GrabfeldDas Heimatblätter für Kultur, Geschichte und Brauchtum im Grabfeld Herausgeber: Verein für Heimatgeschichte im Grabfeld e.V. und Museumspädagogisches Zentrum Bad Königshofen i. Gr. Nummer 28 Nummer 28 Bad Königshofen, November 2020 Seite 1

Die schwere Nachkriegszeit im Landkreis Königshofen im Grabfeld Schon damals war die Wasserversorgung ein sehr ernstes Problem

Reinhold Albert Direktoren in Königshofen waren die Capi- Kreistag gewählt. US-Besatzungstruppen tains A.W. Petersen, L.F. Girolami und Carl waren in der Nachkriegszeit in Königshofen Der Landkreis Königshofen im Grabfeld Bodem. Die von der NSDAP eingesetzten und im Sternberger Schloss (hier waren seit hatte das Glück, im Zweiten Weltkrieg Bürgermeister sowie Stadt- und Gemeinde- 8.5.1945 200 Soldaten) stationiert. Die deut- (1939-1945) im Wesentlichen von Zerstö- räte wurden abgesetzt. Die US-Militärregie- sche Verwaltung leitete ab Kriegsende bis rungen verschont geblieben zu sein. Nur rung behalf sich mit kommissarisch einge- zum 15.10.1945 Landrat Fink, anschließend einige wenige Wohnhäuser in Königshofen setzten Bürgermeistern (in Königshofen war Landrat Dr. Heinrich Gundlach. und vereinzelte Gehöfte und Scheunen im das Karl Weber). Bis zu den ersten Gemein- Es war eine unruhige Zeit. So schrieb Land- übrigen Kreisgebiet, so in Sulzfeld oder deratswahlen am 27.1.1946 sowie den rat Fink am 26.9.1945 an seine Gemein- Sternberg waren durch Kriegseinwirkungen Kreistagswahlen am 28.4.1946 waren die den: „In letzter Zeit mehren sich die Fälle, vernichtet worden. Dennoch konnte das nor- im Einvernehmen mit der Militärregierung in denen die Bürgermeister Klage darüber male Wirtschaftsleben nach Kriegsende nur eingesetzten Bürgermeister bzw. der vom führen, dass ihren Anordnungen seitens der sehr langsam und mit großen Schwierigkei- Landrat berufene Kreisbeirat nun die Trä- Gemeindemitglieder keine Folge geleistet ten wieder in Gang gebracht werden, weil es ger der Selbstverwaltung. Es gelang diesen wird. Offenbar wird vielfach die Auffassung an allem und jedem fehlte. provisorisch berufenen Gremien ausgezeich- vertreten, dass gegenwärtig ein Zustand der Anordnungen traf die amerikanische Militär- net, ihre an sich damals nicht näher umris- Gesetzlosigkeit herrsche!“ regierung ab der Eroberung des Landkreises senen Aufgaben gerecht zu werden. Den Der Eyershäuser Pfarrer Karl Kügler notierte am 8./9.4.1945, und zwar zunächst von Bad Erfolg ihrer Tätigkeit unterstreicht die Tat- in jenen Tagen: „Wohl lastete anfangs die Neustadt aus. Am 25.6.1945 wurde dann in sache, dass von den 33 eingesetzten Bürger- Königshofen in der Winkelmannvilla in der meistern bei der ersten Kommunalwahl nach Bamberger Straße eine US-Militärregierung dem Krieg bis auf zwei alle in ihren Ämtern Aus dem Inhalt (Directory of Military Government, Office bestätigt wurden. Ebenso wurden fast alle Grußwort Vorsitzender im Verein für Königshofen) eingerichtet. Die ersten drei Kreisbeiratsmitglieder wieder in den neuen Heimatgeschichte Hanns Friedrich . . . 3 Das Lied vom Grabfeldgau . . . . . 6 Interessengemeinschaft für Denkmalpflege . . . . 9 Uralter Brunnen vor dem Sternberger Schloss entdeckt . . . . 10 Schulbeginn nach dem Krieg in Königshofen und weiteren Gemeinden . 11 Hindenburch-Weck ...... 17 Mein Berufsleben als Lehrerin in der Nachkriegszeit ...... 18 Geldumtausch in der DDR vor 30 Jahren ...... 19 Literaturschau 2020 ...... 20 Ein Gemälde einer Sonnenblume in Römhild ...... 22 Otto Schulz: Hebammenwahl . . . . 21 Trappschter Kinner in die 1970er und 1980er Johre . . . . 23 Schriftenreihe des Vereins für Heimatgeschichte ...... 20 Gertrud Schumacher vermeinte, ein Engel habe sie zu Kunigunde geführt . 25 Wenn auch mit einigen Schwierigkeiten kam das Wirtschaftsleben in der Nachkriegszeit lang- Gertraud Elsner: Zum Geburtstag . . . 26 sam wieder auf Touren. Das Foto entstand in den 1950er Jahren beim „Säulesmarkt“ in Gertraud Elsner: Herzliche Bitte . . . 28 Königshofen. Seite ­­2 Das Grabfeld Nr. 28 · November 2020

ertappt wurde, hatte eine empfindliche Strafe zu erwarten. So verurteilte das Amtsgericht Königshofen am 6.3.1946 einen Landwirt aus Leinach wegen der ungenehmigten Schlachtung eines Rindes zu einer Gefäng- nisstrafe von zwei Monaten und einer Geld- strafe von 1500 Reichsmark. Wie schlimm die Not in den Nachkriegsjah- ren war, unterstreicht eine Mitteilung von Dezember 1946 in der Sternberger Schul- chronik. Dort konnten zehn Kinder wegen fehlender Schuhe den Unterricht nicht besu- chen. In Obereßfeld wurde auf Initiative von Lehrer Wolf am 20.5.1947 ein örtliches soziales Hilfswerk geschaffen. Jeder Bauer hatte wöchentlich eines von zwölf hunger- gefährdeten Kindern zum Mittagessen ein- zuladen. Wie nötig diese Einrichtung war, unterstreicht das Ergebnis einer amtsärztli- chen Untersuchung der Obereßfelder Kinder am 18.9.1947: 18 Kinder wurden als gesund- Lediglich einfache Wegesperren bildeten zunächst die Grenze zwischen der amerikanischen heitlich gefährdet eingestuft, 12 als bedürftig und der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland. Das Foto entstand 1947 zwischen und lediglich ein Kind war gut genährt und und Mendhausen. gesund. Der Wald übernahm in jenen Jahren bei der Hand der Sieger drückend auf unserem Volk. Saatgut und landwirtschaftlichen Geräten. Versorgung der Bevölkerung eine überaus Wir hatten schwer zu leiden unter dem Hass, Hamstern wurde zur Hauptbeschäftigung der wichtige Funktion. So legte das Forstamt dem Misstrauen, ja der Verachtung der Welt Menschen, die Zigarette wurde zur Leitwäh- Bundorf laut Mitteilungsblatt Königshofen wegen der nationalsozialistischen Gräuel- rung. Es galten die ungeschriebenen Gesetze vom 25.6.1947 die Termine des Beeren- taten.“ Sein Sternberger Kollege Karl Pfaab des Schwarzmarktes. Deutschland fiel in den pflückens in den Haßbergwäldern für das ergänzte: „Die Nazis brüsteten sich seit archaischen Zustand der Naturalwirtschaft Jahr 1947 wie folgt fest: „Erdbeeren ab Kriegsbeginn: Der Sieg ist unser – auch zurück. Der sog. Schwarzmarkt blühte. 25.6., Heidelbeeren ab 2.7., Himbeeren ab ohne „Vater unser“ – und was blieb übrig: Ab Kriegsende am 8. Mai 1945 bis zum 17.6., Preiselbeeren ab 1.8.. Das Abpflü- Der vernichtendste Zusammenbruch, den die Juli 1946 wurde im Kreis Königshofen fol- cken von Beeren vor den genannten Ter- Welt je erlebt hat!“ gendes Handelsgut auf dem Schwarzmarkt minen wird forstpolizeilich bestraft. Weiter 1946 wurde ein Entnazifizierungsgesetz beschlagnahmt: 13 Stück Großvieh, 1 Pferd, wird bekannt gegeben, dass im städtischen erlassen, dem zufolge sich alle Deutschen, 81.020 kg Kartoffeln, 6002 kg Möhren, 1900 Sambachswald nur Einwohner der Stadt die Mitglieder der NSDAP oder deren Glie- kg Kunstdünger, 145 kg Hülsenfrüchte, 150 Königshofen zum Beerenpflücken berechtigt derungen waren, zu verantworten hatten. In kg Zucker, 482 kg Mehl, 153 kg Brotge- sind.“ jedem Landkreis wurde eine Spruchkam- treide, 70 kg Weizen, 75 kg Haferschrot, Das Chaos in Deutschland und Europa mer errichtet. Sie bestand aus einem Vorsit- 61 kg Hühnerfutter, 98,75 kg Fleisch- und wurde nach dem furchtbaren Winter 1946/47 zenden, einem Stellvertreter, einem Kläger, Wurstwaren, 11,5 kg Brot, 5 kg Butter, 458 noch schlimmer. Herbert Hoover, der ehe- mehreren Beisitzern und einem Geschäfts- Eier, 2020 m Stoffe verschiedenster Art malige amerikanische Präsident, untersuchte führer. Im Landkreis Königshofen amtierte sowie 12 Paar Schuhe. im Auftrag seines Nachfolgers Harry Tru- der Saaler Bürgermeister Gottfried Glück- Gang und gäbe war nach dem Krieg das man die Ernährungssituation in Deutschland stein als Vorsitzender. Schwarzschlachten (d. i. das Schlachten und Europa. Er stellte fest: „Die Masse des Die Sühnemaßnahmen wurden je nach Betä- ohne vorherige Genehmigung). Wer dabei Fortsetzung Seite 4 tigung während der Nazizeit ausgesprochen. Es wurde nach Gruppen unterteilt: Haupt- schuldige bildeten die Gruppe I, Belastete die Gruppe II, Minderbelastete (Bewäh- rungsgruppe) die Gruppe III und Mitläu- fer die Gruppe IV. Völlig Entlastete gehör- ten schließlich der Gruppe V an. Die Sühne wurde teils in Sachwerten, in Geldsühnen, für Hauptschuldige auch in Verhängung von fünf bis zehn Jahren Arbeitslager ausgespro- chen. Die landwirtschaftliche Produktion fiel in Deutschland in der unmittelbaren Nach- kriegszeit auf zwei Drittel des Vorkriegs- standes zurück. Es fehlte an Düngemitteln, Impressum Herausgeber: Verein für Heimatgeschichte im Grabfeld e.V., Bad Königshofen Redaktion: Reinhold Albert (Sternberg); Fotos: Reinhold Albert und Privat Satz: dta-mediadesign (Alsleben) Druck: Druckerei Seifert (Untereßfeld) Auflage: 7.500 Exemplare Ein ungewöhnliches Gespann lichtete der Saaler Fotograf Willi Schober in den 1950er Jah- ren im Grabfeld ab. Nr. 28 · November 2020 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­3

Liebe Mitglieder und Freunde unseres Geschichtsvereins! Corona verändert die Welt und das Vereinsleben Landkreises Schmalkalden-, Susanne Reum. Kreisarchivarin Angelika Hoyer stellte die Ausstellung vor. Danke an unseren Bürger- Wer hätte gedacht, dass ein Virus die ganze Welt verändert, ja zum meister Thomas Helbling, Museumsleiter Andreas Rottmann und René Stillstand des öffentlichen und privaten Lebens führen kann. Noch van Eckert, der die Kreistagsfraktionen vertrat. vor einem Jahr hätten wir dies für unmöglich gehalten. Seit März hat Damit der Brauch des Rumpelns an den Kartagen in Bad Königshofen uns die Wirklichkeit eingeholt und damit auch unser Vereinsleben. und im Grabfeld nicht ausstirbt, haben unsere Rumpler in der Stadt Wir mussten Vorträge absagen, Planungen zu 30 Jahre Wiederver- auf unsere Anregung an den Kartagen am Marktplatz zum Gebet einigung wurden zurückgestellt, die Übergabe unseres Kulturpreises gerufen. Dafür gab es aus der Vereinskasse eine kleine Spende. Eine ebenso. Nichts ist mehr, wie es war. Das Wort „Abstand halten“ ist zu Besonderheit war ganz sicher, dass sich Pfarrer Karl Feser als „Ge- einem festen Begriff geworden, ebenso das Tragen von Mund- und betsrufer“ betätigte und die historischen Verse der Rumpler vom Nasenschutzmasken und immer wieder die Bitte, gesund zu bleiben. Kirchturm per Lautsprecher aufsagte. Danke auch an ihn, dafür. Ein Trotzdem ist unser internes Vereinsleben weiter gegangen. Mein 2. herzliches Dankeschön aber auch an die Kinder, Jugendlichen und Vorsitzender Reinhold Albert hat sich wieder schriftstellerisch betätigt Erwachsenen, die draußen in unseren Dörfern ebenfalls an den Kar- und sein neuestes Buch, die Chronik von Waldberg sowie ein Heft tagen die Glocken durch ihre Holzinstrumente ersetzten. Das war eine über den Weinbau in Rhön und Grabfeld fertig gestellt, ebenso das ganz hervorragende Aktion in einer schweren Zeit. Heimatjahrbuch Rhön-Grabfeld 2021. In Kürze folgt auch noch seine In diesem Jahr wollen wir, wenn es Covid 19 erlaubt, noch die Kultur- Chronik von Wülfershausen. Noch ein Novum, auf das sich Reinhold preisübergabe an den neuen Preisträger vornehmen, wahrscheinlich Albert, zusammen mit der örtlichen Volkshochschule eingelassen hat. wohl im kleinsten Kreis. Eingeschränkt sind nach wie vor unsere Vor- Er hielt einen Vortrag per livestream zu Hause am Bildschirm, der tragsreihen, die wir, wenn alles gut läuft, im kommenden Jahr 2021 sehr gut angekommen ist. Er ist im Internet abrufbar unter https:// fortsetzen wollen. www.youtube.com/watch?v=1tzjOpJh-Qo&t=36s Bei Google eingeben Ich danke Ihnen, liebe Leserinnen und Leser für Ihre Treue zum Verein „Kriegsende im Grabfeld“ führt ebenfalls zum Ziel. Ein herzliches Dan- und dafür, dass sie unsere Aktivitäten in den Medien mitverfolgen und keschön für diese mutige Entscheidung in Corona-Zeiten. Dank auch uns auch einmal Hinweise geben. Danke möchte ich insbesondere an ihn für die Erstellung dieses Heimatblattes und seine vielfältige auch den Sponsoren unseres Heimatblattes, deren finanzielles Enga- Arbeit für die Geschichte unserer Heimat, verbunden mit der Bitte, gement dessen Herausgabe ermöglicht. weiter aktiv zu bleiben. Dank gilt ebenfalls Clemens Behr und seiner „Initiative Denkmalpfle- Ich wünsche Ihnen allen einen guten Abschluss des Jahres 2020 und ge“, die auch auf Anregung unseres Vereins aktiv wurde und die Auf- ein hoffentlich besseres Jahr 2021. Vor allem aber wünsche ich Ihnen: stellung eines Bildstocks in Großeibstadt mit auf den Weg brachte. Bleiben Sie gesund und alles Gute für 2021. Wir haben als Verein die Trägerschaft dieser Aktion übernommen und uns um entsprechende Zuschüsse bemüht. Hier gilt ein ganz be- HANNS FRIEDRICH sonderer Dank unserem Bezirkstagspräsidenten Erwin Dotzel sowie Vorsitzender im Verein für Heimatgeschichte im Grabfeld Kulturdirektor Professor Dr. Klaus Reder. Nicht zu vergessen unsere Kulturreferent Landkreis Rhön-Grabfeld beiden Banken, Sparkasse Bad Neustadt und Volks- und Raiffeisenbank Rhön-Grabfeld, ebenso der Prominentenband, Bruno Gess- ner, der kostenfrei den Betonsockel spendier- te, der Gemeinde Großeibstadt und weiteren Zuschussgebern. Der Bildstock steht nun am Radweg bei Großeibstadt und hat damit einen würdigen Platz gefunden, an dem er gut zur Geltung kommt. Dank der Gemeinde Großeibstadt die den Platz mit einer Sitzgele- genheit entsprechend gestaltete. Informationen zu einem weiteren Bildstock bei Ottelmannshausen hat unser Kreishei- mat- und Archivpfleger Reinhold Albert zu- sammen getragen und für die offizielle Über- gabe den Verantwortlichen zur Verfügung gestellt. Unser Verein hat die Ausstellung Wahnsinn-Wende-Wiedervereinigung in das Museum Schranne nach Bad Königshofen ge- holt. Die 14 Info-tafeln, gestaltet vom Kreis- archiv Meiningen, gaben einen interessanten Einblick in die Zeit der DDR, den Umschwung, die Grenzöffnung und die Zeit danach. Es war eine Eröffnung mit Abstand, wenn auch in kleiner Runde. Ich habe mich besonders gefreut, dass aus Thüringen die Landtags- abgeordnete Janine Merz sowie Steffen Vogel Der ursprünglich an der Haubachbrücke stehende Bildstock von 1694, dessen Aufsatz 1973 vom Bayerischen Landtag vertreten waren, entwendet wurde (links im Bild). Daneben der in diesen Tagen u. a. auf Initiative des Ver- ebenso unser Landrat Thomas Habermann eins für Heimatgeschichte im Grabfeld am Radweg in Großeibstadt von der Fa. Hippold (Bad sowie die stellvertretende Landrätin des Königshofen) aufgestellte neue Bildstock. Seite ­­4 Das Grabfeld Nr. 28 · November 2020

