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Titelthema i2030

aus: verkehrspolitische Zeitschrift SIGNAL 5-6/2018 (6. Januar 2018) Berliner Fahrgastverband IGEB Berliner Fahrgastverband IGEB www.igeb.org • [email protected] Tel. (030) 78 70 55 11 Berliner Fahrgastverband Morgen statt 2030 – neue alte Wege nach Basdorf Fotos/Montage: BfVst

Dieses Projekt stellt eine Besonderheit dar, der Strecke existiert noch heute und wird Höhe von 22,1 Millionen Euro verantworten, denn im Gegensatz zu den anderen geht für Zubringerfahrten zum Werk Stadler die dann nahezu ungenutzt abgeschrieben es hier überwiegend um Infrastruktur, für genutzt. Für einen zügigen Regi- werden müssten. die nicht DB Netz verantwortlich zeichnet, onalverkehr muss diese jedoch ertüchtigt Es gibt allerdings noch eine weitere Hür- sondern die AG werden, da die aktuell fahrbaren 30 km/h de. Zwar hatte Verkehrssenatorin (NEB). allenfalls für den Rangierverkehr zum Werk Regine Günther nach dem Lenkungskreis Einst startete die im Volksmund „Heide- und den historischen Ausflugsverkehr der am 18. Juni 2018 erklärt: „Auch die Planung krautbahn“ genannte Strecke vom Bahnhof Berliner Eisenbahnfreunde ausreichen. für eine Reaktivierung der Heidekrautbahn - und fuhr über Bas- Ferner war die Verbindung zur Nordbahn läuft an, zunächst geht es dabei um die Teil- dorf nach Liebenwalde bzw. Groß Schöne- abgebaut worden und muss nun komplett strecke bis , perspektivisch bis beck. Mit dem Mauerbau 1961 wurde die neu errichtet werden, wie auch ein neuer . Das ist eine gute Nachricht Personenbeförderung auf dem Strecken- Regionalbahnhof am heutigen S‑Bahnhof für Pendler im Norden Berlins und darüber abschnitt Wilhelmsruh—Schönwalde ein- -Wilhelmsruh. Für diesen Bahnhof hinaus.“ gestellt. liegt bereits ein Planfeststellungsbeschluss Den Beweis, dass auf die gute Nachricht Seit der Wende ist es erklärtes Ziel, die alte vor (s. Abb. auf Seite 18). auch gute Taten folgen, muss die Senato- 14 km lange Stammstrecke zwischen Ab- Die NEB könnte theoretisch „morgen“ rin allerdings noch liefern, denn seit dem zweig Schönwalde und Berlin-Wilhelmsruh schon loslegen – vorausgesetzt, dass die Mauerfall hat ihre Verwaltung kaum eine komplett zu reaktivieren, und es wurden Länder Berlin und Regional- Regionalbahnstrecke so konsequent aus- seitens der NEB bereits zahlreiche Anstren- zugverkehr über die neue Verbindung be- gebremst wie die Heidekrautbahn. Deshalb gungen dafür unternommen. Der Großteil stellen, denn niemand möchte Kosten in wäre es nicht überraschend, wenn ihre für die Planfeststellung auf dem Berliner Ab- schnitt zuständige Landeseisenbahnbe- Basdorf Mehr Schiene für hörde ein Planfeststellungsverfahren für die Streckenertüchtigung ebenso wie für Birkenwerder die Haltepunkte fordern würde, auch dort, Schönwalde Berlin & Brandenburg wo es sich um den Wiederaufbau ehemali- West Schönwalde ger Stationen handelt. Als Begründung für wesentliche Veränderungen ließen sich die Mühlen- Streckenausrüstung, die neue Entwässerung, beck Schönerlinde die Kabelkanäle, die Geschwindigkeitserhö- Schildow Nord hung, der Schallschutz und vielleicht auch der Baulärm anführen. Wenn man etwas Schildow nicht will, findet man immer Gründe. Da hat die Senatsverkehrsverwaltung schon in der Vergangenheit Großes geleistet. Karower Mit der Forderung nach einem Planfest- Wilhelmsr. Damm Kreuz NORD: Nordbahn / Heidekrautbahn stellungsverfahren wäre eine Wiederinbe- PankowPark Mögliche Lösungen:> Werneuchen Wilhelmsruh triebnahme der Heidekrautbahn bis Wil- Streckenausbau Um- bzw. Neubau helmsruh in nur wenigen Jahren natürlich von Stationen unmöglich. Und die von der NEB geschätz- Wichtige Knotenpunkte ten Kosten könnten sich schnell verdoppeln. Bestehende Station S-Bahn/Regionalverkehr Gesundbrunnen Mögliche Station S-Bahn/Regionalverkehr Durchbindung bis Gesundbrunnen Bestehende / bereits in Bau befi ndliche Strecke S-Bahn/Regionalverkehr Richtigerweise soll in Wilhelmsruh nicht Berlin Hbf Mögliche Strecke S-Bahn/Regionalverkehr Schluss sein. Denn die meisten Fahrgäste

