl der Rechtsform tal verfügen. Der Rechtsformwechsel in die Ak tienge- klar ist, daß kein Änderungsbedarf besteht. Mit ande- sellschaft ist ein Weg, um die so umgewandelten ren Worten: Mitbestimmungsrechtlich ändert sich Unternehmen mittelfristig an die Börse zu bringen, zukünftig in der Substanz nichts. Zukünftige Kleine damit sie sich dort Eigenkapital verschaffen und die Aktiengesellschaften werden mitbestimmungsrecht- Abhängigkeit von den finanzierenden Banken verrin- lich so behandelt wie Gesellschaften mit beschränkter gern können. Haftung. Bei bereits bestehenden Aktiengesellschaf- Ich verspreche mir von der Novelle zwar keine ten ändert sich in mitbestimmungsrechtlicher Hinsicht Wunderdinge, aber es gibt zur Zeit in Deutschland ca. überhaupt nichts. Dies ist ein Kompromiß, mit dem 15 000 sogenannte größere Unternehmen in der wir, glaube ich, alle leben können. Rechtsform der GmbH oder der GmbH & Co. KG, die Meine Damen und Herren, dem Grundsatz der jeweils mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen. Verbesserung der Unternehmensfinanzierung dient Wenn man von dieser Zahl einmal die Konzerntöchter auch die Klarstellung des Bezugsrechtsausschlusses und die Familiengesellschaften abzieht, würden theo- bei Aktienemissionen bei Publikumsgesellschaften. retisch ca. 5 000 Unternehmen für eine Umwandlung Ich kann hier nicht auf die Einzelheiten eingehen. Zu in eine AG zur Verfügung stehen. Wenn es am Ende unterstreichen ist aber, daß die schutzwürdigen Inter- gelänge, davon nur ca. 1 000 Unternehmen an die essen der Altaktionäre durch die Neuregelungen Börse zu bringen, so wäre dies ein großer Erfolg und nicht beeinträchtigt werden. Denn die neue Bestim- würde, nebenbei gesagt, den Finanzplatz Deutsch- mung gilt nur, wenn den Alt- und Kleinaktionären der land erheblich stärken. Erwerb der neuen Aktien an der Börse zu nahezu Der Rechtsformwechsel in die Aktiengesellschaft identischen Bedingungen möglich ist. Der Abschlag als Voraussetzung für den Gang an die Börse soll wird in der Regel bestenfalls bei 3 % liegen. Das ist deswegen gefördert werden. Dem dient der Abbau hinnehmbar. von gesetzlichen Formvorschriften, die für große Im übrigen ist die Notwendigkeit der Reform und Publikumsaktiengesellschaften sinnvoll sind, nicht der Deregulierung des Aktienrechts bei Einbringung aber für Unternehmen, die auf Grund ihrer geringeren des Gesetzentwurfs in der ersten Lesung en détail Größe traditionell in der Rechtsform der GmbH oder dargestellt worden. Ich kann mich daher im folgenden der Personenhandelsgesellschaft organisiert sind. weitgehend auf diese Begründung beziehen. Das Die Vereinfachung der Struktur einer Ak tiengesell- Gesetz ist richtig, ausgewogen und verdient eine schaft ist auch im Hinblick auf die mitbestimmungs- breite Zustimmung. rechtliche Situation notwendig. Hier gilt es, psycholo- Lassen Sie mich jetzt noch kurz ergänzend zum gische Zugangsschwellen abzubauen; denn in der Umwandlungsbereinigungsgesetz vortragen. Auch Wirtschaft und in der Wirtschaftspoli tik ist Psycholo- hier hat die Anhörung im Rechtsausschuß eine breite gie bekanntlich schon die eine Hälfte des erfolgrei- Zustimmung der Sachverständigen zu dem Gesetzes- chen Bemühens. M an mag akademisch darüber strei- vorhaben ergeben. Weiten Raum hat neben einigen ten, ob die Mitbestimmung nach dem Betriebsverfas- speziellen Fragen die Frage eingenommen, ob ein sungsgesetz von 1952 für ein Unternehmen mit ca. Bedürfnis für eine spezielle Mitbestimmungssiche- 100 Mitarbeitern tatsächlich ein Hindernis für die rungsregelung besteht. Die Koalitionsfraktionen ha- Umwandlung in die Aktiengesellschaft darstellt. ben kein sinnvolles Bedürfnis dafür erkennen können, Offensichtlich aber ist es in der betrieblichen Praxis so, besondere mitbestimmungssichernde Bestimmungen zumal sich ein Unternehmer, der als Gesellschafter oder gar mitbestimmungserweiternde Bestimmungen und Geschäftsführer einer GmbH gewohnt ist, sich in in den Gesetzentwurf aufzunehmen. Auch die schon seinem Unternehmen ohne allzuviel Gremienwirt- heute möglichen Umwandlungen können nach gel- schaft durchzusetzen, bei der Umwandlung in die tendem Recht im Einzelfall Änderungen der Mitbe- Rechtsform der Aktiengesellschaft sowieso schon mit stimmung bei den beteiligten Unternehmen zur Folge einem Aufsichtsrat, einem Vorstand und einer Haupt- haben. Es ist bislang noch niemals als Einschränkung versammlung als völlig neuen Organen der Gesell- der Mitbestimmung empfunden worden, wenn z. B. schaft konfrontiert sieht. eine Aktiengesellschaft in eine GmbH umgewandelt Ist der neuzubildende Aufsichtsrat bei einem klei- wird und die zwingende Mitbestimmung nach dem neren Unternehmen aber auch noch mitbestimmt, läßt Betriebsverfassungsgesetz von 1952 für Unternehmen eben dieser Unternehmer den Schritt in die Aktienge- mit weniger als 500 Mitarbeitern entfällt. Auch Spal- sellschaft erfahrungsgemäß lieber ganz sein. Der tungsvorgänge sind schon bisher durch bestimmte Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20325

Joachim Gres Umwandlungskonzeptionen oder durch Einzelrechts- land um eine breite Zustimmung zu beiden Gesetzge- übertragung möglich und sind auch praktiziert wor- bungsvorhaben. den. Auch hier sind in der Vergangenheit keine Vielen Dank. Forderungen nach erweiterten Mitbestimmungssi- cherungsregelungen erhoben worden. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Hinzu kommt, daß sich die Regelungen des Spal- tungsgesetzes für die von der Treuhandanstalt ver- Vizepräsidentin Renate Schmidt: Als nächster hat walteten Unternehmen bewährt haben. Auch hier das Wort der Kollege Hans Urbaniak. sind keine besonderen Mitbestimmungserhaltungsre- gelungen vorgesehen, ohne daß dies bislang als Mißstand empfunden worden ist. Das Umwandlungs- Hans-Eberhard Urbaniak (SPD): Frau Präsidentin! bereinigungsgesetz vereinheitlicht lediglich die be- Meine Damen und Herren! Heute geht es um drei reits geltenden Regelungen und erleichtert Spal- wichtige Gesetze. Es geht um die Bereinigung des tungsvorgänge rechtstechnisch durch die Einführung Umwandlungsgesetzes, was verbunden ist mit erheb- der Gesamtrechtsnachfolge. Hierin erschöpft sich die lichen Konsequenzen für die be troffenen Arbeitneh- Bedeutung des Gesetzes. mer, für die Mitbestimmung und für die Möglichkei- ten der Betriebsräte, ihre Schutzfunktion wahrzuneh- Eine Öffungsklausel im Sinne der Anregung der men. Es geht um das Gesetz für Kleine Aktiengesell- SPD, bestimmte Mitbestimmungsformen durch Tarif- schaften und zur Deregulierung des Aktienrechts, in vertrag mit dem Vorstand oder mit der Geschäftsfüh- dem ebenfalls Mitbestimmung aufgegeben wird. Ich rung des Unternehmens zu vereinbaren oder gegebe- werde das im einzelnen noch begründen. Es geht auch nenfalls zu erzwingen, lehnen wir aus Gründen der um das Mitbestimmungs-Beibehaltungsgesetz, das Gesetzessystematik ab. Wir lehnen dies auch deswe- notwendig geworden ist, weil eine Fusionsrichtlinie gen ab, weil eine solche Tariföffnungsklausel nicht der Europäischen Union vom 23. Juli 1990 dies erfor- erforderlich ist und in der Vergangenheit nicht gefor- dert. dert worden ist. Um es klarzustellen: Es geht uns bei dem Umwandlungsbereinigungsgesetz nicht um eine Nun zum einzelnen. Ich will mich hier zunächst irgendwie geartete Einschränkung bestehender Mit- einmal klipp und klar für die Mitbestimmung erklä- bestimmungsrechte nach dem Betriebsverfassungs- ren; denn sie hat sich — ob in der Parität, ob in der 76er gesetz von 1952 oder nach dem Mitbestimmungsge- Form oder in der Drittelbeteiligung — bewährt — das setz. Niemand wird im übrigen aus mitbestimmungs- ist ja wohl unbestritten —, wobei es natürlich Aus- rechtlichen Gründen z. B. aus der Rechtsform der schläge, Irritationen und Fehlhandlungen geben GmbH in die Rechtsform der OHG wechseln. Die kann, wie das in jedem System der Fall ist. Denn eine persönliche Haftung des Unternehmers wäre viel zu hundertprozentige Sicherheit der Kontrolle von Vor- groß. Das gleiche gilt für die Aufspaltung eines ständen gibt es auch bei den besten Experten in den größeren Unternehmens in mehrere kleine Bet riebe. Aufsichtsräten nicht. Wir haben das erlebt und erle- Niemand würde solche Aufspaltungen ohne zwin- ben das ja ständig bei einer ganzen Reihe von gende betriebswirtschaftliche Gründe vornehmen, so Aktiengesellschaften trotz paritätischer oder sonstiger daß die Angst vor der Flucht aus der Mitbestimmung Mitbestimmung. ein Scheinargument ist. Dennoch muß man bei einer Gesamtsicht und im (Vorsitz: Vizepräsidentin Renate Schmidt) Hinblick auf den Grundkonsens erkennen, daß sich das deutsche System der Mitbestimmung sowohl nach Andererseits wollen wir aber auch nicht aus Anlaß dem Betriebsverfassungsgesetz wie nach den anderen des Umwandlungsbereinigungsgesetzes eine Erwei- Mitbestimmungsgesetzen in der überwiegenden Pra- terung der bestehenden Mitbestimmungsregelungen xis der Arbeit in den Unternehmungen und in den vorsehen oder gar eine Erweiterung der Mitbestim- Betrieben bewährt hat. Was sich bewährt hat, das mungsregelungen auf Grund von Tarifverträgen nach sollte man nicht grundlos aufgeben, meine Damen dem Motto: „Einmal in einer bestimmten Form mitbe- und Herren. stimmt, immer so mitbestimmt." Dies wäre im Kern (Beifall bei der SPD) nicht eine Bewahrung der Mitbestimmung, sondern in der betrieblichen Wirklichkeit eine erhebliche Aus- Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den ich hier betonen weitung. muß. Alles in allem stellen die beiden Gesetze ein Ange- Ich will einen sicherlich bedeutenden Mann aus bot an die mittelständische Wirtschaft, aber auch an dem Wirtschaftsbereich, André Leysen, zitieren, der die Wirtschaft ganz allgemein dar, sich auch in ihren in einem Interview der „Wirtschaftswoche" sagt: Organisationsformen flexibel den sich rasch ändern- Die deutschen Aufsichtsräte den Marktgegebenheiten anzupassen. Ein moderner — er vergleicht das mit dem holländischen System — Wirtschafts- und Industriestandort Deutschland braucht nicht nur neue und gute Produkte sowie haben dafür wiederum den großen Vorteil, daß in moderne Dienstleistungen, sondern auch flexible ihnen nicht nur die Kapitalgeber, sondern auch Unternehmensformen, die für die jeweiligen unter- die Arbeitnehmer vertreten sind. Damit kann nehmerischen Tätigkeiten den jeweils maßgeschnei- auch das gesamte Wissen aus dem Bet rieb einge- derten Rahmen bieten. Dies hilft insgesamt, Arbeits- bracht werden. plätze zu erhalten bzw. neue Arbeitsplätze zu schaf- Das ist bei Entscheidungen, auch von Vorständen in fen. In diesem Sinne bitte ich Sie im Interesse der Konzernen, ein ganz wichtiger Fakt, den man nicht Optimierung der Standortbedingungen in Deutsch- unterschätzen darf. Auf jeden Fall ist das seine Mei- 20326 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Hans-Eberhard Urbaniak nung, und er praktiziert ja in vielen Aufsichtsräten auf all die Dispositionsmöglichkeiten, die das neue Mitbestimmung. Gesetz im Zusammenhang mit der Mitbestimmung Sie aber geben Mitbestimmung auf, sowohl im bietet, Besitzstandsregelungen durch Öffnungsklau- Umwandlungsrecht als auch bei dem Gesetz für seln erreicht werden können; denn ansonsten gilt ja Kleine Aktiengesellschaften. Sie geben sie trotz der nur noch der § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Entschließung, die wir im Deutschen Bundestag der die Regelungen für die Arbeitnehmer auf ein Jahr zusammen verabschiedet haben, sogar beim Beibe- festschreibt. Aber es wird bei diesen Spaltungen und haltungsgesetz auf. Damit verläßt vor allen Dingen die Veränderungen selbstverständlich zu großen Schwie- CDU die Mitbestimmungspraxis, die 1952 mit dem rigkeiten kommen. Wir erleben das immer wieder. Es kann die 76er Mitbestimmung entfallen. Es kann die Betriebsverfassungsgesetz gefunden worden ist. Die- - sen Vorwurf, Kollege Hörsken, kann ich Ihnen nicht Sozialplanpflicht entfallen. Es kann die Bildung eines ersparen. Ich darf dazu gleich noch einen Punkt Wirtschaftsausschusses entfallen. Es kann die Frei- nennen. stellung entfallen. Dies alles wird sich negativ auf die Arbeitnehmer auswirken. Leysen sagt beispielsweise aber auch — das ist ein wichtiger Punkt für die Praxis —: Wenn ein Mann wie Der zweite Antrag konzentriert sich auf das Gesetz Rappe im Aufsichtsrat ein Exposé vorlegt, dann hat über Kleine Aktiengesellschaften. Hierüber ist im das Tiefgang. Rechtsausschuß gründlich beraten worden, und es ist eine Anhörung durchgeführt worden. Dabei haben (Detlef Kleinert [Hannover] [F.D.P.]: Das liegt die Professoren eine ganze Reihe von Erklärungen aber an der Person und nicht an der Funk gemacht. Ich danke meinem Kollegen Stiegler dafür, tion! — Zuruf des Abg. Dr. Otto Graf Lambs daß er mit den Kollegen der Koalitionsfraktionen dorff [F.D.P.]) erreicht hat, Hinzu kommt noch, daß durch das deutsche System (Detlef Kleinert [Hannover] [F.D.P.]: Wo ist er soziale Spannungen allein schon dadurch vermindert denn?) werden, daß die Manager durch die Diskussionen in mitbestimmten Gremien viel besser, Kollege Lambs- daß wir eine Besitzstandsregelung erhalten und daß dorff, darüber Bescheid wissen, was an der Basis läuft; die Mitbestimmung bei VW ebenfalls weiterhin denn in einem Unternehmen darf der Vorstand die akzeptiert wird. Das ist auch Ergebnis der Anhörung Situation der Basis ja nicht unberücksichtigt lassen. Er gewesen; denn letztlich hat j a insbesondere Lutter den muß sie bedenken und in seine Dispositionen und Nachweis erbracht, daß Mitbestimmungsregelungen Entscheidungen einbeziehen. Dies wird durch die kein Hinderungsgrund zur Bildung von Aktiengesell- Mitbestimmung, wie ich meine, gut transportiert und schaften sind, wenn m an sich aus der Personengesell- führt zum Konsens, den wir ja alle begrüßen. schaft, weil das nicht mehr geht, löst, möglicherweise sogar ganz herauslöst, wie das bei einer nicht ganz so (Dr. Otto Graf Lambsdorff [F.D.P.]: Bei Herrn unbekannten Firma in Köln — dies war heute in der Rappe gebe ich Ihnen völlig recht! Aber Zeitung zu lesen — der Fall ist. denken Sie mal an Herrn Hensche!) — Ich sage Ihnen: Herr Rappe wird nur als Beispiel Ich will damit aber darauf aufmerksam machen, daß genannt. Soll ich Ihnen einmal einige Aufsichtsrat- wir davon ausgehen, daß auch in diesem Fall — bei mitglieder nennen, die völlig versagt haben von Unternehmen mit unter 500 Beschäftigten — die irgend einer Seite, ohne das zu qualifizieren? Nun Mitbestimmung in der AG selbstverständlich erhalten lassen Sie das mal! wird. Es gilt übrigens die Drittelbeteiligung nach dem Betriebsverfassungsgesetz von 1952. (Zuruf des Abg. Dr. Otto Graf Lambsdorff [F.D.P.]) Wer hier im Deutschen Bundestag behauptet, die Psychologie der Anteilseigner bei solchen Vorgängen Es kommt darauf an, Kollege Lambsdorff, daß wir sei so zu werten, daß sie tatsächlich fürchten, einen insgesamt den Grundkonsens im Hinblick auf die Aufsichtsrat mit einer Drittelbeteiligung von Arbeit- Mitbestimmung erhalten. nehmern zu bekommen, also jenen Leuten, die ihnen Es wird dann gesagt, es sei verwunderlich, daß wichtige Kenntnisse für vernünftige Entscheidungen Leute im Ausland immer wieder sagen, daß das mit transportieren, dem sage ich: Man kann doch die der Mitbestimmung doch nicht so gut ist. Darauf sagt Arbeitnehmerschaft in diesen Bereichen nicht so qua- er, daß das eher an den deutschen Managern liegt. Sie lifizieren, als seien sie ein Hinderungsgrund, eine sind zu Hause im Grunde genommen mit der Mitbe- Gesellschaft zu gründen, die in der Lage ist, sich stimmung leidlich zufrieden. Aber im Ausland neigen flexibler zu gestalten. Denn die Zusammenarbeit in sie dazu, das System madig zu machen. Ich halte das solch einer Gesellschaft ist bitter, bitter notwendig, um für einen schweren psychologischen Fehler. Ich wollte wirtschaftlichen Erfolg zu haben. Dabei sollte m an diesen Punkt hier nur kurz ansprechen, weil ich doch die Qualifikation, die Kenntnisse und Vor- glaube — darüber sind wir uns wohl einig —, daß hier schläge der Arbeitnehmer nicht ausschließen. ein kompetenter Mann und Expe rte seine Erfahrun- Wir bitten Sie, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu gen wiedergegeben hat. geben; denn wir möchten selbstverständlich gern der Nun haben wir zu den drei Gesetzesvorhaben Kleinen Aktiengesellschaft zustimmen, weil wir das Anträge gestellt, und zwar einmal den Antrag zum Ganze anerkennen. Wir würden natürlich auch gern Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Um- dem Umwandlungsrecht zustimmen, wenn Sie unse- wandlungsrechts in der Drucksache 12/6699. Nach rem Antrag folgten. Wir sind nicht in der Situation, als unserem Vorschlag sollen insbesondere im Hinblick wollten wir uns betonieren — ganz im Gegenteil. Aber Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20327

Hans-Eberhard Urbaniak die Arbeitnehmerrechte müssen hier, meine sehr Sie haben sich jahrelang dafür Zeit gelassen. Ich habe verehrten Damen und Herren, erhalten und, wenn es schon betont: Sie haben nämlich aufgesattelt und möglich, ausgebaut werden. wollten dies mit dem Beibehaltungsgesetz in Verbin- dung bringen. Darum sage ich klipp und klar aus der (Beifall bei der SPD) Position der Sozialdemokraten heraus: Auch hier Der dritte Antrag, auf den wir uns konzentriert keine Abstriche der Mitbestimmung für die Arbeit- haben, bezieht sich auf das Mitbestimmungs-Beibe- nehmer! Aus diesem Grunde haben wir unseren haltungsgesetz. Die Entwicklung dieses Gesetzes war Antrag gestellt. Ich bitte Sie also eindringlich, sich eigentlich schlimm; denn am 23. Juli 1990 wurde die diesem anzuschließen. EG-Richtlinie in Kraft gesetzt. Wir haben 1992, präzise am 25. Februar, klipp und klar im Deutschen Bundes- Schließlich haben wir den Komplex der Tarifauto- tag erklärt: „Jawohl, wir wollen die Mitbestimmung in nomie erörtern müssen, weil es im Regierungslager der Europäischen Union für unseren Teil voll erhalten, und insbesondere auch im Lager der Koalition immer und es darf keine Reduzierung von Mitbestimmung wieder Angriffe gegen die Tarifautonomie gegeben geben. " hat. Bezahlung unterhalb der Tariflöhne usw., all diese Fragen spielen eine Rolle. Als sich der Herr Dies können Sie der Entschließung und den Reden Bundeskanzler auf dem DGB-Kongreß sehr klar zu der der Koalitionskolleginnen und -kollegen ganz klar Tarifautonomie geäußert hat, hat er die entspre- entnehmen. Nun stellen wir fest, daß im Laufe der chende Darlegung des Kongresses erfahren müssen. Zeit, im Laufe dieser Jahre, aufgesattelt worden ist: Das ist nicht gut. Man sollte die Tarifautonomie das Bereinigungsgesetz und das Aktiengesetz. Dies durchgängig akzeptieren, ja, man muß die Tarifauto- hat dazu geführt, daß man zu der Regelung bezüglich nomie selbstverständlich verteidigen. Denn wir als der 500 Arbeitnehmer gekommen ist. Wir haben davor Staat, als Regierung oder als was auch immer könnten gewarnt, dies zu koppeln, weil wir uns im Deutschen das überhaupt nicht regeln, wozu die Tarifpartner in Bundestag einig darüber waren, daß die Mitbestim- der Lage sind. Sie wissen, daß dafür eine Vorausset- mungssicherung selbstverständlich in ungeschmäler- zung auch die Frage ist, ob die Postreform gemacht tem Maße zu erfolgen hat. werden kann oder nicht gemacht werden kann. Ich Wenn die Koalitionsfraktionen in dieser Frage jetzt sage Ihnen: Wir koppeln auch diese Punkte, die Sie nicht mehr zu ihrem Wort stehen, dann verlassen sie heute ablehnen werden, mit diesem Vorgang. die gemeinsame Solidarität und die gemeinsame Entschließung, die wir im Deutschen Bundestag sei- Ich bin damit noch nicht zu Ende; denn ich beziehe nerzeit verabschiedet haben. Damit wird ein weiteres mich auf das, was wir schon 1968 unter dem Fraktions- Stück Mitbestimmung abgebaut. Dies muß man ganz vorsitzenden Helmut Schmidt eingebracht haben, und klar sagen. zwar auf unsere Mitbestimmungsregelungen, die — bis auf die Personengesellschaft — durchgängig bei Unser Antrag zum Beibehaltungsgesetz zielt darauf allen Aktiengesellschaften durchgeführt werden soll- ab, auch die Aktiengesellschaften mitbestimmungs- ten. Darum befinden wir uns voll und ganz im eigenen mäßig einzubeziehen. Hier handelt es sich ja im Konsens. wesentlichen immer um die Drittelbeteiligung. Daß auch die Aktiengesellschaft mit weniger als 500 Ar- (Joachim Gres [CDU/CSU]: Wie schön!) beitnehmern betriebsverfassungsrechtlicher Art mit- bestimmt sein muß, das spielt hier eine Rolle, um das Ich darf aber auch sagen, daß die CDU auf ihrem noch einmal zu betonen. Parteitag in Hamburg eine Entschließung verabschie- det hat, der m an folgendes entnehmen kann: Mitbe- Hierzu gibt es einen hochinteressanten Vorgang, stimmung und Mitwirkung der Arbeitnehmer in den der Kollege Scharrenbroich — jetziger Staatsse- Betrieben und Unternehmen sind für uns eine unver- kretär; damals hat er für die CDU-Fraktion gespro- zichtbare Grundlage unserer Wirtschafts- und Sozial- chen — eingebracht hat. ordnung usw., und man muß sie verteidigen und (Detlef Kleinert [Hannover] [F.D.P.]: Der nun erhalten. wieder!) Das Ergebnis ist ein anderes. Heute wird mit Ihren Er hat gesagt: Wir sehen bei der Verabschiedung auch Stimmen Mitbestimmung abgebaut. Dies ist ein ganz den Zusammenhang mit anderen Gesetzen, aus ande- schlechter Vorgang in der deutschen Sozial- und ren gesetzlichen Bereichen. Er hat ferner gesagt, daß Gesellschaftsgeschichte. Sie tun sich damit keinen die SPD aber einen Antrag eingebracht habe, der Gefallen, weil sich Mitbestimmung bewährt hat. Wir wortgleich mit dem der Koalition sei und der bedeute, halten an unseren Grundsätzen und Überlegungen daß Mitbestimmung für Betriebe und Unternehmun- fest und wollen, daß die Mitbestimmung letztlich gen unter 500 Beschäftigten abgebaut würde. Das sei paritätisch auf die in Frage kommenden Gesellschaf- eine ganz schlechte Sache, und wir hätten als SPD ten übertragen wird. wohl kein Gewicht mehr bei Betriebsräten, Gewerk- schaftern, Vertrauensleuten und was noch hinzu- Ich bedauere außerordentlich, daß die CDU nicht in kommt. Er hat die Arbeiterpartei besonders angespro- der Lage ist, bei ihrem Wort und bei den Anträgen zu chen. bleiben, die Scharrenbroich gefordert hat. Dies wäre in der Tat heute alles in Ordnung zu bringen. Ich Nun liegt unser Antrag vor, dies zu regeln. Unser danke Ihnen trotzdem für Ihre Aufmerksamkeit. Antrag mußte gestellt werden, meine Damen und Herren, um die Koalitionsfraktionen überhaupt auf (Detlef Kleinert [Hannover] [F.D.P.]: Wieso den Weg zu bringen, die Sache weiter zu behandeln. „trotzdem" ?) 20328 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Hans-Eberhard Urbaniak Bei der Auseinandersetzung um Mitbestimmung bei daß Kapitalbildung erfolgen kann, um mit der Situa- den Arbeitnehmern und ihren Gewerkschaften wer- tion des Marktes flexibler fertig zu werden, und daß den wir weiter alles tun, um unser Ziel zu erreichen, man sich der Erkenntnis und der Erfahrung der weil der Konsens in der Gesellschaft und in den Arbeitnehmer bedient, um wirtschaftlichen Erfolg zu Unternehmen erhalten bleiben soll. haben? Ich darf noch ganz kurz sagen: Beim Beibehaltungs- Ist Ihnen zweitens bekannt, daß Professor Lutter in gesetz werden Sie unseren Antrag ablehnen. Wir aber einer Untersuchung festgestellt hat: Die Bildung von werden dem Beibehaltungsgesetz selbstverständlich Kleinen Aktiengesellschaften wird durch eine Drittel zustimmen, weil wir eine einheitliche Linie des Parla- Mitbestimmung der Arbeitnehmer nach dem 52er ments gegenüber der Europäischen Union haben - Betriebsverfassungsgesetz nicht behindert? möchten. Das ist notwendig für die Weiterentwick- lung und für die Erhaltung der Mitbestimmung in Detlef Kleinert (Hannover) (F.D.P.): Herr Kollege unserer Republik. Urbaniak, daß Sie eingangs angedeutet haben, Sie (Beifall bei der SPD) hätten im Grunde nichts gegen die Kleine Ak tienge- sellschaft, ist mir nicht entgangen. Danach kamen Vizepräsidentin Renate Schmidt: Als nächster aber die 20 Minuten, von denen ich gesprochen habe, spricht der Kollege Kleine rt. in denen Sie sich mit der Mitbestimmung befaßt haben. Detlef Kleinert (Hannover) (F.D.P.): Frau Präsiden- Sie haben Herrn Kollegen Rappe erwähnt. Da, so tin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr meine ich, kommen wir zum Kern des Problems, auch Kollege Urbaniak, Sie plakatieren republikauf und für Gewerkschaftler. Ich zähle Sie zu denjenigen, die -ab: Arbeitsplätze, Arbeitsplätze, Arbeitsplätze! Das jederzeit bereit sind, auch im Interesse der Unterneh- ist so ganz nett zu lesen, und es soll sogar Leute geben, men nachzudenken — das nur, damit kein falscher die denken, damit wüßten Sie schon, wie Sie das Ton in die Diskussion kommt. Aber wenn ich die Wahl bewerkstelligen. Wer aber Ihren Ausführungen eben zwischen Herrn Rappe und Herrn Hensche habe, gefolgt ist, weiß genau, daß Sie nicht wissen, wie Sie dann wird die Sache etwas komplizierter. das bewerkstelligen können. (Hans-Eberhard Urbaniak [SPD]: Bei mir Wir wollen uns über erleichterten Börsenzugang, auch zwischen Lambsdorff und Kleinert!) über Kapitalbeschaffung für mittelständische Unter- nehmen unterhalten, über Erleichterungen von einer Man muß wissen, ob jemand dem Unternehmen nützen kann oder nicht. Meine Theorie ist: Eine Fülle von einengenden Bestimmungen für einen Mit- gewisse Entspanntheit und eine gewisse Gelassenheit telstand, der einerseits im mittelständischen Bereich seiner Organisationskraft entsprechend agieren muß im Umgang zwischen Arbeitgebern und Arbeitneh- und andererseits die Möglichkeit haben soll, sich auch mern könnte sogar dazu führen, daß man selbst in der an andere Kapitalgeber zu wenden. Aber 20 geschla- Kleinen Aktiengesellschaft heilfroh ist, führende Ver- gene Minuten lang verbreiten Sie hier interessante treter — allerdings am liebsten aus dem Bet rieb — mit Mitteilungen darüber, daß es den hauptamtlichen in den Gremien zu haben, urn mit ihnen reden zu Funktionären des Deutschen Gewerkschaftsbundes können, um den unmittelbaren Schulterschluß mit darum geht, in gar keinem Fall an irgendeiner Stelle der Belegschaft zu erreichen und die Dinge gleich auf Mitwirkungsmöglichkeiten zu verzichten. ausräumen zu können, wenn sie kompliziert wer- den. Ich bezweifle sehr, daß die deutschen Arbeiter an ihrer Beteiligung in den Unternehmensgremien so Das alles sehen Sie genauso wie ich — mit dem sehr interessiert sind wie an den Arbeitsplätzen, die kleinen Unterschied, daß Sie meinen, Sie könnten das Sie ständig plakatieren. Uns geht es mit dem Gesetz- nur durch Vorschriften erreichen. Ich meine, das kann entwurf, zu dem Sie nichts weiter als soundso viele man auch ohne weiteres dadurch erreichen, daß man Male — ich habe aufgehört mitzuzählen — das Wort sich die Leute, die wie Urbaniak, wie Rappe und wie Mitbestimmung gesagt haben, darum, wie wir mehr viele andere sind, in den Aufsichtsrat holt, auch wenn Arbeitsplätze schaffen können, und zwar durch geeig- das nicht gesetzlich vorgeschrieben ist. Für die Kleine nete, vernünftige gesetzgeberische Maßnahmen, Aktiengesellschaft wollen wir dies jedenfalls nicht worin uns im übrigen namhafte und bedeutende vorschreiben. Das ist meine Meinung dazu. Sozialdemokraten getreulich begleitet haben — nicht, daß hier ein Mißverständnis entsteht! Ich fand nur den Vizepräsidentin Renate Schmidt: Herr Kollege Klei- Schwerpunkt etwas ganz eigentümlich gesetzt. nert, es besteht der Wunsch einer zweiten Zwischen- (Abg. Hans-Eberhard Urbaniak [SPD] mel frage, und zwar vom Kollegen Seifert. — Bitte, Herr det sich zu einer Zwischenfrage) Kollege Seifert.

Vizepräsidentin Renate Schmidt: Herr Kollege Klei- Dr. Ilja Seifert (PDS/Linke Liste): Herr Kollege nert, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Kleinert, wenn ich Sie richtig verstanden habe, wollen Sie heute ein Arbeitsplatzbeschaffungsgesetz verab- Detlef Kleine rt (Hannover) (F.D.P.): Ich bitte darum, schieden. Das fände ich ja ganz gut, dann könnten wir Frau Präsidentin. das vielleicht auch so nennen. Aber h andelt es sich bei Ihrem Entwurf in Wirklichkeit nicht allein darum, Hans-Eberhard Urbaniak (SPD): Herr Kollege Klei- bereits bestehende Gesellschaften mit bestehenden nert, ist Ihnen entgangen, daß ich gesagt habe: Wir Belegschaften, also mit bestehenden Arbeitsplätzen, sind für die Kleine Aktiengesellschaft; wir sind dafür, in eine andere Rechtsform umzuwandeln? Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20329

Detlef Kleinert (Hannover) (F.D.P.): Das, Herr Kol- ligen Zeitstimmung heraus verständlich — bestim- lege Seifert, möchte ich nachdrücklich in Abrede men. stellen. Es wird nicht ausbleiben, daß bestehende Wir kehren nach den Erfahrungen, die wir gesam- Gesellschaften umgewandelt werden, hoffentlich mit melt haben — man muß Erfahrungen machen —, nun der Folge, daß sie sich am Markt — zum Nutzen der zu einer einfacheren Handhabung zurück, und das Arbeitsplätze — freier und beweglicher verhalten insonderheit in dem Bereich, dem wir jetzt die Rechts- können. Ich gehe auch nicht so weit — wie Sie es form der Aktiengesellschaft für eine unternehmeri- liebenswürdigerweise formuliert haben —, ein sche Tätigkeit erschließen wollen. Dann muß es ein- Arbeitsplatzbeschaffungsgesetz verabschieden zu fach sein; dann muß m an es dem mittelständischen wollen. Wir möchten vielmehr einen kleinen, aber Unternehmer und seiner nicht — wie bei den Kon- vernünftigen Beitrag dazu leisten, daß in diesem zernen — ganz so groß ausgebildeten Rechtsabteilung Lande mehr Arbeitsplätze geschaffen werden oder — das ist das mindeste, was man dazu sagen kann — erhalten bleiben. Beides ist sehr wichtig. Das kann möglich machen, mit einem solchen Gesetz umzuge- durch Umwandlungen geschehen — da will ich über- hen; das haben wir getan. haupt nicht ausweichen, dem will ich gar nicht wider- sprechen —, es wird aber, je einfacher es ist, sich Im übrigen: Man muß nicht nur daran denken, daß dieser Gesellschaftsform zu bedienen, zunehmend zu Aktien über die Börse verkauft werden können. Man Neugründungen führen. sollte auch daran denken, daß Aktien auch anderen (Abg. Wolfgang Weiermann [SPD] meldet Kapitalsammelstellen— einer oder mehreren — ange- sich zu einer Zwischenfrage) dient werden können, als das mit GmbH-Anteilen der Fall ist. Vizepräsidentin Renate Schmidt: Kollege Klei- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) nert — — Insofern geht auch das zitierte Argument über die Publizität, die dann sowieso kommen wird, fehl. Die Detlef Kleinert (Hannover) (F.D.P.): Frau Präsiden- Publizität, die jeweils gebraucht wird, die wird schon tin, nachdem ich bisher nur auf Zwischenfragen gebracht werden. Genauso wie die Banken den Unter- geantwortet habe, möchte ich nun zu meinen Ausfüh- nehmen erheblich mehr abverlangen, als in irgend- rungen kommen. Ich möchte darauf hinweisen, daß in welchen Gesetzen steht, genau so werden die Aktio- der bedeutenden „Frankfurter Allgemeinen Zeitung näre, je nachdem, um wen es sich handelt, ihre für Deutschland" kürzlich dargestellt wurde, all die Anforderungen stellen. Diesen Anforderungen wird Vereinfachungen, die hier vorgesehen seien, könnten entsprochen werden. gar nichts nützen, denn wer an den Kapitalmarkt gehen wolle, müsse sowieso alles offenbaren und Wir kommen zu einer wesentlichen Vereinfachung; müsse sowieso all den Regeln folgen, die auch schon wir kommen zu einem neuen Unternehmenstypus. für die große Aktiengesellschaft gelten. Wir reden nicht nur über Mittelstandsförderung, und wir reden nicht nur über Arbeitsplatzbeschaffung, Das ist eine Ansicht, der man bei dieser Gelegenheit sondern wir tun auch etwas dafür. Wir werden heute nicht nachdrücklich genug widersprechen kann, weil sie einfach falsch ist. Es geht nämlich darum, daß man nicht das Arbeitsplatzbeschaffungsgesetz verab- schieden; aber wir werden einen wesentlichen Beitrag alles, was man tun muß, wenn man an die Börse gehen dazu leisten, daß in diesem Bereich Arbeitsplätze will, wenn man sich um Kapitalgeber bemühen will, aus freier und dem jeweiligen Problem entsprechend entweder erhalten bleiben oder in vermehrtem Maße geschaffen werden. Dabei möchte ich nur am Rande gestalteter Entscheidung tun muß, nicht aber auf daran erinnern, daß die mittelständischen Unterneh- Grund stereotyp vorgeschriebener Gesetze. Das ist men dieser Republik — bei den Handwerkern ange- der große Unterschied zwischen dem, was wir hier fangen — mit ihrem Anteil am Gesamtarbeitsmarkt heute vorlegen, und den Regelungen, die für die große prozentual viel höhere Beiträge für die Schaffung von Aktiengesellschaft gelten. Arbeitsplätzen und viel höhere Beiträge zum Aufkom- Ich habe bei der Verabschiedung der GmbH- men an Steuern leisten, als das bei den Konzernen, die Novelle in diesem Hause versucht, darauf hinzuwei- sich die eine oder andere Neuerwerbung etwas kosten sen, daß bei der großen Aktienrechtsreform — die lassen, weil das sowieso zu 70 % der Steuerzahler verdienstvollerweise vom Kollegen Wilhelmi von der finanziert — das nennt man dann Konzentration und Union als Vorsitzendem des Rechtsausschusses des wundert sich darüber, wie sie zustande kommt —, der Bundestages besonders interessiert bearbeitet, veran- Fall ist. Viel mehr als diese Konzerne sind die mittel- laßt und gefördert wurde — die Denkweise eher ständischen Unternehmen am Steueraufkommen mißtrauisch gegenüber den Gerichten war und in der beteiligt. Einzelregelung, in der Katalogisierung aller mögli- chen Einzelfälle, das Heil für Rechtssicherheit gesucht Ich möchte hier noch ein letztes Wort in einer worden war. Auch Rechtspolitik unterliegt gewissen niedersächsischen Angelegenheit anfügen: Es gab in Wellenbewegungen. diesem Gesetz eine Klausel, die nicht unmittelbar mit Inzwischen, glaube ich, sind wir übereinstimmend diesem Gesetz zu tun hatte. Sie bezog sich auf gewisse bei der zu der Ansicht gekommen, daß gelegentlich ein Sonderrechte des Landes Niedersachsen gewisses Vertrauen in die Richterschaft und deren Wahrnehmung von Stimmrechten aus dem Anteil am gekonnte Rechtsanwendung angemessen ist und daß Volkswagenwerk. wir deshalb mit Generalklauseln weiterkommen als Nachdem die Bayern und die Baden-Württember- mit unendlichen Katalogen, wie sie das Recht der ger den Niedersachsen vorgemacht haben, wie m an Aktiengesellschaft im wesentlichen — aus der dama- bei aller marktwirtschaftlichen Grundhaltung auch 20330 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Detlef Kleinert (Hannover) eine landesbewußte Industriepolitik betreiben kann, Das neue Umwandlungsrecht zählt sicher zu den bin ich der Meinung, daß man an dieser Stelle dann herausragenden Reformen auf dem Gebiet des Wirt- auch den Niedersachsen, solange sie aus verschiede- schaftsrechtes in den letzten Jahren. Im Gesellschafts- nen Gründen, die ich nicht ausführen kann, einen recht hat es seit der Aktienrechtsreform von 1965 kein deutlichen Nachholbedarf haben, ihre Möglichkeiten vom Umfang her vergleichbares Vorhaben gege- — an den wenigen Punkten, an denen sie gegeben ben. sind — erhalten sollte. Darum bin ich den Kollegen Ich darf hier daran erinnern, daß der erste Anstoß zu dankbar, daß sie in die Streichung dieser Bestimmung dieser Reform vom Rechtsausschuß schon 1980 gege- eingewilligt haben. ben wurde. Es war von vornherein absehbar, daß sich Ich bin mit Herrn Gerhard Schröder — die Vorarbeiten für ein so ehrgeiziges Projekt über viele Jahre hinziehen würden. Vizepräsidentin Renate Schmidt: Herr Kleinert, Sie haben inzwischen Ihre Redezeit bald zwei Minuten Heute nun können wir der Wirtschaft ein modernes, überzogen. in sich geschlossenes Umwandlungsrecht zur Verfü- gung stellen, das die Anpassungsfähigkeit deutscher Detlef Kleinert (Hannover) (F.D.P.): — in dieser Unternehmen im internationalen Wettbewerb deut- Frage ganz einig. Wir sind beide nicht von dem Typ, lich erhöht. Die bisher sehr unübersichtlichen, nicht der ein für allemal am Anfang des Lebens nach einheitlichen und in fünf verschiedenen Gesetzen gewissen starren Regeln angetreten ist und sich dann enthaltenen Vorschriften werden jetzt praxisgerecht für alle Zukunft daran hält, sondern wir versuchen, — in einem einzigen Gesetz zusammengefaßt. Es gibt für viele Rechtsformen Erleichterungen und auch neue Umwandlungsmöglichkeiten. Ganz neu ist die gene- Vizepräsidentin Renate Schmidt: Herr Kollege Klei- relle Einführung der Spaltung. Bisher war sie nur in nert, Ihre Philosophie ist höchst interessant, aber Sie bestimmten Sonderfällen — für Treuhandunterneh- haben Ihre Redezeit überschritten! men und für Agrarbetriebe in den neuen Ländern — möglich. Künftig können sich nun praktisch alle Detlef Kleinert (Hannover) (F.D.P.): — jeder auf Unternehmen auf vereinfachte Weise in kleine Ein- seine Art, auch für das L and Niedersachsen etwas heiten aufteilen und sich damit flexibel geänderten Praktisches und Nützliches zu bewirken. Marktbedingungen anpassen. Frau Präsidentin, ich danke Ihnen sehr herzlich für Ich habe während der ganzen Beratungen zu die- die Gnade, die Sie mir zuteil werden ließen. sem wichtigen Vorhaben nie die auch heute wieder (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) geäußerten Bedenken be treffend die Mitbestimmung geteilt. Die Bundesregierung hat den berechtigten Vizepräsidentin Renate Schmidt: Ich bin jetzt ziem- Interessen der Arbeitnehmer bei Umwandlungsfällen lich ungnädig bei zwei Minuten! bereits bei Erarbeitung des Entwurfes Rechnung Als nächste spricht Frau Bundesministerin Leut- getragen. Dazu sind sehr weitreichende Informations- heusser-Schnarrenberger von ihrem Platz. — Das rechte des Betriebsrates, besondere Haftungsregeln steht Ihnen übrigens immer zu und nicht nur dann, und betriebsverfassungsrechtliche Flankierungen wenn Sie ein kaputtes Bein haben. vorgesehen. Aber es bestand nach meiner Auffassung kein Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesmi- Grund, anläßlich der Reform des Umwandlungsrechts nisterin der Justiz: Recht herzlichen Dank, Frau Präsi- den zwingenden Charakter der Mitbestimmungsge- dentin. setze durch Einführung einer Öffnungsklausel zur Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wollen ja Disposition der Sozialpartner zu stellen. Im Ergebnis den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken, und haben wir, glaube ich, eine sehr vernünftige und das hören wir landauf, landab. Mit der Reform des ausgewogene Lösung gefunden. Denn wir müssen Umwandlungsrechts und gerade mit der für den alle hier heute zur Beratung anstehenden Gesetzent- Mittelstand besonders wichtigen Kleinen Aktienge- würfe einbeziehen. Ich glaube, diese Kompromisse sellschaft leisten wir heute einen ganz wesentlichen kann doch jeder im Gesamtkontext mittragen. Beitrag dazu. Hier wird ein Hauptziel liberaler Wirt- schaftspolitik verwirklicht; denn wir schaffen ein (Hans-Eberhard Urbaniak [SPD]: Nein, kann modernes, ein praxisnahes und auch ein schlankes er nicht!) Wirtschaftsrecht, das den Unternehmen ein schnelles Eine ganz gute Nachricht und ein Signal für unsere und flexibles Reagieren auf veränderte Marktbedin- mittelständische Wirtschaft ist die Kleine Aktienge- gungen ermöglicht. sellschaft. Nicht nur die Aktiengesellschaft, die wir Diejenigen, die bezweifelt haben, daß die im hier anbieten, ist klein und schlank, sondern auch das Aktionsprogramm der Bundesregierung für mehr Gesetz. Das ist ja etwas, was sich gerade die Rechts- Wachstum und Beschäftigung enthaltenen Vorhaben politiker doch immer wieder mehr auf die Fahnen noch bis zum Ende dieser Legislaturperiode die Bera- schreiben. tungen durchlaufen könnten, werden heute eines (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) Besseren belehrt. Die jetzt stattfindende zweite und dritte Lesung wäre allerdings ohne den ganz außeror- Es enthält an Deregulierung, was es schon in seinem dentlichen Einsatz der Berichterstatter nicht möglich Titel verspricht. Wenige kleine Korrekturen und gewesen, denen ich an dieser Stelle ein ausdrückli- Federstriche am vorhandenen Gesetzestext können ches Dankeschön sagen möchte. manchmal eine ganze Menge bewirken. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20331

Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Was wir wollen, ist klar und auch schon deutlich — Ich sagte es Ihnen: Ich nehme als Abgeordneter gesagt. Wir wollen die Ak tiengesellschaft unserem mein Fragerecht wahr. Mittelstand als eine sinnvolle und wichtige Rechts Frau Minister, ist Ihnen das Gutachten bekannt, das formalternative anbieten. Denn bisher war es doch so, Professor Lutter erarbeitet hat, aus dem sich ergibt, daß gesagt wurde: Unsere Aktiengesellschaft und daß für die Bildung von Kleinaktiengesellschaften, die unser Aktienrecht sind für die ganz Großen geschaf- also unter 500 Beschäftigte haben, die Mitbestim- fen; wem das nicht paßt, der soll gefälligst in die mung kein Hinderungsgrund ist? Wieso kommen Sie GmbH oder die Personenhandelsgesellschaft gehen. dazu, dieses immer als eine Hemmschwelle darzustel- So fand man das sogar ausdrücklich in juristischen len? Lehrbüchern formuliert. - Wenn wir heute eine ganze Reihe von Erleichterun- Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesmi- gen und Deregulierungen in unserem Aktiengesetz nisterin der Justiz: Wir wollen gerade, daß mehr als für personalis tisch strukturierte kleine Aktiengesell- bisher von der GmbH zur Aktiengesellschaft gewech- schaften vornehmen, dann findet hier über die einzel- selt werden kann und daß das gerade die mittelstän- nen Änderungen hinaus auch ein Umdenken statt. dischen Unternehmen tun, die bisher doch wirklich die GmbHs und die anderen Formen der Personen- Vizepräsidentin Renate Schmidt: Frau Ministerin, handelsgesellschaften bevorzugen. Was wir ihnen würden Sie eine Zwischenfrage unseres Kollegen bisher im Aktienrecht geboten haben, entspricht Urbaniak gestatten? weder ihrer Interessenlage noch ihren Bedürfnissen, und es dient auch nicht der Schaffung von Arbeitsplät- Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesmi- zen. Daß wir dem Mittelstand den Großteil der nisterin der Justiz: Bitte schön, Herr Urbaniak. Arbeitsplätze in Deutschland mit verdanken und ihn deshalb stärken müssen, ist ja wohl auch unser Hans-Eberhard Urbaniak (SPD): Frau Minister, es gemeinsames Anliegen. heißt in der Entschließung, die wir in der 55. Sitzung (Jürgen Timm [F.D.P.]: 70 %!) am 8. November 1991 beschlossen haben, „daß die innerstaatliche Umsetzung der Richtlinie ... nicht zu Man kann durchaus unterschiedliche Bewertungen einer Schmälerung der Mitbestimmungsrechte von vornehmen. Wir sind der Auffassung, daß es richtig ist, Arbeitnehmern führen darf" und entsprechende flan- in dieser hier vorgelegten Form die Kleine Ak tienge- kierende Regelungen in das innerstaatliche Mitbe- sellschaft zu schaffen und diese Regelungen für die stimmungsrecht aufgenommen werden sollen. Geben neugegründeten vorzusehen. Für die alten Aktienge- Sie zu, daß bei der Kleinen Aktiengesellschaft bei sellschaften, die schon bestehen — das haben wir ja unter 500 Beschäftigten diese Mitbestimmung, die gesagt —, bleibt es bei dem geltenden Recht. Ich Drittelbeteiligung betriebsverfassungsrechtlicher Art, glaube, das können im Gesamtkontext auch die So- eben nicht zum Tragen kommen wird? zialdemokraten sehr gut mittragen. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. — Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesmi- Hans-Eberhard Urbaniak [SPD]: Ein ver nisterin der Justiz: Wir haben ja gerade die Kleine kehrter Standpunkt!) Aktiengesellschaft vorgesehen, um hier — vergleich- Wir können gern hier noch einen langen Dialog bar mit der GmbH, bei der bis zu 500 Arbeitnehmern führen. Ich glaube, es wird deutlich, daß wir eben diese Mitbestimmungsregelungen auch nicht gel- andere Akzente setzen, gerade wenn es darum geht, ten — ein wichtiges Instrument zu schaffen, damit der Wirtschaftspoli tik unter Berücksichtigung der berech- Mittelstand auch an die Börse gehen, damit er sich tigten Anliegen der Arbeitnehmer zu be treiben. Ich marktgerecht verhalten kann. Das ist der richtige möchte jetzt gar nicht noch auf weitere Einzelpunkte Weg. Hier dürfen wir nicht Zugangshindernisse auf- eingehen. Die Debatte hat deutlich gemacht, daß wir bauen. Wir schmälern hier nicht Mitbestimmungs- hier ein wichtiges Signal für den Mittelstand setzen. rechte, wir orientieren uns an dem, was in anderen Sie sehen auch an den Äußerungen, daß niemand Gesellschaftsbereichen und -formen schon besteht. inaktiv ist, sondern daß im Gegenteil alle mit großer Von daher ist das ein richtiger und ein wich tiger Beteiligung gerade aus Kreisen der Koalitionsfraktio- Weg. nen dieser Debatte zuhören und sich an ihr beteili- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — gen. Abg. Hans-Eberhard Urbaniak [SPD] meldet Vielen Dank. sich zu einer weiteren Zwischenfrage) (Dieter Wiefelspütz [SPD]: Der ist ein Sozia list, der Urbaniak; das ist ganz klar!) Vizepräsidentin Renate Schmidt: Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage? Vizepräsidentin Renate Schmidt: Als nächster (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ spricht der Kollege Hörsken. CSU]: Wir haben kein Zwiegespräch!) Heinz-Adolf Hörsken (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Hans-Eberhard Urbaniak (SPD): Ich nehme nur Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mein Recht als Fragesteller wahr. Wenn Sie inaktiv mich zunächst eine Vorbemerkung machen: Herr herumsitzen, kann ich nichts dafür. Kollege Urbaniak, ich will hier ausdrücklich für (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ die Christlich-Demokratische und Christlich-Soziale CSU]: Uns ist die Sache klar, Herr Kol Union ein Bekenntnis zur Tarifautonomie ablegen. lege!) Für uns ist die Tarifautonomie ein hohes Gut, und ich 20332 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Heinz-Adolf Hörsken bin dem Bundeskanzler dankbar, daß er das auf dem tende Vorgang beim abgebenden Unternehmen zu DGB-Kongreß in dieser Deutlichkeit gesagt hat. einem Mitbestimmungsverlust führt, sich also mitbe- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) stimmungsschädlich auswirkt. Lange mußten wir rin- gen, um diesen Gesetzentwurf voranzutreiben. Wir Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben ihn heute zur Abstimmung vorgelegt. Mit beraten heute das Umwandlungssteuerrechtsgesetz, unserem Gesetzentwurf füllen wir die Mitbestim- das Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts, mungsschutzklausel der Richtlinie aus. das Mitbestimmungs-Beibehaltungsgesetz und das Meine sehr verehrten Damen und Herren, die SPD Gesetz für Kleine Aktiengesellschaften im Zusam- hat einen Änderungsantrag eingebracht, den wir menhang. Für das Mitbestimmungs-Beibehaltungs- ablehnen werden. Bei diesem Änderungsantrag han- gesetz gab es eine einstimmige Resolution im Deut- delt es sich darum, daß die Mitbestimmung in allen schen Bundestag. Eine alleinige Beratung des Mitbe- Fällen beibehalten wird. Wir sind der Auffassung, daß stimmungs-Beibehaltungsgesetzes hatte sich in der ab einer bestimmten Belegschaftsgröße die institutio- Vergangenheit verzögert. Wir haben dies immer wie- nelle Mitbestimmung nicht mehr sinnvoll greift. Im der vertagt. Ich bedauere das; ich hätte viel lieber viel Rahmen des Aktionsprogramms für mehr Wachstum früher darüber beraten. und Beschäftigung vom 17. Januar 1994 sah ein Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zum Initiativantrag der Frak tionen die Einführung der Mitbestimmungs-Beibehaltungsgesetz ist nunmehr Kleinen Aktiengesellschaft vor. Die Aktiengesell- am 24. September 1992 in erster Lesung eingebracht schaft kann auch für kleinere Unternehmen mit über- worden und im Ausschuß für Arbeit und Sozialord- schaubarem Gesellschafterkreis und geringerer Be- nung behandelt worden. Auf Grund der einstimmigen schäftigtenzahl eine geeignete Rechtsform darstel- Entschließung vom 8. November 1991 haben Koali- len. tionsfraktionen und SPD-Opposi tion Bleichlautende Gesetzentwürfe eingebracht, wie die einmütig Vizepräsidentin Renate Schmidt: Kollege Urbaniak gefaßte Entschließung vom 8. November 1991 umge- möchte noch einmal eine Zwischenfrage stellen, Herr setzt werden soll. Kollege Hörsken. Unstrittig ist, die Mitbestimmung für alle grenz- überschreitenden Unternehmen einzuführen, nicht Heinz-Adolf Hörsken (CDU/CSU): Bitte schön. nur für Betriebe auf deutschem Boden. Gegenwärtig ist es deutschen Unternehmen möglich, ihre europa- Hans-Eberhard Urbaniak (SPD): Herr Kollege Hörs- weiten Aktivitäten derart umzustrukturieren, daß z. B. ken, Sie sagen, daß Sie die Mitbestimmung unterhalb Betriebsteile eines deutschen Konzernunternehmens einer bestimmten Größenordnung — unter 500 Ar- an eine EU- Schwestergesellschaft angegliedert wer- beitnehmer — nicht haben wollen. Wie erklären Sie den und dadurch bei den deutschen „Rest"-Unterneh- sich dann den Vorwurf des Kollegen Scharrenbroich men die Mitbestimmungspflicht entfällt. Dies ge- an die SPD, diese habe die Mitbestimmung aufgege- schieht dadurch, daß automatisch zugleich mit der ben? In Wirklichkeit haben wir heute einen Antrag Ausgliederung von Betriebsteilen die für die Mitbe- vorliegen, mit dem dies geregelt werden soll. Da stimmung relevante Größenordnung für deutsche würden wir doch Herrn Scharrenbroich, der in Ihrer Regelungen herabgesetzt wird. Partei und in Ihren Bereichen in gehobener Stellung ist, doch entgegenkommen. Unser Gesetzentwurf wurde lange beraten und (Detlef Kleinert [Hannover] [F.D.P.]: Und schließlich auf Wunsch unseres Koalitionspartners mit dem DGB!) dem Projekt „Kleine Aktienrechtsreform" und ande- rer Gesetze verknüpft. Mit dem Mitbestimmungs- Wie erklären Sie es sich, daß uns ein solcher Vorwurf Beibehaltungsgesetz sichern wir allerdings die Mitbe- gemacht wird? Das kann jetzt alles geheilt werden. stimmung. Ich hätte es lieber gesehen, wenn auch die Kleine Aktiengesellschaft in die Mitbestimmung nach Heinz-Adolf Hörsken (CDU/CSU): Ich kann mich zu dem Betriebsverfassungsgesetz 1952 aufgenommen diesem Vorwurf nicht äußern, weil ich ihn nicht wäre; aber dies war jetzt nicht durchsetzbar. Wir gemacht habe. Ich habe meine Posi tion beschrieben: konnten somit die Mitbestimmung sichern, allerdings Unterhalb einer ganz bestimmten Größenordnung nicht ausbauen. Ich will ausdrücklich sagen: Wir kann die institutionelle Mitbestimmung nicht mehr so sichern weiterhin die Mitbestimmung. greifen wie in einem großen Unternehmen. Die Die Mitbestimmung ist seit ihrer Grundsteinlegung mitbestimmungsrechtliche Ungleichbehand- lung der Rechtsform der in der Nachkriegszeit zu einem tragenden Pfeiler in Aktiengesellschaft gegen- über der GmbH der Wirtschafts- und Sozialordnung geworden und hat hat sich bei der Ak tiengesellschaft als eine Zugangsschwelle erwiesen. Diejenigen Unter- sich seit nunmehr über 40 Jahren fortentwickelt und bewährt. nehmen, die vor der Überlegung stehen, in die Rechts- form der Aktiengesellschaft zu wechseln, haben die- Die CDU/CSU hat sich immer für die Sicherung der sem Gesichtspunkt eine erheblich größere Bedeutung Mitbestimmung eingesetzt; wir werden dies weiterhin beigemessen als die Unternehmen, die sich bereits in tun. Unter diesem Gesichtspunkt wurde bei den der Rechtsform der Aktiengesellschaft befinden, wie Verhandlungen über die EG-Fusionsrichtlinie auf wir aus einer Studie von Professor Lutter und anderen deutsches Drängen eine Mitbestimmungsklausel auf- ersehen können. Beispielsweise haben auf die Frage, genommen, die es den nationalen Gesetzgebern ob die Drittelmitbestimmung ein Hindernis für die erlaubt, die steuerlichen Vergünstigungen in solchen Aktiengesellschaft sei, von den Unternehmen, die in Fällen zu versagen, bei denen der grenzüberschrei- den vergangenen Jahren in eine AG umgewandelt Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20333

Heinz-Adolf Hörsken haben, 64 % mit Nein geantwortet, von Familienak- steuerrechts ist nur ein, aber ein sehr gewichtiger Teil tiengesellschaften sogar 92 % mit Nein, von Börsen- zur Bereinigung des Umwandlungsrechts überhaupt. neulingen der letzten zehn Jahre 91 % mit Nein und Er ist damit ein unverzichtbarer Beitrag für mehr von börsennotierten mittelständischen Aktiengesell- Wachstum und Beschäftigung am Wirtschaftsstandort schaften 94 % mit Nein. Deutschland. Dies zeigt, daß die Drittelmitbestimmung für dieje- Denn selbst das beste handelsrecht liche Umwand- nigen, die schon die Rechtsform der Ak tiengesell- lungsrecht wird zwangsläufig ins Leere gehen, wenn schaft haben, in der Tat überhaupt kein Hindernis ist. es am Markt aus steuerlichen Gründen von der Für andere hat sie aber so große Bedeutung, daß sie Wirtschaft nicht angenommen wird. Beide Entwürfe davor zunächst einmal zurückschrecken. bilden ein einheitliches Vorhaben und zielen darauf Wir haben in dem Gesetzentwurf vorgesehen — wir ab, Umstrukturierungen innerhalb der Wirtschaft zu werden ihn wohl so verabschieden —, daß für die erleichtern. bestehenden Aktiengesellschaften unter 500 Arbeit- nehmern, die ebenfalls den Gesellschaften mit Diese Erleichterungen bestehen insbesondere beschränkter Haftung gleicher Größe gleichzustellen darin, daß in weiten Bereichen auf diese umständliche sind, der Bestandsschutz sichergestellt ist. Das heißt, Umstrukturierung durch die Übertragung im Wege hier greift weiterhin die Mitbestimmung nach dem der Einzelrechtsnachfolge zugunsten der sehr einfa- Betriebsverfassungsgesetz. Die kleine Ak tiengesell- chen Umwandlung im Wege der Gesamtrechtsnach- schaft soll daher wie die GmbH von der Mitbestim- folge verzichtet wird. mung im Aufsichtsrat freigestellt werden. Auf die allgemein zugelassene Spaltung von Kör- Dies ist eine neue Rechtssituation. Mir wäre lieber perschaften wurde schon hingewiesen. Lassen Sie gewesen, wir wären auch hier in die Mitbestimmung mich nur hinzufügen, daß wir bei der Treuhandanstalt hineingewachsen. Aber aus den Gründen, die ich gerade mit diesem Instrument herausragend gute gerade genannt habe, war es schwierig, dies durchzu- Erfahrungen gemacht haben. setzen. Es bleibt zu hoffen, daß ein Zuwachs von Mitbestimmung stattfindet, wenn diese Gesellschaf- Mit der Reform des Umwandlungssteuerrechts sol- ten über die Schwelle von 500 Arbeitnehmern kom- len neben reinen Anpassungen an die erweiterten men und damit in die Drittelmitbestimmung hinein- Möglichkeiten des Handelsrechts Umwandlungen wachsen. stärker als bisher steuerneutral gestellt werden. Ziel ist es also, steuerliche Hemmnisse, insbesondere Durch unsere Maßnahmen können mittelständi- umwandlungsbedingte steuerliche Hemmnisse wie sche Personalgesellschaften zum Wechsel in eine z. B. die Versteuerung von s tillen Reserven oder die Aktiengesellschaft motiviert werden, die so später in Einbuße von Verlustvorträgen, auszuräumen. Damit die Unternehmensmitbestimmung hineinwachsen. wird gerade in einer wirtschaftlich schwierigen Phase Die Einführung der Kleinen Aktiengesellschaft ist die notwendige Flexibilität für Umstrukturierungen zu begrüßen. Die Aktiengesellschaft soll für mittel- geschaffen. ständische Unternehmen attraktiver gemacht wer- den. Der Mittelstand soll dadurch den Zugang zum Daneben hat der Finanzausschuß das Anliegen des Eigenkapitalmarkt, zur Börse erhalten. Mehr Börsen- Bundesrats aufgegriffen, die Systematik und Struktur gänge mittelständischer Unternehmen bedeuten für des Umwandlungsrechts im Bereich der Einbrin- die betroffenen Unternehmen nicht nur eine günstige gungsfälle zu verbessern und dadurch auch die Kapitalbeschaffung, sondern führen zur Belebung des Anwendung des Gesetzes zu erleichtern. deutschen Finanzplatzes und der Wi rtschaft schlecht- Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, daß hin und tragen zur Sicherung von Arbeitsplätzen die bisher verstreuten Vorschriften zu den grenzüber- bei. schreitenden Einbringungstatbeständen nunmehr in Um es deutlich zu sagen: Die gegenwärtige Rechts- einer besonderen Vorschrift zusammengefaßt sind. lage, d. h. Drittelbeteiligung für Arbeitnehmer nach Diese Regelungen, die angesichts zunehmender Glo- dem Betriebsverfassungsgesetz 1952, wird für die balisierung, zunehmender internationaler Unterneh- bereits bestehenden Gesellschaften beibehalten. Die mensverflechtungen zukünftig mit Sicherheit noch Drittelbeteiligung entfällt künftig für Neugründungen entscheidend an Bedeutung gewinnen werden, sind und Umwandlungen. Da bereits mitbestimmte Gesell- dadurch wesentlich transparenter geworden. schaften in der Mitbestimmung bleiben, haben wir in diesem Bereich eine Beibehaltung des Status quo Wichtig und deshalb auch erwähnt seien die aus erreicht. Gründen der Steuergerechtigkeit vorgeschlagenen Schönen Dank. und vor allen Dingen aus wohnungsbaupolitischen Gründen sehr begrüßten Änderungen im Körper- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) schaftsteuergesetz zugunsten der ehemals gemein- nützigen Wohnungsunternehmen. Wem die ein- Vizepräsidentin Renate Schmidt: Nun spricht der schränkende Verlustverrechnungsregelung in § 13 Parlamentarische Staatssekretär Grünewald. Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes bekannt ist, weiß, wovon ich rede. Die Bundesregierung — das darf ich hinzufügen — sieht diese Regelung als eine Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär beim abschließende Nachbesserung an und wünscht sich Bundesminister der Finanzen: Frau Präsidentin! nun Ruhe an dieser Front. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ent- wurf des Gesetzes zur Änderung des Umwandlungs- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) 20334 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233, Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Parl. Staatssekretär Dr. Joachim Grünewald Schließlich haben wir noch an einer anderen Stelle nehmern zurückbleibt, dann unterliegt dieser Rest auf nachgebessert, nämlich bei den sogenannten Policen- ewig dem 76er Mitbestimmungsgesetz. Der Baube- darlehen. Hier haben wir eine Bagatellgrenze vorge- trieb mit 600 Arbeitnehmern behielte einen 20köpfi- sehen. Das vereinfacht die Anwendung der kompli- gen Aufsichtsrat, davon drei Vertreter der IG Metall, zierten Einschränkung der steuerlichen Begünstigung die vom Baugeschäft keine Ahnung haben. Nach zehn von Lebensversicherungen bei der Finanzierung von oder fünfzehn Jahren sind die 600 Arbeitnehmer in Investitionen für alle Beteiligten, natürlich auch für Rente oder zu anderen Unternehmen gewechselt, die Finanzverwaltung selbst. aber dieser Aufsichtsrat bleibt. Auch insoweit geht die Bundesregierung davon aus, Das Ganze, meine Damen und Herren, ist eine daß das Thema jetzt gesetzgeberisch abgeschlossen Groteske. Professor Lutter erinnert zu Recht an den ist und daß weitere Nachbesserungen nun nicht mehr Roman von Gogol „Tote Seelen". Der deutsche in Betracht kommen können und in Betracht kommen Gesetzgeber erhebt die toten Seelen erstmalig in der dürfen. Rechtsgeschichte zu einer Rechtsfigur. Kurzum: Der Gesetzentwurf enthält wirklich nur Nun kann man sich hier freikaufen — auch ein Wünschenswertes; Verbesserungen und Vereinfa- feiner Zug dieses Gesetzes —, indem man steuerliche chungen, mehr Transparenz, Abbau steuerlicher Nachteile in Kauf nimmt. Das erinnert an Herrn Tetzel Hemmnisse. Ich meine, es sollte uns allen deshalb und seinen Ablaß. nicht schwerfallen, ihm zuzustimmen, und dazu lade ich Sie herzlich ein. ( [CDU/CSU]: Wer war denn das? — Gegenruf des Abg. Dr. Hans de With (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) [SPD]: Er ist Katholik, er weiß das nicht!) — Jedenfalls hat er eine ungeheure Wirkung erzeugt, Vizepräsidentin Renate Schmidt: Nun hat zu einer allerdings eine ungeheure Gegenwirkung. Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung Otto Graf Lambsdorff das Wort. Darüber hinaus, meine Damen und Herren, handelt es sich bei dem, was wir hier vorhaben, um den klassischen Fall einer Mausefallengesetzgebung: Dr. Otto Graf Lambsdorff (F.D.P.): Frau Präsidentin! Rein kommst du in die Mitbestimmung, raus nie Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich wieder, auch wenn die gesetzlichen Voraussetzungen gebe diese Erklärung, warum wir dem Mitbestim- dafür entfallen sind. mungs-Beibehaltungsgesetz nicht zustimmen, auch im Namen der Kollegen und Walter Das wird, meine Damen und Herren, Scharen von Investoren ins L Hitschler ab. and bringen. Sie werden beeindruckt sein, wie wir deregulieren, entbürokratisieren und uns Als 1988 der Deutsche Bundestag das Montanmit- für den Wettbewerb richtig fit machen. Es handelt sich bestimmungssicherungsgesetz verabschiedete, habe um ein schönes Stück zukunftsweisender Gesetzge- ich dem in dritter Lesung nicht widersprochen. bung, und deswegen stimmen wir drei diesem Mitbe- Anschließend habe ich über die Schutzvereinigung stimmungs-Beibehaltungsgesetz nicht zu. für Wertpapierbesitz, deren Präsident ich bin, alles unternommen, um die Verfassungswidrigkeit dieses Vielen Dank. Gesetzes feststellen zu lassen. Bisher haben alle (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. — gerichtlichen Instanzen dieser Auffassung zuge- Hans-Eberhard Urbaniak [SPD]: Unerhört, stimmt. Jetzt hat das Oberlandesgericht Düsseldorf Kollege Lambsdorff!) die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Ent- scheidung vorgelegt. Ich will nicht noch einmal in die widersprüchliche Lage kommen, einem Gesetz zuzustimmen, das ich hinterher bekämpfe und das ich für grundfalsch halte, Vizepräsidentin Renate Schmidt: Weitere Wortmel- weil es dem Standort Deutschland schadet. dungen liegen nicht vor. Wir kommen dann zu den Abstimmungen, und zwar zuerst zum Tagesord- Sie wissen, daß ich am Mitbestimmungsgesetz 1976 nungspunkt 10a. Dabei handelt es sich um die mitgearbeitet habe. Ich halte die darin ge troffenen Abstimmung über den Gesetzentwurf zur Änderung Regelungen für richtig, und ich glaube, daß sich das des Umwandlungssteuerrechts auf den Drucksachen Gesetz in der Praxis im großen und ganzen bewährt 12/6885, 12/7263 und 12/7945 Nr. 1. Ich bitte diejeni- hat. Wir wollen jetzt durch Zustimmung zum Mitbe- gen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung stimmungs-Beibehaltungsgesetz nicht dazu beitra- zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Gegen- gen, das 76er Gesetz und die Mitbestimmung insge- stimmen? — Stimmenthaltungen? — Damit ist der samt zu diskreditieren und — erlauben Sie mir diese Gesetzentwurf in zweiter Beratung — wenn ich es Bemerkung — den Gesetzgeber lächerlich zu richtig sehe — einstimmig bei vielen Stimmenthaltun- machen. gen angenommen. Der Bonner Rechtswissenschaftler Professor Marcus Wir kommen nun zur Lutter — Herr Urbaniak hat ihn mehrfach zitiert — hat auf die Folgen des zu verabschiedenden Gesetzes dritten Beratung hingewiesen. und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Wenn eine deutsche Werft mit 1 600 Arbeitnehmern Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. — auf einen englischen Erwerber übergeht und ein Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? zufällig dazugehörender Baubetrieb mit 600 Arbeit- — Der Gesetzentwurf ist damit einstimmig bei einer Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20335

Vizepräsidentin Renate Schmidt größeren Zahl von Stimmenthaltungen angenom- Mitbestimmungs-Beibehaltungsgesetzes auf den men. Drucksachen 12/3280 und 12/4532. Der Finanzausschuß empfiehlt unter Nr. 2 seiner Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung emp- Beschlußempfehlung auf Drucksache 12/7945 zu den fiehlt auf Drucksache 12/7735, die Gesetzentwürfe Richtlinienvorschlägen der Europäischen Union über zusammenzufassen und in der Ausschußfassung das gemeinsame Steuersystem die Annahme einer anzunehmen. Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfeh- Dazu liegt ein Änderungsantrag der Frak tion der lung? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der SPD auf Drucksache 12/7899 vor, über den wir zuerst Stimme? — Damit ist diese Beschlußempfehlung abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? ebenfalls einstimmig bei einer großen Zahl von — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimmenthaltungen angenommen. Stimme? — Damit ist dieser Änderungsantrag abge- lehnt. Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 10b, zur Abstimmung über den Gesetzentwurf zur Bereini- Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der gung des Umwandlungsrechts auf den Drucksachen Ausschußfassung zustimmen wollen, um das H and- zeichen. — Gegenstimmen? — Stimmenthaltungen? 12/6699, 12/7265 und 12/7850. Dazu liegt ein Ände- Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit rungsantrag der Frak tion der SPD auf Drucksache 12/7900 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer großer Mehrheit angenommen. stimmt für den Änderungsantrag? — Wer stimmt Wir kommen zur dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Damit ist dritten Beratung dieser Änderungsantrag abgelehnt. und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. — der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält — Damit ist der Gesetzentwurf mit großer Mehrheit sich der Stimme? — Damit ist dieser Gesetzentwurf in angenommen. zweiter Beratung angenommen. Wir kommen nun zur Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zum Wir kommen zur Antrag der Fraktion der SPD zur Sicherung der dritten Beratung Tarifautonomie auf der Drucksache 12/7735. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem 12/4818 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluß- Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. — empfehlung? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält Wer stimmt dagegen? — Wer möchte sich der Stimme sich der Stimme? — Damit ist diese Beschlußempfeh- enthalten? — Damit ist dieser Gesetzentwurf ange- lung angenommen. nommen. Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 10c. Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 11 a und 11 b Dabei handelt es sich um die Abstimmung über den auf: von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. einge- a) Zweite und dritte Beratung des von den Ab- brachten Gesetzentwurf für Kleine Aktiengesellschaf- geordneten Siegfried Hornung, Dr. Hans ten und zur Deregulierung des Aktienrechts auf den Stercken, Michael von Schmude, weiteren Drucksachen 12/6721 und 12/7848. Abgeordneten und der Frak tion der CDU/CSU Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der sowie den Abgeordneten Hans-Joachim Otto SPD auf Drucksache 12/7920 vor, über den wir zuerst (Frankfurt), Ina Albowitz, Gerhart Rudolf abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? Baum, weiteren Abgeordneten und der Frak- — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? Der Ände- tion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines rungsantrag ist damit abgelehnt. Gesetzes über den deutschen Auslandsrund- funk Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in — Drucksache 12/7401 — der Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Gegenstimmen? — Stimmenthaltun- (Erste Beratung 225. Sitzung) gen? -- Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Bera- aa) Beschlußempfehlung und Be richt des In- tung angenommen. nenausschusses (4. Ausschuß) Wir kommen zur — Drucksache 12/7927 — Berichterstattung: dritten Beratung Abgeordnete Dr. Joseph-Theodor Blank und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die Hans-Joachim Otto (Frankfurt) dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe- Gerd Wartenberg (Berlin) ben. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der bb) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus- Stimme? — Damit ist der Gesetzentwurf angenom- schuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung men. — Drucksache 12/7928 — Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunk- Berichterstattung: ten 10d und e, zur Abstimmung über die von den Abgeordnete Rudolf Purps Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. sowie der Frak- tion der SPD eingebrachten Gesetzentwürfe eines Ina Albowitz 20336 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Vizepräsidentin Renate Schmidt b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Zusammenarbeit und des fairen Ausgleichs gelungen. Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuß) Bereits vorab war zur Festigung der deutsch-amerika- zu dem Antrag der Frak tionen der CDU/CSU nischen Beziehungen im Rundfunkwesen die RIAS- und F.D.P. Berlin-Kommission gegründet worden, die inzwi- schen erste Erfolge ihrer transatlantischen Verständi- Nationaler Hörfunk gungsarbeit vorweisen kann. zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Meine Damen und Herren, von Anfang an war es Glotz, Günter Verheugen, Hans Gottfried Bern tion-rath, weiterer Abgeordneter und der Frak zwischen allen Beteiligten unstreitig, daß zu einer der SPD derart umfassenden Neuordnung des Rundfunks auf Bundesebene auch eine neue gesetzliche Grundlage Neugestaltung der deutschen Rundfunkland- für den Auslandssender Deutsche Welle gehört. Das schaft Gesetz über die Errichtung von Rundfunkanstalten des — Drucksachen 12/3623, 12/2749, 12/6698 — Bundesrechts, seit dem Wegfall des Deutschlandfunks Berichterstattung: ohnehin nur noch ein Torso, hat die neue rundfunk- Abgeordnete Dr. Joseph-Theodor Blank rechtliche wie auch die tatsächliche Entwicklung nicht Gerd Wartenberg (Berlin) mitmachen können. Vieles bleibt ganz ungeregelt — Hans-Joachim Otto (Frankfurt) wie die Finanzierung. Deshalb sollte der Deutsche Bundestag jetzt seiner Verantwortung für die Deutsche Zum Gesetzentwurf liegen ein Entschließungsantrag Welle dadurch gerecht werden, daß er ihr zu einer und ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. modernen gesetzlichen Grundlage verhilft. Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die gemeinsame Aussprache eine Dreiviertelstunde vor- Mit derselben Absicht hatten sich die Koalitions- gesehen. Gibt es dazu anderweitige Vorstellungen? — fraktionen und die Fraktion der SPD in den Anträgen Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. zum nationalen Hörfunk bzw. zur Neugestaltung der deutschen Rundfunklandschaft schon vor geraumer Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Zeit auch dafür eingesetzt, daß der Entwurf eines dem Kollegen Dr. Theodor Bl ank das Wort. Auslandsrundfunkgesetzes vorgelegt werden möge. Dies ist nun, wenn auch auf etwas anderem Wege als Dr. Joseph-Theodor Blank (CDU/CSU): Frau Präsi- damals gedacht, geschehen. Wir können deshalb die dentin! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Anträge insgesamt für erledigt erklären und uns mit Bundestag hat nicht oft Gelegenheit, über ein Rund- ungeteilter Aufmerksamkeit dem vorliegenden Ge- funkgesetz zu debattieren und damit eine Aufgabe zu setzentwurf zuwenden. erfüllen, die dem Kernbereich der Medienpolitik Lassen Sie mich zunächst einige Worte zur generel- zuzuordnen ist. Wenn heute der Entwurf eines Geset- zes über den deutschen Auslandsrundfunk zur zwei- len Zielsetzung des Ihnen vorliegenden Entwurfs ten und dritten Lesung ansteht, nimmt die Bundespo- sagen. Daß die Deutsche Welle, unsere Stimme in der litik dies zum Anlaß, ihre medienpolitische und rund- Welt, eine neue gesetzliche Grundlage dringend benö- funkrechtliche Kompetenz wahrzunehmen und ihr tigt, erklärt sich schon daraus, daß das geltende Gesetz Verständnis einer zeitgemäßen und zukunftsorien- aus dem Jahre 1960 stammt. Wir alle wissen, welch tierten Rechtsgrundlage einer öffentlich-rechtlichen tiefgreifende Änderungen seitdem auf dem Gebiet der Rundfunkanstalt darzulegen. elektronischen Medien eingetreten sind. Auch die Auslandssender sind davon berührt. Der deutsche Dieser Gesetzentwurf, den meine Fraktion und die Auslandsrundfunk, die Deutsche Welle, muß mit derar- Fraktion der F.D.P. eingebracht haben, hat eine län- tigen Entwicklungen Schritt halten können, wenn er gere Vorgeschichte; sie beginnt mit der deutschen Einheit. Seit mehreren Jahrzehnten hat es in der weltweit konkurrenzfähig bleiben will. deutschen Rundfunklandschaft unter dem Beg riff Aber auch im Inland darf die Rundfunkanstalt den „Rundfunkanstalten des Bundesrechts" zwei Namen Anschluß nicht verlieren. Sie ist Mitglied der ARD und gegeben: den Deutschlandfunk mit Sendungen für soll vernünftigerweise mit den anderen Anstalten der Deutschland und Europa und die Deutsche Welle als Arbeitsgemeinschaft kooperieren. Die Landesrund- Auslandssender. Neben dem Deutschlandfunk war funkanstalten in der ARD haben schon seit geraumer der RIAS Berlin, von den Amerikanern 1945 gegrün- Zeit neuere Gesetze, in denen die strukturelle, tech- det und später nach und nach in die Verantwortung nische und organisatorische Entwicklung angemes- des Bundes übergegangen, der freien und objektiven sen berücksichtigt ist und die mehr oder weniger Berichterstattung gerade auch über die innerdeutsche übereinstimmend einen rundfunkrechtlichen Stan- Grenze hinaus verpflichtet. dard normieren, der heutigen Anforderungen ent- Beide Anstalten haben viel dazu beigetragen, dem spricht. Dieser Standard sollte auch der Deutschen Gedanken der freiheitlichen Einheit Deutschlands Welle zugebilligt werden, die als einzige Rundfunk- zum Durchbruch zu verhelfen. Gleichwohl konnten anstalt des Bundesrechts insoweit bisher stiefmütter- sie nach der Wiedervereinigung nicht mehr in der lich behandelt worden ist. bisherigen Form beibehalten werden. Letztlich führ- Einige Regelungen des vorliegenden Entwurfs ten diese Überlegungen dazu, daß die Länder einen möchte ich herausgreifen und im einzelnen erläutern, bundesweiten Hörfunk unter Einbeziehung von um Ihnen die Notwendigkeit der Gesetzesnovellie- Deutschlandfunk und RIAS gründeten, der als rung auch im Detail verdeutlichen zu können. Deutschlandradio seit Anfang des Jahres auf Sendung ist. Die Überleitung und die Errichtung der neuen Der Programmauftrag der Deutschen Welle bundesweiten Körperschaft sind, anders als noch in erscheint zwar auf den ersten Blick gegenüber dem früheren Jahrzehnten, friedlich im föderalen Geist der geltenden Recht unverändert. Wie bisher soll der Welt Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20337