Darauf folgte im Sommer 1947 der Bau ein- facher Stacheldrahthindernisse an besonders unübersichtlichen Stellen und in Waldgebie- ten. An den Straßen und Wegen, die über die Grenze führten, wurden Straßensperren errichtet. Zuerst nur als Trennungslinie der Besat- zungsgebiete gedacht, entwickelte sich die Demarkationslinie zwischen dem russischen und den westlichen Sektoren sehr schnell auch zur Grenze zwischen zwei Weltan- schauungen. Durch sie wurden über Nacht familiäre Bindungen zerschnitten, die seit Generationen bestanden. Auch wirtschaftlich mussten erhebliche Erschwernisse in Kauf genommen werden. So gingen 60 % der in der Landwirtschaft des Grabfelds erzeugten Güter bis Kriegsende nach Thüringen und Sachsen. Bereits im November 1945 konnte als einer der ersten Schulen in Unterfranken die Landwirt- Da sich keine Regelung der deutschen Frage schaftsschule in Königshofen wieder den Schulbetrieb aufnehmen. durch einen frei ausgehandelten Friedens- vertrag ergab, entschlossen sich die West- deutschen Volkes ist, was Ernährung, Hei- ierten zurückzogen, die bereits Thüringen mächte unter Zustimmung der Deutschen zung und Wohnung angeht, auf den niedrigs- besetzt hatten. Die Grenzen zwischen den zur Gründung der Bundesrepublik Deutsch- ten Stand gekommen, den man seit hundert Besatzungszonen blieben zunächst offen. land am 23. Mai 1949, um dem staatlichen Jahren in der westlichen Zivilisation kennt!“ Der kleine Grenzverkehr für Arbeitspendler Leben für eine Übergangszeit eine Ordnung Fast in allen Ländern Europas das gleiche und für Landwirte zur Bearbeitung ihrer Fel- zu geben. Im Gegenzug entstand am 7. Okto- Bild: Rationierung und Hunger. Der alte der kam in Gang. Von US-Soldaten wurde ber 1949 die Deutsche Demokratische Repu- Kontinent war nicht mehr in der Lage, die die Grenze zunächst mit weiß-gelb gestriche- blik (DDR). wirtschaftlichen Probleme mit eigener Kraft nen Holzpfählen (den Farben des zur Über- Unmittelbare Folge war u. a., dass die Grenz- zu lösen. Amerika musste helfen! Was Prä- wachung eingesetzten Regiments) markiert. sicherung verstärkt wurde. Arbeitstrupps der sident Harry S. Truman angekündigt hatte, Wegen der einsetzenden Massenflucht aus Deutschen Grenzpolizei bauten an höher konkretisierte sein Außenminister George der sowjetischen in die amerikanische Besat- gelegenen Geländepunkten die ersten Wacht- Marshall am 5. Juni 1947, nämlich das zungszone stimmte der Alliierte Kontrollrat türme aus Holz nach russischem Muster. Die Angebot umfassender Hilfe für Europa. Mar- auf sowjetischen Verlangen am 30.6.1946 Grenze zwischen den beiden deutschen Staa- shall erklärte in der Universität Harvard: „Es der Sperrung der Demarkationslinie für den ten war zu diesem Zeitpunkt noch nicht total ist nur logisch, dass die Vereinigten Staaten freien Reiseverkehr zu. Die Sowjetunion abgeriegelt. Landwirte durften mit Berechti- alles tun, was in ihrer Macht steht, um die nützte dies aus, um ihren Herrschaftsbereich gungs- oder Flurschein ihre jenseitigen Fel- Wiederherstellung gesunder wirtschaftlicher auf Dauer mit Stacheldraht und Wachen der bewirtschaften. In den folgenden Jahren Verhältnisse in der Welt zu fördern, ohne abzusondern. Der Warenverkehr unterlag wurden weitere Grenzsicherungsanlagen - die es keine politische Stabilität und keinen nun der Genehmigungspflicht. Noch hatte Stacheldrahtzäune und -hindernisse, Spani- sicheren Frieden geben kann.“ 16 westeuro- die Grenze aber viele Schlupflöcher. Der sche Reiter usw. - errichtet, um den Flücht- päische Staaten nahmen das Angebot an und Schmuggel, im Volksmund „Schwärzen“ lingsstrom nach „Westen“ aufzuhalten. Der baten verteilt auf vier Jahre um rund 20 Mil- genannt, erlebte in jenen Jahren im Grabfeld, sog. Eiserne Vorhang entstand. Zwischen liarden Dollar Unterstützung. der Rhön und den Haßbergen erneut einen 1946 und 1952 flüchteten allein aus Thürin- Höhepunkt. Es wurden insbesondere ame- gen nach Unterfranken etwa 3000 Personen. rikanische Zigaretten und Seife, Schoko- Einig waren sich die Entscheidungsträger im Der „Eiserne Vorhang“ senkte sich lade, Zucker, Eier, Mohn, Ersatzteile für Grabfeld in der Forderung, dass dem Kreis Noch während des Zweiten Weltkriegs Maschine, Medikamente, Kakao, Konser- und der Stadt Königshofen allmählich wie- beschlossen die alliierten Kriegsgegner Hit- vendosen und „alliiertes Geld“ geschwärzt. der zu seiner früheren Bedeutung verholfen lers - Großbritannien, die USA und die Sow- Unmittelbar an der Demarkationslinie wur- werden müsse, insbesondere wegen seiner jetunion - am 12.9.1944 im „Londoner Pro- den in der Sowjetzone die ersten Wald- neuen Eigenschaft als Zonengrenzland, auf tokoll“ über die künftigen Besatzungszonen schneisen zur Sichtverbesserung geschlagen. die man gerne verzichtet hätte. Es müsse Deutschlands: „Deutschland wird inner- gemeinsames Bestreben halb seiner Grenzen nach dem Stande vom sein, wieder eine Visiten- 31.12.1937 für Besatzungszwecke in drei karte Bayerns zu werden. Zonen aufgeteilt, von denen jeweils eine jeder der drei Mächte zugewiesen wird ...“ Eine zusätzliche französische Besatzungs- zone wurde auf der Konferenz von Jalta Denkschrift im Februar 1945 durch Ausgliederung von von 1950 Gebieten aus den westlichen Besatzungszo- In einer 1950 vom Land- nen vereinbart. ratsamt Königshofen er- Nach der bedingungslosen Kapitulation der stellten „Denkschrift über deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 tra- die Lage im Landkreis ten diese Vereinbarungen in Kraft. Vorge- Königshofen“ wurde ein- sehen waren die Zonengrenzen damals noch gangs bedauert, dass hier als reine Verwaltungsgrenzen. Der Verlauf auf dem Gebiet des Woh- der Demarkationslinie (DL) zwischen der nungsbaus nicht ein- amerikanischen und der sowjetischen Besat- Sie bestimmten das Leben im Königshöfer Grabfeld in der mal in der „… baulusti- zungszone deckte sich mit der bayerisch/ Nachkriegszeit – Offiziere der US-Militärregierung, die in der gen Zeit des 3. Reiches“ thüringischen Landesgrenze, auf die sich am sog. Winkelmann-Villa in der Bamberger Straße einquartiert Wesentliches geschehen 1.7.1945 die Truppen der westlichen Alli- waren. sei, obwohl ein Bedürfnis Nr. 28 · November 2020 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­5 zweifellos vorhanden war. Vielmehr habe man den Landkreis Königshofen seit 1900 mehr und mehr dezimiert. So wurde 1900 der Amtsgerichtsbezirk Hofheim vom Bezirk- samtsbereich Königshofen abgetrennt. 1931 erfolgte die Wegverlegung des Finanzamts. Diese Entwicklung habe 1948 in der Auf- lösung des Gerichtsgefängnisses in Königs- hofen ihre Fortsetzung gefunden. Und auch für das Landratsamt wurde kein angemesse- nes und zweckmäßiges Gebäude geschaffen, es musste vielmehr in einem alten, ehemals fürstbischöflichen Gebäude (der ehemali- gen fürstbischöflichen Kellerei) Unterkunft suchen, das altmodisch, zum Teil feucht und aus diesem Grunde im Winter teilweise nicht mehr benutzbar war. Einzige Ausnahme dieser Abwärtsentwicklung stellte der 1925 erfolgte Neubau einer Landwirtschaftsschule dar. Selbst für das Amtsgericht in Königshofen wurde kein eigenes Gebäude errichtet, es musste vielmehr als Mieter im städtischen Rathaus arbeiten. Die Rechtspflege im Land- kreis Königshofen konnte ab 1. November Der Marktplatz von Königshofen Ende der 1940er Jahre vom Turm der kath. Stadtpfarrkirche 1945 durch die Vereidigung des Landge- aus fotografiert. richtsrats Dr. Guntram Fischer aus Düssel- dorf durch die Militärregierung wieder auf- vollständigung und Modernisierung des Feu- Die landwirtschaftliche Nutzfläche des genommen werden. Unter ihm wurde in der erlöschwesens erforderlich. Auf Kreisebene Landkreises Königshofen i. Gr. betrug um 1. Etage des Rathauses von Königshofen ein wurde ein modernes Feuerwehrlöschfahr- 1950 rund 19.200 ha. Aufgeteilt war diese in Gericht eingerichtet. Wenn damals jemand zeug angeschafft. folgende Besitzgrößen: im Grabfeld sagte, er muss die „hoch Stiegn Bemühungen nach dem Krieg gewerbli- Bis 3 ha 456 Betriebe, nauf!“, wusste man, er hatte einen Gerichts- che Betriebe in den Kreis zu ziehen, waren 3 - 5 ha 448, termin, denn zum Amtsgericht führte die durchweg zum Scheitern verurteilt. Es fehlte 5 – 10 ha 1018, hohe Treppe am Rathaus. an den erforderlichen Räumlichkeiten und 10 - 15 ha 394, Die Eisenbahnstrecke von Bad Neustadt es bestand vor der Währungsreform am 20. 15-10 ha 45 nach Königshofen wurde im November 1945 Juni 1948 wegen Baustoffmangels auch und über 50 ha Fläche bewirtschafteten wieder in Betrieb genommen. Bis dahin keine Möglichkeiten Neubauten zu schaf- 14 Betriebe. war der Kreis von jeder Eisenbahnverbin- fen, zumal die verkehrsungünstige Lage des Die durchschnittliche Betriebsgröße betrug dung abgeschnitten. Die Wiederaufnahme Grabfelds als Betriebsstandort abschreckte. 7,5 ha. Mit Ausnahme der Gemeinden Serr- des Verkehrs auf dieser Strecke erfolgte Eine Reihe der Landkreisgemeinden wagten feld und Schwanhausen herrschte in sämt- zunächst täglich nur mit einem Zug in jeder sich in den Nachkriegsjahren mit äußerster lichen Gemeinden die Sitte der Erbteilung. Richtung. Erst im Dezember 1945 wurde ein Energie an Aufbauarbeiten, insbesondere Dieses Realerbteilungsrecht bedeutete, dass zweiter Zug in den Fahrplan aufgenommen. auf dem Gebiet der jahrzehntelang vernach- der Besitz einer Familie, insbesondere der Mitte 1946 verkehrten bereits vier Züge nach lässigten Wasserversorgung. Andere befass- Landbesitz (früher als Realitäten bezeich- Bad Neustadt und zurück. Lange Zeit hin- ten sich energisch mit der Durchführung von net), unter den Erbberechtigten gleich auf- durch war der Eisenbahnverkehr jedoch ver- bereits vor dem Krieg geplanter Flurberei- geteilt wurde. Diese Aufteilung fand bei hältnismäßig unzuverlässig, weil die Loko- nigungs- und Wasserregulierungsarbeiten jedem Erbgang statt, so dass die Parzellen motive stark überaltert war, was zu häufigen oder nahmen Flurbereinigungsprojekte neu stetig kleiner wurden. Infolge dieser maßlo- Ausfällen führte. auf, um auf diese Weise die Ertragskraft der sen Aufsplitterung des Grundbesitzes durch Seit Kriegsende versuchten also die Verant- Landwirtschaft zu stärken. generationenlange Erbteilungen war die wortlichen des Landkreises mit allen Mitteln Alle Bemühungen erlitten aber durch die Ertragsfähigkeit stark beeinträchtigt. dieser Rückwärtsentwicklung zu begegnen. besonders katastrophalen Dürrejahre 1947 Eine Flurbereinigung war also dringend Schon ab November 1945 konnte wieder ein und 1949 mit ihren für die finanzielle Kraft notwendig. Das erste Flurbereinigungsun- geregelter Volksschulbetrieb aufgenommen des Kreises kaum erreichbaren Ernteausfäl- ternehmen war schon 1898 in Königshofen werden und im gleichen Winter wurde die len schwere Rückschläge, die das Grabfeld auf einer Teilfläche von 192 ha durchgeführt Landwirtschaftsschule Königshofen als erste unbestreitbar schwerer trafen, als die meisten worden. Unmittelbar vor dem Ersten Welt- in Unterfranken wieder eröffnet. übrigen Gegenden Bayerns. krieg wurden dann in Königshofen weitere Im Frühjahr 1946 wurde im Interesse der ein- 1053 ha bereinigt. Da damals der Grad der heimischen Bauern ein eigenes Ernährungs- Zusammenlegung noch verhältnismäßig amt A in Königshofen geschaffen und so Die Lage der Landwirtschaft gering war und durch nachfolgende Tei- konnten die damals noch häufig erforderli- In dem Bericht über die wirtschaftliche Situ- lungen erneut eine Zersplitterung erfolgte, chen Fahrten nach Bad Kissingen, zu dessen ation von 1950 heißt es, merkwürdigerweise begann im Herbst 1953 in der Kreisstadt eine „Ernährungsbereich“ Königshofen damals stehe das Grabfeld im Rufe eines fruchtba- weitere Flurbereinigung. gehörte, entfallen. Im selben Jahr wurde im ren Gebietes, obwohl es im Allgemeinen In den Königshöfer Landgemeinden wurden verkehrsmäßig wenig erschlossenen Kreis schwere tonige Böden habe und ein großer ab 1950 verstärkt Flurbereinigungen durch- Königshofen ein Omnibuslinienverkehr und Teil des Kreises zudem reine Gips-Keuper- geführt, so u. a. ab 1950 in Großeibstadt, im darauffolgenden Jahr für die Schüler des böden aufweise. Es wurde konstatiert: „Es , Merkershausen, Breitensee und 1947 gegründeten Progymnasiums sowie kann mit Fug und Recht gesagt werden, dass Aub, ab 1951 in Obereßfeld, ab 1952 in der Landwirtschaftsschule ein kreiseigener die weitverbreitete Vorstellung vom Grabfeld Wülfershausen, Sternberg und Alsleben, ab Schüleromnibusverkehr eingerichtet. als einem besonders fruchtbaren Gebiet lei- 1954 in Herbstadt, Ottelmannshausen, Ipt- Die völlig unzulänglichen Feuerlöschver- der ein Vorurteil ist, das in den tatsächlichen hausen, Untereßfeld und Sulzdorf a.d.L., ab hältnisse machten im Jahre 1948 eine Ver- Verhältnissen keine Stütze findet.“ 1958 in Eyershausen und Zimmerau usw. Seite ­­6 Das Grabfeld Nr. 28 · November 2020

