Klösterliche Grundherrschaftsverwaltung in Südwestdeutschland Der Kellhof Von Sankt Blasien in Blumberg-Fützen
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01_nb408_187_258.qxd:Nabla 14.11.2008 14:10 Uhr Seite 226 Klösterliche Grundherrschaftsverwaltung in Südwestdeutschland Der Kellhof von Sankt Blasien in Blumberg-Fützen Das Haus Hofstraße 9 in Blumberg-Fützen ist im Denkmalbuch Baden-Würt- temberg als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung eingetragen und wird darin als „singulär erhaltenes Beispiel einer im Schwarzwald-Baar-Kreis bisher nicht vorhandenen Bauform“ bezeichnet. Seit 1998 wird es mit denkmalfach - licher Begleitung und finanzieller Unterstützung des Referates für Denkmal- pflege im Regierungspräsidium Freiburg und der Denkmalstiftung Baden- Württemberg sorgfältig restauriert. Form und Ausstattung des dendrochronologisch in die Zeit um 1689 datierten Hauses lassen eine ehemals herrschaftliche Funktion vermuten, die im Rahmen einer Magisterarbeit belegt werden konnte. Repräsentationsanspruch und Ver- waltungsaufgaben sind bis heute unmittelbar ablesbar. Kristina Hahn / Ulrike Schubart 1 Fützen. Auszug Liegen- schaftskataster der Ge- meinde Blumberg, Ge- Sankt Blasiens Herrschaft in Fützen Forschung. Das Zentrum des kleinen Dorfes bil- markung Fützen, 2005, den die Kirche und der große barocke Pfarrhof. In mit Lage der Kirche, des Fützen, in einem Seitental der Wutach gelegen, derselben Straße, am nordöstlichen Ende der an- Pfarrhofes und des be- gelangte bislang lediglich wegen seines alaman- schließenden Häuserreihe, steht das hier vorzu- handelten Hauses. nischen Gräberfeldes in den Blick der regionalen stellende Haus. Wie Abt Caspar I. berichtet, erlangte das Bene- diktinerkloster Sankt Blasien im Schwarzwald spätestens 1554 die niedere Gerichtsbarkeit über Fützen, die „pfarr mitsampt dem kilchensatz“. Erst 1722 gelang es Sankt Blasien, die vom Klos- ter Allerheiligen in der Reformation an die Stadt Schaffhausen übergegangene, hohe Gerichtsbar- keit zu kaufen. 1689 herrschten in Fützen somit zwei Grundherren, die als Erbauer eines so auf- wendigen Hauses in Betracht kommen. Baubeschreibung Die ursprüngliche stattliche Erscheinung des drei- geschossigen Baus war bis zum Beginn der Res- taurierungsarbeiten 1998 kaum erkennbar: ein beinahe quadratischer Grundriss mit zwei Massiv - geschossen und einem Fachwerkobergeschoss unter einem traufständigen Satteldach. Ein jün- gerer Putz verdeckte gliedernde Fassadenbema- lung, ein herrschaftliches Wappen und das Sicht- fachwerk; durch eine veränderte Fenstersituation im zweiten Obergeschoss wirkte die Fassade eher unscheinbar. Einzig die beiden mächtigen Strebe- pfeiler an der Haupt- und Nordfassade deuteten auf das wohl höhere Alter des Hauses hin. Heute 226 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 4 | 2008 01_nb408_187_258.qxd:Nabla 14.11.2008 14:10 Uhr Seite 227 ist dank der sorgfältigen Arbeit des Besitzers und der denkmalfachlichen Begleitung die ursprüng- liche Erscheinung erlebbar: In noch spätgotischer Manier ist die Anordnung der Fensteröffnungen vom Innenraum her ge- dacht, sodass es keine symmetrische Fassaden- gestaltung gibt. Dadurch lässt sich an der zur Hof- straße gelegenen Hauptfassade die innere Auf - teilung und Nutzung ablesen: Die kleinen Fenster des Erdgeschosses rechts und links der erhal - tenen Haustüre belichten dahintergelegene La - gerräume. Im ersten Obergeschoss deuten die re- lativ eng gereihten Fenster – ein Zwillingsfenster links, dem der Mittelpfosten fehlt, ein einteiliges, schma les Fenster und ein Drillingsfenster rechts – auf einen ungeteilten Raum hin. Die Aufteilung des zweiten Obergeschosses in Nebenstube und Stube wird von außen durch weit auseinander - liegende Fenster – ein Erkerfenster links mit volu- tenartigen Schmuckformen sowie ein um die rechte Hausecke laufendes sechsteiliges Fenster- band – deutlich. Die beschriebene bauzeitliche Befensterung des Hauses wurde wie das Sicht- fachwerk des zweiten Obergeschosses im Zuge der Restaurierung wiederhergestellt. Es weist zwi- schen den Fensteröffnungen besonders auffal- lende Fachwerkformen auf: ein in eine V-Strebe eingestelltes Andreaskreuz und die von einem An- dreaskreuz geschnittene, übereck gestellte Raute. Ein mächtiger Strebepfeiler schließt die zur Hof- straße gelegene Hauptfassade rechts ab, ein wei- terer stützt die Nordfassade mittig. Diese ver- gleichsweise schlichte Nordfassade wird durch die beiden leicht versetzt übereinander liegenden Stubenfenster sowie hangseitig durch zwei kleine Küchenfenster gegliedert. Die gartenseitige Fas- sade ist aufgrund der Hanglage nur zweigeschos- Im ersten Obergeschoss lässt sich die heute be- 2 Gebäude Hofstraße 9 sig und besitzt eine unregelmäßige Fensteranord- stehende Einteilung in Stube und Nebenstube vor Beginn der Restaurie- nung. Bemerkenswert ist der nicht befensterte, nicht als bauzeitlich nachweisen. Es ist entspre- rungsmaßnahmen 1999. sondern nur durch Holzschiebeläden belichtete chend der Fenstergestaltung anzunehmen, dass und belüftete Abortgang im Obergeschoss. ursprünglich ein saalartiger Raum die ganze 3 Gebäude Hofstraße 9 nach Abschluss der In- Breite des Hauses einnahm; die Trennwand standsetzungsmaßnah- Innenaufteilung und Ausstattung wurde wie die mit Rosetten verzierte Decke der men 2008; das Fachwerk Nebenstube wohl erst im 18. Jahrhundert ein - im zweiten Obergeschoss Das halb in den Hang hineingebaute Erdgeschoss gezogen. Zusammen mit der Holzvertäfelung wurde freigelegt und res- wird durch einen langen schmalen Flur geteilt, der Stube, einer klassizistischen Füllungstür und tauriert, das sechsteilige, von dem die beiden bereits genannten Lager- dem großen Kachelofen mit beheizbarer Sitz- übereck gezogene Fens- räume abgehen, der linke Teil wurde eventuell bank („Kunst“) sind diese Ausstattungselemen- terband nach Befund er- einst als Stall oder Werkstatt genutzt, während te Zeugnis einer Modernisierungsphase. Durch gänzt. Die übrigen Fens- der rechte, tonnengewölbte Teil als Vorratskeller restauratorische Befunduntersuchungen ließ sich ter konnten größtenteils gedient haben dürfte. Erstes und zweites Ober- unter bis zu fünf Farbschichten die ursprüngliche, repariert werden; zur Er- höhung des Wämeschut- geschoss besitzen wie das Erdgeschoss eine weit- dunkle Holzsichtigkeit des Wandtäfers nachwei- zes erhielten sie neue, gehend erhaltene bauzeitliche Grundrissstruktur sen. Ein Ölauftrag verlieh dem Wandtäfer beson- nach Befund gearbeitete mit schmalem kurzem