Deutscher – 16. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. September 2008 18717

Thomas Silberhorn (A) men wollen, Ziele formuliert worden sind. Das ist kei- sind die Aufgaben, für die wir die Europäische Union (C) neswegs eine Marginalie, sondern konzeptionell und brauchen, nicht für eine Nabelschau, die immer neue qualitativ ein Fortschritt, bei dem wir aber nicht stehen- Vorschriften zur Folge hat. bleiben dürfen. Nach diesem Exkurs möchte ich auf den Haushalt zu- Ich halte es für notwendig, dass wir bei der Formulie- rückkommen. Im Entwurf des Haushalts 2009 werden rung des Afghanistanmandats und aller weiteren Man- die richtigen Prioritäten gesetzt. Wir leisten einen Bei- date genauso vorgehen, nämlich bei der Erarbeitung die- trag zur Stärkung der Bundeswehr und zum Schutz unse- ser Mandate alle Ressorts einbeziehen. Es ist keineswegs rer Sicherheitsinteressen. Damit bleiben wir handlungs- nur eine Angelegenheit des Verteidigungsministeriums fähig. und des Auswärtigen Amtes. Das Innenministerium und Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. das BMZ müssen genauso in die Erarbeitung der Man- date einbezogen werden. Die zivile Komponente muss (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- ebenso wie die militärische in dem Mandat, das uns im neten der SPD – Zuruf von der LINKEN: Bundestag zur Beschlussfassung vorgelegt wird, Be- Dann ist ja alles in Ordnung!) rücksichtigung finden. Ein Weiteres: Ich meine, dass sich jedes einzelne Res- Vizepräsident Dr. : sort auf messbare Zielvorgaben verständigen sollte, die Als letzter Redner zu diesem Einzelplan hat der Kol- wir dann auch mit Haushaltsmitteln unterlegen können lege Dr. Hans-Peter Bartels von der SPD-Fraktion das und die wir uns im nächsten Jahr, wenn die Mandatsver- Wort. längerung nochmals ansteht, wieder vorlegen können, (Beifall bei der SPD) um überprüfen zu können, ob die Ziele, die sich die Bun- desregierung selbst gesetzt hat, tatsächlich erreicht wor- Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): den sind. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine letzte Bemerkung zu diesem Thema. Ich finde, Eine Haushaltsdebatte im Parlament ist dazu da, die Un- dass wir unseren zivil-militärisch vernetzten Ansatz terschiede zwischen Regierung und Opposition und auch in der öffentlichen Debatte über die Auslandsein- manchmal auch die Unterschiede zwischen Parlaments- sätze der Bundeswehr zum Tragen bringen müssen. mehrheit und Regierung deutlich zu machen. Dazu gehört, dass wir nicht allein über die Anzahl der Soldaten streiten, sondern den ganzheitlichen Ansatz un- (Elke Hoff [FDP]: Und zwischen sich selbst seres Einsatzes in Afghanistan und an anderen Orten der und dem Koalitionspartner!) (B) Welt auch in der Kommunikation über unser militäri- Unverändert gilt nämlich das Struck’sche Gesetz, dass (D) sches und ziviles Engagement deutlich machen sollten. keine Vorlage den Bundestag so verlässt, wie sie von der Regierung eingebracht wurde. Manchmal war allerdings Ich möchte allen Soldatinnen und Soldaten, aber auch auch die Regierung klüger, wenn sie aus dem Bundestag den zivilen Wiederaufbauhelfern ausdrücklich für ihren herauskam. Einsatz danken. Sie genießen für ihren Dienst internatio- nal höchste Reputation. Ich denke, für ihre gefährliche Vorweg: Dieser Verteidigungsetat weist einen tüchti- Aufgabe verdienen sie auch den geschlossenen Rückhalt gen Zuwachs aus. Das ist notwendig, aber nicht selbst- unserer Bevölkerung und des Deutschen Bundestages. verständlich. Mein Dank gilt den verantwortlichen Ministern Jung und Steinbrück. Sie haben gemeinsam (Beifall bei der CDU/CSU) eine vernünftige Linie gefunden. