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Klösterliche Grundherrschaftsverwaltung in Südwestdeutschland Der Kellhof von Sankt Blasien in Blumberg-Fützen

Das Haus Hofstraße 9 in Blumberg-Fützen ist im Denkmalbuch Baden-Würt- temberg als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung eingetragen und wird darin als „singulär erhaltenes Beispiel einer im Schwarzwald-Baar-Kreis bisher nicht vorhandenen Bauform“ bezeichnet. Seit 1998 wird es mit denkmalfach - licher Begleitung und finanzieller Unterstützung des Referates für Denkmal- pflege im Regierungspräsidium und der Denkmalstiftung Baden- Württemberg sorgfältig restauriert. Form und Ausstattung des dendrochronologisch in die Zeit um 1689 datierten Hauses lassen eine ehemals herrschaftliche Funktion vermuten, die im Rahmen einer Magisterarbeit belegt werden konnte. Repräsentationsanspruch und Ver- waltungsaufgaben sind bis heute unmittelbar ablesbar. Kristina Hahn / Ulrike Schubart

1 Fützen. Auszug Liegen- schaftskataster der Ge- meinde Blumberg, Ge- Sankt Blasiens Herrschaft in Fützen Forschung. Das Zentrum des kleinen Dorfes bil- markung Fützen, 2005, den die Kirche und der große barocke Pfarrhof. In mit Lage der Kirche, des Fützen, in einem Seitental der gelegen, derselben Straße, am nordöstlichen Ende der an- Pfarrhofes und des be- gelangte bislang lediglich wegen seines alaman- schließenden Häuserreihe, steht das hier vorzu- handelten Hauses. nischen Gräberfeldes in den Blick der regionalen stellende Haus. Wie Abt Caspar I. berichtet, erlangte das Bene- diktinerkloster Sankt Blasien im Schwarzwald spätestens 1554 die niedere Gerichtsbarkeit über Fützen, die „pfarr mitsampt dem kilchensatz“. Erst 1722 gelang es Sankt Blasien, die vom Klos- ter Allerheiligen in der Reformation an die Stadt Schaffhausen übergegangene, hohe Gerichtsbar- keit zu kaufen. 1689 herrschten in Fützen somit zwei Grundherren, die als Erbauer eines so auf- wendigen Hauses in Betracht kommen.

Baubeschreibung

Die ursprüngliche stattliche Erscheinung des drei- geschossigen Baus war bis zum Beginn der Res- taurierungsarbeiten 1998 kaum erkennbar: ein beinahe quadratischer Grundriss mit zwei Massiv - geschossen und einem Fachwerkobergeschoss unter einem traufständigen Satteldach. Ein jün- gerer Putz verdeckte gliedernde Fassadenbema- lung, ein herrschaftliches Wappen und das Sicht- fachwerk; durch eine veränderte Fenstersituation im zweiten Obergeschoss wirkte die Fassade eher unscheinbar. Einzig die beiden mächtigen Strebe- pfeiler an der Haupt- und Nordfassade deuteten auf das wohl höhere Alter des Hauses hin. Heute