Die letzten Bereinigungen im Grabfeld Zimmerau (379 m), Sternberg (366 m) und 1.022 mm auf. Nach Angaben von Hilmar wurde Anfang der 1960er Jahre in Schwan- Leinach (357 m) der Ertragswert der Felder Mauer von der Wetterstation Merkershausen hausen und Serrfeld vorgenommen. Bereits am geringsten ist. In den fruchtbaren Gefil- lag der Wert im Grabfeld zwischen 1931 und 1948 war in Irmelshausen mit der Flurberei- den im Grabfeld um Königshofen liege der 1960 bei 578 mm, zwischen 1961 und 1990 nigung begonnen worden, da diese schon vor Ertragswert doppelt bis dreimal so hoch. bei 633 mm und von 1991-2020 bei 562 dem Krieg in die Wege geleitet worden war. Darüber hinaus ist das Grabfeld seit jeher mm. Dürrejahre gefährdeten und gefährden Der Ertragswert der Felder im Grabfeld war ein besonders niederschlagsarmes Gebiet. die Grundwasserverhältnisse und damit die und ist höchst unterschiedlich. So betrug die- Es liegt im Regenschatten der umliegenden gesamte Wasserversorgung erheblich. Die ser in den 1950er Jahren in Königshofen und Gebirgszüge Rhön, Haßberge und Thürin- klimatische Lage wird im Grabfeld beein- Aubstadt je Hektar 1575 DM. Am Ende der ger Wald. Das Zentralamt des Deutschen flusst durch beständige und raue Rhönwinde, Tabelle lagen Alsleben und Sternberg mit Wetterdienstes in Bad Kissingen rechnete häufige Nachtfröste, besonders in den tiefe- 600 DM, Zimmerau mit 525 und Leinach mit damals schon das Grabfeld zu den trockens- ren Lagen in normalerweise frostfreien Jah- 450 DM. Bereits Anfang der 1930er Jahre ten Gebieten Bayerns. Im vierzigjährigen reszeiten. Die eigentliche Vegetationszeit ist war eine Untersuchung über die Bodenver- Durchschnitt (1891 - 1930) wies es eine Jah- verhältnismäßig kurz. hältnisse im Grabfeld vorgenommen und resdurchschnittsniederschlagsmenge von Dazu gesellten sich in der Nachkriegszeit festgestellt worden, dass in den drei höchst- 546 mm je qm gegenüber dem entsprechen- ungewöhnlich starke Wildschäden. Nach liegenden Orten im Königshöfer Grabfeld, in den bayerischen Landesdurchschnitt von dem Zweiten Weltkrieg verboten die Sieger- mächte allen Deutschen die Jagd und ließen sämtliche auffindbaren Schusswaffen einzie- hen. Zu Beginn der Nachkriegszeit war das Das Lied vom Grabfeldgau Jagen allein den Besatzungssoldaten gestat- tet. Im Nachlass des ehemaligen Kleinbardorfer Lehrers Heinrich Schleelein, den sein Ist das Grabfeld seiner geringen Nieder- Sohn Erich z. V. stellte befand sich auf einem vergilbten Blatt ein 1950 von Dr. Mar- schläge wegen schon in normalen Zeiten ein tin (Eyershausen) und Lehrer Zehe (Kleineibstadt) komponiertes bzw. getextetes „Lied unzulängliches Grünfuttergebiet, so nahm vom Grabfeldgau“, das schon lange in Vergessenheit geraten war. Engelbert Brüger naturgemäß die Futternot in den Dürrejahren aus Bad Königshofen fertigte den nachfolgenden Computersatz. 1947/48 ein katastrophales Ausmaß an. Das „Strüpfen“ der Baumzweige im Wald und Kartoffelkrautverfütterung waren in jenen Notjahren gang und gäbe. Starker Krank- heitsbefall und langes Trockenstehen des Rindviehs leerten über das ohnehin unab- wendbar gewordene Abstoßen des Rindvieh- bestandes hinaus die Ställe. Absatzmäßig unangenehm bemerkbar machte sich erstmals nach dem Krieg im Herbst 1949 der durch die Zonengrenze vorgeschobene Riegel zu den thüringischen Bedarfsgebieten für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Laut dem Bericht von 1950 wussten die Bauern angeblich nicht, wo sie mit der damaligen Kartoffelschwemme hin sollten, während „kartoffelhungrige Thü- ringer“ in Scharen über die grüne Grenze kamen. In der Denkschrift wurde, die Befürchtung geäußert, dass die alten wirtschaftlichen Verbindungen zu den benachbarten thüringi- schen Industriestädten abbrechen, was dann auch eintrat.

Die Lage der Heimatvertriebenen Im Bericht des Landratsamtes Königshofen von 1950 wird festgestellt: „1945 ist das Grabfeld schließlich ein mit Heimatvertrie- benen besonders stark überbesetzter Grenz- landkreis geworden und vom benachbarten, für das Grabfeld wirtschaftlich unentbehrli- chen Thüringen restlos abgeschnitten.“ Ein Bittschreiben der Stadt Königshofen vom 15.9.1945 ergänzt: „Durch Flüchtlinge aus dem Osten (unsere Stadt ist durch die Grenz- ziehung Grenzstadt geworden) und Evaku- ierten aus dem Westen, in der Hauptsache Düsseldorfer, hat sich die Einwohnerzahl unserer Stadt fast verdoppelt, hinzu kommt eine überstarke Belegung mit amerikani- schen Truppen.“ An der Bevölkerung der deutschen Ostge- biete und den Auslandsdeutschen entlud sich Computersatz nach dem Original / Engelbert Brüger 10.07.2020 19. Februar 1950 der Hass der von den nationalsozialistischen Machthabern und ihre Unterstützern Unter- Nr. 28 · November 2020 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­7 drückten. Sie wurden nun deportiert, vertrie- 0,92 % aller Heimatvertriebenen konnten Wichtigste Baustoffe mussten bei ungüns- ben, vergewaltigt, erschlagen. Ihr Leid war sich bis zu diesem Zeitpunkt beruflich selb- tigen Verkehrsverhältnissen von weit heran vielfach nicht minder groß, die Zahl ihrer ständig machen. Aus einer Anfang 1949 geholt werden. Das galt für Bausteine, Zie- Opfer erschreckend hoch: 12 Millionen wur- erstellten Aufstellung geht hervor, dass von gel ebenso wie für Sand und Zement. Sand, den vertrieben, etwa 2,5 Millionen starben den 20.2999 zählenden Einwohnern des der beispielsweise in Schweinfurt je cbm auf oder sind vermisst. Landkreises Königshofen 5.093 Flüchtlinge 4 DM kam, kostete in Königshofen 20 DM. Die Flüchtlinge und Heimatvertriebenen hat- und Heimatvertriebene waren. Keine Rentabilitätsberechnung konnte auch ten meist nur ihr Leben und eine spärliche Die Verhältnisse seien im Grenzkreis nur eine einigermaßen erträgliche Miete für Habe gerettet. Unterernährt, verängstigt, in Königshofen, der bei 2.523 land- und forst- solche Neubauten ermitteln. Angesichts der- Trauer über tote Verwandte und Freunde wirtschaftlichen Betrieben, abgesehen vom artiger Verhältnisse konnten dem dringend oder im Ungewissen über deren Schicksal, Kleinhandwerk und Kleinhandel, nur zwei erforderlichen Wohnungsbau nur mit außer- fanden sie als entwurzelte Vertriebene kärg- Industriebetriebe aufwies, besonders ungüns- ordentlichen, den Kostenunterschied mit lichen Unterschlupf in Notquartieren. In tig. 18 % der Gesamtbevölkerung, dabei die anderen Gegenden ausgleichenden Zuschüs- der neuen Umgebung sprach man zwar ihre Familienangehörigen der Arbeitslosen nicht sen nachgeholfen werden. Sprache, doch sie waren Fremde - und Kon- mitgezählt, erhielten Unterstützungen aus kurrenten im Kampf ums Überleben. öffentlichen Mitteln. Diesen standen nur Rund 12 Millionen Menschen aus den ehe- 15 % gegen Lohn und Gehalt Beschäftige Wasserversorgung war damals mals deutschen Ostgebieten strömten ab gegenüber. Zu allem Überfluss wären rund schon ein sehr ernstes Problem 1945 in die vier Besatzungszonen. Acht Mil- 40 % der Flüchtlinge und Heimatvertriebe- Schon vor dem Zweiten Weltkrieg wurden lionen von ihnen kamen bis 1950 in die neu- nen des Kreisgebietes in der Industrie nicht Beschwerden über die unhaltbare Wasser- gegründete Bundesrepublik, etwa vier Milli- einsatzfähig, weil sie verkehrsungünstig versorgung im Grabfeld immer lauter. Bemü- onen in deren Pendant DDR, aus dem rund untergebracht waren. hungen mit dem Ziel, die trostlose Lage des eine Million später Richtung Westen weiter- Dabei dürfe nicht übersehen werden, dass Grabfelds durch Einbeziehung des Kreisge- zogen. Zwölf Millionen zusätzlich in einem früher 272 Kleinlandwirte aus dem Land- biets in die Gruppenwasserversorgung des Land, das der von ihm angezettelte Krieg in kreis Königshofen in Thüringen zusätzlich thüringischen Landkreises Hildburghausen die Katastrophe gestürzt hatte. ein auskömmliches Einkommen fanden. zu beheben, scheiterten infolge des Krieges Gertrud Beidlich hielt in einem Beitrag Ihnen war jetzt diese Arbeitsmöglichkeit und seiner Folgen. für einen vom Bildungswerk der Stadt genommen. Nicht erfasst seien zudem die Während des Zweiten Weltkriegs häuften Königshofen ausgeschriebenen Wettbewerb nachgeborenen Söhne und Töchter, die in sich die Schwierigkeiten mehr und mehr, da 1947 fest: „Reichlich ein Jahr ist über unsere der Landwirtschaft keine Zukunft sähen. durch die Evakuierung städtischer Bevöl- Flucht aus dem Sudetenland vergangen. Wir Als Problemlösung wurde die Schaffung von kerung aus dem Westen des Landes in den schreiben heute den 27. September 1947: Industriebetrieben, die möglichst ihre Roh- Landkreis Königshofen das wenige Wasser Zug um Zug mit Ausgewiesenen ist nach dem stoffe in landwirtschaftlichen Erzeugnissen nicht mehr ausreichte. Die Versorgung wurde unseren noch ins Grabfeld gekommen. Tau- und Holz aus der Umgebung beziehen könn- immer prekärer, nachdem sich die Bevölke- sende von heimatlos gewordenen Menschen ten, sowie von solchen Betrieben, die ihre rungszahl nach 1945 durch die Aufnahme der fanden hier Unterkommen, Arbeit, eine benötigten Rohstoffe verhältnismäßig leicht Heimatvertriebenen erheblich vermehrte. Die zweite Heimat. Ich schreibe zweite Heimat, in das Kreisgebiet verbringen könnten, gese- beiden trockenen Jahre 1947 und 1949 taten weil ich es so empfinde. Mag unaufhörlich hen. Als Notstandsmaßnahmen kämen ferner ein Übriges. Die Wasserversorgung wurde das Heimweh nach Verlorenem uns quälen der Ausbau von Verbindungswegen und der immer katastrophaler und bereits zu Beginn und der Gedanke, dass das andere, größere, Bau von Kanalisations- und Wasserversor- der 1950er Jahre waren mehr als 63 % aller schönere und vor allem eigene Heim noch gungsanlagen in Betracht. Zu bedenken gelte Kreisgemeinden ohne ausreichende Was- da ist, uns empören. Wie geborgen wir uns weiter, dass die arbeitsfähige Bevölkerung serversorgung. Bei 27 % reichte die Lösch- augenblicklich hier fühlen, empfindet man, im Alter von 20 bis 65 Jahren im Grabfeld wassermenge nicht und 54 % aller Gemein- wenn man etwa von einer mehrtägigen Reise gegenüber 1939 um 65 % stieg, während die den hatten lediglich gesundheitsschädliches zurückkehrt, Dörfchen und Kirchtürme des gleichen Zahlen für Bayern und Unterfran- Gipswasser. Für einige Gemeinden bedeutete Grabfeldes wieder auftauchen sieht und ken nur 10,7 % bzw. 23,5 % aufzeigen. ein Brand unter diesen untragbaren Umstän- schließlich in einem kleinen Stübchen der im Ein außerordentlich ernstes Problem stellte den evtl. die Vernichtung des ganzen Dor- fränkischen Stil erbauten Bauernhäuschen natürlich die Wohnraumfrage im Kreisgebiet fes. Um z.B. für die Gemeinde Aubstadt im eintritt, und sagen kann: ‚Hier bin ich vor- dar. Hier mache sich der Mangel an Bauma- Ernstfall das Löschwasser heranzubringen, läufig - daheim!‘“ terial außerordentlich hemmend bemerkbar. musste bei einer Übung unter Heranziehung Überbelegt waren fast allerorten die Unter- künfte der Flüchtlinge. Es wurden Wohn- räume angetroffen, in denen dem Familien- mitglied nicht einmal der durchschnittliche Mindestwohnraum zur Verfügung stand. Das Wohnen, Kochen, Schlafen, Essen und die Arbeit für den Lebensunterhalt mussten in einem Zimmer absolviert werden. Man- chem stand nicht einmal ein Wohnraum von 5 qm zu Verfügung. Weiter ist in der Denkschrift von 1950 ver- merkt, dass es ohne weiteres verständlich sei, dass ein Grenzkreis wie Königshofen in besonders starkem Maße einem laufen- den Zustrom von Flüchtlingen ausgesetzt wäre. Dennoch könne man nicht verstehen, dass die Verteilung im Grabfeld zu „stärks- ter Überbelegung“ geführt habe. Während in Bayern der Anteil der Flüchtlinge an der Gesamtbevölkerung 20,5 %, in Unterfran- ken 15,6 % betrug, stieg er im Landkreis Königshofen auf 23,6 %, die Evakuierten Begutachtung der Brunnen im Grabfeld in den 1950er Jahren durch das Gesundheitsamt eingerechnet sogar auf 30,7 %. Nur ganze Königshofen. Das Foto entstand in Herbstadt. Seite ­­8 Das Grabfeld Nr. 28 · November 2020 der Berufsfeuerwehr Schweinfurt das Was- auf dem Wege über eine derartige größere richt bzw. Wechselunterricht durchführen, ser durch eine über 3 km lange Schlauchlei- Gruppenwasserversorgung die Wasserka- waren also einklassige Volksschulen. tung herangeholt werden! Das Wasser zum lamität des Grabfeldes zu beheben sei. Die Zu allem Überfluss wären 50 % der meist Tränken des Viehs musste teilweise kilome- Pläne kamen jedoch nicht zur Ausführung. auf ein ehrwürdiges Alter zurückblicken- terweit mit Jauchefässern herangeführt wer- den Schulhäuser reparaturbedürftig, wurde den. Und auch das Gesundheitsamt bean- festgestellt. Besonders mangelhaft waren standete wiederholt die Wasserverhältnisse Die Schulraumnot die sanitären Anlagen. Doch es fehlte allen in zahlreichen Gemeinden des Landkrei- im Landkreis Königshofen Gemeinden an den erforderlichen Mitteln, ses. Gesundheitlich nachteilige Auswirkun- Mit dem totalen Zusammenbruch war die um Abhilfe zu schaffen. gen des schlechten Wassers für Mensch und Volksschule wieder in die kommunale Ver- Ausgerechnet in der schweren Nachkriegs- Vieh waren bereits in den letzten Jahren auf- antwortung zurückgegeben worden. Damit zeit gelang 1947 die Gründung eines Pro- getreten. war eine schicksalhafte Notzeit angebro- gymnasiums in Königshofen. Ein Wag- Das Landesamt für Wasserversorgung ent- chen, aber auch ein neuer Beginn möglich nis unter den obwaltenden Umständen, sandte in jener Zeit einen Geologen ins geworden. 46 Lehrkräfte waren dienstentho- dem allerdings die Geneigtheit des mit Grabfeld, dessen Aufgabe es war, ein Projekt ben oder entlassen. Für 3100 Schulpflichtige Königshofen verbundenen Ministerialbe- für eine Gruppenwasserversorgung auszuar- standen 7 Ersatzlehrkräfte mit ordentlicher auftragten zugutekam, schreibt Josef Sperl beiten. Ziel war es, auf Zweckverbandsebene Prüfung und 24 ohne Lehramtsprüfungen in seiner Stadtchronik. Mit drei Lehrkräften 16 Gemeinden des Kreises durch eine Ring- zur Verfügung. In 9 Schulen mit 11 Klassen fing man ohne Schulgebäude, ja selbst ohne leitung zusammenzuschließen. Die Haupt- konnte der normale Schulbetrieb anlaufen, Bücher und Hefte an. Ein privater Schulver- aufgabe bestand darin, ganz im Westen des während in 22 Schulen mit 60 Klassen nur ein war zunächst Träger dieser Anstalt, die Landkreises vorhandenes brauchbares Quell- ein etwa dreistündiger Abteilungsunterricht Schülereltern mussten mit Schulgeld das wasser in die östlichen Teile des Kreises zu erteilt werden konnte. Unternehmen geldlich absichern. Schüler bringen, in dem es nur Gipswasser mit Här- 1950 fehlten im Kreisgebiet Königshofen waren Einheimische, Heimatvertriebene und tegraden von 60 bis 100 Grad gab. Die Kos- immer noch 13 Schulsäle, das sind 20 % Auswärtige. Für die Letztgenannten richtete ten des Gruppenwasserprojektes waren vom der notwendigen Schulräume. Für die land- man in der ehemaligen alten Volksschule Landesamt für Wasserversorgung auf rund wirtschaftlichen und gewerblichen Berufs- auf dem Kirchplatz ein katholisches Schü- 2,5 Millionen DM einschließlich der Orts- schulen war überhaupt kein Schulraum vor- lerheim „Ferdinandeum“ und in der Fron- netze und Hausanschlüsse veranschlagt. handen. Lediglich zwei Schulküchen waren feste ein evangelisches Schülerheim ein. Der Finanzierungsplan sah außer Hand- notdürftig eingerichtet und nur 50 % der Der Unterricht fand seit 1948 in einer not- und Spanndiensten im Wert von 350.000 Mädchen konnten im Kochunterricht ausge- dürftig ausgebauten Baracke des ehemaligen DM eine Eigenkapitalaufbringung von ca. bildet werden. Werkräume für Knaben waren Reichsarbeitsdienstes statt. 400.000 DM vor, die auf die anzuschließen- überhaupt nicht vorhanden. In der Gemeinde den Anwesen umzulegen wären, wobei unter Großbardorf stand für 200 Schulkinder nur der Voraussetzung einer restlosen Beteili- ein einziger Schulraum zur Verfügung (im Leistungsschau gung der in Betracht kommenden Gemein- Juni 1951 wurde hier der Grundstein für ein „Schaffendes Grabfeld“ den auf das einzelne Anwesen ein Betrag neues Schulhaus gelegt) und in Königshofen Dass es wieder aufwärts ging, unterstrich von 250 DM entfiele – „Ein bei den augen- stand für die aus sieben Klassen bestehende bereits eine im Sommer 1949 maßgeblich blicklichen Verhältnissen zweifellos bedenk- gewerbliche Berufsschule ebenfalls nur von Paul Brucker initiierte Leistungsschau lich hoher Betrag!“ heißt es weiter. ein Schulsaal ohne Schulküche und Werk- „Schaffendes Grabfeld“ in Königshofen. In Das Landesamt für Wasserversorgung stellt raum zur Verfügung. 20 % aller Schulen des einem Vorbericht berichtete die Tageszei- in seinem Gutachten ausdrücklich fest, dass Kreisgebiets mussten noch Abteilungsunter- tung „Der Volkswille“ am 24.6.1949: „In den Jahren bis zum Ende des Zweiten Welt- krieges stand der Grabfeldgau in regem wirtschaftlichem Austausch mit dem benach- barten Thüringen. Die Wald- und Industrie- gebiete des Berglandes fanden im Grabfeld ein fruchtbares Hinterland, und bildeten einen bevorzugten Absatzmarkt, nament- lich für die landwirtschaftlichen Produkte. Einen tiefen Schnitt in die gesamte wirt- schaftliche Struktur des Grabfeldes bildete die Errichtung der Zonengrenze mit den Folgen der Sperrung der Grenze. Damit ver- lor das Grabfeld sein wichtiges Absatzgebiet für seine Erzeugnisse. Unter politischer und wirtschaftlicher Belastung mussten sich in der Nachkriegszeit Industrie und Wirtschaft umstellen und neue Absatzgebiete suchen. Durch die Tragödie der Deutschen-Auswei- sungen war für das Grabfeld das Problem der Unterbringung von 7000 Heimatvertrie- benen zu lösen. An sich ist das Grabfeld ein reines ange- stammtes Bauernland. Doch birgt es ver- Der erste Kreistag des Landkreises Königshofen 1947 vor der ehemaligen Reichsarbeits- schiedene Industrieunternehmen, die weit dienstbaracke mit vorne v. l. Heinrich Kempf (Ipthausen), Kilian Weigand, Bruno Blaschka über die Grenzen des Grabfelds hinaus (beide Königshofen), Landrat Heinrich Gundelach, Gottfried Glückstein (Saal), Erich Spruch, bekannt sind und einen guten Ruf genießen. Gustav Kirschbaum (beide Königshofen) sowie Rudolf Nack (Höchheim). In der Mitte v. l. In Königshofen sind besonders zu benennen Alois Reder (Kleineibstadt), Oskar Barthelmes (Irmelshausen), Josef Bittner (Saal), Alois die bekannten Brauereien und Malzfabriken Ziegler (Großbardorf), Karl Weber, Otto Heintz und Anton Gernert (alle Königshofen). Oben Schlundhalle und Kneuer, die Weinkellerei stehen Kaspar Lurz (Königshofen), Pfarrer Franz Hegmann (Wülfershausen), Kilian Seufert Hübner, die Zentralmolkerei und Käsefab- (Wülfershausen) und August Kern (Rothausen). Im Hintergrund sitzt die Sekretärin des Land- rik Gebr. Krämer, die Fabrikation von Bau- rats, Berta Hartmann. artikeln für Hochbau und Tiefbau der Fa. Nr. 28 · November 2020 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­9