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich diese Ge- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der legenheit nutzen, in wenigen Sätzen einige Ausführun- CDU/CSU) gen zum komplexen Thema Georgien zu machen. Ich halte es für wichtig, darauf hinzuweisen, dass es sich In der Bundeswehr hört man die Klage, dass das Geld hierbei nicht um einen neuen Ost-West-Konflikt handelt. dennoch nicht ausreicht, insbesondere nicht für alle nur Gerade die Reaktion der Shanghai-Gruppe zeigt, dass denkbaren Beschaffungsprogramme. Das ist wahr, aber wir es mit einem internationalen Konflikt zu tun haben. unvermeidlich und war nie anders. Das zwingt uns dazu, Die internationale Gemeinschaft muss ungeachtet der je- Prioritäten zu setzen. Dafür bilden die heutige sicher- weiligen Verantwortlichkeiten der Beteiligten ihren An- heitspolitische Bedrohungsanalyse und die tatsächlich spruch deutlich machen, dass ihre Rechtsgrundlagen ge- stattfindenden Einsätze den Maßstab, nicht irgendeine achtet und durchgesetzt werden. Stückzahlkalkulation von 1997. Es ist begrüßenswert, dass die Europäische Union Wenn das Geld nicht für alles reicht, gibt es drei Mög- nach der Eskalation in Georgien die Initiative ergriffen lichkeiten, damit umzugehen: erstens, mehr Geld zu be- hat: mit dem Sechspunkteplan der französischen Ratsprä- sorgen; zweitens, die Strukturen der Realität anzupassen sidentschaft, der Einsetzung einer zivilen Beobachtermis- und dabei auch europäisch zu denken; drittens, zu fra- sion und der Ernennung eines Georgienbeauftragten, aber gen, wo immer noch Mittel verschwendet werden, von auch mit der Forderung nach einer unabhängigen interna- der Materialerhaltung über die Infrastruktur bis hin zu tionalen Untersuchungskommission. Das geschlossene Sinnlosbeschaffungen. Das sind die Möglichkeiten, die Auftreten der Europäischen Union stärkt ihre Rolle im man hat. Ich empfehle, die zweite und die dritte Mög- Rahmen des internationalen Krisenmanagements. Das lichkeit nicht zu vernachlässigen. 18718 Deutscher Bundestag – 16. 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Dr. Hans-Peter Bartels (A) Jetzt möchte ich etwas zum Thema Verschwendung Steffen Kampeter (CDU/CSU): (C) sagen. Die Beschaffung von Zusatzausrüstung für vier Danke schön, Herr Kollege. – Ich entnehme einer vorhandene Airbusse der Luftwaffe, die zur militäri- Agenturmeldung, dass Sie die Halbierung der Beschaf- schen Luftbetankung eingesetzt werden sollen, kostet fung und den möglichen Weiterverkauf der Hälfte der uns 210 Millionen Euro. Diese Zusatzausrüstung sollte dritten Tranche bereits dem Handelsblatt mitgeteilt ha- ab 2003 zur Verfügung stehen. Bis heute ist sie aber ben. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie, ob Sie dem nicht über das Versuchsstadium hinaus. In vier oder fünf Hohen Hause erläutern können, welche Regelungen für Jahren müsste allerdings der A400M, der ebenfalls über die Nichtabnahme in diesem Vertrag enthalten sind, ob die Fähigkeit der Luftbetankung verfügt, bereitstehen. es gegebenenfalls Sanktionen gibt und ob Sie allen Erns- Da fragt man sich: Brauchen wir diese Übergangslösung tes der Auffassung sind, dass Sie für den Fall des Nicht- jetzt noch? Müssen wir dieses Geld wirklich zahlen? weiterverkaufs, statt Flugzeuge zu bezahlen, Konventio- nalstrafe zahlen wollen. Anderes Beispiel: P-3C ORION, der Seefernaufklärer der Marine. International fliegen 500 Maschinen dieses Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Typs. Sie werden weltweit in drei Servicezentren gewar- Lieber Herr Kollege Kampeter, vielen Dank für die tet. Deutschland baut nun ein eigenes viertes Wartungs- Frage, die es uns ermöglicht, das Thema noch etwas zu zentrum auf, exklusiv für unsere acht Flugzeuge. Die vertiefen. erste Instandsetzung dauert 14 Monate. Zudem wird es richtig teuer. Für solche Sonderwege haben wir eigent- (Zuruf von der CDU: Und Ihre Redezeit zu lich kein Geld übrig. verlängern!) Ein dritter Fall: Die Marine wollte ursprünglich auf – Genau. ein einziges Hubschraubermuster umrüsten, den sagen- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: So ist man umwobenen MH-90. Alle diese Hubschrauber sollten unter Koalitionären!) auf einem