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ist dank der sorgfältigen Arbeit des Besitzers und der denkmalfachlichen Begleitung die ursprüng- liche Erscheinung erlebbar: In noch spätgotischer Manier ist die Anordnung der Fensteröffnungen vom Innenraum her ge- dacht, sodass es keine symmetrische Fassaden- gestaltung gibt. Dadurch lässt sich an der zur Hof- straße gelegenen Hauptfassade die innere Auf - teilung und Nutzung ablesen: Die kleinen Fenster des Erdgeschosses rechts und links der erhal- tenen Haustüre belichten dahintergelegene La - gerräume. Im ersten Obergeschoss deuten die re- lativ eng gereihten Fenster – ein Zwillingsfenster links, dem der Mittelpfosten fehlt, ein einteiliges, schma les Fenster und ein Drillingsfenster rechts – auf einen ungeteilten Raum hin. Die Aufteilung des zweiten Obergeschosses in Nebenstube und Stube wird von außen durch weit auseinander - liegende Fenster – ein Erkerfenster links mit volu- tenartigen Schmuckformen sowie ein um die rechte Hausecke laufendes sechsteiliges Fenster- band – deutlich. Die beschriebene bauzeitliche Befensterung des Hauses wurde wie das Sicht- fachwerk des zweiten Obergeschosses im Zuge der Restaurierung wiederhergestellt. Es weist zwi- schen den Fensteröffnungen besonders auffal- lende Fachwerkformen auf: ein in eine V-Strebe eingestelltes Andreaskreuz und die von einem An- dreaskreuz geschnittene, übereck gestellte Raute. Ein mächtiger Strebepfeiler schließt die zur Hof- straße gelegene Hauptfassade rechts ab, ein wei- terer stützt die Nordfassade mittig. Diese ver- gleichsweise schlichte Nordfassade wird durch die beiden leicht versetzt übereinander liegenden Stubenfenster sowie hangseitig durch zwei kleine Küchenfenster gegliedert. Die gartenseitige Fas- sade ist aufgrund der Hanglage nur zweigeschos- Im ersten Obergeschoss lässt sich die heute be- 2 Gebäude Hofstraße 9 sig und besitzt eine unregelmäßige Fensteranord- stehende Einteilung in Stube und Nebenstube vor Beginn der Restaurie- nung. Bemerkenswert ist der nicht befensterte, nicht als bauzeitlich nachweisen. Es ist entspre- rungsmaßnahmen 1999. sondern nur durch Holzschiebeläden belichtete chend der Fenstergestaltung anzunehmen, dass und belüftete Abortgang im Obergeschoss. ursprünglich ein saalartiger Raum die ganze 3 Gebäude Hofstraße 9 nach Abschluss der In- Breite des Hauses einnahm; die Trennwand standsetzungsmaßnah- Innenaufteilung und Ausstattung wurde wie die mit Rosetten verzierte Decke der men 2008; das Fachwerk Nebenstube wohl erst im 18. Jahrhundert ein- im zweiten Obergeschoss Das halb in den Hang hineingebaute Erdgeschoss gezogen. Zusammen mit der Holzvertäfelung wurde freigelegt und res- wird durch einen langen schmalen Flur geteilt, der Stube, einer klassizistischen Füllungstür und tauriert, das sechsteilige, von dem die beiden bereits genannten Lager- dem großen Kachelofen mit beheizbarer Sitz- übereck gezogene Fens- räume abgehen, der linke Teil wurde eventuell bank („Kunst“) sind diese Ausstattungselemen- terband nach Befund er- einst als Stall oder Werkstatt genutzt, während te Zeugnis einer Modernisierungsphase. Durch gänzt. Die übrigen Fens- der rechte, tonnengewölbte Teil als Vorratskeller restauratorische Befunduntersuchungen ließ sich ter konnten größtenteils gedient haben dürfte. Erstes und zweites Ober- unter bis zu fünf Farbschichten die ursprüngliche, repariert werden; zur Er- höhung des Wämeschut- geschoss besitzen wie das Erdgeschoss eine weit- dunkle Holzsichtigkeit des Wandtäfers nachwei- zes erhielten sie neue, gehend erhaltene bauzeitliche Grundrissstruktur sen. Ein Ölauftrag verlieh dem Wandtäfer beson- nach Befund gearbeitete mit schmalem kurzem Flur, der die fassadenseitig deren Glanz und gab dem Raum zusammen mit Vorfenster. Dachhaut und gelegenen Räume sowie rückseitig angeordnete einem nicht mehr erhaltenen, aber nachweis- Giebelverkleidung – Mitte Küche und Kammer erschließt. Der bereits er- baren Kreuzriemenboden einen ehrwürdigen des 20. Jh. erneuert und wähnte Abortgang grenzt an die Küche des zwei- Charakter. Allein bei der in der großen Stube vor- funktionsfähig – wurden ten Obergeschosses. handenen Bretter-Einschubdecke handelt es sich vorerst belassen.