Valentin Trott, das orthopädische Schuh- Leistungsschau vor die Öffentlichkeit tritt, so durch Stadtinspektor Kurt Zühlke initiierte haus Brünner, die Ziegelei Gernert, Hand- ist das ein Beweis, dass ein an Schwierigkei- Städtepartnerschaft Königshofens mit der weberei Höhne, Chem. Fabrik „“ ten gewohntes Volk im Grabfeld wurzelt. Die texanischen Stadt Arlington. Eine unge- Martin Reinhardt, Strumpf- und Wäschefa- Ausstellung wird Zeugnis ablegen, wie sich wöhnliche Hilfswelle aus dem fernen Ame- brikation Rohde, Tabakveredelung Hönings, die Erzeugnisse der schon früher ansässigen rika rollte an und brachte den Menschen die Drahtfabrik Bassing und Waffelfabrik Edu- Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft in dringend notwendige Hilfe. Große Lastwa- ard König. In liegt das Verbindung mit der beruflichen Zusammen- gen mit viel Grün und Girlanden geschmückt bekannte Werk für Mühlenbau-Spezialgeräte setzung der Neubürger behauptet haben und sowie mit dem Plakat „Arlington-Gift Wel- Gebr. Nenninger, die Fabrik für Bienenbau- welche neuen Existenzgrundlagen geschaf- comed at Königshofen“ versehen, rollten geräte von Gustav Nenninger. Die Tabakfa- fen wurden. an. Unmengen von Hilfsgütern, Kleidern, brik „Frankengold“ von Max Umhöfer und Über diesen Rahmen hinaus soll die Aus- Lebensmitteln und sonstigen dringend not- die Blechverarbeitungsbetrieb von Adam stellung bezwecken, auf die schweren wirt- wendigen Gütern wurden über den großen Hofmann. schaftlichen Sorgen und Nöte des Grabfelds Teich geschickt. In Großbardorf ist die Fa. Hahn und Schulz innerhalb und außerhalb des Kreises hin- Ja und dann setzten die sog. Wirtschafts- durch Herstellung medizinischer und Elek- zuweisen. Entscheidend für die Gesamtbe- wunderjahre der 1950er und 1960er Jahre trogeräte bekannt geworden. In urteilung eines Kreisgebietes ist neben der ein. Wirtschaftswunder ist ein Schlagwort lebt das vor Jahren erschlossene Gipswerk wirtschaftlichen Entwicklung das kulturelle zur Beschreibung des unerwartet schnellen des Herrn von Hartmann wieder auf. Meh- Leben. Die Kreisstadt verfügt seit zwei Jah- und nachhaltigen Wirtschaftswachstums in rere Brauereien und Mälzereien befinden ren über ein in der Nachkriegszeit errich- der Bundesrepublik Deutschland nach dem sich in Waltershausen und Kleineibstadt. tetes Progymnasium mit katholischem und Zweiten Weltkrieg. Das Wirtschaftswunder Außer diesen Industrien sind in Königshofen, evangelischem Schülerheim. Eine Land- verlieh den Deutschen nach den Schrecken Saal und verschiedenen anderen größeren wirtschaftsschule mit ihrem Wintersemester des Zweiten Weltkrieges und dem Elend Gemeinden Fach-, Spezial- und sonstige für Landwirtschaftsschüler und Hauswirt- der unmittelbaren Nachkriegszeit ein neues Geschäfte, ferner 22 in Betrieb befindli- schaftsschülerinnen sorgt für die Ausbildung Selbstbewusstsein. che Mühlen vorhanden, die den Bedarf der des bäuerlichen Nachwuchses. Das Volks- Literatur und Quellen: Unterlagen im Stadtarchiv Landwirtschaft, Handwerksbetriebe und der bildungswerk Königshofen gewährleistet in Bad Königshofen und den Gemeindearchiven; Josef Grabfeldbewohner gerecht werden. Winterabendkursen die kulturelle Betreuung, Sperl: Stadt und Festung Königshofen im Grabfeld, Wenn das Grabfeld am kommenden Sonntag fachliche und wissenschaftliche Fortbildung Bad Königshofen 1974; Reinhold Albert: Kriegsende 1945 und Nachkriegszeit im Königshöfer Grabfeld, bereits nach vier Jahren des Vernichtungs- der Bevölkerung.“ Kleineibstadt 1995; Herzlichen Dank Stadtarchivar Rai- krieges und trotz Währungsreform mit einer In jenen Jahren begann übrigens auch die ner Knies für das Überlassen von Archivmaterial.

Interessengemeinschaft für Denkmalpflege Herbstadt Clemens Behr ➢ Prozessionsbildstock 14 Heiligen neu mit Sanierung der Stütz mauer an der Eyershäuser Straße Vor 25 Jahren nahm die Interessengemeinschaft ihre Arbeit auf. ➢ Prozessionsbildstock St. Wendelin neu Am Lindenbaum Am 6. Dezember 1995 gab es mit Frau Dr. Annette Faber vom ➢ XI. Kreuzwegstation im Kirchhof Restaurierung und Neuaufbau Landesamt für Denkmalpflege den ersten Ortstermin am „Hohen ➢ „Hohes Kreuz“ – Corpus Restaurierung und neuer Kreuzstamm Kreuz“ wegen der dringend notwendigen Renovierung des Pro- 1997 zessionsbildstockes aus Sandstein. Mit dem „Hohen Kreuz“ wird ➢ „Hohes Kreuz“ – Corpus Restaurierung und neuer Kreuzstamm die Interessengemeinschaft, nach jahrzehnterlanger, erfolgreicher 2012 Arbeit, ihr Engagement beenden. ➢ Wegkreuz Straße Herbstadt-Brei- Die letzte denkmalpflegerische Auf- tensee – Restaurierung Corpus und gabe wird der Kauf eines Christus- Kreuzstamm Corpus sein. Eine Restaurierung war ➢ Strahlenkreuz – Bildstock Restaurie- vorgesehen, doch nach Entfernung der rung an der Straße Herbstadt-Ottel- Fehlstellen am Corpus war der Befund mannshausen so negativ, dass eine Wiederherstel- ➢ Waldkreuzle – neuer Corpus Wald- lung nicht machbar ist. Aufgrund der weg Rehgraben - Sebaldshütte sich immer wieder ändernden Wit- ➢ Eingangsweg zur Kirche – Neubau terungslage wurde ein Corpus aus Gestaltung und Ausführung Kunststoff mit Holztönung für Frei- ➢ Friedhofsweg – Mitarbeit beim Neu- land angeschafft. Die Kosten liegen bau bei 2.300 Euro. ➢ Brauhausbrunnen – Wiederaufbau am Die Gemeinde, die Allianz Grabfeld- Brauhaus gau, die Jagdgenossen und die Promi- Abschluss 2020 band haben bereits eine Finanzierungs- ➢ „Hohes Kreuz“ neuer Korpus und beteiligung zugesagt. Wetterschutzvorrichtung Trotzdem benötigt die Interessenge- meinschaft, wie in den vergangenen Uns bleiben die Achtung und die Sorge Jahrzehnten, die große Spendenbereit- für die zu erhaltenen Denkmäler aus schaft der Bürgerinnen und Bürger. vergangener Zeit. Im Auftrag der Inte- Ein kurzer Rückblick über die Arbeit ressengemeinschaft für Denkmalpflege der IG: Herbstadt sage ich ein herzliches Dan- ➢ Prozessionsbildstock „Hohes keschön an alle Zuschussgeber und Kreuz“ Restaurierung und Ergän- Behörden für die erfolgreiche Zusam- zungen menarbeit, den Bürger*innen für die ➢ Prozessionsbildstock Dorfstraße „Kapellä“ bei Herbstadt, das von der IG Denkmal- großzügigen Spenden und für die begeis- Restaurierung mit neuem Aufbau pflege in Herbstadt erneuert wurde. ternde, tatkräftige Mitarbeit vor Ort. Seite ­­10 Das Grabfeld Nr. 28 · November 2020 Uralter Brunnen vor dem Sternberger Schloss entdeckt