© VBB Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg GmbH 2018 wollen schnell in die verschiedensten Ecken

SIGNAL 5-6/2018 • Januar 2019 www.signal-zeitschrift.de • 17 Titelthema i2030

Viele Wege führen nach Berlin. Heute noch an Karow vorbei nach Ge- sundbrunnen, morgen vielleicht auch über die alte Stammstrecke der Heidekrautbahn bis Wilhelmsruh? Mit „nur“ rund 22 Mio Euro zählt dieses i2030-Projekt noch zu einem der kostengünstigen. Foto: BfVst

von Berlin gelangen. Dafür bietet die Ver- längerung auf der Nordbahn bis Berlin Ge- sundbrunnen mit den dort zahlreichen An- schlussmöglichkeiten beste Voraussetzun- gen. Aber muss, um dort hinzukommen, die Stammstrecke wieder aufgebaut werden? aus: Schließlich fahren schon heute einzelne verkehrspolitische Zeitschrift SIGNAL 5-6/2018 Züge der RB 27 in der Berufsverkehrszeit am (6. Januar 2018) Bahnhof Berlin-Karow vorbei bis nach Berlin Berliner Fahrgastverband IGEB Gesundbrunnen, während die Gesamtkos- www.igeb.org • [email protected] ten für die Reaktivierung der Stammstrecke Tel. (030) 78 70 55 11 Berliner Fahrgastverband inklusive Gesundbrunnen-Anschluss auf mindestens 28 Millionen Euro geschätzt werden.

Maßnahme Kosten in Euro

Gleiserneuerung 8,0 Mio

Neubau Gleise 3,4 Mio Geplanter NEB-Regi- onalbahnhof Berlin- Neubau Bahnsteige 3,1 Mio Wilhelmsruh für die Heidekrautbahn. Vo- Schranken/Bahnübergänge 3,4 Mio rausschauend haben die Planer Platz gelas- Leit- und Sicherungstechnik 4,2 Mio sen für eine spätere zweigleisige Durchbin- Summe: 22,1 Mio dung der Nordbahn. Diese im Rahmen des Erweiterung bis Gesundbrun- 6,0 Mio Planfeststellungsver- nen zusätzlich fahrens im Jahr 2000 öffentlich ausgelegte Geschätzte Kosten für den Wiederaufbau der Planung ist von der Heidekrautbahn bis Wilhelmsruh. Quelle: NEB Berliner Landeseisen- bahnbehörde 2011 Vieles spricht dafür. Zum einen ist die fast unverändert plan- Stettiner Bahn auf dem Abschnitt Gesund- festgestellt worden. brunnen—Karow bereits gut ausgelastet, Die Verfahrensdauer zum anderen würden durch die neue Stre- unterstreicht die seit ckenführung neue Gebiete deutlich besser dem Mauerfall stets erschlossen. Dazu gehören das Gewerbe- kritische Haltung der gebiet PankowPark, Rosenthal Nord und Berliner Verwaltung das östliche Märkische Viertel, die Stadt- zur Reaktivierung der randsiedlung Blankenfelde, Schildow sowie Stammstrecke der Hei- Mühlenbeck mit einem eigenen Halt direkt dekrautbahn vor der Haustür des Berufsbildungswerkes Quelle: NEB, März 2000 Berlin-Brandenburg. Mit einem Halbstun-