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werden. Im Bereich des wiederhergestellten Fens- terbands hat sich unter einer Holzverkleidung des 20. Jahrhunderts auch ein Teil des originalen Wandtäfers ohne Farbfassungen erhalten. Die hochwertigsten Befunde traten in der Ne- benstube des zweiten Obergeschosses unter der renovierungsbedingt abgenommenen Wandver- täfelung zutage: bemalte Fachwerkwände aus der Erbauungszeit. Auf den Gefachputzen wer- den durch doppelte Begleitstriche in Schwarz- Weiß und Grau-Gelb Licht und Schatten imitiert und so der Eindruck von Plastizität vermittelt. Die Hölzer zieren eine diagonal aufgemalte schwarz- weiße Bänderung, die sie wie gedreht erscheinen lässt. Unter der Bretter-Einschubdecke der Ne- benstube (die große Stube besitzt eine aufwendi- gere Decke mit diagonalen Einschüben) ist die 4 Ansicht der Gartenfas- wohl noch um die bauzeitliche Decke, die einst bauzeitliche Holzdecke mit rotem und blauem sade vor Beginn der In- die gesamte Geschossbreite einnahm. Blumendekor erhalten. standsetzungsmaßnah- Auch im zweiten Obergeschoss zeugt die Holz- Den gehobenen Ausstattungsstil des Hauses ver- men; im Obergeschoss vertäfelung mit ihren profilierten Deckleisten und vollständigen des Weiteren ein gedreht geschnitz- der ehemalige Abortgang den an der Nordwand der großen Stube erhalte- ter Pfosten der geraden, einläufigen Treppe zwi- mit Schiebeläden. nen Zierelementen wie Blendbrett und Zahnfries schen Erdgeschoss und erstem Obergeschoss, die 5 Grundriss des ersten von einer im 18. Jahrhundert erfolgten Moderni- ursprünglich auf Sicht gearbeiteten, farbig ge- Obergeschosses; Bauauf- sierung der ursprünglichen Ausstattung. Hier fassten Fachwerkwände des Flurs sowie die äu- nahme mit Kartierung konnte ebenfalls unter mehreren Farbschichten ßerst selten zu beobachtende gewendelte Block- der bauzeitlichen Wände. die Holzsichtigkeit des Wandtäfers nachgewiesen stufentreppe, deren aus ganzen Baumstämmen