Dr. Joseph-Theodor Blank das Bild Deutschlands vermittelt und dabei die deut- den europäischen Sendeauftrag übernommen. Ihre sche Auffassung zu wichtigen Fragen dargestellt weltweiten Aktivitäten machten eine Vergrößerung werden. Wir sehen die Deutsche Welle als geistig des Rundfunkrats erforderlich. Bewährte Einrichtun- kreative, staatsunabhängige, in ihrer Programmge- gen waren aus dem geltenden Gesetz zu übernehmen. staltung selbständige Rundfunkanstalt mit dem Recht Daß hier nicht alle Gruppierungen berücksichtigt der Selbstverwaltung. Sie soll nicht etwa ausschließ- werden konnten, die sich für berufen halten durften, lich und unreflektiert die offiziellen Verlautbarungen folgt aus einem Auswahlkriterium, das generell anzu- des Parlaments oder der Bundesregierung wiederge- wenden war: Nur Ins titutionen mit Auslandsbezug ben. Die Deutsche Welle ist — das sei an dieser Stelle sollten in den Gremien des Auslandssenders reprä- unmißverständlich gesagt — kein Instrument der sentiert sein. staatlichen Öffentlichkeitsarbeit. - In die Gremien sollen Frauen und Männer entsandt (Zustimmung bei der F.D.P. — Dr. Cornelie werden, wie das unserer Rechtsordnung entspricht. Sonntag-Wolgast [SPD]: Das wollen wir hof- Bei der Anwendung des Gesetzes ist das vom Deut- fen! - Günter Verheugen [SPD]: Das wollen schen Bundestag vor kurzem verabschiedete Zweite Sie ja gerade ändern!) Gleichberechtigungsgesetz zu beachten, das die gleichberechtigte Teilnahme von Frauen in allen Nun wäre es aber wirklichkeitsfremd, Herr Kollege Bundesverwaltungen und Anstalten einfordert. Verheugen, wenn man annähme, daß die Deutsche Ebenso sind die für das Verfahren der Auswahl Welle ihre ins Ausland gerichteten Sendungen völlig einschlägigen Regelungen des neuen Bundesgre- losgelöst von allen Belangen der politischen Bezie- mienbesetzungsgesetzes zu beachten. hungen zum Ausland gestalten kann. Es ist daher gerechtfertigt, sie in der Formulierung der Programm- Von zentraler Bedeutung für das gesamte Vorhaben grundsätze daran zu erinnern, daß ihre Sendungen eines neuen Auslandrundfunkgesetzes sind die Rege- die Beziehungen zu anderen Staaten berühren kön- lungen über die Finanzierung der Deutschen Welle. nen, und ihr aufzuerlegen, sich dessen bewußt zu sein. Da es bislang keine Finanzierungsregelung gibt, Das ist keine staatliche Bevormundung, sondern ein betreten wir hier Neuland, wenn auch unterstützt Appell an die Einsicht, daß in der Außenpolitik durch die Erfahrungen aus der bisherigen Pra xis. Es ist manches zwangsläufig anders zu sehen und zu arti- bekannt, daß ich mich gemeinsam mit anderen Medi- kulieren ist als in der journalistischen Berichterstat- enpolitikern dafür eingesetzt habe, für die Deutsche tung und daß dieser Unterschied schon allein deshalb Welle eine Globalfinanzierung zu ermöglichen. nicht in Vergessenheit geraten darf, weil etwa die (Beifall des Abg. Hans-Joachim Otto [Frank Auffassung des Bundestages selbst einfach zur objek- furt] [F.D.P.]) tiven Berichterstattung gehört. Ich bin nach wie vor der Meinung, daß eine solche Bei den Regelungen des Jugendschutzes ist einer- Regelung sinnvoll ist, um Spielraum für wirtschaftli- seits zu beachten, daß sich der Deutsche Bundestag ches Handeln und Denken zu eröffnen und um die intensiv um Verbesserungen, insbesondere um eine finanzielle Unabhängigkeit der Rundfunkanstalt zu Eindämmung der Gewaltdarstellungen im Fernse- sichern. Das jüngste Rundfunkurteil des Bundesver- hen, bemüht. Das ist gut und richtig so. Auch die fassungsgerichts vom 22. Februar 1994 dürfte diese Länder haben vor einiger Zeit einschlägige Änderun- meine Auffassung nachhaltig stützen. gen ihrer Rundfunkstaatsverträge in Gang gesetzt. Nun weiß ich, daß sich die Ministerin für Frauen und Nun ist aber die Globalfinanzierung nicht gleichbe- Jugend, Frau Kollegin Merkel, ebenso wie andere deutend mit der letzten und einzigen Wahrheit. Das Kolleginnen dafür einsetzt, daß die Ausstrahlung erwähnte Urteil betrifft die Gebührenfinanzierung der indizierter Beiträge grundsätzlich verboten wird. So Landesrundfunkanstalten. Ich räume deshalb ein, daß weit werden die Länder mit der Änderung ihres es notwendig war, zwischen rundfunkrechtlichen und Rundfunkrechts aber nicht gehen. Im übrigen ist das haushaltsrechtlichen Interessen einen Ausgleich zu Totalverbot nach meiner Überzeugung verfassungs- suchen. Ich meine, daß der Ausgleich, wie Sie ihn in rechtlich auch nicht zu halten. Form der Finanzierungsregelung des Gesetzentwurfs nun vorliegen haben, als gelungen bezeichnet wer- Ich schlage daher vor, es bei der Entwurfsfassung zu den kann. belassen, die übrigens schon weitergeht als die Novel- lierung der Länder. Für das Bundesgesetz erscheint (Gerd Wartenberg [Berlin] [SPD]: Na, na! — mir dies schon deswegen ausreichend, weil der Aus- Zuruf des Abg. Günter Verheugen [SPD]) landssender Deutsche Welle nun wirklich seriös defi- — Fragen Sie einmal Ihre Haushälter, Herr Verheu- niert ist und kaum als Abspielplatz für zweifelhafte gen, die sehen das auch so. — Er sieht nämlich vor, daß Produkte in Betracht kommt. die Deutsche Welle in Ausübung ihrer Programm- Die Neuregelung der Aufsichtsgremien der Deut- autonomie selbst die Grundlagen für die Höhe des schen Welle, des Rundfunkrats und des Verwaltungs- Bundeszuschusses liefert, indem sie ihren eigenen rats, berücksichtigt in angemessener Weise das Gebot Haushaltsplan aufstellt. Andererseits wird aber auch der Staatsferne. Den Gremien gehören also nicht zu das nicht disponible Budgetrecht des Parlaments viele Staatsvertreter an, und den gesellschaftlich rele- dadurch gewahrt, daß die letzte Entscheidung über vanten Gruppen werden die erforderlichen Mitwir- die Höhe des Zuschusses nur der Deutsche Bundestag kungsrechte eingeräumt. Ich meine, daß es bei der durch das Haushaltsgesetz treffen kann. Auf dieser Auswahl der Institutionen auf konsensfähige Weise Basis — davon bin ich überzeugt — wird es möglich gelungen ist, mehrere Aspekte miteinander zu verein- sein, die Deutsche Welle angemessen auszustatten, baren. Die Deutsche Welle hat vom Deutschlandfunk sowohl was das Verfahren der Finanzierung als auch 20338 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Dr. Joseph-Theodor Blank den Umfang der Mittel betrifft. Um dies zu gewährlei- neue gesetzliche Grundlage zu geben. Das alte sten, enthält der Entwurf weitere sinnvolle Regelun- Gesetz entspricht nicht mehr der rundfunkrechtlichen gen, die dazu dienen, administrative Eingriffe in den Entwicklung in Deutschland. Die Novellierung war laufenden Haushaltsvollzug zu verhindern. schon seit Jahren überfällig. Ebenso wichtig sind — als ein erhebliches Zuge- Was aber hier von den Regierungsfraktionen vorge- ständnis an die besondere Stellung und Eigenart einer legt worden ist und natürlich ausschließlich die Hand- Rundfunkanstalt — spezielle Vorschriften über die schrift der Bundesregierung trägt, entspricht dieser Deckungsfähigkeit und die Übertragbarkeit von Aus- Forderung nach einer modernen, den in der Recht- gaben sowie über die Behandlung von Ausgabere- sprechung entwickelten Grundsätzen entsprechen- sten, die der Deutschen Welle viel wirtschaftliche - den Grundlage für die Deutsche Welle nicht. Beweglichkeit einräumen. Damit können zwar nicht alle Wünsche erfüllt werden, aber die Deutsche Welle Ich möchte zunächst einmal ein Wort dazu sagen, kann damit ihre Aufgaben erfüllen, ohne ungebühr- wozu wir uns eigentlich einen Auslandssender leisten. lich eingeschränkt zu sein. Wenn diese Regelung Es gibt ja eine Menge Leute, die sagen: Das ist sehr verabschiedet wird, so appelliere ich bereits jetzt an viel Geld. 650 Millionen DM kostet uns die Deutsche die Kolleginnen und Kollegen des Haushaltsaus- Welle, ein Sender, den man in Deutschland überhaupt schusses, sis sollten sich der besonderen Verantwor- nicht hören und sehen kann. Was bringt uns das tung für das Gedeihen der Auslandsrundfunkanstalt eigentlich? bewußt sein und sie sachgerecht behandeln. Ich glaube, daß ein Land in der außenpolitischen (Beifall des Abg. Hans-Joachim Otto [Frank Situation wie die Bundesrepublik Deutschland, ein furt] [F.D.P.]) Land mit so vielen Nachbarn, ein Land mit einer so Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe besonderen Geschichte, ein Land aber auch mit so Kolleginnen und Kollegen, nachdem ich Ihnen nun herausragenden außenwirtschaftlichen Interessen, die wesentlichen Belange des Gesetzes über den wie wir sie haben, auf einen eigenen Auslandssender deutschen Auslandsrundfunk vorgestellt habe, darf nicht verzichten kann. ich abschließend zwei Punkte in Erinnerung rufen. (Hans-Joachim Otto [Frankfu rt] [F.D.P.]: So Erstens. Das Gesetz ist der letzte noch fehlende weit sind wir uns einig!) Baustein einer umfassenden Neuordnung des Rund- Es ist notwendig, daß wir im Ausland ein Bild funks auf Bundesebene. Wenn wir es heute auf der unseres Landes vermitteln, das der Wirk lichkeit ent- Grundlage der Beratungen von gestern im Innenaus- spricht. Das heißt, es darf kein geschöntes Bild sein. Es schuß und in den mitberatenden Ausschüssen hier in darf nicht das Bild sein, das wir von Deutschl and zweiter und dritter Lesung abschließend beraten und vielleicht gerne hätten, sondern es muß das Bild sein, beschließen, kann der Deutsche Bundestag mit Fug wie es wirklich ist. Es muß deshalb ein Sender sein, der und Recht sagen, er habe in dieser laufenden Legis- die Möglichkeit hat, Zustände in unserem eigenen laturperiode alles bewältigt, was in der Medienpolitik Land auch kritisch zu be trachten und kritisch zu zu tun war. Einen abschließenden Überblick über die behandeln. medienpolitischen Entwicklungen der letzten Jahre, insbesondere nach der deutschen Einheit, erwarten Ich glaube, daß der Grundsatz der Rundfunkfrei- wir noch von der Bundesregierung. heit, der das Rundfunksystem in unserem L and Zweitens. Denken Sie bitte daran, daß sich alle beherrscht, gerade auch für den Auslandsrundfunk Fraktionen und Gruppen dieses Hauses für ein neues von besonderer Bedeutung ist, weil wir damit auch im Gesetz über den Auslandsrundfunk ausgesprochen Ausland zeigen können, wie ernst wir diesen Grund- haben. Hier liegt nun ein Entwurf vor; ich denke, er ist satz nehmen. Jeder sollte sich dessen bewußt sein, daß konsensfähig. Meine Fraktion jedenfalls wird dem das Bild, das über die Deutsche Welle im Ausland Entwurf in der vorliegenden Form zustimmen. vermittelt wird, Auswirkungen hat auf die Einschät- zungen, auf die Sympathien, die draußen in der Welt (Zuruf von der SPD) entstehen, Auswirkungen hat auf die Bereitschaft, mit — Das haben Sie fast vermutet. — Ich bitte Sie, sich uns zusammenzuarbeiten, und vielleicht auch auf die dem anzuschließen. Den Antrag der SPD — auch das Bereitschaft, bei uns zu arbeiten und zu investieren. werden Sie vermutet haben — weisen wir zurück. Der zweite Grund dafür, daß wir einen Auslands- Herzlichen D ank. sender brauchen, ist, daß Informationsfreiheit für uns (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) ein grundlegendes Element einer demokratischen Ordnung ist. Ich glaube, wir sind alle davon über- zeugt, daß eine demokratische Ordnung nur da beste- Vizepräsidentin Renate Schmidt: Als nächster hen kann, wo die Freiheit der Information besteht. Sie spricht nun der Kollege Günter Verheugen. ist ein Menschenrecht. Unsere gemeinsame Vorstel- lung ist es wohl auch, daß Menschenrechte nicht nur bei uns, sondern weltweit gelten sollen und daß wir (SPD): Frau Präsidentin! Meine Günter Verheugen mit dem Auslandssender auf diese Weise einen Bei- sehr verehrten Damen und Herren! Der deutsche trag dazu leisten können, Informationsfreiheit, j eden- Auslandsrundfunk, die Deutsche Welle, ist nur sehr falls ein Stück weit, auch da herzustellen, wo sie nicht selten Gegenstand der Aufmerksamkeit des Plenums besteht. Das ist leider im größten Teil der Welt so. des Deutschen Bundestages. Darum war es höchste Zeit, daß das wieder einmal geschieht. Ich sage, daß es Gerade in der Zeit des kalten Krieges übrigens hat dringend notwendig war, der Deutschen Welle eine sich sehr deutlich gezeigt, was für eine gewaltige Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20339

Günter Verheugen Bedeutung ein Auslandssender haben kann. Auch die voraus, daß sie der zwangsläufig folgenden verfas- Deutsche Welle hat in dieser Zeit eine wich tige Rolle sungsgerichtlichen Überprüfung nicht standhalten gespielt, um den Menschen hinter dem Eisernen wird. Vorhang die Möglichkeit zu geben, nicht nur etwas (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und von dem zu erfahren, was in Deutschland geschehen dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ist, sondern auch von dem, was in der damaligen Das zweite — und das ist nun ein besonders bitterer kommunistischen Staatenwelt wirklich geschehen Punkt — ist die Sache mit der ist. Globalfinanzierung. Natürlich ist klar: Wer die Musik bezahlt, wer das Geld Der dritte Grund dafür, daß wir einen Auslandssen- gibt, der bestimmt auch, was gemacht wird. Die der brauchen, ist der, daß wir in einer Welt leben, in - Finanzierung bleibt im wesentlichen so, wie sie war. der immer wieder Krisen und Konflikte ausbrechen. In Der Sender bleibt in der Abhängigkeit des Finanzmi- solchen Krisen- und Konfliktsituationen hat das gute nisteriums und des Innenministeriums. alte Radio immer noch eine ganz besondere und Der Kollege Dr. Blank hat in der rundfunkpoliti- wichtige Funktion. Wir erleben es im Augenblick schen Debatte, die wir am 6. November 1992 hier gerade im Zusammenhang mit dem Konf likt im ehe- geführt haben, Forderungen an das neue Bundes- maligen Jugoslawien, wie wichtig die Beiträge der rundfunkgesetz gestellt. Drei Forderungen waren es, westlichen Auslandssender sind. und Sie haben die erste Forderung wie folgt formuliert Ich glaube, es kann kein Zweifel daran bestehen, — ich zitiere —: daß wir einen Auslandssender brauchen, daß es sich Die Deutsche Welle braucht eine gesetzlich gere- bewährt hat, daß wir diese Ins titution haben, und daß gelte Globalfinanzierung. Nur so können auf wir ihn auch in Zukunft finanzieren müssen. Dauer die Unabhängigkeit und die Autonomie Er ist aber eine Rundfunkanstalt. Er ist keine des Senders gesichert werden. Behörde der Bundesregierung. Er ist nach seinem Das haben Sie für die Frak tion der CDU/CSU hier im Charakter eine öffentlich-rechtliche Anstalt wie alle Bundestag am 6. November 1992 gesagt. Ich möchte anderen öffentlich-rechtlichen Anstalten auch. Es gerne wissen, was in der Zwischenzeit geschehen ist, müssen deshalb für die öffentlich-rechtliche Anstalt daß Sie von dieser richtigen Erkenntnis nichts mehr Deutsche Welle dieselben rundfunkpolitischen und wissen wollen. rundfunkrechtlichen Grundsätze gelten wie bei den Ich habe in derselben Debatte gesagt — ich darf

Landesrundfunkanstalten auch. mich einmal selber zitieren —: (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Der jetzige Zustand, daß unser Auslandssender Liste) finanziell praktisch in der Abhängigkeit von Bun- desregierung und Haushaltsausschuß steht, ist Auch der Auslandsrundfunk muß ein freier Rundfunk sein. Es darf nicht der Eindruck entstehen, daß der mit dem Grundsatz der Staatsfreiheit von Rund- funkanstalten nicht zu vereinbaren. Dieser Auslandsrundfunk unter der besonderen Kuratel der jeweiligen Regierung steht. Zustand ist verfassungswidrig. An dieser Stelle verzeichnet das Protokoll des Deut- Sie, meine Damen und Herren von den Koalitions- schen Bundestages: „(Beifall des Abg. Hans-Joachim parteien und der Bundesregierung, haben in dem jetzt Otto [Frankfurt] [F.D.P.])". vorliegenden Gesetz Bestimmungen vorgesehen, die ich nur als Vorbereitung zur Zensur bezeichnen (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [F.D.P.]: Die kann. sen Beifall würde ich heute wiederholen!) Daraus schließe ich, Herr Kollege Otto, daß auch Sie (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste dieser Auffassung sind. Dann muß ich auch Sie fragen, — Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [F.D.P.]: was in der Zwischenzeit geschehen ist, daß Sie das Quatsch!) heute nicht mehr glauben wollen. Wenn Sie in dieses Gesetz hineinschreiben, daß bei (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [F.D.P.]: Ich den Sendungen beachtet werden muß, daß sie aus- werde Ihnen das gleich beantworten!) wärtige Belange berühren können, dann stellt sich doch als erstes die Frage: Wer entscheidet denn Vizepräsidentin Renate Schmidt: Herr Kollege Ver- darüber, was „auswärtige Belange" sind, und wer heugen, Kollege Blank steht deshalb, weil er Sie etwas entscheidet darüber, wann „auswärtige Bel ange" fragen möchte. berührt sind? Die Organisationen der in der Deut- schen Welle tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben diesen Punkt sehr deutlich gemacht: Günter Verheugen (SPD): Ja. Sie verankern hier in einem Gesetz zunächst einmal Er darf? die Selbstzensur, die Schere im Kopf, und Sie halten Vizepräsidentin Renate Schmidt: hier ein Instrument bereit, mit dem kritische und unliebsame Sendungen jederzeit ausgeschaltet wer- Günter Verheugen (SPD): Gerne. den können. Es braucht ja nur gesagt zu werden: Das berührt die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Dr. Joseph-Theodor Blank (CDU/CSU): Vielen Deutschland. Und schon ist es mit der Rundfunkfrei- Dank. — Herr Kollege Verheugen, das, was Sie vorhin heit zu Ende. Diese Bestimmung ist nach meiner als meinen Redebeitrag aus der damaligen Debatte festen Überzeugung mit dem Grundsatz der Rund- zitiert haben, habe ich heute als meine Auffassung funkfreiheit nicht zu vereinbaren. Ich sage Ihnen auch und die der Medienpolitiker meiner Frak tion noch 20340 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Dr. Joseph-Theodor Blank einmal inhaltlich wiederholt. Wenn Sie meinem Rede- Zu den Gremien ist weiter zu sagen, daß beitrag vorhin zugehört hätten, wäre Ihnen das nicht ihre Zusammensetzung mit verfassungsrechtlichen verborgen geblieben. Grundsätzen hart kollidiert. Der jetzige Zustand wird Ist es zutreffend, frage ich Sie, daß sich auch die verschlechtert; er war schon nicht optimal, was die Finanzpolitiker der SPD, d. h. die Mitglieder des Staatsquote, also den Anteil der Mitglieder des Rund- Haushaltsausschusses, die Ihre Fraktion vertreten, funkrates, die von staatlichen Stellen entsandt wer- gegen die von uns Medienpolitikern vorgesehene den, angeht. Dieser Anteil wird nach dem neuen Globalfinanzierung in dieser Form ausgesprochen Gesetz knapp unter 50 % liegen. Damit wird die haben und daß es deshalb mit den Haushaltspolitikern Deutsche Welle Rekordhalter aller öffentlich-rechtli- aller Fraktionen keinen Konsens in dieser Frage chen Rundfunkanstalten sein, aber in einem negati- - gegeben hat? ven Sinn. Aus den Urteilen des Verfassungsgerichts ergibt sich ganz eindeutig, daß eine Höchstgrenze von etwa einem Drittel Vertreter staatlicher Organe in Aufsichtsgremien öffentlich-rechtlicher Rundfunkan- Günter Verheugen (SPD): Das ist völlig richtig. Die stalten mit dem Grundsatz der Staatsfreiheit noch zu überparteiliche „Fraktion der Haushälter" hat sich vereinbaren ist. Bei fast der Hälfte ist das jedenfalls hier wieder einmal zusammengetan. Aber die Haus- nicht mehr der Fall. Auch hier wird die Absicht hälter sind nicht der Deutsche Bundestag. Ich vertrete deutlich. hier die Fraktion der SPD, und die Fraktion der SPD hat entschieden, daß die Globalfinanzierung das rich- Das Gesetz bleibt weit hinter den Regelungen der tige Instrument ist, um die Staatsfreiheit sicherzustel- Landesrundfunkanstalten zurück, was die Zuständig- len. keiten des Rundfunkrates angeht. Der Rundfunkrat ist das eigentlich konstitutive Organ einer Anstalt. Der (Beifall bei der SPD) Rundfunkrat ist der öffentliche Treuhänder für die Meine Damen und Herren, ich will noch auf ein paar Anstalt. Bei ihm müssen die wesentlichen Entschei- weitere Punkte kommen, die mir sehr bedenklich dungskompetenzen liegen. Der Wissenschaftliche erscheinen. In dem Gesetzentwurf ist ein nahezu Dienst des Deutschen Bundestages hat vor einiger uneingeschränktes Verlautbarungsrecht der Bundes- Zeit auf meinen Wunsch hin einmal eine Zusammen- regierung verankert. Auch das legt den Verdacht stellung der Rechtsgrundlagen der Aufsichtsgremien nahe, daß hier ein Instrument geschaffen werden soll, öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten in Deutsch- das bei Bedarf für regierungsamtliche Propaganda land gemacht und ist dabei zu dem Ergebnis gekom- verwendet wird. Daß wir Anlaß haben, bei Aktivitäten men, daß die Rechtsstellung der Aufsichtsgremien der der Bundesregierung auf dem Feld der Öffentlich- Deutschen Welle — und damals auch noch des keitsarbeit mißtrauisch zu sein, das dürften Sie in den Deutschlandfunks — im Vergleich zu allen anderen letzten Wochen und Monaten zur Kenntnis genom- öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die mit Ab- men haben. Es reicht nachgerade, was sich das Presse- stand schwächste ist. Daran wird mit diesem Gesetz und Informationsamt der Bundesregierung in den nichts geändert. Wenn wir mit der rundfunkrechtli- letzten Monaten geleistet hat. chen Entwicklung Schritt halten wollten, wäre es notwendig gewesen, dem Rundfunkrat der Deutschen (Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Wahr Welle das Recht der Feststellung des Haushaltes und haftig!) das Entscheidungsrecht bei der Benennung der Es betreibt Parteipropaganda mit Steuermitteln. Es Direktoren der Anstalt einzuräumen. Dieses Gremium reicht wirklich! Es muß nicht sein, daß jetzt auch noch kann seine Aufgabe, die Programmrichtlinien zu unser Auslandssender dazu mißbraucht werden kann. überwachen und auf die Einhaltung der Programm- Dieses Verlautbarungsrecht ist nicht hinnehmbar. grundsätze zu achten, nicht erfüllen, wenn es über- (Beifall bei der SPD) haupt keine Druckmittel gegenüber dem Intendanten und der Leitung der Anstalt hat. Es bleibt ein schwa- Ebensowenig ist die Gremienzusammensetzung, ches Gremium, das nicht dadurch stärker wird, daß es die Sie vorgesehen haben, hinnehmbar. Als der Deut- jetzt zahlenmäßig deutlich verstärkt wird. sche Bundestag mich vor fünf Jahren zum ersten Mal in dieses Gremium gewählt hat, hatte es elf Mitglieder Nun kommt ein letzter und besonders schwerwie- und war sehr arbeitsfähig. Dann ist das Gesetz novel- gender Punkt, meine sehr verehrten Damen und liert worden. Seitdem, also seit vier Jahren, hat der Herren, bei dem sich wiederum die Frage der Verfas- Rundfunkrat der Deutschen Welle 17 Mitglieder. Kein sungsmäßigkeit des Gesetzes stellt. Das Gesetz ent- Mensch kann mir eine überzeugende Begründung für hält einen schwerwiegenden Eingriff in die Tarif- die Erhöhung auf 30 Mitglieder geben, keiner kann autonomie. Die Tarifvertragshoheit für die Gewerk- das erklären. schaften in der Deutschen Welle wird in einer Art und Weise eingeschränkt, die mit nichts begründet wer- (Beifall bei der SPD) den kann, weil nämlich Tarifverträge praktisch von Einmal ganz davon abgesehen, daß die Sache der Zustimmung Dritter abhängig gemacht werden, dadurch sehr teuer wird: Die Auffassung, daß ein und zwar vom Einvernehmen mit dem Finanzminister Aufsichtsgremium besonders arbeitsfähig wird, wenn und dem Innenminister. Damit wird der Grundsatz der man die Zahl seiner Mitglieder verdoppelt, wird hier Koalitionsfreiheit, der nicht irgendein Grundsatz ist, wohl niemand teilen. Ich habe das Gefühl, daß es in sondern eine wirklich tragende Säule unserer Verfas- Wahrheit nur darum geht, Menschen zu versorgen, sungsordnung, in einem Gesetz verletzt, das der die ihre Pöstchen im Zuge der Rundfunkneuordnung Deutsche Bundestag heute verabschieden will. Meine nach der Wiedervereinigung verloren haben. sehr verehrten Damen und Herren, ich kann nur Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20341

Günter Verheugen dringend an Sie appellieren, ein solches Monstrum Durch die vorgeschlagene Reform — das ist ein von Gesetz, wie es vorgelegt worden ist, nicht zu Faktum — wird die Deutsche Welle nicht etwa abhän- verabschieden. giger, wie Sie das glauben machen wollen; nein, im Ich habe soeben schon in einem anderen Zusam- Gegenteil, sie wird unabhängiger. Nüchterne Tatsa- menhang gesagt, daß dieses Gesetz keinen Bestand che ist, daß der bisherige Programmauftrag der Deut- haben wird. Ein Gesetz, das so hart wie dieses an die schen Welle lediglich in einem Punkt geändert wor- Grenzen der Verfassungsmäßigkeit geht und sie nach den ist, nämlich darin, daß neben der fortbestehenden meiner festen Überzeugung sogar an zwei Stellen Vermittlung eines umfassenden Bildes des politi- überschreitet, darf der Gesetzgeber nicht verabschie- schen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens den, wenn er sich selber ernst nimmt. Ich bitte Sie zukünftig statt „der deutschen Auffassung " ausdrück- - darum, die Entscheidungen, die Sie gestern im Innen- lich „die deutschen Auffassungen" zu wichtigen Fra- ausschuß getroffen haben, noch einmal zu überden- gen dargestellt und erläutert werden sollen. ken und zusammen mit uns dafür zu sorgen, daß wir Ich frage Sie, Herr Kollege Verheugen: Was haben einen Auslandssender bekommen, auf den wir stolz Sie eigentlich dagegen? Diese Änderung wurde auf sein können und der auch nach außen dokumentiert, Vorschlag Ihrer Fraktion aufgenommen, und Ihre daß wir ein Land sind, das sich einen freiheitlichen, Fraktion hat dem zugestimmt. einen offenen und einen kritischen Rundfunk leisten (Dr. Joseph-Theodor Blank [CDU/CSU]: Kol kann. Ich bitte Sie deshalb, unseren Änderungsanträ- lege Duve hat das vorgeschlagen!) gen und unserem Entschließungsantrag zuzustim- men. —Ja, der Kollege Duve hatte diesen guten Einfall, und wir greifen gute Vorschläge der Opposition dankbar Vielen Dank. auf. Ich wäre froh, wenn noch ein paar mehr sinnvolle (Beifall bei der SPD) Vorschläge gekommen wären. (Dr. R. Werner Schuster [SPD]: Mir kommen Vizepräsidentin Renate Schmidt: Jetzt hat der Kol- die Tränen!) lege Hans-Joachim Otto das Wort. Hiermit wird die bereits bestehende Praxis unter- strichen, daß keineswegs einseitig, regierungsfromm berichtet werden soll. Die Deutsche Welle war immer Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (F.D.P.): Frau Präsi- ein von der Bundesregierung unabhängiger Sender, dentin! Meine Damen und Herren! Es hat — in der und sie wird es mit Sicherheit immer bleiben. Reihenfolge: zunächst bei der IG Medien, dann beim Um auch nur den bösen Schein einer stärkeren Personalrat der Deutschen Welle und dann, ihnen staatlichen Beeinflussung zu vermeiden, haben wir im folgend, bei der Opposition dieses Hauses — gerade in übrigen bewußt darauf verzichtet, die Rechtsaufsicht den letzten Tagen eine erhebliche Aufregung über über die Deutsche Welle dem Auswärtigen Amt diesen Gesetzentwurf gegeben. Ich möchte deshalb zuzuweisen, obwohl es auch hierfür gute Argumente an dieser Stelle zunächst auf einige zentrale Gemein- gegeben hat. samkeiten hinweisen. Es ist auch durchaus konsequent, wenn in dem viel Es dürfte vernünftigerweise keinem Zweifel unter- kritisierten § 5 Abs. 3 des Entwurfs folgender Pro- liegen, daß im Zuge der Neuordnung der Bundes- grammgrundsatz normiert wird — ich zitiere ihn rundfunkanstalten auch die Deutsche Welle dringend vollständig, weil er in einigen Sendungen gestern einer neuen Gesetzesgrundlage bedurfte. Aus diesem und heute morgen immer nur unvollständig zitiert Grund haben alle Fraktionen dieses Hauses, also auch wurde —: die SPD-Fraktion, bereits im November 1992 einmütig die Vorlage eines Deutsche-Welle-Gesetzes gefor- Die Berichterstattung soll umfassend, wahrheits- dert. Es kann also keineswegs von einem Durchpeit- getreu und sachlich sein sowie in dem Bewußt- schen dieses Gesetzes die Rede sein. Im Gegenteil, sein erfolgen, daß die Sendungen der Deutschen dieses Gesetz war überfällig. Darin bin ich mir mit Welle die Beziehungen der Bundesrepublik dem Kollegen Verheugen völlig einig. Deutschland zu ausländischen Staaten berühren können. Wir alle sind uns auch darin einig, daß die hohe Qualität und vor allem auch die große redaktionelle Meine Damen und Herren, hiermit wird nicht im und journalistische Unabhängigkeit der Deutschen entferntesten den Mitarbeitern der Deutschen Welle Welle erhalten bleiben müssen. Keiner von uns will ein Maulkorb verpaßt, wie dies gelegentlich — wie ich einen gleichgeschalteten Propagandasender. Ein sol- soeben festellen mußte, auch von Ihnen — behauptet cher wäre im übrigen nicht nur unat traktiv; er wäre wurde. Es handelt sich hierbei nicht um eine Gänge- auch verfassungswidrig. lung, sondern es handelt sich um einen Appell an das Verantwortungsbewußtsein jedes einzelnen Journa- (Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Dann listen. sagen Sie es doch im Gesetz deutlich! Machen Sie es doch deutlich!) (Dr. Joseph-Theodor Blank [CDU/CSU]: So Wenn jetzt insbesondere die Mediengewerkschaften ist es!) und, ihnen folgend, die SPD den Vorwurf erheben, mit Wie der Journalist seiner Verantwortung gerecht dem vorliegenden Gesetz solle die Deutsche Welle wird, steht in seinem freien, selbstverantworteten zum Sprachrohr der Bundesregierung degradiert und Ermessen. Von einer Ausschaltung von Sendungen, sollten die Journalisten gar zensiert werden, dann Herr Kollege Verheugen, steht hier überhaupt nichts halte ich das wirklich für blühenden Unsinn. drin. Die Sendungen sollen in dem im Zitat erläuterten 20342 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Bewußtsein gemacht werden. Und ich weiß wirklich Was die Gremienzusammensetzung anbelangt, so nicht, wie Sie auf den fast absurden Vorwurf kommen hätte ich mir — das räume ich offen ein — eine können, von einer Ausschaltung oder von Zensur zu schlankere Lösung gewünscht. Sie war allerdings reden. nicht zuletzt deshalb politisch nicht durchsetzbar, weil die Länder, insbesondere auch die SPD-regierten, bei (Günter Verheugen [SPD]: Weil ich die Praxis der Ausgestaltung des ZDF und bei der Ausgestaltung der Rundfunkanstalten kenne!) des Deutschlandradios mit schlechtem Beispiel voran- Seien wir keine Traumtänzer, Herr Verheugen! Es gegangen sind. Die Gremien der Deutschen Welle kann doch wirklich keinem Zweifel unterliegen — Sie sind keinen Deut staatsnäher als die des Deutschl and- haben das, so finde ich, sehr gut formuliert —, daß die radios. Sendungen der Deutschen Welle, die in nahezu allen Ich frage mich und Sie, Herr Kollege Verheugen: Teilen der Welt empfangen werden können, die Wo blieb damals der Aufschrei der IG Medien, der außenpolitischen und die außenwirtschaftspolitischen SPD, Ihr Aufschrei? Was beim Deutschlandradio als Beziehungen der Bundesrepublik in erheblichem verfassungskonform akzeptiert wurde, sollte bei der Maße berühren, und zwar positiv und nega tiv. Darin Deutschen Welle jetzt nicht als verfassungswidrig stimme ich Ihnen ja völlig zu. Alles andere wäre gebrandmarkt werden, wirklichkeitsfremd; darauf hat der Kollege Blank zu (Beifall bei der CDU/CSU) Recht hingewiesen. nur weil der Gesetzentwurf von den Bonner Koali- Insofern hat die Deutsche Welle unter den Rund- tionsfraktionen stammt. funkanstalten unbestreitbar eine Sonderstellung und (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!) eine Sonderverantwortung. Freiheit und Verantwor- Für widersprüchlich halte ich auch das beredte tung gehören untrennbar zusammen. Schweigen zu einem weiteren mutigen Reformschritt (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!) des vorliegenden Gesetzentwurfes. Erstmalig in der bundesrepublikanischen Mediengeschichte wurde Je größer die Freiheit, desto größer die Verantwor- die Verpflichtung einer öffentlich-rechtlichen Sende- tung. Wer deshalb auf die besondere Verantwortung anstalt zur Ausstrahlung von Wahlwerbespots gestri- des Journalisten hinweist, übt keineswegs Zensur aus, chen. Kein Wort der Zustimmung oder gar der Würdi- sondern spricht die Basis der grundgesetzlichen Pres- gung kam bisher von all den Institutionen, Journali- sefreiheit an. Ich mag Ihnen ja vielleicht noch darin sten und Politikern, die in der Vergangenheit lauthals folgen, daß dieser Passus möglicherweise überflüssig die Streichung der Wahlwerbespots gefordert hatten. ist, aber den Vorwurf der Zensur weise ich mit Dieses Echo ist typisch für die teilweise ungerechte Entschiedenheit zurück. und polemische Bewertung, die dieser Gesetzentwurf insbesondere bei den Mediengewerkschaften und (Beifall bei der CDU/CSU) einigen Presseorganen — auch bei der SPD — gefun- Die finanzielle Unabhängigkeit der Deutschen den hat. Welle wird durch den Gesetzentwurf nicht nur erhal- (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr!) ten, sondern ausgebaut. Auch ich will keinen Hehl Sicherlich erfüllt der Gesetzentwurf nicht alle Wün- daraus machen, Herr Kollege Verheugen, daß ich sche, auch nicht alle der Liberalen. Das will ich mich — ebenso wie der Kollege Bl ank — zunächst für deutlich sagen. Insgesamt aber — — die lückenlose Globalfinanzierung der Deutschen Welle ausgesprochen hatte. Dieses gemeinsame (Abg. Günter Verheugen [SPD] meldet sich Anliegen der Medienpolitiker scheiterte bedauerli- zu einer Zwischenfrage) cherweise — darauf ist hingewiesen worden — an der — Herr Kollege Verheugen möchte eine Frage stellen. konsequenten Ablehnung des Finanzministeriums Ich will ihm die Möglichkeit dazu gerne gewähren. und aller Haushaltspolitiker, auch aus Ihrer Frak- tion. Vizepräsidentin Renate Schmidt: Ich wollte Sie lediglich ausreden lassen. — Bitte, Herr Kollege. Wir haben jedoch einen Kompromiß gefunden, Herr Kollege Verheugen, der sich von der damals gültigen Regelung erheblich unterscheidet. Wir Günter Verheugen (SPD): Herr Kollege Otto, ist es haben einen Kompromiß gefunden, der sowohl dem vielleicht Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, daß ich berechtigten Anliegen der Deutschen Welle als auch als Vorsitzender des Rundfunkrats der Deutschen dem Haushaltsrecht gerecht wird. Durch die erweiter- Welle am Anfang dieses Jahres die Fraktionen des ten Möglichkeiten der Deckungsfähigkeit und Über- Deutschen Bundestages ausdrücklich darum gebeten tragbarkeit von Ausgaben gewinnt die Deutsche habe, aus dem Gesetz die Verpflichtung zur Ausstrah- Welle erfreulicherweise eine so große finanzielle lung von Wahlwerbespots zu streichen? Flexibilität wie nie zuvor. Dabei mußten wir uns in der Frage der Flexibilität sogar über Bedenken des Bun- Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (F.D.P.): Herr Kol- desrechungshofes hinwegsetzen. Erstmalig über- lege Verheugen, mir ist das keineswegs entgangen. haupt wird die Finanzierung der Deutschen Welle auf Ich habe Ihre Pressemitteilung lebhaft vor Augen. Ich eine saubere gesetzliche Grundlage gestellt. Dies frage mich nur, nachdem wir Ihrem sinnvollen Vor- entspricht auch den gesteigerten Anforderungen, die schlag auf Grund eigener Erkenntnis gefolgt sind, wo das Bundesverfassungsgericht in seinem jüngsten die Würdigung dieses Verhaltens liegt. Sie schlagen Urteil vom 22. Februar dieses Jahres an die Finanzie- auf den Gesetzentwurf ein, halten ihn für ein Mon- rung der Rundfunkanstalten gestellt hat. strum und vergessen zu erwähnen, daß dieser Gesetz- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20343

Hans-Joachim Otto (Frankfurt) entwarf auch nach Ihrer Auffassung posi tive Entwick- doch offen — sie sind für jeden nachvollziehbar —, wie lungen haben müßte. Das ist genau der Vorwurf: daß das gemacht worden ist. Sie nicht konsequent sind, daß Sie diesem Gesetzent- Jede Regierung, die die Texte für sich nicht sinnvoll wurf nicht gerecht werden, daß hier eine Polemik an nutzt, ist eine schlechte Regierung. Deshalb kämpfen den Tag gelegt wird, die nur durch die Nähe zum wir in diesem Parlament für eindeutige Gesetzgebun- Wahltermin zu erklären ist. gen. Ich möchte zum Abschluß kommen. Ich sagte: Nicht beachtet wird im Gesetzentwurf — — Dieser Gesetzentwurf erfüllt nicht alle Wünsche, die wir an ihn gestellt haben. Aber er ist insgesamt ein Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Ab- tragfähiger, vernünftiger und auch verfassungskon- - former Kompromiß. Er bringt der Deutschen Welle geordneter Keller, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage endlich die erforderliche Rechtssicherheit und eröff- des Abgeordneten Otto zu beantworten? net ihr optimale langfristige Perspektiven. Nicht zuletzt durch die Wiedervereinigung und die Dr. Dietmar Keller (PDS/Linke Liste): Herr Präsi- wachsende Rolle Deutschlands hat auch die Bedeu- dent, ich war zwar mitten im Satz, aber Ihnen zuliebe tung der Deutschen Welle weltweit zugenommen. Ich mache ich es auch mitten im Satz. bin sicher, daß unser deutscher Auslandssender mit Hilfe dieses Gesetzes in die Lage versetzt wird, seiner Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (F.D.P.): Danke wichtigen Aufgabe weiterhin hervorragend gerecht schön. — Herr Kollege Keller, würden Sie mir darin zu werden, und appelliere an dieses Haus, der Deut- zustimmen, daß es einen sehr großen Unterschied schen Welle nicht nur heute die gesetzlichen, sondern macht, ob ich in ein Gesetz eine gewisse Verantwor- auch in Zukunft die finanziellen Voraussetzungen zu tung für Programmgrundsätze hineinschreibe, wie wir schaffen. das hier tun, oder ob ich direkte Eingriffe in die Presse Vielen Dank. erlaube, wie dies in der früheren DDR der Fall war? Ich (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) denke, daß Sie diesen Unterschied zur Kenntnis nehmen und würdigen sollten. Es ist nicht das gleiche, ob Sie eine Verantwortung und einen bestimmten Vizepräsidentin Renate Schmidt: Nun spricht der Rahmen festsetzen, innerhalb dessen sich die Journa- Kollege Dietmar Keller zu uns. listen frei bewegen können, oder ob Sie direkte Eingriffe zulassen.

Dr. Dietmar Keller (PDS/Linke Liste): Frau Präsiden- tin! Meine Damen und Herren! Es ist offensichtlich so, Dr. Dietmar Keller (PDS/Linke Liste): Herr Otto, daß man Gesetze und Gesetzestexte weder schön- wenn Sie mich wegen meiner Geschichte ansprechen, noch schlechtreden kann. Offenbar müssen Gesetzes- kann ich Ihnen nur antworten: Gebranntes Kind texte so sein, daß sie von niemandem mißbraucht scheut das Feuer. Da ich so große Erfahrungen über werden können. den Mißbrauch der Medien in der DDR gesammelt habe, kann ich nur warnen, hier im Parlament Ge- Wenn Bürgerinnen und Bürger, Be troffene und setzestexte zu verabschieden, die die Gefahr beinhal- Politiker die Frage stellen, ob die Gesetzestexte ein- ten, daß die Regierung ihre Möglichkeiten nutzt, über deutig sind, und die Frage mit Nein beantworten, die vorhandenen Gesetze und über Gesetzesformulie- dann muß man die Gesetzestexte offensichtlich rungen Eingriffe bei Sendern von Funk und Fernse- ändern. hen vorzunehmen. (V o r s i t z : Vizepräsident Dieter-Julius Cro Nicht beachtet wird aus meiner Sicht im Gesetzent- nenberg) wurf auch das Gebot der Staatsferne bei der Beset- Es ist mir auch völlig unklar, Herr Otto, warum in zung der Gremien. einem Gesetzestext ein Appell an Journalisten enthal- Die Tarifautonomie wird angegriffen. Es ist mir ten sein soll. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß völlig unerklärlich, daß, nachdem Bundeskanzler mit diesem Gesetzentwurf die Gefahr besteht, die Kohl gestern vor dem DGB-Kongreß die Tarifautono- Deutsche Welle zu einem Sprachrohr der Bundesre- mie heilig gesprochen hat, heute hier im Parlament gierung zu machen, und das, obwohl — ich darf Sie ein Gesetz behandelt wird, in dem diese Tarifautono- daran erinnern — ein ähnlicher Versuch 1961 mit dem mie angegriffen ist. ZDF schon einmal gescheitert ist und durch das Bundesverfassungsgericht abgelehnt wurde. Durch Einschränkungen bei der Mitbestimmung und Eingriffe in den Datenschutz werden in wichtigen Sollte der Entwurf in der vorliegenden Fassung den und grundlegenden Gesetzesbereichen restriktive Bundestag passieren, könnten — ich betone aus- Sonderregelungen für die Deutsche Welle geschaffen, drücklich: könnten — Journalistinnen und Journali- die hoffentlich einer Überprüfung durch das Bundes- sten des Senders künftig verpflichtet werden, einseitig verfassungsgericht nicht standhalten. die Meinung der Bundesregierung über Funk und Fernsehen im Ausland zu verbreiten. Schließlich wird durch die Finanzierungsregelung im neuen Gesetz die Verbürokratisierung und damit (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [F.D.P.]: Wie die Abhängigkeit von Regierung und Ministerialbe- denn? Wo denn? Durch was?) amten festgeschrieben. Die Deutsche Welle wird — Da werden Sie schon genügend Mittel in der H and hinsichtlich ihrer Finanzierung und ihres Haushalts- haben. Sie haben es nicht nur schon einmal probiert, gebarens wie eine Bundesbehörde behandelt werden. sondern die Ergebnisse der letzten Wochen legen Die für ihre informationspolitische Unabhängigkeit 20344 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Borin, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Dr. Dietmar Keller notwendige Staatsferne ist auch in diesem Punkt cher Weise immer auch subjektiv ist, und das ist gut so, anscheinend gefährdet. denn sonst wären Hörfunk und Fernsehen stinklang- Das Gesetz verhindert sowohl eine demokratische weilig. Was wesentlich ist, das ist die eindeutige Willensbildung nach innen als auch eine freie und Trennung von Nachricht und Meinung. Vielleicht unabhängige Berichterstattung nach außen und haben die Autoren des Gesetzes das gemeint, aber macht die Erfüllung neuer Anforderungen und die dann sollten sie es auch ausdrücken. Entwicklung qualitätsorientierter Programme, mit (Hans-Joachim Otto [Fr ankfurt] [F.D.P.]: Das denen die Deutsche Welle international konkurrieren steht doch drin!) könnte, unmöglich. Diesem Gesetz können wir nicht Ebenso unsinnig ist es, die deutsche Auffassung zustimmen. - darstellen zu sollen. Selbst in der totalitären Medien- (Beifall bei der PDS/Linke Liste) landschaft der DDR konnte das zum Glück nicht durchgesetzt werden. In einer Gesellschaft, die sich pluralistisch versteht, ist diese Forderung erst recht Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Konrad Weiß das absurd. Wort. (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [F.D.P.]: Das haben wir aber geändert!)

Konrad Weiß (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Selbst aus einem kleinen Verein wie der Bundesregie- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der rung ist niemals nur die deutsche Auffassung zu Gesetzentwurf über den deutschen Auslandsrund- vernehmen, sondern nur eine, wenn auch gewichtige, funk ist im Vorfeld dieser Beratung unter erhebliche von vielen. Kritik geraten und heute hier natürlich auch. (Dr. Joseph-Theodor Blank [CDU/CSU]: Wa Grundsätzlich — das will ich ausdrücklich beto- ren Sie gestern nicht im Innenausschuß? Das nen — unterstützt es BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, daß haben wir doch geändert! — Zuruf von der der deutsche Auslandsrundfunk nun auf rechtlich CDU/CSU: Haben Sie da geschlafen?) sichere Füße gestellt wird. Wir begrüßen, daß der im Unsinnig ist auch der Programmgrundsatz in § 5, die Gesetz vorgeschriebene Programmauftrag neben die Berichterstattung solle — ich zitiere — „in dem Selbstdarstellung deutscher Politik, Kultur und Wirt- Bewußtsein erfolgen, daß die Sendungen der Deut- schaft gleichwertig den Beitrag zur f riedlichen Völ- schen Welle die Beziehungen der Bundesrepublik kerverständigung und europäischen Integration Deutschland zu auswärtigen Staaten berühren kön- stellt. nen". Auf den ersten Blick erscheint das als Binsen- Das erinnert mich an die Zielstellung, die sich die weisheit; auf den zweiten Blick enthält dieser Passus Bürgerbewegungen für freie Medien in der DDR jedoch eine ernsthafte Bedrohung, denn das könnte gegeben hatten. Bereits am 5. Februar 1990 verab- auch bedeuten, daß mit Rücksicht auf außenpolitische schiedete die Volkskammer der DDR unter dem Druck Eskapaden der Bundesregierung, wie z. B. unlängst des Runden Tisches einen Medienbeschluß, der bei der Verbrüderung des Bundeskanzlers mit den unsere Vorstellungen über den öffentlich-rechtlichen chinesischen Kommunisten, keine K ritik an den Ver- Rundfunk realisierte. brechen und Menschenrechtsverletzungen fragwür- Gerade weil wir in der DDR so schlimme Erfahrun- diger Kumpane mehr möglich ist. Gerade aber darin gen mit der Zensur, mit Staats- und Parteipropaganda, liegt — auch das sage ich in dankbarer Erinnerung an mit Lügen, Verfälschungen und Verschleierungen in die wichtige Rolle der Westmedien in der DDR — eine den Medien gemacht haben, sind wir außerordentlich große Aufgabe und ein erhebliches Potential. sensibel für jede Einschränkung der Meinungs- und Es muß auch Aufgabe des deutschen Auslandsrund- Medienfreiheit. Dieser Entwurf enthält leider einige funks sein, über gefährliche Entwicklungen, über Formulierungen, meine Damen und Herren, die eine Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen an gravierende Einschränkung dieser Freiheiten bedeu- anderen Orten der Welt zu berichten — auch und ten könnten. gerade, wenn der Bundesregierung das nicht paßt. Zwar verbietet § 7 Abs. 4 des Gesetzes ausdrücklich Kritisch, meine Damen und Herren, sehen wir auch die Einflußnahme von Dritten auf die Gestaltung und die Besetzung des Rundfunkrates und die beabsich- den Inhalt von Sendungen, aber sind damit auch die tigten Eingriffe in die Tarifautonomie. Parteien und die Bundesregierung gemeint? Ich habe Wir unterstützen deshalb die vorliegenden Ände- meine Zweifel. rungsanträge der SPD, hoffen allerdings, daß die Im Absatz über den Programmauftrag heißt es, daß Länder die berechtigte Kritik am vorliegenden Gesetz die Sendungen — ich zitiere — „einen objektiven nicht dazu mißbrauchen, den nationalen Rundfunk Überblick über das Weltgeschehen geben sowie die erneut zu blockieren. deutsche Auffassung zu wichtigen Fragen darstellen und erläutern" sollen. Ich bedanke mich. Ohne hier einen medientheoretischen Streit entfa- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) chen zu wollen, sage ich: Die Forderung nach Objek- tivität ist einfach Quatsch. Natürlich können und müssen sich Medienmacher um objektive Darstellung bemühen, aber es gehört zum Wesen gerade der Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das Wort elektronischen Medien, daß jede Sendung in erhebli- hat nunmehr der Abgeordnete Dr. Ulrich B riefs. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20345

Dr. Ulrich Briefs (fraktionslos): Herr Präsident! Ein Personalrat, der nicht einmal beratend an Rund- Meine Damen und Herren! Bei dem vorliegenden funkratssitzungen teilnehmen kann, ist doch nichts Auslandsrundfunkgesetz müssen gleich mehrere anderes als die institutionalisierte Ohnmacht. Die Alarmglocken schrillen. Dieses Gesetz bedeutet einen Bindung der Tarifverträge für die Deutsche Welle an bislang beispiellosen Einstieg — sieht man von Ade- die Zustimmung des Bundesinnenministeriums und nauers Versuch ab, das Zweite Deutsche Fernsehen des Bundesfinanzministeriums bedeutet den Einstieg als Privat-GmbH zu gründen — in einen regierungs- ins Lohndiktat und verstößt gegen das Verfassungs- frommen Verlautbarungsrundfunk. Staatsräson soll prinzip der Tarifautonomie. zunächst nach außen absolut vor Meinungs- und Rundfunkfreiheit gehen. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Ab- (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist gar nicht geordneter Dr. B riefs, entschuldigen Sie, wenn ich wahr!) unterbreche. Der Abgeordnete Weiß möchte Ihnen eine Frage stellen. Aber ich wäre Ihnen sehr dankbar, — Sie wissen ganz genau, daß das der Kern der wenn die Antwort nicht länger als Ihre gesamte Geschichte ist. Redezeit wäre. Was das an zukünftiger Korruption und Korrumpier- (Dr. Ulrich Briefs [fraktionslos]: Sie wird barkeit bedeuten kann, kann man jetzt nur erahnen. selbstverständlich nicht angerechnet!) Dem durch ausländerfeindliche und rassistische — Sie wird nicht angerechnet, eben, deswegen sage Pogrome bereits stark beeinträchtigten Bild Deutsch- ich das. — Bitte schön. lands nach außen, das der Bundesaußenminister übri- gens — ich war dabei — so vehement und mit Beifall (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr auf dem DGB-Bundeskongreß angesprochen hat, Konrad Weiß Kollege Briefs, Sie beschwören hier so lebhaft die würde erheblicher weiterer Schaden zugefügt. Medienfreiheit. Mich würde mal interessieren, wie Sie Nicht übersehen werden darf hier in diesem Hause, einschätzen, was Ihre alten Kumpane und Busen- dessen Hauptpflicht es sein müßte, über die Einhal- freunde Thomas Ebermann und Gremlitza und der tung der Menschen- und Freiheitsrechte zu wachen, Chefredakteur Kolodziej, die jetzt die „Junge Welt" wie zum einen mit diesem Gesetz nach außen die übernommen haben, davon halten. Denn die „Junge Unterstützung von Menschenrechtsorganisationen in Welt"-Redakteure beklagen sich, daß es jetzt unter anderen Ländern beschnitten wird, wie zum anderen diesen altlinken Redakteuren und Herausgebern damit hier im Lande die Meinungsfreiheit und insbe- schlimmer ist, als es je zu SED-Zeiten gewesen ist. sondere die Rundfunkfreiheit beeinträchtigt wer- (Lachen und Beifall bei der CDU/CSU und den. der F.D.P). Die Väter der Verfassung der BRD wollten aus guten Gründen nach der NS-Erfahrung einen ganz Dr. Ulrich Briefs (fraktionslos): Nun habe ich viel- staatsfernen Rundfunk. Dieses Verfassungsprinzip leicht nicht mehr so unbedingt etwas mit den ange- soll mit diesem Gesetz über den Auslandsrundfunk sprochenen Gruppen, Personenkreisen usw. zu tun. offensichtlich auf kaltem Wege durchbrochen wer- Das ist aber nicht der Punkt. Wenn das so ist, Herr den. Kollege Weiß, wie Sie sagen, dann ist natürlich aus dem von mir hier angesprochenen Prinzip heraus in Immer noch wird dagegen verstoßen, daß der Rund- der Tat auch dagegen mit allen politischen und allen funkrat ein Repräsentationsorgan der Bürgerinteres- sonstigen faktischen Mitteln anzugehen. Ich werde sen und ihrer Vielfalt sein sollte. Was soll es, daß 14 mich im übrigen sofort kundig machen. Eine Mitarbei- von 30 Mitgliedern von Bundestag, Bundesrat und terin von mir ist Mitarbeiterin der „Jungen Welt" Bundesregierung, also im wesentlichen den großen geworden. Parteien, gestellt werden? Der 15. soll ein Vertreter ausgerechnet der Vertriebenenverbände sein. Er (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie die Vertreter der Wirtschaftsverbände machen und der F.D.P.) dann die Balance der etablierten Interessen vollstän- — Kommen Sie, machen Sie es nicht so billig. Ich habe dig. So kann man sich das doch wirklich nicht vorstel- da wahrscheinlich einen besseren Zugang als Sie, len. weil eine Mitarbeiterin von mir Mitarbeiterin der „Jungen Welt" geworden ist. Da haben sich also die Bundesregierung und die Koalitionsparteien eine famose Dreierkonstruktion (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [F.D.P.]: Sie einfallen lassen: maulkorbähnliche Praktiken gegen- sind ein toller Hecht!) über den Journalisten, die rechtliche Verankerung — Danke schön; das nehme ich gerne als ernstge- einer beginnenden Zensur und der Schere im Kopf auf meintes Kompliment an. der einen Seite, eine geradezu karikative Repräsen- Ich komme zum Schluß, Herr Präsident. tanz der Bürgerinteressen, eine Zementierung des Die Koppelung der Tarife der Deutschen Welle an Einflusses der herrschenden Interessen auf der ande- dienstrechtliche Vorschriften übersieht einfach not- ren Seite. wendige Besonderheiten der Rundfunkarbeit. Das Als drittes kommt hinzu die Aushebelung von wird von der IG Medien, finde ich, zu Recht gesagt. Mitbestimmungsrechten der demokratisch gewähl- Was soll das, daß feste freie Mitarbeiter nicht als ten Interessenvertretung der Beschäftigten sowie der Beschäftigte anerkannt werden? Dieses Gesetz ist Tarifautonomie und auch sozialer Schutzrechte, ins- nicht wie manches andere hier ein Ausrutscher, eine besondere der festen freien Mitarbeiter. Panne. Es ist System; es hat System. Es kann der 20346 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Dr. Ulrich Briefs Anfang vom Ende des bisherigen — ich meine, es hat wurf einer gesetzlichen Grundlage für die Deutsche viele Mängel — relativ liberalen Presse- und Rund- Welle vorzulegen. Wer stimmt für diese Beschlußemp- funkrechts überhaupt sein. fehlung? Wenn wir zudem sehen, wie derzeit die Justiz gegen (Zuruf von der SPD: Längst erledigt! — Hei Presseorgane aller möglichen Couleur vorgeht, und terkeit) nun für den Rundfunkbereich das hier sehen, so — Es tut mir schrecklich leid: Nr. 1 hatten wir erledigt, müssen, wie gesagt, die Alarmglocken ganz beson- nicht die Nr. 2. ders deutlich schrillen, hier im Hause und draußen bei den Betroffenen. Irgendwelche Floskeln über den (Zuruf von der SPD: Nr. 2 haben wir miterle- nationalen Rundfunk helfen nun wirklich nicht weiter. - digt! — Hans-Joachim Otto [Frankfurt] Es sind ganz erstaunlich neue Töne aus der Richtung [F.D.P.]: Die Bundesregierung hat es zwar von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. nicht vorgelegt, aber wir haben es getan!) Herr Präsident, ich danke Ihnen. — Das ist in der Tat richtig, jawohl. Das ist eine sehr unglückliche Vorlage.

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen Ich rufe nunmehr die Tagesordnungspunkte 25 a bis mir nicht vor. 25 f und Zusatzpunkt 6a bis 6f auf: Wir kommen zur Abstimmung über Tagesord- 25. Überweisungen im vereinfachten Verfahren nungspunkt 11 a, über den von den Frak tionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Gesetzentwurf a) Erste Beratung des von den Fraktionen der über den deutschen Auslandsrundfunk. Er liegt Ihnen CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten auf den Drucksachen 12/7401 und 12/7927 vor. Entwurfs eines Siebzehnten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und Hierzu gibt es einen Änderungsantrag der Frak tion eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung der SPD. Er liegt Ihnen auf der Drucksache 12/7969 des Europaabgeordnetengesetzes vor. Über ihn lasse ich zunächst abstimmen. Wer — Drucksache 12/7777 — stimmt für diesen Änderungsantrag? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist der Ände- Überweisungsvorschlag: rungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktio- Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäfts- ordnung (federführend) nen abgelehnt. Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO Nun möchte ich diejenigen um das Handzeichen b) Erste Beratung des von der Bundesregie- bitten, die dem Gesetzentwurf in der Ausschußfas- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- sung zuzustimmen wünschen. — Wer stimmt dage- zes zur Anderung des Zeitgesetzes gen? — Enthaltungen? — Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit der gleichen Mehrheit ange- — Drucksache 12/7631 nommen. Wir kommen zur —Überweisungsvorschla g: Innenausschuß dritten Beratung c) Erste Beratung des von der Bundesregie- und Schlußabstimmung: rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Diejenigen, die dem Gesetz als Ganzem zuzustim- zes zu dem Protokoll vom 19. November men wünschen, bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — 1991 zu dem Übereinkommen von 1979 Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist über weiträumige grenzüberschreitende der Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen. Luftverunreinigung betreffend die Be- Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- kämpfung von Emissionen flüchtiger orga- ßungsantrag der Fraktion der SPD. Er liegt Ihnen auf nischer Verbindungen oder ihres grenz- Drucksache 12/7967 vor. Wer stimmt für diesen Ent- überschreitenden Flusses schließungsantrag? — Wer stimmt dagegen? — Ent- — Drucksache 12/7846 — haltungen? — Der Entschließungsantrag ist mit der Überweisungsvorschlag: Mehrheit der Koalitionsfraktionen abgelehnt. Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- Wir kommen nunmehr zum Tagesordnungs- heit punkt 11 b, Beschlußempfehlung des Innenausschus- d) Erste Beratung des von der Bundesregie- ses zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- F.D.P. zu einem nationalen Hörfunk sowie zu dem zes zu internationalen Übereinkommen Antrag der Fraktion der SPD zur Neuregelung der über den Schutz der Meeresumwelt des deutschen Rundfunklandschaft. Das liegt Ihnen auf Ostseegebietes und des Nordostatlantiks den Drucksachen 12/3623, 12/2749 und 12/6698 unter — Drucksache 12/7847 — Nr. 1 vor. Der Ausschuß empfiehlt, die Anträge für erledigt zu erklären. Wer stimmt dieser Beschlußemp- Überweisungsvorschl ag: Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- fehlung zu? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die heit (federführend) Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen. Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfol- Unter Nr. 2 seiner Beschlußempfehlung auf Druck- genabschätzung sache 12/6698 empfiehlt der Innenausschuß, die Bun- e) Erste Beratung des von der Bundesregie- desregierung aufzufordern, schnellstmöglich den Ent- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20347

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg zes zu dem Abkommen vom 16. Dezember e) Erste Beratung des von den Fraktionen der 1992 zwischen der Regierung der Bundesre- CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten publik Deutschland und der Regierung der Entwurfs eines Gesetzes über die Errich- Russischen Föderation über die gegensei- tung einer Bundeskanzler-Willy-Brandt- tige Hilfeleistung bei Katastrophen oder Stiftung schweren Unglücksfällen — Drucksache 12/7880 — — Drucksache 12/7506 Überweisungsvorschlag: —Überweisungsvorschlag: Innenausschuß (federführend) Innenausschuß (federführend) Rechtsausschuß Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO heit f) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- f) Erste Beratung des von der Bundesregie- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes zes zu dem Abkommen vom 2. Dezember (WHG) 1993 zwIschen der Bundesrepublik — Drucksache 12/7924 — Deutschland und der Republik Namibia zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf Überweisungsvorschlag: dem Gebiet der Steuern vom Einkommen Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- heit (federführend) und vom Vermögen Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 12/7771 Ausschuß für Gesundheit Ausschuß für Wirtschaft —Überweisungsvorschlag: Finanzausschuß (federführend) Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen Auswärtiger Ausschuß an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse ZP6 Weitere Überweisungen im vereinfachten zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? — Verfahren (Ergänzung zu TOP 25) Offensichtlich der Fall. Dann beschlossen. a) Erste Beratung des von der Bundesregie- Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt auf- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- rufe, habe ich noch folgendes mitzuteilen. Inter- zes zur Änderung des Umsatzsteuergeset- fraktionell ist vereinbart worden, Tagesordnungs- zes und anderer Gesetze punkt 26d — das ist eine Beschlußempfehlung des — Drucksachen 12/7842, 12/7910 — Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- cherheit zu dem Vorschlag für einen Beschluß des Überweisungsvorschlag: Rates über den Abschluß eines Übereinkommens zum Finanzausschuß (federführend) Innenausschuß Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Was- Ausschuß für Wirtschaft serläufe und internationaler Seen im Namen der Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO Gemeinschaft von der Tagesordnung abzusetzen. Ist b) Erste Beratung des von der Bundesregie- das Haus damit einverstanden? — Offensichtlich der rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Fall. Dann beschlossen. zes zu dem Abkommen vom 5. April 1993 zwischen der Regierung der Bundesrepu- blik Deutschland und der Regierung der Ich rufe Tagesordnungspunkt 26a bis c, e bis h, j bis Republik Lettland über die Seeschiffahrt ✓ sowie den Zusatzpunkt 7 a bis c auf: — Drucksache 12/7769 — 26. Abschließende Beratung ohne Aussprache Überweisungsvorschlag: a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung Ausschuß für Verkehr (federführend) des von der Bundesregierung eingebrach- Auswärtiger Ausschuß ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem c) Erste Beratung des von der Bundesregie- Europa-Abkommen vom 1. Februar 1993 rung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten zur Gründung einer Assoziation zwischen Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur den Europäischen Gemeinschaften sowie Förderung der bäuerlichen Landwirt- ihren Mitgliedstaaten und Rumänien schaft — Drucksache 12/7010 — — Drucksache 12/7770 (Erste Beratung 219. Sitzung) —Überweisungsvorschlag: Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend) schusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- — Drucksache 12/7787 — heit Berichterstattung: d) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- Abgeordnete Dr. Elke Leonhard brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Flurbereinigungsgesetzes b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung (FlurbG) des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem — Drucksache 12/7909 — Europa-Abkommen vom 8. März 1993 zur Überweisungsvorschlag: Gründung einer Assoziation zwischen den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Europäischen Gemeinschaften sowie ihren (federführend) Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- Mitgliedstaaten und der Republik Bulga- heit rien 20348 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg — Drucksache 12/7012 — Berichterstattung: (Erste Beratung 219. Sitzung) Abgeordnete Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- Günter Graf schusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) Dr. — Drucksache 12/7851 — g) Zweite und dritte Beratung des von der Berichterstattung: Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Abgeordneter Dr. Hermann Schwörer eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Er- c) Zweite Beratung und Schlußabstimmung nährung und zur Änderung von Vorschrif- des von der Bundesregierung eingebrach- ten auf den Gebieten der Land- und Ernäh- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ober- rungswirtschaft einkommen vom 17. März 1992 zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender — Drucksache 12/7133 — Wasserläufe und internationaler Seen (Ge- (Erste Beratung 222. Sitzung) setz zu dem Übereinkommen zum Schutz aa) Beschlußempfehlung und Bericht des grenzüberschreitender Wasserläufe) Ausschusses für Ernährung, Landwirt- — Drucksache 12/7190 — schaft und Forsten (10. Ausschuß) (Erste Beratung 222. Sitzung) — Drucksache 12/7853 — Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- Berichterstattung: schusses für Umwelt, Naturschutz und Abgeordneter Horst Sielaff Reaktorsicherheit (17. Ausschuß) bb) Bericht des Haushaltsausschusses — Drucksache 12/7913 — (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Ge- Berichterstattung: schäftsordnung Abgeordnete Wolfgang Ehlers — Drucksache 12/7854 — Dietmar Schütz Josef Grünbeck Berichterstattung: Abgeordnete Bartholomäus Kalb e) — Zweite Beratung und Schlußabstim- Dr. Sigrid Hoth mung des von der Bundesregierung Ernst Kastning eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Protokollen vom 27. November h) Zweite und dritte Beratung des von der 1992 zur Änderung des Internationalen Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Übereinkommens von 1969 über die eines Gesetzes zur Reform des Marken- zivilrechtliche Haftung für Ölver- rechts und zur Umsetzung der Ersten Richt- schmutzungsschäden und zur Ände- linie 89/104/EWG des Rates vom 21. De- rung des Internationalen Übereinkom- zember 1988 zur Angleichung der Rechts- mens von 1971 über die Errichtung vorschriften der Mitgliedstaaten über die eines Internationalen Fonds zur Ent- Marken schädigung für Ölverschmutzungs- (Markenrechtsreformgesetz) schäden — Drucksache 12/6581 — — Drucksache 12/6364 — (Erste Beratung 208. Sitzung) (Erste Beratung 202. Sitzung) aa) Beschlußempfehlung und Bericht des — Zweite und dritte Beratung des von der Rechtsausschusses (6. Ausschuß) Bundesregierung eingebrachten Ent- — Drucksache 12/7671 — wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ölschadengesetzes Berichterstattung: Abgeordnete Klaus-Heiner Lehne — Drucksache 12/6373 — Ludwig Stiegler (Erste Beratung 202. Sitzung) Beschlußempfehlung und Bericht des bb) Bericht des Haushaltsausschusses Rechtsausschusses (6. Ausschuß) (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Ge- schäftsordnung — Drucksache 12/7602 — — Drucksache 12/7679 — Berichterstattung: Abgeordnete Hermann Bachmaier Berichterstattung: Dr. Bertold Reinartz Abgeordnete Dr. Gero Pfennig f) Zweite und dritte Beratung des vom Bun- desrat eingebrachten Entwurfs eines Geset- j) — Zweite und dritte Beratung des von der zes zur Stärkung des Rechtsfriedens und Bundesregierung eingebrachten Ent- zur Bekämpfung des Schlepperunwesens wurfs eines Zweiten Gesetzes zur — Drucksache 12/5683 — Änderung des D-Markbilanzgesetzes (Erste Beratung 210. Sitzung) — Drucksache 12/7262 — Beschlußempfehlung und Be richt des In- (Erste Beratung 225. Sitzung) nenausschusses (4. Ausschuß) — Zweite und dritte Beratung des von der — Drucksache 12/7827 — Fraktion der SPD eingebrachten Ent- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20349

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Mitbestimmungsrechte der Zivilbeschäf Handelsgesetzbuches tigten bei den Alliierten Stationierungs- — Drucksache 12/7570 — streitkräften (Erste Beratung 228. Sitzung) — Drucksachen 12/2138, 12/7464 — Beschlußempfehlung und Bericht des Berichterstattung: Rechtsausschusses (6. Ausschuß) Abgeordneter Peter Keller — Drucksache 12/7912 — n) Beratung und Beschlußempfehlung des Berichterstattung: Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finan- Abgeordnete Dr. Wolfgang Götzer - Dr. Wolfgang Frhr. von Stetten zen Ludwig Stiegler Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bun- Dr. Hans de With deshaushaltsordnung zur Veräußerung des k) Zweite Beratung und Schlußabstimmung bundeseigenen Grundstückes in München des von der Bundesregierung eingebrach- an der Heidemannstraße ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Euro- — Drucksachen 12/7146, 12/7624 — päischen Übereinkommen vom 6. Novem- Berichterstattung: ber 1990 über die allgemeine Gleichwer- Abgeordnete Helmut Esters tigkeit der Studienzeiten an Universitäten Adolf Roth (Gießen) — Drucksache 12/6916 — Werner Zywietz (Erste Beratung 219. Sitzung) o) Beratung der Beschlußempfehlung und des Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- Berichts des Haushaltsausschusses (8. Aus- wärtigen Ausschusses (3. Ausschuß) schuß) zu dem Antrag des Bundesministe- — Drucksache 12/7889 — riums der Finanzen Berichterstattung: Veräußerung bundeseigener Liegenschaf- Abgeordnete Dr. Volkmar Köhler (Wolfs- ten im Wert von mehr als 30 Mio. DM burg) hier: Ehemalige NVA-Kaserne in Zwickau, (Wiesloch) Werdauer Straße Dr. Cornelia von Teichman — Drucksachen 12/7311, 12/7626 — 1) Zweite Beratung und Schlußabstimmung Berichterstattung: des von der Bundesregierung eingebrach- Abgeordnete Dr. Nils Diederich (Berlin) ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Adolf Roth (Gießen) Abkommen vom 18. März 1993 zur Ände- Dr. Wolfgang Weng (Gerungen) rung des Zusatzabkommens zum NATO- p) Beratung der Beschlußempfehlung und des Truppenstatut und zu weiteren Überein- Berichts des Haushaltsausschusses (8. Aus- künften schuß) zu dem Antrag des Präsidenten des — Drucksache 12/6477 — Bundesrechnungshofes (Erste Beratung 208. Sitzung) aa) Beschlußempfehlung und Be richt des Rechnung des Bundesrechnungshofes für Auswärtigen Ausschusses (3. Aus- das Haushaltsjahr 1992 — Einzelplan 20 — schuß) — Drucksachen 12/4844, 12/7627 — — Drucksache 12/7957 — Berichterstattung: Berichterstattung: Abgeordnete Rudolf Purps Abgeordnete (Ham- Roland Sauer (Stuttgart) burg) Karl Deres Karsten D. Voigt (Frankfurt) Ina Albowitz Ulrich Irmer q) Beratung der Beschlußempfehlung und des bb) Bericht des Haushaltsausschusses Berichts des Ausschusses für Verkehr (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Ge- (16. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch schäftsordnung die Bundesregierung — Drucksache 12/7958 — Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Berichterstattung: Mitgliedstaaten für den Gefahrguttrans- Abgeordnete Dr. Klaus Rose port auf der Straße Dr. Sigrid Hoth Ernst Walthemathe — Drucksachen 12/6902 Nr. 2.51, 12/7636 — m) Beratung und Beschlußempfehlung und des Berichterstattung: Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß) zu dem Abgeordnete Dr. Margrit Wetzel Antrag der Abgeordneten Gerd Andres, r) Beratung der Beschlußempfehlung und des Peter Büchner (Speyer), , Berichts des Ausschusses für Verkehr weiterer Abgeordneter und der Fraktion der (16. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch SPD die Bundesregierung 20350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über vom 15. Juli 1993 über den Rechtsstatus des einheitliche Verfahren für die Kontrolle internationalen Suchdienstes in Arolsen von Gefahrguttransporten auf der Straße — Drucksache 12/6824 — — Drucksachen 12/6970 Nr. 13, 12/7637 — (Erste Beratung 216. Sitzung) Berichterstattung: Beschlußempfehlung des Auswärtigen Aus- Abgeordnete Dr. Margrit Wetzel schusses (3. Ausschuß) s) Beratung der Beschlußempfehlung und des — Drucksache 12/7903 — Berichts des Ausschusses für Verkehr Berichterstattung: (16. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch - Abgeordnete die Bundesregierung Volker Neumann (Bramsche) Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Ulrich Irmer Festlegung der höchstzulässigen Gewichte c) Beratung des Antrags der Frak tionen der CDU/ und Abmessungen für Straßenfahrzeuge CSU und F.D.P. über 3,5 Tonnen im innergemeinschaftli- chen Verkehr Förderung des Einsatzes biologisch schnell — Drucksachen 12/6970 Nr. 14, 12/7652 — abbaubarer Schmierstoffe und Hydraulikflüs- sigkeiten Berichterstattung: — Drucksache 12/7915 — Abgeordneter Dr. Rolf Niese Es handelt sich um Beschlußfassungen zu Vorlagen, t) Beratung der Beschlußempfehlung und des zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Wir kom- Berichts des Finanzausschusses (7. Aus- men also zu einem Abstimmungsmarathon. Ich bitte schuß) zu der Unterrichtung durch das Euro- um Ihre Geduld und Aufmerksamkeit. päische Parlament Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 26a: Ab- Entschließung zur Beseitigung der rechtli- stimmung über den von der Bundesregierung einge- chen Hindernisse für die Verwendung des brachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Europa- ECU Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen — Drucksachen 12/6231, 12/7663 — den Europäischen Gemeinschaften und Rumänien, Berichterstattung: Drucksache 12/7010. Der Ausschuß für Wirtschaft Abgeordnete Wilf ried Seibel empfiehlt Ihnen auf Drucksache 12/7787, den Gesetz- Gerhard Schüßler entwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte diejeni- Dr. Norbert Wieczorek gen, die diesem Vorschlag folgen wollen, sich zu erheben. Es handelt sich um einen internationalen u) Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- Vertrag, und da haben wir keine dritte Lesung. — tionsausschusses (2. Ausschuß) Dagegen? — Damit ist der Gesetzentwurf angenom- Sammelübersicht 153 zu Peti tionen men. — Drucksache 12/7698 — Tagesordnungspunkt 26b: Abstimmung über den v) Beratung der Beschlußempfehlung des Peti- von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf tionsausschusses (2. Ausschuß) eines Gesetzes zu dem Europa-Abkommen zur Grün- Sammelübersicht 154 zu Peti tionen dung einer Assoziation zwischen den Europäischen — Drucksache 12/7699 — Gemeinschaften und der Republik Bulgarien. Das liegt auf Drucksache 12/7012 vor. Der Ausschuß für ZP7 weitere abschließende Beratungen ohne Aus- Wirtschaft empfiehlt Ihnen auf Drucksache 12/7851, sprache den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Wer (Ergänzung zu TOP 26) dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des erheben. — Dagegen? — Enthaltungen? — Einstim- von der Bundesregierung eingebrachten Ent- mig angenommen. wurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom Tagesordnungspunkt 26 c: Abstimmung über den 2. Dezember 1993 zwischen der Bundesrepu- von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf blik Deutschland und der Republik Namibia eines Gesetzes zu dem Übereinkommen zum Schutz zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf grenzüberschreitender Wasserläufe. Der Ausschuß dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit emp- vom Vermögen fiehlt auf Drucksache 12/7913, den Gesetzentwurf — Drucksache 12/7771 — unverändert anzunehmen. Wer dem zuzustimmen (Erste Beratung 233. Sitzung) wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Dagegen? — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen. Beschlußempfehlung und Be richt des Finanz- ausschusses (7. Ausschuß) Tagesordnungspunkt 26 e: Abstimmung über den — Drucksache 12/7894 — von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des internationalen Berichterstattung: Übereinkommens über die zivilrechtliche Haftung für Abgeordneter Wilfried Seibel Ölverschmutzungsschäden und über die Errichtung b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des eines Entschädigungsfonds. Das liegt Ihnen auf von der Bundesregierung eingebrachten Ent- Drucksache 12/6364 vor. Der Rechtsausschuß emp- wurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen fiehlt auf Drucksache 12/7602 unter Buchstabe a, den Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20351

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Diejeni- Dritte Beratung gen, die dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen und Schlußabstimmung. wünschen, bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Gegen die Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen Stimmen der Gruppe PDS/Linke Liste angenom- wünscht, bitte ich, sich vom Platz zu erheben. Enthal- men. tungen? — Damit ist der Gesetzentwurf mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen wie in der zweiten Tagesordnungspunkt 26 e: Abstimmung über den Lesung angenommen. von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Ölschadengesetzes. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 26j: Abstim- mung über den von der Bundesregierung eingebrach- Das liegt Ihnen auf Drucksache 12/6373 vor. Der - Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 12/7602 ten Gesetzentwurf zur Änderung des D-Markbilanz- unter Buchstabe b, den Gesetzentwurf unverändert gesetzes — Drucksachen 12/7262 und 12/7912, Buch- anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzent- stabe a. wurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Wer dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung Dagegen? — Gegen die Stimmen der Gruppe PDS/ zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzei- Linke Liste in zweiter Beratung angenommen. chen. Wer stimmt dagegen? — PDS/Linke Liste. Damit Wir kommen zur ist der Gesetzentwurf in zweiter Lesung angenom- men. dritten Beratung Dritte Beratung und Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als und Schlußabstimmung. Ganzem zustimmen möchte, den bitte ich, sich zu erheben. — Dagegen? — Mit der gleichen Mehrheit Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zustimmen wie in der zweiten Beratung angenommen. möchte, bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Enthaltungen? — Damit ist der Gesetzentwurf gegen Tagesordnungspunkt 26 f: Gesetzentwurf des Bun- die Stimmen der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN desrates zur Stärkung des Rechtsfriedens und zur — bei unterschiedlichem Abstimmungsverhalten — Bekämpfung des Schlepperunwesens. Es liegt Ihnen und bei Enthaltung der PDS/Linke Liste in dritter auf Drucksache 12/5683 vor. Der Innenausschuß emp- Beratung angenommen worden. fiehlt auf Drucksache 12/7827, den Gesetzentwurf für erledigt zu erklären. — Wer stimmt dieser Beschlu- Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 26j. ßempfehlung zu? — Dagegen? — Gegen die Stimmen Unter Buchstabe b seiner Beschlußempfehlung auf der Gruppe PDS/Linke Liste angenommen. Drucksache 12/7912 empfiehlt der Rechtsausschuß, den Gesetzentwurf der SPD zur Änderung des Han- Tagesordnungspunkt 26 g: Abstimmung über den delsgesetzbuchs auf Drucksache 12/7570 für erledigt von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf zu erklären. eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesan- stalt für Landwirtschaft und Ernährung und zur Ände- Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? Dage- rung von Vorschriften auf den Gebieten der Land- und gen? — Enthaltungen? — PDS/Linke Liste. Damit ist Ernährungswirtschaft. Das liegt Ihnen auf den Druck- die Beschlußempfehlung angenommen. sachen 12/7133 und 12/7853 vor. Diejenigen, die dem Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 26k: Abstim- Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zuzustimmen mung über den von der Bundesregierung eingebrach- wünschen, bitte ich um das Handzeichen. — Dage- ten Gesetzentwurf zu dem Europäischen Überein- gen? — Enthaltungen? — Bei Enthaltung der Gruppe kommen über die allgemeine Gleichwertigkeit der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Gruppe PDS/ Studienzeiten an Universitäten — Drucksache Linke Liste mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen 12/6916. Der Auswärtige Ausschuß empfiehlt auf und SPD in zweiter Beratung angenommen. Drucksache 12/7889, den Gesetzentwurf unverändert Wir kommen zur anzunehmen. Wer dies möchte, den bitte ich, sich vom Platz zu dritten Beratung erheben. Enthaltungen? — Dagegen? — Damit ist der und Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem Gesetzentwurf einstimmig angenommen. zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 261: Abstim- — Dagegen? — Enthaltungen? — Mit der gleichen mung über den von der Bundesregierung eingebrach- Mehrheit wie in der zweiten Beratung angenom- ten Gesetzentwurf zur Änderung des Zusatzabkom- men. mens zum NATO-Truppenstatut und zu weiteren Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 26h: Abstim- Übereinkünften. Dies liegt Ihnen vor auf den Druck- mung über den von der Bundesregierung eingebrach- sachen 12/6477 und 12/7957. ten Entwurf eines Markenrechtsreformgesetzes. Dies Diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus- liegt Ihnen vor auf den Drucksachen 12/6581 und schußfassung zuzustimmen wünschen, bitte ich, sich 12/7671. vom Platz zu erheben. Dagegen? — Enthaltungen? — Diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus- Damit ist der Gesetzentwurf gegen die Stimmen der schußfassung zustimmen möchten, bitte ich um das PDS/Linke Liste und bei Enthaltung der Gruppe Handzeichen. Wer stimmt dagegen? —Enthaltungen? BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen worden. — PDS/Linke Liste. Der Gesetzentwurf ist damit in Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 26m: Be- zweiter Lesung angenommen. schlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und 20352 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg Sozialordnung zu dem Antrag der Frak tion der SPD zu Dagegen? — Enthaltungen? — Einstimmig angenom- den Mitbestimmungsrechten der Zivilbeschäftigten men. bei den Alliierten Stationierungsstreitkräften — Tagesordnungspunkt 26s: Die Beschlußempfeh- Drucksachen 12/2138 und 12/7464 Nr. 1. Der Aus- lung des Ausschusses für Verkehr zu dem Richtlinien- schuß empfiehlt, den Antrag für erledigt zu erklä- vorschlag der Europäischen Union zur Festlegung der ren. höchstzulässigen Gewichte und Abmessungen für Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung. Dage- Straßenfahrzeuge über 3,5 t liegt Ihnen auf der Druck- gen? — Enthaltungen? — Damit ist die Beschlußemp- sache 12/7652 vor. Wer stimmt dieser Beschlußemp- fehlung bei Enthaltung der PDS/Linke Liste ange- fehlung zu? — Enthaltungen? — Dagegen? — Gegen nommen. die Stimmen der PDS/Linke Liste ist die Beschlußemp- fehlung angenommen worden. Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung emp- fiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlußempfehlung die Tagesordnungspunkt 26t: Die Beschlußempfeh- Annahme einer Entschließung. lung des Finanzausschusses zur Entschließung des Europäischen Parlaments zur Beseitigung der rechtli- Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — chen Hindernisse für die Verwendung des ECU finden Dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist die Beschluß- Sie auf der Drucksache 12/7663. Wer stimmt dieser empfehlung bei Enthaltung der PDS/Linke Liste Beschlußempfehlung zu? — Enthaltungen? — Dage- angenommen. gen? — Einstimmig angenommen. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 26n: Be- Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 26u schlußempfehlung des Haushaltsausschusses zur Ver- und 26v mit den Beschlußempfehlungen des Peti- äußerung des bundeseigenen Grundstücks in Mün- tionsausschusses auf den Drucksachen 12/7698 und chen an der Heidemannstraße. Dies liegt Ihnen vor auf 12/7699. Das betrifft die Sammelübersichten 153 und den Drucksachen 12/7146 und 12/7624. 154. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlungen? — Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? Wer Dagegen? — Enthaltungen? — Bei Enthaltung der stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Die Beschluß- PDS/Linke Liste angenommen. empfehlung ist bei Enthaltung der Gruppe BÜND- Wir kommen zu Zusatzpunkt 7 b, Abstimmung über NIS 90/DIE GRÜNEN angenommen. den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetz- entwurf zu dem Übereinkommen über den Rechtssta- Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 26o: tus des internationalen Suchdienstes in Arolsen, Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zur Drucksache 12/6824. Der Auswärtige Ausschuß emp- Veräußerung bundeseigener Liegenschaften im Wert fiehlt auf Drucksache 12/7903, den Gesetzentwurf von mehr als 30 Millionen DM. Es h andelt sich um eine unverändert anzunehmen. Wer dieses möchte, muß ehemalige NVA-Kaserne in Zwickau. Der Antrag des sich vom Platz erheben. — Dagegen? — Enthaltun- Bundesministeriums der Finanzen und die Beschluß- gen? — Bei Enthaltung der PDS/Linke Liste ist der empfehlung des Haushaltsausschusses liegen Ihnen Gesetzentwurf angenommen. vor auf den Drucksachen 12/7311 und 12/7626. Wir kommen zu Zusatzpunkt 7 a, Abstimmung über Wer stimmt für die Beschlußempfehlung des Haus- den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetz- haltsausschusses? — Wer stimmt dagegen? — Enthal- entwurf zu dem Abkommen mit der Republik Namibia tungen? — Die Beschlußempfehlung ist bei Enthal- zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Drucksache tung der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ange- 12/7771. Der Finanzausschuß empfiehlt auf Drucksa- nommen. che 12/7894, den Gesetzentwurf unverändert anzu- Tagesordnungspunkt 26p: Die Beschlußempfeh- nehmen. Wer dieses will, möge sich bitte vom Platz lung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des erheben. — Damit ist dieser Gesetzentwurf unverän- Präsidenten des Bundesrechnungshofes zur Rech- dert angenommen worden, und zwar einstimmig. nung für das Haushaltsjahr 1992 liegt Ihnen auf der Wir kommen zum Zusatzpunkt 7 c. Wir stimmen Drucksache 12/7627 vor. Wer dieser Beschlußempfeh- jetzt ab über den Antrag der Frak tionen der CDU/CSU lung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — und F.D.P. zur Förderung des Einsatzes biologisch Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Angenom- schnell abbaubarer Schmierstoffe und Hydraulikflüs- men. sigkeiten. Er liegt Ihnen vor auf Drucksache 12/7915. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 26q. Die Wer stimmt für diesen Antrag? — Wer stimmt dage- Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr gen? — Enthaltungen? — Bei Enthaltung der Frak tion zum Vorschlag für eine Richtlinie der Europäischen der SPD und der Gruppen PDS/Linke Liste und Union zur Angleichung der Rechtsvorschriften für den BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist der Antrag angenom- Gefahrguttransport auf der Straße liegt Ihnen auf der men worden. Drucksache 12/7636 vor. Wer stimmt für diese Meine Damen und Herren, zunächst einmal Beschlußempfehlung? — Wer stimmt dagegen? — bedanke ich mich für Ihre Geduld bei diesem Abstim- Enthaltungen? — Einstimmig angenommen. mungsmarathon. Wir kommen jetzt zur Frage- Tagesordnungspunkt 26r: Die Beschlußempfeh- stunde: lung des Ausschusses für Verkehr zu dem Richtlinien- 2. Fragestunde vorschlag der Europäischen Union über einheitliche — Drucksache 12/7821 — Verfahren für die Kontrolle für Gefahrguttransporte auf der Straße liegt Ihnen auf der Drucksache 12/7637 Wir kommen zunächst einmal zum Geschäftsbe- vor. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? — reich des Auswärtigen Amtes. Hier steht uns Staats- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20353