Reinhold Albert der Folgezeit die Burg, bevor sie im Dreißig- jährigen Krieg (1618-1648) weitgehend zer- Eine überraschende Entdeckung machten stört und auf Teilen ihrer Grundmauern unter Arbeiter der Fa. Haschke aus Bad Königs- den Truchseß von Wetzhausen von 1666 – hofen unter ihrem Polier Reinhard Bischof 1669 das neue viertürmige Barockschloss Ende September in Sternberg. Sie sind seit errichtet wurde. einiger Zeit damit beschäftigt, die Orts- Der Brunnen dürfte nach dem Schlossneubau durchfahrt im Rahmen des Kreisstraßen- nicht mehr gebraucht worden sein. An seine baus zu erneuern. Hierbei stießen sie auf Stelle trat als Wasserspender der heute noch dem Berthold-von-Sternberg-Platz (Plan) stehende im Volksmund genannte „Brünn- vor dem Schloss unter einer nur 15-20 cm kasten“ und die benachbarte Wieth vor dem starken Betonplatte auf eine 12 m tiefe Brun- Schloss. Diese erhielten nun ihr Wasser von nenstube. Die Abdeckung lag auf einen mit einer Quelle am Büchelberg Richtung Zim- Backsteinen aufgebesserten Abschluss (30- merau, das mittels Holzteicheln ins Dorf 50 cm) und war wahrscheinlich 1954 beim geleitet wurde. Bau des Feuerwehrgerätehauses errichtet/ Was wird jetzt aus dem historischen Brun- erneuert worden. Lediglich Günter War- nen? Sulzdorfs Bürgermeisterin Angelika muth, der in der Nähe wohnt, wusste noch, Blick in die 12 m tiefe Brunnenstube des in Götz wurde durch Bauleiter Jürgen Unger dass hier vor über 60 Jahren ein längst aufge- diesen Tagen entdeckten Brunnens vor dem informiert und entschied, dass dieser keines- lassener Brunnen entdeckt wurde und warnte Sternberger Schloss. falls eingeebnet, sondern unbedingt erhal- vor Beginn der Bauarbeiten. ten wird. Das Landesamt für Denkmalpflege Der runde Schacht weist einen Durchmesser in der oberen Hälfte ist das Mauerwerk von wurde unterrichtet. Tilman Wanke vom von 140-145 cm auf und die an der Ober- Baumwurzeln durchbrochen - Überresten der dortigen Amt nahm im Beisein von Peter kante sichtbare Wandstärke beträgt etwa vor einigen Jahren gefällten Kastanien und Hümpfner vom Bauamt der VG Bad Königs- 25-30 cm. Das bis unten durchgehende Mau- der Dorflinde, die bereits nach dem Bau der hofen, Bauleiter Jürgen Unger, Polier Rein- erwerk besteht aus weißlich-grauen Sand- Feuerwehrgerätehauses eingegangen war. hard Bischof von der Fa. Haschke sowie dem steinen, die als grob zugehauene, mittel- Wasser war auf dem Grund des Brunnens Kreisheimatpfleger den Brunnen in Augen- formatige Haussteinblöcke in einen recht nicht mehr festzustellen. Vermutlich war der schein. ordentlichen, durchgehend lagenhaften Brunnen vor dem Schloss einst noch tiefer Wanke bestätigte die Vermutung des Hei- und reichte bis zum Grundwasserspiegel. matpflegers, dass der Brunnen im Mittelalter 16 m tief ist ein am Anwesen Klein/Bätz im angelegt worden sein könnte. Er riet davon Hinterdorf befindlicher Brunnen, der den ab, wie vorgeschlagen, die Brunnenstube Grundwasserspiegel erreicht. mittels Plexiglasscheibe abzudecken und Jetzt stellte sich natürlich die Frage, wann zu beleuchten. Damit habe man andernorts könnte der Brunnen angelegt worden sein? keine guten Erfahrungen gemacht und schon Es ist nicht auszuschließen, dass dieser ehe- nach einigen Jahren die Abdeckung abge- mals Bestandteil der 1199 fertiggestellten baut. Der Dipl.-Ing. riet vielmehr, den Brun- Burg Sternberg, dem Vorgängerbau des nen mit einem Betondeckel zu verschließen 1666-1669 erstellten heutigen Schlosses und den Brunnen im darüber zu verlegen- Sternberg, war. Den Besitz in Sternberg und den Pflaster kenntlich zu machen. Auf einer Umgebung nahmen die Grafen von Henne- Schautafel vor dem Schloss könne dann die berg im 12. Jahrhundert vom Stift Eichstätt Geschichte des Brunnens in Wort und Bild zu Lehen. Heinrich, der Sohn des Henne- den Besuchern näher gebracht werden. Ein berger Grafen Boppo V. von Irmelshausen, von Andreas Scholz mit spezieller Technik nannte sich 1199 nach Sitte der Zeit erst- aufgenommener Film ist ebenfalls ein wich- mals nach der in seinem Auftrag errichte- tiges Dokument des historischen Denkmals. ten Burg „de Sterinberg“ (von Sternberg). Bürgermeisterin Angelika Götz sicherte zu, Heinrich folgte im väterlichen Besitz sein dass die Gemeinde dafür Sorge tragen wird, Sohn Albert. Alberts Brüder Hermann, dass der wohl über 800 Jahre alte Brunnen Heinrich und Berthold wurden Domherren und dessen Geschichte nicht in Vergessen- in Würzburg und die 1262 genannte Sophia heit gerät. von Sternberg war Nonne Bei den Straßenausbauarbeiten in Sternberg im adeligen Frauenklos- wurde durch Arbeiter der Fa. Haschke ein ter Wechterswinkel. Der mittelalterlicher Brunnen entdeckt, der einst berühmteste der nur in drei mit dem Vorgängerbau des nunmehrigen Generationen auftretenden Schlosses, einer vor 1199 errichteten Burg, hennebergischen Grafen gebaut worden sein dürfte. von Sternberg war Bert- hold von Sternberg. Er war Mauerwerk gesetzt sind. In den oberen 3–5 von 1274 - 1287 der 44. m sind die Steine stärker verwittert, weshalb Bischof von Würzburg und das Mauerwerk von oben einen schlechteren Herzog von Ostfranken. Eindruck vermittelt. Ein Betonrohr in ca. 3 m Nachdem Bertholds Bru- Tiefe ragt zudem in die Brunnenstube. Vmtl. der Albert von Sternberg wurde dieses Rohr 1903 bei der Anlage des keine erbberechtigen Friedrichsbrunnens (benannt nach dem Stif- Nachkommen hatte, starb Tilman Wanke (3. v. l.) nahm zusammen mit dem Kreis- ter - dem damaligen Schlossbesitzer Fried- das edle Geschlecht derer heimatpfleger sowie Peter Hümpfner vom Bau- rich von Deuster) als Überlauf eingesetzt von Sternberg aus. Ver- amt der VG Bad Königshofen, Polier Reinhard Bischof oder evtl. erst beim Bau des benachbarten schiedene niederadeligen und Bauleiter Jürgen Unger von der Fa. Hascke Feuerwehrhauses 1954. An einigen Stellen Geschlechter bewohnten in (v. l.) den historischen Brunnen in Augenschein. Nr. 28 · November 2020 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­11 Schulbeginn nach dem Krieg in Königshofen und weiteren Gemeinden

Hubertus Schneider der Schulen und die kaum zu lösenden Pro- mit einer öffentlichen Feier im Rathaussaal bleme deutlich (frei zusammengestellt): begangen. Doch der Schulbeginn war keines- Die Bedingungen: > Gerade einmal sieben Ersatzlehrkräfte falls gesichert, denn in Königshofen waren Neue Ideologie, wenige beengte Räume, keine mit ordentlicher Prüfung und 24 Lehrperso- nur zwei Lehrkräfte verfügbar: Rudolf Pfeif- Lehr- und Lernmittel, minimales Personal - nen ohne Lehramtsprüfungen sind für 3100 fer, Mittelschullehrer, zuletzt an der Lehrer- Der Bildungs- und Erziehungsbereich wurde Schulpflichtige verfügbar, 46 Lehrkräfte bildungsanstalt Prischib/Selz tätig, wurde am von den Besatzern mit besonderer Auf- sind des Dienstes enthoben oder entlas- 23.10. vom Bezirksschulrat Laudensack als merksamkeit bedacht. So sollte einerseits sen. So mangelt es an politisch und fachlich Schulleiter und die aus Schlesien stammende die baldige Rückkehr zu einem geregelten, geeigneten Lehrern. Etliche Schulgebäude Studentin Skrobek wurde als Ersatzlehrkraft regelmäßigen Schulbetrieb dem Bildungs- sind wegen Wohnungsnot belegt. Norma- angestellt. Und etwa 500 Schulkinder warte- anspruch der Kinder wieder gerecht werden, len Schulbetrieb gibt es nur an neun Schulen ten darauf, wieder Schulunterricht besuchen ihnen den nötigen Lernstoff vermitteln, sie für elf Klassen, an 22 Schulen kann für 60 zu können. von der Straße holen und vor deren Gefahren Klassen, manche mit 60 bis 80 Kindern, nur Trotz allem nahm man am 29.10. (Montag) bewahren. Andrerseits aber ging es darum, dreistündiger Abteilungsunterricht gehalten den Schulbetrieb als Gemeinschaftsschule, das unheilvolle NS-Gedankengut auszulö- werden. Mangelhafte Disziplin, fehlendes wie sie bis April 1945 bestanden hatte, wie- schen und die heranwachsende Generation Lehrmaterial, wenige, dürftige Notausga- der auf. Nach den Gottesdiensten mit Geistl. vor dessen Relikten zu schützen. ben erschweren Unterrichts- und Lernerfolg, Rat A. Pfeuffer und dem evang. Pfarrer Wie- Bereits im Juni 1945 musste das in den wozu auch ungenügende Ernährung und gel eröffneten Bürgermeister Weber und Schulen noch vorhandene Lehrmaterial beengte Wohn- und Schlafverhältnisse bei- Schulleiter Pfeiffer im Rahmen einer kleinen sichergestellt und die Bestände der Schü- tragen. Feier auf dem Kirchplatz das Schuljahr. In lerbüchereien mit Titel und Verfassern überfüllten Klassen begann am selben Tag erfasst werden. Anfang August erging der Unterricht für die Jahrgänge 1 mit 4. Herr strikter Befehl, binnen Wochenfrist alle ab Schulstart mit 500 Schülern und Pfeiffer unterrichtete im alten Schulhaus am 1933 erschienen Schulbücher mengenmäßig zwei Lehrkräften am 29. Okt. 1945 Kirchplatz, Frl. Skrobek in der Kinderbe- erfasst und sortiert beim Landrat abzugeben. Die Zahl der Schulpflichtigen musste wahranstalt. Zur Aussortierung nationalsozialistischer schon in den ersten Augusttagen ermittelt und militaristischer Bücher wurden die werden (Stand März): 379 GS (225 Einh, Bürgermeister noch einmal nachdrücklich 154 Evak.), 134 HS (89 Einh, 45 Evak.) Lehrerwechsel und Konfession im Dezember aufgefordert. sechs bis 14 Jahre alt, und 38 Berufsschul- machen es der Schule schwer Im Wege der personalen Entnazifizierung pflichtige (28 Einh., 10 Evak.). Im Oktober Dieser langsam wachsende Schulbetrieb waren alle Beamte und damit auch die Leh- stellten sich die Zahlen dann so dar: wurde von den Bestrebungen der katho- rer aus dem Dienst entfernt worden und lischen Kirche, nicht nur in Bayern, zur SCHÜLERSTAND: mussten sich, wie die meisten Deutschen, Bekenntnisschule zurückzukehren beglei- I. Jg. 83 Kinder II. Jg. 69 Kinder diesem Verfahren durch die Spruchkam- tet. Auch den ca. 100 evangelischen Volks- III. Jg. 79 IV. Jg. 77 308 GS mern unterziehen. Deshalb erging schon am schülern sollte eine evangelische Lehrkraft V. Jg. 80 VI. Jg. 28 02. Juli 1945 per Rundschreiben der Auftrag zur Seite stehen und so das konfessionelle VII. Jg 38 VIII. Jg. 34 180 HS an die Bürgermeister: „Es ist umgehend zu Verhältnis der tätigen Lehrer wahren. Des- ermitteln, ob sich in Ihrer Gemeinde geeig- Die von den Besatzern im Oktober 1945 halb unterstützte die evangelische Gemeinde nete Personen befinden, denen nach Besuch erteilte Genehmigung zur Wiedereröffnung die Bewerbung des ehemaligen Patentan- eines kurzfristigen Lehrgangs die Erlaubnis der Schulen in allen Gemeinden (des Alt- walts Ing. Dr. Wilhelm Klose beim Bezirks- zur Unterrichtserteilung an der Volksschule landkreises) wurde gegen Ende des Monats schulamt. Am 25.11. genehmigte die Militär- erteilt werden könnte.“ Angesichts der min- deren Papierqualität für amtliche Schreiben stellt sich hier schon die Frage, ob es denn überhaupt Papier für die Schule gab, wenn ja, welche „Güte“ das wohl hatte und womit die Kinder geschrieben haben. Die mit der Diktatur und ihrer Ideologie groß gewordenen Jungen und Mädchen, und nicht nur diese, galt es im Sinne demokratischer Denkart und Handlungsweisen zu bilden bzw. umzuerziehen, sie für ein freiheitliches Leben in eigener und politischer Verantwor- tung vorzubereiten. Doch wie sollten, wie konnten die Aufgaben eines Schulalltags und diese hohen Ziele angesichts der herrschen- den Verhältnisse umgesetzt werden? Diese Bedingungen beschreibt Kreisheimat- pfleger Reinhold Albert in dem bereits 1995 von ihm verfassten und von der Stadt Bad Königshofen herausgegebenen Band „Zeit- zeugen berichten – Kriegsende 1945 und Nachkriegszeit im Königshöfer Grabfeld“. Einige statistische Angaben und ein Aus- zug aus dem Jahresbericht des Landrats von Königshofen 1945/46, vmtl von Land- Der Schüler des Geburtsjahrgangs 1937 im Jahr 1948 mit ihrem Lehrer Leo Adler vor der rat Gundlach, zum Stand des Schulwesens Landwirtschaftsschule. Alle Klassenfotos: Sammlung Wolfgang Ort im Stadtarchiv Bad im Altlandkreis machen die Notsituation Königshofen Seite ­­12 Das Grabfeld Nr. 28 · November 2020