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gefertigte Stufen ins Dachwerk führen. Dessen Archivalien 6 Erstes Obergeschoss tragendes Gerüst bildet eine liegende, verzapfte vor Beginn der Restaurie- Stuhlkonstruktion in Kombination mit einem mit- Im Generallandesarchiv Karlsruhe werden meh- rung. Blick von der Ne- tig stehenden Stuhl. Originale und nachträglich rere Besitzrechtverzeichnisse (Beraine) Fützens benstube mit der Holzver- eingebaute Spundwände teilen das erste Dachge- aufbewahrt. Diese mit dem heutigen Grundbuch täfelung des 18. Jahrhun- derts in die große Stube schoss in fünf Räume, während das zweite Dach- vergleichbaren Aufzeichnungen kennen keine mit Kachelofen. geschoss nach wie vor ungeteilt ist. Straßennamen, sondern benennen die benach- barten Eigentümer der Häuser, Wiesen und Wäl- 7 Stube im ersten Ober- Stilistische Einordnung der. Auf der Bannkarte des Jahres 1777 (GLA H geschoss vor Beginn der Fützen 1) sind Buchstaben eingetragen, die – bis Restaurierung. Das drei- Ein Vergleich mit der zeitgleichen Decke des Pa- dato unbekannt – mit den Berainen von 1774 teilige Fenster rechts trizierhauses Salzstraße 22 in Freiburg i. Br., deren und 1780 (GLA 66/10612 und 66/2699) korres- konnte erhalten und re- Blumendekor jener im zweiten Obergeschoss in pondieren. Der Vermerk, dass auf dem mit WW pariert werden. Fützen stark ähnelt, verdeutlicht, dass die Innen- bezeichneten Besitz Rechte und Pflichten eines so ausstattung in Fützen überdurchschnittlich quali- genannten „Kellhofs“ lasten, erlaubt im Berain tätvoll ausgeführt worden ist. Sowohl anhand der der Jahre 1610/13 (GLA 66/10610, fol. 139v.), Außen- als auch der Innengestaltung lässt sich wo der Besitz ebenfalls mit WW gekennzeichnet die These aufstellen, dass Verwaltungsbauten ist, die Zuordnung zur sanktblasianischen Herr- städtischen Repräsentationsansprüchen genügen schaft. Dort heißt es: sollten. Vergleiche mit zeitgleichen Architekturen „Dieser Hoff oder Guott in Freiburg i. Br., Schaffhausen und Stein am soll unseren gnädigen herrn Pralaten Zuo Sanct Rhein zeigen, dass das Fützener Haus der städti- Blasien Vfm Schwarzwaldt einen Richter geben. schen Mode der Region der zweiten Hälfte des Derselbige Richter sambt dem 17. Jahrhunderts verpflichtet ist. Während die anderen meyeren daß diesen hoffguot haben Außengestaltung mit den mächtigen Strebepfei- soll hochermellt Iro gnaden, oder Irer gnaden lern, die vom Innenraum her konzipierte, asym- diener und Ambtleüthen, was irer gnaden wegen metrische Anordnung der Fenster und deren Ge- wann sie dahin nachher Füetzen gelangen und wändeformen gotisch wirken, lassen das Erker- ankhommen fenster und die Innenausstattung an Frühbarock den Pferdten genuegsamb Hew und strauw zuo- denken. Eigentliche Barockarchitektur wird im geben.“ Profanbau in Südwestdeutschland erst ab 1720 fassbar, weshalb dieser frühe Stil der Barockzeit, Die hier an den Besitz gebundenen Rechte und dessen Formen noch jenen der späten Gotik ver- Pflichten identifizieren das Haus zweifelsfrei: Es haftet sind, seit H. Hipps Studien als „nachgo- war seitens der Herrschaft üblich, Rechte und tisch“ bezeichnet wird. Ein Grund, warum noch Pflichten direkt an den Besitz zu binden, nicht an nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krie- die wechselnden Inhaber des jeweiligen Amtes. ges in diesem Stil gebaut wurde, könnte das Aufgrund dieser Zuordnung, dem Übereinstim- Misstrauen der Bauherrenschaft sein: Maß man men der Buchstaben WW und der Beschreibung dem neuen Stil nicht die erhoffte Repräsenta - des Hauses im Berain von 1774 mit „2 Stuben“ tionskraft bei? Sollten altbekannte Formen Kon- (GLA 66/10612, fol. 409r.) kommt eine Identifizie- tinuität sichtbar machen, ja sogar garantieren? rung eines anderen Gebäudes im Dorf als Kellhof

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bildet haben. Da Sankt Blasien unter Blasius III. in den Besitz der alleinigen Grundherrschaft über Fützen gelangte, wäre das Anbringen des Wap- pens nach 1720 nachvollziehbar. Besser erhal- tene Wappen an nachweislich grundherrschaftli- chen Verwaltungsbauten im Schweizer Kanton Aargau bezeugen diese Handhabung.