18 • www.signal-zeitschrift.de Januar 2019 • SIGNAL 5-6/2018 aus: Titelthema i2030 verkehrspolitische Zeitschrift SIGNAL 5-6/2018 (6. Januar 2018) Vereinbarte Untersuchungen bzw. Berliner Fahrgastverband IGEB Untersuchungsvarianten für den www.igeb.org • [email protected] Korridor Nordbahn/Heidekraut- Tel. (030) 78 70 55 11 Berliner Fahrgastverband bahn 1. Reaktivierung der Stammstrecke der Heidekrautbahn Schönwal- de—Schildow—Wilhelmsruh und des korrespondierenden Ab- schnitts der Nordbahn zwecks Ein- führung eines 30-Minuten-Taktes nach Berlin Gesundbrunnen 2. Einbindung der Heidekrautbahn über Karower Kreuz nach Berlin Gesundbrunnen 2.1 im 30-Minuten-Takt 2.2 im 60-Minuten-Takt Zwei neue Haltepunkte sind geplant: Pankow Park am gleichnamigen Gewerbegebiet und 3. Berücksichtigung optionaler Hal- am Wilhelmsruher Damm (im Bild mit dem Zug einer Sonderfahrt im Juli 2018) zur Erschlie- te auf der Heidekrautbahn ßung von Rosenthal Nord und des Märkischen Viertels. Foto: Florian Müller 3.1 PankowPark 3.2 Blankenfelde 3.3 Schildow Nord 4. Ausbau bzw. Wiederaufbau der Nordbahn im Abschnitt Berlin Ge- sundbrunnen—Wilhelmsruh 4.1 ohne Elektrifizierung 4.2 mit Option für Elektrifizierung 4.3 für 80 km/h Höchstgeschwindigkeit 4.4 mit Option für 160 km/h Höchstge- schwindigkeit 5. Bahnhof Birkenwerder Neues Gleislayout mit einem sepa- raten Bahnsteig für den Regional- verkehr dentakt könnte eine S‑Bahn-ähnliche Versorgung gewährleistet werden. Insbe- sondere der künftige Halt am Wilhelms- ruher Damm bietet schon heute sehr gute Anschlussmöglichkeiten im Norden Berlins durch einen Busknoten und zur Straßen- Einstiger Haltepunkt Schönwalde, künftig Schönwalde West. Alle Bahnsteige an der alten bahn in Richtung Niederschönhausen, Pan- Heidekrautbahn sollen erneuert werden, was Neubauten gleichkommt. Foto: BfVst kow und . Die Länder Berlin und Brandenburg sahen für die Heidekrautbahn lange Zeit keinen Bedarf oder sorgten sich, dass die Züge vom und zum Märkischen Viertel überfüllt wä- ren. Inzwischen stehen die Chancen dieser Strecke im Vordergrund, denn für die circa 15 000 Einwohner des Mühlenbecker Landes würden sich mit dem Neubau völlig neue, vor allem schnellere Wege nach Berlin er- schließen. Langfristig könnte das Verkehrsaufkom- men aus Brandenburg nach Berlin sogar noch mehr steigen, da im aktuellen Entwurf für den Landesentwicklungsplan für die Hauptstadtregion der sogenannte Sied- lungsstern, an dessen Achsen die Umland- bebauung konzentriert werden soll, um den Siedlungsbereich erweitert wurde. Das heißt, hier könnten künftig mehr „Groß- stadtflüchlinge“ angesiedelt werden, so dass die Gemeinden entlang der Heidekrautbahn Die Stammstrecke der Heidekrautbahn wird regelmäßig vom Schienenfahrzeughersteller rasant wachsen würden – und dementspre- Stadler Pankow für Überführungsfahrten fabrikneuer Fahrzeuge genutzt, so wie hier im chend die Pendlerzahlen. Oktober 2018 ein Akku-Flirt am Haltepunkt Schildow. Foto: Thomas Kabisch