Katholische Volksschule und Evangelische Volksschule ab September 1946 Auch das politische Hin und Her um die Bekenntnisschule trug vermutlich seinen Teil dazu bei. Ihre Einführung, die letztlich mit der Bayer. Verfassung vom Dezem- ber 1946 festgeschrieben wurde, stellt sich in den beiden Jahrbüchern, zunächst in der kath. Chronik, so dar: „Im Mai (1946) wurde die konf. Schule auf Weisung der Regie- rung hin geschaffen. Es entstand somit die kath. Volksschule mit 390 Kindern und zwei evang. Klassen mit 90 Kindern. (Anm: 1.–4. Jg und 5.–7./8. Jg) … Diese wurden dann auch in die Kellereistraße in den Zeichensaal (Anm: in der Kaserne) verlegt.“ Über den Abschluss dieses ersten Schuljahres berichtet der Chronist weiter: „Am 12. Juli wurde im Turnerheim eine kurze Entlassungsfeier, umrahmt von Geschichten, Spielen und Lie- dern und einer kurzen Ansprache des Schul- Die Schüler des Geburtsjahrgangs 1942 mit ihrer Klassenlehrerin Anna Schmitt 1949. leiters abgehalten.“ In der evang. Chronik ist vermerkt: „Als dann durch Ministerialent- regierung seine Anstellung, so dass er am Tag die Anstellung von Ing. Dr. W. Klose, wei- schließungen die Möglichkeit zur Errich- darauf mit seiner Lehrtätigkeit, vmtl. in den terhin im Dezember durch die Beschäftigung tung von Bekenntnisschulen geschaffen Jahrgängen fünf mit acht beginnen konnte. des Abiturienten Erich Roos als Ersatzleh- wurde, hat die hiesige kath. Kirche sofort In der Folge verlangte die katholische Kir- rer und die Wiedereinstellung der Haupt- einen entsprechenden Vorstoß unternom- che die Trennung der Kinder nach Konfes- lehrerin Elisabeth Helmschrott (seit April men. Eine Abstimmung wurde unter ihren sionen und dies mit Erfolg. Der Chronist 1939 in Königshofen), die jedoch auf eige- Gemeindegliedern für die Errichtung einer vermerkt deshalb den 26. November 1945 nen Wunsch bereits im Januar an eine Hilfs- kath. Bekenntnisschule durchgeführt. Für die als Geburtstag der evangelischen Bekennt- schule nahe München wechselte. Schulleiter evang. Seite bestand nun die Frage, ob auch nisschule. Dr. Klose unterrichtete seitdem Pfeiffer wurde als selbstständiger Schulrat sie eine Bekenntnisschule fordern oder ihre alle evangelischen Schüler. Der dama- beauftragt und stellte im April 1946 seine Kinder der kath. Bekenntnisschule, an der lige Leiter der Militärregierung, Capt. L. F. Unterrichtsarbeit ein. Ersatzlehrerin Skrobek natürlich keine evangelischen Lehrer ange- Girolami, katholisch, verlangte, nachdem er wurde nach ihrer Heirat im Mai auf eigenen stellt würden, weiterhin anvertrauen sollte. davon erfuhr, die Beendigung dieser Teilung Wunsch entlassen. Dafür wurde Hauptlehre- Eine Eltern- und Gemeindeversammlung und setzte dies im Januar 1946 durch. Dr. rin Anna Schmitt (seit Juni 1924 in Königs- beschloss deshalb einstimmig, die Errichtung Klose übernahm nun den Unterricht des 5. hofen) von der Militärregierung wieder zum einer evangelischen Bekenntnisschule zu Jahrgangs der Mädchen, des 5. und 6. Jahr- Dienst zugelassen und Lehrer Leo Adler verlangen, allerdings mit der Einschränkung, gangs der Knaben und den der Mädchen angestellt, der als kommissarischer Schullei- dass eine solche nur dann gebildet werden der landwirtschaftlichen Berufsschule, die ter fungierte. Während dieser fortwährenden soll, falls die kath. Seite wirklich ihre Wün- bereits im November 1945 wieder genehmigt Wechsel wurden die Klassen bis Mai immer sche durchsetzt. Ein entsprechender Antrag und eröffnet worden war (Albert, S. 90). wieder neu aufgeteilt, was sich auf die Kin- wurde der Schulbehörde zugeleitet. Unter Verstärkung kam also Ende November durch der sehr ungünstig auswirkte. Schulrat Pfeiffer wurde im Herbst 1946 die kath. Bekenntnisschule Königshofen ein- gerichtet. Als praktische Folge entstand danach auch die evangelische. Ihr wurde als Unterrichtsraum der Zeichensaal der „alten Kaserne“ (Kellereistraße 103) zugewiesen … Da dieser Raum für die Schülerzahl zu klein war, wurde Halbtagesunterricht erteilt, vor- mittags Jahrgang 5 – 8, nachmittags 1 – 4.“ Mehr Lehrpersonal, Schul- speisung, gemeinsame Schlussfeier Über das Schuljahr 1946/47 erfährt man: An der katholischen Volksschule wurde im Sep- tember der Abiturient Gerd Schön, Königs- hofen, als Ersatzlehrer angestellt, er führte den 5. und 6. Jahrgang. Im Mai 1947 kam nach ihrer Entnazifizierung die apl. (außer- planmäßige) Lehrerin Gerta Krämer in den Dienst und Ersatzlehrer Gerd Schön ging nach Erlangen, wo er einen Abiturienten- lehrgang zur Ausbildung von Volksschulleh- rern besuchte. „Im Herbst wurde die Schule gründlich renoviert, alles wurde getüncht, die Paneele mit Ölfarbe gestrichen.“ Das Jahr- buch der evang. Volksschule berichtet: Dr. Gruppenbild der evangelischen Klassen der Jahrgänge 1934 – 1939 mit ihrem Lehrer Groß- Klose wechselte als Lehrer für Mathematik mann um 1949. an das Progymnasium, das der Mittelschul- Nr. 28 · November 2020 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­13 verein begründet hatte und mit einer I. und 1948) ca. 10 bis 15 Pf, was für die oft min- 55 kath. und 20 evang. Anfängern. Lehrer L. II. Klasse am 19. Mai 1947 seinen Betrieb derbemittelten Kinder von der Fürsorge, der Adler wurde mit der Schulleitung verpflich- aufnahm. Mit ihm wechselten ca. 50 Kinder Gemeinde oder durch Spendensammlungen tet. „Am 1. Oktober bekam Königshofen aus dem 4. und 5. Jahrgang dorthin. Recht- bestritten wurde. eine neu eingerichtete Volksschule. Mit zeitig davor konnte die Lehrerin Margarete Musik zog die ganze Kinderschar mit ihren Lierow (Osterode/Ostpreußen), die in Alt- Lehrern von den alten Gebäuden, die hausen wohnte, als Ersatz verpflichtet wer- schon lange nicht mehr den heutigen den. Sie übernahm anfangs die Unterklasse, Anforderungen entsprachen, zur neuen später dann bis zum Schluss des Schuljahres Schule. Geschmückt mit einem Will- auch die Oberklasse in Halbtagsschule. kommensgruß fanden die Kinder ihre neue Schule mit 7 neu eingerichte- ten schönen Schulsälen vor. 2 werden noch fertig gestellt. Zahlreiche Eltern und Gäste waren gekommen, so auch der Captain der Militärregierung Ben- tlay, der die Tatkraft des Gemeinde- rates lobte. Nach der Besichtigung bekam ein jedes Kind eine Brezel.“ Aus der evang. Chronik erfährt man noch: „Bis zur Einweihung des Gebäu- des am 1.10. wurde der Unterricht wie bisher im Zeichensaal erteilt. Am 1. 10 fand die Einweihung und Übergabe der neuen Schule an die kath. und evang. Volksschule statt. Eine große Anzahl von Ehrengästen, Vertreter der Behör- den, die Elternschaft, alle Schüler und Schülerinnen mit den Lehrkräften nah- men daran teil. Es war ein Festtag für Die Ausgabe des Essens fand fünfmal die ganz Königshofen. Vom Kirchplatz an der Woche zwischen 10 und 11 Uhr, zunächst im Stadtpfarrkirche bewegte sich der Festzug Vorraum des Stadtsaales, ab Oktober 1948 unter Vorantritt einer Musikkapelle zur Kel- im Erdgeschoßraum der Volksschule (West- lereistraße. In den Festansprachen wurde flügel) statt. Bis zu 250 Volksschüler und nicht nur das wechselvolle Schicksal des jet- Über die im Amtsblatt Nr. 18 vom 22. Mai 150 Gymnasiasten und verschiedene Leh- zigen Schulhauses aufgezeichnet, sondern 1947 angekündigte Ausstellung ist in den rer nahmen zu dieser Zeit die Schulspeisung auch der Freude Ausdruck gegeben, dass Schulannalen nichts vermerkt, weder von wahr. Für die tägliche Durchführung dieser Königshofen nun endlich zu einem repräsen- Vorbereitung noch von Erfolg oder Lob, sie Hilfsmaßnahme, die vor allem den Kindern tablen Schulgebäude gelangt ist, wurde doch ist damit allein der Arbeit des Kreisjugend- aus minderbemittelten Schichten zugute bisher der Unterricht seit Jahrzehnten in dem Ausschusses mit den Jugendlichen kam, sorgte über drei Jahre Frau Coduro, sogen. Schulhaus im Juliusspital, im Elisa- (gemeinsam mit der GYA – German Youth wie ein Dankschreiben der Stadt vom Okto- bethspital u. im Zeichensaal erteilt. Auch der Activity?) zuzuordnen. Als Zeichen des neu ber 1949 belegt. Ab 1. Oktober 1949 war Dank wurde den Männern öffentlich ausge- keimenden kulturellen Lebens, gerade von Lehrerin Frieda Keller als Kochleiterin für sprochen, die sich für die Verwirklichung der Jugend gesetzt, sollte es nicht unerwähnt die Schulspeisung von der Stadt beauftragt. des Planes, das frühere Arbeitsdienstgebäude bleiben. Zur Abschlussfeier des Schuljahres wurden einem neuen, wertvollen Zweck zuzufüh- Auch in Königshofen erfolgte die Schul- Beiträge eingeübt und ein erstaunliches Pro- ren, mit ihrer ganzen Kraft eingesetzt haben, speisung, die im Zuge des Hoover-Plans gramm erstellt. Der Chronist (vmtl. Lehrer nämlich Bürgermeister Weber, Stadtrat bedürftige Schulkinder mit einer (zusätzli- L. Adler) notierte: „Am 18.7.1947 veranstal- Jakob (Schuldezernent) und Kreisbaumeister chen) frisch zubereiteten warmen Mahlzeit tete die Schule im Turnerheim eine Schul- Seifert. … Im Anschluss wurden die Schul- (350 Kalorien) pro Tag versorgte. Anfangs schussfeier, auf der Schüler entlassen und kinder in ihre Klassen geführt, erhielten zur um den Hunger zu stillen, später dann um Schüler der landwirtsch. Berufsschule über- Feier des Tages Salzbrezeln … und dann die Kinder vor den Folgen der Unterernäh- wiesen wurden. Spiele, Gedichte, Gesang war schulfrei, während die Erwachsenen rung zu schützen. An den hiesigen Schu- und insbes. das Schülerorchester unter der die Schulräume besichtigten.“ Zu diesen len begann sie am 25. Mai 1947 für 160 Leitung des Lehrers L. Adler verschönten schreibt der Chronist: „Unserer Schule wur- Kinder. Die Kinder wurden alle 14 Tage die Feier. Die Elternschaft ging begeistert den die Lehrsäle 1 (für die oberen) und 7 gemessen und gewogen. Allein der Schul- von der Feier nach Hause.“ (für die unteren Jahrgänge) zugewiesen. Da arzt legte in Absprache mit den Lehrern fest, durch steten Zugang ersterer bald zu klein wer daran teilnehmen durfte. Die Verwal- Oktober 1947 – ein neues Schul- wurde, erfolgte eine Übersiedlung in Klasse tung der nahezu ausschließlich amerikani- gebäude und neue Schulleiter 2. Alle Räume sind licht und freundlich. schen Lebensmittel sowie ihre täglich fri- Die jahrzehntelangen Bestrebungen der Sie haben Parkettfußboden, leider aber kei- sche Zubereitung waren in Richtlinien streng Stadt nach einem gemeinsamen, ausreichend nen Ölsockel (Not der Zeit!) und sind auch reglementiert. Vor der Währungsreform kos- großen Schulgebäude erfüllten sich mit dem verhältnismäßig schmal, was eben nicht zu tete eine Mahlzeit 25 RPf, danach (21. Juni Abzug der amerikanischen Truppen von ändern ist, da ja kein vollständiger Umbau, Königshofen nach sondern nur ein Ausbau erfolgte. Die Gänge Schweinfurt im Mai zwischen den Bankreihen sind deshalb sehr 1947. Mit dem Umbau beengt, besonders in den Klassen, in denen 3 des nun freigegebenen Zweisitzerbank-reihen aufgestellt sind. … . vormaligen RAD- Erst nach und nach entstanden die Klosettan- Lagers (altes Rent- lage für die Knaben, der Ausbau des Dachge- amt) zur Volksschule schoßes im Hauptgebäude (Anm: zu dürfti- wurde umgehend gen Lehrerdienstwohnungen), die Lehrsäle 8 begonnen. Am 18.09. und 9, die Schulküche und die Waschküche. Ein Plan der Schulspeisung war Schulbeginn mit Schwierigkeiten in der Materialbeschaffung, Seite ­­14 Das Grabfeld Nr. 28 · November 2020 begründet durch die Angst vor einer Wäh- und im Elisabethasaal unterrichtet, bis rungsreform, waren hauptsächlich schuld Mitte September die geräumigen Schulzim- daran.“ mer im 1. Stock des Westflügels bezugs- Wegen der hohen Schülerzahl in der evan- fertig waren, so dass dann alle 516 Schüler gelischen Schule setzte sich Pfarrer Wie- im neuen Schulgebäude Platz fanden. Jetzt gel sehr für die Verpflichtung einer zwei- konnte die tägliche Schulspeisung für ca. ten Lehrkraft ein. Zum 11. September 1947 300 bis 400 Kinder hier erfolgen. Auch das wurde der frühere Hauptlehrer Wilhelm Städtische Bildungswerk Königshofen, das Großmann aus Wallnsdorf/Opf., bis 1947 bereits seit November 1946 „Vortragsrei- in Niederullersdorf, Kreis Sorau, als Leh- hen und Arbeitsgemeinschaften aus vielen rer auf Dienstvertrag an die hiesige Schule Wissensgebieten der Kunst, der Technik und berufen. Er übernahm das 4. bis 8. Schuljahr, des Handwerks“ anbot, konnte die Lehrsäle während Frau Lierow die übrigen behielt. nutzen. So wurde die bisherige Halbtagsschule in eine solche mit Normalunterricht mit zwei Schulreform: Erläuterungen Lehrern umgewandelt. Die katholische durch die Militärregierung Volksschule war nun 7-klassig mit vier am 15. September 1948 Lehrern. Der Chronist schreibt dazu: Zwei Elternversammlungen wurden im Schuljahr abgehalten. Sie waren gut besucht (64 bzw. 47 Anwesende). Besonderes Inter- esse brachten die Punkte Schulzucht (Anm: Verbot der Prügelstrafe) und Schulspeisung. „Da fast 80% unserer Schüler (evang. VS) Bereits im Februar 1948 kündigte Frl. Flüchtlings- und Evakuiertenkinder sind, Gebauer wieder, übergab die Klasse an ihren ist ihr Gesundheitszustand zumeist sehr Vater, Johann Gebauer, Lehrer auf Dienst- ungünstig. So wurde immer mit Nachdruck vertrag. Auch der Ersatzlehrer E. Roos darauf gesehen, dass ein besonders großer quittierte den Dienst, um als Abiturient in Prozentsatz an der Schulspeisung teilnimmt. Würzburg die Lehrerausbildung zu machen. Diese besondere Fürsorge zeigt sich auch Lehrer Otto Schulz wurde nach seiner Ent- daran, dass im Schuljahr 14 Kindern Erho- nazifizierung im April wieder angestellt. lungsaufenthalt von 4 Wochen Dauer verord- Mit seiner 5. Klasse unternahm er bereits net wurde.“ im Mai eine Wallfahrt mit dem Bus nach Bis zum Schuljahresende blieb die Frage Vierzehnheiligen, Schloss Banz und Bam- der Schulleitung der evang. Volksschule berg. „Die Reisekosten wurden durch den „Auf der von zahlreichen Eltern und Leh- ungeklärt. Die Annahme aus Eltern- und Erlös der gemeinsam gesammelten Heil- rern des Kreises besuchten Schulreformta- Lehrerschaft, ihre Schule sei eine selbst- kräuter gedeckt.“ Im Juni kam G. Schön von gung im Stadtsaal waren Einführung des 9. ständige mit Eigenleben und bedürfe einer der Ausbildung zurück und erhielt als Lehr- Schuljahres und Lernmittelfreiheit Haupt- eigenen Genehmigung und Leitung, wurde amtsanwärter in der 3. Klasse eine Anstel- gegenstände der Besprechung.“ vom Schulamt nicht geteilt, da „eine sol- lung, Im evang. Jahrbuch wiederum ist ver- Hintergrund: General Clay erwartete von den che (behördliche Genehmigung der Schul- merkt: „In das Schuljahr (Peter und Paul) fiel Bildungsplanern bis Ende 1947 ein Schul- trennung) sich erübrige, da laut Verfassung auch das 50. Kirchenjubiläum unserer Kir- konzept, das den neuen demokratischen des Bayerischen Freistaates die Bekennt- che, das auch die Schule durch Darbietungen Strukturen und wirtschaftlichen Änderungen nisschule die Regel ist, also einer beson- verschönte. Leider musste das Fest in sehr Rechnung tragen sollte. Auf diesen wenig deren Genehmigung nicht bedarf.“ Zudem bescheidenem Maße gefeiert werden, weil zufriedenstellenden Entwurf bezog sich der war durch unklare Weisung des Schulamtes kurz zuvor (20.06.) die Währungsumstellung Referent Mr. Dr. Shaw, dessen kritische einem katholischen Lehrer die Schulleitung erfolgte und unser gesamtes Volk damit ver- Rede dazu allen Gemeinden und Schulen auf übertragen worden. armte. - Die Aufnahmeprüfung zum hiesigen vier Seiten als Diskussionsgrundlage zuge- Erst als Lehrer Großmann sich weigerte, Progymnasium bestanden 4 Knaben und 4 schickt wurde. Folgende Grundzüge bzw. die Schulzeugnisse als „Schulleiter“ gegen- Mädchen. Aus der Schule entlassen wurden Wunschvorstellungen werden darin deutlich: zuzeichnen, wurde eine z. T. befriedigende 3 Knaben und 5 Mädchen.“ - Im Sinn einer demokratischen Entwicklung Regelung schulamtlich getroffen. „Jeder Die gemeinsame Schulschluss- und Entlas- monierte man zu viele Entscheidungen vom Schule wurde ihre selbstständige Aufgabe sungsfeier fand am 14. Juli im Turnerheim „grünen Tisch“, zu geringe Einbindung der übertragen, während gemeinsame Angele- statt. Die gesamte Elternschaft war dazu Vorstellungen und Wünsche aus der Bevöl- genheiten der äußeren Schulverwaltung, des eingeladen, die den Saal bis auf den letzten kerung. - An den weiteren Beratungen sollen Schulgehöftes, der Pausen usw. dem kath. Platz besetzte. Die Auftretenden ernteten Eltern, Lehrer und Vertreter der Jugend, der Schulleiter zugewiesen wurden. So wurde kräftigen Beifall. Kirchen, aller Bevölkerungsschichten stär- Lehrer Großmann vom Schulamt bestimmt, ker beteiligt werden. – Allen Kindern ste- die Schulleitergeschäfte (innere Angelegen- Mit Beginn des Schuljahres 1948/49 am hen gleiche Bildungschancen gemäß ihren heiten) unserer Schule zu übernehmen.“ 1. September wurden nach ihren Entnazifi- Begabungen offen, unabhängig vom Stand Im November wurde die apl.. Lehrerin Frl. zierungen weitere Gebauer aus Merkershausen hier angestellt, Lehrkräfte wie- KATHOLISCHE VOLKSSCHULE: sie erhielt den 3. Jahrgang mit 67 Schülern, der angestellt, wie 1. Klasse: 50 Schüler Klaßlehrerin Hptl. Anna Schmitt wodurch Frl. Krämer, die bisher in dieser die Übersicht vom 2. Klasse: 55 Schüler Klaßlehrer LaDV Wilhelm Oertel Klasse nur Halbunterricht erteilen konnte, Sept. 1948 zeigt. 3. Klasse: 59 Schüler Klaßlehrer Hptl.aDV W. Schlapp entlastet wurde Lehrer Ambros 4. Klasse: 67 Schüler Klaßlehrer LaDV Theo Weigand An Weihnachten 1947 bereitete die Volks- Teubert war von 5. Klasse: 55 Schüler Klaßlehrer LaDV L. Adler schule geeignete Lieder, Gedichte und Spiel Schulrat R. Pfeif- 6. Klasse: 49 Schüler Klaßlehrer LaDV O. Schulz vor, die während den Weihnachtstagen fer zum Schulleiter 7-8M 45 Schüler Klaßlehrer Schulamtsa. G. Krämer im Turnerheim mehrmals zur Aufführung bestellt worden. 