Vermutete Nutzung des Kellhofes

Das Haus Hofstraße 9 in Blumberg-Fützen diente somit als grundherrschaftlicher Kellhof der Abtei Sankt Blasien. Als besonders gut vergleichbares Beispiel sei hier das etwa zeitgleiche, so genannte „Gerichtshaus“ von 1671/95 in Tegerfelden im Kanton Aargau angeführt, das sehr wahrschein- lich als Meierhof Sankt Blasiens diente. Seine im Dorf hervorstechende Dreigeschossigkeit, die Au- 8 Die bemalten Fach- nicht in Frage. Mithilfe des „Deutschen Wörterbu- ßengestaltung und die Innenaufteilung erinnern werkwände in der seit - ches“ der Gebrüder Grimm und des Deutschen stark an das Fützener Gebäude. Es ist anzuneh- lichen Kammer des zwei- Rechtswörterbuches lässt sich „Kelnhof“ als oft men, dass der Verwalter dieser grundherrschaft- ten Obergeschosses Meierhof genannte Sammelstelle für Abgaben der lichen Höfe, der Keller beziehungsweise der gehören zur ältesten grundherrschaftlichen Wirtschaftseinheit verste- Meier, in der außergewöhnlich großen, saalarti- Ausstattung. hen. F.J. Mone weist zudem nach, dass der Begriff gen Stube des aufwendiger ausgestatteten ers- Kellhof überwiegend von nichtweltlichen, bene- ten Obergeschosses seinen Aufgaben als Verwal- 9 (a) Die mit Blütenorna- diktinischen Herrschaften verwendet wird. ter und Richter nachkam. Das traditionell auf - menten verzierte Kasset- tendecke in der seitlichen geteilte zweite Obergeschoss dürfte als Dienst- Kammer des zweiten Wappenfeld wohnung gedient haben, während in den Dach- Obergeschosses weist geschosskammern vermutlich neben Vorräten unter mehreren Ölfarban - Als weiterer Beleg für die Zuschreibung kann das auch Bedienstete Platz fanden. Wie die zitierte strichen die ursprüngliche Wappen über dem Haupteingang hinzugezogen Quelle zeigt, mussten hochgestellte Gäste samt dunkle Holzsichtigkeit auf. werden, das bei den restauratorischen Untersu- ihren Pferden beherbergt werden. Zwingender- (b) Darunter hat sich die chungen an der Fassade in fragmentarischem Zu- weise verfügten grundherrschaftliche Verwal- mit Blumen bemalte stand befundet wurde. Erkennbar waren orna- tungsbauten über große Speicherbauten, die die Decke der Erbauungszeit mentale Ausläufer der Helmdecke in Gold und Naturalabgaben aufnahmen: Einst gegenüberlie- erhalten. Grün, zudem ein Engelskopf und rote Farbreste. gende Scheunen wurden in Fützen etwa 1984 10 Reste des einst ober- Den Engelskopf führt unter den sanktblasiani- abgerissen. halb der Haustüre sicht - schen Äbten Blasius III. (1720–1727), und auch Die bemerkenswerte Kubatur, die Dreigeschos- baren Wappens, sehr üppige Helmdeckenausläufer sind für sein Wap- sigkeit über annähernd quadratischem Grundriss, wahrscheinlich von Abt pen bezeugt. Die roten Farbreste dürften einst die Strebepfeiler und die Kennzeichnung durch Blasius III. (1720–1727). den links oben springenden Hirsch der Abtei ge- Wappen und auffällige Fachwerkformen zusam- men mit der aufwendigen Innenausstattung teilt a das Haus mit einer Reihe nachgotischer Bauten der Barockzeit im Gebiet zwischen Schwarzwald, Schwäbischer und Schweizer Jura. Es scheint sich bei diesen stets um grundherrschaftliche Bauten zu handeln, deren Untersuchung Gegen- stand der von K. Hahn jüngst begonnenen Dis- sertation „Bauten der klösterlichen Grundherr- schaftsverwaltung in Südwestdeutschland“ (Ar- beitstitel) ist. b Denkmalpflegerisches Konzept und Umsetzung

Im Vorfeld der geplanten Instandsetzungsmaß- nahmen wurden der überlieferte Baubestand durch Fotodokumentation und verformungsge-