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg minister Helmut Schäfer zur Beantwortung zur Verfü- Sorge zu tragen, daß die Redner für den nächsten gung. Tagesordnungspunkt möglichst schnell erscheinen. (Zuruf von der CDU/CSU: Zuerst das Bun Das ist auch deswegen wichtig, weil wir im Zeitablauf deskanzleramt!) praktisch eine Stunde zurückliegen. Wir könnten Oh, da ist mir eine falsche Vorlage gemacht worden. damit unheimlich viel Zeit aufholen. Selbstverständlich hat der Bundeskanzler als erster Ich lege, weil ich das Glück oder Pech habe, als die Ehre. letzter heute abend hier präsidieren zu müssen, ganz Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers besonderen Wert darauf. Deswegen bitte ich die auf. Zur Beantwortung steht Staatsminister Be rnd Geschäftsführer nachhaltig, diesem meinem Wunsche Schmidbauer zur Verfügung. Ich rufe die Frage 6 des Folge zu leisten. - Abgeordneten Stephan Hilsberg auf: Der Geschäftsbereich des Bundesministers für Ver- Falls Zeitungsberichte aus Griechenland über Sonderwün- teidigung braucht nicht aufgerufen zu werden. Der sche des Bundeskanzlers zur Ausstattung seines Hotelzimmers Abgeordnete Jürgen Augustinowitz hat seine beim EU-Gipfeltreffen auf Korfu zutreffen, frage ich die Bundes- Frage 12 zurückgezogen, und die Abgeordnete Frau regierung: Ist es richtig, daß Beamte des Bundeskanzleramtes die beabsichtigte Unterbringung des Kanzlers in einem Luxus- Dr. Elke Leonhard will die Fragen 13 und 14 schriftlich hotel als „gerade noch zumutbar" eingestuft haben, und wenn beantworten lassen. Die Antworten werden als Anla- ja, aus welchen Gründen? gen abgedruckt. Bernd Schmidbauer, Staatsminister beim Bundes- Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärti- kanzler: Herr Kollege, Zeitungsberichte über Sonder- gen Amtes. Hier steht uns Herr Staatsminister Schäfer wünsche des Bundeskanzlers zur Ausstattung seines zur Verfügung. Hotelzimmers beim EU-Gipfeltreffen auf Korfu sind Die Frage 26 des Abgeordneten Claus Jäger wird falsch. Beamte des Kanzleramtes haben die beabsich- auf dessen Wunsch schriftlich beantwortet. Das glei- tigte Unterbringung des Kanzlers im Hotel zu keinem che trifft für die Frage 27 des Abgeordneten Ortwin Zeitpunkt kritisiert. Dieses von der griechischen EU Lowack zu. Die Antworten werden als Anlagen abge- Präsidentschaft für die Unterbringung der deutschen druckt. Delegation zugewiesene Hotel hat keinen Anlaß zu Ich rufe die Frage 28 der Abgeordneten Frau Birgit Beanstandungen gegeben. Homburger auf: Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Zusatz- Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu unter- frage, Herr Abgeordneter Hilsberg? — Nein. nehmen gegen Hetzkampagnen im Ausland gegen die Bundes- Dann kommen wir zur Frage 7 des Abgeordneten republik Deutschland, wie sie z. B. in der „Washington Post" zu finden waren, mit dem Vorwurf, die Reinigung der Künste sei Hilsberg: deutscher Stil, weil der amerikanische Jazzpianist Chick Corea Welche Kosten verursachen die Sonderwünsche des Beamten wegen seiner Zugehörigkeit zur Scientology-Sekte von einer des Bundeskanzlers nach Doppeltüren, extralangem Bett und Veranstaltung im Rahmen der Leichtathletik-Weltmeisterschaft Sondermatratze? in Stuttgart ausgeschlossen worden war? Herr Staatsminister, Sie haben das Wort. Bernd Schmidbauer, Staatsminister: Die Meldun- gen, Herr Kollege, Beamte des Bundeskanzleramtes hätten Sonderwünsche nach Doppeltüren geäußert, sind falsch. Richtig ist, daß keinerlei bauliche Verän- Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen derungen gefordert wurden. Dies ist auch in der Amt: Frau Kollegin, die Bundesregierung nimmt der- Vergangenheit nie der Fall gewesen. artige Kritik im Ausland sehr ernst. Richtig ist, daß der einzige Wunsch des Bundes- Sie hat z. B. im Schreiben des Geschäftsträgers der kanzlers angesichts seiner Körpergröße von 1,93 m auf deutschen Botschaft in Washington an Mitglieder des Auslandsreisen ist, ein ausreichend langes Bett bereit- US-Kongresses, die sich engagiert hatten, sowie durch gestellt zu bekommen. Dieser Wunsch wurde der Presseerklärungen der Botschaft dagegen Stellung Leitung des Hotels „Imperial" übermittelt. Ohne jede genommen und den tatsächlichen Sachverhalt darge- Diskussion sagte die Hoteldirektion die Erfüllung legt. Die Behauptung, Chick Corea sei wegen seiner dieser Bitte zu. Sie wissen, daß wir einen sehr großen Zugehörigkeit zur Scientology-Sekte von einer Rah- Bundeskanzler haben, wenn es um die Länge geht, menveranstaltung für die Leichtathletikweltmeister- aber auch sonst, und 1,93 m sind eine Länge, wo das schaft vom 15. bis 22. August vergangenen Jahres in Bett nicht immer ausreichend ist, um so unterzukom- Stuttgart ausgeschlossen worden, ist nicht richtig. men, wie das notwendigerweise der Fa ll sein Richtig ist vielmehr, daß zwischen dem Land Baden- müßte. Württemberg und Chick Corea ein Vertrag über ein Konzert nie zustande gekommen war. Das L and Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Zusatz- Baden-Württemberg hat dem Künstler Auftritte in frage, Herr Abgeordneter Hilsberg? anderen Pavillons oder Clubs oder allgemein an beliebigem Ort in diesem Bundesland zu keinem Stephan Hilsberg (SPD): Was die körperlichen Aus- maße des Bundeskanzlers betrifft, stimme ich Ihnen Zeitpunkt verboten. Auch die Behauptung einer Ver- ausdrücklich zu. Ansonsten bedanke ich mich für die letzung der künstlerischen oder Religionsfreiheit ist Auskunft. nicht begründet. Das Land Baden-Württemberg ist Eigentümer des Baden-Württemberg-Clubs und als Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Ich darf solcher frei in der Auswahl der im Club auftretenden das Haus darauf aufmerksam machen, daß wir im Künstler. Dieser Sachverhalt wurde vom Auswärtigen Grunde genommen nur noch drei bis vier Fragen Amt und von der Botschaft Washington richtigge- haben. Ich würde die Geschäftsführer bitten, dafür stellt. 20354 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Staatsminister Helmut Schäfer Nach allen bisherigen Erfahrungen ist jedoch die außenpolitisch die traditionelle Friedenspolitik fort- Scientology Church an einer sachlichen Auseinander- führen und allen internationalen Verpflichtungen setzung nicht interessiert. nachkommen wird sowie den demokratischen Werten der italienischen Republik und Europas weiterhin Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Zusatz- verpflichtet bleibt. frage, Frau Kollegin? — Bitte schön, Frau Hombur- ger. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Zusatz- frage des Abgeordneten Dr. Ullmann. Bitte sehr, Herr Birgit Homburger (F.D.P.): Herr Staatsminister Dr. Ullmann. Schäfer, mich würde interessieren, ob der Bundesre- gierung bewußt ist, wie gefährlich diese Scientology- Dr. Wolfgang Ullmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Sekte ist. Es wird ja immer von Kirche geredet; es ist NEN): Vielen Dank, Herr Präsident. keine Kirche. Wird daran gearbeitet, im Inland Herr Staatsminister, ich habe eine Nachfrage zu der genauso wie im Ausland darüber aufzuklären? Der Alleanza Nazionale. Ist der Bundesregierung be- Vorwurf in der „Washington Post", auf den die Frage kannt, daß — im Gegensatz zu ihrer Selbstdarstel- zurückgeht, daß hier in der Bundesrepublik Deutsch- lung — die Alleanza Nazionale identisch ist mit der land Leute wegen ihrer religiösen Anschauung ver- Gruppierung Movimento Sociale Italiane, die im drin- folgt werden, trifft überhaupt nicht zu, und die Scien- genden Verdacht steht, eine faschistische Gruppie- tology-Sekte stellt eigentlich auch keine religiöse rung zu sein, daß sie jedenfalls diejenige politische Vereinigung dar. Bewegung ist, die seit Beginn der letzten Legislatur- periode regelmäßig den Antrag gestellt hat, Ziffer 12 Staatsminister: Die Bundesregie- Helmut Schäfer, aus Art. 139 der italienischen Verfassung zu streichen, rung, Frau Kollegin, vertritt die Auffassung, daß die d. h. jene Ziffer, die vorschreibt, daß die Reorganisa- Scientology Church — so nennt sie sich selbst; ich tion der faschistischen Partei in jeglicher Form verbo- bezeichne sie nicht als Kirche, aber sie nennt sich so — ten ist? keine Religionsgemeinschaft oder weltanschauliche Gemeinschaft darstellt, sondern ein auf das Erzielen wirtschaftlichen Gewinns gerichtetes Unternehmen Helmut Schäfer, Staatsminister: Herr Ko llege, die ist. Eine höchstrichterliche Entscheidung liegt zu heutige Alleanza Nazionale kann nicht ohne weiteres dieser Frage jedoch noch nicht vor. Das Verwaltungs- als eine Partei gesehen werden, die mit der von Ihnen gericht Mannheim hat den Religionscharakter der zitierten früheren Partei identisch ist. Es gibt dort neue Scientology-Vereine jedoch wiederholt bezweifelt. Mitglieder, es gibt andere Mitglieder. Darauf hat Ministerpräsident Berlusconi auch in Inte rviews Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Weitere gestern und heute vor seiner Reise nach Deutschl and Fragen sind nicht gestellt. hingewiesen. Dann teile ich dem Hause mit, daß die Fragen 29 und 30 des Abgeordneten Dr. Martin Mayer auf Dr. Wolfgang Ullmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- dessen Wunsch schriftlich beantwortet werden. Die NEN): Vielen Dank. Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir kommen zur Frage 31 des Abgeordneten Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Ullmann? Dr. Wolfgang Ullmann: Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Vorsitzende des MSI, Fini, und Koalitionspartner der Regierung Berlusconi die Dr. Wolfgang Ullmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- faschistische Regierung Mussolini in ihrer Regierungszeit bis NEN): Von mir nicht. 1938 wiederholt positiv bewe rtet hat, und wie beurteilt die Bundesregierung das einmalige Ereignis nach dem Zweiten Weltkrieg, daß in einem Gründungsstaat der EG der Konsens Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das ist innerhalb der Europäischen Staatengemeinschaft aufgekündigt nicht der Fall. wurde, jede Form von Bündnissen mit denjenigen Kräften Dann Frau Wollenberger. abzulehnen, die sich nicht eindeutig von faschistischen Regimen abgrenzen? Herr Staatsminister. Vera Wollenberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatsminister, wie gedenkt die Bundesregie- rung als Ratsmitglied und während ihrer Präsident- Helmut Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege, der Bundesregierung ist die Äußerung des Vorsitzenden schaft angesichts der Beunruhigung innerhalb der der Alleanza Nazionale, Fini, und die durch ihn später Institutionen der Europäischen Union sich hinsichtlich erfolgte Relativierung dieser Äußerung bekannt. Die der Präsenz von Neofaschisten in der italienischen ursprüngliche Äußerung steht in ihrem Inhalt in Regierung zu verhalten? deutlichem Widerspruch zu den demokratischen Wer- ten und Zielen der Europäischen Union. Helmut Schäfer, Staatsminister: Ich würde mit pau- Die Äußerung eines Parteivorsitzenden, der nicht schalen Urteilen sehr vorsichtig sein, Frau Kollegin Wollenweber. Mitglied der Regierung ist, sollte allerdings keine Veranlassung geben, die ausgezeichnete deutsch- (Vera Wollenberger [BÜNDNIS 90/DIE italienische Zusammenarbeit im bilateralen wie im GRÜNEN]: Wollenberger!) multilateralen Bereich nicht auch mit der Regierung — Wollenberger. Entschuldigung, Frau Kollegin. Das Berlusconi fortzusetzen. Im übrigen hat Ministerprä- war wirklich keine böse Absicht. Wir haben einen sident Berlusconi versichert, daß seine Regierung Zahnarzt, der so heißt. Deshalb verspreche ich mich Deutscher Bundestag — 12.Wahloeriode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstarr, den 16. Juni 1994 20355

Staatsminister Helmut Schäfer bei Ihrem Namen immer wieder. Das war also wirklich Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr nicht böse gemeint. Dr. Ullmann, noch vermag der Präsident den direkten Ich wollte darauf hinweisen, daß wir mit außeror- Zusammenhang zwischen Ihrer Zusatzfrage und der dentlicher Gelassenheit weiterhin beobachten wer- Frage 32 zu erkennen. — Weitere Zusatzfragen? den, wie sich die neue italienische Regierung, der auch Minister der von Ihnen inkriminierten Partei Dr. Wolfgang Ullmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- angehören, bei ihrer Arbeit in Europa verhält. Der NEN): Ja. Wenn Sie erlauben, Herr Präsident, möchte Ministerpräsident befindet sich in Bonn. Es gibt ja ich den Herrn Staatsminister doch fragen, ob das genug Gelegenheit zu sehen, wie sich die italienische Auswärtige Amt in dieser Sache Kontakt mit dem Regierung und die Koalition, die die Regierung stellt, Bundeskanzleramt aufnimmt oder schon gehabt hat. im Zusammenhang mit Europa verhalten werden. Jedenfalls hat der Ministerpräsident selbst — ich darf Helmut Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege, ich das wiederholen — in Interviews darauf hingewiesen, kann nicht beurteilen, ob alle Mitglieder des Auswär- daß die Mitglieder seiner Regierung nicht als Neofa- tigen Amtes ständig Kontakt mit dem Bundeskanzler- schisten bezeichnet werden könnten. Wer deren amt haben. Vielleicht wissen das Leute der CDU in Lebensläufe lese, der sehe das ganz klar. — Ich kann unserem Hause. Ich kann das nicht beantworten. Ich das hier nur wiedergeben und möchte mich jeder kann nur feststellen: Wir werden sicher Bemühungen weiteren Beurteilung ausländischer Minister ver- aller Parteien sehen, sich mit neuen italienischen ständlicherweise hier enthalten. Parteien zusammenzuschließen. Ich könnte mir vor- stellen, daß sich auch die von Ihnen genannte Alle- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Danke anza Nazionale in Europa nach Partnern umschauen schön. Gibt es weitere Zusatzfragen zu dieser Frage? wird, so wie wir hoffen, daß wir eine Nachfolgeorga- — Das ist nicht der Fall. nisation der liberalen Partei in der Liberalen Inte rna- Wir kommen dann zur Frage 32 des Abgeordneten tionale finden werden, die allerdings nicht die Alle- Dr. Ullmann: anza Nazionale sein wird. Wie hat die Bundesregierung auf die Forderung des Vorsit- zenden des italienischen Parlamentsausschusses für Auswärtige Angelegenheiten, des Neofaschisten Mirko Tremaglia, reagiert, Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Weitere den Grenzvertrag von Osimo betreffend die italienische Minder- Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Frage 33 des heit in Slowenien zu revidieren und die Aufnahme von Slowe- Abgeordneten Dr. Kübler wird auf dessen Wunsch nien in die Europäische Union abzulehnen? schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage Bitte sehr. abgedruckt. — Herr Staatsminister, ich bedanke mich bei Ihnen. Staatsminister: Herr Kollege, die Helmut Schäfer, Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 12 und Bundesregierung ist der Auffassung, daß diese Auße- den Zusatzpunkt 8 auf: rungen die private Meinung von Herrn Tremaglia darstellen, daß diese aber nicht Teil der Politik der 12. a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregie- italienischen Regierung sind. rung Wohnungspolitische Bilanz der Bundesregie- Dr. Wolfgang Ullmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- rung NEN): Vielen Dank, Herr Staatsminister. b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Raumordnung, Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Zusatz- Bauwesen und Städtebau (19. Ausschuß) zu der frage, bitte schön. Unterrichtung durch die Bundesregierung Dr. Wolfgang Ullmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Wohngeld- und Mietenbericht 1993 NEN): Eine Zusatzfrage zur Europapolitik. Herr — Drucksachen 12/7153, 12/7922 — Staatsminister, treffen Meldungen in der Zeitung „La Berichterstattung: Repubblica" vom 5. Juni dieses Jahres zu, nach denen Abgeordnete Achim Großmann der Bundeskanzler dem italienischen Ministerpräsi- Hans Raidel denten Berlusconi eine Übereinkunft vorgeschlagen Gabriele Wiechatzek hat dahin gehend, die Partei Berlusconis, Forza Italia, in die Parlamentariergruppe der Europäischen Volks- c) Beratung der Beschlußempfehlung und des partei (EVP) aufzunehmen? Berichts des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (19. Ausschuß) zu Helmut Schäfer, Staatsminister: Lieber Kollege Ull- dem Antrag der Abgeordneten Achim Groß- mann, jetzt stellen Sie mir eine Frage, die ganz und gar mann, Otto Reschke, Peter Conradi, weiterer nicht von mir beantwortet werden kann. Weder stehe Abgeordneter und der Fraktion der SPD ich dieser internationalen Parteiorganisation nahe Für einen Wechsel in der Wohnungspolitik — ich gehöre, wie Sie wissen, der Liberalen Inte rna- — Drucksachen 12/5578, 12/6598 — tionale an —, noch kann ich beantworten, welche Vorstellungen der Bundeskanzler als Parteivorsitzen- Berichterstattung: der der CDU in Deutschland mit Herrn Berlusconi Abgeordnete Peter Götz über die weitere Hinwendung der italienischen Partei Achim Großmann des Herrn Berlusconi austauscht. Ich bitte Sie, doch d) Zweite und dritte Beratung des von dem Abge- den Bundeskanzler selbst zu fragen. Er wird Ihnen ordneten Dr. Ilja Seifert und der Gruppe der sicher die entsprechende Auskunft geben können. PDS/Linke Liste eingebrachten Entwurfs eines 20356 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg Ersten Gesetzes zur Änderung des Altschul- Zum Wohngeld- und Mietenbericht liegt ein Ent- denhilfe-Gesetzes schließungsantrag der Fraktion der SPD vor. (Erstes Altschuldenhilfe-Änderungsgesetz — Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll ich 1. AHÄndG) Ihnen vorschlagen, eine Debattenzeit von eindreivier- tel Stunden zu beschließen. Ist das Haus damit einver- — Drucksache 12/7054 — standen? — Das ist offensichtlich der Fall. Dann (Erste Beratung 222. Sitzung) können wir die Debatte eröffnen. aa) Beschlußempfehlung und Be richt des Aus- Zur Abgabe einer Regierungserklärung hat die schusses für Raumordnung, Bauwesen und Bundesministerin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (19. Ausschuß) Städtebau, Frau Dr. Irmgard Schwaetzer, das Wo rt. — Drucksache 12/7923 — Berichterstattung: Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin für Abgeordnete Rolf Rau Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: Herr Präsi- Dr. Ulrich Irmer dent! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine ausrei- chende und angemessene Wohnraumversorgung ist bb) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus- elementarer Bestandteil eines sozialen Staates und schuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung damit der Politik dieser Regierung. Der Wohngeld- — Drucksache 12/7943 — und Mietenbericht und andere Zahlen belegen nach- Berichterstattung: drücklich: Unsere marktwirtschaftliche und soziale Abgeordnete Dieter Pützhofen Wohnungspolitik schafft Raum für mehr Menschen. Carl-Ludwig Thiele 1,4 Millionen Wohnungen konnten zwischen 1990 Thea Bock und 1993 bezogen werden, etwa 520 000 bis 550 000 werden es noch einmal in diesem Jahr. Dies sind also e) Beratung der Beschlußempfehlung und des knapp 2 Millionen Wohnungen in vier Jahren. Berichts des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (19. Ausschuß) zu Der Wohnungsbau ist auf Rekordkurs. Die Hälfte dem Antrag der Abgeordneten Achim Groß- der realen Bauinvestitionen 1993 entfiel auf den mann, Iris Gleicke, Dr. Ulrich Janzen, weiterer Wohnungsbau — fast 200 Milliarden DM. Damit ist Abgeordneter und der Frak tion der SPD der Wohnungsbau auch Konjunkturlokomotive. Er war dies schon zu einer Zeit, als die allgemeine Novellierung des Altschuldenhilfegesetzes Konjunktur noch niedrig war. Diese 200 Milliarden — Drucksachen 12/6746, 12/7923 — DM stehen für Modernisierung und Instandsetzung von etwa 2,3 Millionen Wohnungen in den neuen Berichterstattung: Ländern — das ist fast ein D rittel des Wohnungsbe- Abgeordnete Rolf Rau standes dort — und für über 56 000 neu geschaffene Dr. Ulrich Irmer Wohnungen im Bestand, also Leerstandsbeseitigung. f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Sie stehen aber auch für mehr als 430 000 neue Berichts des Ausschusses für Raumordnung, Wohnungen alleine in den alten Ländern, davon mehr Bauwesen und Städtebau (19. Ausschuß) zu als die Hälfte als Eigentumswohnung oder Eigenheim dem Antrag der Abgeordneten Dieter Maaß geschaffen. (Herne), Achim Großmann, Holger Bartsch, Dies alles bedeutet bereits jetzt eine spürbare Ent- weiterer Abgeordneter und der Frak tion der lastung des Wohnungsmarktes. Jede neue Wohnung SPD — in diesem Jahr wird jede Minute eine Wohnung Förderung des genossenschaftlichen Woh- fertig — trägt zur weiteren Entspannung bei. Im nungsbaus Gegensatz zu den alljährlich vorgebrachten Unkenru- fen der Opposition, die sich ebenso alljährlich durch — Drucksachen 12/4301, 12/7921 — die tatsächliche Bauentwicklung widerlegt sehen: Der Berichterstattung: Wohnungsbau läuft nicht nur 1994 wieder zu Höchst- Abgeordnete Peter Götz form auf; er wird dieses Niveau auch darüber hinaus Dieter Maaß (Herne) halten. Das bestätigen schon die Zahlen des ersten Quartals 1994. ZP8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe (Achim Großmann [SPD]: Das ist eine falsche der PDS/Linke Liste Einschätzung!) — Herr Großmann, das Institut, auf das Sie sich immer Mietenmoratorium für die preisgebundenen so gerne berufen, gehört ja zu jenen Unken, die jedes Wohnungen in Ostdeutschland — weitere Jahr falsch gelegen haben, solange diese Regierung in Maßnahmen für ein sozial verträgliches und dieser Legislaturperiode Wohnungsbau macht. überschaubares Mietensystem in Deutsch- land (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) — Drucksache 12/7856 — Bei den Fertigstellungen ist bundesweit in diesem Jahr im ersten Quartal von neuem eine Steigerung um Überweisungsvorschlag: fast 14 % gegenüber dem schon sehr hohen Vorjah- Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (fe- derführend) resniveau zu verzeichnen. In den alten Ländern sind Haushaltsausschuß es bei den Baugenehmigungen fast 20 %, in den Rechtsausschuß neuen Ländern — ebenfalls im ersten Quartal — schon Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20357

Bundesministerin Dr. Irmgard Schwaetzer wieder eine Verdoppelung. Damit wird der mit Aus- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Ach so, dauer prophezeite Niedergang des Neubaus nicht Entschuldigung! Ja, richtig! Dann stellen wir das stattfinden. Das bedeutet: Die Vorgaben einer markt- zurück. wirtschaftlich orientierten Wohnungspolitik stimmen, sie führen zum Erfolg, sie verbessern die Rahmenbe- Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin für dingungen, und damit können Menschen mehr Hoff- Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: Dann nung auf Wohnraum schöpfen. machen wir das im Anschluß. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) Die Bundesregierung hat sich auch im vergangenen Zahlen und Erfolge lassen sich nicht wegdiskutie- Jahr vor allem der Notwendigkeit gestellt, preiswer- ren. In der Tat: Wie könnte es denn auch anders sein? - ten Wohnraum für Familien zu schaffen. Mit dem Auch die Bauminister der SPD-geführten Länder Sonderprogramm für Familienwohnungen in den Bal- führen in den letzten Wochen ständig Erfolgsbilanzen lungszentren haben wir zielgenau diese Probleme vor. Wie könnte es denn sein, daß die Summe dessen angepackt, damit Kinder nicht länger die Verlierer am negativ ist? Nein, es ist eine Positivbilanz. Das ist der Wohnungsmarkt bleiben. Gerade junge Familien und Erfolg einer Politik, die sich an den Realitäten orien- Kinder brauchen Raum, damit sie sich ihren Platz in tiert, die das sozial Notwendige mit dem wirtschaft lich der Gesellschaft erobern können. Deswegen werden Machbaren verbindet. wir weiter besondere Anstrengungen unternehmen (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) und den sozialen Wohnungsbau auf hohem Niveau weiter fördern. Ich unterstreiche noch einmal: Es ist der Erfolg einer Politik, die sich an den Realitäten orientiert und keine Gerade für diese Personen brauchen wir aber eine Versprechungen macht. Von der SPD wird z. B. der Eigentumsförderung, damit gerade junge Familien schneller und besser Eigentum bilden können. Hier zusätzliche Bau von 200 000 Sozialwohnungen in den Raum gestellt. Für diese Zahl Wohnungen müßten werden wir eine zielgenaue Förderung in der Zukunft Bund, Länder und Gemeinden insgesamt 45 Milliar- schaffen müssen. Eigentumsförderung muß sich den DM zusätzlich aufbringen. Deswegen werden gerade auch auf junge Familien konzentrieren. Es gibt diese Versprechungen wie Seifenblasen zerplatzen. einen Wettbewerb von Vorschlägen. Aber es zeigt nur einmal mehr, wie die Opposition mit (Achim Großmann [SPD]: Das hätten Sie dem Geld anderer umgeht, das sie gar nicht hat, über schon vier Jahre machen können! Das haben das sie nur verfügen will. wir gefordert!) (Dr. Peter Struck [SPD]: Milchmädchenrech — Herr Großmann, unsere Poli tik hat doch Erfolg nung!) gehabt. Im letzten Jahr sind mehr als die Hälfte der insgesamt fertig gewordenen Wohnungen im Eigen- Aber ich möchte auch deutlich unterstreichen: Mut- tumsbereich entstanden. Darunter waren in der Tat willig geschürte Angst um die eigene Wohnung viele, viele Familienwohnungen. gefährdet den sozialen Frieden und fördert ex treme Tendenzen in der Gesellschaft. Ich bitte wirklich alle (Achim Großmann [SPD]: Sie haben doch demokratisch orientierten Parteien unseres Gemein- vier Jahre nichts für junge Familien get an!) wesens, sich an solchen Angstkampagnen nicht zu Das Wohnungsbauförderungsprogramm vom Herbst beteiligen. Was dabei herauskommt, haben wir am 1991 hatte die Eigentumsförderung verbessert, und vergangenen Sonntag in den ostdeutschen Bundes- der Erfolg ist in den Fertigstellungszahlen 1993 und ländern wieder gesehen. Natürlich, es fehlen nach wie 1994 deutlich abzusehen. vor preiswerte und familiengerechte Wohnungen. (Achim Großmann [SPD]: Ihnen fallen jetzt Deswegen wird die Bundesregierung nicht nachlas- alle Sünden der letzten vier Jahre ein!) sen, sich dieser Aufgabe zu stellen, so wie sie das in den vergangenen drei Jahren getan hat. Junge Familien finden häufig nicht so gut familien- gerecht zugeschnittene Wohnungen. Die sind M an -gelware. Familienfreundliche Vermieter sind es leider Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Frau Mi- auch. Deswegen ist für sie die Eigentumsbildung oft nisterin, der Herr Abgeordnete Dr. Seifert möchte der einzige Weg, angemessenen Wohnraum zu fin- gern eine Zwischenfrage stellen. den. Die Bundesregierung wird alles daran setzen, diesen jungen Menschen die Eigentumsbildung zu ermöglichen. Dazu gehört auch, um Belastungen Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin für tragbar zu gestalten, die Möglichkeit der Eigenkapi- Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: Wenn es talbildung durch die Förderung des Vorsparens. Es ist nicht angerechnet wird, Herr Präsident. ein wichtiger Erfolg unserer Politik, daß die entspre- chende Förderung nach wie vor besteht. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Es wird (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) nicht angerechnet. Wie man es auch drehen und wenden will, meine Damen und Herren: Die Mietensteigerungen gehen zurück. Die Mieten im Hochpreissektor fangen an zu Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin für bröckeln. Die Meldung von heute war: Mieten im Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: Dann Neubaubereich, bei Erstbezug, fallen bei Wohnungen bitte. mit höherem Wohnwert in den Großstädten um 2 %, (Zuruf von der F.D.P.: Es ist eine Regierungs aber auch bei Wohnungen mit mittlerem Wohnwert erklärung!) um 1 %. Die Steigerungsrate des Mietenindex fiel im 20358 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Bundesministerin Dr. Irmgard Schwaetzer Jahre 1993 auf 5,1 % und geht im Jahre 1994 weiter über sein Eigentum verfügt und auch Rendite erwirt- zurück. Das ist der Erfolg des verbesserten Angebots, schaften will. der Angebotsausweitung, die durch unsere Politik Wir brauchen Eigentum, um ein breites Angebot auf möglich geworden ist. dem Wohnungsmarkt zu sichern. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Die Mietenentwicklung wäre noch günstiger, wenn Das heißt aber auch, daß jede zusätzliche finanzielle die enormen Aufschläge der kommunalen Gebühren, Belastung unterbleiben muß. Erst recht darf sie nicht die sogenannte zweite Miete, nicht wären, die die durch neue abenteuerliche Besteuerung geschaffen durchschnittliche Nettokaltmiete in Höhe von 7 DM werden. Deswegen wird die Bundesregierung bei der - pro Quadratmeter auf eine zu zahlende durchschnitt- Neuregelung der Einheitsbewertung des Grundbesit- liche Bruttokaltmiete von 9 DM anheben. zes das derzeitige, durch das Föderale Konsolidie- (Dr. Walter Hitschler [F.D.P.]: Das ist rungsprogramm bestimmte Belastungsniveau nicht wahr!) überschreiten. Mit uns wird es eine Umstellung auf eine Verkehrswertbesteuerung nicht geben, da sie So stiegen z. B. die Gebühren für die Abwasserbesei- katastrophale Folgen hätte: für den Mieter, denn hohe tigung im Jahre 1993 um durchschnittlich 15 %, Steuern müßten zwangsläufig an ihn weitergegeben (Dr. Walter Hitschler [F.D.P.]: Hört! Hört!) werden, und den Eigentümer, der sich sein Haus oder seine Wohnung mühsam erspart hat. Verkehrswert- die für die Müllabfuhr sogar um 23 %. besteuerung kann leicht zu einer kalten Enteignung (Dr. Walter Hitschler [F.D.P.]: Unver führen. Dieses wäre für eine bürgerliche Regierung schämt!) unerträglich. Ich appelliere an die Kommunen, ihrer Verantwor- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) tung für stabile Verbraucherpreise gerecht zu werden Im sozialen Wohnungsbau haben wir den Grund- und bei der Gebührengestaltung bestehende Spiel- stein für mehr Effizienz und soziale Gerechtigkeit räume zugunsten der Verbraucher zu nutzen. Am gelegt. 30 % mehr Wohnungen bei gleichem Mittel- 30. Juni wird der Bundeskanzler in einem Gespräch aufwand, Beseitigung des Skandals der Fehlbelegung mit den Ministerpräsidenten der L ander diesen The- — das ist die grundlegendste Reform, die es seit vielen menbereich erörtern und, ohne natürlich die Verant- Jahren im Wohnungsbau gegeben hat, verwirklicht wortung von Ländern und Kommunen zu übergehen, mit dem Wohnungsbauförderungsgesetz 1994 und Lösungsansätze aufzeigen, um dieser Entwicklung der einkommensorientierten Förderung. Einhalt zu gebieten. Über den Erwerb von Belegungsrechten, der dort Politik für Wohnungssuchende muß allerdings Inve- auch geregelt wird, gibt es eine neue Mobilität im storen gewinnen und darf sie nicht abschrecken. Bestand. So kann preiswerter Wohnraum erhalten (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne werden, statt ihn durch teuren Neubau zu ersetzen. ten der CDU/CSU) Das Wohnungsbauförderungsgesetz wird in der Das bedeutet, daß auch die ständigen Diskussionen nächsten Legislaturperiode durch ein Drittes Woh- um weitere Mietrechtsverschärfungen — ich bin nungsbaugesetz ergänzt werden müssen, um die sicher, Sie werden in dieser Debatte ein neues Beispiel Grundsätze der sozialen Gerechtigkeit und der Effi- liefern — ein Ende haben müssen. zienz auch im Bestand und insgesamt in der Förde- rung zu verankern. Das bedeutet die Abschaffung des (Dr. Walter Hitschler [F.D.P.]: So ist es!) starren Kostenmietprinzips, wonach alle Kosten Wir haben mit dem Vierten Mietrechtsänderungs- bezahlt werden, sofern sie produziert werden. Das gesetz und der Sozialklausel des Investitionserleichte- kann keine vernünftige Politik sein. Das wird ein Ende rungs- und Wohnbaulandgesetzes den Mieterschutz haben müssen. bis an die Grenzen des verfassungsrechtlich Haltba- (Beifall bei der F.D.P.) ren ausgeweitet. Wesentlicher Bestandteil des Maßnahmenpakets (Dr. Walter Hitschler [F.D.P.]: Das ist wohl für mehr Wohnungen war auch das am 1. Mai 1993 in wahr!) Kraft getretene Wohnbaulandgesetz. Damit haben die Ich denke, daß eine Kündigungssperre von bis zu zehn Kommunen die benötigten Instrumente zur zügigen Jahren nach Wohnungsumwandlung eine mehr als Baulandausweisung in die Hand bekommen. Das hat gute Wohnungsgarantie für den Mieter darstellt. sich bewährt. Die städtebauliche Entwicklungsmaß- nahme ist bereits in mehr als 60 Wohngebieten für Wir brauchen eine Reform des Mietrechts, damit mehr Transparenz, sowohl für den Mieter als auch für mindestens 1 000 Wohnungen in Vorbereitung. Hinzu den Vermieter, in diesen Bereich einzieht. Auch der kommen in den neuen Ländern gezielte Förderpro- Vermieter braucht Handlungsmöglichkeiten, damit er gramme zur Baulandausweisung, mit denen Bauland das Vertrauen in seine Investition nicht verliert. für mehr als 100 000 Wohnungen eröffnet wird. Dabei bleibt für die Umsetzung des Wohnbauland- (Achim Großmann [SPD]: Richtig!) gesetzes zu hoffen, daß so kontraproduktive und Es gibt genügend Kapital. Das Kapital der Bundesre- praxisferne „Errungenschaften" wie die erfreulicher- publik wächst jährlich um 250 Milliarden DM. Diese weise wieder zurückgezogene Landschaftsversiege- können investiert werden. Deswegen ist es nicht mehr lungsabgabe des Landes Nordrhein-Westfalen weiter als recht und richtig, daß derjenige, der investiert, keine Schule machen. Deutscher Bundestaa — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20359

Bundesministerin Dr. Irmgard Schwaetzer Auch von der SPD ist dieses Baulandgesetz ja Aber das bedeutet auch, daß die Wohnungswirt- mitgetragen worden. Es ist ein Schritt zur Entbüro- schaft nun wieder finanzielle Spielräume hat, und es kratisierung. Das begrüßen wir. Aber jetzt müssen bedeutet auch, daß etwa 400 000 Mieter ihre eigene weitere Schritte folgen. Die von mir einberufene Wohnung erwerben können. Eigentum schafft Frei- Kostensenkungskommission wird weitere Schritte zur heit — dies wird besonders nach 40 Jahren sozialisti- Kostensenkung und zur Förderung des kosten- und scher Enteignungspolitik deutlich. Aber es gibt auch flächensparenden Bauens noch im Sommer diesen viele Bremser auf diesem Weg. Das haben wir in den Jahres vorlegen. Bauen wie in Holland und in Däne- vergangenen Monaten deutlich erfahren müssen. mark, das hat auch in Deutschl and Zukunft. Wie viele (Zuruf von der F.D.P.: Sehr richtig!) Familien mehr könnten sich ein Eigenheim leisten, - Offensichtlich ist Wohnungsverwaltung auch ein wenn es für 200 000 DM statt für 350 000 DM ange- Stück Macht in den Händen Einzelner. Deswegen boten würde. Diese Wege möchten wir eröffnen. treten wir, die Bundesregierung, so besonders deut- Die Wohnungspolitik der Bundesregierung hat lich dafür ein, daß eine breite Eigentumsstreuung in gerade für die neuen Bundesländer besondere den ostdeutschen Bundesländern erfolgt. Schwerpunkte gesetzt. Hier gab es riesigen Nachhol- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) bedarf. Die spezifischen Rahmenbedingungen erfor- dern tiefgreifende Reformen — ungewohnte Verän- Und, meine Damen und Herren, es geht, wenn man derungen für die Menschen. Aber steigende Wohn- will. Eine Genossenschaft aus Sachsen-Anhalt qualität und die Abfederung über ein großzügig schreibt in einem Brief vom 6. Juni 1994, daß sie aus bemessenes Wohngeld sind der soziale Ausgleich für ihrem Bestand 42 Reihenhäuser, 90 Wohnungseinhei- höhere Wohnkosten eines marktwirtschaftlichen Sy- ten monolithischer Bauweise und 104 Wohnungsein- stems. heiten in Plattenbauweise in den Jahren 1992 bis 1994 privatisiert hat, und zwar an Mieter. Der Strukturwandel ist allerdings noch nicht abge- (Zuruf von der F.D.P.: Super! —Dr. Ilja Seifert schlossen. Aber die Erfolge dieser marktwirtschaftli- [PDS/Linke Liste]: Und zwar ohne Altschul chen Politik werden sichtbar — sowohl in der Stadt- denhilfe-Gesetz!) sanierung wie in der Wohnungsmodernisierung. Bis Ende 1993 sind rund 7 Milliarden DM Fördermittel des Dieses zeigt sehr deutlich, daß es geht, wenn m an Bundes und über 20 Milliarden DM zinsverbilligte will. Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau zum Auf- Deswegen richte ich noch einmal einen Appell an bau der Städte und Wohnungen in den ostdeutschen die Sozialdemokraten: Meine Damen und Herren, wir Bundesländern ausgezahlt worden. Dieses zahlt sich haben gemeinsam mit Ihnen das Altschuldenhilfe- aus; Gesetz formuliert. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) (Zuruf von der F.D.P.: Richtig!) Es kann doch nicht wahr sein, daß diejenigen, die es übrigens auch im Bewußtsein der Mieter: 73 % aller mit formuliert haben, aussteigen und es schon wieder Mieter halten ihre Miete für angemessen. Ich denke, ändern wollen, bevor sich ein solches Gesetz auch nur daß das der beste Beweis dafür ist, daß wir auf dem drei Monate in der Praxis bewährt hat. richtigen Weg sind. (Achim Großmann [SPD]: Wir wollen nur Natürlich muß auch in den neuen Ländern der novellieren, was wir schon beim Einbringen Übergang in das Vergleichsmietensystem erfolgen. kritisiert haben! — Zuruf von der CDU/CSU: Der Magdeburger Kompromiß vom Mai 1992 hat hier Das machen die immer so!) die Weichen gestellt. Wir werden diese Umstellung Wir müssen diesem Gesetz eine Chance geben. Das sorgfältig vorbereiten. Wir werden die Mieten, wie es Beispiel aus Sachsen-Anhalt — ich kenne andere aus der Einigungsvertrag vorgibt, an den Einkommens- Thüringen und aus Sachsen — zeigt: Es geht, wenn verhältnissen und den Belastungsgrenzen der ost- man will. deutschen Haushalte orientieren. Dazu ist ein For- schungsprojekt auf den Weg gebracht worden, das (Dr. Ilja Seifert [PDS/Linke Liste]: Aber ohne uns Ende des Jahres die benötigten Daten liefern Altschuldenhilfe-Gesetz!) wird. — Ja, um so besser, wenn es auch ohne geht. (Achim Großmann [SPD]: Sagen Sie das lieber einmal vor der Wahl!) Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Deswegen ist das Jahr 1994, meine Damen und Dr. Seifert, Herr Großmann, Sie haben doch gleich die Herren, in besonderem Maße der Umsetzung des Möglichkeit zu reden. Unterbrechen Sie bitte nicht Altschuldenhilfe-Gesetzes gewidmet. Das Altschul- allzu häufig. denhilfe-Gesetz hat eines der größten Investitions- hemmnisse in den neuen Ländern aufgehoben. Bundesministerin für 31 Milliarden DM Altschulden hat der Bund in den Dr. Irmgard Schwaetzer, Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: Es geht mit Bundeshaushalt in den Erblastentilgungsfonds über- ege, noch besser, nommen. 7 Milliarden DM an Zinshilfe werden 1994 Altschuldenhilfe-Gesetz, Herr Ko ll weil wir nämlich durch die Wegnahme von Altschul- und 1995 zur Verfügung gestellt. Dies stellt fraglos die den noch mehr für angemessene, niedrige Verkaufs- größte Solidaritätsaktion zugunsten eines Wirtschafts- zweiges in der Geschichte der Bundesrepublik preise getan haben. Deutschland dar. (Beifall bei der F.D.P.) 20360 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Bundesministerin Dr. Irmgard Schwaetzer Das Altschuldenhilfe-Gesetz wird angenommen. nen; das gilt auch für Studenten und ausländische Mehr als 90 % der Antragsberechtigten haben einen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Was soll eine Regie- Antrag gestellt, davon mehr als die Hälfte auch einen rungserklärung über Wohnungsbau, die die ganzen Antrag auf Teilentlastung. Deswegen hat sich wohl Probleme außen vor läßt und nur schönfärbt, beweih- der Antrag auf Verlängerung der Antragsfrist erle- räuchert und Sand in die Augen streut? Ich meine, das digt. ist der Problemlage in der Bundesrepublik nicht (Zuruf von der SPD: Stimmt!) angemessen. Es gilt jetzt, die Mieterprivatisierung anzupacken. (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Der Mieter muß Vorrang haben. Das muß im Jahre Liste) 1994 umgesetzt werden. Aber es muß auch klar sein: - Schauen wir uns einmal an, was wirk lich los ist. Es Erwirbt ein Dritter, ändert sich für den Mieter gar gibt — scheinbar beginnend — wenige Leerstände im nichts. Er hat einen vollgültigen Mietvertrag und kann luxuriösen Wohnungsbau, dort, wo die Menschen die ebensowenig wie ein anderer Mieter gekündigt wer- Miete sowieso nicht zahlen können. Ich habe schon den oder auch nur mit unlauteren Mieterhöhungen einmal in einer Debatte gesagt: Was nützen Wohnun- konfrontiert werden. gen, in die die meisten Menschen gar nicht einziehen Meine Damen und Herren, alle diese Probleme können, weil sie die Miete nicht bezahlen können? haben wir mit Ihnen vor Verabschiedung des Gesetzes Gleichzeitig gibt es einen dramatischen Fehlbestand diskutiert; es ist jetzt in der Diskussion nicht neu. an preiswertem, bezahlbarem Wohnraum. (Norbert Formanski [SPD]: Und unsere Kri tik Damit Sie nicht glauben, ich würde immer nur ein ist auch nicht neu!) Wirtschaftsforschungsins titut zitieren, das dann wo- Deswegen ist Ihr Aussteigen aus dem Gesetz eine möglich einmal falsch gelegen hat, habe ich mir drei kurzfristige politische Maßnahme, die — wie der seriöse Beispiele aufgeschrieben, alle aus den letzten letzte Sonntag gezeigt hat — Ihnen nichts gebracht Wochen. Einmal sagt Ifo — vielleicht das Ins titut, das hat. Sie meinen —: zur Zeit 2 Millionen fehlende Wohnun- (Peter Conradi [SPD]: Ausgerechnet Sie müs gen. GEWOS sagt im „Handelsblatt" vor wenigen sen das sagen!) Tagen: 2,3 Millionen fehlende Wohnungen. Und dann gibt es noch den Vorstandssprecher der Deutschen Deswegen plädiere ich dafür: Steigen Sie ein in den Bank, der vor wenigen Wochen gesagt hat: 2,5 Millio- Konsens! Jetzt ist nicht Zeit für Schlechtreden und nen Wohnungen fehlen. Wahltaktik, es ist Zeit dafür, einen langen Atem zu haben. Die Wohnungspolitik der Bundesregierung Wollen Sie uns wirklich einreden, daß die, die sich hat diesen langen Atem. Das zahlt sich für Mieter und tagtäglich mit diesem Problem beschäftigen, falsch Eigentümer, für Wohnungssuchende und Bauherrn liegen, wenn sie sagen, daß dramatisch viele Wohnun- aus. Deswegen werden wir den eingeschlagenen Weg gen im Bereich des preiswerten, bezahlbaren Wohn- der Wohnungspolitik auch in Zukunft verfolgen, raums fehlen? Wollen Sie uns das einreden? Dann damit privates Kapital stärker noch als bisher mobili- gute Nacht! Gehen Sie einmal hinaus mit Ihrer angeb- siert werden kann, damit die Probleme in Ost und lichen Erfolgsstory, fragen Sie die Leute, die auf dem West zum Wohle der Menschen, für die Wohnung Wohnungsmarkt keine Ch ance haben. Fragen Sie die Heimat ist, und zum Wohle der Bundesrepublik Leute, die vor den Wohnungsämtern stehen, und Deutschland gelöst werden. kommen Sie zur Realität zurück, die es in dieser Ich danke Ihnen. Bundesrepublik gibt. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD — Peter Conradi [SPD]: Die redet doch nur mit Ärzten und Apothe kern! — Zuruf von der CDU/CSU: Na! Na!) Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das Wort hat nun der Abgeordnete Achim Großmann. Zubau — jetzt komme ich zu etwas, bei dem wir sicherlich einer Meinung sind —: Wir haben sicherlich mit Freude zur Kenntnis genommen, daß nach der Achim Großmann (SPD): Herr Präsident! Meine katastrophalen Wohnungspolitik der achtziger Jahre, Damen und Herren! Es ist wich tig, in diesem Parla- wo ja kaum noch gebaut wurde, endlich wieder mit ment wieder einmal über Wohnungspolitik zu disku- dem Zubau neuer Wohnungen begonnen worden tieren, auch wenn ich glaube, daß wir gerade eher ist. eine Wahlkampfrede von der Bauministerin gehört haben. (Zuruf von der CDU/CSU: Haben Sie schon einmal etwas von Zuwanderung gehört?) (Zuruf von der CDU/CSU: Da wollen wir mal hören, was jetzt kommt!) Nur, eines muß klar sein: Wenn wir 450 000 neue Es ist eine schlechte Regierungserklärung, in der Wohnungen pro Jahr hätten, hätten wir einen Aus- kein Wort zum Thema Obdachlosigkeit gesagt wird, gleich für die Abgänge vom Wohnungsmarkt, für die Zunahme der Haushalte etc. Das heißt, wir brauchen (Beifall bei der SPD) einen Mindestsatz von jährlich 450 000 neuen Woh- in der kein Wort zu den Schlangen an den Wohnungs- nungen, um das Wohnungsdefizit überhaupt abbauen ämtern gesagt wird, in der kein Wo rt dazu gesagt zu können. Das bedeutet bei 2 Millionen fehlenden wird, daß Alleinerziehende, kinderreiche Familien, Wohnungen — ich rechne Ihnen gleich vor, daß Sie Menschen, die auch im sozialen Bereich Schwierig- Strohfeuerpolitik gemacht haben, die den Wohnungs- keiten haben, kaum noch eine Wohnung finden kön markt in den nächsten Jahren wieder in den Keller Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20361

Achim Großmann fahren läßt —, daß wir Jahre brauchen, um das Defizit Der Armutsbericht des Deutschen Gewerkschafts- an Wohnungen auszugleichen. Das schaffen Sie selbst bundes und des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes mit den hohen Leistungen, die Sie zur Zeit haben, kommt beim Thema Wohnen zu ganz erschreckenden nicht. Das ist nur ein kurzes Strohfeuer, und es wird Ergebnissen. Es herrscht nämlich neben den fehlen- sich wieder nach unten einpendeln. den Wohnungen auch noch eine eklatante Woh- nungsunterversorgung. In Westdeutschland sind es 14,7 %, in Ostdeutschland 20,7 %, die unterversorgt Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Ab- geordneter Großmann, sind Sie bereit, eine Zwischen- sind. Besonders sind davon Familien mit drei oder frage zu beantworten? mehr Kindern betroffen, von denen 44,7 % in West- deutschland und 61,7 % in Ostdeutschland in beeng- - ten Wohnraumverhältnissen leben. Achim Großmann (SPD): Ja, wenn auch für mich gilt, daß das nicht auf die Redezeit angerechnet (Norbert Formanski [SPD]: Das ist die fami wird. lienfreundliche Politik dieser Bundesregie rung!)

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Ja. Bitte Auch bei den typischen Vierpersonenhaushalten ist sehr. die Zahl immer noch hoch: fast ein Viertel in West- deutschland und fast die Hälfte in Ostdeutschland.

Jürgen Sikora (CDU/CSU): Herr Kollege Groß- Unser Problem ist, daß die Kluft zwischen Arm und mann, können Sie bestätigen, daß anläßlich einer Reich auch auf dem Wohnungsmarkt immer größer wohnungsbaupolitischen Tagung in Bad Zwische- wird. Umwandlungen von Miet- in Eigentumswoh- nahn die dort teilnehmenden Wohnungswirtschaftler nungen, Luxussanierungen, Luxusmodernisierungen davon gesprochen haben, daß in Wohnungsneubau- und Mietenanstieg sind die Ursache dafür. Der Ver- ten bereits Leerstände zu verzeichnen sind? teilungskampf um die Wohnungen geht lus tig weiter. Wer Knete hat, gewinnt. (Dr. Peter Eckardt [SPD]: Ja, für 18 DM Miete pro m2 !) (Peter Conradi [SPD]: Die Besserverdienen den werden versorgt!) Achim Großmann (SPD): Herr Sikora, vielleicht Ich will jetzt auf ein paar Stichworte eingehen, urn haben Sie nicht richtig zugehört. Ich habe gerade zu beweisen, daß die Wohnungspolitik große Mängel gesagt: Es gibt wenige Beispiele, daß Wohnungen, die aufweist. Die Bundesrepublik ist in der Europäischen sehr teuer und luxuriös eingerichtet sind und mehr als Union beim selbstgenutzten Eigentum das Schluß- 20 DM pro m2 Miete kosten, leer stehen. Das bedeutet, licht. daß am Wohnungsmarkt fehlgebaut wird. Die Leute, (Uwe Lühr [F.D.P.]: Woran liegt das denn?) die bezahlbaren, preiswerten Wohnraum suchen, haben dagegen keine Chance, eine Wohnung zu Nirgendwo in den Ländern der Europäischen Union finden. Das ist in der Tat so, und das ist im Grunde gibt es sowenig selbstgenutztes Eigentum wie in der genommen eine perverse Situation auf dem Woh- Bundesrepublik. nungsmarkt. (Uwe Lühr [F.D.P.]: Woran liegt das denn?) (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke — Ich will Ihnen sagen, woran das liegt: Sie be treiben Liste) eine katastrophal ungerechte, unsoziale Eigentums- Die Strohfeuerpolitik dieser Bundesregierung, die förderung. Wenn zwei Familien nebeneinander das ja offenbar nur auf den Wahltag ausgerichtet war, gleiche Haus bauen, die Häuser also genau gleich viel sieht so aus: Der Schuldzinsenabzug für den Eigen- kosten, dann bekommt der, der 200 000 DM im Jahr heimbau fällt weg; pro Jahr ungefähr 1 Milliarde DM. verdient, wenn er zwei Kinder hat, über den Zeitraum Das Ballungsgebieteprogramm für den sozialen Woh- von acht Jahren eine Förderung in Höhe von 115 000 nungsbau fällt weg; 700 Millionen DM pro Jahr. Die DM, aber derjenige, der nur ein Einkommen von Steuereinnahmen aus der Reduzierung der Förderung 70 000 DM hat, nur 60 000 DM, also nur die Hälfte. Das beim Kauf von Altimmobilien fließen in die Kasse des führt dazu, daß Tausende von sogenannten Schwel- Herrn Waigel, gehen also dem Wohnungsbau verlo- lenhaushalten nicht mehr bauen können. ren; pro Jahr ungefähr 1,5 Mil liarden DM. Die Einspa- Das Baukindergeld wird zwar von der Steuerschuld rungen durch Begrenzung bei der Absetzbarkeit von abgezogen, ist aber trotzdem sozial ungerecht, weil in Modernisierung und Instandsetzung gehen dem Woh- Familien mit drei oder vier Kindern schon zwei Ver- nungsbau verloren; pro Jahr ungefähr 650 Millionen diener sein müssen, um das Baukindergeld überhaupt DM. Das Fördergebietsgesetz für Ostdeutschland nutzen zu können. läuft aus; pro Jahr geschätzt ungefähr 1 Milliarde DM. (Iris Gleicke [SPD]: Jawohl, so ist es!) Es fehlen also, beginnend mit dem nächsten Jahr, Das liegt daran, daß das Baukindergeld nicht ausge- allein 5 Milliarden DM staatlicher Fördergelder für zahlt wird, sondern nur von der Steuerschuld abgezo- den Wohnungsbau. Und dann wollen Sie uns erzäh- gen wird. len, daß das eine gute Wohnungspolitik ist! Ich habe noch gestern mit dem Familienbund der Die erfreulichen Neubauzahlen werden also keinen Deutschen Katholiken gesprochen. Auch deren Ver- Bestand haben. Sie werden heruntergehen. Und wir treter waren der Auffassung, daß es eine furchtbare, wissen, daß wir 500 000 bis 600 000 Neubauwohnun- sozial ungerechte Wohneigentumsförderung gibt. gen pro Jahr brauchen, um das Defizit abzubauen. Diese wollen wir dringend abschaffen. Es muß eine 20362 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Achim Großmann Wohneigentumsförderung her, die sozial gerecht ist, 16. Oktober wieder mehr Mittel für den sozialen die für das gleiche Haus auch gleiche Fördersätze Wohnungsbau einsetzen. zahlt. (Beifall bei der SPD) Da nützen auch die neuen Instrumente, die Sie, Frau Schwaetzer, angekündigt haben, nichts. Sie hätten ja Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Ab- im übrigen dafür vier Jahre Zeit gehabt. Jetzt, kurz vor geordneter Großmann, ich habe wieder den Wunsch Toresschluß, fallen Ihnen alle Ihre Sünden ein, und Sie nach Beantwortung einer Zwischenfrage vorliegen. versuchen, das noch schnell durchzusetzen. Sie sind, unter den eben genannten Bedingungen, (Beifall bei der SPD) bereit, diese zu beantworten? - Was das Modell, das Frau Schwaetzer vorgeschla- gen hat, bewirkt, macht folgendes Beispiel deutlich. Achim Großmann (SPD): Gerne. Eine Familie, die ein Einkommen in Höhe von 40 000 DM hat, bekommt, wenn sie keine Kinder hat, eine Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Bitte Förderung in Höhe von 44 000 DM, wenn sie zwei schön. Kinder hat, 47 000 DM. (Norbert Formanski [SPD]: Sehr wenig!) Peter Götz (CDU/CSU): Herr Kollege Großmann, ist Ihnen entgangen, daß die Städte und Gemeinden Das entspricht einer in Höhe von Kinderkomponente nach dem Wohnungsbauförderungsgesetz 1994 ab 3 000 DM. Wenn die Familien 80 000 DM verdienen, dem 1. Oktober die Möglichkeit haben, Belegungs- bekommt die Familie, die keine Kinder hat, ungefähr rechte aus dem Bestand zu erwerben? 42 000 DM, während die Familie, die zwei Kinder hat, 72 000 DM erhält. Die Kinderkomponente be trägt etwa 31 000 DM. Achim Großmann (SPD): Das ist mir bekannt. Ist Ihnen aber bekannt, daß nur weniger als 3 % pro Jahr Wer so etwas vorschlägt, der scheint wirklich nicht umziehen, der Kauf von Belegungsrechten also im zu wissen, was er da fordert. Man kann eine Familie, Grunde genommen kaum stattfinden kann, weil auf die 40 000 DM verdient, nicht mit einer Kinderkom- dem Wohnungsmarkt so gut wie keine Bewegung ist? ponente in Höhe von 3 000 DM abspeisen, und denen, die 80 000 DM verdienen, die zehnfache Kinderkom- ponente zubilligen. Unsozialer kann man eine Rege- (Norbert Formanski [SPD]: Das wußte der lung gar nicht gestalten. Sie sollten diesen Vorschlag Kollege nicht! —Abg. Peter Götz [CDU/CSU] möglichst schnell aus dem Verkehr ziehen. meldet sich zu einer weiteren Zwischen frage) (Beifall bei der SPD — Norbert Formanski — Ich denke, wir sollten es bei dieser Frage belassen. [SPD]: Alles nur für die Besserverdienen- Herr Götz hat gleich noch Gelegenheit zum Reden. den!) Dann kann er ja auf mich antworten. Ich möchte gerne Zum sozialen Wohnungsbau: Wir haben im sozialen im Fluß des Vorgetragenen bleiben. Wohnungsbau einen Rückgang zu verzeichnen der- Drittes Stichwort: frei finanzierter Mietwohnungs- gestalt, daß es 1987 noch etwa 4 Millionen preis- und bau, etwas, was wir dringend brauchen und was in belegungsgebundene Wohnungen gab. Jetzt sind es den letzten Monaten auch geboomt hat. Es sind sehr nur noch 2,5 Millionen. Alle rechnen damit, daß es in viele frei finanzierte Mietwohnungen gebaut worden. sechs Jahren, wenn das Jahrzehnt zu Ende geht, nur Wir haben gehört, daß die inzwischen — wenn Mieten noch 1 Million Wohnungen im sozial gebundenen von 20, 23, 25 DM gefordert werden — kaum noch Wohnungsbau gibt. vermietbar sind. In dieser Situation steuert die Bundesregierung Welches System haben wir denn bei uns in der nicht etwa gegen und sagt: Wir müssen kräftig in die Bundesrepublik? Wir haben das System, das derje- Hände spucken und dringend bezahlbaren, preiswer- nige, der die höchsten Kosten verursacht, bei den ten Wohnraum schaffen. Vielmehr kürzt sie die finan- Steuern am meisten abschreiben kann. Das heißt, ziellen Mittel des sozialen Wohnungsbaus im näch- unser System produziert teure, luxuriöse Wohnungen. sten Jahr um 30 %. Gleichzeitig versucht uns Frau Unser System ist blind gegenüber Kosten und Flä- Schwaetzer zu vermitteln, daß sie damit 30 % mehr chenverbrauch. Deshalb muß das System im frei Wohnungen baut. Auch das ist eine Quadratur des finanzierten Mietwohnungsbau dringend umgestellt Kreises. Das hat etwas mit dem Wahlkampf zu tun. werden. Diese Zahlen lassen sich nirgendwo errechnen, und (Dr. Ilja Seifert [PDS/Linke Liste]: Sehr rich das glaubt Ihnen auch keiner. -tig!) Wenn man jetzt die gesamten Mittel des sozialen Wenn jemand eine frei finanzierte Mietwohnung Wohnungsbaus einbezieht, die bei ungefähr 20 Mil- baut, die luxuriös ausgestattet ist und sehr viel Geld liarden DM liegen, dann wird man feststellen, daß die kostet, kostet das den Staat Steuermindereinnahmen. Bundesregierung zur Zeit nur noch 15 % dieser Mittel Der Staat muß, wenn er Ausgaben und Aufgaben zur Verfügung stellt; den Rest bezahlen die Länder übernimmt, diese Mittel aus dem Kreditmarkt neh- und Gemeinden. Ab dem nächsten Jahr wird dieser men, weil sie nicht mehr in der Steuerkasse landen. Anteil nur noch knapp 10 % be tragen. Ich meine, der Das bedeutet, er muß diese Mittel auch noch fremd Bund stiehlt sich hier aus seiner Verantwortung. Das finanzieren. Seriöse Berechnungen von Finanzwis- werden wir nicht zulassen. Wir werden nach dem senschaftlern haben ergeben, daß eine Wohnung im Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20363

Achim Großmann frei finanzierten Mietwohnungsbau den Staat zwi- Das ist doch die Realität. Deshalb, denke ich, ist es hier schen 400 000 und 500 000 DM kostet. angebracht, daß wir über die Novellierung des Alt- schuldenhilfe-Gesetzes sprechen. (Iris Gleicke [SPD]: Unglaublich!) Selbst der Gesamtverband der Wohnungswirt- — Unglaublich. schaft, der noch vor wenigen Monaten gesagt hat, wir Ich denke, hier müssen wir dringend etwas tun. hoffen, daß das alles im Lenkungsausschuß auf die Investoren müssen eine vernünftige Rendite haben. Reihe gebracht wird, hat doch dem Bundeskanzler vor Aber der Staat kann nicht hingehen und ohne Rück- wenigen Tagen einen B rief geschrieben, worin steht: sicht auf Flächenverbrauch, auf luxuriöse Ausstat- Wir brauchen eine Novellierung des Altschuldenhilfe- tung, also ohne Eingehen auf die Quantität der Gesetzes, weil der Lenkungsausschuß nicht in der Förderungen, was den Wohnungsraum bet rifft, lustig Lage ist, wichtige Reformschritte zu tun. drauflosfördem, mit Luxusförderungen Luxusbauten Was die Eigentumsbildung in den neuen Ländern errichten lassen. Das, denke ich, ist völlig falsch. betrifft: Es geht nicht an, daß man von Privatisierung (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke und von Eigentumsbildung redet, wenn die Menschen in den neuen Bundesländern keine Chance haben, sie Liste) am Markt auch wirklich umzusetzen, und zwar des- Viertes Stichwort: Ostdeutschland. Sie haben sich halb, weil wir eine völlig ungerechte Eigentumsförde- eben gerühmt, Frau Bundesbauministerin, wie gut es rung haben, den § 10e, der die Höherverdienenden war, daß wir das Altschuldenhilfe-Gesetz haben. Dazu besserstellt, also die Menschen in den neuen Bundes- wird Frau Gleicke sicherlich noch ein paar Worte ländern, die mit ihrem Einkommen noch hinterherhin- sagen. Ich will Ihnen nur wenige Stichworte dazu ken, stark benachteiligt. Gleichzeitig verhindern Sie nennen. Das Altschuldenhilfe-Gesetz kam zwei Jahre die Ausgründung von Wohnungsgenossenschaften, zu spät. In zwei Jahren haben sich die Altschulden so daß die Menschen in den neuen Bundesländern allein um 10 Milliarden DM Zinsen vermehrt. Die wenigstens Teileigentum gründen könnten. Wohnungswirtschaft in den neuen Bundesländern hat Wir haben vorgeschlagen, daß man die Anteile diese 10 Milliarden DM zwei Jahre lang nicht inve- dieses Teileigentums wie selbstgenutztes Wohnei- stieren können. Dort wurde nämlich gesagt, minde- gentum steuerlich fördern kann. Das wäre eine deut- stens 5 Milliarden DM hätten sie in die Modernisie- liche Hilfe für die vielen Menschen in den neuen rung und in die Instandsetzung investieren können. Bundesländern. Wer wirklich mehr Eigentum für die Schließlich haben die Mieter zwei Jahre darauf Menschen in den neuen Bundesländern will, der kann gewartet, daß ihre Wohnungen modernisiert und auf keinen Fall die Koalitionsparteien — auch bei instand gesetzt werden, obwohl sie schon deutlich Wahlentscheidungen — unterstützen. Das gibt näm- höhere Mietpreise gezahlt haben. lich nichts. Ich denke, auch das zeigt, wie unsinnig diese Poli tik (Beifall bei der SPD) ist, die zuerst die Altschuldenmenge in die Höhe schießen läßt, um anschließend den größten Teil der Schließlich mein letztes Stichwort — meine Zeit Altschulden in den Staatshaushalt zu übernehmen. läuft ab Den Steuerzahler wäre es deutlich billiger gekom- (Konrad Gilges [SPD]: Die Zeit der Regierung men, wenn — wie wir als SPD das gefordert haben — läuft ab!) ein Altschuldenhilfe-Gesetz sehr schnell gekommen — die läuft auch ab —: Auch beim Bauland sind Sie die wäre. richtigen Schritte nicht gegangen. Sie haben das (Widerspruch bei der F.D.P.) zonierte Satzungsrecht verhindert, mit dem man höhere Steuern auf baureifes Land, das zu Spekula- Man hätte dem Steuerzahler zweistellige Milliarden- tionszwecken gehortet wird, in Ansatz bringen beträge erspart. könnte, und Sie haben auch kein preislimitiertes Jetzt hat das Altschuldenhilfe-Gesetz Macken. Wir Vorkaufsrecht zugelassen. haben schon — damit es hier nicht zur Geschichtsklit- Fazit: An diesen wenigen Stichworten — mehr kann terung kommt, Frau Bundesbauministerin — während man j a in 15 Minuten kaum unterbringen — wird klar, des Gesetzgebungsverfahrens auf diese Macken des daß praktisch in jedem Teil der Wohnungspolitik Altschuldenhilfe-Gesetzes hingewiesen. falsche Entscheidungen getroffen worden sind. Des- halb — ich zitiere die Überschrift unseres Antrages — (Bundesministerin Dr. Irmgard Schwaetzer: Ihr habt doch zugestimmt!) ist ein „Wechsel in der Wohnungspolitik" dringend überfällig. — Wir haben zugestimmt und gleichzeitig gesagt: Da (Beifall bei der SPD) stehen ein paar Sachen d rin, die nicht funktionieren. Dann haben Sie und die Koalitionsfraktionen uns im Bauausschuß gesagt: Warten Sie mal ab, das lösen wir Das Wort in dem entsprechenden Lenkungsausschuß, der das Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: erteile ich nunmehr dem Abgeordneten Dr. Kansy. kontrollieren soll. Dann haben Sie, weil Sie Angst bekamen, sogar einen Unterausschuß eingerichtet, der das mit kontrollieren sollte. Gleichzeitig blockiert der Lenkungsausschuß wichtige Reformmaßnahmen Dr.-Ing. Dietmar Kansy (CDU/CSU): Herr Präsident! dieses Altschuldenhilfe-Gesetzes. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich habe ich, nachdem Sie, Kollege Großmann, die Mini- (Beifall bei der SPD) sterin gerügt hatten, sie mache Wahlkampf, nach Ihrer 20364 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Dr.-Ing. Dietmar Kansy vorgestrigen Fraktionssitzung keine andere Rede die Ergebnisse Ihrer Entscheidungen im Bausek- erwartet. tor nicht lieber unter der Erde sehen würden. (Dr. Peter Struck [SPD]: Waren Sie denn (Dr. Peter Eckardt [SPD]: Aber eine Apothe dabei, Herr Dr. Kansy? — Weiterer Zuruf von kerin mit falschen Rezepten ist genauso der SPD: Das ist doch eine Platitüde!) schlimm!) — Wenn man unbedingt Profil herausbringen muß, Und nun will ich Ihnen einmal etwas sagen, meine sind Sachdebatten sicherlich schwer. lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Daß sich die Fertigstellung von Wohnungen in den alten (Achim Großmann [SPD]: Wahrheiten tun Bundesländern in diesen Jahren auf 430 000 jährlich weh!) - verdoppelt hat, das zeigen wir Ihnen gerne über der Erde. Daß wir in den neuen Bundesländern über Ich erinnere mich, daß wir in den ersten Wochen 2 Millionen Wohnungen instand gesetzt und moder- dieser Legislaturperiode hier auch schon einmal eine nisiert haben, das sieht jeder Mensch guten Willens, Wohnungsbaudebatte hatten, die erste übrigens. der durch diese Länder fährt. Wenn jetzt das DIW, das (Uwe Lühr [F.D.P.]: Da hat er dieselbe Rede keine Koalitionsinstitution ist, für dieses Jahr 500 000 gehalten!) Neubauten in Westdeutschland und rund 50 000 in Ostdeutschland erwartet, dann ist das Grund zur Vergleicht man die damalige Debatte mit der heuti- Freude. Es macht uns Mut. gen, fallen zwei Sachen ins Auge: Erstens sind wir in diesen Jahren bei der Lösung der Wohnungsprobleme (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) einen Riesenschritt weitergekommen. Wir lassen uns von Ihnen auch dieses ewige Gerede von dem halbleeren Glas nicht einreden. Das Ergebnis (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — unserer Wohnungspolitik ist ein mehr als halbvolles Zuruf von der SPD: Fragt sich nur, in welche Glas. Richtung!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Zweitens hat sich Ihre Schwarzmalerei, Kollege Groß- mann, demgegenüber nicht geändert. Das paßt nicht Noch einige Worte zum Thema Ostdeutschland: Die zusammen. Kollegin Schenk ist gerade nicht da. (Zuruf von der F.D.P.: Die war noch nie Das heißt nicht, daß wir schon alle Probleme gelöst dal) hätten. Wir hatten ja gestern das Thema Obdachlosig- keit in der Anhörung. Dies heißt auch nicht — und das — Aber geredet hat sie ab und zu, selbst wenn sie nicht will ich fairerweise zugeben —, daß wir in all den da war. — Jahren im Deutschen Bundestag und auch zwischen (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der Bund und Ländern in Dauerkonfrontation gearbeitet F.D.P.) hätten. Es wurde ja schon erwähnt, daß das Woh- nungsbauförderungsgesetz 1994 mit breiter Mehrheit Sie hat folgendes ausgeführt — ich zitiere —: im Deutschen Bundestag und im Bundesrat verab- Die Wohnungspolitik ist ein Bereich, in dem der schiedet wurde. Westen nichts vorzuweisen hat, zumindest nichts, was für den Osten nachahmenswert wäre. Aber wie makaber Ihre Argumenta tion, Herr Kol- lege Großmann, ist, wird daran deutlich, daß die Meine Damen und Herren, dies ist die Meinung des SPD-Länderwohnungsbauministerinnen und -mini- Möchtegern-Koalitionspartners der SPD in der Woh- ster mit stolzgeschwellter Brust durch die L ander nungsbaupolitik. ziehen und sich selber für ihre großen Taten segnen. (Zuruf von der SPD: Sie wollten doch sachlich Aber wenn sie anfangen, über die Bundeswohnungs- sein!) baupolitik zu reden, behaupten sie, daß in diesem Die Menschen mögen es hören in Ost und West. Land angeblich das totale Chaos herrsche. Das ist die Wahrheit. Wir waren uns eigentlich einig, was die Hinterlas- senschaft von SED/PDS war — man muß es immer (Achim Großmann [SPD]: Es wird gebaut wieder erwähnen —: Knapp 25 % der Wohnungen trotz dieser Bundesregierung! Das ist es!) waren zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung — selbst Der Kollege Dr. Janzen sagte in der Debatte Anfang nach DDR-Statistik — in den Güteklassen III und IV, 1991 — ich zitiere ihn jetzt nach dem Protokoll —: also so stark baufällig, daß deren Erhalt stark gefähr- det oder nicht mehr möglich war. 50 % hatten veraltete Die Fehler und Fehlentscheidungen der Medizi- Kohlenheizungen, 30 % keine Innentoilette, usw. ner sieht man in der Regel nicht. Sie liegen Während wir alle zusammen mit unserem 60-Milli- nämlich unter der Erde. arden-KfW-Programm noch dabei sind, diese unso- Sie erinnern sich? Und dann fügten Sie hinzu: zialen Politikergebnisse zu korrigieren, propagieren Sie — teilweise die SPD, zugegebenermaßen etwas Frau Ministerin, ich hoffe nun für uns alle, daß Sie zurückhaltender, aber insbesondere die PDS —, die- am Ende Ihrer Amtszeit ses verantwortungslose System von nicht kostendek- — und die ist natürlich noch nicht gekommen — kenden Mieten, die zunächst zum Versiegen p rivater Investitionen und dann zum Verfall führen, gesamt- (Zurufe von der SPD: Ja, aber bald! — Aber deutsch einzuführen. Das ist die Lehre, die Sie aus sie sehnt es schon herbei!) diesen Jahren im gemeinsamen Deutschen Bundestag Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20365

Dr.-Ing. Dietmar Kansy gezogen haben. Das, meine Damen und Herren, nicht — Seit den ersten Wohnungsbauprogrammen sind die mit uns! Zinsen — ich trage sie seit meinen Ingenieurstudien- zeiten wöchentlich ein — zwischen 2,5 und 3 % im (Zuruf von der F.D.P.: Das ist beschä Schnitt gesunken. mend!) (Achim Großmann [SPD]: Das ist der Grund Wir können als Staat — das weiß jeder — diese für den Neubau, nicht die Regierungspoli Lücke nicht füllen, die p rivate Investoren gerade in tik!) den neuen und alten Bundesländern in den letzten Jahren in zunehmender Weise ausgefüllt haben. Denn Das ist auch der Grund, meine Damen und Herren von der SPD, daß wir in Verantwortung nicht nur für trotz größter Anstrengungen von Bund, Ländern und - Gemeinden sind wir — das wissen wir doch; das sagen die Geldwertstabilität, sondern auch für niedrige uns auch die Länderfinanzminister, das sagen uns die Hypothekenzinsen, für hohe Neubauraten Ihrem Länderwohnungsbauminister — auf allen staatlichen populistischen Antrag nicht folgen können, die Bun- Ebenen derzeit nicht in der Lage, die Mil liarden desfinanzhilfen auf 6 Milliarden DM — denn das steht lockerzumachen. in diesem Antrag drin — pro Jahr zu erhöhen. Wer dennoch hohe Fertigstellungszahlen im Woh- Herr Kollege Großmann, Sie haben geschlossen, nungsbau will, Herr Kollege Großmann, der kann nur indem Sie auf den Namen Ihres Antrags hinwiesen: eine Politik machen, die diese Koalition erfolgreich „Für einen Wechsel in der Wohnungspolitik". Es ist gemacht hat: p rivate Investitionen fördern und im ein Wechsel im doppelten Sinne, den Sie nicht einlö- Rahmen eines sozialen Mietrechts sicherstellen, daß sen können. Sie machen wieder Versprechungen, die sich der Einsatz von privatem Kapital im Wohnungs- zum Schluß weder Bund, Länder noch Gemeinden auf bau weiter lohnt. Grund der finanziellen Situa tion einlösen können, mit dem Ergebnis, daß außer warmer Luft keine Wohnun- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und gen in dem Umfang gebaut werden, wie wir es jetzt der F.D.P.) mit marktwirtschaftlicher Poli tik hinbekommen ha- Da man von uns Ehrlichkeit erwartet, müssen wir ben. dem Bürger sagen — der versteht das auch, die (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Ministerin hat die Umfrage zitiert —: Die begrenzten Was Ihre weitere Forderung nach einer sozial treff- staatlichen Mittel müssen wir noch stärker auf die sicheren Eigentumsförderung betrifft, so haben wir konzentrieren, die sich aus eigener Kraft nicht helfen unsere Position dutzendmal hier dargelegt. können, (Achim Großmann [SPD]: Aber nicht geän (Dr. Ilja Seifert [PDS/Linke Liste]: Richtig!) dert!) während wir denen, die es können — das sind in Wir haben Handlungsbedarf festgestellt. Die Frau Deutschland mehr, als in dem großen Jammertal Ministerin hat es Ihnen gerade erläutert: Wir haben zugegeben wird —, zumuten müssen, für das Wohnen nun einmal diese unabhängige Regierungskommis- ein Stückchen mehr Selbstverantwortung zu überneh- sion eingesetzt, von der wir ja Ende dieses Jahres men. Vorschläge erwarten. (Achim Großmann [SPD]: Aber dann strei (Dr. Ilja Seifert [PDS/Linke Liste]: Warum chen Sie doch keine Mittel im sozialen Woh denn nicht vor der Wahl? Das ist doch zum nungsbau!) Kichern! — Gegenruf der Abg. Lisa Peters Im übrigen, die Ministerin hat es schon angespro- [F.D.P.]: Weil das nicht machbar war! — chen: Wir haben angeblich keinen Markt, und der Weiterer Zuruf von der F.D.P.: Quatsch Wohnungsmarkt ist ja wirklich gegängelt. Aber es kopf!) zeigt sich nach kurzer Zeit erhöhter Neubauraten Im übrigen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der wieder, daß ein zunehmendes Wohnungsangebot SPD, es waren auch die SPD-Finanzminister, nicht nur immer auch Druck auf die Mieten bedeutet. Es sind der Bundesfinanzminister und die Unions-Finanzmi- bisher nicht alle Segmente des Marktes davon betrof- nister, die angesichts der angepeilten Steuerstruktur- fen; das ist logisch; es schlägt so langsam von oben reform es uns doch geradezu nahelegten, daß wir, nach unten durch. Aber die Zeiten — ich wiederhole wenn wir an die Reform der Förderung des selbstge- es — starken Mietanstiegs im Neubau und im Bestand nutzten Wohneigentums gehen, als Wohnungspoliti- gehen nicht zuletzt dank einer marktwirtschaftlich ker das nicht im luftleeren Raum machen können. Wir orientierten Wohnungspolitik zu Ende. Genau das war bekommen doch nur in Abstimmung mit einer Steu- unser politisches Ziel. erpolitik ein vernünftiges Konzept. ( [SPD]: Dafür steigen die (Angelika Barbe [SPD]: Mit einer gerechten Bodenpreise!) Steuerpolitik! Wo ist denn die?) Meine Damen und Herren, noch ein anderer Wir müssen darauf drängen, daß wir unsere woh- Gedanke dazu: Erleichtert werden p rivate Investitio- nungspolitischen Interessen bei der Steuerdiskussion nen und der Bau von Eigenheimen natürlich auch in dem Umfang einbringen, wie wir das aus Sicht durch die Früchte einer erfolgreichen Stabilitätspoli- unseres Fachbereiches tatsächlich benötigen, und tik, die nicht nur die Inflationsrate sichtbar sinken läßt, dies möglichst schnell in der nächsten Legislaturpe- sondern auch die Hypothekenzinsen. riode. (Zuruf von der SPD: Die sind doch gestiegen, (Achim Großmann [SPD]: Bis jetzt haben Sie Herr Kansy!) fünf Milliarden verloren!) 20366 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Dr.-Ing. Dietmar Kansy Meine Damen und Herren, zum Wohngeld und wenn Sie durch die Straßen fahren, sehen können. Mietenbericht und der diesbezüglichen Situation wird Wer das tut, wird nicht mehr ernst genommen. im Laufe dieser Debatte für die CDU/CSU der Kollege (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Raidel noch Stellung nehmen, zum Altschuldenhilfe- Achim Großmann [SPD]: Wann waren Sie Gesetz der Kollege Rau und zum genossenschaftli- zuletzt auf dem Wohnungsamt?) chen Wohnungsbau der Kollege Götz. Ich möchte nochmals Bilanz ziehen, wenige Monate So ist es nun einmal. Wenn die Zahlen es ausweisen vor Ende der Legislaturperiode. Sie kann nur lauten und das Bild in den Straßen es zeigt, daß der Woh- — ich wiederhole es —: Wir sind ein Riesenstück nungsbestand verbessert ist, daß die Zahl der Woh- nungen gestiegen ist, daß die Ausstattungen der vorangekommen, ohne alle Probleme bereits gelöst zu - haben. Wohnungen verbessert worden sind, dann können Sie nicht so tun, als wäre nichts gewesen. Wenn Frau (Zuruf von der SPD: Dem Abgrund wieder Schwaetzer vorträgt, daß in Deutschland quasi jede ein Stück näher!) Minute eine Wohnung fertiggestellt wird, Wir haben in dieser Zeit die Investitionsbedingungen (Angelika Barbe [SPD]: Für wen?) für den frei finanzierten Mietwohnungsbau erfolg- reich verbessert, so daß er läuft; wir haben den während es vor zwei, drei Jahren noch nicht einmal sozialen Wohnungsbau innerhalb kürzester Zeit wie- die Hälfte davon war, ist das ein enormer Erfolg der der auf Rekordhöhen geführt; wir haben die Förde- Bundesregierung. rung des selbstgenutzten Wohneigentums in ver- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) schiedenen Schritten, von der zweimaligen Erhöhung des Baukindergeldes bis zur Erhöhung des Prozent- Damit sind natürlich nicht — das behauptet ja satzes bei Abschreibungen, und viele andere Sachen keiner — sämtliche Probleme gelöst. Aber in einer wesentlich verbessert. Zeit, in der Jahr für Jahr, bis vor kurzem, bis zum Wirksamwerden des neuen Asylrechts, über eine (Zuruf von der SPD: Praktisch alles ge Million Menschen in die Bundesrepublik zugewan- schafft!) dert sind, Wir wissen, daß wir weiterarbeiten müssen, erfolg- (Zuruf von der SPD: 10 Millionen brauchen reich allerdings nur mit dem Teil des Hauses, der von wir!) mir aus gesehen auf der rechten Seite sitzt, und nicht mit den Konzepten der SPD, die viel versprechen und können Sie ja nicht erwarten, daß dieser Bedarf quasi nichts halten wird. über Nacht gedeckt wird. Vielen Dank. Was Sie tun können und tun müssen, ist das, was die Bundesregierung get (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) an hat, nämlich dafür zu sorgen, daß mehr Wohnungen bereitgestellt werden, mehr Wohnungen gebaut werden, damit Angebot und Nachfrage besser zum Ausgleich gebracht werden. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Meine Genau das ist getan worden, und das ist — ich darf Damen und Herren! Aus der F.D.P.-Frak tion war einen Ihrer Kollegen zitieren — zu belobigen. Denn deutlich vernehmbar in Richtung Dr. Seifert der Aus- Ihr wohnungsbaupolitischer Experte, Herr Zöpel, hat druck „Quatschkopf" gebraucht worden. wörtlich gesagt: (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist aber sehr Wohnen in Deutschland ist eine phänomenale milde!) Erfolgsstory. Wir können uns nicht darauf einigen, wer das gewe- sen ist. Aber ich möchte deutlich machen, daß das (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) unparlamentarisch und rügenswert ist. Herr Zöpel ist aus der Schattenmannschaft von Herrn Herr Dr. Solms hat nunmehr das Wort. Scharping nun leider ausgeschieden, (Achim Großmann [SPD]: Er hat auch noch einen zweiten Satz angehängt: Leider für Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P): Herr Präsident! fünf Millionen nicht!) Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, der Bundesregierung und der ich vermute, auch deshalb, weil er keine Chancen sieht, in diesem Bereich eine bessere Poli Bundesbauministerin Frau Schwaetzer, tik zu machen. (Dr. Peter Struck [SPD]: Herzlich zu danken! — Heiterkeit bei der SPD) den besonderen Dank der F.D.P.-Frak tion für diese erfolgreiche Wohnungsbaupolitik zum Ausdruck zu Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr bringen. Dr. Solms, der Abgeordnete Conradi möchte Ihnen gerne eine Frage stellen. Bevor ich sie zulasse, wäre (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) ich den Kollegen von der SPD-Fraktion doch sehr Ich will Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von dankbar, wenn sie ihre Zwischenrufe nacheinander der SPD, Herr Großmann, sagen: Man kann Details machen würden und nicht auf einmal, denn das ist einer bestimmten Poli tik kritisieren; das ist ja auch nicht nur für das Protokoll ein Problem, sondern auch Ihre Aufgabe als Opposition. Aber man kann nicht die für mich. Ich kann es beim besten Willen nicht hören, Erfolge einer Politik negieren, die Sie ja tagtäglich, und dann ist die Sache witzlos. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20367

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg (Dr. Peter Struck [SPD]: Aber unsere Zwi Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Nein, schenrufe sind alle in Ordnung! — Achim nein. Nur in dem kleinen Moment. Wir achten sehr Großmann [SPD]: Aber sie sind keine Belei korrekt darauf, Herr Abgeordneter Dr. Solms, daß Sie digungen!) nicht schlecht bedient werden.

Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P.): Aber man kann Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P.): Vorher stand hier die Zwischenrufe auf Grund ihrer Vielzahl akustisch eine „7", und jetzt steht eine „6" . Das kann ich nicht verstehen. Deshalb bringt das nichts. sehen.