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me der Nordbahn derzeit als entbehrlich einschätzt (s.u.), muss sie im Hinblick auf künftige Streckenkapazitäten unbedingt berücksichtigt werden – zweigleisig und elektrifiziert. Die Planung und Realisierung dieses Abschnitts ist aber nicht Aufgabe der NEB, sondern betrifft die Infrastruktur von DB Netz. Allerdings ist die Nordbahn kein eigenes i2030-Teilprojekt. Einst ging diese vom ehe- maligen Nordbahnhof an der Bernauer-/ Eberswalder Straße (heutiger am Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion) entlang der S 1 über Oranienburg, Fürstenberg (Ha- vel) nach Rostock bzw. Stralsund. Seit der Teilung Deutschlands 1961 wird der Fern- Hier neben dem S‑Bahnhof Bornholmer Straße sind die niveaufreien Ausfädelungen von und Regionalverkehr ab Birkenwerder auf der Stettiner Bahn bereits seit dem Neubau des Nordkreuzes nach der Wiedervereinigung dem Berliner Güteraußenring über Karower vorhanden. Künftig könnten hier die Züge zur Kremmener Bahn (RE 6) und zur Stammstrecke Kreuz umgeleitet. Nach der Wiedervereini- der Heidekrautbahn (RB 27) abzweigen. Die Züge der Nordbahn (RE 5) werden auch weiter- gung fand nur ein S‑Bahn-Lückenschluss hin den Umweg auf der Stettiner Bahn über Karower Kreuz und dem Berliner Güteraußen- zwischen Frohnau und Hohen Neuendorf ring nehmen müssen. Fotos: BfVst für die S 1 nach Oranienburg statt. Neben dem Ausbau der gesamten Stre- cke zur Ertüchtigung auf 160 km/h sah der Bundesverkehrswegeplan auch einen Wiederaufbau des Berliner Abschnittes vor, jedoch bescheinigte Bundesverkehrsminis- ter Andreas Scheuer dem Vorhaben am 6. November 2018 eine niedere Priorität und verweigerte dementsprechend Planungs- mittel. Begründet wurde der Entschluss damit, dass die Investitionsmaßnahmen nur geringe Fahrzeitverkürzungen, insbe- sondere in Bezug auf den Deutschland-Takt, brächten. Deshalb wird im Rahmen des i2030-Pro- jektes lediglich eine Maßnahme zur Fahr- planstabilisierung durch eine Entflechtung von Regional- und S‑Bahn im Bahnhof Bir- kenwerder geplant – und hoffentlich umge- setzt. In Birkenwerder teilen sich derzeit die Für eine Durchbindung der Nordbahn hier an Frohnau vorbei scheint in absehbarer Zukunft RB 20 und die S‑Bahn-Linien S 1 sowie S 8 kein Konsens möglich, aber einen zweigleisigen Ausbau der bis Oranienburg planen einen Bahnsteig. Das führt immer wieder zu Berlin und Brandenburg im Rahmen des i2030-Teilprojektes S-Bahn, über das wir in SIGNAL Trassenkonflikten der RB 20 zum einen mit 1/2019 berichten werden. der S‑Bahn, zum anderen wegen der niveau- gleichen Ein- und Ausfädelungen mit Zügen Aber die Zeit drängt hier im besonderen rower Kreuz bis Gesundbrunnen) alternativ auf den Fernbahngleisen. Um die wechsel- Maße: Der Planfeststellungsbeschluss für ein 30- und ein 60-Minuten-Takt untersucht. seitigen Störeinwirkungen zu reduzieren, den Regionalbahnhof Wilhelmsruh von Ein Stundentakt entspricht dem derzeitigen soll ein separater Regionalbahnsteig für die 2011 wird 2021 verfallen, wenn die NEB Entwurf zum Deutschland-Takt. Aber die RB 20, die Oranienburg und Potsdam über nicht zuvor mit den Bauarbeiten beginnt. Option für eine spätere Verdichtung auf den nordwestlichen Berliner Güteraußen- Dann müsste das ganze bürokratische Ver- einen Halbstundentakt darf nicht verbaut ring miteinander verbindet, geplant wer- fahren erneut eröffnet werden. Auch dieser werden. den. Die Trennung der beiden Verkehre ist Erkenntnis geschuldet hat der i2030-Len- unstrittig zwingend erforderlich. Kritische kungskreis am 18. Juni 2018 das Teilprojekt Nordbahn weiter mit Umwegen Stimmen stellen jedoch die Kosten-Nutzen- als vorrangig deklariert. Bei Verlängerung der Stammstrecke von Frage bezüglich eines neuen Regionalbahn- Auch nach Wiederinbetriebnahme der Wilhelmsruh bis Gesundbrunnen nutzt die steiges, wenn bei Durchfahrung von Bir- Stammstrecke soll die heutige Verbindung Heidekrautbahn die Nordbahn, ebenso wie kenwerder in nur zwei Minuten Entfernung von Basdorf nach Karow erhalten bleiben, der Prignitz-Express auf dem Abschnitt von ohnehin der Umsteigeknoten im regionalen künftig aber mit einem neuen Halt „Karower Schönholz bis Gesundbrunnen. Deshalb Oberzentrum Oranienburg zur Verfügung Kreuz“ als Ersatz für Karow und einer regel- müssen die Planungen für die Verlängerung steht. mäßigen Weiterfahrt bis Gesundbrunnen. der Heidekrautbahn abgestimmt werden Während bei den i2030-Untersuchungen mit den Planungen für die Durchbindung richtigerweise davon ausgegangen wird, des Prignitz-Expresses nach Berlin Gesund- aus: dass auch schon der Vorlaufbetrieb nach brunnen und der langfristigen Reaktivie- verkehrspolitische Zeitschrift SIGNAL 5-6/2018 Wilhelmsruh, ebenso wie die spätere Durch- rung einer elektrifizierten Nordbahn über (6. Januar 2018) bindung bis Gesundbrunnen, im 30-Minu- Frohnau nach Birkenwerder für Fern- und Berliner Fahrgastverband IGEB ten-Takt gefahren werden muss, werden für Regionalzüge. Auch wenn der Bundesver- www.igeb.org • [email protected] Berliner Fahrgastverband die Strecke bis Karow (und später über Ka- kehrsminister eine Wiederinbetriebnah- Tel. (030) 78 70 55 11

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