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rechtes Bauaufmaß mit Schadenkartierung und Baualtersbestimmung dokumentarisch erfasst und restauratorische Farb- und Putzuntersuchun- gen an den Innenwänden und der Fassade durch- geführt. Damit lagen vor Maßnahmenbeginn wichtige Informationen über Baualter, bauliche Veränderungen und Schäden sowie unterschied- liche Oberflächenbefunde vor, die in das denk- malpflegerische Konzept einfließen und bei der Instandsetzung berücksichtigt werden konnten. Denkmalpflegerisches Ziel war die Sicherung und Instandsetzung des überlieferten historischen Baubestands – sowohl in den statisch-konstrukti- ven Bereichen als auch bei den Putzoberflächen und der qualitätvollen Ausstattung wie Fenster, Türen, Holztäfer und Kachelofen in den beiden Wohngeschossen. Unter Beibehaltung der noch weitgehend origi- nal überlieferten Grundrissstruktur sollte das zu- Bei der Behandlung der Wandoberflächen innen 11 In der Stube des letzt als Zweifamilienhaus genutzte Gebäude be- und außen wurde dem Erhalt der bauzeitlichen zweiten Obergeschosses hutsam einer zeitgemäßen Wohnnutzung für Befunde (also aus der Zeit um 1689) sowie denen ist ein Teil des Wandtä- den Eigentümer zugeführt werden. Da das Haus des 18. Jahrhunderts der Vorrang eingeräumt. Da fers in seiner ursprüngli- auch weiterhin nur durch Kachelöfen beheizt diese Befunde im ganzen Haus umfangreich chen Holzsichtigkeit über- liefert; es wurde sorg - werden sollte und der Bauherr auch sonst keinen überliefert und nur an wenigen Stellen durch Zu- fältig restauriert. Rechts großen Wert auf hohen Wohnkomfort legte, taten des 20. Jahrhunderts überformt waren, war das nach Freilegung des konnte die Haustechnik äußerst sparsam bemes- aus denkmalfachlicher Sicht ein Wiedersichtbar- Fachwerks ergänzte sen und die Substanzeingriffe dadurch minimiert machen gerechtfertigt. Grundlage bildeten die sechsteilige Fensterband. werden. bauforscherischen und restauratorischen Unter- Aufgrund der Hanglage des Gebäudes und der suchungsergebnisse. enormen Schubkräfte, die teilweise zu erhebli- So fiel bei der Straßenfassade die Entscheidung chen Verformungen geführt hatten, waren im zugunsten einer behutsamen Freilegung und Er- Bereich der beiden giebelseitigen Außenwände gänzung des repräsentativen Fachwerks im zwei- und der Rückwand Sicherungsmaßnahmen und ten Obergeschoss und einer Wiederherstellung 12 Rückwärtiger Raum Unterfangungen notwendig, um die Standsicher- des bauzeitlichen sechsteiligen Fensterbands. Die im ersten Obergeschoss heit des Gebäudes wieder zu gewährleisten. Freilegung oder auch Rekonstruktion der Male- vor der Restaurierung ... Einige reparierende Eingriffe mussten auch an der reibefunde im unteren Fassadenbereich (Wap- 13 … und nach der Res- Dachkonstruktion vorgenommen werden. Die Mit- penschild und Eckquaderung) schied jedoch auf- taurierung und Umnut- te des 20. Jahrhunderts erneuerte Dach deckung grund der fragmentarischen Überlieferung aus. zung zum Bad. Durch und Giebelverkleidung waren jedoch so weit in Bei der teilweisen Überlagerung der qualitätvol- Vorwandinstallationen Ordnung, sodass eine aufwendige und kosten - len Befunde des 17. und 18. Jahrhunderts wie im konnten die Substanzein- intensive Sanierung vorerst zurückgestellt wurde. Nebenraum des zweiten Obergeschosses (Holztä- griffe minimiert werden.

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Restauratoren, vor allem aber der Beharrlichkeit und den bescheidenen Wohnansprüchen des „denkmalbewussten“ und überaus engagierten Bauherrn und seinem für ihn selbstverständlichen Wunsch nach größtmöglichem Substanzerhalt zu verdanken, dass das Haus mit seiner qualitätvol- len Ausstattung als aussagekräftiges Geschichts- zeugnis und repräsentativer Ortsmittelpunkt wie- der erlebbar ist.