Peter Conradi (SPD): Deswegen bemühe ich mich Herr Dr. - Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: um eine Zwischenfrage, Herr Kollege. Seifert. Sie zitieren offensichtlich aus der Ankündigung eines Buches über Wohnungspolitik in Deutschl and. Dr. Ilja Seifert (PDS/Linke Liste): Herr Kollege Dann müßten Sie aber so freundlich sein, auch korrekt Solms, Sie wissen doch, daß zu DDR-Zeiten immer nur zu zitieren. Zöpel sagt nämlich auf der einen Seite Erfolgsberichte gegeben wurden „eine Erfolgsstory", auf der anderen Seite „grobe Ungerechtigkeit in Beton" , so heißt der Titel des (Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Buchs bis jetzt. Ich bin nämlich Mitautor. Deswegen [CDU/CSU]: Das habt ihr geglaubt?) möchte ich Sie bitten, korrekt zu zitieren. und daß es die Menschen dort über haben. Ich frage (Dr. Walter Hitschler [F.D.P.]: Er ist für den Sie deshalb: Ist derjenige böse, der die schlechte schlechteren Teil zuständig!) Nachricht überbringt, oder derjenige, der die schlechte Politik macht? Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das war (Beifall des Abg. Peter Conradi [SPD]) aber keine Werbung, Herr Abgeordneter, nein? — Bitte schön. Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P.): Es ist derjenige (Heiterkeit) gut, der realistische positive Nachrichten überbringt, genauso wie derjenige, der die kritikwürdigen Dinge Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P.): Das ist wie überall auf den Tisch legt. Beides gehört zusammen. M an im Leben: Es gibt gute und schlechte Seiten. Ich hatte muß da in der Waage bleiben. nur kritisiert, daß Ihr Kollege Großmann es vermieden Die PDS spielt sich in den neuen Bundesländern oder bewußt unterlassen hat, auch die guten Seiten zum Interessenvertreter der Menschen do rt auf. Prak- hervorzuheben. Darum geht es. tisch tut sie nichts, damit die Lebenssituation besser In einer Welt, in der Psychologie ein ganz wichtiges wird. Das müssen andere tun. Element des Lebensgefühls und auch der Wirtschaft (Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein ist, geht es, wenn man positive Ergebnisse erzielen will, eben darum, auch positive Dinge hervorzuheben, (CDU/CSU): Keine Wohnung habt ihr gebaut!) sonst werden sie in der Bundesrepublik keine positive Stimmung erzeugen. Ich bin darüber enttäuscht, daß Ihnen das so gut gelungen ist und uns allen so schlecht, obwohl wir dort (Dr. Walter Hitschler [F.D.P.]: Conradi ist für gute Arbeit geleistet haben. Deswegen müssen wir den schlechteren Teil des Buchs zustän uns alle anstrengen, die klaren positiven Ergebnisse dig!) unserer gemeinsamen Arbeit do rt besser darzustel- Sonst werden Sie gerade in den neuen Bundesländern len. keine positive Stimmung erzeugen. Das ist eine Kritik, die ich nicht nur an Sie, sondern an uns alle richte. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Die starken Ergebnisse der PDS in den neuen Meine Damen und Herren, die Bauwirtschaft war Bundesländern zeigen uns allen, daß es uns — Sie ein wichtiges stabilisierendes Element in der Kon- tragen in Brandenburg und in Berlin selbst mit Ver- junkturentwicklung der letzten Jahre hier im Westen, antwortung — nicht gelungen ist, die positive Politik, und sie war der Hauptantriebsmotor für den Aufbau die wir hier betreiben, und die dramatischen positiven der Wirtschaft in den neuen Bundesländern. Deshalb Veränderungen, die sich in den neuen Bundesländern hat sie darüber hinaus gesamtwirtschaftlich eine so eingestellt haben, auch als unseren gemeinsamen positive Wirkung gehabt. Erfolg darzustellen. Vor allem das Investitionserleichterungs - und (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Wohnbaulandgesetz hat die Voraussetzungen für grundsätzliche Erleichterungen geschaffen. Dabei ist Das, finde ich, ist die große Enttäuschung, die sich es gelungen, die Planungsverfahren zu verkürzen und jedenfalls für mich aus diesen Wahlen ergeben hat. effizienter zu machen sowie Baurecht und Natur- schutz harmonisch aufeinander abzustimmen. Ich Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Dr. Sohns, Entschuldigung, wenn ich unterbreche. Herr glaube, dies war sehr wichtig. Aber es liegt natürlich Dr. Seifert möchte auch gern eine Zwischenfrage an den Ländern, dieses Gesetz umzusetzen. Wie m an stellen. sieht, ist dies nicht überall erfolgt. Die F.D.P. ist darüber hinaus der Auffassung, daß Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P.): Herr Präsident, weitere Deregulierungen im Baubereich notwendig normalerweise wird die Zeit nicht angerechnet, aber sind. Eine von Frau Schwaetzer einberufene Kosten- die Uhr ist inzwischen wieder weitergelaufen. Darauf senkungskommission wird auch hierzu in Kürze Vor- möchte ich aufmerksam machen. schläge vorlegen. Wir müssen überflüssige technische 20368 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Dr. Hermann Otto Solms Normen und Standards abschaffen, damit das Bauen Instrument zur Bildung breitgestreuten Wohneigen- insgesamt billiger werden kann. Es muß uns doch ein tums. gutes Beispiel sein, daß eine Sozialwohnung in Hol- land, wo die klimatischen Verhältnisse nicht besser Zur Besteuerung von Grund- und Wohneigentum sind als bei uns, genau halb soviel kostet wie in werden wir auch in Zukunft an der Einheitswertbe- Deutschland. Auch hier ist vieles zu tun, und das steuerung festhalten; denn die Einheitswertbesteue- können wir auch nur gemeinsam tun. rung orientiert sich am Prinzip der Ertragswertbe- Meine Damen und Herren, eine besondere Bedeu- steuerung. Das ist das entscheidende Element. Eine Besteuerung auf der Grundlage der Verkehrswerte, tung mißt die F.D.P. dem selbstgenutzten Wohneigen- die — wie ich höre — von der SPD gefordert wird, tum zu. Mehr noch als eine Mietwohnung gewährt die widerspri eigene Wohnung Unabhängigkeit und Freiheit in- cht dem gerechten Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit einem zentralen Bereich des Lebens. Wohneigentum bietet durch seine Beleihbarkeit finanzielle Unabhän- (Achim Großmann [SPD]: Jetzt setzen Sie gigkeit, und es kann vererbt werden. Nicht zuletzt keine Märchen in die Welt!) gleicht die sinkende Wohnkostenbelastung im Alter das geringere Alterseinkommen aus und ist damit und würde in vielen Fällen zu tiefgreifenden Eingrif- eine Stabilisierung der Einkommens- und Lebensver- fen in die Substanz des Haus- und Grundbesitzes hältnisse über den gesamten Lebenslauf hinweg. führen müssen. Deshalb setzen wir uns besonders für die Förderung von Erwerb und Besitz selbstgenutzten Wohneigen- Dies betrifft übrigens auch die Forderung beispiels- tums ein. weise von Herrn Lafontaine nach einer zusätzlichen Vermögensabgabe von 1,5 %. Wenn Sie bedenken, Insbesondere in den neuen Bundesländern, wo in daß wir die Vermögensteuer für Privatvermögen im den letzten 40 Jahren das Eigentum mit Füßen getre- Rahmen des föderalen Konsolidierungsprogramms ten worden ist, muß die Wohneigentumsquote bereits auf 1 % verdoppelt haben, hieße dies, daß wir gestärkt werden. Damit sich vor allem Familien mit zu einer Vermögensabgabe von 2,5 % im Jahr kom- Kindern den Traum vom eigenen Heim erfüllen kön- men. Das heißt, daß in einer Generation ein Vermögen nen, will die F.D.P. die Grenzen des zu versteuernden enteignet wird. Wenn man dies genau betrachtet, Einkommens bei der Förderung des Bausparens erhö- kann es keine ernstgemeinte Forderung sein oder eine hen, und zwar deutlich erhöhen. Forderung, die zu Konsequenzen führt, die niemand (Beifall bei der F.D.P.) unterstützen kann. Insbesondere geht es dabei darum, familienpoliti- sche Elemente einzubauen, also Zuschläge zur Ein- (Achim Großmann [SPD]: Das ist eine klassi kommensgrenze für die Kinder einzuführen, damit sche Falschmeldung! — Zuruf von der mehr Familien mit Kindern in die Bausparförderung F.D.P.) einbezogen werden. — Nein, das ist ernst. Ich habe es nachgelesen und kann es nicht anders verstehen. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Es besteht der Wunsch des Kollegen Seifert, noch eine Zwischen- Meine Damen und Herren, wir müssen das p rivate frage zu stellen. Eigentum als Grundlage unserer freiheitlichen Wirt- schafts- und Gesellschaftsordnung weiterhin schützen Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P.): Nein, Herr Präsi- und fördern. Deshalb möchte ich etwas abschließend dent, ich möchte nun zu einem zusammenhängenden zitieren, was ein weiser Mann vor langer Zeit gesagt Ende kommen. hat: Es darf der Besitz nur in gewisser Weise zum Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das ist Ihr gutes Recht! Gemeingut gemacht werden, in der Hauptsache aber muß er Privateigentum bleiben. Denn (Zuruf von der F.D.P.: Er redet sowieso viel gerade bei der geteilten Verwaltung wird alles zuviel!) besser gedeihen, indem jeder mit Sorgfalt für seinen Vorteil arbeitet. Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P.): Außerdem kann der Kollege Seife rt ohnehin nach mir sprechen. Dieser Gedanke von Aristoteles ist auch nach 2 300 Zusätzlich sollte für jedes Kind die Einkommens- Jahren unvermindert gültig. Aristoteles hat schon grenze für die Prämie weiter erhöht werden. Nur so damals auf den Zusammenhang von Eigentum und Verantwortung hingewiesen. Wer den herunterge- kommen mehr Familien in den Genuß der Wohnungs- bauprämie. Die F.D.P. möchte an der Bausparförde- kommenen Zustand des Wohnungsbestandes in der rung festhalten, wir wollen sie sogar stärken und nicht damaligen DDR kennengelernt hat, weiß, daß sich abbauen. Wir wollen wie in dieser Legislaturperiode Verantwortung nur auf der Basis p rivaten Eigentums auch verhindern, daß bei der ansonsten vernünftigen in einer funktionsfähigen Gesellschaftsordnung ent- Sparpolitik die Bausparförderung geopfert wird. falten kann. Neben dem Bausparen wollen wir natürlich auch Deshalb gilt für die F.D.P.: Statt Volkseigentum die anderen Formen des Vorsparens durch die Arbeit- wollen wir ein Volk von Eigentümern. Meine Damen nehmersparzulage und den steuerlichen Sonderaus- und Herren, unsere Erfolgsbilanz auf diesem Weg gabenabzug erhalten. Die steuerliche Förderung kann sich sehen lassen. Wir danken der Bundesregie- selbstgenutzten Wohneigentums ist ein zentrales rung und hoffen, daß sie auf diesem Weg erfolgreich Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20369

Dr. Hermann Otto Solms weiterarbeiten wird, zumindest für die nächsten vier zen könne; die Umlage des Kapitaldienstes für die Jahre. verbleibenden sogenannten Altschulden kommt (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) hinzu, ebenso die Wohnkostenerhöhung aus Moder- nisierungsumlagen und nicht zuletzt — da gebe ich Ihnen recht, Frau Ministerin, das ist ein Skandal — aus Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das Wort den rapide steigenden kommunalen Gebühren. So hat nunmehr der Abgeordnete Dr. Ilja Seifert. droht eine nach der Logik der Marktwirtschaft völlig legale Vertreibung infolge unbezahlbarer Mieten. (PDS/Linke Liste): Herr Präsident! Dr. Ilja Seifert Möglichkeiten, etwas dagegen zu tun, gibt es für Meine Damen und Herren! Herr Kollege Solms, leider verantwortungsbewußte Politikerinnen und Politiker. habe ich nicht ganz so viel Redezeit wie Sie; deswegen Als Beispiele möchte ich nur einige wiederholen, die kann ich nicht auf alle Ihre Punkte eingehen, ich schon mehrfach genannt habe, nämlich für den (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist auch gut so! Übergang ins Vergleichsmietensystem auf die Erfah- — Dr. Hermann Otto Solms [F.D.P.]: Eine rungen mit schwarzen und weißen Kreisen zurückzu- Minute weniger!) greifen, Kappungsgrenzen für Modernisierungsumla- — wie Sie und Ihre Leute. — Aber in einem Punkt gebe gen zu beschließen — die würden nämlich die Luxus- ich Ihnen recht: Wer die Realitäten nicht sieht, der modernisierung zumindest beschneiden —, und m an kann nicht ernst genommen werden. Die Realität zeigt könnte z. B. den DDR-Wohnungen den Status von sich nämlich nicht hauptsächlich in statistischen Zah- Sozialwohnungen mit kommunalen Belegungsrech- len. Die Realität haben wir z. B. gestern im Ausschuß ten und Mietpreisbindungen geben. gesehen, als es um die Obdachlosigkeit ging. Die PDS hat einen Antrag eingebracht, der heute in Nachdem die Mieten in Ostdeutschland zwischen erster Lesung behandelt wird, mit dem ein bef ristetes 1991 und 1994 um rund 700 % gestiegen sind und fast Mietenmoratorium bis wenigstens Ende 1996 gefor- Westniveau erreicht haben, nachdem die Einkommen dert wird. Sowohl die Miethöhe als auch die zu in Ostdeutschland noch nicht in dem Maße stiegen, erwartende Einkommensentwicklung in den näch- wie ursprünglich angenommen und zugesagt, obwohl sten zwei Jahren rechtfertigen eine solche Erklärung noch immer jeder dritte Haushalt in Ostdeutschland von Bundesregierung und Bundesrat. Außerdem wäre Wohngeld braucht, um die Belastung durch die Miete damit Zeit gewonnen, endlich ein Konzept zur zukünf- etwas zu mildern, obwohl die Zahl der Obdachlosen tigen Mietenentwicklung in Ostdeutschland unter stetig steigt und obwohl 40 Jahre bundesrepublikani- Einbeziehung der betroffenen Seiten zu erarbeiten. sche Wohnungspolitik genug sein müßten, um zu Mieterinnen und Mieter sowie Vermieter wüßten, verhindern, daß alte Fehler wiederholt werden, trotz- woran sie in den nächsten Jahren sind. Bei seriöser dem soll nach dem Willen der Bundesregierung das Arbeit ist sogar zu einem überschaubaren und wirk- Jahr nach der Wahl zu einem der folgenreichsten in lich sozial orientierten Mietensystem für Gesamt- Ostdeutschland überhaupt werden. deutschland zu kommen. 1995, nämlich nach der Wahl, läuft das Wohngeld- sondergesetz aus, ebenso die zusätzlichen Kündi- Mit unserem Antrag wird des weiteren eine Kap- gungsschutzregelungen und die Belegungsrechts- pungsgrenze für die Umlage von Modernisierungsko- bindung. Die Entlassung des gesamten Wohnungsbe- sten gefordert. Unbestritten ist, daß in Ostdeutschland standes in das Vergleichsmietensystem ab Mitte 1995 ein großer Sanierungs- und Modernisierungsbedarf ist dann der gravierendste Schlag gegen die Lebens- besteht. Das kann aber doch nicht auf dem Rücken der interessen der Mieterinnen und Mieter in den ostdeut- Mieterinnen und Mieter ausgetragen werden, und das schen Ländern. darf auch nicht zur Vertreibung durch Mietenexplo- Während der Kanzler dem Hausbesitzerverband die sion führen. Einführung der Vergleichsmiete noch 1995 zusagt, drücken sich angesichts der bevorstehenden Land- Jetzt, bitte, Frau Ministerin, sagen Sie mir: Wieso tags- und Bundestagswahlen die Barminister vor dem brauchen Sie für die freie Entfaltung von Kindern Verkünden der tatsächlichen Wahrheit. Auch heute hauptsächlich die Eigentumsförderung? Glauben Sie sagten Sie, Frau Ministerin, nur, daß es um das wirklich, daß es für die Kinder wich tig ist, ob ihre Vergleichsmietensystem gehen wird, aber Sie sagen Eltern und sie zur Miete wohnen oder in Eigentums- vor der Wahl nicht, wie der Übergang vonstatten wohnungen? Das kann ich mir beim besten Willen gehen soll, und vor allem sagen Sie nicht, was das nicht vorstellen. wirklich bedeutet. Daß die im Altschuldenhilfe-Gesetz verordnete Mit der Einführung des Vergleichsmietensystems zwangsweise Privatisierung von Wohnungen schrei- droht eine weitgehende Freigabe der Mieten. Noch endes Unrecht ist, wurde in mehreren Rechtsgutach- heute ist der Irrtum weit verbreitet — die sehr aufge- ten nachgewiesen. Das gilt für ehemaliges Volksei- blähte „Aufklärungsarbeit" der Bundesregierung gentum und noch mehr für den genossenschaftlichen ändert daran überhaupt nichts, weil Sie darüber nichts Wohnungsbestand. Die Praxis hat in den letzten sagen —, daß DDR-Wohnungen Sozialwohnungen Monaten ausdrücklich bestätigt, daß die Zwangspri- seien. Schließlich seien sie mit öffentlichen Mitteln vatisierung weder den Unternehmen noch sozial errichtet, und der Ausstattungsgrad sei auch nicht verantwortlich denkenden Kommunen und erst recht gerade luxuriös. nicht den derzeitigen Nutzern der Wohnungen hilft. Man denkt darüber nach, wie man wohl die einzu- Zu allem Überfluß entlastet dieses zweifelhafte führende Vergleichsmiete soweit wie möglich sprei- Geschäft noch nicht einmal den Staatshaushalt. 20370 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Dr. Ilja Seifert Minimalkonsens in diesem Bundestag sollte sein, len, finanziellen und geistigen Potentiale auf die den Privatisierungszwang aus dem Altschuldenhilfe- Entwicklung neuer Modelle des genossenschaftlichen Gesetz ersatzlos zu streichen. Ihre Beispiele, Frau Wohnungsbaus konzentrieren. Man kann Konzepte Ministerin, waren ja ganz deutlich. Sie waren ja vor zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus entwik- Inkrafttreten des Altschuldenhilfe-Gesetzes reali- keln und umsetzen, die nicht so teuer sein müssen. siert. Vorschläge für eine Wende in der Wohnungspolitik Die bundesdeutsche Wohnungspolitik funktioniert gibt es viele, und zwar machbare und finanzierbare, nach den Regeln des Investitionsanreizes. Sie haben von Mieterorganisationen, von Bürgerinitiativen, von es ja vorhin wieder gesagt, das ist das Wichtigste. Alle Gewerkschaften, von Wissenschaftlerinnen und Wis- Förderinstrumente sind darauf ausgerichtet. Auch der senschaftlern, auch von der SPD, die besten selbstver- - Herr Kollege Großmann hat vorhin sehr ausführlich ständlich von der PDS. darauf hingewiesen. — Ich muß das jetzt etwas Wie realitätsfern die wohnungspolitische Erfolgsbi- straffen, weil, wie gesagt, meine Redezeit nicht ganz lanz der Bundesregierung, die heute wieder einmal so lang ist. vorgelegt wurde, ist, wissen die Menschen auf Grund Trotzdem möchte ich auf eines noch hinweisen, weil ihrer persönlichen Erfahrungen sehr gut. In diesem Sie davon sprachen, daß Belegungsrechte gekauft Zusammenhang kann ich nur sagen, daß das Wahler- werden können. Wissen Sie denn nicht, Frau Ministe- gebnis der Schwaetzer-Partei auch dafür spricht. Es rin, daß der Erwerb von Belegungsrechten aus dem tut mir leid, wenn ich auch das erwähnen muß; aber es Bestand unheimlich teuer ist, und zwar teuer für die ist nun einmal so. Kommunen, nicht für den Bund? Es wurde gestern auf Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und hoffe, der Anhörung zur Obdachlosigkeit wieder sehr deut- daß wir in der Wohnungspolitik davon ausgehen lich gesagt, daß unsinnig viel Geld ausgegeben wird. wollen, den Menschen zu helfen, und nicht Investi- Wenn man den Menschen eine Wohnung hinstellen tionsanreize auszulösen und Renditeerwartungen zu und ihnen einen Mietvertrag geben würde, wäre das erfüllen. wesentlich preiswerter, als Obdachlose in Quartieren Vielen Dank. unterzubringen. (Beifall bei der PDS/Linke Liste) (Lisa Peters [F.D.P.]: Das ist doch überhaupt nicht gesagt worden, das war doch ganz was anderes!) Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das Wort — Aber, Frau Peters, Sie haben es doch gehört. hat nunmehr der Abgeordnete Werner Schulz. Von den jährlich rund 75 Milliarden DM zur Förde- rung des Wohnungswesens gehen 80 % in Form von Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Steuergeschenken an die, die bereits Immobilien NEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da besitzen. 12 % erhalten die, die eigentlich genug werden Abermillionen von Steuergeldern für das verdienen, um sich ein Häuschen bauen zu können, Prestigeobjekt Schürmann-Bau verpulvert, um nun aber denen der Staat mit dem famosen § 10e Einkom- händeringend für den Preis von 1 DM einen gnädigen mensteuergesetz unter die Arme greift. Ganze 8 % Abnehmer zu finden, der die Ruine abreißt. Auf der bleiben für die Förderung des sozialen Wohnungs- anderen Seite fehlen in diesem Land rund 2,3 Millio- baus und für Wohngeld übrig. Ordnungs- und vermö- nen Wohnungen, erreichen die Wohnungslosenzah- genspolitische Zielvorstellungen haben die ursprüng- len täglich beängstigend neue Höhen. In dieser Situa- lichen Ziele der Wohnungsbauförderung weitgehend tion empfiehlt die Bauministerin laut ddp-Meldung beiseite gedrängt. von Montag zynisch, man möge doch einfach die Solche ideologischen Scheuklappen sind für prakti- ostdeutschen Datschen als Dauerwohnung beziehen. sche Wohnungspolitik sehr ungeeignet. Gleichgültig Vielleicht erklärt sich daraus das plötzliche Engage- übrigens, ob Sie den Fetisch niedrige Mieten haben, ment ihrer Partei für die Datschenbesitzer. den Sie ja sozusagen uns vorwerfen — Herr Kansy Aber in einem irren Sie sich. Ich glaube, der letzte spricht hier immer von der Schrägstrich-Partei — oder Sonntag hat doch etwas gezeigt. Und Sie sind doch ob Sie ideologisch auf den Fetisch Eigentum fixiert eigentlich nicht so realitätsscheu. Der letzte Sonntag sind: Wichtig ist, daß der Mangel an bezahlbaren hat zumindest gezeigt, daß die Wählerinnen und Wohnungen beseitigt wird. Falls jemand allerdings Wähler Ihre Politik nicht sonderlich gut finden. Da das Menschenrecht auf Wohnung als Ideologie muß Ihnen schon der Fraktionsvorsitzende dafür dan- betrachtet, dann würde ich diesen Vorwurf in Kauf ken, die Wählerinnen und Wähler tun es nicht. nehmen; denn wenn das tatsächlich zur Grundlage (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Ja, Sie ma von Politik gemacht würde, wären wir wesentlich chen das ja nicht!) weiter. Doch daß die Wohnungsnot mit dem Asylproblem Es gibt genügend Möglichkeiten, wohnungspoliti- zusammenhängt, da muß man die Tatsachen schon sche Fortschritte zu erzielen. Ich wi ll nur einige gewaltig beugen, so wie es Herr Solms hier get an hat, aufzählen: bzw. muß man seine liberale Überzeugung gänzlich Man kann die steuerliche Begünstigung des Kaufs abstreifen. von Wohnungen aus dem Bestand abschaffen. Man Noch gibt es in den neuen Bundesländern rund kann alterna tive Wohnkonzepte vom be treuten Woh- 2,9 Millionen genossenschaftliche bzw. kommunale nen von Menschen mit Behinderung bis hin zu Wohn- Wohnungen. Nach dem Altschuldenhilfe-Gesetz gemeinschaften unterstützen. Man kann die personel- müssen 15 % davon zur Bildung privaten Wohnungs- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20371

Werner Schulz (Berlin) eigentums privatisiert werden. An den bisherigen einem wahren Exodus des sozialen Wohnungsbaus Privatisierungen haben sich jedoch nur zu einem geführt. Höhepunkte dieser Poli tik sind die Aufhe- geringen Teil Ostdeutsche beteiligen können. Den bung der Wohngemeinnützigkeit, immerhin 1989/90 Löwenanteil teilen sich bisher westdeutsche Investo- noch von CSU-Bauminister Schneider verabschiedet, ren, allen voran Banken und Versicherungen. Die und das Wohnungsbauförderungsgesetz von 1994. Deutsche Bank hat unlängst einen Wettbewerb zum Künftig heißt es: Hier baut nicht der Bund, sondern die Verkauf ostdeutscher Wohnungen in Sachsen-Anhalt Partei der Besserverdienenden. ausgeschrieben. Wer in diesem Zusammenhang von Im Interesse der Wohnungssuchenden wie auch im einer breiten Eigentumsverteilung spricht, übersieht Interesse der Steuerzahler brauchen wir eine dauer- offenbar die Tatsache, daß die Verteilung derart breit hafte Sozialbindung öffentlich geförderter Wohnun- ist, daß der Hauptteil im Westen ankommt. gen und eine Konzentration des Wohnungsbaus auf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern eine Reform Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen. des Altschuldenhilfe-Gesetzes in Verbund mit einer Gerade dann, wenn die Wohnungen von den hohen Förderung des Genossenschaftswesens. Schulden herunterkommen, werden sie von der Bun- desregierung der privaten Verwertung übergeben. (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Das ist Verschwendung öffentlicher Mittel. Darum Liste) heißt unsere Grundforderung: Einmal gefördert, dau- Notwendig sind hier gezielte Starthilfen für den Auf- erhaft gebunden. bau neuer Bewohnergenossenschaften. Dies sollte Längst besteht im sozialen Wohnungsbau ein inter- durch die Übertragung von Grundstücken zu niedri- ner Verdrängungswettbewerb zu Lasten der sozial gen Preisen ermöglicht werden, damit nicht hinterher Schwächeren. Die kürzliche Erhöhung der Einkom- die Mieten in die Höhe schnellen. mensgrenzen hat dazu geführt, daß allein in Ost- Darüber hinaus sind organisatorische Unterstüt- deutschland ca. 60 % der Haushalte anspruchsberech- zung sowie gezielte Steuererleichterungen erforder- tigt sind, doch bietet das Zweite Wohnungsbaugesetz lich. Genossenschaftliches Wohneigentum ist indivi- der Fehlbelegung im sozialen Wohnungsbau keines- duellem Wohneigentum im Rahmen der §§ 10 e und 34 wegs Einhalt. Im Gegenteil werden hier nach dem des Einkommenssteuergesetzes gleichzustellen. Willen der F.D.P.-Bauministerin vor allem diejenigen Haushalte begünstigt, deren Einkommen um 60 % Für die ostdeutschen genossenschaftlichen bzw. über der Einkommensgrenze liegt. kommunalen Wohnungen besteht nur eine bef ristete Belegungsbindung. Bei Änderung des Altschulden- Es wird demnach nicht für die eigentliche hilfe-Gesetzes muß auch § 12 reformiert werden. Ziel Zielgruppe des Gesetzes gebaut, sondern Frau ist eine Belegungsbindung für größere Wohnungsbe- Schwaetzer wartet anscheinend noch immer auf den stände in Verbindung mit einer langfristigen Mietbin- Sickereffekt: Ein Besserverdienender macht eine dung für diese genossenschaftlichen und kommuna- Wohnung frei für einen Durchschnittsverdiener, die- len Wohnungen. ser räumt seine Wohnung für einen Armen. So funk- tioniert es angeblich. Praktisch aber steigt die Zahl der Wir haben in den neuen Bundesländern jedoch Obdachlosen. nicht nur das Altschuldenproblem, sondern generell auch das Mietenproblem zu bewältigen. Hier muß an (Beifall bei der SPD) die Zusage des Einigungsvertrages erinnert werden, wonach Mieterhöhungen nur propor tional zur Ein- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das Wort kommensentwicklung zulässig sind. hat nunmehr die Abgeordnete Iris Gleicke. Schon heute sind insbesondere auf Grund von Arbeitslosigkeit mindestens 30 % der ostdeutschen Iris Gleicke (SPD): Herr Präsident! Meine sehr Haushalte wohngeldberechtigt. Solange nicht deutli- verehrten Damen und Herren! Im Westen hat es diese che und für breite Schichten wirksame Einkommens- Bundesregierung ja längst geschafft, die Mieten in steigerungen sichtbar sind, darf es keine Abstriche am derart astronomische Höhen zu treiben und klettern Wohngeld, insbesondere am Wohngeld Ost, geben. zu lassen, daß die Menschen sie nicht mehr bezahlen Statt dessen müssen die Wohngeldobergrenzen der können. Wenn dann die Schmerz- und Obergrenze Mietentwicklung entsprechend angehoben werden. überschritten ist und die Mieten nicht mehr steigen (Dr. Ilja Seifert [PDS/Linke Listel: Richtig!) können, weil man einem nackten Mieter bekanntlich nicht in die Tasche greifen kann, spricht die Frau Die für Juli 1995 geplante Aufhebung der Miet- Ministerin von einer Beruhigung auf dem Wohnungs- preisbindung in Ostdeutschland darf nicht stattfinden. markt und fabuliert von durchschnittlich 7 DM/qm Darüber hinaus fordern wir einen klaren Vorrang der Kaltmiete in den westlichen Bundesländern. Hier ist Mietermodernisierung vor der Eigentümermoderni- der Wunsch der Vater des Gedankens. sierung nach dem Wiener Vorbild, eine Forderung, Die Ausführungen zu den knüpfen an die die auch in Leipzig sehr viel Interesse findet. Auch hier Ostmieten schöne Tradition orientalischer Märchenerzählerei gilt es, die Eigeninitiative der Betroffenen zu aktivie- an. Auch im Osten ist alles ganz toll; denn laut Frau ren und Luxussanierungen zu vermeiden. Schwaetzer liegt die Warmmiete im Osten derzeit bei Das Ziel unserer Vorschläge ist die Absicherung ungefähr 8 DM im Durchschnitt. Das ist natürlich eines Grundbestandes an preis- und belegungsge- billiger als im Westen; aber man sollte dabei nicht bundenen kommunalen Wohnungen in den neuen verschweigen, daß der Wohnstandard gleichzeitig Bundesländern. In Westdeutschland hat die Politik wesentlich niedriger ist. Man sollte auch nicht ver- der Bundesregierung in den vergangenen Jahren zu schweigen, daß die Ostmieten zwischen Januar 1991 20372 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Iris Gleicke und Januar 1994 um sage und schreibe 662 % gestie- Frau Schwaetzer hat angekündigt, in den neuen gen sind. Ländern die Vergleichtsmiete einführen zu wollen. Wie soll sie denn eingeführt werden? Was soll denn Schon im vergangenen Jahr haben über ein Drittel hier miteinander verglichen werden? Ein solches der Haushalte im Osten über 25 % des Einkommens Vergleichsmietensystem hat den speziellen Proble- für das Wohnen ausgegeben. 44 % der Mieter halten men bei uns im Osten Rechnung zu tragen. Es muß ihre Miete für zu hoch. 41 % sind mit ihren Wohnun- sicherstellen, daß die Mieterinnen und Mieter vor gen unzufrieden. Frau Schwaetzer ficht das nicht an. unzumutbaren Mietsprüngen geschützt werden. Es Sie stellt voller Zufriedenheit fest, im Wohnungswe- hat die Einkommensunterschiede genauso zu berück- sen der neuen Bundesländer sei der Übergang in die sichtigen wie die Unterschiede in der Wohnqualität. Soziale Marktwirtschaft ein erhebliches Stück voran- gekommen. Darf man sich da noch wundern, wenn die (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Ilja Menschen im Osten kein Vertrauen in die Soziale Seifert [PDS/Linke Liste]) Marktwirtschaft Marke Schwaetzer gewinnen, auch Frau Schwaetzer tönt in ihrem Bericht, die Bundes- wenn so mancher in diesem Hohen Hause das offen- regierung habe das Altschuldenproblem gelöst. Neh- ll? bar noch immer nicht wahrhaben wi men Sie doch bitte zur Kenntnis, daß das Altschulden- Die Menschen im Osten schauen durchaus über hilfe-Gesetz für die Wohnungsunternehmen und ihren eigenen Tellerrand hinaus. Die Menschen im damit für die Mieter nicht nur Vorteile bringt. Zwar ist Osten wissen, was liberal-konservative Wohnungs- die Gefahr von Konkursen auf Grund totaler Über- politik in den alten Ländern für eine Katastrophe schuldung vorerst gebannt, aber es bleiben objektive angerichtet hat. Die Menschen im Osten haben Probleme. Dazu gehören die 15 %ige Privatisierungs- berechtigte Angst vor einer Wohnungspolitik, die mit pflicht ebenso wie die progressive Gestaltung der Marktwirtschaft wenig und mit sozialer Verantwor- Abführung an den Erblastenfonds. tung so gut wie gar nichts zu tun hat. Die Verpflichtung zur Privatisierung nimmt auf In Deutschland herrscht Wohnungsnot. Was diese unterschiedliche Voraussetzungen keinerlei Rück- Wohnungsnot für die neuen Bundesländer bedeutet, sicht. So wird das großstädtische Wohnungsunterneh- will ich am Beispiel Thüringens klarmachen: Dort men mit einem überwiegenden Bestand an Platten- fehlen ca. 100 000 Wohnungen, 22 000 Wohnungen bauten ebenso bewertet wie das ländliche Wohnungs- stehen leer, und weitere 22 000 Wohnungen sind unternehmen, dessen kleinzeiliger monolithischer bisher zweckentfremdet worden. Das zeigt die ganze Bestand für seine Mieter und damit für die potentiel- Dramatik auf dem Wohnungsmarkt. Was vor allem len Käufer wesentlich attraktiver ist. fehlt, ist preiswerter Wohnraum für Familien mit Erst recht wird keine Rücksicht auf unterschiedliche Kindern. Das mag im Vergleich zu den alten Bundes- Mieterstrukturen genommen. Von den diese Struktu- ländern fast normal erscheinen, aber in Thüringen wie ren prägenden Faktoren wie Lebensalter, sozialer in den anderen neuen Bundesländern treten beson- Status usw. jedoch hängt es ab, ob ein Wohnungsun- dere Probleme hinzu. ternehmen überhaupt in der Lage sein wird, 15 % Ich erinnere daran, daß die Mietenverordnung der seines Bestandes an die Mieter zu verkaufen. Zudem Bundesregierung ausläuft, die eine Begrenzung der ist bei der Mieterprivatisierung eine zentrale Forde- Mieten erlaubt. Ich erinnere an das Altschuldenhilfe- rung, daß vor dem Verkauf zunächst das Gemein- Gesetz unter dem Gesichtspunkt von Mieterschutz schaftseigentum saniert wird. Das kostet Zeit. und dem Überleben der Wohnungsunternehmen. Ich Aus all diesen Gründen braucht eine erfolgreiche erinnere an die in diesem Gesetz enthaltene Pflicht zur grundsätzlich ihre Zeit. Sie ist Privatisierung von 15 % des Bestandes, an das beson- Mieterprivatisierung nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen. dere Problem der Genossenschaften und weiterhin an die aufgelaufenen Zinsen während der Zeit des Zins- (Dr. Walter Hitschler [F.D.P.]: Wir haben moratoriums. Ich erinnere schließlich daran, daß Sozi- doch zehn Jahre Zeit!) alwohnungen fehlen. Durch die genannte progressive Gestaltung der Bei den meisten Wohnungen besteht ein enormer Abführung an den Erblastenfonds werden die Woh- Bedarf an Instandsetzungs- und Modernisierungs- nungsunternehmen jedoch unter diesen zeitlichen maßnahmen. Einige Zahlen belegen das. In 16 % der Druck gesetzt, Herr Kollege Hitschler. Wohnungen fehlen Bad oder Dusche, 25 % verfügen über kein Wasserklosett, 55 % haben keine moderne (Beifall bei der SPD) Heizung. Um die Qualität dieser Wohnungen zu Das wird Fehlentscheidungen Vorschub leisten. verbessern, müssen die Wohnungsunternehmen hohe Ich empfehle Ihnen allen dringend die Lektüre des Kredite aufnehmen; denn sie verfügen bekanntlich Berichtes des Unterausschusses „Privatisierung des kaum über Eigenkapital. Auf der Gegenseite fordern Wohnungsbestandes in den neuen Bundesländern". die Mieter mit Recht, daß ihre Wohnungen instand Dieser Bericht bestätigt in jeder Hinsicht unsere Kritik gesetzt werden, und sie fordern darüber hinaus, daß am Altschuldenhilfe-Gesetz. ihre Wohnungen modernisiert werden. Diese Moder- nisierungsmaßnahmen werden jedoch zu 11 % auf die Laut einer Emnid-Untersuchung lehnen 60 % der Miete umgelegt, und das treibt die Miete nach oben. Mieter den Kauf ihrer Wohnungen ab; nur ein Viertel Hinzu kommen Luxusmodernisierungen, durch die der Mieter ist am Kauf ihrer Wohnungen interessiert. Wohnungen unbezahlbar werden. Auf Dauer muß Das ist kein Wunder; denn angesichts der Quadratme- dies zu höheren Mieten als bei vergleichbaren Woh- terpreise etwa in Dresden gibt es den Mietervorrang nungen im Westen führen. nur auf dem Papier. Von 3 500 Käufern privatisierter Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20373

Iris Gleicke Wohnungen in Dresden stammen ganze 14 % aus den Man hat diesen Realitätsverlust u. a. darauf zurückge- neuen Bundesländern. führt, daß die Stasi Erich Honecker jubelnde Cla- queure an den Wegesrand stellte, wenn er sein (Achim Großmann [SPD]: Unglaublich!) Wandlitzer Ghetto verließ. Königin Marie-Antoinette hat kurz vor der Franzö- Frau Schwaetzer, Sie haben das große Glück, daß sischen Revolution geäußert: Wenn das Volk kein Brot auf Ihrem Weg zur Arbeit keine fähnchenschwingen- hat, soll es doch Kuchen essen. Ganz ähnlich sieht das den, jubelnden Mieterinnen und Mieter stehen. die Bundesregierung: Wenn die Leute ihre Mieten (Dr. Walter Hitschler [F.D.P.]: Die wollen wir nicht bezahlen können, dann sollen sie doch endlich gar nicht!) die Wohnungen kaufen. Das wird Ihnen in Ihrer noch verbleibenden kurzen Die SPD hat im Deutschen Bundestag einen Antrag Amtszeit auch nicht mehr begegnen. Insofern hoffen zur Novellierung des Altschuldenhilfe-Gesetzes ge- wir, daß Sie vielleicht irgendwann wieder auf den stellt; denn die Wohnungsunternehmen brauchen Boden der Tatsachen zurückfinden. endlich Sicherheit und Gewißheit, daß ihre speziellen Schönen Dank. Probleme bei der Bewertung der von ihnen durchge- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Ilja führten Privatisierung angemessen berücksichtigt Seifert [PDS/Linke Liste]) werden. Insbesondere geht es uns um die Genossenschaften. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Ich erteile Sie sind für uns eine Form des P rivateigentums. Um der Bundesministerin Dr. Schwaetzer das Wort. diesen besonderen Eigentumsverhältnissen Rech- nung zu tragen, muß die Privatisierungspflicht der Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin für Genossenschaften auf ihre Mitglieder beschränkt Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: Frau Kolle- bleiben. gin, ich denke, wir sollten zu einem Stückchen Sach- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Ilja lichkeit in dieser Auseinandersetzung und in dieser Seifert [PDS/Linke Liste]) Debatte zurückkehren. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Sollten damit diese 15 % nicht erreicht werden, darf das keine Auswirkung auf die Gewährung der Alt- Ich hoffe, ich habe Sie falsch verstanden, daß Sie mir schuldenhilfe haben. Die Neu- bzw. Ausgründung unterstellen, ich würde den gleichen Überzeugungen von Genossenschaften muß als Form der Privatisie- und Verhaltensweisen wie der verstorbene Staatschef rung anerkannt werden. Der Genossenschaftsge- der DDR anhängen. Ich würde dies in einer Demokra- danke muß auf diese Weise gefördert werden. tie für einen völlig unzumutbaren Vergleich halten. Ich würde Sie auch nie dem alten System der DDR Mit dem Altschuldenhilfe-Gesetz wurden die zuordnen. Ich weiß nicht, was Sie damals gemacht Bestände der Wohnungsunternehmen quasi in frei haben; aber ich würde das nie tun. Ich erwarte finanzierte Wohnungen verwandelt. Einer Mietpreis- eigentlich, daß Sie das ebenfalls nicht tun. bindung unterliegen sie noch bis zum bereits erwähn- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) ten Auslaufen der Verordnungsermächtigung. Bis zu diesem Zeitpunkt werden aber nur wenige Sozial- Frau wohnungen fertiggestellt sein. Solche mietpreis- und Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Gleicke, ich erteile Ihnen noch einmal das Wort. belegungsgebundenen Wohnungen werden jedoch dringend zur Lösung der kommunalen Wohnungs- (Dr. Walter Hitschler [F.D.P.]: Sie wi ll ihre probleme gebraucht. Ziellosigkeiten fortsetzen!) Daß in diesem Altschuldenhilfe-Gesetz der Wurm (SPD): Frau Kollegin Schwaetzer, Sie steckt, hat offenbar mittlerweile sogar der Bundes- Iris Gleicke haben mich in der Tat falsch verstanden. Ich habe Sie kanzler eingesehen und der Wohnungswirtschaft im nicht mit Herrn Honecker verglichen. Ich habe über Osten eine wohlwollende Prüfung des Gesetzes zuge- den mangelnden Realitätssinn gesprochen. sichert. Wir freuen uns aufrichtig über diese Einsicht. Hätten Sie damals auf uns gehört, hätten Sie wenig- (Zuruf von der CDU/CSU: Das langt auch!) stens versucht, unsere Argumente zu verstehen, dann brauchten Sie jetzt nicht unter dem Druck der Öffent- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Frau Kol- lichkeit Ihr tolles Gesetz umzubasteln. legin, nun würde ich Sie allerdings bitten, sich das Protokoll genau anzusehen. Das ist nämlich eine Wahrscheinlich wird es uns auch heute nicht mög- Wiederholung oder Verstärkung der unmöglichen lich sein, Frau Schwaetzer und ihre Kolleginnen und Verhaltensweise. Ich will mir vorbehalten, das zu Kollegen von der Realitätsferne ihres Mieten- und rügen. Wohngeldberichtes und von der Richtigkeit unseres Altschuldenhilfenovellierungsantrages zu überzeu- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) gen. Herr Abgeordneter Raidel, Sie haben das Wort. Ich muß gestehen: Das erinnert mich ein wenig an (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine den mangelnden Realitätssinn des jüngst verstorbe- Hans Raidel sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Frau nen letzten Staatschefs der DDR. Ministerin, lassen Sie sich durch nichts beirren. Nichs (Zuruf von der CDU/CSU: Solche Vergleiche ist erfolgreicher als der Erfolg, und nichts schafft mehr sind aber unverschämt!) Neider. 20374 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Hans Raidel Wir alle wissen, auch die Opposi tion, daß die nungen kaufen, aber viele Genossenschaften mau- Deutschen mit ihren Wohnverhältnissen meistens ern. zufrieden sind. (Angelika Barbe [SPD]: Aber sie können (Zuruf von der SPD: 72 %!) nicht! — Zurufe von der SPD: Nein! Nein! Nein!) Dies stellt sogar „Der Spiegel" in seinem achten Heft von 1994 unter der Überschrift „Zufriedene Mieter" Der Mietenbericht weist darauf hin, daß die Steige- fest. rung des Mieterindexes flacher geworden ist. Der Höhepunkt des Preisanstiegs scheint überwunden zu (Achim Großmann [SPD]: Dürfen Sie das sein. Insbesondere zeigt sich die Marktberuhigung an denn lesen?) - den Erst- und Wiedervertragsmieten, die ja unmittel- Er schreibt: bar auf Änderungen der Marktverhältnisse reagieren. Optimisten reden bereits von einer Trendwende. Die meisten Deutschen sind zufrieden mit ihrer Wohnung und haben auch wenig an der Höhe der Natürlich ist ein kräftiger Silberstreif am Ho rizont Mieten auszusetzen. auszumachen. Aber — auch das sage ich — das ist kein Grund zur Entwarnung oder zum Ausruhen auf den Sie haben recht, zwischen 70 und 81 % -- je nach gewonnenen Lorbeeren; denn das zusätzliche Ange- Einkommensverhältnissen — sind mit dieser Situation bot konnte zwar die neu entstandene Nachfrage sehr zufrieden. Hier können Sie es nachlesen. abdecken, der Wohnungsfehlbestand hat nicht weiter zugenommen, aber in den Jahren zuvor hat sich auch (Angelika Barbe [SPD]: Aber sie wissen nicht, was morgen ist!) ein erheblicher Fehlbestand aufgebaut, der erst im Laufe der nächsten Jahre Zug um Zug verringert Die „Spiegel"-Veröffentlichung widerlegt ein- werden kann. drucksvoll die Horrorszenarien von ausgebeuteten (Angelika Barbe [SPD]: Sie haben die Ver Mietern, wie sie die SPD, manchmal auch DIE GRÜ- antwortung!) NEN/BÜNDNIS 90, die PDS und der Mieterbund immer wieder der staunenden und irritierten Bevölke- Realistisch gesehen ist ein Teil der Entspannung rung vormachen wollen. auch auf die gedämpften Einkommenserwartungen als Folge der Konjunkturabschwächung zurückzufüh- Daß diese Masche nicht zieht, zeigt die Wahl- ren. Auch die Nachfrage nach Wohnraum wird schlappe von Rot-Grün eindrucksvoll in München. dadurch gedämpft. Die Konjunktur geht jetzt wieder Dort stand u. a. eine viel zu ideologiebefrachtete nach oben, also — auch das räume ich ein — wird auch Wohnungspolitik der vereinigten Linken zur Abstim- die Nachfrage nach Wohnraum wieder zunehmen, mung. Das Ergebnis belegt: Die Menschen in unserem selbst bei gleicher Bevölkerungszahl. Land haben es satt, daß vieles schlechtgeredet wird, was gut ist. (Dr. Ilja Seifert [PDS/Linke Liste]: Aber die Arbeitslosigkeit nimmt immer weiter zu!) (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Sehr gut!) Was uns Sorge bereiten muß, ist die explosionsar- Weil wir Realisten und Pragmatiker sind, sehen wir tige Entwicklung der kalten Betriebskosten, also der selbstverständlich aber auch die Problemfelder auf kommunalen Gebühren, z. B. Abwasser und Müllab- dem Wohnungsmarkt und wissen, daß auf dem Weg fuhr. Man spricht in diesem Zusammenhang bereits zu einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt noch viel von einer zweiten Miete. Die Kommunen sind hier zu tun ist. gefordert, zwar marktgerecht, aber preisdämpfend zu (Achim Großmann [SPD]: Dann sprechen Sie handeln. jetzt mal darüber!) Der Wohngeldbericht 1993 zeigt, daß das Wohn- Der Wohngeld- und Mietenbericht bestätigt die geld heute mehr denn je ein unverzichtbares Instru- positive Bilanz der wohnungspolitischen Maßnahmen ment ist, sozial schwächeren Mitbürgern zu angemes- dieser Legislaturperiode. Die Maßnahmen haben zu senem Wohnraum zu verhelfen. Wie wir dem Be richt einer außerordentlich starken Zunahme des Woh- entnehmen können, machte der Anteil der Bruttokalt- nungsangebotes sowohl im sozialen als auch im frei miete am verfügbaren Einkommen vor dem Abzug finanzierten Wohnungsbau geführt und die sozialver- des Wohngeldes noch 34,4 % aus, während er nach trägliche Überführung des Wohnungsbestandes in dem Abzug des Wohngeldes nur noch 25,1 % betrug. den neuen Ländern in die Soziale Marktwirtschaft ein In den neuen Ländern, in denen bekanntlich auch die weites Stück vorangebracht. Heiz- und Warmwasserkosten bezuschußt werden, betrug die Belastung der Wohngeldempfänger durch (Achim Großmann [SPD]: Das stimmt ja lei die Bruttowarmmiete im Jahre 1992 vor Wohngeld der nicht!) 29,7 % und nach Wohngeld sogar nur 18,3 % des Querschüsse, Angstmacherei und politische Behin- verfügbaren Einkommens. derungen in den neuen Ländern auf dem Weg in eine Freilich deutet der Wohngeldbericht auch darauf soziale Wohnungsmarktwirtschaft — insbesondere hin — es ist letztlich seine Aufgabe, Entwicklungen durch die PDS, aber auch durch andere — müssen aufzuzeigen —, daß die Entlastungswirkung des durch Aufklärung vor Ort unterbunden werden. Bei Wohngeldes gegenüber dem Be richt 1991 etwas der Privatisierung wird kein Mensch aus seiner Woh- nachgelassen hat. Vor allem aber hat der Anteil der nung hinausgeworfen, und es besteht auch für nie- Mietzuschußempfänger zugenommen. Ich meine da- manden Kaufzwang. Viele Mieter wollen ihre Woh- her, daß wir in der kommenden Wahlperiode sehr bald Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20375

Hans Raidel prüfen sollten, ob eine Anpassung des Wohngeldes an negative Schlagzeilen in Ihrem Wahlkampf wird sich die Entwicklung der Einkommens- und Wohnkosten das nicht eignen. möglich ist. Für die neuen Länder steht ab 1. Januar Die Wohnungsbaupolitik der Bundesregierung 1995 der Übergang vom Wohngeldsondergesetz zu — lassen Sie mich als bayerischer Abgeordneter dem in den alten Ländern geltenden Wohngeldgesetz sagen: auch die der Bayerischen Staatsregierung — ist an. Wir müssen deshalb auch aufpassen, daß dieser inzwischen für jedermann erkennbar zu einer ausge- Übergang nicht zu sozialen Unverträglichkeiten führt; sprochenen Erfolgsstory geworden. das ist selbstverständlich. Ich sage Ihnen auch voraus: Die Wahl am 16. Okto- Insgesamt ist das Wohngeldrecht zu überprüfen und ber wird bestätigen: Nichts ist erfolgreicher als der zu reformieren, auch unter Einbeziehung einer Ver- - Erfolg. waltungsvereinfachung. Die Bundesländer haben Vielen Dank. dazu konkrete Vorschläge entwickelt. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Wir müssen insgesamt dafür sorgen, meine Damen Lachen bei der SPD) und Herren, daß sich das Wohnungsangebot weiter erhöht. Dazu brauchen wir p rivate Investoren. Das bedeutet, Rahmenbedingungen müssen verläßlich Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das Wort sein und die private Investitionsbereitschaft stützen. hat nunmehr der Abgeordnete Dr. Walter Hitschler. Wir haben das Mietrecht geregelt; aber beim Miet- recht muß jetzt Ruhe einkehren, damit die Investoren Dr. Walter Hitschler (F.D.P.): Herr Präsident! Meine wissen, woran sie sind. sehr verehrten Damen und Herren! Die zwölfte Legis- Wir haben viele Initiativen auf den Weg gebracht laturperiode war und ist von einer außerordentlich und Regelungen beschlossen, z. B. das. Investitionser- erfolgreichen Wohnungspolitik gekennzeichnet. Zu leichterungs- und Wohnbaulandgesetz. Wir haben die Beginn, bei den Koalitionsverhandlungen im Frühjahr Einkommensgrenzen im sozialen Wohnungsbau an- 1991, sah dies keinesfalls so aus. Unser Koalitionspart- gehoben, das Wohnungsbauförderungsgesetz 1994 ner CSU gab das Bauministerium an die F.D.P. mit beschlossen etc. Ich glaube, wir haben unsere Haus- dem Hinweis ab, wir sollten ebenfalls ein Problemmi- aufgaben gemacht. Die Bauministerin hat zusammen nisterium erhalten. So war das damals. mit uns eine gute fachliche Plattform geschaffen, (Achim Großmann [SPD]: Wenn das der Rai (Achim Großmann [SPD]: Wir haben Sie zum del vorher gewußt hätte, hätte er die F.D.P. Jagen getragen!) beschimpft!) auf der alle am Wohnungsmarkt Beteiligten vernünf- Die Lage an den Wohnungsmärkten sah nicht rosig tig und erfolgreich arbeiten können, wenn sie nur aus. Ein dornenreicher Weg wurde der neuen Woh- wollen. nungsbauministerin, Frau Dr. Schwaetzer, prognosti- ziert. Unser Finanzminister hat durch eine In der Tat hatte das Bevölkerungswachstum mit erfolgreiche Haushaltspolitik die Voraussetzungen einem starken Zuzug von außen zu tun. Wer dies geschaffen, daß Baugeld so billig wie noch nie zu leugnet wie Herr Schulz, muß mit Blindheit geschla- haben ist. Das Sinken der Hypothekenzinsen hat in gen sein. Es war ein Zuzug von 4 Millionen Mitbür- den letzten Jahren mehr bewirkt als alle Förderungs- gern in Gestalt von Asylbewerbern und Aussiedlern. programme zusammen. Wer bestreitet, daß das eine nachhaltige Wirkung auf Ich möchte gerne eine Neuorientierung der Woh- die Wohnungsmärkte hat, muß wirklich borniert sein. nungspolitik, und ich möchte hier den Grundsatz Das war einer der wesentlichen Gründe. Darüber gelten lassen: mehr Eigenverantwortlichkeit statt hinaus haben die gewaltige Zunahme der Zahl der staatlicher Fürsorge. Haushalte durch veränderte Lebensgewohnheiten Meine Damen und Herren, wer das Wohnungs- sowie die über einen zehnjährigen Zeitraum Jahr für bauprogramm der Opposition überhaupt zur Kenntnis Jahr gestiegenen Realeinkommen zu einer starken nimmt, wird feststellen: Die SPD bietet keine neuen Wohnraumübernachfrage, insbesondere in Ballungs- Rezepte im Wohnungsbau an. gebieten, geführt. Die Knappheit an Wohnraum wurde von einem (Achim Großmann [SPD]: Doch! Haben Sie Mietpreisauftrieb begleitet, der sich insbesondere bei das nicht gelesen?) Erst- und Wiedervermietungen spürbar zeigte. Der Es bleibt bei populistischen Wahlversprechungen, wohnungspolitischen Herausforderung sollte nach obwohl sie sich den Anschein von Reformfreudigkeit dem Willen der Bundesbauministerin und der Koali- gibt. Die Ankündigungen der Opposition lesen sich tionsfraktionen mit marktwirtschaftlichen Mitteln wie eine Speisekarte ohne Preise. begegnet werden. (Achim Großmann [SPD]: Bringen Sie mal Uns war klar, daß Abhilfe nur durch eine Angebots- lieber den Amigo-Sumpf in Ordnung!) ausweitung erfolgen konnte, nach dem Motto: Wenn Wohnungen fehlen, müssen Wohnungen gebaut wer- Meine Damen und Herren, insgesamt ist die Ent- den. wicklung hoffnungsvoll. Deswegen ist es eigentlich auch nicht verwunderlich, daß Wohnungsbau und (Achim Großmann [SPD]: Darauf wäre sonst Mieten von unserer Bevölkerung akzeptiert werden, keiner gekommen!) daß es nicht mehr das große, drängende Problem zu Uns war ferner klar, daß wir dafür p rivate Investoren sein scheint. Ich sage Ihnen jetzt schon voraus: Für brauchten und deshalb die Rahmenbedingungen für 20376 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Dr. Walter Hitschler sie so gestaltet werden mußten, daß sie nicht vom Wohnungsbau durch mehr Subventionen, Einstellung Bauen abgeschreckt, sondern zum Bauen ermuntert der Privatisierung im Osten und eine wenig wirksame wurden. Wohnungseigentumsförderung. Gegen die Ratschläge des Bundesrates und die (Achim Großmann [SPD]: Von den sechs versammelte Opposition, die mehr auf eine gesetzli- Punkten waren vier nicht richtig!) che Mietendämpfung und weitere Maßnahmen staat- licher Wohnungsverwaltung setzten, haben wir eine Deshalb sind Sie, meine sehr verehrten Damen und marktwirtschaftlich orientierte Linie dadurch gehal- Herren von der SPD, auch in der Wohnungspolitik für ten, daß wir den Marktkräften Entfaltungsmöglichkei- uns nicht der richtige Partner. ten einräumten und sie durch ein wohnungspoliti- - (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) sches Programm unterstützten. Der von der Bundesregierung vorgelegte Mieten- (Achim Großmann [SPD]: Sie haben die Kap bericht verdeutlicht, daß die Spitze der Mietsteige- pungsgrenze gesenkt!) rungsentwicklung durch die Angebotserweiterung Wir haben dabei Mietsteigerungen in Kauf nehmen gebrochen ist. Eine Beruhigung in der Mietenent- müssen. In der Tat sind sie 1992 erstmals sogar stärker wicklung zeichnet sich ab. Auch wenn die Mieten als die verfügbaren Einkommen gestiegen. Dafür vielen unserer Mitbürger subjektiv als sehr hoch waren acht Jahre hintereinander die Realeinkommen erscheinen, liegen wir im europäischen Vergleich stärker gestiegen als die Mieten. Die Mietenentwick- ziemlich am Ende. lung hat ihrerseits natürlich wiederum die Wohnungs- Über viele Jahre sind die Mieten im Bestand hinter bauinvestitionen beflügelt, weil sich positive Rendite der Kosten- und Einkommensentwicklung zurückge- perspektiven abzeichneten und ein günstiger Zins blieben. Dies führte dann bei Wiedervermietung zu diese Entwicklung begleitete. erheblichen Mietsprüngen. Die F.D.P.-Fraktion plä- Stetig wachsende Baufertigstellungen sowohl in diert daher für ein einfaches Mieterhöhungsverfah- Eigentumsmaßnahmen als auch im Mietwohnungs- ren, das Mieterhöhungen an der Entwicklung der bau konnten verzeichnet werden; in diesem Jahr gibt Lebenshaltungskosten orientiert. es wiederum einen neuen Rekord. Im Westen boomt Das Wohnen kostet viel Geld. Billigen Wohnraum der Wohnungsbau, der Osten ist die größte Baustelle kann niemand herbeizaubern. Das Verständnis, für der Welt. ein so grundlegendes Gut wie die Wohnung, die für Wer eine echte und dauerhafte Mietpreisdämpfung jeden Haushalt wichtiger ist als das Auto, einen wirklich will, kommt an der Erkenntnis nicht vorbei, angemessenen Preis zahlen zu müssen, daß hier zumindest ein in Angebot und Nachfrage (Achim Großmann [SPD]: Bei Luxusmieten ausgeglichener Markt erforderlich ist. Nur über ein geht das nicht!) zusätzliches Wohnraumangebot kann deshalb wirk- samer Druck auf die Mieten entfaltet werden. Dies ist muß in unserer Bevölkerung noch wachsen. das Erfolgsrezept der Marktwirtschaft, dieser Woh- Mit Entschiedenheit weisen wir die törichte Forde- nungspolitik und dieser Bauministerin. rung der PDS nach einem Mietenmoratorium zurück. Gesetzliche Reglementierung hilft nicht, das Pro- Dieser Vorschlag stammt aus einem alten und klapp- blem steigender Mieten zu lösen, weil erfahrungsge- rigen Arzneimittelschränkchen, und die Medizin hat mäß Vermieter und Mieter findiger sind als jedes das Verfalldatum weit überschritten. Angesichts des Gesetz und sich Wege an ihm vorbei auf grauen und wohnungspolitischen Erbes, das wir von einer Woh- schwarzen Märkten suchen. nungswirtschaft, die sich unter einem jahrelangen Moratorium dieser Art desaströs entwickelt hat, über- Sich nicht durch populistische Anfechtungen beir- nommen haben, ist es schon eine nicht mehr zumut- ren zu lassen, auch einmal kurzfristig unangenehme bare intellektuelle Unredlichkeit, uns überhaupt Entwicklungen in Kauf zu nehmen und durchzuste- einen solchen Vorschlag zu präsentieren. Damit, Herr hen: Das macht den Unterschied unserer Konzeptio- Gysi, nen aus. Ihr Kanzlerkandidat erwies sich in einer Anzeige zur Wohnungspolitik in der Bildzeitung vor (Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE 14 Tagen unter der Überschrift „Lieber Rudolf Schar- GRÜNEN]: Sie sollten Ihre Rede auf anwe ping . . ." als Rudi Ratlos. Außer dem Einsatz zusätz- sende Personen aktualisieren!) licher Subventionen ist ihm wenig Plausibles eingefal- können Sie in der Tat nur noch bei solchen Zeitgenos- len. sen reüssieren, die geistig einige Jahre zurückgeblie- (Achim Großmann [SPD]: Lesen Sie doch ben sind, in einem System verhaftet sind, das seine einmal vor! Das würde uns ja alle interessie Unfähigkeit bereits testiert bekommen hat. ren! Es steht etwas von Eigentum drin!) Bedenklich ist dagegen — der Kollege Raidel hat Das mag verzeihlich sein: Er ist noch jung, noch bereits darauf hingewiesen — die Entwicklung der unerfahren und noch nicht ganz so weise. Vielleicht kommunalen Gebühren. Ich will darauf nicht näher sollte er in Rheinland-Pfalz in der Tat noch ein bißchen eingehen, um Wiederholungen zu vermeiden. mit den „überflüssigen Liberalen" üben. Die Grundmiete in den neuen Bundesländern liegt Was wäre von der Opposition zu erwarten, könnte gegenwärtig bei 4,60 DM pro Quadratmeter Wohnflä- sie die Wohnungspolitik bestimmen? Eine unwirk- che plus Modernisierungszuschläge, die sich bei same gesetzliche Mietenregulierung, höhere Be- durchschnittlich 1,30 DM bewegen, in der Regel steuerung des Grundvermögens, mehr öffentlicher 2,12 DM nicht übersteigen — gegenüber einer Grund- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20377

Dr. Walter Hitschler miete von 9 DM in den alten Bundesländern. Ange- Der Bund hat die Schuldenübernahme an eine sichts der Einkommen, die stärker als die Mieten Privatisierungspflicht geknüpft, wonach 15 % der gestiegen sind, ist dies auch im Osten eine vertretbare Wohnungen in einem Zeitraum von zehn Jahren Wohnkostenbelastung. vorrangig an die Mieter verkauft werden sollen, um die außerordentlich niedrige Wohneigentumsquote (Dr. Ilja Seifert [PDS/Linke Liste]: Aber Herr von 25 % in den neuen Ländern anzuheben. Hitschler!) Die Privatisierung kommt in Schwung. Die Unter- Die Entwicklung der Wohnkosten wird in der Bun- nehmen erkennen, daß sie sich auf diese Weise desrepublik durch das Wohngeld abgefedert. Das Eigenkapital beschaffen können, urn den verbleiben- Wohngeld soll es einkommensschwächeren Haushal- - den Bestand zu sanieren. Die Modellversuche waren ten ermöglichen, die Wohnkosten in erträglichen erfolgreich. Die Privatisierung wird zum Selbstläufer, Grenzen zu halten. Dies ist auf Grund der großen vorausgesetzt, sie wird ordentlich vorbereitet, die Anstrengungen — Bund und Länder zahlen insgesamt Mieter werden gut beraten, und vor allem, der Kauf- 6,8 Milliarden DM für das Wohngeld — insgesamt preis wird sozialverträglich gestaltet. gelungen. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne Das Wohngeld erfüllt seinen gesetzlichen Zweck: In ten der CDU/CSU) den alten Ländern wird die Belastung von 34,4 % des Die Sozialdemokraten haben ihrerseits die Ver- Einkommens durch das Wohngeld auf 25 % gesenkt, knüpfung dieser Privatisierungsauflage mit der Schul- in den neuen Ländern von 30 % auf 19,9 %. Wer denübernahme als einen Anschlag auf die demokra- behauptet, daß eine durchschnittliche Wohnkosten- tisch legitimierte Wohnungswirtschaft bezeichnet und belastung von 19,9 % vom Einkommen eine zu hohe den Ausverkauf des Ostens an die Wand gemalt. Das Belastung ist, der lebt offensichtlich auf einem frem- entspricht wohl ihrem Verständnis von Wohneigen- den Stern. tumsförderung: Lippenbekenntnisse. Wenn es darauf (Achim Großmann [SPD]: 40 % und mehr bei ankommt, flüchten sie in die Büsche. denen, die Einkommen unter 1 000 DM (Angelika Barbe [SPD]: Die können doch gar haben!) nicht kaufen!) Da das Wohngeld immer nur bef ristet gewährt, also Einige kommunale Wohnungsbaugesellschaften stets erneut auf seine Berechtigung überprüft wird, erweisen sich als wahre staatlich legitimierte Immobi- erscheint es uns als ein besonders soziales, treffsiche- lienhaie; denn sie verlangen aus unterschiedlicher res und gerechtes Instrument der Wohnungspolitik. Motivation teils so unverschämt überzogene Preise, daß man von amtlicher Spekula tion sprechen muß, um (Achim Großmann [SPD]: Es trifft immer die diese unglaubliche Übervorteilung der Mieter zu Kleinen!) charakterisieren. Wir müssen in der Tat die Novellierung ins Auge (Dr. Ilja Seifert [PDS/Linke Liste]: Richtig!) fassen; zu Beginn der nächsten Legislaturperiode In der Regel werden solche Praktiken von Leuten werden wir nicht umhin kommen, eine solche durch- gehandhabt, die sich ansonsten mit der Beifügung zuführen. „sozial" oder „sozialistisch „ schmücken. Politisch (Achim Großmann [SPD]: Sie nicht!) werden sie von der PDS und Teilen der SPD gestützt, die Verunsicherungs- und Desinformationskampa- Der Bund hat mit dem Altschuldenhilfe-Gesetz in gnen inszenieren. einem unglaublichen Kraftakt von den Wohnungs- baugesellschaften eine Kreditbelastung in Höhe von (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) 31 Milliarden DM übernommen. Diese großzügige Wir jedenfalls legen großen Wert darauf, daß die Regelung ermöglichte eine verträgliche Mietpreisge- private Wohneigentumsbildung für breite Schichten staltung in der Ersten und Zweiten Grundmietenver- unserer Mitbürger im Osten fortgesetzt wird. So ordnung. Nach Ablauf des Morato riums verbleibt eine preiswert und günstig wie jetzt wird Wohneigentum geringfügige Kapitalkostenbelastung der Miete. Nur nie wieder zu haben sein. etwa 1 DM Kapitalkosten von den Altschulden lastet (Angelika Barbe [SPD]: Bloß für den, der dann auf 1 qm Wohnfläche und muß aus der Miete finanziert werden. Steuern zahlen kann!) Wir sind dem Unterausschuß für den Bericht über (Zuruf des Abg. Dr. Ilja Seife rt [PDS/Linke die Probleme, die sich dabei in der Praxis auftun, Liste]) außerordentlich dankbar. Wir werden diesen Be richt — Jawohl, „nur". Wenn Sie sich vielleicht einmal dringend fortschreiben müssen und die Privatisie- darüber orientieren würden, was die Mieter im rungsbemühungen sorgfältig auch weiterhin vor Ort Westen an Kapitalkosten über die Miete zu tragen beobachten. haben, würden Sie nicht so töricht daherreden. Im großen und ganzen aber, glaube ich, darf m an an konstatieren, daß die Bereitschaft zur Mitwirkung Erst diese Schuldenübernahme hat der Wohnungs- sozialverträglichen Lösungen bei den kommunalen wirtschaft die Chance eingeräumt, einen größeren Anteil der Mieteinnahmen für Instandsetzungen Wohnungsbaugesellschaften und auch bei den Woh- abzuzweigen. Sie hat darüber hinaus den Weg für nungsgenossenschaften wächst, neue Belastungen zugunsten der überfälligen Moder- (Angelika Barbe [SPD]: Bei denen bleibt nisierung der Wohnungsbestände geebnet. doch gar nichts übrig!) 20378 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Dr. Walter Hitschler vor allen Dingen auch deshalb, weil jetzt mehr und zung unter anderem durch Ihren Kollegen Staatsse- mehr erkannt wird, daß der Gesetzgeber nicht bereit kretär Günther gebracht worden sind. ist, diese Auflagen zu lockern. Ich habe die Zeit genutzt und in Leipzig nachge- Die Baugenossenschaften haben sowohl in den fragt, ob das Beispiel von Herrn Günther stimmt. Es alten wie in den neuen Ländern einen unstreitig stimmt nicht. Es sind zwei Villen aus der Gründerzeit wichtigen Platz in der Wohnungswirtschaft. Sie kön- ausgeschrieben und zum Höchstangebot verkauft nen auf eine bedeutsame Tradition und Geschichte worden. Der Geschäftsführer der Wohnungsbauge- zurückblicken. Sie tragen mit ihrem Engagement zur sellschaft hat diesen B rief auch an die Mieter geschrie- Beruhigung an den Wohnungsmärkten bei, weil sie ben und ihnen mitgeteilt, sie könnten in das Höchst- ihren Genossenschaftsmitgliedern durch ein Dauer- - gebot einsteigen. Der Geschäftsführer ist bereits auf- wohnrecht Sicherheit bieten. Die Baugenossenschaf- gefordert worden, diesen B rief zurückzuziehen. Dies ten verdienen Unterstützung, die ihnen auch auf ist nicht erst gestern geschehen, sondern schon vor- vielfältige Weise gewährt wird. her, weil das mit dem Vorstand und mit dem Aufsichts- Inwieweit die Genossen selbst eine den Steuervor- rat nicht abgestimmt war. teilen beim selbstgenutzten Wohneigentum ver- Also, ich bitte Sie, wenn Sie andere Beispiele haben, gleichbare Förderung erhalten sollen — wie dies dann poltern Sie nicht global über irgendwelche begehrt wird —, ist ein schwieriges steuerrechtliches Kommunen. Vorher haben Sie noch gesagt, die Woh- Problem; denn Genossenschaftseigentum ist eine nungswirtschaft müsse Eigenkapital bekommen. andere Art von Eigentum. Der Genosse erhält mit Gucken Sie sich erst die Bilanzen an, wie die Summen seiner Einlage zwar einen Rechtsanspruch, aber es ist zustande kommen, und kritisieren Sie dann, aber bitte vergleichsweise Gesellschafts- oder Anteilseigentum. mit Nennung von Roß und Reiter. Machen Sie hier Er hat keinen Anspruch auf eine bestimmbare, beleih kein Horrorszenario und erschrecken dann unter bare Wohnung. Wollte m an ihm einen vergleichbaren Umständen noch selber über das, was Sie an Falschem Steuervorteil nach § 10 e verschaffen, ergäben sich gesagt haben. erhebliche steuerliche Abgrenzungsprobleme, wes- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) halb diese Frage sehr sorgfältig geprüft werden muß. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Ich erteile Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr zur Erwiderung dem Abgeordneten Dr. Walter Dr. Hitschler, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unter- Hitschler das Wort. breche. Sie haben Ihre Redezeit auch unter Berück- sichtigung der nicht verbrauchten Redezeit des Kolle- Dr. Walter Hitschler (F.D.P.): Herr Kollege Groß- gen Sohns überschritten. mann, ich beziehe mich keineswegs auf das von Ihnen zitierte Beispiel. Das habe ich in der gestrigen Aus- Dr. Walter Hitschler (F.D.P.): Gut, dann darf ich den schußsitzung überhaupt nicht mitbekommen. Ich letzten Satz sagen und einen Sozialdemokraten zitie- beziehe mich u. a. auf das Beispiel aus der Stadt ren. Herr Bauer schreibt in der „Wohnungswirt- Potsdam, das wir gestern im Ausschuß erörtert schaft": haben. Die von Erfolg gekrönte Reform des sozialen (Achim Großmann [SPD]: Das stimmt auch Wohnungsbaus hebt Frau Dr. Schwaetzer aus der nicht!) Reihe der Bauminister des zurückliegenden Jahr- Dort werden Eigentumswohnungen zum Preise von zehnts deutlich und ausgesprochen positiv her- über 3 000 DM pro Quadratmeter Wohnfläche ver- vor. Es ist wohl kein Fehler, ihr deshalb auch von kauft. Sie wissen alle, daß in den normalen Platten- hier aus für ihre politische Zukunft alles Gute zu bauten sanierter Wohnraum zu Preisen zwischen wünschen. 1 200 DM und 1 500 DM von den Wohnungsbauge- Ich schließe mich diesen guten Wünschen an. sellschaften und Genossenschaften ohne weiteres (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne verkauft werden kann und daß dann Übernahmen ten der CDU/CSU) durch die Mieter auch völlig problemlos laufen, daß die Mieter dabei nicht übervorteilt werden. Die Kom- munen, die diese Wohnungen durch den Einigungs- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Um eine vertrag kostenlos bekommen haben, damit also in das Kurzintervention hat der Abgeordnete Achim Groß- Eigentum eines riesigen Vermögens gekommen sind, mann gebeten. Ich erteile ihm das Wort. wollen sich jetzt über den Verkauf zu hohen Preisen an die Mieter Kapital verschaffen. Das sehen wir nicht Achim Großmann (SPD): Herr Kollege Hitschler, ich ein. Wir haben im Einigungsvertrag festgelegt, daß weiß, im Parlament muß man hin und wieder eine diese Wohnungen zu sozial verträglichen Preisen an scharfe Zunge schwingen. Deshalb ist vieles zu akzep- die Mieter zu verkaufen sind. Wir wollen, daß sich die tieren, was Sie gesagt haben, auch wenn es polemisch Kommunen und ihre Gesellschaften an diese Ver- überzeichnet ist. pflichtung des Einigungsvertrages halten. Zum Schluß haben Sie das Verhalten einiger Städte Das setzt voraus, daß bei den Wohnungen eben bzw. Wohnungsbaugesellschaften angegriffen, ohne keine Mondpreise gebildet werden, wie wir das nicht Namen zu nennen, und zwar in einer sehr verletzen- nur in einem Fall, Herr Großmann — das wissen Sie den Art und Weise. Ich nehme an, Sie beziehen sich selbst —, sondern in vielen Fällen drüben erleben auf Beispiele, die in der gestrigen Bauausschußsit- müssen, wohl um abschreckend zu wirken und die Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20379

Dr. Walter Hitschler Privatisierung gar nicht erst zustande kommen zu Mieter kaufen wollten, das zu seriösen Bedingungen lassen. und zu anständigen Preisen gemacht werden soll. Sie (Achim Großmann [SPD]: Das stimmt nicht! können mir und meinen Kolleginnen und Kollegen Gucken Sie sich die Bilanzvorschriften an, nicht vorwerfen, solche unse riösen Dinge überhaupt dann werden Sie das zurücknehmen müs zu fördern. sen!) Ich sage bei dieser Gelegenheit gleich noch dazu: Das ist nämlich der Zweck der Übung. Man will auf Wir sind diejenigen, die am schärfsten dagegen auf- den Wohnungen sitzenbleiben, weil man weiß, daß treten, daß die kommunalen Vereinigungen, z. B. in man sie später zu noch wesentlich höheren Preisen Sachsen, durch Abwasserregelungen den Leuten ihr Eigenheim wegnehmen. Das ist eine Enteignung verkaufen kann und dabei auf Kosten des Steuerzah- - lers und der Mieter, die in diesen Wohnungen woh- durchs Abwasserrohr. Das kann nicht sein, das darf nen, ein schönes Geschäft macht. nicht sein. Wir sind dafür, daß die Menschen in ihren Häusern bleiben können. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU) Vielen Dank, Herr Präsident. (Lisa Peters [F.D.P.]: Sie meinen die Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Nach § 30 Anschlußkosten?) unserer Geschäftsordnung erteile ich dem Abgeord- neten Günther das Wort. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Wenn Dr. Hitschler nicht von seinem Recht, darauf zu Joachim Günther (Plauen) (F.D.P.): Herr Kollege antworten, Gebrauch macht, was offensichtlich der Großmann, ich glaube, was Sie hier geboten haben, ist Fall ist, erteile ich dem Abgeordneten Rolf Rau das wieder das typische Beispiel der Leipziger Woh- Wort. nungs- und Baugesellschaft. Da weiß die rechte Hand nicht, was die linke tut. Das Beispiel, das ich Ihnen gestern im Ausschuß dargestellt habe, ist durch Mieter Rolf Rau (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! direkt an uns, an das Bauministerium, herangetragen Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem und in der LVZ veröffentlicht worden. Es handelt sich wir am gestrigen Tag den Bericht des Unterausschus- dabei eindeutig um zwei Blöcke in der Plattenbau- ses „Privatisierung des Wohnungsbestandes in den weise, also nicht Villen aus der Gründerzeit. Die LWB neuen Ländern" im Ausschuß für Raumordnung, weiß wahrscheinlich selbst nicht mehr, was sie ver- Bauwesen und Städtebau mit nur einer Stimme Ent- waltet, was sie verkauft und zu welchem Preis sie haltung zustimmend zur Kenntnis genommen haben, verkauft. Das ist der Grund, daß man vor der Mieter- möchte ich hier die Gelegenheit wahrnehmen, mich privatisierung zurückschreckt, und wir wissen ja, wer bei den Mitgliedern des Unterausschusses und den in der Stadt Leipzig dafür die Verantwortung trägt. Mitarbeitern des Sekreta riats sowie den zuständigen Ministerien für die gute, umfangreiche und solide (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der Arbeit herzlich zu bedanken. CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Zu einer Daß auch in der Nähe von Wahlen eine sachliche Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Zusammenarbeit möglich war, zeugt von dem Verant- Dr. Ilja Seifert das Wo rt. wortungsbewußtsein der Kollegen. Ich glaube das sollte man an dieser Stelle auch erwähnen. Dr. Ilja Seifert (PDS/Linke Liste): Vielen Dank, Herr Daß wir vom 27. Oktober 1993 bis zum 15. Juni 1994 Präsident. Ich beziehe mich auch auf den Redebeitrag allein 17 Beratungen und Bereisungen durchgeführt von Herrn Kollegen Dr. Hitschler und auf das, was er haben, unterstreicht die Arbeitsleistung. Ich möchte jetzt gerade noch einmal über den Potsdamer hervorheben, daß es uns gelungen ist, von J anuar bis GeWoBa gesagt hat, was gestern im Ausschuß für eine Mai diesen Jahres alle neuen Bundesländer zu besu- Rolle spielte. chen und dort vor Ort Gespräche zu führen, um Auch ich habe mir erlaubt, mich inzwischen zu Hintergründe zu erkennen, sich an Gelungenem zu erkundigen. Es ist einfach nicht wahr, was der Kollege erfreuen und Probleme zu erfassen. Kansy gestern dort mitgeteilt hat. Ich darf Sie aufklä- (Siegfried Scheffler [SPD]: Bloß werden nicht ren: Die Geschäftsführer der GeWoBa sind einmal die richtigen Konsequenzen gezogen!) Herr Schmoll, der selbstverständlich aus dem Westen Es ist unbestritten, daß überall dort, wo von den kommt, dann der parteilose Herr Henze. Im Aufsichts- Kommunen — möglichst auch von den Bürgermei- rat ist der Vorsitzende Herr Kaminski, SPD-Stadtrat stern — den Gesellschaften und Genossenschaften bzw. Beigeordneter. Mitglied des Aufsichtsrates ist der Wille und die Aktivitäten ausgegangen sind, Herr Jäger, CDU, ehemaliger Stadtrat. positive Ergebnisse erzielt wurden. Das heißt nicht, Die Forderung der PDS in Potsdam ist seit Jahr und daß es problemlos geht. Vielmehr sind in zahlreichen Tag, mehr Transparenz in die Tätigkeit der GeWoBa Fällen etliche Mietergespräche erforderlich gewesen. z. B. durch die Wahl von zwei Stadtverordneten in den Dazu kommt die Koordinierung der Handwerker Aufsichtsrat zu bekommen. Nur soviel zu der diffamie- besonders in bewohnten Räumen, die Gestaltung der renden Äußerung, daß immer Sozialisten diejenigen Finanzierung. Aber auch Hindernisse sind aus dem sind, die überhöhte Preise nehmen. Weg zu räumen, die sich aus noch nicht bereinigten Ich sage Ihnen hier zum hundertsten Male: Ich bin Grundbüchern oder aber aus Restitutionsbehaftungen immer dafür gewesen, daß, wenn Mieterinnen und ergeben haben. Insofern gilt auch an dieser Stelle 20380 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Rolf Rau mein Dank all denjenigen, die das Altschuldenhilfe- Die zweite Seite ist, daß durch die Zinshilfen bis Gesetz richtig erfaßt und mit Leben erfüllt haben. zum 30. Juni 1995 die Mieten nicht zusätzlich bean- sprucht werden. So ist ja auch durch unsere Besuche Mein Dank gilt aber auch der Kreditanstalt für bei der KfW bekannt, daß nur die Hälfte der Gesell- Wiederaufbau, der Treuhandliegenschaft, dem Ge- schaften und Genossenschaften die Altschuldenhilfe samtverband der Wohnungswirtschaft, dem Mieter- beantragt hat. Alle anderen nutzen in ihren Anträgen bund, dem Bund der Haus-, Wohnungs- und Grundei- nur die Zinshilfeunterstützung. Ich finde das gut so. gentümer und allen, die uns geholfen haben, ein- schließlich den Mitgliedern des Lenkungsausschus- Meine sehr verehrten Damen und Herren, nachdem ses. Die dort gesammelten Informationen und Erfah- wir bereits am 21. April zu diesem Thema hier in rungen rundeten unser Bild ab. - diesem Hohen Hause gesprochen haben, möchte ich mich nicht wiederholen, sondern nur stichwortartig Jetzt möchte ich auf das zurückgreifen, was wir jetzt einiges in Erinnerung rufen. Es ist richtig, daß der noch am Rande debattiert haben: Daß man mit Preisen durch Bund und Länder besetzte Lenkungsausschuß und mit Hindernissen die Mieter erschrecken oder gar mehr Möglichkeiten hat, als er im Moment ausschöpft. Käufe verhindern kann, wird natürlich deutlich, wenn Das heißt für mich — das ist auch meine Begrün- man die Größenordnung von 3 000 DM im Rahmen bei dung —, daß wir nicht sofort nach Gesetzesänderung nur im Gemeinschaftseigentum sanierten Wohnun- rufen, sondern daß wir die Hebel, die wir in der H and gen, wie bei der GeWoBa in Potsdam unter dem haben, voll nutzen sollten. Bürgermeister Gramlich, erleben muß. Ich glaube, das Ich erwarte z. B. vom Lenkungsausschuß in aller sollte man schon aufgreifen. kürzester Frist, die Forderung des Unterausschusses Es gibt negative Beispiele, und an denen können umzusetzen, d. h. Klärung der Form und des Zeit- wir nicht vorbeigehen. Ich glaube, daß besonders punkts der Bilanzänderung im Zusammenhang mit auch in Leipzig unter dem Oberbürgermeister Leh- der Gewährung von Altschuldenhilfe und Privatisie- mann-Grube gerade die dort vorhandene Wohnungs- rung herbeizuführen oder die zügige Fortführung der gesellschaft so vieles falsch gemacht hat, daß man in Arbeiten zwischen den Wohnungswirtschaftsbetrie- Zukunft dort noch deutlicher herangehen muß. ben und der Deutschen Kreditbank zu begleiten oder die Einbindung des Mieterbundes als ordentliches Es zeigt sich auch, daß die Ideen jetzt da sind. Aber Mitglied in den Lenkungsausschuß vorzusehen, weil es sind in der Zwischenzeit vier Jahre vergangen. Die der Mieterbund ja die Be troffenen mit vertritt. Mieterprivatisierung ist bis zur Stunde fast Null. Ich gehe auch davon aus, daß bei weiterer Entwick- Insofern ist meiner Ansicht nach genau das, was wir im lung die Zusammenarbeit Bund/Länder über den Altschuldenhilfe-Gesetz erreichen wollten, nämlich Lenkungsausschuß als Steuerungs- und Beratungsor- die Mieterprivatisierung durchzusetzen, und unser gan ausgebaut werden kann. Die Erwartung in den politisches Ziel, den Bürgern in den neuen Bundeslän- Gesellschaften und Genossenschaften und in den dern bei der Privatisierung ihrer Wohnungen auch die Kommunen ist hier sehr stark, daß schnell und gerad- Möglichkeit einzuräumen, Kapital anzulegen — dies linig Entscheidungen gefällt werden. sollte vorrangig berücksichtigt werden —, nicht durchgesetzt. Es steht meiner Ansicht nach eindeutig Wenn der Bundeskanzler am 9. Mai 1994 auf in der Verantwortung der dort vorhandenen Genos- Anfrage von Herrn Steinert im Spitzengespräch mit senschaften und Gesellschaften, daß die Bürger mit Wirtschaft und Gewerkschaften die Prüfung zu Fra- den relativ wenigen Möglichkeiten, die sie haben, gen der Gestaltung des Erblastentilgungsfonds im eine praktikable Lösung für die Sicherung ihrer Woh- Rahmen der Wohnungsbauprivatisierung zugesagt nung erreichen können. hat, so sind wir mit unserer Entschließung, die wir heute vorlegen, auf die Schwerpunkte, die wir auch im Insofern möchte ich hervorheben: Wenn beispiels- Unterausschuß festgestellt haben, eingegangen. weise der Innenminister des Freistaates Sachsen, Herr (Dr. Ulrich Janzen [SPD]: Das reicht noch Eggert, bereits 1992 in einer Verwaltungsvorschrift nicht!) das Privatisierungsprogramm so unterstützt, daß maximal 350 DM pro Quadratmeter Wohnfläche als Es muß geprüft werden, Kollege Janzen, inwiefern Kaufwert angesetzt werden sollten, dann zeigt sich, das Altschuldenhilfe-Gesetz in seiner Entwicklung daß hier auf Grund eines hohen Verantwortungsbe- mieternahe und mieterfreundliche Formen der Veräu- wußtseins mieterfreundliche Privatisierungschancen ßerung zusätzlich zur Erfüllung der gesetzlichen Auf- gegeben sind. lage zuläßt. Da muß man ganz deutlich sagen: Das erfordert keine Gesetzesänderung, Herr Schulz ist gerade hinausgegangen, aber ich (Zuruf von der SPD: Doch!) möchte das trotzdem noch nachreichen: Wenn wir beispielsweise durch Förderprogramme belegen kön- sondern ist erst einmal im Rahmen des Gesetzes nen, daß 44 000 Mieter ihre Wohnungen modernisiert möglich. und am Ende gekauft haben, so ist das meiner Ansicht Wir wollen von der Bundesregierung einen Be richt nach, bezogen auf die ersten Ergebnisse, ein guter haben, der die Staffelung der Erlösabführung unter- Anstieg, der sich sehen lassen kann. sucht und auch die Gründung von Genossenschaften Es sollte dabei auch klar sein: Mit dem Altschulden- unter Darlegung der Vor- und Nachteile behandelt, und wir möchten, daß die Eigentumsbildung durch hilfe-Gesetz sichern wir durch Milliardenbeträge des Bundes Investitionen in den neuen Bundesländern, Nutzung von Fondslösungen geprüft wird. und das ist gleichzeitig Arbeit für viele. (Vorsitz: Vizepräsident Hans Klein) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20381