7-8Kn 34 Schüler Klaßlehrer LaDV A. Teubert, Schulleiter kamen. Es wurde geboten: den Schulkin- Für zwei Wochen EVANGELISCHE VOLKSSCHULE: dern, den Kriegsversehrten des Kreises, den wurde noch im Zei- 1 - 3 Schj: 51 Schüler Klaßlehrerin LaDV Lierow Flüchtlingen, der Elternschaft. chensaal (Kaserne) 4 – 8 Schj. 51 Schüler Klaßlehrer LaDV Großmann, Schulleiter Nr. 28 · November 2020 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­15 der Eltern, also Bildungsgerechtigkeit. Des- An beiden Schulen fanden im Herbst wie- lich von 900 auf 330 in der Oberklasse. Die halb wurde von der Militärregierung Schul- der Wahlen aus der kath. bzw. evang. Eltern- zu Beginn des Jahres durchgeführte Schulun- geld- und Lehrmittelfreiheit angeordnet. – schaft zum Schulpflegschaftsrat statt, der tersuchung bot ein erfreuliches Bild. Haupt- Eine längere gemeinsame Schulzeit mit 6 durch je einen gewählten kirchlichen Eltern- mängel zeigten sich als Kurzsichtigkeit und Jahren, Erweiterung der Schulpflicht auf 9 beirat ergänzt wurde. Zahnkrankheiten. An schweren Erkrankun- Jahre, mehr Anerkennung der praktischen Ab November erteilte Herr Zitzmann in gen sind zu vermerken: 2 Blinddarmope- Ausbildung, damit Hebung der Volksschule beiden Schulen Englischunterricht für etwa rationen, Keuchhusten in 2, Scharlach in 3 und auch der Lehrerbildung. – Schule als 80 Schüler. Im Januar 1949 meldete sich Familien. – 3 Unfälle: darunter eine Verlet- Ort für soziale Erziehung, Einübung demo- Erich Roos als LAA zurück und absolvierte zung durch Spiel mit Munition - …“ kratischer Grundsätze, Erziehung zum Frie- seinen Vorbereitungsdienst in der 1. Klasse. den und nur zum Wohl des Kindes. – Neue Den bisher von Frau Lierow erteilten Hand- Heimatschau „Schaffendes Schulgebäude, entsprechende Schulbücher arbeitsunterricht, übernahm ab Februar Grabfeld“ – ein Ereignis und Lehrmittel müssten jetzt erste Schritte 1949 die hauptamtliche Kraft Fachlehrerin für ganz Unterfranken dafür sein. – Reis, die als Wanderlehrerin im Bezirk ein- gesetzt war. Erste Schulbücher - Funk und Die Schulsparkasse hielt zunächst in den Film - Hauswirtschafts- und Hand- oberen Klassen wieder Einzug, animierte arbeits- und Englischunterricht – trotz bescheidenster Verhältnisse zum Spa- bessere Gesundheitssituation ren. Auch Sammlungen wie z. B. für das Schulleiter Groß- Jugendherbergswerk oder die Schulspei- mann lobt besonders sungsbeihilfe gingen nicht leer aus. Und die die Lehrmittelfrei- Einnahmen für das Programm zur gemein- heit, die auch ärme- samen Weihnachtsfeier im Stadtsaal zu ren Kindern Schul- je 50 Pfg. waren lt. Einladung „für soziale bücher garantiert Zwecke der Schüler“ bestimmt. Gut gefüllt sowie die längere war der Stadtsaal auch zum 1. Elternabend gemeinsame Schul- im April 1949, „das war der beste Lohn für zeit von sechs Jah- die guten Darbietungen der Schüler“, so der ren bis zum Übertritt Chronist. Einen weiteren Höhepunkt erleb- bzw. mit einem 9ten ten die Schüler mit einer Jugendvorführung Schuljahr ab dem des Coburger Kulturkreises am 7. Mai. In Jahr 1950. Es gibt der „packenden und ergreifenden“ Darstel- lung von „Hanneles Him- melfahrt“ wirkten sogar 12 Mädchen der Klasse Schulz mit. Ein Höhepunkt erste, noch von der Militärregierung geneh- für die Lehrerschaft dürfte die Anschaffung migungspflichtige Bücher wie dieses Lese- eines neuen Schulfunkgerätes mit Großlaut- buch, auch Religions- und Rechenbücher, sprecher, Mikrophon und Schallplatten der In und auf dem von denen jeweils ein paar wenige ange- Marke „Lorenz“ gewesen sein. Lehrer Teu- Gelände um den schafft werden konnten. Er berichtet wei- bert vermerkt dazu: „Die Schule brachte Stadtsaal und im ter: „Laut Ministerialentschließung wurde durch Sammlungen – Heilkräuter, Altstoffe Rathaussaal prä- der offene Schultag eingeführt. An diesem usw. – über 700,- DM auf.“ Lehrer Groß- sentierte der Bezirk ist nach vorheriger Rücksprache mit dem mann schreibt dazu: „Außer regelmäßiger Königshofen eine Klassenlehrer Eltern Gelegenheit gegeben, Benutzung des Unterrichtsfilmes wurden große Ausstellung. am planmäßigen Unterricht teilzunehmen. auch die Schulfunksendungen in den Unter- Ohne die vielfäl- Die Einrichtung wurde im laufenden Schul- richt der oberen Jahrgänge eingebaut. Leider tigen wirtschaftli- jahr nur 2mal ausgenützt. In jedem Halbjahr bot der verwendete Apparat keinen guten chen Aspekte hier wurde wiederum eine Elternversammlung Empfang. Zum Schuljahresschluss wurde für darzustellen, „gab abgehalten.“ beide Schulen ein gemeinsamer Radioappa- sie auch einen Personelle Veränderungen blieben jedoch rat neuesten Systems beschafft … Die Gel- Querschnitt durch nicht aus. Anwärterin Gerta Krämer wurde der hierfür streckte die Stadtkasse vor. Sie das kulturelle zum November nach Großeibstadt versetzt. sollen durch Schulveranstaltungen allmäh- Schaffen des Krei- Ihre Klasse führte Hptl. Anna Schmitt mit, lich abgetragen werden.“ ses, einen Einblick denn der „Ersatz“ durch Frl. Elvira Schi- Erkrankungen, auch bei den Lehrern, blieben in die intensive neller, die auch die weibliche katholische nicht aus. Für das Schuljahr 1948/49 musste Arbeit von Schule und Kreisjugendring.“ Jugend des Kreises leitete, kam erst im der Schulleiter Teubert einige, auch längere Mit spürbarem Stolz berichtet Schulleiter Februar von Sternberg hierher. Nach dem Fehlzeiten in der Lehrerschaft notieren. Da Teubert weiter: „ Die Herren Wirtschafts- Erwerb eines größeren Kochherdes wurde keine Aushilfslehrer verfügbar waren, spran- minister Seidl und Regierungspräsident Dr. in dieser „Mädchenklasse 7./8. - zusammen gen Kolleginnen oder Kollegen ein, um mit Körner gingen anlässlich ihres Ausstellungs- mit den evangelischen Mädchen - der haus- Abteilungsunterricht oder durch Mitführung besuches auch durch unser Jugendzelt, das wirtsch. Unterricht mit Kochübungen in die Klasse zu versorgen. Auch das Befinden wir zwischen Volksschule und Progymna- der Schulküche (Schulspeisungsraum Par- der Kinder blieb im Blickfeld. W. Großmann sium aufstellten.“ Das galt sicher auch für terre) eingeführt. Dieser wurde mit Schul- hielt fest „.Das alle 2 Monate durchgeführte das der evang. Schule, denn deren Schullei- anfang von Frau Dreher (Saal) und alsdann Wiegen und Messen zeigt eine allmähli- ter notiert: „Die Schulen hatten ihre Leistun- durch die Klaßlehrerin Schineller geleitet.“ che Aufwärtsentwicklung der Gesundheit. gen in zwei großen Zelten zur Schau gestellt. Gemüse sollte der von diesen Mädchen hin- Untergewicht und Unterernährung sind Sie bildeten Anziehungspunkte für unzählige ter dem Flüchtlingslager nördlich der Schule nur noch Seltenheiten. Der Gesundheitszu- Besucher.“ angelegte Schulgarten liefern. Die Knaben stand der Schüler hat sich wesentlich gebes- Das besondere Ereignis für die Schüler dürfte der oberen Klassen beider Schulen legten sert. Die günstigere Ernährungslage unseres der Tag der Schuljugend am Montag, den 27. gemeinsam mit Lehrer Teubert nebenan, hin- Volkes wirkt sich auch hierin aus. Fehltage Juni gewesen sein. „Es kamen 3000 Jungen ter dem Progymnasium, eine Versuchsbaum- wegen Krankheit sind im Verhältnis zum und Mädel aus dem gesamten Kreisgebiet schule an. Vorjahr um 66 2/3 % zurückgegangen, näm- nach Königshofen, die vom frühen Morgen Seite ­­16 Das Grabfeld Nr. 28 · November 2020 an das Straßenbild der Stadt beherrschten“ schwanken stark (mal 15, mal 30) und sind und am großen Bezirkssportfest mit 300 Ein- selten. zel- und Mannschaftswettbewerben teilnah- Auf ihrem von der Militärregierung geneh- men. Nach Gottesdiensten in den beiden Kir- migten ersten Elternabend ging es zunächst chen wurden auf dem Sportplatz bei bestem um den „Wegfall der Prügelstrafe“. Eine Sommerwetter „Wettkämpfe im Weitsprung, Zustimmung allerdings gab es nicht und Ballwerfen, 60-Meter-Lauf, Hochsprung, „man ersuchte die Lehrerin die Schulzucht Schwimmen und Kugelstoßen ausgetragen.“ zu handhaben wie bisher.“ Lehrkraft Lindner Beide Chronisten loben die Erfolge ihrer berichtet weiter ans Schulamt: „Der unter- Schulen: „Neben mehreren Einzelsiegen haltliche Teil … fand allgemeinen Anklang errang unsere evang. Schule den 2. Wander- und musste am 2. Weihnachtsfeiertag zwei- preis (einen Bronze-Läufer) als Lohn für die mal wiederholt werden. Von dem Erlös von zweitbeste Gesamtwertung.“ – „Das Fuß- 246 Mk. wurden 100,- Mk dem Konto des ballspiel wurde von der kath. Schule (7/8 Rundfunks München .. für Kriegsblinde Knabenkl.) gewonnen. Sie wurde mit einem überwiesen. Der Rest wurde der Schulkasse Fußball geehrt. Des weiteren konnten ver- zugeführt.“ schiedene Schüler Einzelpreise erringen.“ Aus ihrem Stundenplan für 1947/48 und Zur Schuleinschreibung (kath.) im Juni wur- einer Mess- und Wiegeliste wird deutlich, den 20 Knaben und 23 Mädchen gemeldet, dass sie auch einmal die Woche landwirt- die evang. Schule konnte 18 Neulinge erwar- schaftliche Berufsschüler, 15 und 16 Jahre ten. alt, in Aub unterrichtet. Mit dem 10.10.1948 „Am letzten Schultage, am 14. Juli, versam- übernimmt Lehrer Johannes Dickmann aus melten sich Eltern, Lehrer und Schüler der Merkershausen die 64 Schüler der Volks- Volks- und landw. Berufsschule zur Schul- schule Aub, in der Schülerliste vermerkte abschlussfeier im Turnerheim, die zugleich er „Kohlmann als Handarbeitslehrer“ und den 2ten Elternabend des Schuljahres bildete. „Kaplan Dumbacher als Religionslehrer“. Zur Aufführung kamen ein lustiger Einakter (Aus: Amts-Blatt des Landrates für den Kreis Olga Lindner verzieht mit ihrer Tochter am der Kleinsten (Hptl. A. Schmitt), Singspiele Königshofen i. Gr. Nr. 28, 62,68 von 1946) 2. Dezember 1948 nach . und Gedichte der 7./8. Mädchenklasse (Frl. E. Schineller) und Goethe-Verse aus dessen Zum 1.12.1948 wurde der Leiter der Volks- Jugendzeit (O. Schulz). „Gesangsvorträge, schule A. Teubert auch mit der Leitung der .., gemischte Jugendchöre mit Violin-, Schif- landw. Berufsschule beauftragt. Die aus ferklavier-, Mandolinen-, Gitarren- und Kla- Aubstadt, Großeibstadt, Merkershausen und vierspiel unter der ausgezeichneten Leitung Althausen stammenden Schüler wurden von des Lehrers Adler umrahmten die Feier.“ den Lehrkräften W. Großmann, W. Oertel, (Mainpost, Juli 1949) A. Schmitt und Lehrerin Dreher (Saal) unter- richtet. Im Januar 1949 übernahm Lehrerin Maria Wendler (Gabolshausen) die Mäd- Exkurs: Landwirtschaftsschule chenabteilung und Lehrer Hans Coduro die wieder seit 1946 Jungen. Lehrer Otto Schulz und Schulleiter Die dazu aus den eingesehenen Dokumen- Ambros Teubert erteilten nebenamtlich im ten gesammelten Informationen zusammen- Winterhalbjahr Unterricht. gefasst: Wie bereits erwähnt, wurde die landw. Berufsschule bereits im November 1945 wieder eröffnet (Albert, S. 90) und Schulstart in anderen Grabfeld- Ersatzlehrer W. Klose erteilte dort schon im gemeinden (Archiv-Gemeinden) Januar 1946 Unterricht. Die Schulchronik Die Anzahl der vorhandenen Dokumente In Eyershausen meldet Bürgermeister Otto nennt Mai 1946 als deren Arbeitsbeginn mit aus jenen Jahren mit konkreten Informatio- Sebald für das Schuljahr 1945/46 insge- einem Lehrgang zur Ausbildung in bäuerli- nen war für die Wahl der folgenden heutigen samt 71 Schüler. Als Lehrkräfte führt er an: cher Hauswirtschaft, ein „regulärer“ Betrieb Ortsteile ausschlaggebend. „Nöth Friedrich, Volksschullehrer (Anm: erfolgte wohl erst zum 5. November 1946. Der Unterrichtsbetrieb begann auch hier erst seit 1941 hier), Pfarrer K. Kügler, Religions- Auch ohne Nachweise (1946 – 1948) kön- Ende Oktober, da sich die Erlaubnis der Mili- unterricht, Frl. Marx (Maria) Königshofen, nen nur die wenigen zugelassenen Lehr- tärregierung zur Wiedereröffnung der Schu- Handarbeitsunterricht.“ Wer konkret in die- kräfte und Ersatzlehrer auch diese Schüler len auf den gesamten Landkreis Königshofen sen Monaten wirklich Schule hält, ist aus unterrichtet haben, die bei Feiern, Sportfes- erstreckte. den verfügbaren Dokumenten nicht ersicht- ten, Abschlüssen immer mit dabei waren. Es In Aub ist zunächst Arnold Geißler als Lehr- lich. Der dienstenthobene Lehrer Nöth wird wurden auch die gewerblichen Berufsschüler kraft für das Jahr 1945/46 aus den Schulak- bereits im März 1946 von der Gemeinde in den landw. Berufsschulen erfasst, da die ten zu ersehen. Er vermerkt die Übergabe der (Bgm. Alfons Schrepfer) bei der Militärre- gewerbliche Berufsschule in Bad Neustadt 53 Schulkinder an die Ersatzlehrkraft Olga gierung und in etlichen weiteren Schreiben ihre Arbeit erst im September 1948 wieder Lindner, geb. Hergenhan (Großeibstadt) mit bis Oktober 1948 am Schulamt und an der begann. Ab September 1950 konnte die- dem 8. Januar 1946. Deren erster Bericht Regierung in Würzburg wiederholt ange- ser Unterricht auch in Königshofen besucht (Januar) ans Schulamt gibt bereits 59 Schü- fordert, jedoch ohne Erfolg. So melden sich werden. ler, davon 17 evakuierte an, im September zwar im Juli 1945 auf den Aufruf der Mili- meldet sie 68 Schulkinder. Ans Wirtschaft- tärregierung zu einem sechswöchigen Vor- samt Königshofen schreibt sie im Dezem- bereitungskurs für das Lehramt in Würzburg ber 1946: „Die Volksschule Aub zählt 60 Ursula Schrepfer und Otto Rost, aber was Kinder von denen 90% nur notdürftig mit daraus wird, bleibt offen. Im Oktober 1947 Schuhwerk bekleidet sind.“ Sechs Kinder wird ein Lehrer Merkens erwähnt, der als gibt sie namentlich mit Alter und erforder- einzige Lehrkraft die 84 Schüler beschult. licher Schuhgröße an. Seit September 1946 Er hat sich zu einem halbjährigen Lehramts- führt sie dauerhaft Listen über die Größe und Kurs gemeldet, für ihn wird eine Lehrerfami- das Gewicht der Kinder, Angaben über die lie (ohne Name) erwartet. Es dürfte sich um an der Schulspeisung teilnehmenden Schüler den Oberlehrer Edwin Grünes handeln, der Nr. 28 · November 2020 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­17 im März 1948 als Schulleiter genannt wird. jahr 1948/49 Franz Vogel wieder als Lehrer Er tätigt eine der ersten Buchbestellungen angestellt und eine zweite Stelle mit LAA bei Eduard Harengel, „26 Lesebücher 3. und Gerd Schön besetzt wird. Im Schreiben von 4. Schuljahr, 12 Lesebücher 7. und 8. Schul- Schulrat Pfeiffer an Bürgermeister Heppt jahr.“ Ab dem Schuljahr 1949/50 kümmert heißt es: „Sie wollen bitte Sorge tragen, sich mit ihm Hermine Müller als zweite damit eine (Dienst)Wohnung für F. Vogel Lehrkraft um die jetzt 74 Schulkinder. freigemacht wird, .. . Außerdem wollen Sie Auch in anderen Belangen sorgt man sich für die Freimachung des 2. Schulsaales und wieder mehr um die Heranwachsenden. für die Anschaffung von Schulbänken sor- Bereits 1947 veranstaltet der Kreisjugend- gen, damit Merkershausen endlich mal gere- ausschuss ein Zeltlager für Kinder und gelten Schulbetrieb haben kann.“ Jugendliche am Reuthsee. Das Vergnü- Heppt vermerkt den Beginn der Schulspei- gen kostet jedoch 5 Mark. Im Rahmen der sung zum 9.6.1947 mit 20 gemeldeten Kin- Schulspeisung werden alle Schulkinder im dern, im Juli sind es schon 30. Nach einer Meldung von Bürgermeister Weber vom Kreis zu Weihnachten mit einer „Nasch- ärztlichen Untersuchung erhöht sich ihre 9.5.1945 tüte“ beschert, Kalorienumfang ca. 6 Mahl- Zahl im September bereits auf 42, die Mahl- zeiten (2100 kal), Landrat Gundlach gewinnt zeit zu 20 Pfg. Auch die Merkershäuser die Bürgermeister zur Kostenübernahme. Im Schulkinder werden alle mit einer nahrhaf- Januar 1948 sind 30 Kinder für die Schul- ten Weihnachtstüte beschert. Am 7. Feb- speisung gemeldet. Dem zuständigen Aus- ruar fordert „die Schulküche dringend einen schuss gehören Rudolf Pestel, Alois Krampf Kochtopf mit 15 – 20 l Inhalt fassend“ beim und Köchin Hedwig Volz an. Der Bürger- Regierungswirtschaftsamt in Würzburg an. meister meldet die Schule von dieser Maß- Am 19.2. kommt eine Bestätigung zurück, nahme ab, da es dennoch an Einsatz mangelt der Eingang eines Topfes ist nicht festzu- und Eltern die (geringen) Kosten scheuen. Es stellen. Dennoch läuft diese wichtige Hilfe bedarf eines Schreibens der Regierung, um weiter, oft nur durch Spenden und Sammlun- vor allem die Eltern von dem Bedarf und den gen im Ort oder Übernahme durch den Kreis Aus: Mitteilungsblatt für den Landkreis Vorteilen für ihre Kinder zu überzeugen und ermöglicht. Königshofen i. die Schulspeisung weiterhin zu nutzen. Die weniger kriegsgeschädigten Regionen Auch Merkershausen tritt für seinen bishe- Nachwort mussten im Verhältnis mehr Flüchtlinge, rigen Lehrer Franz Vogel ein. Bürgermeis- Diese Zeilen können der großen Not und Evakuierte und Ausgebombte aufnehmen, ter- und Pfarramt verwenden sich bereits im Verzweiflung jener Jahre durch den aus- so auch der hiesige Landkreis. Die Grab- August 1945 schriftlich beim Schulamt für gewählten Blick auf einige Probleme der feldgemeinden waren schlicht übervölkert, ihn, erst 1948 wird er wieder in den Schul- Schule bei weitem nicht gerecht werden. die Versorgung konnte wie vielerorts nur ein dienst übernommen. In den Unterlagen der Existenzielle Fragen nach dem täglichen Existenzminimum sein, wenn überhaupt. – Schulpflegschaft werden Lehrer Dickmann Überleben bei minimalen Zuteilungen, nach Hohe Achtung gebührt noch heute all denen, (1946) und auch Lehrer Leo Hamm (1947) Kleidung, Wohnraum, Heizmaterial etc. die damals durch ihren Einsatz, nicht nur als Vertreter der Lehrerschaft genannt, bleiben hier ausgeblendet. Dazu die Unge- für die Schule, mit Mut, Überlebensmut und Lehrer Johann Gebauer wird 1948 nach wissheit über die Schicksale der Männer, Sinn für die Gemeinschaft die Chance eine Herbstadt versetzt. Sie dürften also in Mer- der Eltern, das eigene, stets neue Erlasse der neue, bessere Zukunft aufzubauen genutzt kershausen unterrichtet haben - Schülerzah- Besatzer, Verbote, Ausgangssperre, Miss- und damit Grundsteine unseres heutigen frei- len fehlen, vmtl. 60 bis 70 - bis zum Schul- gunst, Anfeindung, .. . heitlichen Wohlergehens gelegt haben.