Literatur und Quellen

Kristina Hahn: Ein herrschaftliches Haus im : Hofstraße 9 in Blumberg-Fützen (unpubl. Magister- arbeit, Heidelberg 2006). Luisa Galioto/Frank Löbbecke/Matthias Untermann: Das Haus „Zum roten Basler Stab“ (Salzstraße 20) in Freiburg im Breisgau (Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württem- fer des 18. Jahrhunderts über bauzeitlichen, be- berg 25). Stuttgart 2002. malten Fachwerkwänden und -decke) deckten Pius Räber: Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, sich die Wünsche des Bauherrn nach einem Ne- Bd. 1 (= Die Bauernhäuser der Schweiz, Bd. 22), hrsg. beneinander beider „Zeitschichten“ nicht ohne v. der Schweizerischen Gesellschaft für Volkskunde. Weiteres mit den Zielen der Denkmalpflege, zu- Basel 1996. gunsten eines einheitlichen Gesamteindrucks nur Hermann Hipp: Studien zur „Nachgotik“ des 16. die jüngere Schicht zu zeigen, darunter die ältere und 17. Jahrhunderts in Deutschland, Böhmen, aber unversehrt zu erhalten. Hier soll nun eine Österreich und der Schweiz. 3 Bde. Diss. Tübingen „Musterstube“ eingerichtet werden, die an zwei 1974, Hannover 1979. Wänden die bemalten bauzeitlichen Fachwerk- Franz Joseph Mone: Zur Geschichte der Volkswirt- befunde zeigt, die lediglich konserviert, nicht je- schaft vom 14.–16. Jahrhundert, in: Zeitschrift für doch überfasst werden, in den anderen Wand- die Geschichte des Oberrheins 10, 1859, 3–96. und Deckenbereichen bleibt das jüngere farbig Stiftungsbuch von St. Blasien, vom Abte Caspar I. überfasste Holztäfer sichtbar. (1541–1571), in: Quellensammlung der badischen 14 Stube im ersten Ober- Auch in den Stuben soll nicht die restauratorisch Landesgeschichte, 2. Bd., hrsg. v. Franz Joseph geschoss mit restaurier- nachgewiesene, ursprüngliche Holzsichtigkeit Mone. Karlsruhe 1854, bes. 56–80. ten Fenstern, Wand- und des Wandtäfers wiederhergestellt, sondern das Generallandesarchiv Karlsruhe: H Fützen, 1; 66/2699; Deckentäfer, Kachelofen. Täfer mit seinen mehrfachen Ölfarbanstrichen als 66/10610 (Transkription: KH). Zugunsten eines einheitli- Zeitzeugnis erhalten und wieder überstrichen Burghard Lohrum: Bauhistorische Dokumentation chen Raumeindrucks wer- werden. Lediglich die Stubendecke des ersten und dendrochronologische Datierung. Ettenheim- den Wand- und Decken- täfer wieder überstrichen. Obergeschosses wurde von dicken, teils unan- münster 1998 (Ms., Archiv, Ref. 25 Denkmalpflege, sehnlichen Lackschichten befreit und erhält zu- RP Freiburg). 15 Die im 20. Jh. über- gunsten eines einheitlichen Raumeindrucks wie- Eberhard Grether: Konservierung und Restaurierung. putzten Fachwerkwände der eine helle Lasur. Freiburg i. Br. 1998 und 2005 (Ms., Archiv, Ref. 25 im Flur wurden entspre- Unter fachrestauratorischer Begleitung, aber Denkmalpflege, RP Freiburg). chend der Ausstattungs- großteils durch Eigenleistung des Bauherrn, der phase des 18. Jh. wieder sich gleich zu Sanierungsbeginn im Erdgeschoss freigelegt. eine Werkstatt einrichtete, werden die Räume be- Kristina Hahn M.A. hutsam instand gesetzt. Wegen der reichen und Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg interessanten Befundlage sind die Ortstermine Zentrum für Europäische Geschichts- und der Denkmalpflege in Blumberg-Fützen auch Kulturwissenschaften (ZEGK) nach fast zehnjähriger Instandsetzung spannend Institut für Europäische Kunstgeschichte Praktische Hinweise und führen immer wieder zu anregenden Diskus- Seminarstraße 4 Besichtigung nach Abspra- sionen über die Umsetzung des denkmalpflegeri- 69117 Heidelberg che mit dem Eigentümer: schen Konzepts. Ralf Blaser Schritt für Schritt erhält der ehemalige Kellhof sei- Ulrike Schubart M.A. Hofstr. 9 nen ursprünglichen Charakter zurück. Und es ist Regierungspräsidium Stuttgart 78176 Blumberg-Fützen zum einen den erfahrenen Handwerkern und Referat 25 – Denkmalpflege

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