Rolf Rau Wenn wir im Rahmen der Koalition vereinbart Ich glaube, daß wir dieses Problem jetzt endlich vom haben, den 30. Juni des nächsten Jahres anzuvisieren, Tisch haben. so sage ich aus meinem persönlichen Empfinden (Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Welchem heraus: Dies ist mir zu spät. Ich bin davon überzeugt, Mieter ist das angeboten worden? — Dr. Wal daß ein Termin, der zum Jahreswechsel 1994/95 ter Hitschler [F.D.P.]: Würden Sie abwarten, liegen sollte, den Realitäten eher entspricht, noch bis das schriftliche Angebot vorliegt? — dazu, wo dann im Rahmen der Abführungen zum Achim Großmann [SPD]: Tauschen wir mit Erblastentilgungsfonds Entscheidungsspielräume ge- berittenen Boten aus!) geben sind, die sich zu einem späteren Zeitpunkt — Darüber können wir nachher noch einmal reden. einengen. - Um auch den Interessenten der Fondslösung hilf- Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten reich unter die Arme zu greifen: Ich sehe die Zulas- möchten die heutige Debatte noch einmal zum Anlaß sung zum Jahresende als erforderlich an und rufe in nehmen, die Notwendigkeit der Förderung des genos- Erinnerung, daß die Lukrativität im Rahmen der senschaftlichen Wohnungsbaus hervorzuheben. Modernisierung in den neuen Bundesländern da- (Dr. Ilja Seifert [PDS/Linke Liste]: Sehr gut!) durch unterstrichen wird, daß die Sonderabschrei- bung noch zwei Jahre wirksam ist. 50 % Sonderab- Ich glaube, daß uns die Überzeugung der Abgeordne- schreibung sind ein Investitionsanschub, im Rahmen ten der Regierungskoalition im Ausschuß für Raum- der Modernisierung aber auch eine Unterstützung zur ordnung, Bauwesen und Städtebau inzwischen weit- günstigen Mietpreisbildung. gehend gelungen ist. Sie, meine Damen und Herren, müssen jetzt nur noch Ihre Frak tionen und die Regie- Ich bin überzeugt, daß die in den Unterlagen rung überzeugen. mehrfach festgehaltenen guten Beispiele Schule machen und daß wir mit Beweglichkeit und sachlicher Wie richtig und wichtig unser Antrag ist, hat die Unterstützung gerade im Bereich der Wohnungspoli- Sachverständigenanhörung am 18. Mai 1994 deutlich tik auf einem soliden Fundament stehen. Bis hier die gemacht. Aber dies ist ja häufig so mit sozialdemokra- Erfolge durchgängig erkennbar sind, wird noch einige tischen Vorschlägen. In der Wohnungspolitik wären Zeit ins Land gehen. Der eingeschlagene Weg ist in wir ein gutes Stück weiter, wenn Sie auf uns hören den neuen Bundesländern jedoch für alle sichtbar. Es würden. geht mit der Sanierung, der Modernisierung, der (Beifall bei der SPD) Privatisierung, aber auch mit dem Wohnungsneubau Es ist unsere Absicht, durch die steuerliche Förde- voran. Mehr Wohnungen heißt auch weniger Angst rung von Sondergeschäftsanteilen der Mitglieder von um Wohnungen, heißt auch niedrigere Preise und ist Genossenschaften privates Kapital in den Wohnungs- ein wirtschaftlich wichtiges Argument. Die Wertschät- bau zu lenken. Es muß dann aber auch so behandelt zung des Gutes Wohnung wird von uns hochgehalten, werden wie eingebrachtes Kapital im individuellen und wir lassen sie nicht kleinreden. Wohneigentum. Es gibt schon Anlaß zum Nachden- Vielen Dank. ken, wenn ein Vorstandsmitglied einer großen Genos- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) senschaft erklärt, seit 1984 habe sich die Genossen- schaft aus dem sozialen Wohnungsbau völlig zurück- gezogen, weil die veränderten Bedingungen der För- Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Dieter derung mit den Prinzipien einer Genossenschaft nicht Maaß, Sie haben das Wort. mehr vereinbar seien. Die Probleme am Wohnungsmarkt können nur Dieter Maaß (Herne) (SPD): Herr Präsident! Meine gelöst werden, wenn man die mittleren Einkommens- Damen und Herren! Ich möchte, bevor ich zu meinen schichten einbezieht. Sie werden zur Zeit nahezu Ausführungen komme, Ihnen, Herr Staatssekretär ausgegrenzt. Diese Familien haben weder im sozialen Günther, mit Ihrer Behauptung, daß die kommunale noch im frei finanzierten Wohnungsbau eine Chance. Wohnungsgenossenschaft in Leipzig nur zu Höchst- Der genossenschaftliche Wohnungsbau könnte die- preisen verkauft, entgegentreten. Ich bin im Namen sem Personenkreis die Möglichkeit bieten, Sonderge- der SPD-Ratsfraktion Leipzig gebeten worden, Ihnen schäftsanteile zu erwerben. Sie erwerben damit eine folgendes mitzuteilen: ausreichende Wohnungsversorgung, die besonders für Familien mit Kindern wichtig ist. Namens und im Auftrag des Oberbürgermeisters und der SPD-Fraktion der Stadt Leipzig teilen wir Die Genossenschaften gewährleisten nicht nur ein Ihnen mit, daß diese Behauptung jeder Grund- Recht auf Wohnungsversorgung, sondern auch ein lage entbehrt. Es existiert weder in mündlicher vererbbares Dauernutzungsrecht, das Sicherheit im noch in schriftlicher Form ein solches Ansinnen. Alter bietet. Es garantiert also nicht nur den Besitz, Im Gegenteil, es ist Gegenstand des beschlosse- sondern auch echtes Eigentum. nen wohnungspolitischen Konzeptes, daß Mieter Es war sehr beeindruckend, wie gerade Wissen- bei der Veräußerung kommunaler Wohnungen schaftler diese Bedeutung des genossenschaftlichen neben Selbstnutzern unbedingten Vorrang ha- Eigentums darstellten. Genossenschaftlich vermittel- ben. Die Verkaufspreise dürfen gerade auf tes Eigentum ist Eigentum im Sinne des Grundgeset- Antrag der SPD-Frak tion den Verkehrswert nicht zes wie anderes Eigentum auch, so Professor Walter übersteigen. Die Kaufpreisangebote liegen in Leisner, der an anderer Stelle hinzufügt: „Der vorlie- Leipzig einschließlich Sanierung des Gemein- gende Antrag ist näher an der Verfassung als der schaftseigentums bei ca. 1 650 DM/m2. gegenwärtige Rechtszustand." Das sollte doch auch 20382 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Dieter Maaß (Herne) denjenigen — vor allem in der F.D.P. — zu denken werden, für sich eine Wohnung oder ein Haus zu geben, die ihre Eigentumsgläubigkeit wie eine Mon- erwerben, gerade auch in Ballungsräumen. stranz vor sich hertragen. In diesem Zusammenhang noch einmal der Hin- (Beifall bei der SPD) weis: Der Mitbesitz an genossenschaftlichem Eigen- tum schließt das Recht ein, demokratisch über die Dr. Jäger von der Universität Münster bekräftigt in Geschäftspolitik der Genossenschaft mitzubestim- seinen Darlegungen: „Die Eigentumsbildung in der men. Es ist im besten Sinne ein gutes Stück Gemein- Genossenschaft gegenüber der Bildung individuellen wesen, das der zunehmenden und von allen Seiten Wohneigentums hat ungleich höhere gesellschaftspo- beklagten Tendenz einer egoistischen Gesellschaft litische Qualität, weil sie stets mitgliedergewidmet - begegnen kann. bleibt. Das Genossenschaftseigentum entzieht sich (Zuruf von der SPD: Sehr richtig!) jedweder Spekulation." Meine Damen und Herren, die Annahme des vor- (Zuruf von der SPD: Recht hat er, der liegenden Antrags wäre ein Beitrag dieses Parla- Mann!) ments, dem Genossenschaftsgedanken neuen Auf- Für mich sind solche Feststellungen anerkannter trieb zu geben. Die Zustimmung wäre auch ein Wissenschaftler der Beweis dafür, daß die Bundesre- deutliches Bekenntnis zu einer solidarischen Gesell- gierung dringend handeln muß. schaft. (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Unterstützen Sie, meine Damen und Herren aus den Liste) Koalitionsfraktionen, die Zielsetzungen unseres An- trags, die da lauten: steuerliche Förderung genossen- Zu einer Kurzinterven- schaftlichen Wohnens, um privates Kapital für den Vizepräsident Hans Klein: Wohnungsbau freizusetzen, und die Privatisierung tion Herr Kollege Dr. Walter Hitschler. der auf die Treuhandanstalt übergegangenen Werks- (Zuruf von der SPD: Wieviel Kurzinterventio wohnungen ehemaliger Staatsbetriebe in den neuen nen darf er in einer Debatte machen?) Bundesländern durch Übertragung an neu zu schaf- fende Wohnungsgenossenschaften. Hierzu gibt es Dr. Walter Hitschler (F.D.P.): Herr Kollege Maaß, ich bereits praktische Beispiele von genossenschaftlichen stimme Ihnen in der Bewertung der Genossenschaft Neugründungen, die in die Praxis umgesetzt worden und des Genossenschaftswesens ausdrücklich zu. Sie sind. haben in Ihrem Redebeitrag eben zum Ausdruck gebracht, daß die F.D.P.-Frak tion die Eigentumsphi- Die Anhörung hat ergänzend zu unserem Antrag losophie wie eine Monstranz vor sich hertrage. Ich ergeben: Die Auflage des Altschuldenhilfe-Gesetzes, möchte Ihnen bestätigen, daß mir dieses Bild, das Sie 15 % des genossenschaftlichen Wohnbestands zu pri- gezeichnet haben, außerordentlich gut gefallen hat, vatisieren, muß auch durch Ausgründung neuer und ich möchte Sie deshalb auffordern, sich an der Genossenschaften zu erfüllen sein. A lles andere käme politischen Prozession insbesondere durch die neuen einer Enteignung gleich. Eigentum darf nicht durch Bundesländer, was die Eigentumsbildung angeht, in erzwungenen Kauf ein zweites Mal privatisiert wer- Zukunft verstärkt zu beteiligen. den. (Achim Großmann [SPD]: Das machen wir, (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke aber durch praktische Politik!) Liste) Wir fordern deshalb nachdrücklich, diese Ausgrün- Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Maaß zur dungen zu ermöglichen, um das Eigentum der Genos- Erwiderung. senschaftsmitglieder zu schützen. Dies ist um so notwendiger, als die Bauministerin ihnen diesen Dieter Maaß (Herne) (SPD): Herr Dr. Hitschler, ich Schutz versagt. Sie setzt ausschließlich auf die indivi- warte immer noch darauf, daß Sie begreifen, daß duelle Privatisierung. Wir bieten mit unserem Antrag genossenschaftliches Eigentum dem individuellen dazu eine echte Alterna tive. Eigentum gleichzusetzen ist. Darum bitte ich Sie. Dann können Sie Ihre Monstranz tragen, soviel Sie Die Befragung der Sachverständigen hat auch erge- wollen, aber unsere dann bitte mit dazu. ben, daß steuersystematisch keine Probleme zu sehen sind. Bereits im Jahre 1987 ist die steuerliche Förde- (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke rung auf einen Sonderausgabenabzug umgestellt Liste) worden. Damit besteht durchaus die Möglichkeit, § 10e des Einkommensteuergesetzes im Sinne unse- Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat der Kollege res Antragsbegehrens zu ergänzen. Peter Götz. Ich weise in diesem Zusammenhang auf die prakti- Peter Götz (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kol- schen Vorschläge des Gesamtverbands der Woh- leginnen und Kollegen! Bevor wir jetzt über die Art nungswirtschaft hin, nach denen auch der Abzug von des Tragens der Monstranz weiter philosophieren, der Steuerschuld denkbar wäre. möchte ich die Diskussion zu dem heutigen Thema Die Förderung des genossenschaftlichen Wohnei- zurückführen. gentums ist zudem steuerpolitisch gerecht, eigen- Wir diskutieren heute erneut über die Wohnungs- tumsrechtlich geboten, wohnungspolitisch effizient — politik, und dies ist ohne Zweifel eine gute Gelegen- ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung der Wohnungs- heit — ob es Ihnen von der Opposition paßt oder not bei denen, die auch künftig nicht in der Lage sein nicht —, die positiven Ergebnisse unserer parlamen- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20383

Peter Götz tarischen Anstrengungen und den am Wohnungs- Dies gilt vor allem für die Einkommensteuer. Es reicht markt sichtbaren Erfolg dieser Bundesregierung deut- meines Erachtens nicht und ist auch zu kurz gesprun- lich zu machen. gen, Herr Kollege Maaß, wenn wir, wie schon so oft in der Vergangenheit, am komplizierten § 10e des Frau Ministerin Dr. Schwaetzer und meine Kollegen Einkommensteuergesetzes weiter herumbasteln. Wir von der Koalition sind vorhin im einzelnen darauf sollten den Mut zu einer grundlegenden Reform des eingegangen. Um Wiederholungen zu vermeiden, mit einer Fülle von Sonderregelungen gespickten aber auch, um Sie nicht unnötig zu provozieren, Einkommensteuerrechts in allen Bereichen haben, möchte ich nur soviel sagen: Auf die durch Fertigstel- nicht nur, aber auch beim Wohnungsbau. lungszahlen von Wohnungen nachgewiesene spür- bare können wir Ich persönlich würde es begrüßen, wenn es Entlastung des Wohnungsmarkts - stolz sein. gelänge, die Wohneigentumsförderung vom undurch- schaubar gewordenen Steuerrecht abzukoppeln (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie und auf völlig neue Beine zu stellen. Eine sozial sollten endlich damit aufhören, durch Miesmachen gerechte, familienpolitisch ausgewogene und unkom- den Menschen einreden zu wollen, wie schlecht alles plizierte direkte Förderung bringt mehr Transparenz, in Deutschland sei. entlastet die Finanzämter und hilft so vor allem den Bauwilligen. (Zuruf von der F.D.P.: Sehr richtig!) (Dieter Maaß [Herne] [SPD]: Wer regiert Daß die Bürgerinnen und Bürger diese Miesepeter denn eigentlich?) politik nicht als Alternative zur erfolgreichen Politik dieser Bundesregierung haben wollen, durften Sie am Drittens will ich einen weiteren Aspekt ansprechen, vergangenen Sonntag deutlich erfahren. mit dem wir uns intensiv auseinandergesetzt haben. Es ist die Förderung des genossenschaftlichen Woh- Sie werden es mit Ihrem noch so lauten Wahlkampf- nungsbaus. Meine Damen und Herren, liebe Kollegin- getöse, wie Sie es heute nachmittag hier in diesem nen und Kollegen, die Wohnungsbaugenossenschaf- Hohen Hause veranstaltet haben, auch nicht schaffen, ten haben vor allem in der Aufbauphase unseres aus Ihrer Angstkampagne und Ihrer Schwarzmalerei Landes Hervorragendes geleistet und damit einen politisches Kapital für den Oktober zu schlagen. wichtigen Beitrag zur Wohnungsversorgung erbracht. (Achim Großmann [SPD]: Langweilig! Kom Dafür sagen wir Dank. men Sie mal zum Thema!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Eines ist unstrittig, und trotzdem ist es notwendig, sowie bei Abgeordneten der SPD) immer wieder darauf hinzuweisen: daß gerade Sie, Wir unterstützen alle Bestrebungen, im Wege der Herr Großmann, mit Ihrem Gerede vorhin nicht dazu Selbsthilfe das genossenschaftliche Engagement im beigetragen haben, die politische Kultur zu verbes- Wohnungsbau zu stärken. Neben den Fördermöglich- sern. keiten beim Erwerb von Anteilen an Bau- und Woh- (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr!) nungsgenossenschaften nach dem Wohnungsbauprä- miengesetz und dem Fünften Vermögensbildungsge- Es ist unstrittig: Neue Herausforderungen, wie wir setz sollten wir durchaus ernsthaft prüfen, wie wir das sie in Deutschland in Ost und West in einer noch nie in unserer Gesellschaft vorhandene p rivate Kapital dagewesenen Drama tik und Geschwindigkeit erle- stärker als bisher in den Wohnungsbau im allgemei- ben, aber auch Zuwanderungen in Millionenhöhe nen, aber auch für den genossenschaftlichen Woh- machen neue Wege im Wohnungsbau erforderlich. nungsbau im besonderen gewinnen können. Wir können mit den Antworten, die gestern noch richtig waren, nicht alle Fragen von morgen lösen, und Wir können so — ich denke, das ist unstrittig — deshalb sind auch in der Wohnungspolitik Verände- einem Personenkreis, dem der Bau oder der Erwerb rungen notwendig. eines Familienheims oder einer Eigentumswohnung zu teuer ist, die Chance eröffnen, sein angespartes Erstens. Mit dem Wohnungsbauförderungsgesetz oder ererbtes Kapital oder auch einen Bausparvertrag 1994, das wir vor kurzem gemeinsam verabschiedet für eine langfristige Sicherung seiner Wohnung ein- haben, wurde der Einstieg in die Reform des sozialen zusetzen. Wohnungsbaus eingeleitet. Dabei darf es nicht blei- Wir wissen, daß es in Zukunft noch weniger als ben. Die Frau Ministerin hat es bereits erwähnt: Wir brauchen ein drittes Wohnungsbaugesetz, das auch heute möglich sein wird, die Herausforderungen am die Regelungen zum Bestand ref ormiert. Wohnungsmarkt durch überproportional hohe Sub- ventionen durch den Steuerzahler zu bewältigen. Die Zweitens. Der individuellen Wohneigentumsbil- Schaffung einer Sozialwohnung erfordert zwischen dung ist ein hoher gesellschafts-, ordnungs- und 250 000 und 300 000 DM Steuergelder aus öffentli- wohnungspolitischer Wert beizumessen. Wir brau- chen Haushalten. Allein diese Zahlen machen deut- chen dringend eine Reform des steuerbegünstigten lich, daß die Probleme am Wohnungsmarkt über den Wohnungsbaus. sozialen Wohnungsbau nicht lösbar sein werden. (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!) Es ist wahr: Wir brauchen auch weiterhin den sozialen Wohnungsbau, und zwar — wie vor kurzem Wir müssen unser Steuerrecht radikal vereinfachen. beschlossen — am Einkommen des Wohnungssu- (Zuruf von der F.D.P.: Sehr gut!) chenden orientiert. 20384 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Peter Götz Jedoch können mit dem gleichen finanziellen Ein- Mietenbericht — Drucksachen 12/7153 und satz des Steuerzahlers auf andere A rt und Weise, z. B. 12/7922 —vor. Wer stimmt für diese Beschlußempfeh- bei Eigentumsmaßnahmen, erheblich mehr Wohnun- lung? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der gen gefördert werden. Stimme? — Die Beschlußempfehlung ist angenom- (Achim Großmann [SPD]: Natürlich, aber men. nicht für Wenigverdienende! Das ist das Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- Problem!) ßungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache Eine der Möglichkeiten ist der genossenschaftliche 12/7939. Wer stimmt für diesen Entschließungs- Wohnungsbau. Darüber sind wir uns einig. Bisher ist antrag? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. der Erwerb von Genossenschaftsanteilen nicht in den- Anwendungsbereich der Steuervergünstigung einge- Wir kommen zur Beschlußempfehlung des Aus- zogen. Das scheiterte in der Vergangenheit immer schusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau wieder an der steuerlichen Systematik, aber auch zu dem Antrag der Fraktion der SPD zu einem daran, daß das genossenschaftliche Mitgliedsrecht Wechsel in der Wohnungspolitik — Drucksache nach geltendem Recht kein individuelles sachen 12/6598 —. Es handelt sich dabei um Punkt 12 c der echtliches Wohneigentum vermittelt, bei dem das Tagesordnung. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag Mitglied beispielsweise an einer Wertsteigerung der auf Drucksache 12/5578 abzulehnen. Wer stimmt für Immobilie partizipieren kann. diese Beschlußempfehlung? — Gegenprobe! — Ent- In der bereits angesprochenen Anhörung ist eine haltungen? — Die Beschlußempfehlung ist angenom- grundsätzlich positive Tendenz für eine stärkere För- men. derung des genossenschaftlichen Wohnungsbaus Wir kommen zur Abstimmung über den Entwurf deutlich geworden. Das ist wahr. Die Anhörung hat eines Altschuldenhilfe-Änderungsgesetzes der allerdings auch ergeben, daß eine Fülle von Fragen Gruppe PDS/Linke Liste auf Drucksache 12/7054 — ungeklärt sind. Die Antworten auf Fragen nach der Tagesordnungspunkt 12d. Der Ausschuß für Raum- Bemessungsgrundlage für eine steuerliche Begünsti- ordnung, Bauwesen und Städtebau empfiehlt auf gung, um nur ein Beispiel zu nennen, die wir erhalten Drucksache 12/7923 unter Nr. 1, den Gesetzentwurf haben, haben ein sehr breites Spektrum aufgezeigt abzulehnen. Ich lasse über den Gesetzentwurf der und auch deutlich unterschiedliche Ansätze erkennen Gruppe PDS/Linke Liste auf Drucksache 12/7054 lassen. Die finanziellen Konsequenzen für den Steu- abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzent- erzahler, Abgrenzungsprobleme zu anderen Genos- wurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. — Wer senschaftsanteilen, aber auch die bereits genannten stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — sachenrechtlichen Fragen bedürfen einer Erörterung, Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt. die wir sehr sorgfältig durchführen sollten. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die Wir wollen, daß die Bundesregierung die Vorberei- weitere Beratung. tungen zur Schaffung der Rechtsgrundlagen für eine sachenrechtliche Ausrichtung der Mitgliedsrechte an Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzent- Wohnungsbaugenossenschaften trifft. Regelungen, wurf der SPD zur Novellierung des Altschuldenhilfe- wie wir sie im ausländischen Bereich kennen, z. B. in Gesetzes auf Drucksache 12/6746. Das ist Tagesord- Norwegen oder Schweden, sind dabei zu berücksich- nungspunkt 12e. Der Ausschuß für Raumordnung, tigen. Bauwesen und Städtebau empfiehlt auf Drucksache 12/7923 unter Nr. 2, auch diesen Gesetzentwurf abzu- Ein weiteres kommt hinzu: Die von uns eingesetzte lehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? — unabhängige Expertenkommission zur Überprüfung Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußemp- der Wohnungspolitik wird auch Vorschläge für die fehlung ist angenommen. Förderung von Genossenschaftsanteilen erarbeiten. Das Untersuchungsergebnis erwarten wir bis Ende Der Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und dieses Jahres. Den Sachverstand der Fachleute und Städtebau empfiehlt unter Nr. 3 seiner Beschlußemp- deren Vorschläge sollten wir ebenfalls nutzen und mit fehlung die Annahme einer Entschließung. Wer in unsere Überlegungen einbeziehen. stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Die Ich würde mich freuen, wenn es gelänge, im Inter- Beschlußempfehlung ist angenommen. esse vieler wohnungssuchender Menschen, aber auch im Interesse derjenigen, die Wohneigentum oder Tagesordnungspunkt 12 f: Beschlußempfehlung genossenschaftliches Eigentum bilden wollen, frak- des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und tionsübergreifend gemeinsame Lösungen zu finden. Städtebau zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Dazu lade ich uns alle herzlich ein. Förderung des genossenschaftlichen Wohnungsbaus Vielen Dank. — Drucksache 12/7921. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 12/4301 abzulehnen. Wer (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) stimmt für diese Beschlußempfehlung? — Gegen- probe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung Vizepräsident Hans Klein: Ich schließe die Ausspra- ist angenommen. che. Wir kommen zu Zusatzpunkt 8. Interfraktionell wird Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 12/7856 zunächst über Tagesordnungspunkt 12b. Es liegt eine — das ist der Antrag der Gruppe PDS/Linke Liste zu Beschlußempfehlung des Ausschusses für Raumord- einem Mietenmoratorium für die preisgebundenen nung, Bauwesen und Städtebau zum Wohngeld- und Wohnungen in Ostdeutschland — an die in der Tages- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20385

Vizepräsident Hans Klein ordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Das Register erfüllt aber auch eine Schutzfunktion Sind Sie damit einverstanden? — Dies ist offensicht- für die bei uns lebenden Ausländer. So kann z. B. bei lich der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlos- verlorengegangenen Ausweispapieren problemlos sen. kurzfristig der Nachweis über die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf: Zweite und dritte Beratung eines Gesetzes fiber In den Ausschußberatungen und den Berichterstat- das Ausländerzentralregister (AZR-Gesetz) tergesprächen wurden die einzelnen Bestimmungen des Gesetzentwurfs auf Notwendigkeit und Effektivi- — Drucksachen 12/6938, 12/7520 — tät hin abgeklopft. Dabei ist es uns gelungen, vor (Erste Beratungen 213. und 228. Sitzung) allem im Interesse der hier bei uns länger wohnhaften a) Beschlußempfehlung und Bericht des In- Ausländer Verbesserungen gegenüber der bisherigen nenausschusses (4. Ausschuß) Regelung zu erreichen. Insbesondere wollen wir, Drucksache 12/7601 — soweit möglich, differenzieren zwischen sich kurzfri- stig bei uns aufhaltenden Ausländern und Ausländern Berichterstattung: mit verfestigtem Aufenthaltsstatus, also mit Aufent- Abgeordnete Dorle Marx haltsberechtigung oder unbefristeter Aufenthaltser- Meinrad Belle laubnis. So werden z. B. Ausländer mit verfestigtem Cornelia Schmalz-Jacobsen Aufenthaltsstatus in die Gruppenauskünfte nicht ein- b) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus- bezogen. schuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 12/7944 — Auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz hat im Verlaufe der Ausschußberatungen entschei- Berichterstattung dende Verbesserungen im Hinblick auf das Recht auf Abgeordnete Karl Deres informationelle Selbstbestimmung bei diesem Gesetz Ina Albowitz anerkannt. Manfred Hampel Zu den Gesetzentwürfen liegt ein Änderungsantrag Die uns vorliegenden Stellungnahmen der Bundes- der Fraktion der SPD vor. ratsausschüsse für innere Angelegenheiten bzw. des Rechtsausschusses haben wir bei der abschließenden Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Beratung des Gesetzentwurfs im Innenausschuß des Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. — Dage- Bundestages einbezogen und intensiv mitberaten. gen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich will auch nicht verschweigen, daß es im Verlauf Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kolle- der Ausschußberatungen zu streitigen Abstimmun- gen Meinrad Belle das Wort. gen mit der Opposition über die Notwendigkeit ein- zelner Bestimmungen und Formulierungen des Gesetzes kam. Dies ist angesichts der unterschiedli- Meinrad Belle (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine chen Auffassungen zur Sicherheitslage und zur öffent- Damen! Meine Herren! Bereits seit dem Jahre 1953 lichen Sicherheit zwischen den Koalitionsparteien wird im Bundesverwaltungsamt ein Ausländerzen- und der Opposition natürlich auch nicht verwunder- tralregister geführt. Rechtsgrundlage dafür war bisher lich. das Gesetz über die Errichtung des Bundesverwal- tungsamtes vom 18. Dezember 1959. Das Urteil des Nun zum Änderungsantrag der SPD-Fraktion, zur Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983, Streichung des § 2 Abs. 2 Nr. 7. Dieser Änderungsan- das sogenannte Volkszählungsurteil, brachte jedoch trag, meine Damen und Herren, war bereits Gegen- auch für das Ausländerzentralregister höhere Anfor- stand der Ausschußberatungen. Er wurde do rt mit der derungen, so daß eine eigene spezifische gesetzliche Mehrheit der Koalitionsfraktionen abgelehnt. Grundlage geschaffen werden mußte. Diese Vorschrift soll einen Informationsbedarf dek- Dieses neue Ausländerzentralregister-Gesetz be- ken, der bei den Ausländerbehörden und Auslands- deutet jetzt mehr Rechtssicherheit für die be troffenen vertretungen besteht, um aufenthaltsrechtliche Ent- Personen. Im Ausländerzentralregister werden im scheidungen, z. B. Visaerteilungen, Verlängerungen allgemeinen Datenbestand gesetzlich genau defi- von Aufenthaltsgenehmigungen, Ausweisungen, nierte Daten von Ausländern erfaßt, die sich nicht nur sachgerecht treffen zu können. Sie stellt sicher, daß vorübergehend im Bundesgebiet aufhalten. In der diese Behörden die nach dem Ausländergesetz Visadatei werden alle Daten derjenigen Ausländer geschaffene Möglichkeit, u. a. von den Polizeibehör- gespeichert, die bei deutschen Auslandsvertretungen den auf Ersuchen Informationen zu erhalten, in beson- Anträge auf Erteilung von Einreisevisa stellten. ders wichtigen Fällen tatsächlich wahrnehmen kön- Die Speicherung und Verwendung dieser Daten ist nen. Ohne die Informationen im Ausländerzentralre- notwendig, um den mit der Durchführung ausländer- gister wissen diese Stellen nicht, an welche Polizeibe- und asylrechtlicher Vorschriften be trauten Behörden hörden sie sich wenden können. Die Speicherung ist die Erfüllung ihrer Aufgaben zu ermöglichen. Außer- notwendig, da die Ausländerbehörden und die Aus- dem erhalten die Sicherheitsbehörden Zugang zum landsvertretungen keinen Zugriff auf das polizeiliche Register, soweit dies erforderlich ist, um die von Informationssystem INPOL haben und auch nicht kriminellen Ausländern ausgehenden Gefahren für erhalten sollen. Der Änderungsantrag, meine Damen die innere Sicherheit unseres Landes abzuwehren. und Herren, ist daher abzulehnen. 20386 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Meinrad Belle Zusammenfassend sind wir der Auffassung, daß es Irgendwann ist dann wohl irgendwem aufgefallen, uns gut gelungen ist, den zwangsläufigen Interessen- daß hier vielleicht doch etwas durcheinandergekom- konflikt zwischen dem Recht auch unserer ausländi- men sein könnte. Der Unterpunkt „Ausländerzentral- schen Mitbürger auf informationelle Selbstbestim- register „ wurde wieder abgesetzt. mung einerseits und den zur Aufrechterhaltung der Vorausgegangen waren in der Woche zuvor die öffentlichen Sicherheit andererseits notwendigen ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Magde- einschränkenden Vorschriften zu lösen. Wir haben ein burg. Sie haben unseren Kollegen Johannes Gerster modernes Gesetz geschaffen, das erstens die Verwal- dazu veranlaßt, eine bessere Aufklärung über Auslän- tungsbehörden auf den verschiedenen Ebenen bei der derkriminalität zu fordern. Die Kriminalitätsstatistik, Durchführung ausländerrechtlicher Entscheidungen so Kollege Gerster, müsse so verbessert werden, daß unterstützt, zweitens zur schnellen Entscheidung in für jedermann deutlich werde, wie gering der Anteil Fragen der Einreise und des zulässigen Aufenthalts der kriminellen Ausländer an ihrer Gesamtzahl wirk- von Ausländern beiträgt und drittens bei Eilentschei- lich sei. — So sind wir heute, jedenfalls von der dungen auch außerhalb der allgemeinen Dienstzeit Plazierung auf der Tagesordnung her, hoffe ich, schnellen Zugriff ermöglicht. Wir stimmen daher die- wieder etwas näher an Vater Nummer eins. sem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung zu. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Das Gesetz über das Ausländerzentralregister dient primär der Schaffung der bisher fehlenden ausrei- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) chenden Rechtsgrundlage im Melderecht für die ausländischen Bürgerinnen und Bürger. Das bishe- rige Ausländerzentralregister beim Bundesverwal- Vizepräsident Hans Klein: Frau Kollegin Dorle tungsamt in Köln existiert seit 40 Jahren. Dort sind Marx, Sie haben das Wort. Daten zu mindestens 8 Mil lionen Ausländern gespei- chert, die sich in der Bundesrepublik aufhalten oder Dorle Marx (SPD): Herr Präsident! Meine sehr einmal aufgehalten haben. Das Führen eines solchen verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Registers ohne ausreichende gesetzliche Regelung ist Gesetzentwurf hat zwei Väter. Uns liegen zwei — Kollege Belle hat das bereits gesagt — mit dem Bleichlautende Gesetzentwürfe vor: einer von den Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung Koalitionsfraktionen und einer von der Bundesregie- unvereinbar. Dieses Grundrecht steht Deutschen und rung. Vom 1. März 1994 stammt der Gesetzentwurf, Ausländern gleichermaßen zu. Auch die SPD-Frak- den die Koalitionsfraktionen eingebracht haben. Er tion begrüßt daher grundsätzlich die Verabschiedung beginnt mit den Worten: einer gesetzlichen Regelung mit der Berücksichti- gung der grundgesetzlich verbrieften Datenschutz- Mit dem vorgeschlagenen Gesetz soll das Auslän- rechte. derzentralregister eine neue umfassende Rechts- grundlage erhalten, die vor allem auch den Da Vater eins und Vater zwei einen gleichlautenden Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts Gesetzentwurf vorgelegt haben, bestätigt sich aber im Urteil vom 15. Dezember 1983 zum Volkszäh- sehr schnell die Vermutung, daß das vorgelegte lungsgesetz ... entspricht. Gesetz nicht nur die Informa tion und Kommunikation für die mit der Durchführung ausländer- und asyl- Ganz anders, liebe Kolleginnen und Kollegen, liest rechtlicher Vorschriften be trauten Behörden regelt. es sich bei Vater Nummer zwei, dem Innenminister. Der Gesetzentwurf zum Ausländerzentralregister Unter dem Titel „Kabinett beschließt Entwurf eines ermöglicht darüber hinaus einen neuen Informations- Ausländerzentralregisters" erklärt Bundesinnenmini- verbund für Aufgaben der Polizei, der Strafverfol- ster Manfred Kanther mit Datum vom 2. März 1994 gungsorgane und der Nachrichtendienste. wörtlich — ich zitiere —: In § 6 sind alle Stellen genannt, die verpflichtet sind, Nach der Einbringung des Verbrechensbekämp- Daten an die Registerbehörde weiterzugeben. Hier fungsgesetzes 1994, das eine Vielzahl von Ver- und in § 2 finden sich die Bausteine für das „Sicher- besserungen bei der Kriminalitätsbekämpfung heitsmosaik", das der Bundesinnenminister gemeint vorsieht, ist der heutige Beschluß des Kabinetts hat. Nicht nur Polizeibehörden, Staatsanwaltschaften, ein weiterer Beitrag zur inneren Sicherheit. Gerichte, nein, auch die Nachrichtendienste sollen Das Ausländerzentralregister-Gesetz, so der Minister ihre Erkenntnisse ins Register einspeichern. Und die in seiner Pressemitteilung, sei ein wesentlicher Bau- übermittelten Informationen be treffen nicht etwa nur stein in dem — wie er es nennt — zu entwickelnden die — nach dem Ausländerrecht relevanten — began- Sicherheitsmosaik. genen Straftaten. Nein, laut § 2 Abs. 2 Nr. 7 sollen auch Mitte Mai 1994 hatte Vater Nummer zwei dann Ausländer im Register gespeichert werden, bei denen Vater Nummer eins eingeholt. Auf der Tagesordnung nur tatsächliche Anhaltspunkte für den bloßen Ver- der vorletzten Sitzungswoche fand sich am 19. Mai das dacht bestehen, daß sie bestimmte Straftaten planen, Ausländerzentralregister inmitten des Gesetzespake- begehen oder begangen haben. Beim Stichwort „Si- tes zur Verbrechensbekämpfung. In der Vorlage cherheitsmosaik" versteht es sich dann schon fast von tauchte das Ausländerzentralregister in der unmittel- selbst, daß die Be troffenen von einer solchen Speiche- baren Nachbarschaft eines Gesetzentwurfs zur Ver- rung nichts erfahren. besserung der Diebstahlsicherung bei Kraftfahrzeu- In § 34 steht das Interesse des Betroffenen an der gen auf. Auskunft darüber, was über ihn gespeichert ist, auto- (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Das ist matisch hinter der Wahrung der öffentlichen Sicher- aber formalistisch!) heit und Ordnung oder dem Wohl des Bundes oder Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20387

Dorle Marx eines Landes zurück. Der be troffene Ausländer kann line-Zugriff von Polizei und Nachrichtendiensten auf sich also in Ermangelung einer Auskunft nicht gegen das Ausländerzentralregister. die Speicherung eines unberechtigten Verdachtes im Von Ihrem Abstimmungsverhalten bei unserem Ausländerzentralregister zur Wehr setzen. Das „Si- wichtigsten, heute hier noch einmal zur Abstimmung cherheitsmosaik" wird damit zum Spinnennetz, in stehenden Änderungsantrag machen wir unsere dem sich das Grundrecht auf informationelle Selbst- Zustimmung zum Gesamtgesetz abhängig. Wenn Sie bestimmung verfängt. Die im Informationsverbund heute hier mit der Koalitionsmehrheit unserem Ände- mit dem Ausländerzentralregister vernetzten Behör- rungsantrag nicht folgen können, was zu befürchten den können dagegen untereinander relativ ungehin- ist, werden wir dem Gesetz als Ganzem ebenfalls die dert auf diese Daten zugreifen. Zustimmung verweigern. - Mit § 2 Abs. 2 Nr. 7 soll also eine spezielle Die Mahnung des Kollegen Gerster in der Sonntags- Verdachtskartei entstehen. Diese Verdachtskartei presse, mangelndes Wissen sei die Ursache für zuneh- geht nicht nur weit über die melderechtliche Zweck- mende ausländerfeindliche Aktionen, soll keine bestimmung hinaus, sie eröffnet auch einen Informa- Sonntagsmahnung gewesen sein. Wir wollen sie auch tionsverbund zwischen Ausländer- und Ordnungsbe- an diesem Donnerstag als Gesetzgeber beherzigen. hörden, Staatsanwaltschaften und den Nachrichten- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ diensten. Dieser Verbund widersp richt dem verfas- DIE GRÜNEN) sungsrechtlichen Trennungsgebot, d. h. dem Gebot der Trennung von Polizei und Nachrichtendien- sten. Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat die Kollegin Cornelia Schmalz-Jacobsen. Die Versuchung zur technisch problemlos mögli- chen Vernetzung verschiedener Dateien ist nicht nur (F.D.P.): Herr Präsi- bei diesem Gesetzesvorhaben groß. Der Spieltrieb des Cornelia Schmalz-Jacobsen Menschen neigt dazu sicher ebenso wie die Neigung dent! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Auslän- derzentralregister ist natürlich kein Fahndungsregi- mancher Menschen zu Mosaiken. Die Zweckdurch- ster. Das muß man immer wieder denen deutlich brechung einzelner Dateien durch Vernetzung ver- schiedener Datenbestände ist aber im berühmten machen, die das nicht einsehen. Volkszählungsurteil, auf das der Gesetzentwurf der (Beifall bei der F.D.P. — Erwin Marschewski Koalitionsfraktionen Bezug nimmt, gerade der Sün- [CDU/CSU]: Sehr wahr!) denfall der Durchbrechung des Grundrechts auf infor- Im übrigen war dieser Lapsus mit der Tagesordnung mationelle Selbstbestimmung. Im Urteil heißt es — ich — das Zusammenspannen von zwei Tagesordnungs- zitiere —: punkten, die nichts miteinander zu tun haben — ein Fehler, der korrigiert wurde. Es waren die Innenpoli- Vor allem beim Aufbau integrierter Informations- tiker der F.D.P., die das sehr schnell gemerkt und systeme können Daten mit anderen Datensamm- dafür gesorgt haben, daß das getrennt wurde. lungen zu einem teilweise oder weitgehend voll- ständigen Persönlichkeitsbild zusammengefügt Als liberale Abgeordnete, aber auch als Ausländer- werden, ohne daß der Be troffene dessen Richtig- beauftragte habe ich mir die Zustimmung zu dem keit und Verwendung zureichend kontrollieren vorliegenden Gesetz nicht einfach gemacht, und es kann. gibt auch — das will ich gar nicht verschweigen — an der einen oder anderen Stelle noch Bedenken. Wir Die Polizei-Sonderkartei Ausländerzentralregister sollten aber doch bitte nicht so tun, als gäbe es ohne wird auch aus polizeilicher Sicht nicht gebraucht. ein solches Gesetz rosige Zustände im Umgang mit Polizei und Nachrichtendienste verfügen über eigene Daten von Ausländern. Wo es keine eindeutigen Informationssysteme. Vorschriften gibt, ist eine unangemessene Sammlung und Weitergabe von Daten viel eher möglich und auch Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden Aus- viel wahrscheinlicher, als wenn es solche Vorschriften länder als potentielle Straftäter anders behandelt als gibt. Das gilt übrigens nicht nur für Ausländerdaten; Deutsche. Eine solche Sonderbehandlung müßte sich das gilt für alle Daten. sachlich rechtfertigen lassen, um nicht verfassungs- widrig zu sein. „Nur wenige Ausländer in Deutsch- Das Bundesverfassungsgericht hat uns ja nicht ohne land sind kriminell", so äußerte sich unser Kollege Grund schon vor Jahren ausdrücklich aufgefordert, Gerster am Sonntag nach Magdeburg. eine gesetzliche Grundlage für die Datenerfassung bezüglich der hier lebenden Ausländer zu schaffen Sie werden daher verstehen, daß wir Sozialdemo- und die datenschutzrechtliche Grauzone, in der wir kraten auch nach gründlicher Beratung im Innenaus- uns bis dato bewegen, zu verlassen. Dem trägt nun der schuß heute erneut beantragen, das Ausländerzen- Gesetzentwurf Rechnung. tralregister nicht als Straftatenverdachtskartei zu Wir haben bereits im Vorfeld und dann im Verlauf mißbrauchen. der parlamentarischen Beratungen einige Korrektu- (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und ren am Regierungsentwurf vorgenommen. Dabei ist dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) mir eine Einschränkung ganz besonders wichtig: Gruppenauskünfte über Ausländer mit verfestigtem Wir beantragen deshalb erneut die Streichung von § 2 Aufenthaltsstatus dürfen nicht erteilt werden. Diese Abs. 2 Nr. 7 aus den vorliegenden Gesetzentwürfen. Reduzierung des Datenflusses ist dringend geboten, — Sie wissen, dies war und ist nicht unser alleiniger um dem besonderen Schutzanspruch der für immer Kritikpunkt. Wir kritisieren auch den geplanten On- hier lebenden Inländer mit ausländischem Paß wenig- 20388 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Cornelia Schmalz-Jacobsen stens teilweise zu genügen und sie den deutschen Dieses Gesetz schafft einen gesetzlichen Rahmen, Inländern weitgehend gleichzustellen. Das war wich- wo vorher so etwas wie ein Bermudadreieck gewesen tig. ist. Im übrigen wird es dazu beitragen, die oft sehr mühsame Arbeit der Ausländerbehörden und der Daß mehr nicht möglich war, ist aus der Sicht der Asylbehörden zu erleichtern und zu beschleunigen; F.D.P. bedauerlich. Ich denke dabei vor allem an den das ist ja auch der Sinn dieses Gesetzes. Das wiederum automatisierten Datenzugriff der Verf assungsschutz- wird sich im Zweifel durchaus zum Vorteil der Betrof- behörden und der Nachrichtendienste, den wir gerne fenen auswirken. Die F.D.P. wird dem Ausländerzen- restriktiver geregelt gesehen hätten. Die F.D.P. teilt in tralregister-Gesetz in der vorliegenden Form deshalb dieser Hinsicht die Vorbehalte des Bundesdaten- zustimmen, weil es eine Verbesserung gegenüber schutzbeauftragten. Wir behalten uns vor, zu gegebe- - dem alten Zustand bedeutet. ner Zeit einen neuen Anlauf zur Einengung der On-line-Zugriffsmöglichkeiten der Dienste zu unter- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) nehmen. Vizepräsident Hans Klein: Frau Kollegin Ulla (Beifall bei der F.D.P.) Jelpke, Sie haben das Wo rt. Wir werden, meine Kolleginnen und Kollegen, den zuständigen Bundes- und Landesbehörden in ihrer Ulla Jelpke (PDS/Linke Liste): Herr Präsident! Genehmigungspraxis sehr gründlich auf die Finger Meine Damen und Herren! Frau Schmalz-Jacobsen, sehen. Ihre Position von heute ist schon ein bißchen enttäu- schend; denn immerhin haben Sie beim ersten Ent- Wenn es nun nach den zuständigen Fachausschüs- wurf noch ganz eindeutig gesagt, daß Ausländerinnen sen des Bundesrates und seiner SPD-Mehrheit gegan- und Ausländer nicht zum datenschutzrechtlichen gen wäre — und daran muß m an in diesem Zusam- Freiwild werden dürften. Ich meine, der Innenaus- menhang doch einmal erinnern —, dann hätten wir schuß hat in der Tat nicht so viele Änderungen heute über ein in Teilen sehr viel weitgehenderes und vorgenommen — darauf komme ich gleich noch in für die Ausländer sehr viel problematischeres Zentral- meiner Rede zu sprechen —, als daß diese Einschät- registergesetz zu beschließen. zung rückgängig gemacht werden könnte. (Zuruf von der F.D.P.: Leider wahr! — Erwin Meine Damen und Herren, das Innenministerium Marschewski [CDU/CSU]: Sehr wahr!) hat jüngst die Deutsche Vereinigung für Datenschutz belehrt, daß die Weitergabe der Daten von algeri- Dann wären nämlich weder die dauerhaft hier leben- schen Asylbewerbern z. B. kein Verstoß gegen die den Ausländer von der Gruppenauskunft ausgenom- einschlägigen Datenschutzbestimmungen des Bun- men worden, noch wäre eine Datenübermittlung bei desdatenschutzgesetzes, des BKA-Gesetzes, des Bun- geringfügigen Straftaten ausgeschlossen worden, desverfassungsschutzgesetzes und anderer Vorschrif- noch wäre das Auskunftsrecht der Be troffenen ver- ten sei, obwohl diese Asylbewerber in ein L and nünftig geregelt worden. Das ist ja ein sehr wichtiger zurückgeschickt wurden und werden, das sich seit Teil dieses Gesetzes. Wenn wir so verfahren wären, 1992 im Notstand befindet, in dem in den letzten zehn wie es die Bundesratsmehrheit angeraten hat, dann Monaten fast 400 Todesurteile gegen Regierungsgeg- wären Ausländer in der Tat zum datenschutzrechtli- ner und mutmaßliche Islamisten verhängt worden chen Freiwild geworden. sind. Auch im Falle der abgeschobenen Kurden mag ja (Dr. Burkhard Hirsch [F.D.P.]: Das ist leider keine einzige Datenschutzbestimmung verletzt wor- wahr!) den sein, aber sie wurden nach der Abschiebung zum Teil doch der Folter und Mißhandlung ausgeliefert. Daß sich das Bundesinnenministerium und die Mit mehr als 90 Staaten — so ist dem B rief des Ausländerbeauftragte hier in seltener Einmütigkeit Bundesministeriums des Innern zu entnehmen — wird gegen derartige Vorstellungen ausgesprochen haben, ähnlich wie mit Algerien verfahren. kommt so oft nicht vor, ist aber, finde ich, bemerkens- Meine Damen und Herren, der in diesem Gesetz wert. legalisierte umfassende Zugriff von Verwaltungen, Der SPD-Änderungsantrag klingt vernünftig; er Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten auf widerspricht der Bundesratsmehrheit. Ich kann sehr die Daten aller Ausländerinnen und Ausländer hat gut nachvollziehen, was darin steht; aber er kommt ein die vage Hoffnung auf Verbesserung des Datenschut- bißchen spät. zes zerschlagen. Nur eine einzige Einschränkung konnte im Innenausschuß formuliert werden: Im deut- (Gerlinde Hämmerle [SPD]: Es ist nie zu spät! schen Ausländerzentralregister sollen nicht die Ver- — Dr. Comelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Wir wandten in direkt aufsteigender Linie, die im Ausland beraten doch heute noch!) leben, erfaßt werden. Aber selbst hierbei beharrt die Das Ausländerzentralregister-Gesetz ist mit Sicher- Bundesregierung offensichtlich weiterhin auf ihrem heit nicht der Weisheit letzter Schluß. Es wird sicher- unstillbaren Datenhunger. lich zu Korrekturen kommen Ein Naturrecht auf Widerstand gegen Überfrem- dung hat der Abgeordnete Geis wenige Tage vor dem (Zuruf von der SPD: Darf man zur zweiten Anschlag in Solingen in aller Öffentlichkeit vertreten. Lesung keine Korrekturen mehr anbrin Sicherlich kann er sich den Nutzen eines Ausländer- gen?) zentralregisters in allen Farben ausmalen. Kann m an — aber selbstverständlich darf m an —, wenn die denn ernsthaft einen Zusammenhang zwischen dem ersten Erfahrungsberichte vorliegen. Erfassungswahn, dem Schüren der Angst vor Über- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20389

Ulla Jelpke fremdung und der Forderung nach nationaler Identi- henden Ausländerzentralregisters. Das Bundesver- tät bestreiten? Um welche Gruppenabfragen bei- fassungsgericht hat im Volkszählungsurteil diese Not- spielsweise aus dem Ausländerzentralregister geht es, wendigkeit bekräftigt. Dennoch ist die Bundesregie- die nach § 12 erlaubt sind? Diese Frage drängt sich auf, rung seit dem ersten Referentenentwurf vom Ju li 1988 wenn man weiß, daß z. B. in Hamburg Asylbewerbern und trotz zahlreicher Mahnungen des Bundestages schon bei der ersten Anhörung Formulare zur Bean- weitgehend tatenlos geblieben. tragung der Rückreisepapiere in die Hand gedrückt (Erwin Marschewski (CDU/CSU]: Das ist werden, in denen nach ihrer ethnischen Gruppenzu- doch gar nicht wahr!) gehörigkeit gefragt wird? Wie viele Abgleiche zwi- schen Ausländerzentralregister und BKA-Datenban- Statt dessen hat sie das Ausländerzentralregister tech- ken sind denn seit dem Golfkrieg auf Grund interna- nisch ausgebaut, Herr Kollege Marschewski, vor tionaler Krisen vorgenommen worden? Diese Frage allem durch den Online-Datenabruf für andere Behör- stelle ich mir. den. Nun soll der noch weitere Ausbau dieses Registers Vizepräsident Hans Klein: Frau Kollegin, kommen zu einer zentralen Sicherheitsdatei für über 8 Millio- Sie langsam zum Schluß. nen Nichtdeutsche gesetzlich untermauert werden. Das entspricht dem sonstigen unsensiblen Umgang Ulla Jelpke (PDS/Linke Liste): Wer von den Befür- mit Ausländerinnen und Ausländern. Über Ausländer wortern dieser Ausländererfassung will und kann werden zu denselben Verwaltungszwecken weit denn garantieren, daß das Auskunftsbegehren der mehr Daten erhoben und gespeichert als über Deut- von Faschisten bestückten italienischen Regierung sche. Ist das berechtigt? Dahinter steht doch die gerechtfertigt ist? Wenn wir genau hingucken, sehen Philosophie, Nichtdeutsche sozusagen als abstraktes wir, daß wir in Italien einen Faschisten als Innenmini- Sicherheitsrisiko einzustufen. ster haben. Wie wird er das nutzen? Wissen wir, ob er (Zuruf von der CDU/CSU: Da kann man nur die Daten weitergibt? Er wird jedenfalls in Zukunft in noch lachen, wenn man so etwas hört!) Einrichtungen wie TREVI, — Symptomatisch ist die Praxis der Verwaltungsbe- Vizepräsident Hans Klein: Frau Kollegin Jelpke, hörden, von Ausländervereinen ausgefüllte Anmelde- bitte! und Auskunftsformulare automatisch an die Landes- kriminalämter weiterzureichen, oder die Praxis deut- scher Gerichte, Strafregistermeldungen auch von Ulla Jelpke (PDS/Linke Liste): — ich komme mit meinem letzten Satz zum Schluß; ich möchte den nur Ausländern, die wegen geringfügiger Straftaten ver- zu Ende führen — in Kommissionen zur Humanisie- urteilt wurden, quer durch Europa, so auch an die rung des Asylrechts, in Gremien, die über Einreisever- Botschaften der Herkunftsländer, zu schicken, worauf weigerungen befinden, und dergleichen sitzen. bei Rückkehr unter Umständen handfeste Repressio- nen gestützt werden können. Solche Beispiele gäbe es Ich denke, daß man diesem Gesetzentwurf auf noch viele. keinen Fall zustimmen kann, weil er jedem Miß- brauch Tür und Tor öffnet. Dieser Gesetzentwurf verwischt die Grenzen zwi- schen berechtigten Sicherheitsaufgaben — etwa der Danke. polizeilichen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung — (Beifall bei der PDS/Linke Liste) und der Anwendung des Aufenthaltsrechts völlig. Installiert werden soll statt dessen — in Ausweitung Vizepräsident Hans Klein: Ich erteile das Wort dem der bisherigen Praxis — ein Datenverbundsystem Kollegen Konrad Weiß. zwischen Ausländerbehörden einerseits und der Bun- desanstalt für Arbeit, der Polizei, den Staatsanwalt- Konrad Weiß (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): schaften, dem Verfassungsschutz und dem Militäri- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach schen Abschirmdienst andererseits. Auffassung der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Daß im Ausländerzentralregister Entscheidungen verstößt der Gesetzentwurf der Koali tion zum Auslän- derzentralregister in zentralen Punkten gegen das der Ausländer- und Visabehörden nicht nur der Tat- sache, sondern auch ihrem genauen Inhalt nach dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das automatischen Zugriff diverser anderer Behörden natürlich auch Ausländerinnen und Ausländern zusteht, sowie gegen das Diskriminierungsverbot des preisgegeben werden sollen — Grundgesetzes. Wir halten den Entwurf für verfas- sungswidrig. Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Weiß, Ihre Zahlreiche Vorschläge, wenigstens gebotene Än- Redezeit ist vorbei. derungen im Detail vorzunehmen, sind von der Koali- tionsmehrheit verworfen worden. Im Gegenteil, der Umfang, in dem Daten von Ausländern verarbeitet Konrad Weiß (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): werden sollen, ist gegenüber dem Ursprungsentwurf — ich komme zum Ende, Herr Präsident —, ist noch erweitert worden. So sollen z. B. gemäß § 16 unangemessen und richtet sich gegen die freiheitliche Abs. 3 nun auch an Strafverfolgungsbehörden Daten und demokratische Grundordnung unseres Staates. über Ehegatten und Verwandte der Ausländer über- mittelt werden dürfen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lehnt den vorliegen- Seit Anfang der 80er Jahre fordern Datenschützer den Gesetzentwurf ab. eine gesetzliche Regelung des seit 40 Jahren beste- (Beifall bei der SPD) 20390 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Vizepräsident Hans Klein: Ich erteile das Wort dem zulässig. Sie sind unverzichtbar, weil sie in vielen Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesmi- Fällen der einzig erfolgversprechende Ermittlungsan- nister des Innern, Eduard Lintner. satz sind. Der Entwurf regelt — zweitens — auch genau, Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- welche öffentlichen Stellen welche Daten an die minister des Innern: Herr Präsident! Meine Damen Registerbehörde übermitteln müssen und welche und Herren! Der heute vorliegende Gesetzentwurf Stellen aus welchen Gründen welche Daten von der präsentiert sich als ein systematisch aufgebautes und Registerbehörde erhalten dürfen. Die vorgesehene in sich geschlossenes Regelungswerk, das alle Anfor- Regelung schafft insoweit die von der Rechtsprechung derungen erfüllt, die an eine gesetzliche Regelung - des Bundesverfassungsgerichts geforderte Klarheit. dieser empfindlichen Mate rie zu stellen sind. Im Moderne Methoden der Datenübermittlung an die Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfas- Registerbehörde im Wege der Direkteingabe in das sungsgerichts muß klar geregelt sein, wessen Daten Register mit unmittelbarer Wirkung für den Datenbe- aus welchem Anlaß in das Register eingestellt werden stand und Datenabruf im automatisierten Verfahren und was mit diesen Daten aus welchen Gründen werden unter bestimmten, eng begrenzten Vorausset- geschieht. Der vorliegende Gesetzentwurf leistet zungen zulässig sein. Dabei sind im engen Zusam- dies. menwirken mit dem Bundesbeauftragten für den Er regelt — erstens — genau die Anlässe, aus denen Datenschutz diejenigen rechtlichen und technischen Daten eines Ausländers an die Registerbehörde zu Vorkehrungen ge troffen, die in der Übermittlungs- übermitteln sind, um im allgemeinen Datenbestand phase einen effizienten Datenschutz sowie im nach- oder in der neu zu schaffenden Visadatei für die hinein die zweckmäßigen und notwendigen Kontroll- Nutzer — es handelt sich dabei ganz vorwiegend um möglichkeiten gewährleisten. öffentliche Stellen — verfügbar zu sein. Da die Regi- Schließlich regelt der Entwurf — drittens — umfas- sterbehörde in erster Linie diejenigen Behörden send die Rechte der Betroffenen. Er sieht Übermitt- unterstützt, die mit der Durchführung ausländer- und lungssperren für die Datenübermittlung an nichtöf- asylrechtlicher Vorschriften betraut sind, stehen auch fentliche und unter gewissen Voraussetzungen auch die diesbezüglichen Anlässe im Vordergrund. an öffentliche Stellen ebenso vor wie ein Recht auf Dazu gehören aber auch — was Kritiker des Gesetz- Auskunft sowie das Recht auf Berichtigung, Löschung entwurfs zu Unrecht nicht wahrhaben wollen — die in und Sperrung von Daten. Zugleich sichert er ab, daß § 2 Abs. 2 Nr. 6 und 7 genannten Anlässe: die die übermittelten Daten nur zu dem Zweck genutzt Ausschreibung zur Festnahme oder Aufenthaltser- werden dürfen, zu dem sie übermittelt worden sind, mittlung und das Vorhandensein von tatsächlichen und nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen an Anhaltspunkten dafür, daß im Geltungsbereich des eine andere öffentliche Stelle weiterübermittelt wer- Gesetzes bestimmte Straftaten begangen worden den dürfen. oder geplant sind. Das Gesetz beschränkt sich dabei Der Entwurf schafft insgesamt also ein Höchstmaß auf Straftatbestände, die es dringend geraten erschei- an Datenschutz und Datensicherheit. nen lassen, daß den Behörden entsprechende Hin- weise bekannt sind, die ausländerrechtliche Entschei- (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Sehr dungen zu treffen haben, z. B. die Erteilung oder wahr!) Verlängerung von Aufenthaltsgenehmigungen oder Er geht dabei bis an die Grenzen des verwaltungs- die Erteilung eines Visums. Hier davon zu sprechen, praktisch noch Vertretbaren. daß eine neue zentrale Fahndungsdatei entsteht, ist Das Hohe Haus sollte deshalb im Hinblick auf die abwegig. dringende Notwendigkeit, eine umfassende, tragfä- (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Sehr hige gesetzliche Grundlage für das Ausländerzentral- wahr!) register zu schaffen, jetzt nicht mehr zögern, den Bei dem Zustrom von Ausländern, den die Bundes- Entwurf heute zu verabschieden. republik Deutschland in den letzten Jahren zu ver- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. zeichnen hatte — das Ausländerzentralregister weist Dr. Rudolf Karl Krause [Bonese] [fraktions für die Zeit von 1989 bis 1993 immerhin mehr als vier los]) Millionen Zuzüge aus —, müssen wir davon ausgehen, daß die international organisierte Kriminalität nicht an unseren Grenzen haltmacht. Hierfür gibt es in der Vizepräsident Hans Klein: Ich schließe die Ausspra- Tat ausreichende Beweise und Belege. Es wäre des- che. halb in höchstem Maße fahrlässig, davor die Augen zu verschließen und davon abzusehen, diejenigen Wir kommen zur Abstimmung über den Entwurf Instrumente zu nutzen, die es uns erlauben, einer eines Ausländerzentralregistergesetzes, Drucksa- gefährlichen Entwicklung gegenzusteuern. chen 12/6938, 12/7520 und 12/7601. Dazu gehört auch die Möglichkeit der Registerbe- Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der hörde, nach § 12 unter sehr eng begrenzten Voraus- SPD auf Drucksache 12/7898 vor, über den wir zuerst setzungen an bestimmte öffentliche Stellen Gruppen- abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag? — auskünfte aus dem Register zu erteilen. Nach dem Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Änderungsan- vorliegenden Gesetzentwurf sind Gruppenauskünfte trag ist abgelehnt. zur Abwehr erheblicher Gefahren, zur Verfolgung Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der schwerer Straftaten und zur Aufklärung von außen- Ausschußfassung zustimmen wollen, um ihr Handzei- und sicherheitspolitisch bedeutsamen Vorgängen chen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20391

Vizepräsident Hans Klein Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung ange- Angefangen bei der derzeit hochaktuellen Herz- nommen. klappe bis hin zum Hüftimplantat oder auch dem Dritte Beratung Heftpflaster wird dieses Kennzeichen Gar antie für ein einheitliches hohes medizinisches und technisches und Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf Sicherheitsniveau auf diesem Gebiet der Gesund- zustimmen will, möge sich bitte vom Platz erheben. — heitsversorgung sein. Das Gesetz wird daher auch und Gegenprobe! — Enthaltungen! — Der Gesetzentwurf vor allem Ärzten und ihren Patienten zugute kom- ist angenommen. men. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf: Ein weiteres Ziel ist: Maßnahmen zur Erfassung und Abwehr von Risiken durch Medizinprodukte. Zweite und dritte Beratung des von der Bun- - desregierung eingebrachten Entwurfs eines Ein weiteres Ziel: die klinische Bewertung zum Gesetzes über den Verkehr mit Medizinpro- Nachweis, daß die Zweckbestimmungen und die dukten Sicherheitsanforderungen erfüllt sind. (Medizinproduktegesetz — MPG) Ein weiteres Ziel: die Harmonisierung dieses — Drucksache 12/6991 — sowohl gesundheits- als auch wirtschaftspolitisch (Erste Beratung 216. Sitzung) bedeutsamen Sektors durch Umsetzung der europa- rechtlichen Vorgaben in nationales Recht. Damit wird Beschlußempfehlung und Be richt des Aus- die bisher auf dem Sektor der Zulassung der Medizin- schusses für Gesundheit (15. Ausschuß) produkte bestehende Rechtszersplitterung beseitigt. — Drucksache 12/7930 — Künftig wird das Inverkehrbringen von Medikalpro- Berichterstattung: dukten beispielsweise nicht mehr nach dem Geräte- Abgeordneter Dr. Walter Franz Altherr sicherheitsgesetz oder der Röntgenverordnung oder Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die auch nach gewerblichen Vorschriften, sondern aus- Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. — Dage- schließlich und einheitlich nach medizinprodukte- gen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so rechtlichen Vorgaben erfolgen. Dies gilt erstmals beschlossen. europaweit. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kolle- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) gen Wolfgang Zöller das Wort. Konsequenz dieser europäischen Rechtsvereinheit- lichung im Medizinprodukterecht wird zweifelsohne Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Grüß Gott Herr Präsi- ein wichtiger Beitrag dieses Gesetzes für den Tech- dent! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! nik- und Wirtschaftsstandort Deutschland sein. Am 10. März dieses Jahres hat Kollege Dr. Voigt (Northeim) Ihnen anläßlich der ersten Lesung des (Zustimmung bei der F.D.P.) Entwurfs des Medizinproduktegesetzes für die CDU/ Künftig wird sich im gesamten Europäischen Binnen- CSU-Fraktion versprochen, daß wir uns für eine sehr markt die Zulassung und das Inverkehrbringen von zügige Beratung dieses Gesetzentwurfes einsetzen sogenannten Medikalprodukten nach den im Kern werden. einheitlichen Regeln richten. Daß dies positive Effekte Ich kann mit gutem Grund heute bei der zweiten auf die auch bei uns im wesentlichen exportorientierte und dritten Lesung feststellen, daß uns dies mit einer Medizinprodukteindustrie haben wird, bedarf wohl parlamentarischen Beratungszeit von gut acht Sit- keiner näheren Begründung. zungswochen gelungen ist, ohne daß die notwendige Daß diese Entwicklung positive Auswirkungen auf Qualität und Intensität der Ausschußberatungen unter den Wirtschaftsstandort Deutschl and haben wird, diesem Tempo zu leiden gehabt hätten. wird dann überdeutlich erkennbar, wenn man sich In einer umfangreichen Sachverständigenanhö- vergegenwärtigt, daß das Volumen der Medikalpro- rung wurde den am Gesetzgebungsverfahren betei- dukteindustrie mit einer Gesamthöhe von rund ligten Personen und Verbänden nochmals Gelegen- 25 Milliarden DM dem des deutschen Arzneimittel- heit gegeben, die Fachdiskussion im Bundestagsaus- marktes durchaus vergleichbar ist. schuß für Gesundheit zu führen. In einem im wesent- Noch ein wichtiger Punkt ist die Entlastung des lichen redaktionell geprägten Paket von Änderungs- Mittelstandes. Die besonderen Erfordernisse der mitt- anträgen wurden u. a. auch Anregungen aus gerade leren und kleinen Medizinproduktehersteller werden dieser Anhörung im Gesundheitsausschuß aufgegrif- berücksichtigt. Der Hersteller kann auf seine Bedürf- fen. nisse abgestimmt zwischen mehreren vorgegebenen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Verfahren wählen, um nachzuweisen, daß sein Pro- ordneten der F.D.P.) dukt den Sicherheits- und Qualitätsanforderungen Lassen Sie mich deshalb kurz die Ziele des Gesetzes genügt. Dies kann kostenintensive Investitionen im Kern darstellen. Die europaweite Verbesserung ersparen und führt somit wesentlich schneller zur und Vereinheitlichung der Qualität und Sicherheit Marktzulassung. Auch der Wegfall der Sprachenbar- der Medizinprodukte müssen gewährleistet werden. riere im Zulassungsverfahren sowie die Doppelzulas- Künftig wird das nach diesem Gesetz erteilte CE sung kommt insbesondere den kleineren Herstellern Kennzeichen europäisches Gütesiegel für Qualität zugute. und Sicherheit der mit diesem Kennzeichen versehe- Lassen Sie mich zum Schluß kommen: Der Bundes- nen Produkte sein. rat wird es sich vor diesem Hintergrund sehr gut (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) überlegen müssen, ob er am 8. Ju li seine Blockadepo- 20392 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Wolfgang Zöller litik vom vergangenen Freitag fortsetzen und auch Medizinische Produkte müssen einen hochgradigen dieses Gesetz an parteipolitischen Interessen im Bun- Schutz für Patienten, Anwender und Dritte bieten und desrat scheitern lassen will. die vom Hersteller angegebene Leistung erreichen. (Zuruf von der F.D.P.: Das kann doch nicht Für die meisten der Produkte wird zum erstenmal wahr sein!) gesetzlich der Nachweis gefordert, daß ihre vom Ich betone deshalb ganz klar, die Qualität und Hersteller gegebene Zweckbestimmung auch erfüllt Sicherheit der Gesundheitsvorsorge auf dem Sektor wird. Außerdem werden mit diesem Gesetz in der Medikalprodukte würde durch einen erneuten Deutschland zum erstenmal die medizinischen und Boykott unweigerlich Schaden nehmen. Auch für den technischen Anforderungen für Medizinprodukte Wirtschafts- und Medizintechnikstandort Deutsch- - gemeinsam in einem eigenen Gesetz geregelt. Sie land wäre ein Scheitern dieses Gesetzes im Bundesrat haben es schon erklärt. eine mittlere gesundheitspolitische Katastrophe. Ich (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der hoffe deshalb, daß sich die Vernunft und die Sach- PDS/Linke Liste) kenntnis des Gesundheitsausschusses auch in der Länderkammer durchsetzen wird und darf Sie recht Zudem soll der freie Warenverkehr auch der deut- herzlich um Ihre Zustimmung bitten. schen Medizinprodukte EG-weit möglich werden. Hier wollen wir helfen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Ich möchte allerdings noch auf einige uns auch wichtige Änderungsvorschläge hinweisen, die zum Frau Kollegin Antje Vizepräsident Hans Klein: Teil Eingang in die Änderungsanträge oder in den Marie Steen, Sie haben das Wort. Entschließungsantrag gefunden haben. In § 3 — Be- griffsbestimmung — hatten wir erachtet, daß es not- Antje-Marie Steen (SPD): Herr Präsident! Liebe wendig sei, die der Wissenschaft der Psychologie Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Zöl- zuzuordnenden psychologischen Testverfahren sowie ler! Ich hoffe nicht, daß das Szenario, das Sie uns eben Paper-Pencil-Tests oder auch computergestützte psy- geschildert haben, eintritt, denn ich kann nur sagen, chologische Testinstrumente sowie alle operativen wir haben sehr gut miteinander dieses Gesetz auf den psychodiagnostischen und psychotherapeutischen Weg gebracht. Verfahren aufzunehmen. Diese gesetzliche Klarstel- (Beifall des Abg. Wolfgang Zöller [CDU/ lung wäre wichtig gewesen, um Mißverständnissen CSU]) vorzubeugen und dem gesetzlich beabsichtigten Patientenschutz auch in diesem Anwenderbereich Da möchte ich auch meinen Dank an alle Fraktionen Rechnung zu tragen. in diesem Hause richten. Deswegen glaube ich, daß das, was Sie hier als Katastrophe an die W and gemalt Dies wird jetzt nicht im Gesetz verankert, aber es ist haben, nicht eintreten wird. Ich hoffe es sehr, weil wir erfreulich, daß das Ministerium in diesem Punkt eine doch auch, wie gesagt, gemeinsam dieses gemacht Prüfung zugesagt hat, auch eine Anregung zur Über- haben. Ich denke, daß wir mit diesen weitgehenden prüfung durch die Europäische Union. Das begrüßen inhaltlichen Übereinstimmungen auch ein Gesetz auf wir außerordentlich. Wir begrüßen es auch, daß im den Weg gebracht haben, das dem europäischen gemeinsamen Entschließungsantrag zum Gesetz die Gedanken zuträglich ist und das dann am 1. J anuar Thematisierung sogenannter kritischer Implantate 1995 in Kraft treten kann. ihren Niederschlag gefunden hat. Gerade angesichts Die Änderungsanträge der SPD-Fraktion fanden, der nunmehr eindeutig beschriebenen Problematik wie gesagt, weitgehend Zustimmung. Dennoch ist im Zusammenhang mit Silikon-Brustimplantaten ist klar — ich denke, uns allen klar —, daß gerade die Einführung einer Implantatkarte, an Hand derer angesichts der schnellen technischen und medizini- u.a. Auskunft über Mate rial und Zusammensetzung schen Entwicklung auch in Zukunft auf diesem Gebiet der genutzten Stoffe gegeben werden kann, ein weitergearbeitet werden muß und Änderungen wesentlicher Beitrag für Patientinnen- und Patienten- sicherlich für die Zukunft nicht ausgeschlossen sind. information und den Patientenschutz. Deutschland ist nach den USA weltweit führend in Ebenso wichtig im Sinne des Patientinnenschutzes der Medizinprodukteherstellung. Der Inlandsmarkt ist die Nutzen-Risiko-Abwägung. Sie gewinnt im wird auf etwa 25 Milliarden DM pro Jahr geschätzt. Zusammenhang mit möglichen gravierenden gesund- Der Export be trägt für eine Produktgruppe über 50 % heitlichen Schädigungen bei Silikonimplantaten, be- der Produktion. Die Vielfalt der Produkte wird auf sonders solchen Produkten, die aus rein kosmetischen 400 000 verschiedene Produkte geschätzt. Diese Gründen implantiert werden, eine wichtige Bedeu- Palette der Medizinprodukte reicht vom Holzspatel tung. Hier, denke ich, sind unsere vielfältigen Bemü- bis zum Rollstuhl, vom Hörgerät, den künstlichen hungen um die Silikonproblematik und den Schutz Gelenken und den Herzschrittmachern bis hin zum der betroffenen Frauen auf fruchtbaren Boden gefal- Röntgengerät, also eine sehr umfassende und weitrei- len. chende Materie. Das verdeutlicht, wie sehr die Medi- Sehr deutlich wurden uns auch die Probleme im zinprodukte in Deutschl and einen ganz wesentlichen Zusammenhang mit anderen auf Dauer im Körper Wirtschaftsfaktor darstellen, ein Markt, der im verbleibenden Implantaten geschildert. So kommt es Umfang dem Vergleich mit dem Arzneimittelmarkt immer wieder zu Autoimmunreaktionen, deren Ursa- durchaus standhalten kann. chen nicht sofort in Zusammenhang gebracht werden Das Medizinproduktegesetze dient der medizini- können mit einem schon oft jahrelang im Körper schen und technischen Sicherheit der Produkte. befindlichen Implantat. Außerdem verändern sich Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20393

Antje-Marie Steen Werkstoffe in ihrer Zusammensetzung, so daß diese schen Nutzen und Qualitätssicherung bei Hilfsgerä- Implantatkarte in der Nachverfolgung von möglichen ten prüfen zu können. gesundheitsbeinträchtigenden Auswirkungen Aus- Ich möchte nochmals betonen, daß sichergestellt kunft geben kann für den behandelnden Arzt über die werden muß, daß das Institut für Arzneimittel und Art des Implantates. Das ist ein weiterer Schritt zur Medizinprodukte seine Aufgabe in der Unterstützung Qualitätssicherung der Medizinprodukte, den wir der Arbeit der Zentralstellen der Länder für Gesund- sehr positiv beurteilen. heitsschutz und Sicherheitstechnik sowie der Über- wachungsbehörden mit Nachdruck wahrnimmt. Es Im Rahmen des gemeinsamen Entschließungsan- darf hier zu keinen Reibungsverlusten kommen. Es ist trages ist zudem sichergestellt, daß hinsichtlich der für die innovationsfreudige Herstellerbranche wie Anforderungen Überprüfung bei Medizinprodukten auch für die Länderbehörden wich tig, daß kurze medizinisch-tech- an einen notwendigen spezifischen Verfahrenswege den schnellen Zugang zum Markt nischen Sachverstand, anders als die zur Bewertung ermöglichen, ohne daß die Produktsicherheit darunter von Arzneimitteln, gegeben sein müssen. Unsere leidet. Ich glaube, das löst dieses Gesetz. Forderung, daß es sich bei dem Ins titut für Arzneimit- tel und Medizinprodukte um eine Persönlichkeit han- Sehr wichtig ist in diesem Zusammenhang auch der deln sollte, die möglichst in diesem spezifischen Beschluß, über eine Rechtsverordnung spezielle Bereich bereits praktische Erfahrung haben sollte, Anforderungen an die Sachkenntnis der Medizinpro- wurde als konkrete Formulierung im Entschließungs- dukteberater zu richten. Es liegt in der Natur der antrag angenommen. Dafür bedanke ich mich auch. Vielfalt der Medizinprodukte, daß hier für die sachge- rechte Handhabung bei bestimmten Katego rien die- Es liegt im Interesse der Anwender, Hersteller und ser Produkte besondere Fachkenntnis erforderlich ist. der Kontroll- und Prüfbehörden, daß hier eine in der Das Gesetz enthält Vorschriften zum In-Verkehr- Medizinprodukteherstellung wie auch deren Anwen- Bringen und zur Inbetriebnahme, zu den grundlegen- dung erfahrene Persönlichkeit diesen Bereich verant- den Anforderungen einschließlich der klinischen wortlich vertritt. Dabei ist auf eine gute Koopera tion Bewertung, zu den Verfahren zum Schutz vor Risiken zwischen den bei den Ländern bestehenden Zentral- und deren Abwehr, zum Export sowie zu den Betrei- stellen und dieser Behörde zu setzen. Nur im Konsens, bervorschriften. der durch unkomplizierte Verwaltungsanweisungen Die hohen Anforderungen des Medizinproduktege- die Verfahrenswege zwischen der Länderbehörde, setzes gelten auch für importierte Medizinprodukte. den Zentralstellen und Herstellern ebnet, kann hier im Sie sind damit ein positives Wettbewerbskriterium, Sinne eines effektiven Patienten- und Verbraucher- das unzuverlässigen Produkten keine Marktchancen schutzes gewirkt werden. mehr bieten kann. Das Gesetz nützt zudem die Anfor- Das trägt auch zur Konkurrenzfähigkeit deutscher derungen, die das Sozialgesetzbuch für die gesetzli- die Leistungen auch der Medizinprodukte bei, wenn durch klare Verwaltungs- che Krankenversicherung an anweisung und Zuständigkeitsbereiche schnellere Medizinprodukte stellt. Medizinprodukte können zukünftig zu Lasten der gesetzlichen Krankenversi- Produktions- und Vertriebswege beschritten werden cherung nur noch mit einer europäischen CE-Kenn- können. zeichnung versehen abgegeben werden, und werden Hinsichtlich der Akkreditierung und öffentlichen es auch. Diese Kennzeichnung verdeutlicht, daß das Bestellung von Sachverständigen erachten wir es Produkt den vorgeschriebenen, in Europa einheitli- auch weiterhin als sinnvoll, die Voraussetzungen, die chen hohen Anforderungen entspricht. Für Deutsch- die Sachverständigen erfüllen müssen, sowie Tätig- land mit dem weltweit wich tigen Wirtschaftsfaktor keiten, Anforderungen an Fortbildung und deren Medizinprodukte spielt das Gesetz eine wesentliche Inhalte im Gesetz verbindlich festzuschreiben. Nun- Rolle, auch im Zusammenhang mit der Sicherung des mehr sollen diese Punkte auf dem Wege der Rechts- Wirtschaftsstandortes Deutschland. Wir werden des- verordnung durch den Bundesgesundheitsminister halb diesem Gesetz unsere Zustimmung geben. geregelt werden. Ich danke Ihnen. Als gemeinsame Willenserklärung des Gesund- (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der heitsausschusses ist formuliert worden, daß nach wie F.D.P. und der PDS/Linke Liste) vor die Bestellung von Einzelsachverständigen durch z. B. die Industrie- und Handelskammern möglich Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Detlef Parr, ist. Sie haben das Wort. Ich halte die Beteiligung bzw. die Gutachtertätig- keit von unabhängigen Einzelsachverständigen ge- Detlef Parr (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen rade in dem Bereich der Medizinprodukte für wichtig, und Herren! Ich habe ja als Neuling im Gesundheits- wo es sich neben dem allgemeinen Sicherheits- und ausschuß schon eine ganze Reihe von Gesetzge- Zuverlässigkeitsnachweis auch um die Funktionsfä- bungsverfahren mitbekommen und hatte dabei oft higkeit eines Medizinproduktes handelt. Ich glaube, den Eindruck, daß doch mehr aus Gründen des sehr eindringlich hat uns der Handicap-Test-Verband Oppositionsprinzips als aus sachlichen Gründen eine erläutert, wo z. B. die Funktionstauglichkeit bei Medi- Ablehnung erfolgte. Deswegen ist es sehr erfreulich, zinprodukten im Hilfsmittelbereich zu wünschen daß wir heute in dieser Harmonie miteinander debat- übrig läßt, obwohl von der Sicherheitsnorm nicht tieren abgewichen worden ist. Hier muß auch der externe (Gerlinde Hämmerle [SPD]: Je später der Sachverstand eingebunden werden, um therapeuti- Abend, desto harmonischer wird es!) 20394 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Detlef Parr und das Medizinproduktgesetz gemeinsam verab- den Wirtschaftsstandort Bundesrepublik attraktiv zu schieden können; denn wir sind einvernehmlich der gestalten. Die CE-Kennzeichnung dient darüber hin- Meinung, daß mit diesem Gesetz ein großer Fortschritt aus selbstverständlich der Sicherheit für den Verbrau- für die Sicherheit zahlreicher Produkte gemacht cher, denn sie darf nur dann aufgebracht werden, wird. wenn die Produkte die grundlegenden Anforderun- Die Palette der Produkte, die durch dieses Gesetz gen der entsprechenden Richtlinien erfüllen. Das geregelt werden, 400 000 Produkte, von Verbands- heißt, daß sich der Anwender darauf verlassen kann, stoffen über Brillen, Hörgeräten bis hin zu Dialyse-, daß diese Produkte hohe Qualitätskriterien erfüllen. Röntgen- oder Beatmungsgeräten, von ärztlichen Meine Damen und Herren, die Umsetzung dieses Instrumenten über elastische Binden und Augenklap- Gesetzes erfordert äußerst qualifizierte Mitarbeiterin- pen bis hin zu Herzschrittmachern, Hochfrequenzchi- nen und Mitarbeiter, insbesondere auch im Bundesin- rurgiegeräten — all diesen Produkten ist eines stitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Diese gemeinsam: die Möglichkeit nega tiver Auswirkun- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen anders qua- gen auf die Gesundheit derjenigen, die diese Pro- lifiziert sein als diejenigen, die sich mit rein pharma- dukte anwenden, wenn sie nicht der Gebrauchsbe- kologischen Aspekten befassen. Die Einbeziehung stimmung gerecht werden. der Medizinprodukte in das Arzneimittelinstitut ist vor dem Hintergrund zahlreicher Überschneidungen zwi- Durch die Verschiedenheit der Produkte ist es schen den Fachbereichen äußerst sinnvoll. Das muß natürlich notwendig, daß zahlreiche Regelungen über nun in eine vernünftige Strukturierung und eine Verordnungen spezifiziert werden müssen. Ich entsprechende Personalausstattung dieses Instituts gehöre zu denen, die Verständnis dafür haben, daß münden. Dieser Aspekt ist im Be richt des Gesund- sehr genau darauf geachtet werden muß, in diesen heitsausschusses zu Recht auch noch einmal ganz Verordnungen den Geist dieses Gesetzes nicht durch besonders herausgestellt. bürokratische Überbordung umzukehren. Wir dürfen dies nach der heutigen Verabschiedung nicht aus dem Auge verlieren. Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Parr, Ihre Redezeit ist schon überschritten. Das Medizinproduktegesetz sorgt dafür, daß solche Produkte auf den Markt kommen, die technisch sicher sind und ihre medizinische Zweckbestimmung erfül- Detlef Parr (F.D.P.): Ich will einen letzten Satz len. Dies geschieht durch Festlegungen, welche sagen. — Dieses Gesetz ist notwendig. Die damit Anforderungen ein Medizinprodukt erfüllen muß, getroffenen Regelungen tragen dem Ziel Rechnung, wenn es in Verkehr gebracht bzw. in Bet rieb genom- den erforderlichen Schutz der Patienten, Anwender men werden soll. Ergänzt wird dies durch Vorschriften und Dritten beim Umgang, dem Bet rieb und der für das Errichten, Be treiben und Anwenden von Anwendung von Medizinprodukten zu geben. Des- Medizinprodukten sowie der Festlegung von Überwa- wegen stimmen wir ihm gerne zu. chungsmaßnahmen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Die notwendigen Maßnahmen konnten dabei auf das Erforderliche begrenzt werden. So ist z. B. bei den Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat die Kollegin Beratungen die unsinnige Vorschrift geändert wor- Dr. Ursula Fischer. den, daß für Medizinprodukte, die in einen außereu- ropäischen Staat ausgeführt werden, auf jeden Fall Dr. Ursula Fischer (PDS/Linke Liste): Herr Präsi- eine Einfuhrgenehmigung der zuständigen Behörde dent! Meine Damen und Herren! Die Anwendung des Bestimmungslandes einzuholen ist, wenn diese technischer Erzeugnisse bzw. Geräte in der Medizin Medizinprodukte den in diesem Gesetz gemachten hat in den letzten Jahrzehnten einen beträcht chen Voraussetzungen nicht völlig entsprechen. Sinnvol- li Umfang erreicht und nimmt sicher weiter zu. In lerweise ist diese Regelung jetzt in der Weise geändert Anbetracht der damit auch verbundenen Risiken worden, daß eine Bescheinigung beantragt werden besteht für den Schutz der Patienten, aber auch für die kann, daß das Medizinprodukt im Geltungsbereich Sicherheit der Anwender zweifellos erhöhter gesetz- dieses Gesetzes verkehrsfähig ist. Diese Bescheini- geberischer Handlungsbedarf. Es ist deshalb wichtig, gung kann dann bei der zuständigen Behörde des daß mit dem vorliegenden Gesetz das gesamte Feld Bestimmungslandes vorgelegt werden. Das ist eine der Medizinprodukte — gewissermaßen in Analogie Exporterleichterung, die für uns besonders wichtig zur Arzneimittelgesetzgebung — nunmehr eine ist. Denn wenn eine Behörde eines anderen Landes eigene und in sich geschlossene Regelung erfährt. aus Sicherheitsgründen eine solche Bescheinigung Anders ausgedrückt: Durch die Umsetzung einschlä- verlangt, muß diese bei Erfüllen der Voraussetzungen giger Richtlinien der Europäischen Union in nationa- ausgestellt werden. les Recht und durch die Einbeziehung bisher bereits Der Exporterleichterung dient auch noch eine bestehender gesetzlicher Regelungen wie der Medi- andere Vorschrift — sie ist schon von den Vorrednern zingeräteverordnung oder des Meß- und Eichrechts erwähnt worden —, nämlich die CE-Kennzeichnung. wird in der Bundesrepublik Deutschl and für die Medi- Medizinprodukte, die eine solche CE-Kennzeichnung zinprodukte erstmals ein eigenständiges Rechtsge- tragen, sind in allen EG-Mitgliedstaaten zum freien biet neu geschaffen. Das entspricht nicht nur dem Warenverkehr zugelassen. Das ist für eine so export- Umfang und der beträchtlichen Kompliziertheit, son- orientierte Branche wie die Medizintechnikindustrie dern durchaus auch der gesundheitlichen, wie der in der Bundesrepublik ein ganz entscheidendes Ele- wirtschaftlichen Bedeutung der hier zur Lösung anste- ment. Auch auf diesem Wege tragen wir alle dazu bei, henden Probleme. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20395