Fliegerhorst stationiert werden, weil das ef- fektiv ist. Ich habe Vertrauen in Regierungen, auch in die briti- sche Regierung, die auf dem Rechtsstandpunkt steht, sie Gegenwärtig gibt es zwei Hubschraubertypen und könne 72 Eurofighter aus der von ihr bestellten Gesamt- zwei Stützpunkte. Weil nun aber immer noch kein Proto- masse an ein drittes Land weiterverkaufen. Auf diesem typ des MH-90 existiert, werden trotzdem schon einmal Standpunkt steht die britische Regierung. alle 43 Hubschrauber – SEA LYNX und SEA KING Ich bin gespannt, ob es Sonderlösungen geben wird, plus acht ORION – auf einem Platz zusammengefasst. um den anderen Partnernationen – auch die Italiener ha- (B) Man baut dann eben fürs Erste Provisorien – man kann ben ähnliche Vorstellungen – Reduzierungen zu ermögli- (D) auch sagen: Investitionsruinen – und schaut, was die Zu- chen, die wir aus unserer Sicht als Deutsche auch wahr- kunft bringt. Hauptsache teuer umziehen, war ja lange nehmen sollten. Wir wollen gleiches Recht für alle. geplant. Herr Minister, ich meine, das sollten Sie sich Inzwischen haben sich die Rahmenbedingungen geän- noch einmal anschauen. dert. Wir denken, wir kommen heute in unserer Bundes- Das gilt auch für das Eurofighter-Programm als sol- wehr mit weniger Eurofightern aus, aber natürlich mit Eurofightern, den besten momentan verfügbaren Flug- ches. Wir Sozialdemokraten meinen, dass die Hälfte der zeugen. dritten Tranche für Deutschland ausreichend wäre. Wir hätten dann 146 hochmoderne, zweirollenfähige Kampf- Es wird also verhandelt werden müssen. Gleiches flugzeuge in vier statt in fünf Geschwadern. Über den Recht für alle heißt, unsere Regierung mit der britischen Rest der dritten Tranche müsste eine Einigung mit den und der italienischen Regierung gemeinsam. Partnernationen sowie den Herstellern möglich sein. Das Zauberwort heißt Anrechnung des Exports. Wenn das für Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Großbritannien und Italien gehen sollte, warum dann Nun haben sich noch einmal Herr Kampeter und zu- nicht für alle, also auch für uns? sätzlich der Herr Kollege Stinner zu einer Zwischenfrage gemeldet. Ich darf Herrn Bartels fragen, ob er auch diese Weil die alten Preise nicht mehr auskömmlich sind, zulässt. werden wir neue Verträge beschließen müssen.

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Wenn Sie die Reihenfolge geregelt bekommen, dann Herr Kollege Bartels, erlauben Sie eine Zwischen- ja. frage des Kollegen Kampeter? Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Jetzt ist Herr Stinner an der Reihe. Gern. Dr. Rainer Stinner (FDP): Herr Kollege Bartels, in der von Herrn Kollegen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Kampeter angesprochenen Agenturmeldung wird für Bitte schön, Herr Kampeter. den Fall, dass die Halbierung nicht eintritt, gesagt, an- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. September 2008 18719

Dr. Rainer Stinner (A) sonsten – Zitat von Ihnen im morgigen Handelsblatt – Es gibt vertragliche Klauseln, durch die es uns schwer (C) gebe es von der SPD-Bundestagsfraktion keine Zustim- gemacht wird. „Schwer“ bedeutet aber nicht „unmög- mung, Flugzeuge der dritten Tranche abzunehmen. lich“. Wir müssen jetzt über keine Zahl abstimmen. Ich glaube, wir können eine Lösung finden, die für alle Be- Dem entnehme ich, dass es sich nicht um Ihre persön- teiligten – die Industrie und die vier Nationen – besser liche Meinung, sondern um eine in der Bundestagsfrak- ist, als wenn wir das Programm einfach nur durchlaufen tion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ab- lassen würden. gestimmte Meinung handelt. Ich frage Sie, ob das der Fall ist. Es gibt auch Bedürfnisse der flugzeugbauenden In- dustrie in Europa, neue Programme auch wieder aus un- Herzlichen Dank. serem Haushalt und den Haushalten der Partnernationen finanziert zu bekommen. Genauso gibt es das Interesse Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): anderer