Flur, der die fassadenseitig deren Glanz und gab dem Raum zusammen mit Vorfenster. Dachhaut und gelegenen Räume sowie rückseitig angeordnete einem nicht mehr erhaltenen, aber nachweis- Giebelverkleidung – Mitte Küche und Kammer erschließt. Der bereits er- baren Kreuzriemenboden einen ehrwürdigen des 20. Jh. erneuert und wähnte Abortgang grenzt an die Küche des zwei- Charakter. Allein bei der in der großen Stube vor- funktionsfähig – wurden ten Obergeschosses. handenen Bretter-Einschubdecke handelt es sich vorerst belassen. Denkmalpflege in Baden-Württemberg 4 | 2008 227 01_nb408_187_258.qxd:Nabla 14.11.2008 14:10 Uhr Seite 228 werden. Im Bereich des wiederhergestellten Fens- terbands hat sich unter einer Holzverkleidung des 20. Jahrhunderts auch ein Teil des originalen Wandtäfers ohne Farbfassungen erhalten. Die hochwertigsten Befunde traten in der Ne- benstube des zweiten Obergeschosses unter der renovierungsbedingt abgenommenen Wandver- täfelung zutage: bemalte Fachwerkwände aus der Erbauungszeit. Auf den Gefachputzen wer- den durch doppelte Begleitstriche in Schwarz- Weiß und Grau-Gelb Licht und Schatten imitiert und so der Eindruck von Plastizität vermittelt. Die Hölzer zieren eine diagonal aufgemalte schwarz- weiße Bänderung, die sie wie gedreht erscheinen lässt. Unter der Bretter-Einschubdecke der Ne- benstube (die große Stube besitzt eine aufwendi- gere Decke mit diagonalen Einschüben) ist die 4 Ansicht der Gartenfas- wohl noch um die bauzeitliche Decke, die einst bauzeitliche Holzdecke mit rotem und blauem sade vor Beginn der In- die gesamte Geschossbreite einnahm. Blumendekor erhalten. standsetzungsmaßnah- Auch im zweiten Obergeschoss zeugt die Holz- Den gehobenen Ausstattungsstil des Hauses ver- men; im Obergeschoss vertäfelung mit ihren profilierten Deckleisten und vollständigen des Weiteren ein gedreht geschnitz- der ehemalige Abortgang den an der Nordwand der großen Stube erhalte- ter Pfosten der geraden, einläufigen Treppe zwi- mit Schiebeläden. nen Zierelementen wie Blendbrett und Zahnfries schen Erdgeschoss und erstem Obergeschoss, die 5 Grundriss des ersten von einer im 18. Jahrhundert erfolgten Moderni- ursprünglich auf Sicht gearbeiteten, farbig ge- Obergeschosses; Bauauf- sierung der ursprünglichen Ausstattung. Hier fassten Fachwerkwände des Flurs sowie die äu- nahme mit Kartierung konnte ebenfalls unter mehreren Farbschichten ßerst selten zu beobachtende gewendelte Block- der bauzeitlichen Wände. die Holzsichtigkeit des Wandtäfers nachgewiesen stufentreppe, deren aus ganzen Baumstämmen 228 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 4 | 2008 01_nb408_187_258.qxd:Nabla 14.11.2008 14:10 Uhr Seite 229 gefertigte Stufen ins Dachwerk führen. Dessen Archivalien 6 Erstes Obergeschoss tragendes Gerüst bildet eine liegende, verzapfte vor Beginn der Restaurie- Stuhlkonstruktion in Kombination mit einem mit- Im Generallandesarchiv Karlsruhe werden meh- rung. Blick von der Ne- tig stehenden Stuhl. Originale und nachträglich rere Besitzrechtverzeichnisse (Beraine) Fützens benstube mit der Holzver- eingebaute Spundwände teilen das erste Dachge- aufbewahrt. Diese mit dem heutigen Grundbuch täfelung des 18. Jahrhun- derts in die große Stube schoss in fünf Räume, während das zweite Dach- vergleichbaren