Dr. Ursula Fischer Ich denke, daß auch die im Gesundheitsausschuß sie billiger als die bisher in Deutschland angebotenen beschlossenen Änderungsanträge, die sich bei dieser Herzklappen seien. Schlichte Begründung: Die Qua- Sachproblematik verständlicherweise zum Teil über- lität sei nicht bekannt. schnitten, sowie der einstimmig angenommene Ent- Hüftimplantate wurden bisher keiner behördlichen schließungsantrag ganz überwiegend zu weiteren Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz unterworfen. Klarstellungen beigetragen haben. Schwierigkeiten Wenn im Ausland Zwischenfälle mit Medizinproduk- haben wir lediglich mit § 37 des Entwurfs, der für uns ten passierten, waren wir oft auf Pressemeldungen ein paar Fragen in bezug auf Exporte in Drittländer oder auf den „Kommissar Zufall" angewiesen. Eine offenläßt. Wir hoffen nicht, daß da ein Türchen für die Registrierung von Medizinprodukten, die nicht einer Hersteller offengehalten wird, um bei Lieferung in Zulassungspflicht unterlagen, bestand nicht. Drittländer eventuell doch andere Qualitätsstandards anzuwenden. Jeder EU-Mitgliedstaat hat seine unterschiedlichen Meine Damen und Herren, unbefriedigend geregelt Anforderungen an das Inverkehrbringen von Medi- bleibt für mich allerdings die Stellung des Sicherheits- zinprodukten, so daß insbesondere die mittleren und kleineren Herstellungsbetriebe von Medizinproduk- beauftragten, zu dessen Einsatz die Hersteller nun- mehr verpflichtet werden. Seine notwendige fachli- ten Schwierigkeiten hatten, diese in den anderen che Unabhängigkeit innerhalb des Unternehmens Staaten in den Verkehr zu bringen. verlangt konsequenterweise auch eine entsprechend All diese Mißstände werden mit dem Medizinpro- unabhängige Position, etwa in Form eines besonderen duktegesetz ein Ende haben. Es ist ein Gesetz, das Kündigungsschutzes. jeden von uns betrifft. Wir haben es schon gehört: Wir hätten es auch für zweckdienlicher gehalten, Nicht nur Herzklappen oder Hüftgelenke, sondern den beträchtlichen Sachverstand besser zu nutzen, auch so alltägliche Dinge wie Heftpflaster, B rillen der bei den Betreibern von Medizintechnik, also oder Hörgeräte, aber auch wesentlich kritischere beispielsweise in medizin-technischen Abteilungen Produkte wie Herzschrittmacher, Herz-Lungen- von Krankenhäusern, gegeben ist. Das gleiche gilt für Maschinen oder Röntgengeräte werden von diesem den von uns unterbreiteten Vorschlag, für die Beurtei- Gesetz erfaßt. lung von klinischen Prüfungen solcher Erzeugnisse, Dies sind alles Produkte, die bisher in verschiede- die auf gänzlich neuen physikalisch-technischen Prin- nen Gesetzen oft mehr schlecht als recht geregelt zipien beruhen, zeitweilig eine spezielle Fachkom- wurden; ein reines Rechtsbabylon. Nun finden Sie alle mission beim Ausschuß für Medizinprodukte zu bil- relevanten Vorschriften im Medizinproduktegesetz den. oder in den dazugehörigen Verordnungen. Somit Ich bedaure es, daß von uns unterbreitete entspre- leisten wir mit diesem Gesetz auch einen Beitrag zur chende Vorschläge von der Koalition ohne jedenfalls Rechtssicherheit. für mich erkennbares Nachdenken abgelehnt wur- Meine Damen und Herren, wir haben heute schon den. So drängt sich mir ein weiteres Mal der Eindruck sehr viel über dieses Gesetz gehört. Wir haben dieses auf, daß man sich auch bei rein sachbezogenen Gesetz auch in schöner Einigkeit im Ausschuß verab- Fragen nach wie vor ideologieabhängig und ausgren- schiedet. Wir wissen, daß hier EG-Richtlinien in deut- zungsbeflissen verhält. Die SPD konnte sich wenig- sches Recht umgesetzt werden. stens zur Stimmenthaltung entschließen. Das gleiche tut die PDS/Linke Liste bei diesem Gesetz, allerdings Eine Bemerkung sei mir noch erlaubt: Unabhängig aus rein sachlichen Gründen. von den EG-Richtlinien soll mit den eigenen deut- (Beifall bei der PDS/Linke Liste) schen Vorschriften die medizinische und technische Qualität der Medizinprodukte während ihrer gesam- ten Lebensdauer weitgehend gewährleistet werden. Vizepräsident Hans Klein: Jetzt hat Frau Parlamen- Diese eigenen deutschen Regelungen sollen zudem tarische Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl eine positive Auswirkung auf die Qualität der ärztli- das Wort. chen Leistungen haben, die in Verbindung mit der Anwendung von Medizinprodukten erbracht wer- Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretärin den. beim Bundesminister für Gesundheit: Sehr verehrter Lassen Sie mich auch noch ein Wort zur Sicherung Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und des Standortes Deutschland sagen. Wir haben es Herren! Allein das Stichwort Herzklappen genügt, um gehört: Auch hierzu leistet das Gesetz einen Bei- die Aktualität des Medizinproduktegesetzes deutlich trag. zu machen. Was ist ein angemessener Preis für eine angemes- (Eckart Kuhlwein [SPD]: Ach, das ist ja sene Qualität und Leistung? — Dies ist fernab von den gewaltig!) Bestechungsvorwürfen eine der wesentlichen Ke rn — So ist es, Herr Kollege, fragen Sie einmal Ihre -fragen. Um diese Frage beantworten zu können, Kollegen aus dem Gesundheitsausschuß. Die haben müssen Vergleiche zwischen verschiedenen Angebo- das im Gegensatz zu Ihnen erkannt. ten gezogen werden können. Dafür müssen einheitli- che Qualitätsanforderungen bestehen. (Zuruf von der CDU/CSU: Also wenn 25 Mil- liarden DM nichts mehr sind, dann wundert Daran haperte es aber bisher, wie folgende Bei- mich nichts!) spiele zeigen: So klagte kürzlich ein Händler von Herzklappen aus den GUS-Staaten, daß niemand in Die Anhörung im Gesundheitsausschuß zum Ent- Deutschland seine Herzklappen kaufen wolle, obwohl wurf dieses Gesetzes hat deutlich gezeigt, daß selbst 20396 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Parl. Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl die Industrie das Gesetz wünscht, obwohl es auch Wer enthält sich der Stimme? — Der Gesetzentwurf ist Regelungen enthält, die sie nicht so gerne schluckt. bei vier Stimmenthaltungen angenommen. Ich kann Ihnen sagen, warum das so ist: Das Der Ausschuß für Gesundheit empfiehlt unter Nr. 2 Medizinproduktegesetz bestätigt und sichert nämlich seiner Beschlußempfehlung die Annahme einer Ent- die hohe Qualität, mit der die meisten deutschen schließung. Wer stimmt für diese Beschlußempfeh- Hersteller die Medizinprodukte entwickeln und her- lung? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die stellen. Die schwarzen Schafe werden aussortiert, die Beschlußempfehlung ist angenommen. Qualität wird belohnt. Ich rufe Tagungsordnungspunkt 15 auf: Ein weiterer Grund ist, daß das Medizinprodukte- gesetz den Export deutscher Produkte fördert und a) Zweite und dritte Beratung des von der somit in den Bereichen der Forschung und Entwick- Bundesregierung eingebrachten Entwurfs lung, der Herstellung und des Handels Arbeitsplätze eines Siebzehnten Gesetzes zur Änderung sichert und schafft. des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (17. BAföGÄndG) Dies bedeutet vor allem auch eine Unterstützung der mittelständischen Unternehmen, denn nicht nur in — Drucksache 12/7430 — allen EU-Staaten, sondern auch in allen EWR-Staaten (Erste Beratung 225. Sitzung) — dies sind neben den EU-Staaten z. B. Finnland, aa) Beschlußempfehlung und Be richt des Island, Liechtenstein, Norwegen, Österreich und Ausschusses für Bildung und Wissen- Schweden — gibt es gleiche Anforderungen an das schaft (21. Ausschuß) Inverkehrbringen von Medizinprodukten. — Drucksache 12/7430 — Es ist viel über die CE-Kennzeichnung gesagt Berichterstattung: worden. Ich glaube, ich kann mir dies sparen. Lassen Abgeordnete Alois Graf von Waldburg- Sie mich aber eines sagen: Die CE-Kennzeichnung Zeil hat auch gesundheitspolitische Bedeutung. Ich Dr. Peter Eckardt nannte am Anfang bereits die Absatzprobleme eines Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink russischen Händlers von Herzklappen. Zukünftig bb) Bericht des Haushaltsausschusses wird nämlich nicht mehr gefragt: „Woher kommt die (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäfts- Herzklappe?", sondern: „Trägt sie eine CE-Kenn- ordnung zeichnung?" Die CE-Kennzeichnung drückt aus, daß dieses Produkt den in dem ganzen EWR geltenden — Drucksache 12/7942 — medizinischen und technischen Anforderungen ent- Berichterstattung: spricht, egal, ob diese Produkte in Europa, Amerika Abgeordnete Dr. Klaus-Dieter Uelhoff oder in Rußland hergestellt werden. Das wird preisre- Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) gulierend wirken. Manfred Hampel Meine Damen und Herren, ich habe in Kürze einige b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Schlaglichter auf das neue Medizinproduktegesetz Berichts des Ausschusses für Bildung und geworfen. Es dient dem Schutz der Pa tienten und Wissenschaft (21. Ausschuß) zu der Unter- Anwender und Dritten. Es dient der Rechtssicherheit. richtung durch die Bundesregierung Zehn- Es dient der Kostendämpfung im Gesundheitswesen, ter Bericht nach § 35 des Bundesausbil- und es dient der Sicherung des Standortes Deutsch- dungsförderungsgesetzes zur Überprüfung land. Schließlich ist die deutsche Medizinproduktein- der Bedarfssätze, Freibeträge sowie Vom- dustrie nach den USA weltweit führend und sehr stark hundertsätze und Höchstbeträge nach § 21 exportbetont. Darum freue ich mich, daß alle diesem Abs. 2 Gesetz zustimmen. — Drucksachen 12/6605, 12/7902 — (Zuruf von der CDU/CSU: Fast alle! — Beifall Berichterstattung: bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Abgeordnete Alois Graf von Waldburg- Zeil Dr. Peter Eckardt Vizepräsident Hans Klein: Ich schließe die Ausspra- Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink che. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Zum Bundesausbildungsförderungsgesetz liegen Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Medi- ein Entschließungsantrag und ein Änderungsantrag zinproduktegesetzes, Drucksachen 12/6991 und der Fraktion der SPD vor. 12/7930 Nr. 1. Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der gemeinsame Aussprache drei Viertelstunden vorge- Ausschußfassung zustimmen wollen, um das Hand- sehen. — Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. — zeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich Dann ist das so beschlossen. Die Kollegen, die nach der Stimme? — Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter der vorherigen Debatte jetzt den Raum verlassen Beratung angenommen. wollen, darf ich mit einem freundlichen Wort verab- Wir treten in die schieden. Ich bitte das Haus zunächst um Zustimmung dazu, dritte Beratung ein. daß der Kollege Dr. Ullmann seinen Beitrag zu Proto- koll gibt.*) Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, möge sich bitte vom Platz erheben. — Wer stimmt dagegen? — *) Anlage 5 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20397

Vizepräsident Hans Klein — Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Das uns nun vorliegende 17. BAföG-Änderungsge- Graf Waldburg-Zeil, der Berichterstatter, wi ll eine setz markiert die Fahrrinne, in der wir uns auch in korrigierende Erklärung abgeben. Zukunft bewegen werden, um finanziell verantwor- tungsvoll ein Optimum an gerechter Förderung zu schaffen. Alois Graf von Waldburg-Zeil (CDU/CSU): Herr (Zuruf von der SPD: Das kann doch nicht Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kolle- wahr sein!) gen! Der Kopierteufel hat uns einen Streich gespielt, und zwar bei der Drucksache 12/7902 Blatt 25. Dort Wenn der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum 17. BAföG-Änderungsgesetz Vokabeln wie „sozial steht nach dem ersten Spiegelstrich ein „und", und - dann folgt nichts. Da gehört ein zweiter Spiegelstrich nicht vertretbar" oder „Verstoß gegen die Chancen- hin, und zwar mit der Formulierung: gleichheit" benutzt, so entspricht das der sozialdemo- kratischen Wahlkampfrhetorik, aber nicht der Reali- die Zahl „1340" jeweils durch die Zahl „1370". tät. Ich bitte das nachzutragen. (Dr. Dietmar Keller [PDS/Linke Liste]: Da Herzlichen Dank. müssen Sie mal mit Studenten reden!) Wir möchten die Freibeträge um jeweils 2 % zum Vizepräsident Hans Klein: Vielen Dank, Herr Kol- Herbst 1994 und 1995 anheben. Die vom Bundesrat lege Graf Waldburg-Zeil. Ich erteile jetzt dem Kolle- geforderte Anhebung der Freibeträge um jeweils 3 % gen Josef Hollerith das Wort. und der Bedarfssätze um 6 % ist finanziell unrea- listisch. Der Bundesrat scheint aber — ungewohnt optimistisch — auf eine wahre Geldflut zu vertrauen, Josef Hollerith (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine wenn er Vorschläge unterbreitet, die in der Zeit von sehr verehrten Damen und Herren! Unser Bildungssy- Herbst 1994 bis Herbst 1996 zu Mehrausgaben von stem gleicht in seiner Manövrierbarkeit in etwa einem 1,2 Milliarden DM für Bund und Länder führen. Öltanker. Will man den Kurs ändern, muß man sehr (Doris Odendahl [SPD]: Das sind ja Traum- früh das Ruder bewegen, und stehen die falschen Kapitäne auf der Brücke, kommt es leicht zur Hava- zahlen!) rie. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir Obwohl das bundesdeutsche Bildungssystem zur stehen für die Solidität unseres Haushaltes, wir stehen Zeit eine Studentensturmflut und die Erblast des für die Solidität und Stärke unserer D-Mark und nicht Sozialismus nach der Wiedervereinigung bewäl tigen dafür, Geld auszugeben, das nicht vorhanden ist. muß, ist das Niveau unserer Ausbildungsförderung (Zuruf von der SPD: Davon haben die Stu international einmalig. denten nichts!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Erfreulich ist immerhin, daß der Bundesrat der Dies ist das Ergebnis eindeutiger Kurskorrekturen Anpassung der Sozialpauschalen, der beabsichtigten und langfristiger Reformarbeit. Aufhebung der Altersgrenze für Studierende, die sich ohne formelle Hochschulzugangsberechtigung ein- (Dr. Dietmar Keller [PDS/Linke Liste]: Bloß, geschrieben haben, und der Erweiterung der Freibei- die Studenten wissen das nicht!) träge für Alleinerziehende zustimmt. Die letzten vier Jahre waren die wich tigsten in (Zuruf von der F.D.P.: Sehr gut ist das!) der Geschichte der Ausbildungsförderung. In das Jahr 1990 fiel die grundlegende Reform durch das Zustimmung ist eine Attitüde, die man dem Bundesrat 12. BAföG-Änderungsgesetz. Die Wiedervereinigung nach seinem Verhalten in den letzten Wochen gar erforderte 1991 eine Ausweitung der Förderungsver- nicht mehr zugetraut hat. waltung auf das Beitrittsgebiet. Die administrativen Parallel zur dargestellten Verbesserung der schuli- Probleme bei der Einführung des BAföG konnten schen und universitären Ausbildungsförderung ha- zügig bewältigt werden. ben wir in den letzten Jahren sehr viel Zeit und Geld Mit dem 15. Gesetz zur Änderung des Bundesaus- investiert, um die Bedingungen auch für die berufli- bildungsförderungsgesetzes haben wir die Bedarfs- che Bildung unserer Jugend zu verbessern. So wurde sätze in den alten und neuen Bundesländern angeho- das Eigenkapitalhilfeprogramm um eine Förderung ben, die Krankenversicherungszuschläge angepaßt, der beruflichen Weiterbildung im gesamten Bundes- die absoluten Freibeträge angehoben und die Pau- gebiet ergänzt. Zu diesem Zweck wurde ein Darle- schale zur Abgeltung der Aufwendungen für die hensvolumen von 600 Millionen DM pro Jahr durch soziale Sicherung angepaßt. Zinszuschüsse verbilligt und durch eine hundertpro- Durch das 16. BAföG-Änderungsgesetz wurde zentige Gewährleistung des Bundes abgesichert. schließlich die Studienabschlußförderung verlän- Trotz dieser Verbesserungen ist die Förderung der gert. beruflichen Weiterbildung noch nicht mit unserem BAföG zu vergleichen. So zahlt der Student nur die (Doris Odendahl [SPD]: Aber nur ungern Hälfte seines BAföG-Darlehens zurück, der Meister- haben Sie das gemacht!) schüler hingegen den Gesamtförderungsbetrag, Damit können Studenten bis zu zwei Semester länger wenn man auch Zinsvergünstigungen in Be tracht gefördert werden, wenn sie innerhalb der regulären ziehen darf. Bei diesem offensichtlichen Ungleichge- Förderungsdauer zur Abschlußprüfung zugelassen wicht sehe ich dringenden Handlungsbedarf für die worden sind. Zukunft. 20398 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Josef Hollerith Ich danke. Topf eine ständig sprudelnde Finanzierungsquelle (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) eröffnet. Nun sind Sie schon so selbstzufrieden geworden, Vizepräsident Hans Klein: Frau Kollegin Doris daß Sie die heute von Ihnen vorgelegte Anhebung der Odendahl, Sie haben das Wort. Elternfreibeträge um jährlich 2 % als Erfolg bejubeln. Ich wollte gerade sagen: „Willkommen, Mr. 2 %." (Zurufe von der SPD) — Herr Kollege, vielleicht können Sie etwas lauter (Eckart Kuhlwein [SPD]: Das waren jetzt die reden, damit auch ich Sie hören kann. Freibeträge und nicht die Wählerstimmen!) - (Heiterkeit) Dazu haben Sie keinen Grund, wie die dem Ausschuß für Bildung und Wissenschaft zugegangenen Stel- Doris Odendahl (SPD): Herr Präsident! Meine lungnahmen beweisen. Damen und Herren! Jetzt reden wir wirk lich zu BAföG. Die Studierendenverbände, Juso-Hochschulgrup- pen, RCDS und liberale Hochschulgruppen, das Deut- (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke sche Studentenwerk, die Hochschulrektorenkonfe- Liste) renz, die Gewerkschaften und das Kommissariat der Es wäre gut gewesen, wenn diese Bundesregierung deutschen Bischöfe warnen vor dieser Poli tik des nach der leidvollen Geschichte von insgesamt zehn Falschsparens. BAföG-Novellen in ihrer Regierungszeit wenigstens einen versöhnlichen Schlußpunkt gesetzt hätte. (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste) (Beifall bei der SPD — Dirk Hansen [F.D.P.]: Und Sie auch!) Auch der Bundesrat hält eine Anhebung der Dies ist nicht geschehen; im Gegenteil beweisen Sie Bedarfssätze um 6 % und der Elternfreibeträge um mit Ihrem heutigen Gesetzentwurf, daß Sie jungen jährlich 3 % für erforderlich. Er verlangt außerdem Menschen den Generationenvertrag für Bildung und Verbesserungen für Studierende in Ostdeutschland Ausbildung, auf den unsere ganze Gesellschaft ange- und den Verzicht auf die im Regierungsentwurf vor- wiesen ist, verweigern wollen. gesehene Zwangsprüfung nach dem zweiten Seme- ster. Ich weiß, Sie halten die Bezeichnung „Studien- (Widerspruch bei der CDU/CSU und der standsnachweis" für sozial verträglicher. Richtig wird F.D.P.) es dadurch dennoch nicht. Die Negativbilanz Ihrer BAföG-Politik ist deprimie- rend. Sie haben 1982 das Schüler-BAföG weitgehend (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke aufgegeben. Liste) (Eckart Kuhlwein [SPD]: Kahlschlag hieß das Nun wollen Sie zwar das Inkrafttreten um ein Jahr, damals!) nämlich auf Herbst 1996, hinausschieben und emp- Sie haben von 1983 bis 1990 die Studentenförderung fehlen gleichzeitig den Ländern, diesen Leistungs- auf Volldarlehen umgestellt und sich bei der Wieder- nachweis nicht nur den BAföG-Geförderten, die Sie einführung eines 50prozentigen Teilzuschusses um ursprünglich für diese Sonderbehandlung vorgesehen die Ungerechtigkeiten bei dabei entstandenen Darle- hatten, sondern allen Studierenden abzuverlangen hensschulden von bis zu 50 000 DM nicht gekümmert. Sie haben die Gefördertenquote von Novelle zu (Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink [F.D.P.]: Novelle reduziert. Sie haben die Probleme der Studie- Das ist auch richtig! Das sagt ja von Mutius renden in Ostdeutschland im Rahmen des BAföG so auch!) schleppend behandelt, daß bei Eltern und Jugendli- — das wäre richtig, wenn die Reform, die durch Ihre chen inzwischen eine Abschreckung vor der Auf- Poli nahme eines Studiums zu befürchten ist. tik ins Stocken gekommen ist, geklappt hät- te —; (Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Dirk Hansen [F.D.P.]: Die Zahlen (Dirk Hansen [F.D.P.]: Machen Sie mit im sprechen für das Gegenteil!) Bundesrat!) — Mein Kollege Hilsberg wird Ihnen das gleich noch dabei übersehen Sie allerdings, daß Leistungskrite- aufzeigen. rien prinzipiell nicht ins Förderungsrecht des Bundes Sie haben die BAföG-Ausgaben des Bundes — jetzt gehören, der Bund seine Gesetzgebungszuständig- hören Sie einmal genau zu, weil es jetzt um Zahlen keiten hier also eindeutig überschreiten würde. geht — (Dirk Hansen [F.D.P.]: Eben! Deswegen müs Die SPD-Bundestagsfraktion legt zu dem Regie- rungsentwurf zur heutigen zweiten Beratung einen sen Sie damit sauber umgehen!) Änderungsantrag vor, der sich im wesentlichen mit von 2,4 Milliarden DM im Jahre 1982 für die alten den Forderungen des Bundesrats deckt. Länder auf gerade noch 2,3 Milliarden DM im Haus- halt 1994 für Gesamtdeutschland bei um rund 50 % (Dirk Hansen [F.D.P.]: Dachte ich es mir gestiegenen Studierendenzahlen und bei einer Infla- doch! — Josef Hollerith [CDU/CSU]: Typisch tionsrate in diesem Zeitraum von 50 % drastisch ver- SPD, Geld ausgeben, das sie nicht hat! — mindert und dem Finanzminister aus dem BAföG- Weitere Zurufe von der CDU/CSU) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20399

Doris Odendahl — Das dachten Sie sich, nicht wahr? Das ist ja auch renden neben dem Studium arbeiten, um den Lebens- nicht überraschend. unterhalt zu sichern. (Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink [F.D.P.]: (Eckart Kuhlwein [SPD]: Die Partei der Bes Wir werden das ablehnen!) serverdienenden ist fein heraus! — Lieselott Blunck [Uetersen] [SPD]: Sie hält auch nichts Zur dritten Beratung legen wir einen Entschließungs- von Chancengleichheit! Weitere Zurufe von antrag vor, mit dem die Bundesregierung aufgefordert der SPD und der F.D.P.) wird — Soll ich jetzt warten, Herr Präsident? Die unterhal- (Zurufe von der CDU/CSU) ten sich unter sich so gut. - — ich kann viel lauter schreien als Sie, denn ich habe Dies hat zu einer Verlängerung der Studienzeiten ja ein Mikrophon —, bis zum 1. September 1994 einen und zu einer Erhöhung der Abbrecherquoten beige- umfassenden Be richt über die Auswirkungen des 1. tragen. Die Nichtanpassung der Bedarfssätze wie die und des 2. Spar-, Konsolidierungs- und Wachstums- unzureichende Anhebung der Freibeträge gefährden programms auf den Familienlastenausgleich und auf daher auch die angestrebte Studienstrukturreform Studienwahl- und Studierverhalten sowie Ände- und stehen in krassem Widerspruch zu den hochschul- rungsvorschläge zur Vermeidung von negativen Aus- politischen Aussagen dieser Bundesregierung. wirkungen vorzulegen. Beide Gesetze haben Sie in (Beifall bei der SPD) größter Eile und ohne die notwendige sorgfältige Prüfung mit der heißen Nadel gestrickt. Sie nehmen mit Ihrer Verweigerung in Kauf, daß sich immer weniger Studierende auf ihr Studium Die mit den Einsparungen beim Kindergeld von konzentrieren können, weil sie mit ihrem BAföG nicht Ihnen verursachten negativen Auswirkungen treffen mehr über die Runden kommen. Immer mehr werden insbesondere begabte Studierende aus kinderreichen deshalb von vornherein auf ein Studium verzichten Familien. Sie betreffen Auszubildende, bei denen ein müssen oder aber die nächste Seminararbeit beim Job oder beide Elternteile im öffentlichen Dienst beschäf- am Hamburger-Grill oder beim Taxifahren vorberei- tigt sind. Sie betreffen insbesondere behinderte Stu- ten. dierende und führen zu teilweise dramatischen Ein- schnitten im Familieneinkommen. Betroffen ist, wie bereits in den 80er Jahren, vor allem der Mittelstand. Für ein vernünftiges BAföG Entgegen den Vereinbarungen zum Solidarpakt verdienen die Eltern zuviel, für den nötigen Tausen- vom Frühjahr 1993 hat die Bundesregierung im Rah- der im Monat für die studierenden Kinder aber viel men ihres SKWP beschlossen, auf die Anhebung der zuwenig. Gerade für die F.D.P.-Mitglieder und somit Bedarfssätze und Freibeträge im BAföG zum Herbst auch für den Bildungsminister in der Regierungskoali- 1994 zu verzichten. Insofern waren auch Ihre Ausfüh- tion ist das eine ganz logische Entwicklung. So wer- rungen im 10. Bericht nach § 35 BAföG bereits vorher den nur noch Besserverdienende auch Besserstudie- gegenstandslos, obwohl Sie sie noch in Umlauf rende. gebracht hatten. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Zwar hat die Bundesregierung in ihrer Gegenäuße- Ihr Argument, daß das notwendige Geld einfach rung zur Stellungnahme des Bundesrates nunmehr nicht vorhanden ist, zieht nicht. Sowohl im Haushalts- eine Erhöhung der Freibeträge um jeweils 2 % zum ansatz des Bundes für 1994 wie auch bei den Ländern Herbst 1994 und Herbst 1995 als Trostpflaster zuge- sind die erforderlichen Mittel im BAföG-Titel enthal- standen. ten. Wer hier am falschen Ende spart, wirft letztlich (Dirk Hansen [F.D.P.]: 2 % ist nichts?) viel mehr Geld zum Fenster hinaus. — Ein Trostpflaster. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wenn nämlich durch die notwendigen Nebenjobs die (Dirk Hansen [F.D.P.]: Mehr als 0 %!) Studienzeiten unnötig verlängert werden und der Allerdings hat sie lediglich angeboten, zu prüfen, ob wissenschaftliche Nachwuchs häufiger mit der G rill- zusätzlich eine Anhebung der Bedarfssätze im Herbst soße als mit dem Reagenzglas hantieren muß, kann 1995 vertretbar ist. Dieses Trostpflaster ist jedoch in man sich die ganze Diskussion um eine Studienreform keiner Weise ausreichend, gemessen an den sozialpo- schenken. litischen Zielen des Gesetzes, an die Sie sich offenbar (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke alle gemeinsam nicht mehr erinnern können. Liste) Der Gesetzentwurf verstößt weiterhin gegen den Genauso unglaubwürdig ist dann das Jammern Grundsatz der Chancengleichheit. um den Forschungsrückstand der Bundesrepublik (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Deutschland in der Welt. Von nichts kommt nichts, Liste) oder: Wer nachher Nobelpreise einheimsen will, muß vorher investieren. Sie waren in Ihrer Partei auch einmal dafür, als es eingerichtet wurde. Er verstößt gegen die Chancen- gleichheit, da er einseitig junge Menschen aus beson- ders einkommensschwachen Familien trifft. Schon in Vizepräsident Hans Klein: Frau Kollegin Odendahl, der Vergangenheit mußte ein wesentlicher Teil der der Kollege Lammert würde gerne eine Frage an Sie geförderten bzw. der nicht mehr geförderten Studie- stellen. 20400 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Doris Odendahl (SPD): Aber gerne, Herr Präsi- Erhöhung der Elternfreibeträge zum Herbst 1995 dent. vertretbar ist. (Zuruf von der F.D.P.: Sehr gut!) Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU): Frau Kollegin Es wird also weiterhin eine finanzielle Unterstützung Odendahl, das mit der Grillsoße hat mir gut gefallen. für Studierende geben, aber natürlich leider nicht in Trotzdem möchte ich Sie gern fragen: Wie erklären der Höhe, in der viele von uns in diesem Hause — ich Sie sich, daß die durchschnittlichen Studienzeiten in spreche da sicher für alle, die jetzt hier sitzen — es als den Jahren und Jahrzehnten der Nachkriegsge- angemessen empfinden würden. schichte, in denen die wenigsten öffentlichen Förde- rungsmöglichkeiten für die Finanzierung des Lebens-- (Zuruf von der F.D.P.: Das ist richtig!) unterhalts der Studierenden zur Verfügung gestan- Die Mehraufwendungen belaufen sich immerhin auf den haben, am geringsten waren? — Die sollen rund 220 Millionen DM. während des Studiums auch nicht alle verhungert sein. Eine zweite wichtige Maßnahme ist die Aufhebung der Altersgrenze von 30 Jahren für solche Studie- rende, die über die berufliche Bildung zur Hochschule Doris Odendahl (SPD): Herr Kollege Lamme rt, als kommen. Hierdurch wird endlich mit der Gleichwer- Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministe- tigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung rium für Bildung und Wissenschaft kann Ihnen nicht Ernst gemacht. entgangen sein, daß sich die Studiensituation insbe- sondere in den letzten zehn Jahren Ihrer Regierungs- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) zeit dramatisch verschlechtert hat. Diese Berufstätigen, die in einigen Bundesländern (Beifall bei der SPD) ohne formelle Hochschulzugangsberechtigung zu Von daher erklärt sich das ganz, ganz einfach. bestimmten Studiengängen zugelassen werden, wer- den nun auch Leistungen nach dem BAföG erhalten. Meine Damen und Herren, Sie sollten endlich mit Das ist neu. dem längst fälligen Generationenvertrag E rnst machen und den jungen Menschen für ihre Bildung (Zuruf von der F.D.P.: Na bitte!) und Ausbildung das sicherstellen, worauf sie und Ein dritter wesentlicher Punkt ist die Berücksichti- damit auch wir zur Gestaltung der Zukunft angewie- gung der besonderen finanziellen Belastungen sen sind. Alleinerziehender bei der Darlehensrückzahlung. Vielen Dank. Auch bei diesen wird sich der Freibetrag um die (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke notwendigen Kosten der Kinderbetreuung erhöhen. Liste) Meine Herren, meine Damen, wenn die von uns allen geforderten Bildungsstrukturreformen gelingen Vizepräsident Hans Klein: Frau Kollegin Dr. Mar- sollen — da stimme ich mit Ihnen völlig überein, Frau gret Funke-Schmitt-Rink, Sie haben das Wort. Odendahl —, dann muß die Poli tik die Studierenden in die Lage versetzen, ihr Studium zügig abzuschließen, (Zuruf von der F.D.P.: Zur Wirklichkeit!) und dies impliziert den Verzicht auf übermäßiges Jobben, nicht auf Jobben, aber auf übermäßiges Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink (F.D.P.): Herr Prä- Jobben. sident! Meine Herren! Meine Damen! Liebe Frau (Unruhe bei der SPD) Odendahl, Bildung ist Bürgerrecht. Unsere gemeinsamen Reformziele, auf die wir uns (Doris Odendahl [SPD]: Das ist wahr!) hier geeinigt haben, sind folgende. Dank der hartnäckigen Bemühungen unseres Bun- desbildungsministers, Herrn Laermann, (Eckart Kuhlwein [SPD]: Ab morgen gehören die Studierenden zu den Besserverdienen (Beifall bei der F.D.P.) den!) ist es gelungen, Verbesserungen in der Ausbildungs- — Hören Sie endlich damit auf! — Erstens. Verkür- förderung bereits vor 1996 zu erreichen. Die Eltern- zung von Schul- und Studienzeiten und Einführung freibeträge werden im Herbst 1994 und 1995 jeweils von Wettbewerbselementen, von finanziellen Anreiz- um 2 % erhöht. Auf Grund dieser Verbesserungen mechanismen sowie von privatwirtschaftlichen Füh- können die Belastungen durch die gestiegenen rungs- und Managementtechniken im Hochschulbe- Lebenshaltungskosten, die Studentenhaushalte in reich. besonderem Maße treffen, abgemildert werden. (Zuruf von der F.D.P.: Hört! Hört!) Das zweite wesentliche Ziel, das wir erreichen müssen, ist die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit Durch die Erhöhung der Freibeträge, wie sie jetzt der beruflichen Bildung gegenüber Schule und Hoch- ansteht, soll vermieden werden, daß gerade Bezieher schule mit Hilfe eines Bündels abgestimmter bil- mittlerer Einkommen aus der BAföG-Förderung her- dungs-, arbeitsmarkt- und tarifpolitischer Maßnah- ausfallen. Das sind immerhin Zehntausende von men. Eltern. Meine Herren, meine Damen, wir müssen in die Bundesminister Laermann konnte ebenfalls errei- Zukunft sehen. chen, daß die Bundesregierung Anfang 1995 prüfen muß, ob die Anhebung der Bedarfssätze zusätzlich zur (Zuruf von der F.D.P.: Sehr wahr!) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20401

Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink Nicht allein in der Bundesrepublik denken Politik, Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat der Kollege Hochschulen und Studierende über die Finanzierung Dr. Dietmar Keller. des Bildungswesens nach. Ich nenne nur einige Stich- worte aus dieser Diskussion, u. a. in dem neuen Buch von Michael Daxner hervorragend dargestellt: Dr. Dietmar Keller (PDS/Linke Liste): Herr Präsi- dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als (Zuruf von der F.D.P.: Daxner! Stellen Sie unsere Debatte begann, habe ich gedacht, es liege ein sich mal vor!) Regiefehler vor. Offensichtlich aber war es nicht so. Bildungsgutscheine —ja oder nein? Gehalt für Studie- Ich hätte mir gewünscht, Herr Holle rith hätte die rende — ja oder nein? Akademikersteuer - ja oder Druckfehler vorgetragen und Sie, Herr Graf von nein? - Waldburg-Zeil, hätten zu dieser Frage gesprochen, weil ich Sie als einen sehr sachverständigen und Auch in anderen europäischen Ländern gibt es kein vernünftigen Bildungspolitiker betrachte, der hier Finanzierungsmodell, das allen Ansprüchen wie bestimmt hätte sagen können: Wir würden ja gern, soziale Gerechtigkeit, Förderung der Wissenschaft, aber wir können nicht! Anhebung des Bildungsniveaus und Einsparung in Es hat keinen Zweck, daß wir hier etwas schönre- den Haushalten gleichzeitig gerecht würde. Alle den- ken! den, was nicht schön ist. Ich glaube, zur Ehrlichkeit der Politik gehört, zu sagen: Wir sollen heute ein Ein erster Schritt in Richtung auf eine gerechte Gesetz verabschieden, das nicht sozial ist und das die Finanzierung des Bildungswesens könnte eine Neu- tiefen Gräben, die es zwischen Ost und West gibt und ordnung des Familienlastenausgleichs im Sinne des die nicht die PDS gezogen hat, vertiefen wird. Bürgergeldsystems sein, wie es von der F.D.P. gefor- (Dr. Kurt Faltlhauser [CDU/CSU]: Sie haben dert wird. Der Einstieg in das Bürgergeld soll die die Gräben gebaut, nicht gezogen! — Eckart kombinierte Berechnung und Vergabe von Kinder- Kuhlwein [SPD]: Die politischen Väter haben geld, Erziehungsgeld und Ausbildungsförderung erst einmal gemauert, nach oben!) sein. — Ach, passen Sie auf: Wir sind jetzt seit vier Jahren in Erstens. Kindergeld soll einerseits Bürgergeldemp- der neuen Bundesrepublik. Wie lange wollen wir fängern als Zuschuß gezahlt werden. Steuerpflichtige denn noch über die Fehler der SED reden? ihrerseits sollen einen zusätzlichen Steuerfreibetrag erhalten. (Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink [F.D.P.]: 40 Jahre mindestens!) Zweitens. An der Stelle des Erziehungsgeldes soll — 40 Jahre noch? Dann sind Sie alle nicht mehr hier. einem kindererziehenden Elternteil ein zusätzlicher Dann werden ganz andere Generationen hier sein; es Bürgergeldanspruch — Zuschuß bzw. Freibetrag — wird eine ganz andere Zusammensetzung dieses für die Dauer von drei Jahren Parlaments bestehen. Die werden über die Argu- (Zuruf des Abg. Eckart Kuhlwein [SPD]) mente, die Sie bringen, um Ihre Fehler und Fehlent- — hören Sie doch einmal zu; Sie verstehen es offen- scheidungen zu rechtfertigen, lachen. sichtlich nicht — Natürlich können Sie sagen, daß die SED Fehler gemacht hat. Die Studenten in der DDR aber waren (Eckart Kuhlwein [SPD]: Ich habe es längst sozial unabhängig; sie waren sogar sozial unabhängig verstanden!) von ihrem Elternhaus, gewährt werden. Aus diesem Be trag sollen Kinderer- (Beifall bei der PDS/Linke Liste) ziehende auch Aufwendungen für die private Alters- und sie mußten nicht jobben. Sie konnten ihr Studium vorsorge bestreiten können. in der vorgegebenen Zeit beenden. Das können Sie Drittens: Ausbildungsförderung. Anstelle des bis- nicht wegstreichen. herigen Systems von BAföG und steuerlichen Ausbil- ( [CDU/CSU]: Aber nur, wenn dungsfreibeträgen wird ein Bürgergeldanspruch ein- sie studieren durften, Herr Keller! — Dr. Mar rt, ob der oder die geführt, der u. a. danach differenzie gret Funke-Schmitt-Rink [F.D.P.]: Aber wer Studierende weiterhin zum Haushalt der Eltern gehört hat das bezahlt?) oder einen eigenen Haushalt begründet. — Leider kann ich wegen der knappen Zeit nicht auf Einzelhei- ten eingehen. Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Keller, Fazit: Meine Herren, meine Damen! Meine Damen, gestatten Sie eine Zwischenfrage? meine Herren! Wenn wir die immer weiter expandie- renden Bildungsansprüche bejahen, dann müssen wir Dr. Dietmar Keller (PDS/Linke Liste): Immer, Herr die herkömmliche BAföG-Regelung grundlegend Präsident. verbessern oder ohne falsche Scham neue Finanzie- rungsmodelle entwickeln. In jedem Fall gilt: Ziel muß die Chancengleichheit für alle jungen Menschen Dirk Hansen (F.D.P.): Lieber Herr Keller, ich bin jetzt bleiben; das ist wohl Konsens in diesem Haus. Bildung doch sehr erschrocken über Ihre Bemerkung, die mit ist Bürgerrecht, aber das Problem der Bildungsfinan- BAföG gar nichts zu tun hat, die eher eine sehr zierung darf bei uns nicht länger tabuisiert werden. grundsätzliche Sache angeschnitten hat. Deshalb muß ich Sie fragen: Sind Sie wirklich der Auffassung Vielen Dank. — wenn man Ihre Aussage analog auf die zwölf Jahre (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) des Dritten Reiches bezieht —, daß man nach 1945, 20402 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Dirk Hansen von mir aus auch nach 1949, nicht mehr darüber hätte Aber bleiben wird es: Mit dieser BAföG-Änderung reden sollen, werden die Studenten nicht weniger jobben. Bleiben (Doris Odendahl [SPD]: Das ist unglaub werden viele soziale Ungerechtigkeiten. Der Weg der lich!) Ärmeren und sozial Schwächeren zum Studium wird komplizierter werden. Wir werden mit dieser Geset- so wie Sie es für die Zeit der SED-Diktatur hier zesänderung die Studienzeiten nicht reduzieren. beanspruchen? Lassen Sie uns über diese Probleme so offen reden, wie es erforderlich ist. Lassen Sie die Probleme nicht hinter einem Nebelvorhang eines Wahlkampfes ver- (PDS/Linke Liste): Sie werfen schwinden, denn es geht um Studenten. Es geht um Dr. Dietmar Keller - eine Frage auf, die wir morgen früh ausdiskutieren junge Menschen, die in wenigen Jahren hier in werden, Herr Kollege Hansen. diesem Parlament sitzen werden, Sie wissen, daß ich an diesem Pult mehr Selbstkritik (Zuruf von der CDU/CSU: Hoffentlich nicht und Buße getan habe als viele andere in diesem alle!) Haus. die anderswo in Wirtschaft und Wissenschaft Verant- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) wortung tragen werden und die über den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Deutschland zu entschei- Ich denke mir, daß noch mehr Buße und noch mehr den haben. Ich denke, es geht darum, in dieser Selbstkritik die Probleme der Studenten nicht lösen. Verantwortung zu reden, nicht aber darum, uns Auch die Diskussion über die Geschichte Deutsch- gegenseitig etwas vorzumachen. lands nach 1900 wird die Probleme, die im Augenblick bestehen, nicht lösen, Herr Kollege. Ich danke Ihnen. Ich darf Sie daran erinnern, daß Ihr Kollege Ortleb (Beifall bei der PDS/Linke Liste) hier an seinem letzten Tag als Bundesminister die Regierungserklärung gegen seinen Willen begründet hat und daß am nächsten Tag der neue Bundesmini- Vizepräsident Hans Klein: Ich erteile das Wort dem ster Laermann hier gesagt hat, er werde alles tun, um Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Profes- das zu verändern — sor Karl-Hans Laermann. (Zuruf der Abg. Dr. Margret Funke-Schmitt Rink [F.D.P.]) Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann, Bundesminister für — lassen Sie mich doch aussprechen, verehrte Kolle- Bildung und Wissenschaft: Herr Präsident! Meine sehr gin —, was ich ehre und schätze. Und daß er sich verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung bemüht hat, ehre und schätze ich auch. Daß er nicht schlug im Entwurf zum 17. BAföG-Änderungsgesetz alles erreicht hat, liegt an der Kompliziertheit der eine Reihe von Verbesserungen vor und zog insoweit Politik. Schlußfolgerungen aus dem 10. Bericht nach § 35 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes. Ich möchte, Aber daß man den Mut haben muß, zu sagen, wir um hier einmal wieder auf die sachlichen Inhalte des sind nicht in der Lage, a lles das zu lösen, was wir lösen BAföG-Änderungsgesetzes zu sprechen zu kommen, müßten, wir sehen die Probleme, und die Probleme drei Maßnahmen hervorheben, auf die die Kollegin tun uns weh, aber wir können sie nicht lösen, gehört Funke-Schmitt-Rink schon hingewiesen hat. auch dazu, um den Menschen vor Ort unsere Poli tik zu Erstens. Die ent- erklären, damit sie sie verstehen. Aber wenn Herr Anpassung der Sozialpauschalen sprechend dem Anstieg der Beiträge zur Sozialversi- Hollerith hier auftritt und so tut, als wäre das die letzte cherung am 1. Januar 1994. Diese Anpassung sichert Lösung und die beste Lösung für die Studenten, dann die Ermittlung des realen Nettoeinkommens der kann ich nur sagen: Mit dieser Rede können Sie nicht Eltern als Berechnungsbasis der Förderungsleistun- einmal auf einer RCDS-Versammlung an einer Uni- gen und führt damit grundsätzlich zu einer höheren versität im Osten Deutschlands bestehen. Förderungsleistung. (Beifall bei der PDS/Linke Liste — Gerlinde Nach der verbindlichen Festlegung der Bundesre- Hämmerle [SPD]: Da geht er ja auch nicht gierung im 10. Bericht und der Beschlußempfehlung hin!) des federführenden Bundestagsausschusses für Bil- — Das kann ich nicht beurteilen, weil ich andere dung und Wissenschaft werden die Sozialpauschalen Aufgaben habe, als ihn zu verfolgen und zu beobach- so gestaltet sein, daß sie auch bereits die Beiträge zur ten, was er macht. Pflegeversicherung berücksichtigen, nachdem das Plegeversicherungsgesetz zwischenzeitlich verab- (Erich G. Fritz [CDU/CSU]: Das mit dem schiedet worden ist. Verfolgen wollen wir auch sein lassen in Zukunft!) Zweitens. Durch die Aufhebung der Altersgrenze von 30 Jahren für solche Studierenden, die über die — Ach, wissen Sie, die deutsche Sprache ist eine so berufliche Bildung zur Hochschule kommen, soll reiche Sprache, daß man zu jedem Begriff zehn sichergestellt werden, daß Berufstätige ohne formelle verschiedene Interpreta tionen vornehmen kann. Ich Hochschulzugangsberechtigung, die in einigen Bun- hatte eine Interpreta tion, die Sie gerade nicht gehabt desländern zu bestimmten Studiengängen zugelassen haben. werden, auch Leistungen nach dem BAföG erhalten (Erich G. Fritz [CDU/CSU]: Aber nach jeder können. Ich denke, über dieses Thema werden wir Geschichte kann man wieder fragen!) auch an anderer Stelle noch zu reden haben. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20403

Bundesminister Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Drittens: die Berücksichtigung der besonderen Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, habe ich finanziellen Belastungen Alleinerziehender bei der mich seit meinem Amtsantritt — zwei Tage nach dem Darlehensrückzahlung. Bei alleinerziehenden Darle- Kabinettsbeschluß zum 17. BAföG-Änderungsge- hensnehmern soll sich künftig der Freibetrag vom setz — dafür eingesetzt, die BAföG-Leistungen mög- eigenen Einkommen um einen Betrag zur Abgeltung lichst noch vor 1969 zu verbessern. notwendiger Aufwendungen zur Kinderbetreuung (Zurufe von der CDU/CSU: 1996!) entsprechend § 33 c des Einkommensteuergesetzes erhöhen. — Da waren nun keine Nullen im Spiel, da war ein anderer Dreher d rin. Nun hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 18. März 1994 eine Anhebung der Bedarfssätze - (Lieselott Blunck [Uetersen] [SPD]: Doch, da zum Herbst 1994 um 6 % und eine Anhebung der war eine Null im Spiel! — Eckart Kuhlwein Freibeträge zum Herbst 1994 und 1995 um jeweils 3 % [SPD]: Ein leichter Anfall von Legasthenie!) empfohlen. — Da können Sie einmal sehen, wie notwendig es ist, (Doris Odendahl [SPD]: Das wäre das Mini daß wir viel mehr in die Bildung investieren. mum!) (Heiterkeit im ganzen Hause — Zuruf von der Eine Realisierung dieser Anhebungen und der weite- CDU/CSU: Legasthenie und Bildung ist ein ren empfohlenen Maßnahmen würde, verehrte Frau bißchen schwierig!) Kollegin Odendahl, im Zeitraum vom Herbst 1994 bis Die Bundesregierung hat auf meinen Vorschlag hin zum Herbst 1996, also für nur zwei Jahre, zu Mehraus- in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bun- gaben bei Bund und Ländern von insgesamt 1,2 Mil- desrates dementsprechend vorgeschlagen, die Frei- lionen DM führen. beträge um jeweils 2 % zum Herbst 1994 und Herbst (Zuruf von der CDU/CSU: Milliarden!) 1995 zu erhöhen. Mit der Einbeziehung der Pflegever- sicherungsbeiträge in die Sozialpauschale belaufen — Milliarden DM, ich bitte um Entschuldigung. sich nunmehr die Mehraufwendungen bei Bund und (Eckart Kuhlwein [SPD]: Auch Schwierigkei Ländern allein im Jahre 1995 auf 190 Millionen DM. ten mit den Nullen?) Dies ist aus Sicht der Bundesregierung gegenwärtig die Obergrenze dessen, was finanzwirtschaftlich an — Ja, vor allen Dingen, wenn sie hinter dem Komma Ausgabensteigerungen beim BAföG zu verantworten stehen. ist. Die Bundesregierung wird jedoch schon Anfang Eine derartige Ausgabensteigerung ist wegen der nächsten Jahres prüfen, ob zum Herbst 1995 auch eine notwendigen Haushaltskonsolidierung nicht zu ver- Anhebung der Bedarfssätze in Be tracht kommt. Ich antworten. meine, daß insbesondere die Erhöhung der Freibe- Ich möchte auf einige Anmerkungen von Frau träge deshalb wichtig ist, weil sonst die Zahl der Kollegin Odendahl eingehen. Das BAföG ist sozusa- Geförderten weiter stark rückläufig wäre. Hier gilt es gen ein wesentliches Element des Familienlastenaus- auch, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. gleichs, durch den der Staat soziale Unterschiede (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) auszugleichen sucht. Es dient der Verwirklichung der Chancengleichheit im Bildungswesen, es dient der Frau Odendahl, ich wollte noch eingehen auf die Ausschöpfung der Begabungsreserven und ist im Frage der Zwangsprüfungen, wie Sie es genannt übrigen auch ein verfassungsrechtliches Gebot, das haben. aus dem Sozialstaatsprinzip in Art. 20 des Grundge- (Doris Odendahl [SPD]: Leistungsnach setzes folgt. Aber, meine sehr verehrten Damen und weise!) Herren, diese Pflicht steht unter dem Vorbehalt des Die Bundesregierung empfiehlt auch ein späteres Möglichen im Sinne dessen, was der einzelne ver- Inkrafttreten des im Regierungsentwurf ursprünglich nünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen vorgesehenen Studienstandsnachweises nach dem kann. Hierbei stütze ich mich auf ein Urteil des zweiten Semester. Statt 1995 soll diese Regelung erst Bundesverfassungsgerichtes. 1996 eingeführt werden, und zwar als Orientierungs- Herr Keller, es ist wohl richtig, wenn Sie Offenheit hilfe für alle Studierenden und nicht als ein Instrument und Ehrlichkeit einfordern. Aber so ist die finanzielle einer Reglementierung von Studierenden. Situation von Bund und Ländern. Sie macht bei vielen (Dirk Hansen [F.D.P.]: Aber das wollen die ja Leistungsgesetzen Einschränkungen erforderlich. nicht begreifen! — Zuruf von der SPD: Zum Teil mußten sogar erhebliche Eingriffe vorge- Gestern hieß es anders!) nommen werden. Ich erinnere nur an die Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes. Vor diesem Hinter- Die Bundesregierung geht davon aus, daß bis dahin grund sind Ausgabensteigerungen beim BAföG in die Hochschulen und Fachbereiche im Rahmen der Milliardenhöhe im Zeitraum von zwei Jahren aus Studienreform die entsprechenden unbürokratischen Sicht der Bundesregierung nicht vertretbar. Regelungen gefunden haben und solche Studienbe- dingungen geschaffen werden, die es den Studieren- (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: den ermöglichen, in der Anfangsphase ihres Studiums Auch objektiv nicht!) eine Orientierung über ihre eigenen Fähigkeiten, Ich würde mich sehr wundern, wenn die Länder denn über ihre eigenen Leistungsmöglichkeiten zu fin- in der Lage wären, solche Milliardenbeträge aufzu- den. bringen. (Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Weng [Gerlin (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) gen] [F.D.P.]) 20404 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Bundesminister Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Dies setzt im übrigen eine nachhaltig bessere Bera- Vizepräsident Hans Klein: Herr Bundesminister, es tung und Betreuung der Studienanfänger voraus. sieht wie Verabredung aus, als ob Ihnen einige (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Kollegen noch mehr Redezeit besorgen wollten. Peter Doris Odendahl [SPD]: Das ist richtig!) Harry Carstensen möchte auch gern eine Frage stel- len. Wenn Sie, Frau Kollegin Odendahl, davon spre- chen, daß sich die Studiensituation in den letzten zehn Jahren dramatisch verschlechtert habe, sollten wir hier in aller Offenheit darüber diskutieren, wer denn Peter Harry Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Herr Minister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu neh- dies zu verantworten hat; denn schließlich und letzten men, daß die Zeit, die der Kollege Kuhlwein gerade Endes sind für die Situation, für die Infrastruktur und- die Personalsituation an den Hochschulen doch die angesprochen hat, die Zeit war, in der ich Examen gemacht habe, und daß das damals wohl nicht so Lander zuständig. schlecht gewesen sein kann? (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Das (Heiterkeit im ganzen Hause — Eckart Kuhl hat sich natürlich nicht für den SPD-Wahl wein [SPD]: So lange hast du gebraucht! Da kampf geeignet!) siehst du ganz schön alt aus!) Ich will hier nicht das Schwarze-Peter-Spiel betrei- ben. Wir wissen, daß auch noch andere Aufgaben auf Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann, Bundesminister für uns zukommen, für deren Lösung ich mich einsetzen Bildung und Wissenschaft: Herr Abgeordneter Car- werde. Aber so zu tun, als ob das allein darauf stensen, ich kann Ihnen bestätigen, daß Sie zu dieser zurückzuführen sei, daß die Bedarfssätze nach dem Zeit studiert haben; aber hinsichtlich des übrigen Bundesausbildungsförderungsgesetz nicht erhöht möchte ich mich eines persönlichen Urteils enthal- würden, und dies die Ursache für die miserable ten. Studiensituation an manchen Hochschulen sei, ist doch wohl nicht hinnehmbar. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD — E rich G. Fritz [CDU/CSU]: Das schlägt auf die (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — F.D.P. zurück!) Dirk Hansen [F.D.P.]: Schlicht unehrlich! — Peter Harry Carstensen [Nordstr and] [CDU/ Ich kenne und schätze Sie als einen sehr angenehmen CSU]: Das gilt besonders in Schleswig-Hol und einen humorvollen Menschen. stein! — Abg. Eckart Kuhlwein [SPD] meldet (Eckart Kuhlwein [SPD]: Er möchte einmal sich zu einer Zwischenfrage) anerkannt werden!) Ich kann auch bestätigen, daß Sie über ein hohes Maß Vizepräsident Hans Klein: An sich ist die Redezeit an Bildung verfügen. des Herrn Ministers abgelaufen. (Eckart Kuhlwein [SPD]: Er hat nur zehn (Eckart Kuhlwein [SPD]: Aber er ist noch voll Jahre studiert! — Heiterkeit im ganzen im Fluß! — Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] Hause) [F.D.P.]: Aber wenn Sie sagen, Ende der Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine Debatte!) Redezeit ist abgelaufen. Ich möchte zum Schluß kom- Aber wenn Sie Ihre Frage stellen und der Herr men. Minister noch antwortet, dann bitte. Herr Keller, ich behaupte nicht, daß das, was an Vorschlägen auf dem Tisch liegt, die Ideallösung ist. Eckart Kuhlwein (SPD): Herr Bundesminister, ist es Wir werden Ideallösungen wohl nie erreichen, aber richtig, daß von ungefähr Mitte der siebziger Jahre bis wir werden uns ständig bemühen, eine Ideallösung Ende der achtziger Jahre die Mehrheit der Länder von anzustreben. Unionsregierungen regiert wurde, teilweise mit Betei- Äußerungen für, aber auch Kritik und Einwände ligung der F.D.P., und daß die Fehler in der Wissen- gegen das Bundesausbildungsförderungsgesetz und schaftspolitik, die in diesen Jahren gemacht worden die jetzt zu verabschiedenden Änderungen sind mir sind, heute zu diesen Verhältnissen in den Hochschu- hinlänglich bekannt. Unter den gegebenen Umstän- len führen? den bitte ich aber um Zustimmung für die 17. Ände- rungsnovelle in der vorliegenden Fassung. Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann, Bundesminister für Danke schön. Bildung und Wissenschaft: Herr Kollege Kuhlwein, (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) dieses kann ich so nicht bestätigen. Außerdem habe ich mich in meinen Ausführungen, was die Länder betri fft, nicht auf Parteien, sondern auf die Landesre- Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat der Kollege gierungen bezogen. Ich meine, daß Sie bitte zur Stephan Hilsberg. Kenntnis nehmen sollten, wer an welchen Hochschu- len die Situation nun wirklich verbessern muß. Ich sage: Das gilt für alle L ander. Da Sie aber zur Zeit die Stephan Hilsberg (SPD): Herr Präsident! Meine Mehrheit in den Ländern stellen, müssen Sie sich den Damen und Herren! Manchmal hat die Debatte in Schuh jetzt schon anziehen. diesem Rund schon etwas Gespenstiges, vielleicht (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) gerade weil zum Schluß noch einmal Heiterkeit auf- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20405

Stephan Hilsberg gekommen ist. Aber was den Teil davor betrifft, ist das bis 180 Milliarden DM. Das kann nun wirklich nie- alles schon ein bißchen bemerkenswert. mand finanzieren. (Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Daran (Peter Harry Carstensen [Nordstrand] [CDU/- sind Sie gescheitert!) CSU]: Das kriegen Sie schon wieder weg! — Heiterkeit bei der CDU/CSU) Wenn ich jetzt auf die Situation in der DDR zurück- greife — dort war zwar jeder einigermaßen sozial — Ich weiß nicht, ob Sie wissen, worüber Sie hier gesichert, aber auf welchem Niveau und zu welchem reden. Preis! —, dann muß ich feststellen (Erich G. Fritz [CDU/CSU]: Ausbeutung der (Peter Harry Carstensen [Nordstrand] [CDU/- Substanz war das!) CSU]: Doch, das weiß ich schon!) — genau, das war eine Ausbeutung der Substanz —: Es geht hier um 300 000 Studenten, die BAföG- Diese Verringerung des Kapitalstocks war ursächlich Empfänger sind. für den wirtschaftlichen Niedergang. Das war damals Ihr Problem. Aber es geht noch um viel mehr. Es geht nämlich um Erst wenn Sie realistische Konzepte vorzeigen, die Frage, wie und in welchem politischen Klima unter kann man mit Ihnen darüber reden. Selbstverständ- veränderten politischen Kräftebedingungen hier mit- lich können Sie uns an Fehlern und Unzulänglichkei- einander umgegangen wird. Es ist nicht damit get an, ten messen. Aber dann müssen Sie sich selber zuerst wie Sie, Frau Funke-Schmitt-Rink, beruhigt davon zu an dem messen lassen, was die SED in den 40 Jahren reden, daß die Situation der mittleren Einkommens- angestellt hat. empfänger ganz in Ordnung sei. Haben Sie, wenn Sie das sagen, wirklich die Situation Ostdeutschlands im (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der Blick? Sie entfalten hier Ihre Bürgergeldtheorie und F.D.P.) merken dabei vielleicht gar nicht, daß die Politik, die Sie machen, an den Interessen der Bürger, die Sie Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege, gestatten vertreten wollen, vorbeigeht. Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ke ller? — Bitte. (Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink [F.D.P.]: Eben nicht!) Dr. Dietmar Keller (PDS/Linke Liste): Herr Kollege Denn das, was die BAföG-Novelle jetzt bringt, ist den Hilsberg, ich wußte nicht, daß Sie sich für die gegen- Bürgern zuwenig. wärtige Politik der Bundesregierung verantwortlich fühlen. Auch die Kontroverse, die wir hier mit Herrn Keller (Zuruf von der CDU/CSU: M an kann doch erlebt haben, ist in gewisser Hinsicht bezeichnend. ehrlich darüber reden!) Darauf muß man einfach eingehen, weil der Zusam- Ich habe nicht gefordert, daß alle Studenten über menhang zwischen der Bearbeitung konkreter politi- ein Stipendiensystem sozial abgesichert sein sollen. scher Probleme und der Frage, mit welchen Konzep- Ich werfe das Problem auf, daß die gegenwärtige tionen man darangehen soll, unabweisbar ist. Immer Lösung sozial ungerecht ist und besonders die trifft, wieder werden Vorwürfe geäußert, wird Verantwor- die sowieso an den unteren sozialen Grenzen leben. tung angemahnt, wird Verantwortung gegenseitig hin- und hergeschoben. Ich weiß nicht, wo Sie gelesen haben — das müßten Sie mir bitte beantworten —, daß von uns Konzeptio- Ich weiß, Herr Keller, daß — dies haben wir in der nen eingebracht worden sind, die fordern, daß alle Enquete-Kommission gemerkt — Sie sich sehr inten- Studenten Stipendien bekommen. Ich kenne eine siv darum bemühen, Fakten zur Kenntnis zu nehmen solche Konzeption nicht. und die Vergangenheit aufzuarbeiten. Dies will ich Ihnen persönlich überhaupt nicht absprechen. Eine Stephan Hilsberg (SPD): Wir haben in dieser Legis- Zensur darüber, ob das immer reicht, will ich mir nicht laturperiode — ich weiß nicht genau, ob es vor einem erlauben. Aber ein Urteil kann ich mir schon bilden. halben oder vor einem Jahr war — im Ausschuß für Nur, das ist nicht das Problem. Das Problem besteht Bildung und Wissenschaft einen Antrag der PDS darin, daß Sie einer Partei angehören, die — im behandelt zur sozialen Grundversorgung, wo genau Gegensatz zu Ihnen — aus dieser Vergangenheit noch das ein Bestandteil war. nichts gelernt hat. (Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Der wird hier morgen behandelt, Herr Keller!) (Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Die ist noch in der Vergangenheit!) Es tut mir leid, wenn Sie Ihre eigenen Anträge, die Sie einbringen, nicht lesen. Dafür kann ich nichts. An dieser Stelle muß m an die Verantwortung anmah- (Beifall bei der SPD) nen. In dem Konzept, das wir von Ihnen bekommen Vizepräsident Hans Klein: Der Kollege Keller würde haben, wird die Situation, werden die soziale Grund- gern noch eine zweite Frage stellen. — Bitte. versorgung und die sozialen Hilfen für Studenten ganz anders angegangen. Da wird jedem ein Stipen- Dr. Dietmar Keller (PDS/Linke Liste): Wollen Sie mir dium versprochen, und das bei unserer gegenwärti- bitte recht geben, daß dieses Konzept für eine soziale gen Haushaltslage. Das kostet dann zum Schluß 150 Grundsicherung, das von uns eingebracht worden ist, 20406 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Dr. Dietmar Keller ein 10- bis 20-Jahre-Konzept gewesen ist und kein stattfindet. Da hat doch niemand von Ihnen etwas Jahreskonzept? dagegen. — Gut. (Beifall bei der CDU/CSU) Stephan Hilsberg (SPD): Wollen Sie mir bitte recht Dann kommt der Punkt, über den wir uns ein geben, daß in diesem Konzept von einem Stipendium bißchen streiten: Das ist die Erhöhung der Freibe- für alle die Rede war? träge. Hier muß ich allerdings dazusagen, daß die Ministerpräsidenten der Länder auf ihrer Konferenz Dr. Dietmar Keller (PDS/Linke Liste): Ich habe von am 17. März 1994 eine Anpassung an die Nettolohn- einem 10- bis 20-Jahre-Konzept gesprochen, von entwicklung — das sind 0,2 % — empfohlen hat. einer neuen sozialen Grundsicherung. - Durchgesetzt worden sind 2 %. Verehrter Herr Mini- ster, ich möchte in diesem Zusammenhang einfach Stephan Hilsberg (SPD): Ich glaube, ich brauche sagen: Sie haben wacker gestritten und in diesem Fall darauf nicht weiter zu antworten. gewonnen. Ich glaube, da dürfte sogar die Opposition klatschen. Die Situation im Osten Deutschlands stellt sich folgendermaßen dar. In den letzten zwei Jahren ist in (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Brandenburg der Anteil der voll geförderten BAföG Hart streiten wir uns über den Punkt, der von Ihnen Empfänger von 80 % auf 40 % gesunken, und dies nur als besonders negativ empfunden wird: Uns wird deshalb, weil die Freibeträge nicht angeglichen wor- vorgeworfen, daß die Anpassung der Bedarfssätze im den sind, von den Grundbeträgen völlig zu schwei- Jahre 1994 nicht stattfindet und die Überprüfung erst gen. 1995 vorgenommen wird. Ich verstehe, daß m an (Dirk Hansen [F.D.P.]: Das ist aber der darüber streiten kann. Grund!) Ich bin ein Kollege, der schon ziemlich lange hier Wenn ich mir jetzt vor Augen halte, daß das durch- dabei ist und der noch länger die Bildungspolitik schnittliche Einkommen in Ostdeutschland wesent- verfolgt. Wenn wir uns einmal anschauen, wie das lich geringer ist als das in Westdeutschland — das immer gewesen ist, dann gebe ich zu: Wir haben uns können Sie an allen Tarifen erkennen —, dann stelle daran gewöhnt, daß unter dieser Regierung seit dem ich fest, daß die soziale Belastung für die Familien, Jahre 1982 die Berichte und die Anpassungen wie ein deren Kinder studieren, in Ostdeutschland natürlich Uhrwerk gekommen sind. Jedes Jahr sind die Anpas- höher ist. An dieser Situation hat diese 17. BAföG- sungen gekommen. Novelle nichts geändert. (Beifall bei der CDU/CSU) Was wir sofort brauchen, ist ja nicht nur eine Anhebung der Grundbeträge und der Freibeträge, In der Zeit, in der wir sozialdemokratische Bundes- sondern auch die Gleichstellung in der Härtefallrege- kanzler und sozialdemokratische Bildungsminister lung. Noch immer bekommen die Studenten in Ost- hatten, deutschland einen geringeren Mietzuschuß, als das (Zuruf von der CDU/CSU: Schreckliche Zei hier im Westen der Fall ist. Das ist und bleibt eine ten! — Dirk H ansen [F.D.P.]: Engholm!) Schieflage. Wenn ich jetzt die Kindergeldregelung war das nicht so regelmäßig. Da hatten wir mal hinzunehme, dann werden die sozialen Härten noch 36 Monate, mal 30 Monate, in denen nicht angepaßt viel größer. Wo ist denn die gesamtdeutsche Gerech- wurde. Ich kritisiere das gar nicht. Das hat mit den tigkeit, wo ist denn innerdeutsche Gerechtigkeit? damaligen schwierigen Lagen zu tun gehabt. Wenn Sie das nicht machen — und dafür sind Sie als Bundesregierung verantwortlich —, dann tragen Sie (Dirk Hansen [F.D.P.]: Wer war denn damals mit Verantwortung dafür, daß die Partei, der Herr Staatssekretär?) Keller angehört, nicht nur in Ost-Berlin 40 % erreicht, Ich meine bloß, daß ein Prophet, der mit schweren sondern dann wird das weitergehen. Strafen die Sünder seiner Glaubensgemeinde be- Vielen Dank. droht, aber sagt, daß er selber jede Sünde begehen darf, nicht so ganz glaubwürdig ist. Seien wir also (Beifall bei der SPD — Dr. Margret Funke ehrlich: In schwierigen Zeiten haben auch Sie Anpas- Schmitt-Rink [F.D.P.]: Wir können das Geld sungen verschoben. nicht drucken!) (Eckart Kuhlwein [SPD]: Aber die Förde rungsquote war höher als heute!) Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat der Kollege Graf Waldburg-Zeil. —Ja, lassen Sie mich nun gleich zur Gefördertenquote kommen. Alois Graf von Waldburg-Zeil (CDU/CSU): Herr (V o r s i t z : Vizepräsident Dieter-Julius Cro Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! nenberg) Am Schluß dieser Debatte würde ich ganz gerne Woher kommt es denn, daß die Aufwendungen für versuchen, einmal festzustellen, über was wir uns gar BAföG ständig sinken? Das hat auch einen Grund nicht streiten, über was wir uns ein bißchen streiten darin, daß die Einkommen steigen. und über was wir uns sehr streiten. Ich glaube, gar nicht zu streiten brauchen wir uns (Beifall bei der CDU/CSU) über die drei Punkte, die ich jetzt nicht wiederholen Allein zwischen 1987 und 1989 sank die Geförderten muß, bei denen eine Anpassung und Verbesserung quote von 30,3 % auf 27,8 %. Ab 1990 begannen sich Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20407

Alois Graf von Waldburg-Zeil dann die Verbesserungen der 12. Novelle auszuwir- Wir kommen zur ken, die unter dem Stichwort „Schließung des Mittel- dritten Beratung standsloches" diskutiert wurden. Die Quote stieg 1991 wieder auf 33,7 % und war von da an wieder rückläu- und Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem fig. Warum? Hier haben sich insbesondere die Netto- Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünschen, sich zu einkommenssteigerungen aus der Einkommensteuer- erheben. — Wer stimmt dagegen? — Dann ist dieser reform 1990 niedergeschlagen. Gesetzentwurf gegen die Stimmen der SPD angenom- men. (Gudrun Weyel [SPD]: Aber verraten Sie einmal, wie die Mieten für Studenten gestie Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- gen sind!) ßungsantrag der Frak tion der SPD, der Ihnen auf - Drucksache 12/7916 vorliegt. Wer stimmt für diesen Wenn sich im Hochschulbereich der neuen Länder Entschließungsantrag? — Wer stimmt dagegen? — die Gefördertenquote von 80 % 1991 auf 75,6 % im Stimmenthaltungen? — Dann ist dieser Entschlie- Jahre 1992 reduziert hat und dieser Rückgang konti- ßungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktio- nuierlich anhält, dann ist das doch für die neuen nen bei Enthaltung des Abgeordneten Krause (Bo- Länder ein erfreuliches Zeichen und nicht ein Zeichen nese) abgelehnt. der Verelendung. (Eckart Kuhlwein [SPD]: Nicht einmal da (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) könnt ihr zustimmen!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte zum Schluß nur noch eines sagen und zurück- kommen auf das, was der Kollege Hilsberg gesagt hat. Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr den Es ist ein Thema, das man ernst nehmen muß, weil es Tagesordnungspunkt 16a bis c auf: mit dem Leben vieler junger Menschen zu tun hat. a) Zweite und dritte Beratung des von der Bun- Wenn ich auf das zurückblicke, worüber wir uns einig desregierung eingebrachten Entwurfs eines sind — Verbesserungen, die kommen sollen, und eine Zweiten Gesetzes zur Änderung des Lebens- Verbesserung, die erheblich ist und die vielleicht noch mittel- und Bedarfsgegenständegesetzes etwas größer sein könnte, aber gut ist —, dann wollen wir doch versuchen, wenigstens diese Verbesserung — Drucksache 12/6992 — den jungen Menschen zugute kommen zu lassen. Ich (Erste Beratung 216. Sitzung) habe eine Sorge und eine Angst: daß im Bundesrat blockiert wird und aus diesem Grunde dann gar nichts Beschlußempfehlung und Be richt des Aus stattfindet. Das wäre das Schlechteste, was uns pas- schusses für Gesundheit (15. Ausschuß) sieren könnte. — Drucksache 12/7929 — Herzlichen D ank. Berichterstattung: Abgeordnete Editha Limbach (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit (15. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordne- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Meine ten Lieselott Blunck (Uetersen), H ans Gottfried Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen Bernrath, Ingrid Becker-Inglau, weiterer Abge- nicht vor. ordneter und der Fraktion der SPD Wir kommen damit zur Abstimmung über den von Einsatz der Gentechnik und anderer neuarti- der Bundesregierung eingebrachten Entwurf zur ger biotechnologischer Verfahren in der Änderung des Bundesausbildungsförderungsgeset- Lebensmittelproduktion zes. Das liegt Ihnen auf Drucksache 12/7430 vor. Der — Drucksachen 12/3463, 12/7261 — Ausschuß für Bildung und Wissenschaft empfiehlt auf Drucksache 12/7902 unter Nr. 1, den Gesetzentwurf Berichterstattung: nach Kenntnisnahme des Berichts nach § 35 des Abgeordnete Antje-Marie Steen Bundesausbildungsförderungsgesetzes auf Drucksa- c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus che 12/6605 in der Ausschußfassung anzunehmen. Lennartz, Susanne Kastner, Lieselott Blunck Nun liegt noch ein Änderungsantrag der SPD vor, (Uetersen), weiterer Abgeordneter und der und zwar auf Drucksache 12/7917. Über den lasse ich Fraktion der SPD zunächst einmal abstimmen. Wer stimmt für diesen Vermeidung und Verhinderung von Pflanzen- Änderungsantrag? — Wer stimmt dagegen? — Enthal- schutzmittelrückständen in Lebensmitteln tungen? — Bei einer Enthaltung des Abgeordneten — Drucksache 12/7742 — Krause (Bonese) ist dieser Änderungsantrag abge- lehnt. Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Gesundheit Ich bitte nunmehr diejenigen, die dem Gesetzent- Rechtsausschuß wurf in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, Ausschuß für Wirtschaft um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Ausschuß für Umwelt, Naturschutz u. Reaktorsicherheit Enthaltungen? — Mit dem gleichen Mehrheitsverhält- Zum Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz nis ist der Gesetzentwurf in der zweiten Lesung liegt ein Entschließungsantrag der Frak tion der SPD angenommen. vor. 20408 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg Einen Moment, hier gibt es offensichtlich noch Deshalb denken wir: Es ist erforderlich, zur eigenen Schwierigkeiten. Was ist los? — Offensichtlich ist hier Entscheidung die notwendigen Hilfen zu geben, es ist durch den Wechsel im Präsidium ein gewisses Miß- aber nicht erforderlich, daß wir statt der Verbrauche- verständnis entstanden. Ich bitte um Nachsicht, daß rinnen und Verbraucher entscheiden. ich nach dem Tagesordnungspunkt 16a bis 16c, mit Deshalb, meine ich, müssen wir nur dazu beitragen, dem ich jetzt schon begonnen habe, über den Tages- daß die Chancen, die die Soziale Marktwirktschaft ordnungspunkt 15b abstimmen lasse. Da scheint auch in diesem Bereich gibt, genutzt werden und daß irgend etwas nicht in Ordnung zu sein. Ich lasse das die Risiken, die damit natürlich auch verbunden sind, kontrollieren und bitte um Nachsicht. richtig eingeschätzt werden können, damit man sich Ich habe also den Tagesordnungspunkt 16 a bis c auch entsprechend richtig verhalten kann. aufgerufen. Zunächst möchte ich Ihre Zustimmung Deshalb haben wir wohl Sympathien dafür, daß z. zum Verfahren einholen. Die Abgeordneten Frau B. bei der Tabakwerbung auch auf die Gesundheitsge- Dr. Ursula Fischer, PDS, und Frau Kollegin Vera Wollenberger möchten ihre Reden zu Protokoll fährdung hingewiesen werden muß, sind aber der geben.') Ist das Haus damit einverstanden? Meinung, die Entscheidung, ob man sich dieser Gesundheitsgefährdung hingibt oder nicht, muß (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [FDP]: Es schon der Betreffende selber treffen. kommt darauf an, was drinsteht!) So sind wir auch der Meinung, daß z. B. beim — Es erhebt sich kein Widerspruch, Herr Kollege Einsatz der Gentechnik bei Lebensmitteln der Ver- Weng, dann ist das so beschlossen. braucher und die Verbraucherin natürlich erkennen Nun schlägt der Ältestenrat Ihnen eine Debattenzeit können müssen, welches Lebensmittel ihnen da ange- von einer dreiviertel Stunde, — minus dieser beiden boten wird, daß sie aber durchaus in der Lage sind, zu Protokoll gegebenen Reden — vor. Ist das Haus selbst zu entscheiden, ob sie es denn kaufen wollen damit einverstanden? — Auch das ist offensichtlich oder nicht. Daran wird sich — nebenbei — auch die der Fall. Dann können wir die Debatte eröffnen. Produktion in gewisser Weise ausrichten. Zunächst hat die Abgeordnete Frau Editha Limbach Wir sind allerdings nicht der Meinung, daß das das Wort. Verfahren an sich schon etwas ist, was mit Argusau- gen zu beachten sei. Dort sind Sicherheitsvorkehrun- gen nötig. Wenn sie aber eingehalten werden, muß auch das Wirtschaften mit einer modernen Technik Edithad a Limbach (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe möglich sein. Kolleginnen und Kollegen! Die Vorlagen, über die wir jetzt zu beraten haben, beschäftigen sich alle mit dem Weil aber Information so wichtig ist, ist eben die vorbeugenden gesundheitlichen Verbraucherschutz Kennzeichnung so wichtig. Sie muß sinnvoll sein; sie und im Zusammenhang mit der Forderung des Ver- darf nicht verwirrend sein. Sie muß vollständig und braucherschutzes natürlich auch mit dem Schutz vor verständlich sein. Auch das haben wir in den Vorla- Irreführung und Täuschung. gen, die wir heute beraten, vorgesehen. Wir behandeln das Lebensmittel- und Bedarfsge- Ich sage vielleicht noch eines: Ich würde mir wün- genständegesetz, mit dem eine Reihe von EG-Richtli- schen, daß bei den Beratungen der Etikettierungs- nien umgesetzt werden, die auch Anpassungen des richtlinie auf der europäischen Ebene noch einmal nationalen Lebensmittelrechts an das internationale geprüft wird, ob noch zusätzliche Regelungen erf or- bringen. Wir beschäftigen uns vor allen Dingen aber derlich sind, die der Klarstellung dienen können. Das mit dem Monitoring, einem Meß- und Beobachtungs- müssen wir aber nicht heute entscheiden. system für Lebensmittel, das wir in der Bundesrepu- Das Wichtigste, das wir heute beraten, ist in der Tat blik schon im Versuch erforscht haben, das sich sehr das Lebensmittelmonitoring, d. h. das Meß- und bewährt hat und das nunmehr in gesetzliche Rahmen Beratungssystem für Lebensmittel, das uns in die Lage gefaßt wird. versetzt, bundesweit repräsentativ und zuverlässig Auch die Anträge der SPD, muß man sagen, verfol- Angaben über die aktuelle Belastung mit gesundheit- gen das Ziel des gesundheitlichen Verbraucherschut- lich unerwünschten Stoffen zu erhalten. Man muß das zes. Aber sie verfolgen das Ziel in einer Weise, die ja betonen; denn gesundheitlich bedenkliche oder gar nicht unserer grundsätzlichen Auffassung entspricht. gefährliche Stoffe sind sowieso nicht erlaubt. Aber es Deshalb werden wir denen auch nicht zustimmen gibt auch gesundheitlich unerwünschte Stoffe, und können. diese kann man damit schneller ausfindig machen Denn für uns gilt für den vorbeugenden gesundheit- und auch mögliche Risiken oder Gefährdungen früh- lichen Verbraucherschutz: erstens Aufklärung, zwei- zeitig feststellen, schneller informieren, schneller und tens Information, drittens da Rechtschutz, wo er nötig besser reagieren. ist, und da gesetzliche Maßnahmen, wo nötig. Daß es uns, übrigens gemeinsam mit der Opposi- Aber wir halten es auch in dieser Frage doch mit tion, darauf ankam, die vorgesehenen Regelungen Karl Popper, der ja gesagt hat, daß die Gesamtratio- mit zwei anderen Gesetzen, dem Fleischhygiene- und nalität mit Hilfe der menschlichen Vernunft zu suchen dem Geflügelfleischhygienegesetz, zu verschränken, sei und dabei die Wege zur Sicherheit, aber auch ist erfreulich. Wege zur Freiheit aufgezeigt werden müßten. Nach allem, was ich gesagt habe — ich nutze meine Redezeit wegen der fortgeschrittenen Stunde bewußt ') Anlage 6 nicht aus —, ist doch ganz klar: Wir stimmen dem Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20409