Länder an Lösungen, die ich auch für uns vor- Herr Kollege Stinner, die Verträge hat die durch schlage und mir vorstellen kann. Das wird also eine Ver- CDU/CSU und FDP gebildete Regierung im Jahr 1997 handlungssache sein. abgeschlossen. Wir wollen, dass noch einmal über die Gesamtzahl der Flugzeuge und darüber verhandelt wird, Sie haben aber recht: Darüber ist noch keine Einigkeit was mit der dritten Tranche geschieht. Eine Export- hergestellt. Wir werden aber darüber reden können. Des- anrechnung auf die Abnahmeverpflichtung der Länder halb sage ich, dass die Beratung über den Haushalt eine ist eine Möglichkeit. Andere Länder wollen das. Ich gute Gelegenheit dazu bietet. denke, wir können es auch wollen. (Hellmut Königshaus [FDP]: Habt Ihr eigent- Die Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion hat lich noch einen Koalitionsausschuss? Warum bereits im Frühjahr auf einer Klausurtagung ein Papier müsst Ihr das hier verhandeln?) beschlossen, das damals auch veröffentlicht wurde, in Abschließend noch ein paar Sätze zur Wehrpflicht, dem wir genau diese Position vertreten. Da ich das heute über die wir an der einen oder anderen Stelle auch schon hier in der Debatte so sage, können Sie davon ausgehen, etwas gehört haben. Wir Sozialdemokraten erkennen an, dass wir das in den Ausschüssen entsprechend verhan- dass der Verteidigungsminister absolut problembewusst deln. ist. Die Wehrgerechtigkeit ist ein Problem, wenn fast die Hälfte eines Jahrgangs aus gesundheitlichen Gründen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: ausgemustert wird. Wir glauben aber, dass es keine Dau- Lassen Sie auch noch die zweite Zwischenfrage des erlösung sein kann, dann einfach ein paar Tausend Wehr- (B) Kollegen Kampeter zu? pflichtige außerhalb der Struktur zusätzlich einzuziehen. (D) Die notwendigen Mittel dafür sollten wir lieber in die Verbesserung der Attraktivität des Dienstes in der Bun- Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): deswehr investieren. Hier müssen wir in Zukunft mehr Gerne. tun. Darüber besteht in diesem Hause große Einigkeit.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Birgit Homburger [FDP]: Aber nicht in der SPD!) Herr Kollege Kampeter, bitte schön. Um die Wehrpflicht, die wir gemeinsam wollen, Herr Steffen Kampeter (CDU/CSU): Minister, auf Dauer verfassungsfest zu sichern, brauchen Herr Kollege Bartels, Sie haben meine Frage durch wir ein neues Wehrpflichtmodell. Die SPD hat Vor- Ihre Sachverhaltsdarlegung charmanterweise nicht be- schläge dafür gemacht. Lassen Sie uns auf dieser Grund- antwortet. Sie lautete: Können Sie dem Hohen Hause lage einen neuen Konsens finden. einmal darlegen, welche Konventionalstrafe bei Nicht- Vielen Dank. abnahme von Flugzeugen, die Sie laut Pressemeldungen nach Indien oder in die Schweiz weiterverkaufen wollen (Beifall bei der SPD) – also für den Fall, dass Ihnen dies nicht gelingt, zumal es ja noch keine gemeinsame Koalitionsauffassung dazu Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: gibt –, vorgesehen ist? Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen Vor diesem Hintergrund würde ich gerne hören, wel- nicht vor. che Zahl sich bei Halbierung der Tranche ergibt. Wie Ich unterbreche an dieser Stelle die Haushaltsberatun- soll die Dislozierung aussehen? gen und rufe Tagesordnungspunkt 4 auf: – Beratung der Beschlussempfehlung und des Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Aus- Wir kennen ja die daran beteiligte Industrie. Ich emp- schuss) zu dem Antrag der Bundesregierung fehle, dass wir einmal darüber reden, ob wir beim A400M von der Industrie Konventionalstrafen fordern Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter wollen. Mit der gleichen Industrie reden wir auch da- deutscher Streitkräfte an der United Nations rüber, wie das Eurofighter-Programm in Zukunft gestal- Interim Force in Lebanon (UNIFIL) auf tet sein soll. Grundlage der Resolutionen 1701 (2006)