Editha Limbach Gesetz zu. Da wir die zusätzlichen Anträge von der mit dem Ziel ihrer Prüfung auf Gesundheits- und SPD nicht für erforderlich halten, weil das Notwen- Umweltverträglichkeit zu verstärken. dige mit unserem Gesetzeswerk erreicht ist, werden Nur so können Kriterien für die Zulassung, die wir sie ablehnen. Festlegung von Höchstwerten, Prüfverfahren und (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Kennzeichnungen entwickelt werden. Die Experten- anhörung hat ebenfalls sehr eindrücklich aufgezeigt, daß nur unzureichende Erkenntnisse über die Vielfalt Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das Wort der Stoffe und Substanzen bestehen, es auf der hat nunmehr die Abgeordnete Frau Antje-Marie anderen Seite aber dringenden Handlungsbedarf Steen. - gibt. Hier ist auch das BGA gefordert, stärker zu koordinieren, einen internationalen Informationsaus- Antje-Marie Steen (SPD): Herr Präsident! Es ist der tausch zu organisieren und die Forschung voranzu- richtige Schritt in eine hoffentlich bessere Entwick- treiben. lung, wenn wir im Rahmen des uns vorliegenden Es fehlen uns auch die Hinweise in diesem Gesetz, Gesetzes jetzt die Einführung des Lebensmittelmoni- daß eine deutliche Kennzeichnung da zu erfolgen hat, torings rechtsverbindlich vorschreiben wollen. Damit wo Produkte und Lebensmittel den Vorschriften des werden die in der Forschungsphase gesammelten Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes nicht Erfahrungen zur Sicherung des vorbeugenden Ge- entsprechen oder aber auf Grund des § 37 und des sundheitsschutzes umgesetzt, und es wird in Zukunft § 47 a LMBG abweichen. Nur eine Kennzeichnung der dazu beigetragen, daß bundesweit und repräsentativ Abweichungen an herausragender Stelle läßt Ver- Angaben über aktuelle Belastungen bei Lebensmit- braucher und Verbraucherinnen die Freiheit, sich für teln gesammelt und veröffentlicht werden können. oder gegen den Kauf dieses Produktes zu entschei- Angesichts der jüngsten Lebensmittelskandale ist das den. ein hoffnungsvoller Ansatz, Verbraucher und Ver- braucherinnen schneller zu informieren und zu war- (Beifall bei der SPD) nen. Die Möglichkeit der Ausnahmegenehmigung nach Leider setzt sich dieser Aspekt in der weiteren § 37 des Gesetzes sind mit großer Skepsis zu betrach- Gesetzesänderung nicht fort. So wurde in der Anhö- ten. So halten wir es für mit dem Anspruch dieses rung der Experten sehr deutlich gemacht, wie schwer Gesetzes, einen umfassenden Verbraucherschutz zu und rechtlich problematisch eine schnelle Rückrufak- gewährleisten, nicht vereinbar, wenn Ausnahmege- tion durchzuführen ist. Das sogenannte Birkel-Urteil nehmigungen für die Dauer von zwölf Jahren erteilt hat dazu geführt, daß eine sofortige Reak tion bei werden. Die Industrie ist durchaus in der Lage, sich in Kenntnis belasteter Nahrungsmittel durch einen kürzeren Zeitabläufen auf Vorgaben und Verände- Rückruf faktisch nicht möglich ist. rungen einzustellen. Mir scheint hier eine klare In unserem Entschließungsantrag fordern wir die Bevorzugung von Einzelinteressen zu Lasten des Bundesregierung auf, in einer dritten Änderung des Verbraucherschutzes vorzuliegen. Eine Zulassung Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes ge- von Ausnahmen für längstens sechs Jahre ist ausrei- stufte Informations-, Warn- und Rückholregelungen chend. zu normieren, um den zuständigen Kontrollbehörden (Beifall bei der SPD) Handlungsspielräume zu schnellerem H andeln zu Für eine dritte Änderung des LMBG steht auch schaffen. § 47 a an; Ergänzungen und Präzisierungen bei den (Beifall bei der SPD — Lieselott Blunck Allgemeinverfügungen sind unumgänglich. In unse- [Uetersen] [SPD]: Das ist dringend erforder ren Änderungsanträgen, die in der Ausschußsitzung lich!) gestern leider fast in Gänze abgelehnt wurden, haben Bisher ist die Umsetzung der Produktrichtlinien der wir die Problematik des § 47 a LMBG aufgezeigt. Europäischen Union in nationales Recht nicht gesche- (Klaus Kirschner [SPD]: Obwohl sie gut hen, so daß die amtliche Lebensmittelüberwachung waren!) keine ausreichende gesetzliche Grundlage für Rück hol- und Warnaktionen hat. Das gleiche gilt für den So ist es durchaus möglich, daß Lebensmittel auf den Bereich der Bedarfsgegenstände. Hier ist dringender deutschen Markt gelangen, denen na tionale Bestim- Handlungsbedarf, um Verbraucher und Verbrauche- mungen und Anforderungen an das deutsche Lebens- rinnen vor gesundheitlicher Beeinträchtigung zu mittelrecht entgegenstehen. schützen. (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Ein jüngstes Beispiel ist die Diskussion um durch Unschön!) Permethrin belastete Teppichböden und Textilien. Da es immer noch keine Zulassungsverfahren für diese Mit der Beantragung einer Allgemeinverfügung in Stoffe gibt, kann eine deutliche Warnung nicht erfol- einem Land erlangt das Produkt eine Gültigkeit dann gen — ganz zu schweigen von einer Überprüfungs- für alle Märkte in der EU. Es muß nur den Kriterien des möglichkeit durch die Kontrollbehörden —, da die Herstellerlandes entsprechen, und die können sehr deutliche Abweichungen von Rechtsnormen anderer Parameter für die Untersuchungen nicht festgelegt sind. Wir fordern auch hier die Bundesregierung auf, Länder aufzeigen. die Forschung über die Auswirkungen von Stoffen Das ist in höchstem Maße unbefriedigend, weil und Substanzen, die bei der Herstellung und Ausrü- diese Abweichungen nicht kenntlich gemacht werden stung von Bedarfsgegenständen verwendet werden, müssen und somit für die Kontrollbehörden nicht 20410 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Antje-Marie Steen erkennbar ist, ob sie ein Lebensmittel besonderen Lebensmittelzutaten trägt dieser Richtschnur nur in Rechts vor sich haben. Die Ämter können also nicht begrenztem Umfang Rechnung. Wesentliche Zielset- gezielt auf Abweichungen untersuchen, da sie als zung des Verordnungsentwurfs ist die Gewährlei- solche nicht erkennbar sind. stung des freien Warenverkehrs, während der Schutz Die Vorgaben für die gesundheitliche Bewertung der Gesundheit und der Umwelt eine untergeordnete beim Erlaß von Allgemeinverfügungen sind so eng Rolle spielt. Das können wir nicht hinnehmen. gefaßt, daß sie z. B. auch keine Einzelfallentschei- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Ru dung zulassen, wie es im Zusammenhang mit den dolf Karl Krause [Bonese] [fraktionslos]) Bedürfnissen empfindlicher Bevölkerungsgruppen Bei der umfangreichen und komplizierten Materie angebracht erscheint. Das trifft ganz speziell auf - der Kontroll- und Überprüfungsfunktionen, die Kleinkinder, Allergiker usw. zu. Gerade für sie ist es Lebensmittelkontrolleure auszuführen haben, er- angebracht, zu wissen, welche Zutaten, Hilfsstoffe, scheint es besonders zwingend, höhere Anforderun- Aromen usw. in Lebensmitteln enthalten sind. Hier gen auch an die Ausbildung dieses Berufsstands zu helfen also nur flexible Bewertungskriterien, heraus- richten. Da hier auch länderunterschiedliche Ausbil- gehobene Kennzeichnung und Prüfparameter, die dungs- und Prüfungsordnungen vorliegen, ist auf den vollen Anspruch gesundheitlichen Verbraucher- einen einheitlichen Ausbildungsstandard Wert zu schutzes erfüllen. legen. Nur so kann die Qualität der Lebensmittel und In das Verfahren zum Erlaß von Allgemeinverfü- Bedarfsgegenstände kontrolliert werden. gungen sind die Länder einzubeziehen. Ihnen obliegt Ich bitte Sie also, aus all den Gründen, die ich die Überwachung und Kontrolle dieser Verfügung aufgezählt habe, unserem Entschließungsantrag zu- und die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes. zustimmen, da er auch den von Ihnen immer wieder Ihnen ist auch ein Vetorecht einzuräumen, um schon betonten Schutz der Verbraucher und Verbraucherin- im Vorwege zum Schutz der Verbraucher kritische nen vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch Substanzen oder gravierende Abweichungen von verbessert. Es muß unser aller Ziel sein, mit dem deutschen Rechtsnormen zu verhindern. vorliegenden Gesetz Täuschungen bei Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen auszuschließen, Herstel- Um aber Abweichungen oder Andersartigkeit eines lern und Händlern ausreichende Marktchancen durch Lebensmittels zu erkennen, sind die Unterlagen auch wettbewerbsorientierte Vorgaben und Kriterien zu in deutscher Sprache vorzulegen. Es stellt eine beson- eröffnen und für die Überwachungsbehörden genaue dere Hürde dar, wenn erst umständlich und damit Prüfparameter vorzugeben. Unser Entschließungsan- auch zeitverzögernd im Herstellerland die Daten, die trag beinhaltet das alles. Deshalb nochmals meine rechtlichen Grundlagen usw. nachgefragt und Über- Bitte: Stimmen Sie ihm zu! setzungen in der Landessprache getä tigt werden müssen. (Beifall der Abg. Lieselott Blunck [Uetersen] [SPD]) Es fehlen in § 47 a LMBG auch genaue Kriterien, die verhindern, daß der sogenannte Mitnahmeeffekt Ich möchte auch in meiner Funktion als Berichter- durch die Allgemeinverfügung eingeschränkt wird. In statterin über die Beschlußempfehlung und den der Anhörung wurde bestätigt, daß es nach einem Bericht des Ausschusses zu dem vorliegenden Antrag Jahr Geltung dieses Gesetzes bereits ca. 100 Allge- der SPD darauf hinweisen, daß wir diese Beschluß- meinverfügungen gibt. Danach ist es aber nicht prüf- empfehlung ablehnen werden. bar, wie viele weitere Produkte bereits, ohne daß sie Allerdings — ich möchte den Versuch unterneh- eine erneute Kontrolle erfahren haben, auf dem deut- men, dies hier noch einmal deutlich zu machen — schen Markt sind, die zumindest weitgehende Abwei- haben wir, Frau Limbach, zu dem Antrag, der Ihnen chungen aufweisen. vorliegt, außerhalb der Beratungen einen sehr guten Beschluß gefaßt, der eine mehr als zwölf Punkte Wir fordern in unserem Entschließungsantrag des- umfassende Aufforderung an die Bundesregierung halb, die Allgemeinverfügungen auf die Staaten zu enthält. Ich halte diesen Beschluß für sehr gut. Ich beschränken, bei denen die Rechtmäßigkeitsprüfung möchte noch einmal betonen, daß wir inhaltlich zu bei Herstellern und Inverkehrbringern zu einem posi- ihm stehen. Allerdings werden wir der Beschlußemp- tiven Ergebnis geführt hat. fehlung jetzt nicht zustimmen können. Einzug in die Erzeugung, Herstellung und Verar- Ich danke Ihnen beitung von Lebensmitteln haben auch biotechnolo- (Beifall bei der SPD) gische Verfahren gehalten, insbesondere die der Gentechnik. Da eine Gefährdung der Verbraucher durch den Verzehr gentechnisch veränderter Orga- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das Wort nismen, aber auch mögliche Mangel- und Fehlernäh- hat nunmehr der Abgeordnete Dr. Bruno Menzel. rung als Folge biotechnologisch veränderter Lebens- mittel als mögliche Risiken für die menschliche Dr. Bruno Menzel (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Gesundheit nicht auszuschließen sind, muß für diesen sehr verehrten Damen und Herren! Der Prävention Bereich auf eine sorgfältige Einhaltung der Informa- kommt in unseren Zeiten zunehmender Gesundheits- für die Produkte tions- und Kennzeichnungspflicht gefährdungen immer größere Bedeutung zu. Hierin bestanden werden; meine Kollegin Frau Blunck wird sind wir uns sicher einig. Umwelteinflüsse, Schad- dazu noch deutliche Ausführungen machen. stoffbelastungen, Ernährungsgewohnheiten und Der Entwurf für einen Verordnungsvorschlag der Suchtmittelmißbrauch — um nur einiges zu nennen — EU über neuartige Lebensmittel und neuartige sind Faktoren, die einer gesunden Lebensweise ent- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20411

Dr. Bruno Menzel gegenstehen. Die Zunahme sogenannter Zivilisa- Die meines Erachtens wichtigste Maßnahme des tionskrankheiten trotz einer stetig steigenden Le- vorliegenden Gesetzentwurfs ist die Institutionalisie- benserwartung legt hierüber ein besorgniserregendes rung des in einem Forschungsvorhaben so erfolgreich Zeugnis ab. erprobten Lebensmittelmonitoring. Trotz eines in Deutschland hohen Standards des lebensmittelrecht- Der Schutz der Bevölkerung vor Krankheit muß lichen Verbraucherschutzes können von Lebensmit- daher in allen relevanten Bereichen des öffentlichen teln nach wie vor Gesundheitsgefährdungen ausge- Lebens Vorrang haben. hen. (Beifall bei der F.D.P.) Durch ein flächendeckendes MeB- und Beobach- Hierzu zählen nicht nur die gesundheitliche Aufklä- tungssystem für ausgewählte Lebensmittel wird in rung der Gesellschaft und die Förderung eines Verbindung mit den entsprechenden Kontrollmecha- gesundheitlichen Verantwortungsbewußtseins ge- nismen des Fleisch- bzw. Geflügelfleischhygienege- genüber sich selbst und gegenüber anderen, sondern setzes ein Instrumentarium geschaffen, mit dem wert- auch die legislative Arbeit seitens der Politik, um das volle Erkenntnisse hinsichtlich drohender Gesund- Gefährdungspotential möglichst gering zu halten. heitsrisiken gewonnen werden können. Somit kann Diese Aufgabe bewegt sich naturgemäß in einem seitens der verantwortlichen Stellen schneller und im gesamtgesellschaftlichen Kontext. Die Auswirkungen Interesse des Verbraucherschutzes sicherer reagiert gesundheitspolitischer Maßnahmen dürfen beispiels- werden. Ich möchte aber betonen, daß gegenwärtig weise nicht zu einer staatlich verordneten Bevormun- keine weiteren Regelungen notwendig sind. dung der Bürger führen Verbraucher- und Gesundheitsschutz auf der einen, (Beifall bei der F.D.P.) technologische Entwicklung auf der anderen Seite, dies sind keineswegs zwangsläufig sich ausschlie- oder etwa die wirtschaftliche Entwicklung nachhaltig ßende Größen, auch wenn manche Bedenkenträger behindern. Gleichwohl können wir die Rahmenbedin- dies immer wieder glauben machen wollen und wie gungen setzen, innerhalb derer die Voraussetzungen auch manche Debatte in diesem Haus — ich denke an für eine gesündere Lebensweise gegeben sind. die Auseinandersetzungen zum Gentechnikgesetz — (Beifall bei der F.D.P.) diesen Eindruck erwecken konnte. Nicht immer muß dies mit einem großen Wurf Der Entschließungsantrag der SPD, der eine neuer- geschehen. Oftmals sind es eher die kleinen, urspek- liche Novellierung des Lebensmittel- und Bedarfsge- takulären Maßnahmen, mit denen wertvolle Verbes- genständegesetzes fordert, ist wohl vor diesem Hin- serungen auf dem Gebiet der Gesundheitsvorsorge tergrund zu sehen. Mit einer noch weitergehenden erzielt werden. Der Anlaß der heutigen Debatte ist Reglementierung schaffen wir nicht etwa ein Mehr an dafür ein gutes Beispiel. Verbraucherschutz, sondern der einzelne sähe sich nach diesen Vorstellungen einer unendlichen Flut von So wurde schon in der Zielsetzung des Lebensmit- Informationen gegenüber. tel- und Bedarfsgegenständegesetzes im Jahre 1974 formuliert — ich zitiere: Meine Damen und Herren, die Verbraucher sind In dem letzten Jahrzehnt ist die technologische, doch gar nicht willens oder in der Lage, seitenlange aber auch die sonstige wirtschaftliche Entwick- Informationen durchzuarbeiten. Wir müssen uns viel- lung auf dem Gebiet des Lebensmittelrechts mehr darüber Gedanken machen, was gefahrlos weg- rasch vorangeschritten. Die Zukunft wird wei- gelassen werden kann, als darüber, was alles noch tere, zum Teil umwälzende Neuerungen bringen. hinzukommen soll. Dies gilt für ... Lebensmittel, Tabakerzeugnisse, (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — kosmetische Mittel und sonstige Bedarfsgegen- Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Bei stände. Im Interesse des Schutzes des Verbrau- Bedenken fragen Sie die SPD!) chers vor Gesundheitsschäden und vor Täu- schung muß das Lebensmittelgesetz diesen Ent- Ich will keinen Zweifel aufkommen lassen: Der wicklungen Rechnung tragen. Schutz der Bürger, die Vorsorge gegenüber realen Gesundheitsgefahren muß in jedem Falle gewährlei- Diese Aussage war damals so richtig wie heute. stet sein. Der Verbraucher muß also auch die Gele- Daher beraten wir heute über ein Änderungsgesetz, genheit bekommen, sich über das von ihm gekaufte das solche Entwicklungen berücksichtigt. gentechnisch hergestellte Lebensmittel informieren So werden für tierarzneimittelbelastete Lebensmit- zu können. Er muß ferner davon ausgehen können, tel Höchstgrenzen festgelegt, Modifizierungen im daß dieses Lebensmittel angemessene und sichere Bereich der Werbung und des Vertriebs von Tabak- Prüf- und Zulassungsverfahren durchlaufen hat. waren vorgenommen sowie eine Anzeige- und Genehmigungspflicht für kosmetische Mittel vorge- Ich warne aber davor, hier ein schier undurchdring- schrieben. liches Regelungsdickicht wachsen zu lassen, welches den technologischen Fortschritt eher behindern, sinn- Ich möchte an dieser Stelle gar nicht auf die einzel- volle Weiterentwicklungen im lebensmitteltechni- nen Bestimmungen eingehen, sondern nur feststellen, schen Bereich unmöglich machen und den Verbrau- daß durch diese Anpassungen des Lebensmittel- und cher unter einer Flut von Informationen regelrecht Bedarfsgegenständegesetzes sichergestellt wird, daß erdrücken würde. der Verbraucherschutz mit den Entwicklungen auf diesen Gebieten Schritt hält. (Beifall bei der F.D.P.) 20412 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Dr. Bruno Menzel In diesem Zusammenhang nur noch ein Wort zur Die Angebotsvielfalt ist nur schwer durchschaubar, Beschlußempfehlung des Gesundheitsausschusses die Produktinformationen sind eher Werbeaussagen zum Antrag der SPD bezüglich des Einsatzes der ohne Wert denn eine Hilfestellung, und auch die Gentechnik in der Lebensmittelproduktion. ständige Wiederholung, unser Lebensmittelrecht sei (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: das beste und schärfste a ller europäischen Länder, ist Auch bedenklich! ) Schutzbehauptung all derer, die Verbraucher über die Realität hinwegtäuschen wollen. Die geplante EG-Verordnung über neuartige Lebens- mittel und Lebensmittelzutaten, auf die Ihr Antrag ja Nun sollen schon bald neuartige Bio- und Gentech- Bezug nimmt, ist verbesserungsbedürftig. Darüber nologien in großem Stil in der Lebensmittelproduk- tion Einzug halten. Gegenwärtig sind aber bei diesen sind wir uns einig. - Technologien die Risiken für die Umwelt und die Insoweit stimme ich Ihnen absolut zu. Nur ist unter Gesundheit nur unzureichend geklärt. Berücksichtigung der genannten Prämissen — Wah- Die SPD lehnt nun keineswegs grundsätzlich neue rung des Verbraucherschutzes und Sicherstellung Lebensmitteltechnologien ab. Angesichts zum Teil technologischer Weiterentwicklungen, aber auch wirklich sehr hoher Umweltbelastungen sowie weitgehende Gewährleistung des freien Warenver- gesundheitlicher Risiken bei konventionellen Metho- kehrs — der Beschluß des Gesundheitsausschusses den sind ja durchaus Vorteile neuer technologischer vom November 1992 in der Tat sachgerechter. Ich und gentechnischer Methoden zu erwarten. Das kann hoffe, daß die deutsche EU-Präsidentschaft Gelegen- sein. heit bieten wird, diese Verordnung entsprechend zu verbessern. (Dr. Wolfgang Weng [Gerungen] [F.D.P.]: Nicht jede rote Tomate ist abzulehnen!) Ich bedanke mich, meine Damen und Herren. Nur müssen die Produzenten sicherstellen, daß der (Beifall bei der F.D.P.) Einsatz keine zusätzliche Gefährdung für Menschen und Umwelt mit sich bringt. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das Wort (Beifall bei der SPD) hat nunmehr die Abgeordnete Frau Lilo Blunck. Gentechnik darf sich nicht nur an den ökonomi- schen Vorteilen messen lassen, sondern muß im Ver- gleich zu konventionellen Verfahren Vorteile für Lieselott Blunck (Uetersen) (SPD): Herr Präsident! Verbraucher und Umwelt bringen. Meine Damen und Herren! Wenn ich aus der Rede, die Neue Technologien sind immer eine Chance, alte zu ich gerade gehört habe, das Resümee ziehen sollte, überprüfen, nur nicht durch einen Großversuch an dann müßte ich sagen: Der Verbraucher muß beson- nichtsahnenden Verbrauchern. Unverzichtbar ist des- ders uninformiert gehalten werden, denn er ist ein halb eine klare Kennzeichnung. Umfassend muß sie mündiger Verbraucher. Aber das kann es ja wohl sein, leicht verständlich und gut vergleichbar; denn dann nicht sein. nur dann können sich Verbraucher beim Kauf bewußt (Beifall bei Abgeordneten der SPD) für oder gegen gentechnisch erzeugte Nahrungsmit- Der Kunde ist König, zumindest in den Sonntagsre- tel entscheiden. den, und die CDU spricht von der Schlüsselrolle, die (Beifall bei der SPD — Abg. Bruno Menzel der Verbraucher in der Sozialen Marktwirtschaft [F.D.P.] meldet sich zu einer Zwischen angeblich innehat, und um ihn soll sich alles dre- frage) hen. Dabei ist es ohne Bedeutung — In der Realität ist dieser König aber ein rechtloser Untertan. Truppen zu seiner Verteidigung hat er erst Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Frau Kol- recht nicht, legin Blunck — — (Widerspruch bei der CDU/CSU) vor allem, wenn man an die geplanten Kürzungen im Lieselott Blunck (Uetersen) (SPD): — den Satz noch, Bereich der Ernährungsberatung und an die bereits dann lasse ich die Frage zu —, erfolgten für die Verbraucherberatung denkt. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das ist Dafür tragen aber andererseits mächtige Anbieter gut, das ist ein Angebot! oft genug dazu bei, daß die wenigen Verbraucher- rechte hinter ihre wirtschaftlichen Interessen weit (Heiterkeit) zurückfallen. (Uetersen) (SPD): — ob Qualitäts- (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Lieselott Blunck gesichtspunkte, gesundheitliche Gründe oder eine Wen meinen Sie denn?) Ablehnung der Gentechnologie aus ethischen Moti- Da fallen mir bei der F.D.P. als erstes die Versicherun- ven den Ausschlag geben. Für so mündig müssen wir gen ein, dann geht es weiter über die Lebensmittel- auch den Verbraucher halten, und das müssen wir ihm hersteller, und dann muß ich Ihnen sagen: Sie haben zugestehen. wahrhaftig den Verbraucher nicht im Auge, ge- schweige denn im Ohr, und Sie tun auch nichts für Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Frau Kol- ihn. legin Blunck, jetzt müssen wir das erst einmal klären: (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Es sind zwei Kollegen, Dr. Menzel und der Kollege Das weise ich zurück!) Dr. Krause (Bonese), die Fragen haben. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20413

Lieselott Blunck (Uetersen) (SPD): Es sollen beide Lieselott Blunck (Uetersen) (SPD): Noch einmal fragen. gesagt: Welche Arroganz steckt eigentlich dahinter, wenn Sie bestimmen, welche Informationen der Ver- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Dann braucher oder die Verbraucherin haben darf und Dr. Menzel als erster. welche nicht! (Beifall bei der SPD) Dr. Bruno Menzel (F.D.P.): Verehrte Frau Blunck, Das kann doch wohl nicht angehen! Ich habe Ihnen stimmen Sie mir zu, daß aus dem, was ich gesagt habe, nicht nur zugehört, sondern ich habe auch Ihre eigentlich nicht zu entnehmen war, daß wir die Anträge gelesen. Ich muß sagen: Da gibt es nicht die Absicht haben, dem Verbraucher Lebensmittel anzu- - umfassende Kennzeichnung, die leicht verständliche bieten, die nicht sicher sind und für die der Hersteller Kennzeichnung, die gut vergleichbare Kennzeich- nicht die Garantie für ihre Gefahrlosigkeit bietet? nung. Das ist genau das, was ich einklage. Bitte schön: Nicht Sie bestimmen, was ich wissen Ueselott Blunck (Uetersen) (SPD): Ich gehe nicht darf, sondern ich bestimme, was ich gern wissen davon aus, daß Sie das dem Verbraucher bewußt möchte zumuten wollen. Aber ich gehe davon aus, daß es dringend erforderlich ist, dem Verbraucher die Kenn- (Beifall bei der SPD) zeichnung dieser Lebensmittel zugänglich zu ma- und wonach ich mich entscheiden möchte. Ich möchte, chen, damit er selbst entscheiden kann. daß der Gesetzgeber genau diese Information jedem Wir sind doch beide für eine Soziale Marktwirt- Verbraucher und jeder Verbraucherin zugesteht. schaft. Marktwirtschaft bedeutet, daß beide Teilneh- Sie reden immer dann vom mündigen Verbraucher, mer am Markt den gleichen Zugang haben. Das wenn Sie ihn am liebsten dumm und dämlich halten bedeutet, ich muß den Verbraucher entsprechend wollen. Das will ich nicht. informieren. Ich habe in Ihrer Rede vermißt, daß Sie (Beifall bei der SPD — Dr. Wolfgang Weng dafür plädieren, daß dieser Verbraucher informiert ist, [Gerlingen] [F.D.P.]: Unglaublich! — Weitere und zwar umfassend, bis in alle Einzelheiten infor- Zurufe von der F.D.P.) miert ist. Das haben Sie in Ihrer Rede gerade in Abrede gestellt. Und dies klage ich ein, weil das den Verbrau- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Ab- cher dazu bringt, bewußt entscheiden zu können. geordneter Krause (Bonese), die Abgeordnete Frau Dann kann er König spielen — von der Königin ist ja Lilo Blunck hat mir mitgeteilt, daß sie nicht bereit ist, sowieso nicht die Rede. Ihre Frage zu beantworten. (Beifall bei der SPD) Frau Abgeordnete, fahren Sie bitte in Ihrer Rede fort. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Ab- geordneter Dr. Menzel, Sie möchten noch einmal Lieselott Blunck (Uetersen) (SPD): Wir fordern nachfragen. Bitte schön. einen umfassenden Geltungsbereich der Verordnung unter Einbeziehung aller Lebensmittel und Bestand- Lieselott Blunck (Uetersen) (SPD): Ich darf aber teile, die durch Anwendung gentechnischer Verfah- sagen, daß mir das von der Zeit nicht abgezogen wird. ren entstehen oder hergestellt werden, und zwar auch Ich sehe hier meine Redezeit schwinden. dann, wenn die gentechnisch veränderten Organis- men im Endprodukt nicht mehr enthalten sind. Das Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Ihre Rede- gilt selbstverständlich auch für Zusatzstoffe und für zeit steht seit geraumer Zeit auf einer Minute. Das hat Hilfsstoffe. Bei der Gentechnologie darf es kein sich nicht verändert. Das ist selbstverständlich Zurückfallen hinter Standards für vergleichbare Pro- gestoppt. dukte wie Arzneimittel und Zusatzstoffe geben. Lebensmittel sind im wahrsten Sinne des Wortes Dr. Bruno Menzel (F.D.P.): Frau Blunck, ich bin Mittel zum Leben. Das müssen sie auch in Zukunft Ihnen ja sehr dankbar, daß Sie mir zugestehen, daß ich bleiben. das nicht absichtlich gesagt hätte. Ich muß aber noch Leitgedanke im gesamten Nahrungsmittelbereich einmal nachfragen: muß die Vorsorge sein, muß die Vermeidung von Haben Sie wirklich zugehört? Haben Sie nicht Schäden statt nachträglicher Schadensbegrenzung gehört, daß ich davon gesprochen habe, daß die sein. Wir brauchen endlich eine Gesamtsicht zum Aufklärung des Verbrauchers dringend notwendig ist, Schutze der Umwelt und der Gesundheit der Verbrau- daß man ihn aber nicht in einem Dickicht von Infor- cher. Das zeigt insbesondere der Lebensmittelskandal mationen ersticken lassen darf, die er zum Teil dann des Monats April: Lindan und andere Stoffe in Baby- gar nicht mehr entsprechend aufnehmen kann? Wir nahrung. wollen eine umgehende Information. Wir wollen Wir fordern die Bundesregierung deshalb u. a. selbstverständlich sichere Produkte. Das habe ich auf, schnellstmöglich einheitliche und eindeutige expressis verbis gesagt. Ich muß ganz entschieden Vorschriften für die Informations-, Warn- und Rück- zurückweisen, wenn Sie auch nur. den Anschein rufpflichten der Nahrungsmittelanbieter, aber auch erwecken, daß wir dem Verbraucher Nahrungsmittel der Gesundheitsbehörden vorzulegen. Für Diät- und zumuten wollen, die nicht sicher sind. Babynahrung müssen die Pflanzenschutzmittel (Klaus Kirschner [SPD]: Wie sieht denn die Grenzwerte wie das Trinkwasser europaweit gelten. Kennzeichnung aus?) Wir brauchen ein europaweites Verbot schwer abbau- 20414 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Lieselott Blunck (Uetersen) barer Pflanzenschutzmittel und nicht zuletzt eine Systems den überaus positiven Erfahrungen Rech- europaeinheitlich wirksame Kontrolle von Lebensmit- nung, die wir mit dem Forschungsvorhaben „Modell- teln. hafte Entwicklung und Erprobung eines bundeswei- Umwelt- und Verbraucher-Dumping zahlen sich ten Monitoring zur Ermittlung der Belastungen von nicht aus. Die Zeche müssen wir, muß jeder einzelne Lebensmitteln mit Rückständen und Verunreinigun- von uns, teuer, zu teuer bezahlen. Das dürfen verant- gen" gemacht haben. wortungsbewußte Politiker einfach nicht zulassen. So konnten z. B. auf Grund der in diesem For- (Beifall bei der SPD) schungsprojekt erarbeiteten Daten Höchstmengen für Nitrat in Kopfsalat und Spinat festgelegt werden. Dies - hat über unsere eigenen Grenzen hinaus Initialzün- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Ich erteile dung gehabt: In der EU wird inzwischen auf der nunmehr der Parlamentarischen Staatssekretärin Grundlage unserer Ergebnisse an der Festlegung Dr. Sabine Bergmann-Pohl das Wort. entsprechender Höchstmengen für Ni trat in Salat und Spinat gearbeitet, die dann europaweit gelten sol- Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretärin len. beim Bundesminister für Gesundheit: Herr Präsident! Ein zweites Beispiel: Dank des Früherkennungssy- Meine Damen und Herren! Mit dem Zweiten Gesetz stems konnte festgestellt werden, daß in Milch teil- zur Änderung des Lebensmittel- und Bedarfsgegen- weise Spuren von PCB vorhanden waren. Man kam ständegesetzes erreichen wir deutliche Verbesserun- auch der Ursache auf die Spur, und die Kontaminie- gen im Bereich des vorbeugenden Gesundheitsschut- rungsquellen wurden daraufhin beseitigt. zes. Damit meine ich neben den Verbesserungen des Verbraucherschutzes im Bereich der pharmakolo- Meine Damen und Herren, allein diese beiden gisch wirkenden Stoffe, der kosmetischen Mittel und Beispiele zeigen, welche großen Fortschritte für den der sonstigen Bedarfsgegenstände sowie der Tabak- Verbraucherschutz durch das Lebensmittel-Monito- erzeugnisse vor allem die Einführung eines ständigen ring erreichbar sind, das wir mit der zweiten Ände- Meß- und Beobachtungssystems für Lebensmittel. rung des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständege- setzes nun einführen. Die Einrichtung dieses LebensmittelMonitorings kann zu Recht als Meilenstein auf dem Weg zu einem Ich komme zu einem zweiten Thema, das von Frau umfassenden präventiven Gesundheitsschutz gese- Blunck angesprochen wurde, den neuartigen Lebens- hen werden. Es werden die Voraussetzungen dafür mitteln. Sie alle wissen, daß die Bundesregierung geschaffen, bundesweit repräsentative und zuverläs- grundsätzlich das Vorhaben der Europäischen Kom- sige Angaben über die aktuelle Belastung ausgewähl- mission begrüßt, das Inverkehrbringen neuartiger ter Lebensmittel mit gesundheitlich unerwünschten Lebensmittel, zu denen auch gentechnisch veränderte Stoffen, wie z. B. Pflanzenschutzmitteln, Schwer- Lebensmittel gehören, gemeinschaftlich zu regeln. metallen oder durch Pilzbefall entstehende Gifte, Allerdings hat die Bundesregierung auch bereits von machen zu können. Anfang an ganz deutlich herausgestellt — Frau Herr Präsident, es wäre sehr erfreulich, wenn die Blunck, das wissen Sie auch —, daß der von der SPD-Fraktion zuhören würde, was die Regierung und Kommission vorgelegte Verordnungsvorschlag er- die Koalitionsparteien zu sagen haben, hebliche Mängel aufweist. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Die verstehen (Lieselott Blunck [Uetersen] [SPD]: Auch das das doch nicht! — Manfred Opel [SPD]: Ihr ist richtig!) habt doch nichts zu sagen!) Dabei ging es im Schwerpunkt um die Bereiche anstatt darüber zu polemisieren, wie gut die Rede von Genehmigungsverfahren, Anwendungsbereich der Frau Blunck war. Verordnung und vor allen Dingen um die Kennzeich- (Widerspruch bei der SPD) nung. Dank unseres hartnäckigen Einsatzes für gemeinschaftliche Regelungen, die einen umfassen- Das ist auch eine Frage der gegenseitigen Höflich- den Gesundheitsschutz und den Schutz des Verbrau- keit. chers vor Täuschungen wirklich sicherstellen, ist der (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) ursprüngliche EG-Kommissionsvorschlag bereits in Hierdurch können schon sehr frühzeitig Gesund- einigen Punkten geändert worden. Heute steht das heitsgefährdungen erkannt, Risiken abgeschätzt und Thema im EU-Binnenmarktrat erneut zur Debatte. auf Grund von wissenschaftlich abgesicherten Er- Deutschland wird den von der Kommission vorge- kenntnissen gesundheitspolitisch erforderliche Ge- schlagenen gemeinsamen Standpunkt ablehnen. genmaßnahmen eingeleitet werden. Gleichzeitig (Zustimmung bei der CDU/CSU) wird auch die Information der zuständigen verant- wortlichen Stellen in Bund und Ländern verbessert Einig sind sich die Mitgliedstaaten aber inzwischen, sowie die Aufklärung der Öffentlichkeit über Rück- daß ihnen beim Genehmigungsverfahren mehr Mit stände und Verunreinigungen in Lebensmitteln vor- entscheidungsrechte zugestanden werden müssen, so angebracht. Insgesamt schaffen wir mit dem Lebens- wie wir dies von Anfang an gefordert haben. Auch mittel-Monitoring also ein flächendeckendes, umfas- hinsichtlich der Definition des Anwendungsbereichs sendes Früherkennungssystem für mögliche Gesund- sind Verbesserungen erzielt worden. heitsgefährdungen. Strittig ist nach wie vor vor allem das Thema Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, tragen Kennzeichnung. Frau Blunck, Sie wissen genau, daß wir mit der flächendeckenden Einrichtung dieses sich die Regierung hier wirklich einsetzt. Wir glauben Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20415

Parl. Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl auch — genauso habe ich Herrn Menzel verstan- regierung schon 1975 in der nationalen Diätverord- den —, daß Transparenz Akzeptanz im Verbraucher- nung für die Babynahrung — schutz bedingt. (Klaus Kirschner [SPD]: Das war also eine (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeord andere Bundesregierung als die jetzige?) neten der SPD) — das ist ja schlimm, daß Sie das in Frage stellen; Sie schimpfen andauernd darauf — — Ich freue mich, daß ich von Ihnen Beifall bekomme. (Beifall bei der CDU/CSU) eine Höchstmenge von 0,01 Milligramm pro Kilo (Lieselott Blunck [Uetersen] [SPD]: Immer - festgelegt. Dieser Wert gilt natürlich nicht nur für die dann, wenn es gerechtfertigt ist!) deutschen Produzenten, sondern auch für alle Import- Den Bürgern wäre es, glaube ich, unverständlich, produkte. Wird der Höchstwert überschritten, verliert wenn eine gentechnisch veränderte Tomate gekenn- das Produkt seine Verkehrsfähigkeit, völlig unabhän- zeichnet werden müßte, aber ein Saft, der ebenfalls gig davon, ob eine Gesundheitsgefährdung besteht aus gentechnisch veränderten Tomaten gemacht wor- oder nicht. den ist, nicht. Wir wollen klare Regelungen. In diesem Zusammenhang, Frau Steen, haben wir uns auch des Problemes angenommen, das Sie ange- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) sprochen haben: Permethrin. Denn noch vor der — Ich freue mich, daß Sie mir Beifall spenden. Auch Sommerpause wird dem Bundesrat die Schädlingsbe- die F.D.P. will das. kämpfungsrichtlinie zugeleitet. In diesem Zusam- menhang werden wir uns auch bemühen, das Pro- (Klaus Kirschner [SPD]: Die F.D.P. hat nicht blem, das Sie angesprochen haben, zu lösen. mitgeklatscht! Der Kollege Menzel hat nicht mitgeklatscht! — Beifall bei der F.D.P.) Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Frau Auch die F.D.P. will Verbraucherschutz und Trans- Staatssekretärin, sind Sie bereit, Zwischenfragen der parenz. Ich habe Herrn Menzel so verstanden, daß sie Abgeordneten Frau Blunck und der Abgeordneten nur nicht will, daß der Bürger mit Informationen Frau Steen zu beantworten? überfrachtet wird, die er letztendlich nicht mehr versteht. Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Ja, gerne. Aber nur, (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — wenn es freundliche Fragen sind. Klaus Kirschner [SPD]: Das heißt, Sie trauen dem Bürger nicht zu, daß er lesen kann!) (Heiterkeit) Meine Damen und Herren, wir bleiben dabei: Bei Lieselott Blunck (Uetersen) (SPD): Das müssen Sie allen Lebensmitteln, die gentechnisch veränderte jetzt beurteilen, ob das eine freundliche Frage ist. Organismen enthalten oder daraus bestehen, sind Hinweise auf die gentechnische Beschaffenheit unbe- Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Die Be- dingt erforderlich. Diese Forderung werden wir wei- wertung unterliegt dem Präsidenten. terhin mit Nachdruck vertreten. Insgesamt wird die Bundesregierung im Rahmen ihrer Möglichkeiten Lieselott Blunck (Uetersen) (SPD): Frau Staatsse- alles unternehmen, um auch in Zukunft ein hohes kretärin, sind Sie bereit, mir zuzugestehen, daß es Verbraucherschutzniveau im Lebensmittelverkehr in auch andere Pflanzenschutzmittel als Lindan gibt, daß der Europäischen Union sicherzustellen. Das haben für diese Pflanzenschutzmittel, die wir in unserem wir immer wieder unmißverständlich deutlich ge- Antrag anklagend genannt haben, nicht der gleiche macht. Daher brauchen wir keine Nachhilfe von der Grenzwert von der Bundesregierung angesetzt wor- Opposition. den ist und daß Lindan nur der Vergleich war, um Sie Meine Damen und Herren, noch einige Worte zum darauf zu bringen, daß Sie sich genau wie die vorhe- Antrag der SPD hinsichtlich der Vermeidung von rige Regierung verhalten? Pflanzenschutzmittelrückständen in Lebensmitteln. Parl. Staatssekretärin beim Im Zusammenhang mit lindanbelasteter Babynah- Sabine Bergmann-Pohl, Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Blunck, rung haben wir über die wesentlichen Punkte ja ich glaube, daß die Regierung sehr wohl weiß, was sie bereits am 13. April 1994 debattiert. Seitdem hat sich dem Verbraucher schuldig ist, und sehr genau prüft, an den Fakten wirklich nichts geändert. Ich wieder- hole dies aber gerne noch einmal, gerade für die was sie in Regelungen hineinbringt und was sie Opposition. herausläßt. Insofern, glaube ich, sind wir gar nicht so weit voneinander entfernt. (Klaus Kirschner [SPD]: Weil es so schön war!) Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Frau Ab- geordnete Steen. — Herr Kirschner, Ihr Gedächtnis beginnt im Wahl- kampf offensichtlich zu leiden. Antje-Marie Steen (SPD): Frau Staatssekretärin, ich (Widerspruch bei der SPD) höre mit großer Freude, daß Sie diese Pflanzenschutz richtlinie demnächst verabschieden wollen. — Doch, doch Herr Kirschner. Weil Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretärin beim Babynahrung nichts zu suchen haben, hat die Bundes- Bundesminister für Gesundheit: Einbringen. 20416 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Antje-Marie Steen (SPD): Einbringen. Können Sie Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Zu einer mir bestätigen, daß Sie dann Zulassungsverfahren Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten nicht wieder mit zehnjährigen Übergangsfristen ver- Dr. Krause (Bonese) das Wo rt. sehen, wie es z. B. in dem Bereich der Stoffe, die wir angesprochen haben — Permethrin —, der Fall ist? Dr. Rudolf Karl Krause (Bonese) (fraktionslos): Als einziger Amtstierarzt in diesem Hause freue ich mich natürlich sehr über das, was die Staatssekretärin gesagt hat. Das beantwortet die Fragen zum Teil so, Sabine Bergmann-Pohl, Parl. Staatssekretärin beim wie sie mir Frau Blunck vielleicht nicht beantwortet Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Steen,- die Bundesregierung ist ja eigentlich immer sehr hätte. handlungsbereit und in ihren Handlungen auch Ich anerkenne den mutigen Einsatz des Gesund- immer sehr kurzfristig und schnell. Bisher habe ich heitsministers, sich nicht zum Claqueur von europäi- aber immer die Erfahrung gemacht, daß die SPD schen Entscheidungen zu machen, sondern die Inter- geführten Länder unsere guten Beschlüsse ableh- essen der deutschen Verbraucher und auch der deut- nen. schen Produzenten zu wahren. Ich würde mich natür- lich freuen, wenn all das, was die SPD hier vorschlägt, (Beifall bei der CDU/CSU) europäisches Recht würde. Insofern habe ich einige Bedenken, ob das, was wir Ich hätte Sie, Frau Blunck, aber gefragt: Wie wollen dem Bundesrat zuleiten, durchkommt. Sie bei offenen Grenzen den deutschen Verbraucher (Klaus Kirschner [SPD]: In zehn Jahren ist davor schützen, daß Stoffe, die in Deutschland nicht diese Bundesregierung sowieso nicht mehr oder nur bis zu einer bestimmten Grenze angewendet im Amt!) werden dürfen, oder Produktionsverfahren, die bei uns so nicht erlaubt sind, nicht in unser Land kommen? — Herr Kirschner, da geben Sie sich mal keinen Wie wollen Sie Verbote für die Importeure durchset- falschen Hoffnungen hin, würde ich sagen. zen? Das hätte ich Sie gefragt. Die letzten Skandale, (Beifall bei der CDU/CSU — Klaus Kirschner z. B. der Rinderwahnsinn oder auch die Babynahrung [SPD]: Machen Sie jetzt eine zehnjährige aus Spanien, beweisen, daß dies eine Illusion ist. Wahlperiode, oder was?) Danke. — Nicht nur die. Ich denke, daß wir noch weitere Wahlperioden in der Regierung sitzen. Wenn Sie so weitermachen, habe ich da gar keine Bange. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen (Beifall bei der CDU/CSU) mir nicht vor. Wie ich eben schon sagte, sind die Reden Meine Damen und Herren, ich möchte wenigstens der Abgeordneten Vera Wollenberger und Frau Dr. noch zu meinem Thema kommen. Auch die Lander Ursula Fischer zu Protokoll gegeben. haben Verantwortung. Sie müssen die Einhaltung der Wir kommen somit zur Abstimmung über den von Höchstwerte kontrollieren; denn sie tragen Verant- der Bundesregierung eingebrachten Entwurf zur wortung dafür, daß alles Notwendige getan wird, Änderung des Lebensmittel- und Bedarfsgegenstän- wenn Untersuchungen ergeben, daß der Höchstwert degesetzes. Dies liegt Ihnen auf den Drucksachen nicht eingehalten wurde. 12/6992 und 12/7929 vor. Diejenigen, die dem Gesetz- Wenn Landesbehörden der Auffassung sind, die entwurf in der Ausschußfassung zuzustimmen wün- Öffentlichkeit vor bestimmten Produkten wa rnen zu schen, bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! müssen, dann haben sie bereits jetzt umfassende — Enthaltungen? — Somit ist der Entwurf einstimmig Möglichkeiten. Darüber hinaus brauchen wir keine angenommen. bundeseinheitlichen Vorschriften. Das haben wir Wir kommen damit zur schon am 13. April hier ausführlich diskutiert. dritten Beratung Was die Festlegung einheitlicher europäischer und Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem Grenzwerte für Rückstände von Pflanzenschutzmit- zuzustimmen wünscht, bitte ich, sich zu erheben. — teln angeht, so ist hier die Harmonisierung bereits in Auch das Ergebnis ist einstimmig. vollem Gange. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- (Klaus Kirschner [SPD]: Nach oben oder nach ßungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache unten?) 12/7938. Wer stimmt für diesen Entschließungsan- Es ist selbstverständlich, daß sich die Bundesregie- trag? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Bei rung für eine Harmonisierung auf einem hohen Enthaltung des Abgeordneten Dr. Krause (Bonese) ist Schutzniveau einsetzt. Ich sage es noch einmal: Da dieser Entschließungsantrag mit den Stimmen der brauchen wir wirklich keine Nachhilfe von Ihnen von Koalitionsfraktionen abgelehnt worden. der SPD. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 16b, und zwar zur Beschlußempfehlung des Ausschusses für Vielen Dank, meine Damen und Herren. Gesundheit zu dem Antrag der Fraktion der SPD zum (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Einsatz der Gentechnik und anderer neuartiger bio- Klaus Kirschner [SPD]: Wir werden Sie an technologischer Verfahren in der Lebensmittelpro- Ihren Ergebnissen messen, nicht an Ihren duktion. Dieser Antrag liegt Ihnen auf Drucksache Versprechungen!) 12/7261 vor. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20417

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der SPD auf Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Debattenzeit von Drucksache 12/3463 abzulehnen. Wer dieser Be- einer halben Stunde vor. Ist das Haus damit einver- schlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte standen? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Das ist offensichtlich der Fa ll. Dann ist das so beschlos- Dann ist diese Beschlußempfehlung angenommen. sen. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf Ich kann die Debatte eröffnen und Simon Wittmann Drucksache 12/7742 an die in der Tagesordnung das Wort erteilen. Herr Abgeordneter, Sie haben das aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Ist das Haus Wort. damit einverstanden? — Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist dies so beschlossen. - Simon Wittmann (Tännesberg) (CDU/CSU): Herr Meine Damen und Herren, offensichtlich ist in dem Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir Bemühen, die Tagesordnung zügig abzuwickeln, von können die Debattenzeit nutzen — vielleicht nicht in mir übersehen worden, bei Tagesordnungspunkt 15 b der Gänze —, um unsere Freude zum Ausdruck zu noch über eine Beschlußempfehlung abstimmen zu bringen, daß wir diese Alpenschutzkonvention end- lassen. Es handelt sich um die Nr. 2 der Beschlußemp- lich auf den Weg bringen. fehlung des Ausschusses für Bildung und Wissen- Mit dieser Konvention ist eine völkerrechtliche schaft, der dort die Annahme einer Entschließung Grundlage für den Schutz der bedrohten alpinen empfiehlt. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? Region, und zwar für die gesamte alpine Region, — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist geschaffen worden. Damit ist natürlich bloß ein Rah- diese Beschlußempfehlung bei Enthaltung der SPD menübereinkommen gegeben, d. h. es sind insgesamt Fraktion angenommen worden. eine ganze Palette von Verhandlungen noch notwen- Meine Damen und Herren, bevor ich den nächsten dig, und zwar bezüglich der Ausführungsprotokolle in Tagesordnungspunkt aufrufe, muß ich auf das Proto- den Bereichen von der Landwirtschaft über Tourismus koll zu Tagesordnungspunkt 12 zurückkommen. Die bis zum Bergwald. s Gleicke hat den Eindruck erweckt, Abgeordnete Iri Ich möchte aber die Zeit hier nutzen und auf etwas die Bundesministerin mit E rich Honecker vergleichen verweisen, was manche vielleicht gar nicht mehr so zu wollen. Es gibt eine, wie ich meine, sehr gute genau wissen. Die Idee für diese Konven tion geht Tradition in diesem Hause, nämlich Mitglieder des eigentlich auf eine Zeit vor über 20 Jahren zurück, als Hauses nicht mit Repräsentanten totalitärer Systeme, Gemeinden vor Ort und Kommunen in der bayeri- in welcher Form auch immer, zu vergleichen. Ich bin schen Alpenregion versucht haben, zuerst in Kontak- der Meinung, daß diese gute Tradi tion aufrechterhal- ten mit benachbarten Gemeinden den Schutz der ten werden sollte, und fordere deswegen die Kollegin Alpen auch über die Grenzen hinweg auf den Weg zu s Gleicke auf, unmißverständlich dafür Sorge zu Iri bringen. tragen, daß dieses Mißverständnis ausgeräumt wird, also eine Klarstellung erfolgt. Ich wäre sehr dankbar, Diese Überlegungen sind bereits 1971 in den Baye- wenn sich alle Kolleginnen und Kollegen des Hauses rischen Alpenplan, den ersten Teil des Bayerischen dieser guten Tradition in Zukunft befleißigen wür- Landesentwicklungsprogamms, aufgenommen wor- den. den. Es hat sich aber gezeigt, daß eigentlich nur internationale Vereinbarungen, die die gesamte (Beifall im ganzen Hause) Alpenregion betreffen, eine Chance haben, wirklich Ich wäre dankbar, wenn der Geschäftsführer der einen Schutz voranzubringen und diesem Zerstö- SPD-Fraktion die Kollegin Gleicke darauf aufmerk- rungswettbewerb, z. B. im Hinblick auf den Touris- sam machen würde. mus oder die Erschließung, Einhalt zu gebieten. (Dr. Uwe Küster [SPD]: Selbstverständlich!) Deshalb hat die Bundesregierung im Oktober 1989 die Einberufung der ersten internationalen Alpenkonfe- renz veranlaßt, und sie hat bereits 1991 die Konven- Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf: tion zum Abschluß gebracht, die wir heute ratifizie- Zweite Beratung und Schlußabstimmung des ren. von der Bundesregierung eingebrachten Ent- Ich glaube, dies ist ein Beweis dafür, daß wir auch in wurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen diesem Bereich wieder ein Vorreiter im Umwelt- vom 7. November 1991 zum Schutz der Alpen schutz in Europa sind — auch wenn wir uns in der (Alpenkonvention) Rückbetrachtung wünschen, man hätte bereits vor — Drucksache 12/7268 — 20 Jahren begonnen, nicht zuerst lokale Versuche, (Erste Beratung 222. Sitzung) sondern internationale Vereinbarungen zu machen. Aber ich glaube, es muß gerade für die Nachbarländer Beschlußempfehlung und Be richt des Aus- die Zeit reifen. schusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktor- sicherheit (17. Ausschuß) Die Verhandlungen der Protokolle, ganz konkret im touristischen Bereich, zeigen ja, daß es z. B. von seiten — Drucksache 12/7914 — der Schweiz, aber auch anderer Staaten Probleme Berichterstattung: gibt, wirklich einen hohen Umweltstandard durchzu- Abgeordnete Simon Wittmann (Tännesberg) setzen, der dem entspricht, den wir in der Bundesre- Horst Kubatschka publik haben. Ich freue mich aber, daß wenigstens Gerhart Rudolf Baum vier Bereiche aller Voraussicht nach noch 1994 verab- Dazu liegt ein Entschließungsantrag der Frak tion schiedet werden können. Hier geht es um Naturschutz der SPD vor. und Landschaftspflege, um Tourismus, um Bergland- 20418 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Simon Wittmann (Tännesberg) wirtschaft, um Raumplanung, um nachhaltige Ent- Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion wicklung und Verkehr. begrüßt die Ratifizierung der Alpenkonvention. Die Es sollte — das ist eine Bitte an die Bundesregie- Alpenkonvention braucht zum Inkrafttreten der Rati- rung — mit den anderen Themen begonnen werden. fizierung drei Signatarstaaten. Nachdem Österreich Vor allem sollten hinsichtlich des Wasserhaushalts schon ratifiziert hat, so daß wir nicht Vorreiter sind, neue Protokollverhandlungen angeregt werden. und auch in Liechtenstein und in Slowenien mit einer baldigen Ratifizierung zu rechnen ist, wird die Alpen- Es ist natürlich die Frage — wir haben das ja auch im konvention nun bald in Kraft treten. Wir hoffen, daß Ausschuß diskutiert —, ob wir dazu noch einen von ihr ein wichtiger Beitrag zum Schutz der Alpen Entschließungsantrag der SPD brauchen. Die Tatsa- ausgehen wird. Die Hinterlegung sollte deswegen che, daß wir heute ratifizieren, zeigt ja, daß wir diese auch schnellstens erfolgen. Alpenkonvention begrüßen. Ich glaube, daß wir uns selber nicht noch einmal bestätigen müssen, daß wir Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, für einen möglichst hohen Schutz der Alpen nach lassen Sie mich einleitend ein paar ganz kurze Bemer- deutschem Standard sind. Gerade die Bundesregie- kungen zu den Beratungen im Umweltausschuß rung, die hier immer eine Vorreiterrolle gespielt hat, machen. Sie haben gestern unverständlicherweise und die Koalitionsfraktionen, die dies mitgetragen unseren Entschließungsantrag abgelehnt, weil er haben, brauchen sich dies selber nicht noch einmal zu angeblich unnötig sei, weil er nichts enthalte, was bestätigen. nicht schon in der Konven tion stehe. Ich habe natürlich auch einige Bedenken. Ich (Birgit Homburger [F.D.P.]: Völlig richtig!) meine, im Bereich der Alpenregion ist die Landwirt- Meine Damen und Herren, dies ist einfach falsch. schaft sicher ein besonders sensibler Sektor. Nur, Wir haben im Antrag die Bundesregierung u. a. auf- wenn man wie in dieser Beschlußempfehlung gleich gefordert, sie solle sich bei der nächsten internationa- versucht, die Landwirtschaft pauschal als Umweltzer- len Alpenkonferenz dafür einsetzen, daß auch zu den störer zu kennzeichnen, dann können wir das nicht Bereichen Luftreinhaltung, Abfallwirtschaft und Was- mittragen, sondern wir sind für den Erhalt der tradi- serhaushalt die Erarbeitung von Protokollen beschlos- tionellen Almwirtschaft. Wir sind für eine Unterstüt- sen wird. Bisher gibt es noch keinen solchen Beschluß. zung. Wenn wir Fortschritte in diesen Bereichen wollen, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) muß sich die Bundesregierung dafür einsetzen. Es soll auch zukünftig eine Lebensgrundlage für die Wir haben weiterhin gefordert, daß die Bundesre- betroffenen Menschen gegeben sein. Aber gleich eine gierung den Umweltausschuß regelmäßig über den pauschale Verurteilung in einem Papier, das meiner Stand der Erarbeitung der Protokolle informiert. Auch Ansicht nach überflüssig wie ein Kropf ist, auch wenn das haben Sie abgelehnt. es in manchen Dingen vielleicht sinnvoll ist, lehnen (Birgit Homburger [F.D.P.]: Obwohl das wir ab. Das beschließen wir ja alles in der Alpenkon- selbstverständlich ist!) vention, wo diese Ziele festgelegt sind. — Aber die findet nicht statt, Ihre Selbstverständlich- Ich darf daher die Bundesregierung in ihrem Bemü- keit. hen bestärken, diese Protokolle weiter zu verhandeln Damit läßt sich der Bundestag die Möglichkeit aus und sie möglichst bald zum Abschluß zu bringen. Die der Hand nehmen, den Inhalt der Protokolle mitzuge- CDU/CSU stimmt der Alpenkonvention, so wie vorge- stalten. Wenn dem Bundestag am Schluß die Proto- legt, uneingeschränkt zu. Ich glaube, daß wir damit kolle zur Ratifizierung vorgelegt werden, wird er nur eine wichtige Sache auf den Weg bringen. noch das Ergebnis der Verhandlungen akzeptieren Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. oder ablehnen können. Das wäre doch äußerst unbe- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) friedigend. Vorhin wurde uns gesagt, vier Protokolle stünden kurz vor dem Abschluß. (Zuruf von der F.D.P.: Fünf, nicht vier!) Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Ich erteile — Keines dieser Protokolle war im Ausschuß, Frau nunmehr dem Abgeordneten Horst Kubatschka das Kollegin, und dann können Sie doch nicht sagen, daß Wort. wir mitgestalten. Oder Sie passen eben nicht auf. Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Entschlie- Horst Kubatschka (SPD): Sehr geehrter Herr Präsi- ßungsantrag ist moderat gehalten. Um Ihnen die dent! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen Möglichkeit zu geben, dem Antrag doch noch zuzu- und Kollegen! Ich habe auch schon öfter festgestellt, stimmen, haben wir den Antrag auch in den Bundes- daß Vorreiter aus dem Sattel gefallen sind. M an sollte tag eingebracht. Wir würden uns freuen, wenn Sie doch einmal etwas vorsichtiger sein, diese Vorreiter- diese Chance nutzen würden. Aber Sie nutzen die rolle zu reklamieren; denn in manchem sind wir nicht Chance anscheinend nicht. so sehr Vorreiter, sondern auch andere europäischen Die Alpenkonvention ist nicht nur ein wichtiger Staaten haben vernünftige Poli tik betrieben und Schritt zum Schutze der Alpen, sondern sie ist auch haben sie weitergebracht. Wenn Sie sagen, Herr notwendig. Ich will jetzt nicht als Schwarzweißmaler Wittmann, daß die Politik, die wir betreiben, überflüs- auftreten, aber für das Ökosystem der Alpen ist es sig wie ein Kropf sei — das ist ein sehr schönes eher fünf nach als fünf vor zwölf. Die Alpen wurden in bayerisches Bild — und es gleichzeitig für sinnvoll den letzten Jahrzehnten durch Verkehr, Industrieent- erachten, was wir hineinschreiben, dann ist das doch wicklung, Landwirtschaft und intensiven Tourismus ein gewisser Widerspruch. schwer geschädigt, und diese Zerstörung dauert an. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20419

Horst Kubatschka Die Erhaltung des Ökosystems Alpen ist von europäi- Alpenraumes instrumentalisiert und mißbraucht wer- scher Bedeutung. Wenn die Zerstörung der Alpen den. nicht baldmöglichst durch entschlossenes Handeln (Beifall des Abg. [SPD]) gestoppt wird, drohen Auswirkungen auf die gesamte europäische Umwelt. Falsch wäre es, die Alpen nur als Damit würden seine ökologischen Ziele ins Gegenteil Wirtschaftsfaktor zu sehen; für die dortige Bevölke- verkehrt. rung ist sie Heimat, sie ist Lebensraum. Die dort Die Alpen sind ein gesamteuropäisches Umwelt- ansässige Bevölkerung würde am unmittelbarsten erbe, und jeder einzelne trägt die Verpflichtung, in betroffen, würden die Alpen durch Umweltzerstörung seinem Bereich am Schutz dieses Erbes mitzuwirken. letztlich unbewohnbar. Dies ist kein Horrorszenario; Es ist für zukünftige Genera tionen zu erhalten. Wir dies zeigen Murenabgänge und Lawinen, die durch sagen daher j a zu einer finanziellen Förderung, die an die geschwächten Schutzwälder nicht mehr aufgehal- den jeweiligen Erfordernissen ausgerichtet ist und die ten werden können. das Ziel einer wirklich dauerhaften Entwicklung för- Wer sich darüber informieren wi ll, welche Auswir- dert. Wir lehnen aber eine generelle Entschädigung kungen Bodenerosion hat, wenn fehlende Wälder ein nach dem Gießkannenprinzip für den Verzicht auf Abrutschen und Abschwemmen der Erde nicht mehr falsche Nutzungen st rikt ab. Zu dieser Erkenntnis ist verhindern können, braucht nur ans Mittelmeer zu auch der bayerische Umweltminister gekommen. fahren, etwa in den Bereich der französischen Seeal- Meine Damen und Herren, viel kritisiert wurde in pen. der Vergangenheit das Tourismusprotokoll, und zwar zu Recht. Auch die nach der Expertensitzung Die Alpen müssen als Ausgleichsraum für Trink- vom 9. und 10. Mai dieses Jahres in Paris überarbei- wasser und Klima, als Erholungs- und Lebensraum tete Fassung bringt wohl keine größeren Fortschritte, auch für die künftigen Genera tionen bewahrt bleiben. da nach Auskunft des Wirtschaftsministe riums die Dazu muß dem dauerhaften Schutz der Alpen als deutschen Änderungswünsche nur in geringem gesamteuropäischem Erbe oberste Priorität einge- Umfang berücksichtigt worden seien. Fa lls dies räumt werden, nicht aber ihrer grenzenlosen Erschlie- zutrifft, stellt sich die Frage, ob es am mangelnden Bung. Verhandlungsgeschick der Bundesregierung liegt Sehr geehrte Damen und Herren, als sogenannte oder ob sie in Wirklichkeit kein Interesse an der Rahmenkonvention wird die Alpenkonvention nur Aufnahme weitergehender Bestimmungen hatte. soviel für Mensch und Alpen leisten können, wie die Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregie- notwendigen Protokolle es erlauben. Die Protokolle rung darf die fehlenden Protokolle nicht als Vorwand müssen daher schnell erarbeitet und verabschiedet für eigene Untätigkeit benützen. Es gäbe genügend werden. Gleichzeitig muß aber auch darauf geachtet Bereiche, in denen die Bundesregierung handeln werden, daß sich ihre Regelungen auf einem hohen könnte. Ich nenne nur die Vorlage eines wirksamen Umweltschutzniveau bewegen. Dies zu gewährlei- Konzeptes zur Begrenzung des Straßenverkehrs, der sten ist auf Grund der unterschiedlichen wirtschaftli- mit 70 % Kohlendioxidanteil Hauptursache für das chen, gesellschaftlichen und politischen Situationen Waldsterben ist. Unsere dementsprechenden Anträge in den einzelnen Alpenanrainerstaaten eine schwie- haben Sie aber im Umweltausschuß abgelehnt. Eck- rige Aufgabe. punkte eines wirksamen Konzeptes im Verkehrsbe- reich wären die weitere Verlagerung des Güterver- Wir fordern die Bundesregierung auf, sich bei den kehrs von der Straße auf die Schiene und die Ver- Beratungen für die Verwirklichung eines möglichst kehrsvermeidung. hohen umweltrechtlichen und umweltpolitischen Standards in den Protokollen einzusetzen. Wir hoffen Ich möchte Ihnen — nur schlaglichtartig und als sehr, daß die Protokolle zu den Bereichen Raumpla- Beispiele — auch noch vier weitere Bereiche nennen, nung, Naturschutz und Landschaftspflege, Tourismus in denen man auf nationaler Ebene zum Schutz der und Freizeit, Berglandwirtschaft und Verkehr wirk- Alpen tätig werden könnte: lich, wie von der Bundesregierung gehofft, auf der Erstens: Maßnahmen zur Bergwaldsanierung. Da- nächsten Internationalen Alpenkonferenz verab- bei muß besonders dringend die Reduzierung des schiedet werden können. Schalenwildverbisses erfolgen. Daß die Protokolle zu den Bereichen Bodenschutz, Zweitens: Qualitätsverbesserung des bestehenden Bergwald und Energie bisher nicht einmal in Sicht Angebotes im Hinblick auf umweit- und sozialver- sind, ist sehr zu bedauern. Auch zu den Bereichen träglichen Tourismus. Luftreinhaltung, Abfallwirtschaft und Wasserhaushalt Drittens: Abbau ökologisch bedenklicher und wäre die Erarbeitung von Protokollen sinnvoll und unrentabler Freizeiteinrichtungen. anzustreben. Aber dies haben Sie ja, meine Damen und Herren von der Koali tion, im Umweltausschuß Viertens: Verschärfung der Emissionsgrenzwerte. abgelehnt. Für weitere Anträge empfehle ich Ihnen, einen Blick in unseren Alpenantrag vom Jänner 1989, In diesem Zusammenhang wird immer wieder von Drucksache 11/3910, zu tun. Leider sind die wenig- nachhaltiger Entwicklung gesprochen. In der Tat muß sten unserer damaligen Forderungen mittlerweile sich der Schutz der Alpen an diesen Maßstäben ausrichten. Dieser Beg riff darf aber nicht zur Durch- erfüllt. setzung wirtschaftlicher Interessen, als Deckmantel Sehr geehrte Damen und Herren, sowohl im natio- für eine weitere Ausbeutung und Zerstörung des nalen Bereich als auch bei der Erarbeitung der Proto- 20420 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Horst Kubatschka kolle gilt nun: An ihren Taten, nicht aber an ihren Fünf dieser Protokolle befinden sich jetzt in der Worten sollt ihr sie erkennen. innerstaatlichen Abstimmung und sollen auf jeden (Klaus Kirschner [SPD]: Sehr wahr!) Fall bis zur nächsten Konferenz fertiggestellt sein. Den Worten müssen nun endlich Taten folgen. Ich In diesen Protokollen müssen die Weichen für eine bedauere es sehr, daß Sie unserem Entschließungsan- bestandsfähige und umweltverträgliche Entwicklung trag nicht zustimmen werden. Schließlich wird der gestellt werden. Ich möchte an dieser Stelle alle Bundesregierung damit für die künftigen Verhand- Staaten — auch die, die nicht ratifiziert haben — dazu lungen der Rücken gestärkt. Anscheinend wollen Sie aufrufen, die Erstellung der Protokolle nicht zu verzö- das nicht. Wir versprechen der Bundesregierung aber gern. Denn letztendlich bekommen wir alle die Rech- trotzdem eine aufmerksame und kritische Analyse der - nung für zu spätes Handeln serviert. erreichten Ergebnisse. Ich denke dabei z. B. an die Hochwasser Ende Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. letzten Jahres. Durch die immer weitergehende Abholzung der Wälder, insbesondere für Belange des (Beifall bei der SPD) Tourismus und des Sports, ist die Fähigkeit der Böden verringert, Wasser aufzunehmen, das dann in die Täler abfließt. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Das Wort (Dr. Wolfgang Weng [Gerungen] [F.D.P.]: hat nunmehr die Abgeordnete Frau Birgit Hombur- Und in den Schürmann-Bau!) ger. — Ich glaube, Herr Kollege Weng, daß das beim Schürmann-Bau ein anderes Phänomen war.

Birgit Homburger (F.D.P.): Herr Präsident! Meine (Dr. Wolfgang Weng [Geringen] [F.D.P.]: Damen und Herren! Die Unterschiede hier im Hause Das war auch Hochwasser! — Dr. Uwe Küster sind, so glaube ich, gar nicht so groß, wie das jetzt [SPD]: Das Schwaetzer-Phänomen!) teilweise wieder erscheinen mag. Aber ich habe ja Das ist ein Faktor von mehreren, der die Hochwasser Verständnis dafür, Herr Kollege Kubatschka, daß Sie begünstigt. Schon jetzt ist eine zunehmende Berg- das hier so vortragen müssen. Derzeitig ist das im rutsch- und Lawinengefahr zu beobachten, was zum Hinblick auf den Wahlkampf wohl nicht anders mach- Teil die Evakuierung ganzer Ortschaften nötig bar. machte. Ich denke, wir stimmen überein, daß der Schutz und Aber auch die Abwanderung der einheimischen der Erhalt der Alpen als Lebensraum nicht nur für den Bevölkerung auf Grund der trostlosen wirtschaftli- Menschen, sondern insbesondere auch für Pflanzen chen Lage der Bergbauern trägt zu dieser Situa tion und Tiere eine vorrangige Aufgabe ist. Um dies bei; denn damit gehen althergebrachte Weide- und vernünftig durchführen zu können, ist es wich tig, daß Mähmethoden verloren, die verhindern, daß bei- die Alpenstaaten nach einem einheitlichen Konzept spielsweise Schneebretter an baumlosen Hängen vorgehen. Schutzmaßnahmen dürfen nicht an Gren- abrutschen. zen haltmachen. Insbesondere die Bereiche Tourismus und Sport Deswegen hat Bundesumweltminister Töpfer 1991 müssen zukünftig stärker ihren Teil dazu beitragen, die erste internationale Alpenkonferenz initiiert, in die Alpen als wichtigen Naturraum zu erhalten. Auch deren Folge wir jetzt das Gesetz zur Ratifizierung der wenn beide wichtige Einnahmequellen für die Alpenkonvention beschließen können. Diese Konven- Bewohner der Alpenregion darstellen, müssen sie tion wurde 1991 von acht Staaten gezeichnet und von umweltverträglich gestaltet werden. Keinem ist damit Österreich als erstem ratifiziert. Liechtenstein wird gedient, wenn der Naturraum zerstört wird. demnächst folgen. Wenn wir heute abend dieses (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne Gesetz beschließen und der Bundesrat hoffentlich ten der CDU/CSU) bald zustimmt, wird die Bundesrepublik Deutschland der vermutlich dritte Staat sein, der die Ratifizierung Ich glaube, daß auch bei den Touristen mittlerweile hinterlegt. Damit kann die Alpenkonvention dann in die Einsicht gewachsen ist, daß umweltverträglich Kraft treten. gestaltete Freizeitangebote und eine gewisse Selbst- beschränkung letztendlich allen mehr nützen. (Dr. Wolfgang Weng [Geringen] [F.D.P.]: Das Murmeltier wird dankbar sein!) In der Tat ist der Verkehrssektor ein weiterer Problembereich. Die Entscheidung der Schweiz, ab Dies ist aber erst der Anfang. Denn erst durch die dem Jahre 2004 den Lkw-Transitverkehr auf ihren Durchführungsprotokolle — auch darin besteht ja Straßen zu untersagen, wird in der Schweiz mit Einigkeit — werden konkrete Maßnahmen festge- Sicherheit zu Emissionsminderungen führen. Sie wird schrieben. Deshalb drängen wir darauf, daß diese aber auch Impulse auf die Nachbarstaaten geben, da Protokolle schnellstens erarbeitet werden — bei fünf spätestens an der Grenze die Güter von der Straße auf ist das ja bereits weitestgehend geschehen — und die Schiene verlagert werden müssen. Ich hoffe, daß möglichst viele der acht in Arbeit befindlichen Proto- es in der Konsequenz von vornherein Anstöße für kolle auf der nächsten Alpenkonferenz Ende dieses schnellere Verlagerungen der Güter auf den Schie- Jahres beschlossen werden können. Das heißt, wir nenweg gibt. Ich möchte zum Schluß noch auf den brauchen den Entschließungsantrag der SPD nicht; Entschließungsantrag der SPD eingehen. Herr Kol- das wird sowieso kommen. lege Kubatschka, wenn Sie sagen, in Ihrem Entschlie- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) ßungsantrag stünden Dinge, im Protokoll aber nicht, Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20421

Birgit Homburger und dabei die Bereiche Luftreinhaltung, Wasserhaus- [Gerlingen] [F.D.P.]: Da hat er doch noch halt und Abfallwirtschaft nennen, möchte ich nur etwas lernen dürfen! — Zuruf von der SPD: darauf hinweisen, daß die in Art. 2 Abs. 2 unter Tolle Antwort!) Punkt c, e und 1 aufgeführt sind. Folglich ist die Aussage, daß diese Bereiche nicht im Protokoll stün- den, überhaupt nicht richtig. Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Ich erteile nunmehr dem Parlamentarischen Staatssekretär Ul- Das zweite: Ich hatte vorher bemerkt, es sei selbst- rich Klinkert das Wort. verständlich, daß der Umweltausschuß des Bundesta- ges über den Fortgang der Dinge unterrichtet wird. Sie sagen, das sei nicht selbstverständlich. Da kann Ulrich Klinkert, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- - ich nur sagen: Dann würde man es auch mit einer nister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: solchen Entschließung nicht ändern; denn letztend- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und lich hat der Umweltausschuß immer die Möglichkeit, Herren! Das Leben der Menschen im Alpenraum war den Bundesumweltminister zu bitten, im Umweltaus- schon immer eng mit der Natur verbunden: mit all den schuß vorzutragen. Wenn der Umweltminister das Vorzügen der Natur in diesem Raum, aber auch mit verweigert, wäre das politisch wahrscheinlich sehr ihren Gefahren, die durch Hochwasser, Bergrutsche unklug. Deswegen gehe ich nicht davon aus, daß es oder Lawinen bestehen. eine solche Situa tion gibt. (Otto Schily [SPD]: Wie sieht das überhaupt Eine reine Informationspflicht, wie Sie sie wollen, aus, wenn man mit der Hand in der Hosen wird nicht dazu führen, daß durch Ihren Antrag eine tasche vor dem Parlament redet? Das ist auch Mitgestaltung besser möglich wird, als das sowieso schon gerügt worden!) der Fall ist, wenn der Umweltausschuß das haben Besonders in der zweiten Hälfte dieses Jahrhun- will. derts hat der Mensch mit seinen Eingriffen in die Fazit: Ich denke, wir sollten heute diese Alpenkon- Natur dazu beigetragen, daß das Gefährdungspoten- vention so verabschieden und sie möglichst schnell tial erhöht wurde. Immer häufiger traten und treten durch die Zusatzprotokolle mit Leben erfüllen. Das ist Bergrutsche auf, führten Schlammströme zu notwen- der beste Weg, hier auf Dauer zu Erfolgen zu kom- digen Evakuierungen der Bevölkerung. Aber auch die men. alpine Fauna und Flora ist gefährdet: zum einen durch Danke. inneralpine Luftschadstoffe, zum anderen durch importierte Luftschadstoffe, aber auch durch den (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- Massentourismus mit seinen gravierenden Auswir- ten der CDU/CSU) kungen, insbesondere auf sensible Regionen. Überbe- anspruchung des Bodens, Flächenversiegelung, die Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Sind Sie Verkehrserhöhung und der Rückgang des Alpen- zum Schluß noch bereit, eine Frage des Abgeordneten waldbestandes sind nur einige der Ergebnisse. Kubatschka zu beantworten, Frau Kollegin Hombur- ger? Nicht zuletzt deshalb hat Klaus Töpfer 1989 zur Ersten Internationalen Alpenkonferenz der Umwelt- (Dr. Wolfgang Weng [Geringen] [F.D.P.]: minister nach Berchtesgaden eingeladen. Dort wurde Das würde ich machen, dann kann m an ihm der Beschluß zur Ausarbeitung eines Übereinkom- noch einen reinwürgen! — Heiterkeit) mens zum Schutz der Alpen gefaßt. Herr Kollege Kubatschka, ich glaube, Sie haben das Birgit Homburger (F.D.P.): Ja. mit der Vorreiterrolle gemeint, die Sie erwähnt haben. Hier ist Klaus Töpfer zu Recht eine Vorreiterrolle zu Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Bitte bescheinigen. schön. (Otto Schily [SPD]: Was redet der Mann Horst Kubatschka (SPD): Frau Kollegin, wissen Sie eigentlich? Von der Kavallerie oder von den nicht, daß die Erwähnung im Rahmengesetzwerk Alpen?) nicht das Entscheidende ist? Entscheidend dagegen Ich glaube, es bedarf keiner besonderen Aufforde- ist, daß es einen Beschluß über die Aufstellung dieser rung an ihn, einen hohen Umweltstandard durchzu- Protokolle geben muß. Stimmen Sie mir zu, daß dieser setzen. Die Bundesregierung legt natürlich — Bezug Beschluß bisher nicht gefaßt wurde? nehmend auf Ihren Antrag — besonderen Wert auf die fachliche Begleitung des Umweltausschusses. Frau Birgit Homburger (F.D.P.): Herr Kollege, es ist in der Homburger hat darauf hingewiesen, daß es dem Tat richtig, daß allein die Erwähnung in diesem Ausschuß jederzeit freisteht, sich vom Minister im Rahmengesetz nicht das Entscheidende ist, sondern Ausschuß berichten zu lassen. die Ausarbeitung von Zusatzprotokollen. Aber wie Die Ihnen nun vorliegende Alpenkonvention auch Sie wissen, sind diese Zusatzprotokolle in Aus- bekräftigt die Absicht der Alpenländer, den Schutz sicht genommen. Deswegen sind sie im Rahmenge- und den Erhalt der Alpen als einen der größten setz auch aufgeführt. Aber Sie können auch nur eines zusammenhängenden Naturräume Europas auf eine nach dem anderen erarbeiten und nicht alles auf völkerrechtliche Grundlage zu stellen. einmal. Deswegen ist es schon richtig, wie es jetzt Die Alpenkonvention — auch das ist bereits läuft. erwähnt worden — wird drei Monate nach der Hinter- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- legung der dritten Ratifikationsurkunde in Kraft tre- ten der CDU/CSU — Dr. Wolfgang Weng ten. Wir sind hier im deutschen Parlament dabei, diese 20422 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Parl. Staatssekretär Ulrich Klinkert Ratifikationsurkunde durch unseren Beschluß vorzu- trag? -- Wer stimmt dagegen? — Mit den Stimmen der bereiten und damit das baldige Inkrafttreten der Koalitionsfraktionen ist der Entschließungsantrag Alpenkonvention zu sichern. abgelehnt. Die Alpenkonvention ist, wie wir wissen, eine Rahmenkonvention. Die Verwirklichung ihrer vor- Meine Damen und Herren, ich rufe den Tagesord- dringlichen Aufgaben wird über Durchführungspro- nungspunkt 18 auf: tokolle geschehen. Das ist vielleicht etwas, was mög- licherweise nicht so bekannt ist. Diese Durchfüh- Zweite und dritte Beratung des von der Bun- rungsprotokolle sind ratifizierungspflichtig. Schon desregierung eingebrachten Entwurfs eines deshalb werden sie natürlich in den nationalen Parla- Achten Gesetzes zur Änderung des Außenwirt- menten behandelt. Die Aufforderung in Ihrem Antrag, schaftsgesetzes diese Protokolle dann dem Parlament vorzulegen, ist — Drucksachen 12/6911, 12/7115 — dadurch eine Selbstverständlichkeit geworden. (Erste Beratung 214. Sitzung) Die Maßnahmen sind sehr breit angelegt. Neben Beschlußempfehlung und Be richt des Aus- den ökologisch begründeten Maßnahmen zur Luft- schusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) reinhaltung, zum Wasserhaushalt, zum Boden- und — Drucksache 12/7793 — Naturschutz, zum Abfall, zum Verkehr und zur Ener- gie gibt es auch alpenspezifische sozioökonomische Berichterstattung: Aspekte zu berücksichtigen. Abgeordneter Josef Grünbeck (Otto Schily [SPD]: Was bitte? — Klaus Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Frak tion der Kirschner [SPD]: Wer hat das aufgeschrie- SPD vor. ben?) Die Fraktionen haben mir mitgeteilt, daß die Redner — Kaufen Sie sich ein Fremdwörterbuch. Da können bereit sind, ihre Reden zu Protokoll zu geben. Es Sie das nachlesen. handelt sich um die Abgeordneten Erich Fritz, Her- mann Bachmaier, Manta Sehn, Dr. Ruth Fuchs, Vera (Dr. Hartmut Soell [SPD]: Fremdwörter sind Wollenberger und den Parlamentarischen Staatsse- Glückssache!) kretär Dr. Heinrich Kolb. Ist das Haus mit diesem Die Raumplanung, die Berglandwirtschaft, die Berg- Verfahren einverstanden? — Das ist offensichtlich der waldwirtschaft und der Tourismus sowie die kulturelle Fall. Eigenständigkeit der ansässigen Bevölkerung sind zu Wir kommen zur Abstimmung, und zwar über den berücksichtigen und nach Möglichkeit zu erhalten. von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf (Lachen des Abg. Klaus Kirschner [SPD]) eines Gesetzes zur Anderung des Außenwirtschafts- Mit der Ausarbeitung der Protokolle wurde sofort gesetzes, vorliegend auf den Drucksachen 12/6911, nach Zeichnung der Alpenkonvention auf der Zwei- 12/7115, 12/7793. Hierzu liegt der Änderungsantrag, ten Internationalen Alpenkonferenz 1991 in Salzburg wie schon erwähnt, der Frak tion der SPD auf Druck- begonnen. Erstmals, meine sehr verehrten Damen sache 12/7901 vor. und Herren, wurde ein ganzzeitliches, sektorüber- Über diesen lasse ich zuerst abstimmen. Wer stimmt greifendes Konzept unter Beachtung des Vorsorge-, für diesen Änderungsantrag? — Wer stimmt dagegen? Verursacher- und Kooperationsprinzips zum Schutz — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen des Abgeord- einer ganzen Region sowie ihrer nachhaltigen Ent- neten Krause (Bonese) und des Abgeordneten de With wicklung verabschiedet. Ich glaube, daß dieses Kon- ist dieser Antrag abgelehnt. zept beispielgebend für weitere sein könnte, und Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzent- freue mich, daß wir in diesem Parlament dazu, wie ich wurf in der Ausschußfassung. Wer stimmt dafür? — den Eindruck habe, durchweg eine einheitliche Mei- Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist nung entwickeln konnten. der Gesetzentwurf in zweiter Beratung angenom- Vielen Dank. men. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wir kommen zur dritten Beratung Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Meine und Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte mir nicht vor. ich, sich vom Platz zu erheben. — Wer stimmt dage- Wir kommen zur Abstimmung über den von der gen? — Wer enthält sich? — Mit dem gleichen Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ge- Mehrheitsverhältnis wie in der zweiten Lesung ist der setzes zu dem Übereinkommen zum Schutz der Alpen. Gesetzentwurf angenommen. Das liegt Ihnen auf Drucksache 12/7268 vor. Der Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe cherheit empfiehlt auf Drucksache 12/7914, den die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte morgen, Freitag, den 17. Juni 1994, 9 Uhr, ein. diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wol- len, sich zu erheben. — Weitere Fragen erübrigen Ich bedanke mich bei all denjenigen, die die Geduld sich, da sich das ganze Haus erhoben hat. Damit ist der gehabt haben, bis zum Schluß hierzubleiben, und Gesetzentwurf angenommen. wünsche Ihnen noch einen erholsamen Abend, wo auch immer Sie ihn zu verbringen gedenken. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- ßungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache Die Sitzung ist geschlossen. 12/7940. Wer stimmt für diesen Entschließungsan- (Schluß der Sitzung: 21.50 Uhr) Deutscher Bundestag - 12. Wahlperiode - 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20423*

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 entschuldigt bis Abgeordnete(r) Liste der entschuldigten Abgeordneten einschließlich Terborg, Margitta SPD 16. 6. 94 * Abgeordnete(r) entschuldigt bis Vogel (Ennepetal), CDU/CSU 16. 6. 94 * einschließlich Friedrich Antretter, Robert SPD 16. 6. 94 ' Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 16. 6. 94 Bartsch, Holger SPD 16. 6. 94 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 16. 6. 94 Berger, Hans SPD 16. 6. 94 Wieczorek (Duisburg), SPD 16. 6. 94 Böhm (Melsungen), CDU/CSU 16. 6. 94 ' Helmut Wilfried Wimmer (Neuötting), SPD 16. 6. 94 Dr. Böhme (Unna), Ulrich SPD 16. 6. 94 Hermann Brähmig, Klaus CDU/CSU 16. 6. 94 Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 16. 6. 94 Büchler (Hof), Hans SPD 16. 6. 94' Wolfgramm (Göttingen), F.D.P. 16. 6. 94* Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 16. 6. 94 Torsten 16.6.94* Fuchs (Verl), Katrin SPD 16. 6. 94 Zierer Benno CDU/CSU Gallus, Georg F.D.P. 16. 6. 94 Geiger, Michaela CDU/CSU 16. 6. 94 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Henn, Bernd PDS/Linke 16. 6. 94 Liste Dr. Holtz, Uwe SPD 16. 6. 94 Anlage 2 Dr. Klejdzinski, SPD 16. 6. 94 Karl-Heinz Erklärung nach § 31 GO Koschnick, Hans SPD 16. 6. 94 des Abgeordneten Horst Friedrich (F.D.P.) Dr. Krause (Börgerende), CDU/CSU 16. 6. 94 zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Günther zur Erhebung von Autobahnbenutzungsgebühren Dr.-Ing. Krüger, Paul CDU/CSU 16. 6. 94 (Tagesordnungspunkt 7) Dr. Luther, Michael CDU/CSU 16. 6. 94 Marten, Günter CDU/CSU 16. 6. 94 ' Bei den Beratungen zu dem o. g. Gesetz wurde Dr. Matterne, Dietmar SPD 16. 6. 94 entgegen den ausdrücklichen Vorschlägen der Ver- kehrspolitiker keine Zweckbindung des Gebühren- Dr. Meyer zu Bentrup, CDU/CSU 16. 6. 94 ' Reinhard aufkommens für den Verkehrshaushalt vorgesehen. Michels, Meinolf CDU/CSU 16. 6. 94 ' Wenn ich trotz dieser Tatsache, die ich für falsch Dr. Müller, Günther CDU/CSU 16. 6. 94 ' halte, dem Gesetz meine Zustimmung geben werde, Dr. Probst, Albert CDU/CSU 16. 6. 94 ' ist dies ausschließlich darauf zurückzuführen, daß Purps, Rudolf SPD 16. 6. 94 erstmals auch der ausländische Schwerlastverkehr für die Benutzung der deutschen Infrastrukturen eine Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU 16. 6. 94 Gebühr entrichten muß. Susanne Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 16. 6. 94 Hermann Reddemann, Gerhard CDU/CSU 16. 6. 94 Anlage 3 Reichenbach, Klaus CDU/CSU 16. 6. 94 Reimann, Manfred SPD 16. 6. 94 ' Erklärung nach § 31 GO Reschke, Otto SPD 16. 6. 94 zur Abstimmung über das Rabattaufhebungsgesetz (Tagesordnungspunkt 8) Richter (Bremerhaven), F.D.P. 16. 6. 94 Manfred (CDU/CSU): Dem Rabattde- Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 16. 6. 94 Jürgen Augustinowitz Ingrid regulierungsgesetz werde ich nicht zustimmen. Ich sehe die Gefahr, daß viele kleine und mittlere Einzel- Dr. Scheer, Hermann SPD 16. 6. 94 ' händler in ihrer Existenz gefährdet werden könnten. Schell, Manfred CDU/CSU 16. 6. 94 Im übrigen sehe ich nicht, wie durch dieses Gesetz von Schmude, Michael CDU/CSU 16. 6. 94 ' zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden könn- Frhr. von Schorlemer, CDU/CSU 16. 6. 94 ten. Reinhard Die am 20. April 1994 durchgeführte Anhörung des Schwarz, Stefan CDU/CSU 16. 6. 94 Wirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestages Simm, Erika SPD 16. 6. 94 zur Aufhebung des Rabattgesetzes hat deutlich Skowron, Werner H. CDU/CSU 16. 6. 94 gemacht, daß die überwiegende Mehrheit der Sach- Dr. Soell, Hartmut SPD 16. 6. 94 ' verständigen einer Aufhebung des Rabattgesetzes Dr. Sperling, Dietrich SPD 16. 6. 94 kritisch gegenübersteht. Der jetzige Gesetzesvor- Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 16. 6. 94 schlag ist mit heißer Nadel genäht worden. Ich bin Steiner, Heinz-Alfred SPD 16. 6. 94 ' daher dafür, daß in der nächsten Legislaturperiode Szwed, Dorothea CDU/CSU 16. 6. 94 des Deutschen Bundestages das gesamte Wettbe- 20424 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 werbsrecht aufgrund von ausgewogenen und gründ- Zum Problem der Mondpreise: Im deutschen Einzel- lichen Analysen überprüft wird. handel herrscht ein überaus scharfer Preiswettbe- werb. In weiten Teilen des Einzelhandels führt dies zu nur sehr mageren Renditen. Wer hier vernünftig Klaus Bühler (Bruchsal) (CDU/CSU): Das heute zur kalkulieren will, kommt nicht umhin, bei seiner Preis- Abstimmung anstehende Rabattgesetz ist für mich gestaltung eine Rabattspanne gegenüber dem End- — auch in der Form des nunmehr gefundenen Kom- verbraucher zu berücksichtigen. Ich teile nicht die promisses — nicht akzeptabel. Auffassung der Initiatoren des Gesetzes, die glauben, Die Stellungnahmen der Experten, die in der Anhö- dieses Problem zu erwartender Mondpreise durch die rung am 20. April dieses Jahres zu Wort kamen, haben Änderung von § 3 des Gesetzes gegen den unlauteren sehr deutlich gemacht, daß das Rabattgesetz als Wettbewerb befriedigend lösen zu können. Wie in den wesentlicher Bestandteil unseres Wettbewerbsrechts meisten Fällen, so wird auch in diesem ein Verstoß zu gelten hat. Ein Deregulierungsverfahren, das sich gegen diesen UWG-Paragraphen nur sehr schwer nur eine gesetzliche Regelung auf dem Gebiet des nachzuweisen sein, es sei denn, m an entschließt sich Wettbewerbsrechtes herausgreift, führt zwangsläufig zur Einrichtung einer regelrechten „Preisschnüffelbe- zu Wettbewerbsverzerrungen. Es ist — das hat die hörde". Anhörung gezeigt — nicht zu bestreiten, daß die Ein Letztes: Ich finde es erschreckend, daß die Regelungen des vorliegenden Gesetzentwurfes die Probleme des mittelständischen Einzelhandels spe- Großunternehmen zu Lasten der kleinen Facheinzel- ziell in den neuen Bundesländern nicht genügend händler — immerhin handelt es sich hierbei um eine Berücksichtigung gefunden haben. Der Aufbau und Gruppe von 400 000 Einzelhändlern mit etwa drei die Festigung mittelständischer Strukturen im ost- Millionen Beschäftigten — bevorzugt. Diese Konzen- deutschen Einzelhandel werden durch eine Abschaf- trationswirkung wäre für viele Verbraucher mit wei- fung des Rabattgesetzes — und eine solche bedeutet teren Nachteilen verbunden, denn die Versorgung in trotz einiger Modifizierungen das vorliegende Ge- den ländlichen Räumen würde in Mitleidenschaft setz! — nachhaltig behindert. Kein qualifizierter gezogen. Arbeitsplatz wird hierdurch geschaffen, sondern etli- che in ihrer Grundlage unnötig gefährdet. Im übrigen sollte auch die Verbraucherschutzfunk- tion des Rabattgesetzes nicht übersehen werden, die — wie der Vertreter des Bundesgerichtshofes in seiner Alois Graf von Waldburg-Zeil (CDU/CSU): Als Ver- Stellungnahme ausgeführt hat — den Kunden gegen treter eines ländlichen Wahlkreises habe ich die mir irreführendes Preisgebaren des Handels schützen dort insbesondere von Einzelhändlern vorgetragenen soll. Bedenken gegen eine Aufhebung des Rabattgesetzes sehr ernstgenommen, sowohl die Sorge vor unlaute- Die beiden vorgenannten Argumente — die Kon- rem Wettbewerb durch Mondpreise als auch die Angst zentrationswirkung zu Lasten der kleinen Unterneh- vor ruinöser Konkurrenz durch Großbetriebe. men sowie der teilweise Verlust des Verbraucher- schutzes — geben mir Veranlassung, mich bei der Das jetzt vorliegende Deregulierungs-, nicht Aufhe- Abstimmung über den Koalitionsentwurf zur Aufhe- bungsgesetz wird durch Änderung des Gesetzes bung des Rabattgesetzes der Stimme zu enthalten. gegen unlauteren Wettbewerb flankie rt, die die For- derung von Mondpreisen verhindern soll. Das Verbot von Gesamtumsatzrabatten mindert die Sorge vor Amo Schmidt (Dresden) (F.D.P.): Ich kann dem Konzentrationsprozessen. Unter Berücksichtigung Koalitionsentwurf des Rabattderegulierungsgesetzes dieser Änderungen und der Tatsache, daß das Vorha- nicht zustimmen. ben nochmals überprüft werden soll — die Bundesre- gierung ist aufgefordert, bis Ende 1996 über die Trotz Änderungen bleibt es faktisch bei einer Auf- Erfahrung mit diesem Gesetz zu berichten, vor allem hebung des bisherigen Rabattgesetzes. über Auswirkungen auf die Tourismusbranche — Mit der Beibehaltung des Verbots von Gesamtum- glaube ich, daß den Hauptbedenken der Einzelhänd- satzrabatten wird ohne Zweifel den Befürchtungen ler Rechnung getragen wurde. Ich habe deshalb dem des mittleren und kleineren Einzelhandels Rechnung Gesetz zugestimmt. getragen. Dennoch bleiben gravierende Mißstände bestehen, die in ihrer Wirkung sowohl auf die bundes- Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Aus folgenden Grün- deutsche Einzelhandelslandschaft als auch den Kun- den kann ich dem Rabattderegulierungsgesetz nicht den nicht lange auf sich warten lassen werden. zustimmen: Dazu gehört das Problem der Werbung mit Rabat- Die Anhörung zur Aufhebung des Rabattgesetzes ten, die nachgewiesene Suggestivkraft solcher Wer- hat gezeigt, daß es nicht sinnvoll ist, aus dem Gefüge bung, die den Prinzipien der Preisklarheit und Preis- Preisangabenverordnung/Zugabenverordnung/UWG wahrheit zuwiderläuft. Große Unternehmen werden den Baustein Rabattgesetz herauszunehmen. Das zudem durch ihre umfassenderen Möglichkeiten Rabattgesetz leistet einen wich tigen Beitrag für Preis- preisintensiver Formen der Rabattwerbung einen klarheit und Preiswahrheit. Dies dient dem Interesse ungleich größeren Nutzen davontragen. Die Zentrale der Verbraucher. Ich befürchte, daß insbesondere gegen den Unlauteren Wettbewerb hat es im Rahmen ältere Mitbürger einer Preisübervorteilung ausgesetzt der Anhörung am 20. April auf den Punkt gebracht: Es werden. Die Preisangabenverordnung wird mit der entstünde auf jeden Fall mehr Freiheit für irrefüh- Deregulierung des Rabattgesetzes ihre Wirkung weit- rende Werbung. gehend verlieren. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20425*

Des weiteren ist für mich die Ausnahmeklausel von formelle Hochschulzugangsberechtigung, die Anpas- Gesamtumsatzrabatten zu weit gefaßt. Dies höhlt das sung der Sozialpauschalen, die Erweiterung von Frei- Verbot faktisch aus und stellt somit eine Gefährdung beträgen für Alleinerziehende — all das sind offen- bzw. große Benachteiligung mittelständischer Einzel- kundige Verbesserungen. Auch die Umsetzung des händler dar. Grenzgängerurteils des Europäischen Gerichtshofes vom 13. Oktober 1990 oder die Aufnahme eines Otto Hauser (Esslingen) (CDU/CSU): An der Rechtswissenschaftlers und vor allem eines Vertreters namentlichen Abstimmung zum Gesetzentwurf zur des Deutschen Studentenwerks in den BAföG-Beirat Aufhebung des Rabattgesetzes und der Verordnung können nur begrüßt werden. zur Durchführung des Rabattgesetzes werde ich nicht - Auch die sechs Kernelemente der vom Gesetz teilnehmen. angestrebten Problemlösungen sind in sich gespalten: Drei Erleichterungen für die BAföG-Betroffenen ste- hen drei Einschränkungen gegenüber, nämlich die Teilaussetzung der Freibetragsregelung, die Verzin- Anlage 4 sung von Bußgeldbeträgen und die Einführung einer neuen Zwischenprüfung nach dem zweiten Fachse- Erklärung nach § 31 GO mester. Die Bedingungen der letzteren sind übrigens des Abgeordneten Jürgen Koppelin (F.D.P.) so vage formuliert, daß ich mich als ehemaliger zur Abstimmung Über den Entwurf Hochschullehrer nur beglückwünschen kann, an eines Magnetschwebebahngesetzes einem so seltsamen Vorhaben nicht mehr beteiligt zu (Tagesordnungspunkt 9) sein. Der entscheidende Kritikpunkt aber ist der sozial- Weder aus verkehrspolitischen noch aus finanziel- politische: Eine Anpassung an die Steigerung der len Gründen bin ich von dem Projekt überzeugt. Lebenshaltungskosten findet nicht statt. Gleichzeitig Es geht heute bei der Entscheidung für die Magnet- aber wird bei Familien und studierenden Kindern schwebebahn nicht um eine Beurteilung der Techno- Kindergeld gestrichen, wenn deren Einkommen aus logie des Transrapid. Es geht um ein konkretes Nebentätigkeiten zusammen mit BAföG-Geldern Projekt, das ich für verkehrspolitisch fragwürdig 750,— DM brutto übersteigt. Nach Berechnungen des halte. Deutschen Studentenwerkes sind hiervon Eltern von Völlig ungeklärt ist die Frage: Wie soll eigentlich die mindestens 180 000 Studierenden betroffen. Anbindung an den Endpunkten in Hamburg und BAföG ist ein Gesetz, das die immer neue Anpas- Berlin stattfinden, und welche Folgekosten und wel- sung der von ihm vorgesehenen Leistungen vor- cher Folgeverkehr sind damit eigentlich verbunden? schreibt. Genau diesem Sinn zuwider läuft der Inhalt Auch für die geplante Finanzierung müssen erheb- des Regierungsentwurfs. Wenn die Regierung den liche Bedenken angemeldet werden. Das Risiko tra- Betroffenen erklärt, die Kürzungen und die Nichtan- gen nicht private Betrieber, sondern allein der Steu- passung seien ein vertretbarer Beitrag der Auszubil- erzahler. denden zu zwingend notwendigen Sparmaßnahmen, Zu diesen Bedenken kommen umweltpolitische dann ist die Logik dieser Aussage so gut wie wenn Eltern ihren Kindern erklärten: Wir kaufen euch keine Bedenken hinzu. warmen Wintersachen, und wenn ihr euch erkältet, Daher ist es mir nicht möglich zuzustimmen. dann ist das ein zumutbarer Beitrag zum Sparbudget der Familie. Ich stimme dem Urteil des Bundesrates uneinge- Anlage 5 schränkt zu „Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist unausgewogen, sozial nicht vertretbar und kon- Zu Protokoll gegebene Rede traproduktiv im Hinblick auf die von Ländern und zu Tagesordnungspunkt 15 Bund angestrebte Studienstrukturreform." (a — Entwurf eines Siebzehnten Gesetzes zur Än- derung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, b — Beschlußempfehlung zum Zehnten Bericht nach § 35 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zur Anlage 6 Überprüfung der Bedarfssätze, Freibeträge sowie Vomhundertsätze und Höchstbeträge nach § 21 Zu Protokoll gegebene Reden Abs. 2) zu Tagesordnungspunkt 16 (a — Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung Dr. Wolfgang Ullmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes, NEN): Den Gesetzentwurf ist eine Halbheit. Eine b — Beschlußempfehlung zu dem Antrag: Einsatz der Halbheit der Art, zu der es überall do rt kommt, wo an Gentechnik und anderer neuartiger biotechnolo den Symptomen eines Notstandes herumkuriert wird, gischer Verfahren in der Lebensmittelproduktion, statt seine Wurzeln aufzusuchen und angemessen zu c — Antrag: Vermeidung und Verhinderung von behandeln. Pflanzenschutzmittelrückständen in Lebensmitteln) Ich habe damit auch eingeräumt, daß der Entwurf eine ganze Reihe positiver Elemente enthält. Die Dr. Ursula Fischer (PDS/Linke Liste): Das hier zur Aufhebung der Altersgrenze bei Studierenden ohne Debatte stehende Gesetz ist auf die Verbesserung des 20426* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Gesundheits- und Verbraucherschutzes gerichtet und Hilfsstoffe bei kosmetischen Mitteln, aber auch bei kann in seinen Grundintentionen nur befürtwortet solchen täglichen Bedarfsgegenständen wie Wasch- werden. Mit diesem vorliegenden Entwurf eines mitteln und Textilien. Zweiten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes werden weitere Dringend nötig sind auch entsprechende Impulse, europäische Richtlinien, die sich auf kosmetische um die vielerorts lückenhafte personelle Besetzung Mittel, sonstige Bedarfsgegenstände und Tabaker- und fachliche Aus- und Weiterbildung auf dem Gebiet zeugnisse beziehen, in na tionales Recht umgesetzt. der praktischen Lebensmittelkontrolle nachhaltig zu verbessern. Das geschieht in erster Linie durch die Umgestal- tung entsprechender Ermächtigungen. So kann das Sehr im argen liegt bekanntlich nach wie vor auch Bundesministerium für Gesundheit künftig vorschrei- das Gebiet der öffentlichen Informationen und War- ben, daß die Hersteller von kosmetischen Mitteln nungen, Rückrufaktionen und der gegenseitigen verpflichtet sind, über die von ihnen verwendeten Information der Behörden untereinander bei drohen- gesundheitlich relevanten Stoffe Angaben bereitzu- den gesundheitlichen Gefährdungen durch be- halten und entsprechende Auskunft zu geben. Wich- stimmmte Produkte. Die Unsicherheiten, die in dieser tig ist beispielsweise auch, daß das BMG nunmehr Hinsicht erst kürzlich wieder beim „Babynahrungs- berechtigt ist, Höchstmengen für Stoffe festzulegen, Skandal" zutage getreten sind, haben das erneut die in bestimmten Bedarfsgegenständen enthalten gezeigt. sein dürfen. So ist das Gesetz in vieler Hinsicht leider auch das Darüber hinaus wird künftig durch eine spezielle Ergebnis von verpaßten Chancen. Bei seiner Verab- Vorschrift die Strafbewehrung von unmittelbar gel- schiedung werde ich mich daher der Stimme enthal- tendem europäischen Recht durch den Erlaß einschlä- ten. giger Rechtsverordnungen ermöglicht. Nur kurz kann ich auf den Einsatz der Gentechnik Die wohl wichtigste Neuregelung besteht jedoch in und anderer neuartiger biotechnologischer Verfahren der Einrichtung eines planmäßig und ständig arbei- in der Lebensmittelproduktion eingehen. Dieser Ein- tenden Meß- und Beobachtungssystems für Lebens- satz ist aus meiner Sicht nicht nur entbehrlich, er leitet mittel, des sogenannten „Lebensmittel-Monitorings". vielmehr auch eine sehr gefährliche Entwicklung Das ist zweifellos vom Standpunkt des gesamten ein. vorbeugenden Gesundheitsschutzes ein beträchtli- cher Fortschritt. Eine Reihe von Ländern verfügt hier Erstens. Niemand kann bestreiten, daß Folgewir- bereits über Erfahrungen, und die Bundesrepublik ist kungen und Synergismen genetischer Manipulatio- gut beraten, diese gewissermaßen nachholende nen in keiner Weise abzuschätzen sind. Gesundheits- Modernisierung auf dem Gebiet des Lebensmittel- gefährdungen sind deshalb beim Verzehr gene tisch rechts nunmehr vorzunehmen. In routinemäßig sich manipulierter oder unter Mithilfe der Gentechnik wiederholender Form werden damit künftig die Kon- erzeugter Nahrung nicht auszuschließen. zentrationen von gesundheitsgefährdenden Stoffen wie Pflanzenschutzmitteln, Schwermetallen oder be- Zweitens. Die Landwirtschaft wird einem wachsen- stimmten Pilzgiften sowohl anhand von repräsentati- den Druck der Industrie ausgesetzt, auf sozial und ven Proben als auch in der Gesamtnahrung gemessen ökologisch nicht vertretbare Produktionsweisen zu und bewertet. setzen. Bereits heute ist die Abhängigkeit von Bäue- rinnen und Bauern gegenüber Agro- und Chemieun- Soweit so gut und begrüßenswert. Leider trifft aber ternehmen nicht zu übersehen. Wie die Freisetzungen auch die Feststellung zu, daß mit diesem Gesetz in des Basta-resistenten Raps und Mais zeigen, werden erheblichem Umfang Möglichkeiten verschenkt wur- diese Unternehmen über Patente und Verkaufspakete den, auch andere, dringlich anstehende Verbesserun- aus Saatgut und Pflanzenschutzmitteln, ihre Konzep- gen des Gesundheits- und Verbraucherschutzes auf tion einer industriellen, ihnen ausgelieferten L and- dem Gebiet der Lebensmittel und Bedarfsgegen- wirtschaft verfolgen. stände vorzunehmen. Drittens. Der Einsatz der Gentechnologie in der Um nur einiges zu nennen: Nicht genutzt wurden Nahrungsherstellung fördert die Armut und Abhän- beispielsweise die Chancen, die öffentliche Zigaret- gigkeit der „Entwicklungsländer". Auf der einen tenwerbung zu verbieten oder doch wenigstens wei- Seite sind sind aufgrund von Geldmangel und der tere deutlich Einschränkungen zu veranlassen oder Weltmarktstrukturen kaum in der Lage, Konkurrenz- die Kennzeichnung, vor allem aber auch die Kontroll- technologien zu entwickeln, auf der anderen Seite untersuchungen bei solchen Lebensmitteln deutlich wird ihre ohnehin unterlegene Posi tion als Rohstofflie- zu erweitern, die letztlich nur aufgrund von Ausnah- feranten durch die gen- oder biotechnologische meregelungen zugelassen sind. Gegenwärtig können Gewinnung von Rohstoffen im Norden, z. B. von bekanntlich oft weder die Überwachungsbehörden Vanille, Kakao oder Zucker, weiter verschlechtert. noch gar die Verbraucher überhaupt erkennen, daß sie es mit solchen Lebensmitteln zu tun haben. Insgesamt spricht, abgesehen von ökonomischen Interessen der Agro- und Chemieindustrie, nichts für Ähnliches gilt für eindeutigere und s trengere Kenn- einen Einsatz von Gen- und Biotechnologien in der zeichnungsvorschriften für verschiedene Inhalts- und Lebensmittelherstellung. Ich lehne ihn deshalb Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20427* grundsätzlich ab und trete für ein Verbot gentech- Europäischen Union unter die Novel-food-Verord- nisch manipulierter Lebensmittel ein. Gerne bekenne nung fallen. ich mich dazu, über eine allgemeine Kennzeichnungs- Zulassungsverfahren sind so auszugestalten, daß pflicht — mehr ist leider nicht durchzusetzen — die die menschliche Gesundheit und der Schutz der Anwendung der Gentechnik zumindest in diesem Umwelt Vorrang genießen. Dies beinhaltet Umwelt- Bereich verhindern zu wollen. verträglichkeitsprüfungen und Unbedenklichkeits- prüfungen. Rückholbarkeit und ein frühzeitiges Warnsystem müssen gewährleistet werden. Vera Wollenberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Skandale im Lebensmittelbereich reißen nicht ab. Offenheit und Öffentlichkeit sind unerläßliche Vor- Nahtlos ziehen Schweinepest, Kälberhormone, Rin- aussetzungen für Zulassungsverfahren. Bürgerinnen derwahnsinn, salmonellenverseuchte Eier oder Lin- und Bürger sind daher bei Zulassungsverfahren for- de in der Babynahrung durch die Schlagzeilen der mell zu beteiligen. Hierzu ist der Informationszugang Medien, und nichts passiert. Verbraucherinnen und zu sichern und ein rechtlicher Status zu gewährleisten, Verbraucher sind dieser Verseuchung der Nahrungs- der eine kompetente Beteiligung der Öffentlichkeit mittel machtlos ausgeliefert. Niemand weiß noch ermöglicht. Verbraucher- und Umweltschutzver- genau, was er eigentlich ersteht, wenn er Lebensmit- bände brauchen Gestaltungsrechte, die eine Einfluß- tel kauft. nahme auf Entscheidungsprozesse ermöglichen. Ent- scheidungen über die Zulassungen von Lebensmit- Nun haben wir es auch noch mit gentechnisch teln, die unter die Novel-food-Verordnung und gege- manipulierten Nahrungsmitteln zu tun. Die Designer benenfalls analog unter das Lebensmittel- und dieses neuen Lebensmittelpfades haben Schönheit Bedarfsgegenständegesetz fa llen, sind zu veröffentli- und Haltbarkeit im Auge. Die moralischen und ethi- chen. Das gleiche gilt für Ergebnisse der durchgeführ- schen Implikationen dieses gigantischen Feldver- ten Sicherheitsprüfung. suchs mit der pflanzlichen und tierischen Keimbahn nicht öffentlich erörtert zu haben, bleibt das histori- Schließlich gehört zu einer informierten Öffentlich- sche Versäumnis dieser Bundesregierung. keit auch, daß alle Lebensmittel und Lebensmittelzu- taten, die aus gentechnisch veränderten Organismen Seit knapp einem Monat ist in den USA die Gen- bestehen, eindeutig gekennzeichnet werden. Dies Tomate in den Regalen der Supermärkte zu finden. kann durch den plakativen Aufdruck „gentechnisch Zwar noch teuer, aber es gibt sie — die Tomate, die verändert" auf dem betreffenden Lebensmittel und schön rot bleibt, deren künstliches Gen allen natürli- durch spezifische Angaben geschehen. Eine genaue chen Angriffen auf ihr gutes Aussehen widersteht. Die Kennzeichnung begründet sich aus der Pflicht, Ver- Nahrungsmittelhersteller kündigen an, innerhalb der braucherinnen und Verbraucher vor Täuschung und nächsten Jahre etwa 50 gentechnisch veränderte Irreführung zu schützen. Ohne Information ist eine Lebensmittel auf den Markt zu bringen. Heute haben kompetente Kaufentscheidung nicht möglich. Die wir erneut darüber zu entscheiden, ob für die Ver- Kennzeichnung ist auch deshalb unerläßlich, weil hier braucherinnen und Verbraucher die gentechnische moralische und ethische Fragen angesprochen sind, Manipulation erkennbar sein soll oder ob die traditio- die durch die Bürgerinnen und Bürger selbst entschie- nelle Geheimhaltungspolitik öffentlicher Verwaltung den werden müssen. fortgesetzt wird. Was wir brauchen, ist nicht nur eine Reform des Schon jetzt belegen Umfragen, daß gentechnische Lebensmittelrechts, sondern ein grundsätzlicher Per- Lebensmittel nicht akzeptiert werden und in die spektivwechsel hinsichtlich der Art und Weise der Informationspolitik der Bundesregierung keinerlei Erzeugung unserer Nahrungsmittel. Ein solcher Per- Vertrauen besteht. Es ist ganz schön verwerflich, spektivwechsel muß Rücksichtnahme auf die Natur, wenn diese Regierungskoalition meint, sie könne den die Produktionsweise der Länder des Südens und die Verbraucherinnen und Verbrauchern die freie Ent- künftigen Generationen einschließen. Das in dem scheidungsmöglichkeit beim Kauf von gentechnisch Gesetzentwurf neu aufgenommene Lebensmittelmo- veränderten Lebensmitteln vorenthalten. Hier sind nitoring ist zwar uneingeschränkt zu begrüßen. Es ethisch-moralische Fragen angesprochen, deren erfüllt seinen Zweck aber nur, wenn wir in Zukunft Tragweite und Entscheidung dem einzelnen Bürger den Einsatz von Schwermetallen, Pflanzenschutzmit- und der einzelnen Bürgerin überantwortet werden teln und Chemikalien so begrenzen, daß sie von der müssen. Hieraus ergeben sich eine Reihe von Ver- Erwachsenen- bis hin zur Babynahrung nicht mehr pflichtungen, die im Rahmen der Europäischen Union auftreten. bzw. im Lebensmittelgesetz durchgesetzt werden müssen: Der Schutz von Mensch und Natur muß alleiniger Anlage 7 Zweck eines Zulassungsverfahrens von gentechnisch veränderten Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten Zu Protokoll gegebene Reden sein. Wirtschaftliche Interessen sind angesichts der zu Tagesordnungspunkt 18 spezifischen Risiken der Gentechnik nicht berück- (Entwurf eines Achten Gesetzes sichtigungsfähig. zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes) Alle Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten, die auf gentechnsich veränderten Organismen beruhen, ein- Erich G. Fritz (CDU/CSU): Der Gesetzentwurf der schließlich der Enzyme, müssen auf der Ebene der Bundesregierung ist eine notwendige Voraussetzung 20428* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 für die adminis trative Umsetzung der künftigen EU- Wie dem auch sei: Die CDU/CSU-Bundestagsfrak- Verordnung für die Exportkontrolle von zivil und tion wendet sich entschieden gegen alle Versuche, militärisch verwendbaren Gütern. Das Bundesaus- den Überwachungsbehörden dieses Instrument aus fuhramt soll ermächtigt werden, auf der Grundlage der Hand zu nehmen, das nachweislich in einer Reihe der künftigen EG-Verordnung Exportgenehmigun- von Fällen zur rechtzeitigen Aufdeckung schwerwie- gen zu erteilen. Darüber hinaus werden die Befug- gender Ausfuhrdelikte geführt hat und im übrigen nisse der Kartellbehörden auf die Überwachung von äußerst verantwortlich gehandhabt wird. Es muß Rechtsakten der Europäischen Union im Bereich des unbedingt sichergestellt sein, daß die zuständigen Außenwirtschaftsrechts erweitert. Ein Kernelement Behörden über wirklich effektive Mittel der Ausfuhr- der Anderung ist die Verlängerung der Regelungen kontrolle verfügen. des Außenwirtschaftsgesetzes, mit denen das B rief-, Ich glaube, wir können über alle Parteigrenzen Post- und Fernmeldegeheimnis eingeschränkt wer- hinweg darin übereinstimmen, daß illegale Waffenge- den kann, um schwerwiegende Kriegswaffen- und schäfte nicht erst aufgespürt werden sollen, wenn die Ausfuhrdelikte zu verhindern. Im Fa lle eines begrün- Ware schon die Landesgrenze überschritten hat. Und deten Verdachts auf bevorstehende illegale Ausfuh- es ist dann auch konsequent, den Strafverfolgungsbe- ren soll ein Eingriff des Staates möglich sein. hörden ein früheres Eingreifen zu ermöglichen. Ein sinnvolles und geeignetes Mittel ist dabei nun einmal Wie schon vor zwei Jahren haben die Sozialdemo- die frühzeitige Kontrolle des Telefonverkehrs und des kraten auch dieses Mal verfassungsrechtliche und Postverkehrs. andere schwerwiegende Bedenken gegen diese Regelung vorgebracht. Und wie schon vor zwei Jah- Die CDU/CSU wird sich auch in Zukunft dafür ren haben wir eine Anhörung von Sachverständigen einsetzen, daß den illegalen Exporteuren und Hand- zu dieser Problematik durchgeführt. Schon in der langern des Todes das H andwerk gelegt wird. Um Anhörung vom November 1991 und der darauffolgen- dies zu erreichen, sind zum einen noch abschrecken- den ausführlichen Debatte Anfang 1992 zeigte sich, dere Strafen als bisher nötig. Daher sieht der Gesetz- daß die Regelung rechtsstaatlich außerordentlich entwurf der Bundesregierung eine Bußgeldbeweh- sorgfältig ausgestaltet wurde und daß es notwendig rung von Verstößen gegen Anordnungen nach § 2 und sinnvoll ist, die sogenannte Vorfeldaufklärung Abs. 2 des Außenwirtschaftsgesetzes vor. Danach soll des Zollkriminalamtes zu verbessern. ein Verstoß künftig mit einer Geldbuße bis zu zwei Millionen DM geahndet werden können. Auch die auf Drängen der SPD neuerlich durchge- Zum anderen ist ein Datenaustausch des Bundes- führte Anhörung am 19. Mai hat zweifelsfrei ergeben, ausfuhramtes mit anderen Behörden, die ebenfalls mit daß die verfassungsrechtlichen Bedenken von seiten der Exportkontrolle von sensitiven Waren befaßt sind, der Opposition von den Sachverständigen nicht bestä- dringend notwendig. Die bisherige Rechtslage hat tigt werden konnten. Die verfassungsrechtliche dazu geführt, daß das Bundesausfuhramt nicht alle Bewertung hat vielmehr ergeben, daß die Gebote der tatsächlich verfügbaren Informationsquellen über kri- Bestimmtheit, der Geeignetheit und insbesondere der tische Ausfuhrvorgänge nutzen kann. Darauf hat auch Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verletzt wer- der Präsident des Bundesnachrichtendienstes in der den. Auch dem Verbot des Übermaßes staatlicher letzten Anhörung hingewiesen. Ich glaube, wir sollten Eingriffe wird Rechnung ge tragen. uns auch hier einig sein, daß zur Verhinderung illegaler Geschäfte und krimineller Delikte im Inter- Die Anhörung zeigte, daß in der bisherigen Verwal- esse einer wirksamen Exportkontrolle einem verbes- tungspraxis grundsätzlich posi tive Erfahrungen mit serten Datenaustausch zugestimmt werden kann. den getroffenen Überwachungsmaßnahmen gemacht Schließlich soll die Bundesregierung durch den werden konnten. Allerdings ist die Erprobungsphase Gesetzentwurf in die Lage versetzt werden, den von nicht einmal zwei Jahren zu kurz gewesen, um Vereinten Nationen jährlich Ein- und Ausfuhren eine endgültige Bewertung vorzunehmen. Aus die- bestimmter Kriegswaffen zu melden. Dies erfordert sem Grund sieht der vorliegende Gesetzentwurf auch die Schaffung einer Verordnungsermächtigung im eine Verlängerung der Probephase um zwei Jahre vor, Kriegswaffenkontrollgesetz für neue Meldepflichten. um dann auf der Basis wirklich umfassender und Ich darf darauf hinweisen, daß das VN-Waffenregister ausreichender Informationen darüber befinden zu im wesentlichen auf entsprechende Bemühungen der können, ob sich die Überwachungsmaßnahmen in der Bundesregierung zurückgeht und immer mehr zum Praxis auch über einen hinreichend langen Zeitraum Kern internationaler Bemühungen um abgestimmte bewährt haben. Kontrollregelungen wird. Insgesamt hat die Anhörung die Erwartungen der Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch CDU/CSU-Bundestagsfraktion über die politische zwei wichtige Bereiche kurz ansprechen, die für eine Notwendigkeit und die verfassungsrechtliche Unbe- effektive Exportkontrolle von sensiblen Produkten denklichkeit der geplanten Änderung des Außenwirt- von besonderer Bedeutung sind. Das ist zum einen die schaftsgesetzes in vollem Umfang bestätigt. Niemand, dringend notwendige und unverzichtbare Harmoni- der sich ernsthaft und aufrichtig mit der Gesetzesre- sierung der Rüstungsexportkontrolle bei Dual-use- gelung beschäftigt hat, hätte ein anderes Ergebnis Gütern, zum anderen die existentiell wich tige euro- erwartet. Es ist mir daher, offen gestanden, auch bis päische Kooperation im Rüstungsbereich. heute nicht ganz klar, was die SPD mit dieser neuer- Eine gemeinsame europäische Regelung für die lichen Anhörung, auf deren Durchführung sie vehe- Ausfuhr sowohl militärisch als auch zivil nutzbarer ment gedrängt hat, eigentlich bezwecken wollte. Güter ist eine notwendige Voraussetzung sowohl für Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20429* die Vollendung des Binnenmarktes wie für die im lierbarkeit und Klarheit bei den einzelnen Exportvor- Vertrag von Maastricht vorgesehene gemeinsame haben deutlich verbessert. Damit wird die Fähigkeit europäische Außen- und Sicherheitspolitik. Schon zu europäischer Kooperation, die für Europa wich tig viel zu lange haben wir auf europäischer Ebene darum und für die deutsche Industrie mittlerweise zu einer gerungen, auf diesem so schwierigen und sensiblen unverzichtbaren Existenzvoraussetzung geworden Gebiet eine einheitliche europäische Lösung zu fin- ist, entschieden gestärkt. Es darf nämlich nicht sein, den. Dem besonderen Drängen der CDU/CSU-Bun- daß unsere europäischen Partner daran gehindert destagsfraktion und dem vorbildlichen Engagement werden, mit deutschen Unternehmen wichtige Zu- des Wirtschaftsministers ist es zu verdanken, daß die kunftsprojekte zu planen und durchzuführen. Koope- Verhandlungen in Brüssel kurz vor dem erfolgreichen rationsströme dürfen nicht weiter an Deutschland Abschluß stehen. Auf der Sitzung des Außenminister- vorbeilaufen. Deutschland darf sich in diesem Bereich rates Anfang dieser Woche in Brüssel ist erneut ein nicht selbst ins Abseits stellen und lediglich die Rolle wichtiger Schritt getan worden. Damit ist eine endgül- eines Zulieferers oder Juniorpartners übernehmen. tige Billigung der EU-Verordnung auf der nächsten Das einzige, was die Opposition zu diesem wichti- Ratssitzung greifbar nahe gerückt. Besonders begrü- gen Thema anzumerken hat, ist die üble Unterstellung ßenswert ist, daß es gemeinsam mit den europäischen — ich zitiere Herrn Bachmaier —, "daß der Beschluß Partnern gelungen ist, sich auf europäischer Ebene der Bundesregierung eine Aufweichung der gelten- auf überraschend scharfe und restriktive Regelungen den Exportverbote auf ganzer Linie bedeutet. " Herr zu verständigen. Dabei hat die Posi tion der Bundesre- Bachmeier, Sie wissen selbst, daß das, was Sie da gierung eine entscheidende Rolle gespielt. Was bis geäußert haben, völlig an der Realität vorbeigeht. Wir heute auf europäischer Ebene erreicht wurde, haben sollten wirklich bei so einem ernsten Thema auf die wenigsten von uns zu erwarten gehofft. Diesen Polemik, gegenseitige Verleumdungen und bösartige Erfolg der Bundesregierung sollten auch die Sozialde- Unterstellungen verzichten. Wir sollten lieber ge- mokraten neidlos anerkennen. meinsam — und dazu lade ich die Opposition herzlich Hinsichtlich der nach einer EU-Regelung noch ein — mit vereinten Kräften nach einer politischen verbleibenden nationalen Besonderheiten forde rt die Lösung suchen, die den beiden zentralen Herausfor- CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Bundesregierung derungen gleichermaßen Rechnung trägt, d. h. auf, zwischen europäisch einheitlicher Lösung und sowohl der Kooperationsfähigkeit der deutschen Wirt der Notwendigkeit etwaiger nationaler Zusatzmaß- -schaft als auch der notwendigen verantwortlichen nahmen abzuwägen. Sie wird prüfen müssen, ob Nonproliferation kritischer Rüstungsgüter in die Kri- unsere sogenannte Auffangnorm für Zulieferungen sengebiete dieser Welt. im konventionellen Rüstungsbereich auf die sensiti- Der Änderungsantrag der SPD baut erneut auf den ven Kernländer eingeschränkt werden soll (§ 5 c vorhin schon gewürdigten verfassungsrechtlichen AWV) und ob die Dienstleistungen und der nicht Bedenken auf, die aber sind in der Anhörung völlig dokumentierte Wissenstransfer gegenüber dem bis- ausgeräumt worden; wir lehnen diesen Antrag des- herigen weit gefaßten Länderkreis weiterhin kontrol- halb ab. liert werden sollen (§§ 45 Abs. 2, 45b AWV). Das Problem illegaler Exporte ist nicht durch eine Marita Sehn (F.D.P.): Bei der Novelle des Außen- deutsche Hypermoral zu lösen, sondern durch eine wirtschaftsgesetzes 1992 haben wir dem Zollkriminal- immer stärkere Verschränkung der Wi rtschaft und der amt neue Befugnisse übertragen, um die Exportkon- Integration der gemeinsamen Außen- und Sicher- trolle noch weiter zu verbessern. Dazu wurde das heitspolitik in Europa. Deshalb hat es wenig Sinn, in Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis zeitlich befri- Deutschland einen Sonderweg einzuschlagen, etwa stet eingeschränkt. Heute geht es darum, ob sich diese indem die bereits bestehenden s trengen nationalen Regelung bewährt hat und ob sie verlängert werden Kontrollen noch weiter verschärft werden. Vielmehr soll. muß versucht werden, die heute schon bestehenden Wir haben im Wirtschaftsausschuß dazu eine Anhö- Diskriminierungen durch einen gemeinsamen euro- rung durchgeführt. Seitens des Zollkriminalamtes und päischen Rahmen zu vermeiden. Eine moderne hoch- der Staatsanwaltschaft wurde dabei sehr klar und technisierte Wirtschaft wie die deutsche kann sich eindrücklich dargestellt, mit welcher Sorgfalt, aber nicht von den wichtigsten Kooperationspartnern im auch mit welchem Erfolg dieses Instrument ange- Bündnis abschneiden. wandt wird. Bevor eine Überwachung eingeleitet Die Bundesregierung hat bewiesen, daß sie sich wird, muß eine mit drei Berufsrichtern besetzte Kam- dieser Problematik bewußt und auch entschlossen mer des Landgerichtes Köln zustimmen. Bisher gab es zum Handeln ist. Dies zeigt der jüngste Beschluß der elf Fälle. Sieben Maßnahmen sind abgeschlossen. In Bundesregierung zur Beseitigung von Hindernissen fünf Fällen wurden Strafverfahren eingeleitet. Es bei privaten Kooperationen, der zu Verbesserungen in konnten höchst gefährliche Ausfuhren, die auch mit der Genehmigungspolitik führt. Unter bestimmten dem Bau von Atombomben zusammenhängen, ver- Voraussetzungen werden jetzt private Kooperationen hindert werden. auf Unternehmensebene regierungsamtlichen Ko- Die von der SPD vorgebrachten verfassungsrechtli- operationen gleichgestellt. Und Zulieferungen in chen Bedenken wurden in der Anhörung ebenso klar OECD-Länder, denen nur eine untergeordnete Rolle und eindrücklich widerlegt. Vor allem wurde deutlich, für das Fertigprodukt zukommt, sollen in einem pau- daß sich die Bedrohungslage z. B. hinsichtlich der schalen Verfahren geprüft und entschieden werden Weiterverbreitung von Kernwaffen nicht entspannt, können. Dadurch wird die Vorhersehbarkeit, Kalku- sondern verschärft hat. Auch diesen Zusammenhang 20430* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 müssen wir sehen, wenn wir über die Zulässigkeit porteuren rechtzeitig das Handwerk zu legen. Die einer Einschränkung von Grundrechten debattieren. bitteren Erfahrungen, die wir mit illegalen Rüstungs- exporten in den Irak und nach Libyen und den legalen Für mich hat sich aus der Anhörung zweifelsfrei Rüstungsexporten in die Türkei gemacht haben, soll- noch einmal bestätigt: Wenn wir illegale Exporte ten uns Mahnung genug sein, um nicht erneut und verhindern wollen — und das wollen wir, wo immer immer wieder in diese todbringenden Geschäfte ver- möglich —, dann sind die Befugnisse des Zollkrimi- strickt zu werden. Es ist, meine Damen und Herren, nalamtes ein notwendiges Instrument. Sie sind auch nicht möglich, fein säuberlich, wie dies m anche mei- ein geeignetes Instrument. Trotz der erst kurzen nen, illegalen und legalen Rüstungsexport voneinan- Anwendungszeit zeigt die Praxis bereits eindrucks- der zu trennen. Wir können nicht oft genug darauf volle Erfolge. Die Verlängerung der Regelung zur hinweisen, daß man illegalen Rüstungsexport nur Einschränkung des Post- und Fernmeldegeheimnis- dann wirkungsvoll verhindern kann, wenn wir den ses zur besseren Kontrolle und Bekämpfung illegaler legalen Rüstungsexport nachhaltig einschränken. Ausfuhren wird von uns deshalb unterstützt. Zur Zeit vergeht aber kaum eine Woche, in der die Auch ein weiterer Punkt, der in der Novelle des Bundesregierung oder ihr nahestehende Politiker AWG geregelt wird, wurde in der Anhörung als nicht irgendwelchen Erleichterungen für Rüstungsex- besonders notwendig herausgestellt. Es h andelt sich porte das Wort reden. Erst in diesen Tagen hat die um den Datenaustausch zwischen dem Bundesaus- Bundesregierung neue Beschlüsse zu Rüstungsko- fuhramt und anderen Behörden, etwa dem Bundes- operationen und Zulieferungen für die NATO- und nachrichtendienst. Wir halten das für vernünftig. Im OECD-Staaten gefaßt. Mit diesen Beschlüssen wer- Interesse einer möglichst effizienten Exportkontrolle den auch die bislang geltenden „politischen Grund- muß das Bundesausfuhramt alle vorhandenen Infor- sätze der Bundesregierung für den Expo rt von Kriegs- mationen auch nutzen können. Dem dient diese waffen und sonstigen Rüstungsgütern" vom 28. April Regelung. 1982 in erheblichem Umfang unterlaufen. Nach allem, Die SPD hat immer wieder versucht, auch bei der was wir bisher wissen, stehen danach der Zusammen- Anhörung, das Thema der Dual-use-Güter in den arbeit deutscher Firmen mit Rüstungsfirmen in Vordergrund zu schieben. Die Sachverständigen in NATO- und OECD-Staaten kaum noch Exporthinder- der Anhörung haben sich dem verweigert. Ich möchte nisse im Wege. Fast unbegrenzt werden Zulieferun- mich dem anschließen. Denn das Außenwirtschafts- gen an Firmen in OECD-Staaten, also über das gesetz, über das wir hier debattieren, beinhaltet in NATO-Bündnis hinaus, dann möglich, wenn die zu diesem Bereich keinerlei Neuerungen. Es regelt liefernden Teile im Bereich von 20 % des herzustel- lediglich, daß das Bundesausfuhramt auch für Geneh- lenden Endproduktes liegen. Die Folge wird eine migungen nach einer europäischen Exportkontrollre- massive Ausweitung der Rüstungsexportaktivitäten gelung für zivil und militärisch nutzbare Güter, soge- deutscher Firmen in diese Staaten sein und damit nannte Dual-use-Güter, zuständig sein wird. Es mittelbar natürlich auch eine wachsende Beteiligung schafft also die Grundlagen für die Umsetzung und deutscher Firmen an Waffen- und Rüstungslieferun- Anwendung einer künftigen EG-Verordnung. gen in die Krisengebiete der Welt. Die Verhandlungen über den Inhalt einer solchen Die Beteuerungen der Bundesregierung, daß von EG-Verordnung sind zweifelsohne schwierig. Uns ist diesen Exporterleichterungen die ABC-Waffen und daran gelegen, das Kontrollniveau hochzuhalten. Wir die Trägertechnologien ausgeschlossen seien, bieten betrachten die Verordnung, so wie sie jetzt im Entwurf wenig Trost. Die zahlreichen militärischen Auseinan- vorliegt, nur als einen ersten Schritt zu einem einheit- dersetzungen, sei es im ehemaligen Jugoslawien, sei lichen europäischen Kontrollsystem, das dann tat- es in Ruanda, im Sudan oder in Somalia, werden mit sächlich nationale Regelungen überflüssig machen konventionellen Waffen und Rüstungsgütern geführt. kann. Betroffen von diesen grausamen Kriegen ist in a ller Regel die Zivilbevölkerung. Deshalb müssen im kon- Mit dem heute zu beratenden Gesetzentwurf hat ventionellen Bereich dieselben Beschränkungen gel- diese EG-Verordnung aber nur am R de zu tun. Hier an ten wie für Massenvernichtungstechnologien und geht es vielmehr darum, ein Hilfsmittel zur Verhinde- Trägersysteme. rung illegaler Exporte, das sich bewährt hat, weiter zu nutzen. Dazu sind wir entschlossen. Durch die von der Bundesregierung beschlossenen Erleichterungen wird die Gefahr wieder größer, daß wir nach den bitteren Erfahrungen der illegalen Hermann Bachmaier (SPD): Anläßlich der vom Rüstungsexporte in den Irak und nach Libyen sowie Wirtschaftsausschuß durchgeführten Anhörung zur den von der Bundesregierung vorgenommenen Waf- Novellierung des Außenwirtschaftsgesetzes hat der fenlieferungen in die Türkei in immer mehr militäri- Präsident des Bundesnachrichtendienstes mitgeteilt, schen Krisen verstrickt werden. Bei der bevorstehen- daß verschiedene Staaten ihre Bemühungen verstärkt den europäischen Harmonisierung des Expo rts von hätten, illegal in der Bundesrepublik Waffen- und Dual-use-Gütern droht ebenfalls die Gefahr einer Rüstungstechnologien zu erstehen. Der Schwerpunkt Aufweichung des deutschen Rüstungsexportkontroll- liege dabei im Bereich der Trägersysteme, für standards. deren Fertigung vor allem hochwertige Dual-use- Technologien benötigt werden würden. Die Ausfüh- Wer glaubwürdig Konflikte auf der Welt eindäm- rungen des BND-Präsidenten Porzner belegen ebenso men will, muß alles daran setzen, daß der Rüstungs- wie vielfältige andere Erkenntnisse, daß wir äußerst export beschränkt und nicht, wie dies leider durch die wachsam sein müssen, um skrupellosen Rüstungsex- Bundesregierung geschieht, immer mehr ausgeweitet Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20431* wird. Wir müssen statt dessen endlich, meine Damen senden Abhörermächtigungen für den Bundesnach- und Herren, die Weichen dafür stellen, deutsche richtendienst war. Rüstungsexporte einzuschränken und sukzessive aus- Ich bleibe dabei, daß wir alles daran setzen müssen, zutrocknen. Deshalb ist es heute notwendiger denn je, dem flächendeckenden Ausbau von Abhörbefugnis- den Zunahmen von Rüstungsexporten auch verfas- sen, die ausschließlich dem Opportunitätsprinzip sungsrechtlich zu begegnen. Es wäre gut, wenn, wie unterworfen sind, Einhalt zu gebieten. Wir dürfen es von uns beantragt, bald ein entsprechender Artikel in nicht zulassen, daß die Konturen zwischen geheim- das Grundgesetz aufgenommen werden würde. dienstlicher Tätigkeit und präventiven Maßnahmen verwischt werden und die Kontrolle der Ermittlungen Die gestern veröffentlichten Zahlen von SIPRI, dem durch die Staatsanwaltschaft in systemwidriger Weise angesehenen Stockholmer Friedensforschungsinsti- unterlaufen wird. tut, sprechen eine deutliche Sprache: Auch im Jahr 1993 steht die Bundesrepublik an dritter Stelle der Mit unserem Änderungsantrag soll erreicht werden, größten Waffen- und Rüstungsexporteure der Welt. daß die im Bereich der Aufklärung von illegalen Während weltweit die Rüstungsexporte zurückgin- Rüstungsexporten erforderlichen Maßnahmen der gen, wird für die Bundesrepublik nach wie vor ein Telefonüberwachung nach den strafprozessualen Exportvolumen von 3 Milliarden DM verzeichnet. Regeln des § 100 a StPO unter der Kontrolle der an das Interessant ist wiederum, daß die führende Wirt- Legalitätsprinzip gebundenen Staatsanwaltschaften schaftsexportmacht Japan in dieser wenig ruhmrei- durchgeführt werden. Durch eine entsprechende chen Tabelle überhaupt nicht in Erscheinung tritt. Ergänzung des § 34 Außenwirtschaftsgesetz wird erreicht, daß auch klar umgrenzte vorbereitende Akti- Meine Damen und Herren, wir können der vorge- vitäten zur Durchführung von illegalen Rüstungsex- legten Novelle zum Außenwirtschaftsgesetz nicht porten nicht nur unter Strafe gestellt, sondern auch mit zustimmen. Wir verkennen nicht, wie wir dies ja auch den Möglichkeiten des § 100a StPO verfolgt und in der ersten Lesung und in den Ausschußberatungen ermittelt werden können. Damit haben die Strafver- dargetan haben, daß die Novelle durchaus auch folgungsorgane und somit auch das Zollkriminalamt vernünftige und akzeptable Ansätze zur Lösung vielfältigere Möglichkeiten, rechtzeitig i llegalen Rü- anstehender Probleme im Rüstungsexportbereich ent- stungsexporteuren auf die Schliche zu kommen. hält. Der entscheidende Unterschied im Verhältnis zu den geheimdienstähnlich ausgestatteten Vollmach- Wie schon anläßlich der weitgehenden Neufassung ten im Regierungsentwurf besteht aber da rin, daß des Außenwirtschaftsgesetzes im Jahre 1991 darge- Eingriffe in hochsensible Grundrechte wie in das des legt, können wir die rechtsstaatlich außerordentlich Post- und Fernmeldegeheimnisses nur dann vorge- gefährlichen Abhörermächtigungen für das Zollkri- nommen werden können, wenn sie im Rahmen eines minalamt in der vorliegenden Form nicht akzeptieren. rechtsstaatlich gesicherten und dem Legalitätsprinzip Wir können deshalb auch heute nicht der Verlänge- unterworfenen strafrechtlichen Ermittllungsverfah- rung dieser Abhörermächtigungen um weitere zwei rens durchgeführt werden. Methoden präventiver Jahre zustimmen. Wie Sie, meine Damen und Herren, Ausforschung ohne konkreten Tatverdacht und ohne aus den Beratungen wissen, geht es nicht darum, die Legaltitätskontrolle lehnen wir ab. Solche Methoden zuständigen Ermittlungsbehörden mit den rechts- verträgt der Rechtsstaat Bundesrepublik nicht. Diese staatlich vertretbaren Instrumentarien auszustatten, Methoden sind auch nicht nötig, um illegale die zur Aufklärung von illegalen Rüstungsexporten Rüstungsexporte rechtzeitig zu erkennen und zu ver- geboten sind. Die §§ 39ff. des Außenwirtschaftsgeset- hindern sowie die oft skrupellos vorgehenden Täter zes stellen eine weitgehend unklar definierte und gerichtlich zu Verantwortung zu ziehen. außerordentlich weitreichende Eingriffs- und Abhör- ermächtigung für das dem Bundesfinanzminister unterstellte Zollkriminalinstitut dar. In diesen Vor- Vera Wollenberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): schriften wimmelt es nur so vor unbestimmten und Unter dem Signum der Harmonsierung in der Euro- auslegungsbedürftigen Rechtsbegriffen, wodurch päischen Union versucht diese Regierung, völlig Verfassungsgrundsätze wie das Bestimmtheitsgebot andere Interessen durchzusetzen. Der staatliche und das Übermaßverbot grob verletzt werden. Dies ist Zugriff auf immer weitere Bereiche des Privatlebens u. a. auch der Grund, weshalb das Bundesland Rhein- und die Erleichterung von rüstungsnahen Exporten land-Pfalz durch einen Normenkontrollantrag diese sogenannter Dual-use-Güter werden als blinde Passa- verfassungsrechtlich höchst gefährlichen Normen giere an Bord des Dampfers mit Bestimmung Europa beim Bundesverfassungsgericht überprüfen läßt. Wir geschmuggelt. Das ist schlicht unredlich, hat aber wenden uns nach wie vor dagegen, daß das Zollkri- Methode. minalamt und damit auch der Bundesfinanzminister Noch ist die Verordnung der Kommission zu Export- mit geradezu geheimdienstlähnlichen Vollmachten kontrollen bei Dual-use-Gütern nicht fertiggestellt, da ausgestattet werden. Wir brauchen keine derart weit- kann man bereits aus Regierungskreisen hören, man reichenden Methoden präventiver Ausforschung werde dann aber die eigenen Ausfuhrbestimmungen ohne einen konkreten Tatverdacht, um den illegalen angleichen müssen. Das sei zwar rein rechtlich nicht Rüstungsexporteuren das Handwerk zu legen. Heute nötig, müsse aber irgendwie doch sein, wobei das wissen wir, daß die 1990/1991 von der Koali tion so „irgendwie" nicht begründet wird. Das schöne Prinzip hartnäckig verfolgte Abhörermächtigung für das Zoll- der Subsidiarität ist anscheinend nur für Sonntagsre- kriminalamt der erste Schritt zu den nunmehr im den und den Wahlkampf in Bayern gefragt, in der Verbrechensbekämpfungsgesetz enthaltenen umfas- Praxis führt man lieber Brüssel als A libi für die 20432 * Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 eigenen Absichten an. Seien wir gespannt, wie weit mit dem Bundesnachrichtendienst und dem Bundes- diese Regierung dabei gehen wird. Schon jetzt kann amt für Verfassungsschutz ermöglicht werden soll. man der Industrie gratulieren. Jahrelanger Druck Diese Befugnis ist auf Be treiben des Wirtschaftsmi- zahlt sich offenbar aus. nisteriums in der Ausschußberatung nochmals erwei- Nun zu den Angriffen auf die Privatsphäre. Wir tert worden: Die zunächst vorgesehene Beschränkung wenden uns dagegen, die Ermächtigung des Zollkri- des Datenaustausches auf Zwecke des Außenwirt- minalinstituts zum Abhören des Fernmeldeverkehrs schafts- und Kriegswaffenrechts soll entfallen. Perso- um zwei Jahre bis Ende 1996 zu verlängern. Als diese nenbezogene Informa tionen sollen den Diensten nun Befugnis geschaffen wurde, sagte die Bundesregie- unbegrenzt und pauschal, u. a. zur „Verhütung von rung, über eine etwaige Verlängerung müsse im Straftaten", übermittelt werden. Hierfür sind jedoch Lichte der damit gemachten Erfahrungen entschieden Strafverfolgungsbehörden zuständig und nicht die werden. Auf unsere Anfragen nach diesen Erfahrun- Dienste, welche mit derlei Informa tionen ebenso nach gen hat die Bundesregierung zunächst eine Antwort Opportunitätsgesichtspunkten verfahren dürfen wie wegen Geheimhaltungsbedarfs rundweg abgelehnt. das Zollkriminalinstitut beim Abhören. Vor kurzem bequemte sich das Wirtschaftsministe- Diesen Trend, die Aufklärung und Verhinderung rium zu dem Hinweis, binnen eineinhalb Jahren seien illegaler Ausfuhren dem Belieben und politischen ganze elf Überwachungsanträge gestellt worden; in Gutdünken der Bundesregierung unterzuordnen, leh- fünf Komplexen seien Strafverfahren zumindest ein- nen wir entschieden ab. geleitet worden — Ergebnis allerdings unbekannt.

Auf Grund dieser mageren Bilanz läßt sich wohl Dr. Ruth Fuchs (PDS/Linke Liste): Der uns vorlie- schwerlich von großen Erfolgen mit dieser Befugnis gende Gesetzentwurf zur Kontrolle der zivil und sprechen, wegen derer eine Verlängerung zu vertre- militärisch verwendbaren Güter stützt bekanntlich ten sei. Außerdem ist immer noch die Klage von eine noch nicht verabschiedete EG-Verordnung zum Rheinland-Pfalz gegen diese Ermächtigung beim gleichen Gegenstand. Diese verfahrenstechnische Bundesverfassungsgericht anhängig. Reihenfolge war von Anfang an fragwürdig, weil sie Aus diesen Gründen lehnen wir eine Fortschrei- den Verdacht einer voreiligen und vielleicht gewoll- bung dieser Abhörbefugnis ab. ten Kapitulation vor den weniger s trengen europäi- schen Exportvorschriften aufkommen ließ. Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis sind für uns Dennoch: Einer Reihe der vorgesehenen Korrektu- allenfalls dann tolerabel, wenn die Anordnung bei ren des Außenwirtschaftsgesetzes kann m an durch- unabhängigen Gerichten von der Staatsanwaltschaft aus zustimmen. Wer hätte schon etwas gegen schär- beantragt wird, die dem Strafverfolgungszwang fere Kontrollen, die illegale Rüstungsexporte eindäm- unterliegt. men sollen, oder gegen vollständigere Meldungen Demgegenüber will die Bundesregierung eine über Rüstungsexporte an die Vereinten Na tionen? möglichst unklar definierte und weitgefaßte Eingriffs- An dem sicher notwendigen Rechtsstreit über die ermächtigung für das Zollkriminalinstitut, das dem Erweiterung der Zuständigkeiten und Befugnisse des Bundesfinanzministerium untersteht. So kann m an Zollkriminalamtes möchte ich mich nicht beteiligen, richt bean- ganz nach Belieben Abhöraktionen bei Ge weil diese Frage — trotz ihrer Wichtigkeit — doch eine tragen oder auch, wenn es z. B. bei bestimmten nachgeordnete Frage ist. Firmen opportun erscheint, davon Abstand nehmen. Mit geht es immer wieder um die Kernfrage: Mit Dieses Lauschen nach Opportunitätserwägungen diesem Gesetzentwurf wird der Weg frei gemacht für soll zudem nicht auf das Zollkriminalinstitut eine Lockerung der Exportvorschriften bei Dual-use- beschränkt bleiben, sondern nach dem Willen der Produkten. Ich bleibe dabei: Das ist ein falscher, ein Bundesregierung nun auch auf den BND erstreckt gefährlicher Weg. Den Argumenten der Befürworter werden: Mit dem Verbrechensbekämpfungsgesetz dieser Lockerung, wie Wettbewerbsnachteile für die soll der BND eine gesetzliche Grundlage nachgelie- deutsche Wirtschaft, Verlust der Kooperationsfähig- fert bekommen für seine Abhör-Praxis, die die Regie- keit und Arbeitsplatzsicherung, kann ich nicht folgen. rung bisher im rechtsfreien Raum geduldet hat. Wir leben heute schon mit dem Widerspruch, daß sich Um Exporteuren des Todes beizukommen, brau- einerseits die deutsche Außenpolitik für eine Eindäm- chen wir aber keine ausufernden Überwachungsmaß- mung weltweiter Rüstungen einsetzt, parallel dazu nahmen. Vielmehr können illegale Transfers vielfach aber deutsche Rüstungsexporte in alle Welt laufen bereits präventiv abgewendet werden, z. B. durch ein und damit interna tionale Beziehungen negativ beein- weitgehendes Verbot des Rüstungsexports — wie von flussen. uns gefordert — oder durch zügige Außenwirtschafts- Gewollt oder ungewollt, direkt oder indirekt wird prüfungen. mit der Harmonisierung der Exportvorschriften der Zweitens lehnen wir die Erweiterung der Daten- Rüstungsexport in immer stärkerem Maße zu einem übermittlungsbefugnis des Bundesausfuhramts in Element deutscher Außenpolitik werden und einer § 45 Abs. 1 ab. Dieses Vorhaben hat die Bundesregie- aktiven, friedenserhaltenden Außenpolitik Grenzen rung bisher vor allem mit Umweltschutzgesichtspunk- setzen. Dieser Weg kann für die Welt und für Deutsch- ten begründet, etwa um i llegale Müllexporte zu ermit- land verhängnisvolle Folgen haben. teln. Die schriftliche Begründung des Gesetzentwurfs Eine extensive deutsche Rüstungsexportpolitik selbst verdeutlicht aber unmißverständlich über eine wird zweifelsfrei eine negative Auswirkung für den ganze Seite, daß in Wirklichkeit der Datenaustausch Absatz anderer, d. h. ziviler deutscher Produkte Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20433* haben. Rüstungskäufe und Investitionen sind einan- der müßte verboten werden. Schließlich wäre es unter der ausschließende Op tionen. Ein Staat, der sein Geld diesen Voraussetzungen notwendig, staatlich gesteu- für Rüstungseinkäufe ausgibt, investiert entspre- erte Alternativprogramme zu entwickeln, die Arbeits- chend weniger. Es gibt weniger Wachstumsimpulse, plätze und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirt- also auch weniger Absatz für zivile deutsche Pro- schaft sichern. Ein möglicher Weg dorthin wäre z. B. dukte. Allein aus dieser Sicht sind die Argumente vom ein gesamtstaatliches Konversionsprogramm, wel- Arbeitsplatzerhalt und der Wettbewerbsfähigkeit ches den Unternehmen Anreize für die Umstellung äußerst fragwürdig. der Rüstungsproduktion auf zivile Produk tion schafft. Ich wiederhole, was ich in diesem Zusammenhang schon einmal gesagt habe: Die Bundesrepublik hatte - Eine generelle Lösung des Widerspruchs zwischen in der Vergangenheit bei einem relativ geringen den immer wieder verkündeten moralischen Ansprü- Waffenexport weltweit eine führende Posi tion im chen und den Wirtschaftsinteressen der Unternehmen Export technischer Produkte inne. Japan hat der ist am Ende nur dann möglich, wenn die Rüstungspro- ganzen Welt vorgemacht, wie man auch ohne Waffen- duktion keine nennenswerten Profite mehr abwirft. export Arbeitsplätze schaffen und auch mit einer Rüstungsproduktion darf am Ende nur Kosten verur- verhältnismäßig kleinen Rüstungsindustrie wettbe- sachen und nicht das Ziel haben, größtmögliche werbsfähig sein kann. Gewinne zu erzielen. Trotz der im internationalen Vergleich besonders Aus all den genannten Gründen lehnt die PDS/ strengen deutschen Exportvorschriften konnte in der Linke Liste — trotz der teilweise vorhandenen positi- Vergangenheit nicht verhindert werden, daß deut- ven Änderungsvorschläge — den vorliegenden sche Unternehmen illegale und für die Weltsicherheit Gesetzentwurf ab. gefährdende Dual-use-Expo rte ausführen konnten. Ob die geplanten schärferen Kontrollmechanismen dem einen wirksame Riegel vorschieben können, Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatsekretär beim Bun- wage ich zu bezweifeln. Meine Zweifel ergeben sich desminister für Wirtschaft: Die Bedeutung des zur aus folgenden Überlegungen: abschließenen Beratung vorliegenden Gesetzent- wurfs zum Außenwirtschaftgesetz liegt in dreierlei. Die private Rüstungskooperation soll der staatli- chen gleichgestellt werden. Die Erfahrungen lehren: Erstens. Zunächst einmal stellt er einen wich tigen Das private Interesse am großen Geschäft wird auch in Schritt auf die im Exportkontrollbereich im Entstehen Zukunft besonders erfinderisch machen in dem begriffene europäische Rechtslage dar. Er sieht vor, Suchen nach Wegen und Möglichkeiten zur Umge- daß das Bundesausfuhramt — unsere Genehmigungs- hung all unserer schönen Gesetze und Verordnun- behörde für Exportkontrollen — künftig auch nach gen. europäischen Rechtsvorschriften entscheiden darf. Die vorgesehene europäische Harmonisierung des Zweitens. Der Entwurf leistet einen Beitrag zu der Exports von Dual-use-Produkten zeigt bereits bei künftig stärkeren Rolle der Vereinten Nationen bei oberflächlicher Betrachtung Unzulänglichkeiten in der Rüstungsexportkontrolle. Im Kriegswaffenkon- der Art und Weise der Abwicklung von Rüstungsge- trollgesetz wird die Grundlage für jährliche Meldun- schäften. Am gefährlichsten erscheint mir die Tatsa- gen über Ein- und Ausfuhren bestimmter Kriegswaf- che, daß bei Kooperationsprogrammen die Exportge- fen an das Waffenregister der Vereinten Na tionen nehmigung durch den Staat gegeben wird, in dem der geschaffen. Für dieses Register, das zur besseren Hersteller des Endprodukts seinen Hauptsitz hat. Transparenz von Rüstungsexporten führen soll, hat Hinzu kommt, daß die Kontrollpraktiken in den Mit- sich in den letzten Jahren besonders die Bundesrepu- gliedstaaten der EU so unterschiedlich sind, daß blik Deutschland eingesetzt. gegebenenfalls die eigenen, d. h. die deutschen Drittens. Der Entwurf verstärkt zur Verhinderung gewissenhaften Kontrollen am Ende doch noch illegaler Exporte das Kontrollinstrumentarium des umgangen werden können. Außenwirtschaftsrechts: Wir brauchen einen grundsätzlich neuen Ansatz, Die Geltungsdauer der 1992 eingeführten Regelung eine völlig neue Denkstruktur, die davon ausgehen zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldege- muß, daß jeglicher Rüstungsexport eingeschränkt und heimnisses zur Verhinderung schwerwiegender schließlich generell unterbunden werden muß. Ich bin Kriegswaffen- und Ausfuhrdelikte wird vom 31. De- mir dessen bewußt, daß der Weg dorthin ein langer zember 1994 bis zum 31. Dezember 1996 verlän- und schwieriger ist. Und dennoch ist dieser Weg unter gert. Beachtung ethisch-moralischer, politischer und auch wirtschaftlicher Überlegungen gangbar. Der Datenaustausch des Bundesausfuhramtes mit anderen Behörden, die Informationen über sensitive Ein erster Schritt dazu wären die schärferen Kon- Exportvorgänge haben — z. B. dem Bundesnachrich- trollen des Exports von militärisch und zivil verwend- tendienst —, wird verbessert. baren Gütern. Deshalb auch meine prinzipielle Zustimmung zu den Gesetzesänderungen, die das Die Bußgeldandrohung bei Verstößen gegen Ver- möglich machen. waltungsakte des Bundeswirtschaftsministeriums zur Verhinderung illegaler Exporte von derzeit 2 000 DM Ein zweiter Schritt könnte die Beschränkung der wird auf die im Außenwirtschaftsgesetz übliche maxi- Rüstungskooperation auf Waffen und Gerät sein, die male Höhe von 1 Million DM angehoben. ausschließlich der Selbstverteidigung der Mitglied- staaten dienen. Jeglicher Rüstungsexport an Drittlän- Zur Regelung der Telefonüberwachung: 20434* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994

Bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Deut- solchen Antrag jetzt vorzulegen. Der Antrag sollte schen Bundestag hat die Opposition diesen Vorschlag abgelehnt werden. vehement angegriffen. Ich denke, die Vorwürfe der Opposition waren schon damals nicht gerechtfertigt und sind es — nach den Erfahrungen in der Praxis und nach dem Ergebnis einer öffentlichen Anhörung des Anlage 8 Wirtschaftsausschusses — auch heute nicht. Die Rege- lung ist rechtsstaatlich ausgestaltet; der bisherige Antwort Erfolg in der Praxis gibt uns recht. des Parl. Staatssekretärs Be rnd Wilz auf die Fragen Die öffentliche Anhörung des Wirtschaftsausschus- des Abgeordneten Elke Leonhard (SPD) (Drucksache ses hat im Ergebnis den Vorschlag der Bundesregie- 12/7821 Fragen 13 und 14): rung voll bestätigt. Der Präsident des Bundesnach- Welche konkreten Ergebnisse kann die Bundesregierung in richtendienstes, Herr Porzner, hat eindrucksvoll dar- der Frage der zivilen Anschlußnutzung des Flugplatzes Bitburg durch die internationale Vermarktung aufweisen, und mit wel- gelegt, daß die Beschaffungsbemühungen fremder chen Instrumentarien wird die Bundesregierung ihrer verfas- Staaten auch in der Bundesrepublik nicht nachlassen. sungsmäßigen Pflicht, für gleiche Lebensverhältnisse in allen Hier geht es um Technik zur Herstellung von ABC- Teilen der Bundesrepublik Deutschland zu sorgen, gerecht Waffen und Raketentechnologie, aber auch „ an sich" werden, insbesondere vermeiden, daß die Region Bitburg in harmloser Dual-use-Güter. Vertreter der Justiz haben Kürze zweistellige Arbeitslosenquoten aufweisen wird? uns von den Verschleierungstaktiken berichtet, die Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Fund von 19 Fässern mit potentiell toxischem Inhalt Mi tte Mai bei illegalen Ausfuhren praktiziert werden. Schließ- 1994 auf der US-Air Base Spangdahlem, und mit welchen lich sind auch verfassungsrechtlich keine durchgrei- Maßnahmen will die Bundesregierung sicherstellen, daß das fenden Einwände sichtbar geworden. Gelände der Air Base und des Flughafens Bitburg nicht durch weitere bislang unbekannte Altlasten belastet ist? Nach allem meine ich, daß dieser Teil des Gesetz- entwurfs keinen Bedenken mehr begegnen sollte. Zu Frage 13: Der Änderungsantrag der SPD enthält Vorschläge, Die Liegenschaft Flugplatz Bitburg wird voraus- die schon 1991/92 diskutiert und abgelehnt worden sichtlich im September 1994 von der NATO freigege- sind. Das Parlament sollte ihnen auch heute nicht ben werden. zustimmen. Die SPD vertritt offenbar die Meinung: Repression ist besser als Prävention. Sie wi ll die Die Oberfinanzdirektion Koblenz hatte daher der Strafbarkeit von Handlungen im Außenwirtschafts- Firma Angermann Interna tionale Immobilien Consul- verkehr exzessiv ausweiten, um so eine Zuständigkeit tants, Hamburg, im J anuar 1994 den Auftrag zur der Staatsanwaltschaften bei der Telefonüberwa- Erarbeitung eines Nutzungskonzeptes und der Ver- chung illegaler Exporteure zu begründen. Zu diesem marktung des Flugplatzes Bitburg durch internatio- Punkt hat erst vor wenigen Tagen bei der schon nale Ausschreibung erteilt. erwähnten öffentlichen Anhörung des Wirtschaftsaus- Die Präsentation des Objekts auf der internationa- schusses der Verfassungsrechtler Professor Löwer von len Immobilienmesse in Cannes hat lediglich verhal- der Universität Bonn klar die Auffassung vertreten, tenes Interesse hervorgerufen. Die do rt geknüpften daß zum Schutz der hier be troffenen Rechtsgüter des Kontakte zu möglichen Interessenten werden von der Lebens, des friedlichen Zusammenlebens der Völker Firma Angermann weiterverfolgt. und der äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Auf weitere Vermittlungsbemühungen der Firma Deutschland — ich zitiere — „Prävention sogar noch Angermann hat eine Reihe von regionalen Nutzungs- wichtiger als Repression ist, so daß Präventivmaßnah- interessenten reagiert. Ob und inwieweit sie berück- men ebenfalls Grundrechtseingriffe von vergleichba- sichtigt werden können, wird vom Ergebnis der Über- rem Gewicht rechtfertigen". Anders als es die SPD legungen zum Nutzungskonzept abhängen, die zwi- unterstellt, sind Präventivmaßnahmen — wenn sie, schen Bund, Land, Landkreis und Gemeinde kurzfri- wie die §§ 39 ff. Außenwirtschaftsgesetz, rechtsstaat- stig abgestimmt werden. lich ausgestaltet sind — verfassungsrechtlich nicht bedenklich. Würde man dem SPD-Antrag folgen, Am 13. Juni 1994 stellte die Firma Angermann ihren wären in Deutschland über 100 Staatsanwaltschaften Vorschlag eines Nutzungskonzeptes dem Bundesmi- und Gerichte für die Maßnahmen nach §§ 39 ff. AWG nisterium der Finanzen sowie Vertretern der Oberfi- zuständig. Ich denke, die jetztige Regelung mit der nanzdirektion Koblenz vor. Es sieht überwiegend Alleinzuständigkeit des Landgerichts Köln, das in gewerbliche Nutzung des Flugplatzgeländes vor. dieser Materie besondere Sachkunde erlangt hat, ist In Abstimmung mit den militärischen Nutzern wer- von der Sache her besser. den z. Z. einer örtlichen Be treibergesellschaft zur Lassen Sie mich zum Abschluß noch ein Wort zum Durchführung von Geschäftsreiseverkehr Mitbenut- Procedere sagen: Ich halte es für eine Zumutung, zungsrechte für Teile des Flugplatzes eingeräumt. wenn die SPD-Fraktion — nachdem auf ihren Wunsch Die Lösung regionaler Strukturveränderungen ist in im April/Mai viermal die Beratungen in den Aus- erster Linie Aufgabe der Länder. Bei der Unterstüt- schüssen vertagt worden sind — 24 Stunden vor der zung strukturschwacher Regionen kommt der Bund- zweiten und dritten Lesung einen juristisch derart Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der komplizierten Antrag im Plenum vorlegt. Zu dessen regionalen Wirtschaftsstruktur" eine besondere Be- Beratung wäre im Rechtsausschuß wahrlich genü- deutung zu. Der Landkreis Bitburg-Prüm gehört auch gend Zeit gewesen. Unter diesen Umständen ent- nach der Neuabgrenzung zum 1. Januar 1994 — mit spricht es nicht dem parlamentarischen Stil, einen der Stadt Bitburg als B-Schwerpunktort — zum För- Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 20435* dergebiet. Dies bedeutet, daß volkswirtschaftlich Anlage 10 besonders förderungsfähige Investitionsvorhaben der Antwort gewerblichen Wirtschaft mit Fördersätzen zwischen 10 % und 18 % bezuschußt werden können, um neue des Staatsministers Helmut Schäfer auf die Frage des Arbeitsplätze zu schaffen. Abgeordneten Ortwin Lowack (fraktionslos) (Druck- sache 12/7821 Frage 27): Darüber hinaus kann das Land Rheinland-Pfalz die Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um im Rahmen des Konversions-Kompromisses über das gegen die Zertrümmerung sämtlicher Fensterscheiben und erhöhte Mehrwertsteueraufkommen vom Bund zur Beschriftung der Hausmauer mit beleidigenden Sprüchen der Begegnungsstätte des Deutschen Freundschaftskreises — Glei Verfügung gestellten Mittel in Höhe von etwa witz Stadt Mitte bei polnischen Behörden zu remonstrieren? 425 Millionen DM für arbeitsplatzschaffende Maß- - nahmen einsetzen. Der Vorfall in Gleiwitz-Stadtmitte, der in der Nacht Zu Frage 14: vom 5. zum 6. Februar 1994 geschah, ist leider kein Einzelfall. Diese Vorfälle sind in hohem Maße bedau- Die Funde in Spangdahlem unterstreichen die Not- erlich und nachdrücklich zu verurteilen. wendigkeit des Altlastenprogramms der Bundeswehr, Übergriffe dieser Art sind regelmäßig Gegenstand das auf Bundeswehr- und NATO-Liegenschaften der- in den Gesprächen des Breslauer Generalkonsuls und zeit durchgeführt wird. Durch dieses Programm wer- auch der Botschaft mit den polnischen Behörden, die den nach anerkannten Verfahren alle Altlastenver- für den Schutz der Bürger verantwortlich sind. Als dachtsflächen erfaßt, bewe rtet und, soweit erforder- Reaktion u. a. auf den von Ihnen genannten Vorfall lich, weiteren Untersuchungen und gegebenenfalls hat der amtierende Wojwode von Kattowitz den Kom- auch Sanierungen unterzogen. mandanten der Wojwodschaftspolizei um Be richt Auf dem NATO-Flugplatz Spangdahlem erfassen über die Ermittlungen gebeten. Er hat gleichzeitig die US-Streitkräfte als verantwortlicher Nutzer derzeit ihm gegenüber seine Erwartung deutlich gemacht, die Altlastenverdachtsflächen. Sie werden dabei daß er die Polizeibereichskommandanturen wegen durch die Bundeswehr unterstützt. Die Ergebnisse des Problems der antideutschen Ausschreitungen in werden dem Bundesministerium der Verteidigung ihren Zuständigkeitsbereichen sensibilisiere. mitgeteilt.

Auf dem NATO-Flugplatz Bitburg führt die Firma Anlage 11 Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH die Altla- stenuntersuchungen auf der Grundlage der Ergeb- Antwort nisse der Erfassungen der US-Streitkräfte und der des Staatsministers Helmut Schäfer auf die Fragen des Wehrverwaltung (Amt für Wehrgeophysik) im Auf- Abgeordneten Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) trag des Landes Rheinland-Pfalz fort. (CDU/CSU) (Drucksache 12/7821 Fragen 29 und 30): Welche offiziellen zustimmenden oder ablehnenden Auße- rungen von ausländischen Regierungen zur Verwendung von hochangereichertem Uran (HEU) im künftigen Forschungsreak- tor München II (FRM-II) sind der Bundesregierung bekannt? Würde eine angenommene Weigerung der USA, die Bundes- republik Deutschland (also auch den FRM-II) mit hochangerei- Anlage 9 chertem Uran zu beliefern, dem Atomwaffensperrvertrag wider- Antwort sprechen, der ausdrücklich den ungehinderten Zugang zur friedlichen Kernforschung sichert? des Staatsministers Helmut Schäfer auf die Frage des Abgeordneten Claus Jager (CDU/CSU) (Drucksache Zu Frage 29: 12/7821 Frage 26): Der geplante Forschungsreaktor München II wird ausschließlich friedlichen Zwecken dienen. In Art. IV Trifft es nach den Erkenntnissen der Bundesregierung zu, daß Rußland eine neue Generation sog. sauberer, extrem zielge- Abs. 1 des Vertrages über die Nichtverbreitung von nauer Atomwaffen entwickelt, und trifft es bejahendenfalls zu, Kernwaffen (NVV) wird ausdrücklich das „unveräu- daß diese Waffen infolge ihrer Beschaffenheit nicht unter den ßerliche Recht" aller Vertragsparteien festgeschrie- Atomwaffensperrvertrag oder andere Verträge zur Beschrän- ben, „die Erforschung, Erzeugung und Verwendung kung von Kernwaffen fa llen würden? der Kernenergie für friedliche Zwecke zu entwik- keln" . Im Zusammenhang mit der Frage der Lieferung Nach Einschätzung der Bundesregierung ist davon von Kernbrennmaterial für den FRM II durch dritte auszugehen, daß in Rußland gegenwärtig Nachfolge- Länder ist darauf hinzuweisen, daß sich in Art. IV modelle für ein landgestütztes und ein seegestütztes Abs. 2 NW alle Vertragsparteien verpflichtet haben, Trägersystem entwickelt werden. Weiterhin wird „den weitestmöglichen Austausch von Ausrüstungen, davon ausgegangen, daß in Rußland Grundlagenfor- Material und wissenschaftlichen und technologischen schung für die Entwicklung nuklearer Gefechtsköpfe Informationen zur friedlichen Nutzung der Kernener- betrieben wird. Rußland ist Kernwaffenstaat und als gie zu erleichtern". solcher Vertragspartei des Vertrags über die Nichtver- breitung von Kernwaffen („Atomwaffensperrver- Zu Frage 30: trag"). Dieser verbietet den Kernwaffenstaaten nicht, Der Bundesregierung sind keine offiziellen zustim- neue Nuklearwaffen zu entwickeln. menden oder ablehnenden Äußerungen von auslän- 20436* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 233. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1994 dischen Regierungen zur Verwendung von hochan- Danach hat Herr Singh die Bundesrepublik Deutsch- gereichertem Uran im künftigen Forschungsreaktor land offensichtlich zwischenzeitlich verlassen, denn München II (FRM II) bekannt. zum 8. November 1992 reiste er erneut in das Bundes- gebiet ein und beantragte am 17. November 1992 Es gibt lediglich informelle Äußerungen von seiten erneut Asyl. Sein erneuter Antrag wurde mit Bescheid der US-Regierung aus dem Jahre 1991 und in jüngster vom 6. April 1993 wiederum als offensichtlich unbe- Zeit (Mai 1994) zur Frage der Lieferung von HEU für gründet abgelehnt. Die Abschiebungsandrohung den FRM II aus US-Beständen sowie zur Frage des wurde zum 7. Juli 1993 rechtskräftig. Aufgrund des Verhältnisses des FRM II zum US-Programm zur Haftbeschlusses des Amtsgerichts Langenfeld gemäß Umstellung bestehender Forschungsreaktoren auf Antrag vom 9. Mai 1994 wurde Herr Singh der niedrig angereiche rtes Uran. Abschiebehaftanstalt Wuppertal/Barmen zugeführt. Am 27. Mai 1994 wurde Herr Singh mit der Aeroflot über Moskau nach Delhi abgeschoben. Am 28. Mai 1994 traf er gegen 7.00 Uhr in Delhi ein. Bei der Paßkontrolle wurde festgestellt, daß der Ausreise- Anlage 12 stempel aus Indien sowie mehrere Seiten des Passes fehlten. Kuldeep Singh wurde um 10.30 Uhr der Antwort Flughafenpolizei übergeben. In der Nacht vom 29. auf des Staatsministers Helmut Schäfer auf die Frage des den 30. Mai verstarb Herr Singh, ohne den Polizeige- Abgeordneten Dr. Klaus Kübler (SPD) (Drucksache wahrsam verlassen zu haben. 12/7821 Frage 33): Welche Informa tionen liegen der Bundesregierung über den Aufgrund vorliegender erster Erkenntnisse vermu- Tod des indischen Bürgers Singh vor, der nach Presseberichten tet die Bundesregierung, daß Herr Singh beim Ver- unmittelbar nach seiner Ankunft auf dem Flughafen auf einer such untergeordneter Sicherheitsbeamter, von einem indischen Polizeistation zu Tode kam, nachdem er aus Deutsch- scheinbar reichen indischen Heimkehrer aus land abgeschoben worden war, und welche Folgerungen zieht die Bundesregierung? Deutschland Geld zu erpressen, ums Leben gekom- men ist. Die deutsche Botschaft in Delhi hat unmittel- bar nach Bekanntwerden des Vorfalls mit der Fami lie Nach § 53 Ausländergesetz dürfen Ausländer nur des Abgeschobenen und den indischen Behörden dann abgeschoben werden, wenn ihnen nicht die Kontakt aufgenommen. Sie hat in diesem Zusammen- konkrete Gefahr der Folter, der Todesstrafe oder einer hang den Eindruck gewonnen, daß sich die indischen sonst menschenrechtswidrigen Behandlung nach Behörden aufrichtig um eine Aufklärung des Sachver- Rückkehr droht. Nach den hier vorliegenden Erkennt- halts bemühen. nissen bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß der Todesfall als politische Verfolgung zu bewe rten Am Nachmittag des 8. Juni 1994 hat die Botschaft wäre. Es gibt keinen Anlaß dazu, von der Abschie- bereits einen ersten Zwischenbericht des Innenmini- bung von Indern generell abzusehen. sterium erhalten. Mit Note vom 10. Juni 1994 infor- Der am 10. Mai 1973 in Delhi geborene indische mierte uns die indische Botschaft, daß auf Antrag der Staatsangehörige Kuldeep Singh reiste erstmals am Familie Singh eine Obduktion des Toten durchgeführt 2. Oktober 1990 in das Bundesgebiet ein und bean- und eine Untersuchung eingeleitet wurde. Auch die tragte eine Woche später politisches Asyl. Mit nationale Menschenrechtskommission hat sich der Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung aus- Sache angenommen. Die Bundesregierung rechnet ländischer Flüchtlinge vom 31. Juli 1991 wurde der damit, daß ein endgültiger Be richt erst nach Abschluß Antrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Seit umfangreicher Ermittlungen vorgelegt werden Oktober 1991 war Herr Singh „untergetaucht". kann.