Hindenburch-Weck

Hans-Georg Fleischer/Gerhard Weingarten

Bis in die 60er Johr des letzten Joahrhunnerts sochte mer zu alt- backene Semmeln „Hindenburch-Weck“. Kaum ener kannte die Herkunft vo diesen Begriff mehr. Mein Urgroßmudder Mine hot mir dos so erzählt un ich ho ‚ s halt mundoartlich ofgeschriewe. In die dreißger Johr, ‚s is scho lang her wohr of dan Mendhäuser Feldern Herbstmanöver vo der Reichswehr. Sogoar Hindenburch kom in unner Schtodt, wo er e Feldparade obgeholte hot. Ville Leut schtrömte herbei un ofn Mart wor e Gedrängel un Geschrei. Die Römelder Bäck hon ge backe die ganze Noacht un hotte Rosinewecke für die ville Besucher gemoacht. Die dochte, wenn so vill Leut komme zu Besuch, do könne mer Geld verdien Empfang von Reichspräsident Paul von Hindeburg auf dem mehr als genuch. Römhilder Markt im September 1930. Geschriewe hottense im Hilberhäuser „Tageblatt“: So viel Besu- cher kriegt die Stadt nicht satt, man solle doch vernünftig sein vor zugetrochen – bein Eikäffe so een Weck gratis dozu geton. So kom allen Dingen, sich seinen Tagesproviant mitbringen. der Weck zu seinem Nomn. Dos wor für die Bäck e harter Schloch: Nix wohr mit Riesenüm- Durchsucht eure Küche in jedem Eck, vielleicht findt sich do sätz an diesm Toch. Sie bliewe of ihrn Wecke sitze, wos sollte noch e. ihnen die noch nütze? So hommse halt o dan folchenden Tochen – so hot sich‘s werrlich Aus: Mei … - Dei … - Unner Römeld, 2012 Seite ­­18 Das Grabfeld Nr. 28 · November 2020

Von Meiningen nach Römhild Mein Berufsleben als Lehrerin in der Nachkriegszeit

Hans-Georg Fleischer die damalige Theodor-Neubauer-Schule in befassen muss, schaute er sehr nachdenklich. Meiningen. Ab dem zweiten Jahr meiner Lehrertätig- Ingrid Stengel, geb. Schade, Suhl, erzählt: Ich sollte eine 5. Klasse mit 48 Schülern keit begann ich Russisch zu unterrichten, Es war recht ungewöhnlich, wie ich zum übernehmen. Dazu las ich die Schülerbö- obwohl ich keine Fachlehrerin war. Der Lehrerstudium kam. Der Direktor er Erwei- gen, lernte die Namen auswendig, um gut Schulleiter, der wohl als Russischexperte terten Oberschule, so hieß damals die gym- vorbereitet zu sein. Am Tag des Unterrichts- meine Kenntnisse erkannte, nutzte das gna- nasiale Schulform, rief eines Tages (1951) beginns empfing mich der stellvertretende denlos aus, belastete mich mit vielen Stun- noch vor den Abiturprüfungen einige Abitu- Direktor. Dieser war mir schon vom Sehen den und übertrug mir noch die Leitung des rienten zusammen und erläuterte uns, dass bekannt, denn seine Eltern wohnten im glei- Russisch-Schulklubs. Aushilfen für die Lehrtätigkeit in Schulen chen Haus wie meine Mutter und ich. Er Der nächste „Nervenzusammenbruch“ gebraucht würden. erklärte mir: „Sei nicht traurig, Du bekommst bahnte sich schon an. Der Lehrer der Paral- In Schnepfenthal erfolgte dann ein drei- eine andere Klasse, deine hat jemand anderer lelklasse erkrankte und so hatte ich als Klas- wöchiger Ausbildungslehrgang zur Vor- übernommen!“ senleiterin zwei 5. Klassen mit je 40 Schü- bereitung auf den Unterricht. Uns erwarte- Meine Klasse war gerade neu zusammen- lern. Wie ich das damals geschafft habe, ten ellenlange Unterrichtsvorbereitungen, gestellt worden, darunter viele Kinder von kann ich gar nicht mehr nachvollziehen. Methodik und Didaktik waren uns bis dato Flüchtlingsfamilien mit sehr unterschiedli- Durch alte Freunde erfuhr ich, dass in Röm- völlig unbekannt. Ich sollte als Russischleh- chen Vorkenntnissen und auch viele „Pro- hild dringend Lehrer gebraucht wurden, rerin eingesetzt werden und verfiel in Panik. blemschüler“. Als Klassenlehrerin warteten denn damals hatten gleich drei Lehrer den Ich hatte zwar schon einige Jahre Russisch- auf mich sieben Fächer, und zwar Deutsch, „Weg in Richtung Westen“ eingeschlagen… unterricht gehabt und erreichte im Abitur Mathematik, Gegenwartskunde, Geschichte, In Römhild erwartete mich 1956 ein winzi- dann eine Note 1, aber zu diesem Zeitpunkt Geografie, Biologie und Russisch. Diese sie- ges Zimmerchen, wo sogar über Nacht das überwog die Panik, zumal ich zwei Tage vor ben Fächer erforderten täglich Unterrichts- Waschwasser eingefroren war. So fuhr ich dem Abschluss heimgefahren war und noch vorbereitungen, die bis nach Mitternacht nach der Schule nach Meiningen zu meiner keine Einweisung für den Einsatz in eine gingen. Mutter zum Aufwärmen und am Abend wie- Schule erhalten hatte. Nach einem Jahr war ich so erschöpft, dass der zurück, um dann morgens wieder pünkt- Im zuständigen Volksbildungsministerium ich mit meiner Kraft wirklich am Ende war. lich zum Unterricht da zu sein. Nach einiger in Weimar herrschte zu diesem Zeitpunkt Ich sagte dem Direktor: „Das halte ich nicht Zeit erhielt ich dann eine kleine bescheidene schon Chaos und Aufbruchstimmung, denn mehr aus!“ und trotzdem ging das Leben Wohnung. mit der Bildung der drei Thüringer Bezirke weiter. In Römhild übernahm ich zuerst eine 8. (, Gera und Suhl) wurde das Landes- Da bot man mir ein Fernstudium an mit Klasse und danach konnte ich als Klassenlei- ministerium aufgelöst. der Bezeichnung „D-12“ an. Monatlich terin eine Klasse von der 5. bis zur 10. Klasse Ich wollte meine Angelegenheit persönlich besuchte ich die Konsultationen Erfurt und führen. Gern erinnere ich mich noch an diese klären, doch ich bzw. meine Mutter hatten ein „alter“ Lehrer wurde mir als Mentor zur Jahre. Im August 1961 unternahmen wir nicht einmal das Fahrgeld für eine Fahrkarte Seite gestellt. Von Unterrichtstunden wurde zum Abschluss der 8. Klasse eine Fahrt in von Meiningen nach Weimar. So wandte ich ich nicht entlastet, die Stunden wurden ein- die Jugendherberge auf die Hohe Geba und mich an das Kreisschulamt und der stellver- fach auf die anderen Tage verteilt. Das dau- in den letzten Tagen kamen Sowjetsoldaten tretende Kreisschulrat Erich Müller (SED), erte über ein Jahr. Viele Kommilitonen und mit Funkstationen und wir ahnten nicht, dass ein väterlicher Typ, half mir und schickte Kommilitoninnen fielen auf Grund zu hoher dies der Auftakt zur den Ereignissen am 13. mich als „Kurier“ mit dienstlichen Unterla- Anforderungen durch die Prüfungen, ich August waren und damit das strenge Grenz- gen nach Weimar und die Fahrkarte wurde aber bestand mit „gut“ und war nun „Fach- regime begann. so vom Schulamt bezahlt. lehrer für untere Klassen“. (Auch der Schreiber dieser Zeilen war von Meine Mutter stattete mich mit 10 Mark von In der 6. Klasse hatte ich einmal eine der 5. bis zur 8. Klasse Schüler unter I. ihrem wenigen Wirtschaftsgeld aus, damit Inspektion im Geschichtsunterricht und Schade als Klassenleiterin und erinnert sich ich mir wenigstens ein Mittagessen leisten bei der Auswertung meinte der Schulin- gern an diese Zeit.) konnte. In Weimar angekommen, lieferte ich spektor: „Schlecht war‘s nicht, Sie müssen Diese Arbeitsjahre in Römhild habe ich noch die dienstlichen Unterlagen ab und bekam eben noch ein bisschen daran arbeiten...“ lebhaft in Erinnerung und es gibt auch noch innerhalb von fünf Minuten eine Einwei- Als ich ihm dann sagte, dass ich mich auch nach über 60 Jahre Kontakt zu ehemaligen sung für meine Schule ab 1. September an noch mit weiteren sechs Fächern täglich Schülern.

Ingrid Stengel, geb. Schade mit ihren Römhilder Schulkindern. Ausflug der Römhilder Schülerinnen und Schüler 1961 auf die Hohe Geba in der Rhön. Nr. 28 · November 2020 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­19 Geldumtausch in der DDR vor 30 Jahren

Hanns Friedrich bezahlte, was ja viel günstiger war, als die DDR-Mark. Holzbildhauer Dieter Frank aus Wenn sich Michael Schlauraff, heute Pfar- Milz erinnert sich noch, dass er nach Röm- rer in Bibra/Thüringen, an den 30. Juni 1990 hild zur dortigen Sparkasse ging. „Da haben erinnert, dann weiß er, dass man im Internat wir das, was wir im Geldbeutel in bar hatten, der kirchlichen Hochschule in Naumburg ein umgetauscht.“ Es sei recht zügig gegangen, Sommerfest feierte und eine ausgelassene da es keine Warteschlangen, wie in Meinin- Stimmung herrschte. Um Mitternacht sei es gen gab. Angelika Hoyer aus Hermannsfeld gewesen, dass die Studenten hunderte von kann sich kaum noch an die Tage erinnern. kopierten Geldscheinen durchs Treppenhaus „Wir wurden förmlich überrollt, von dem haben flattern lassen. „Wir haben sowohl was da plötzlich alles auf uns zukam. Es sei DDR- als auch DM-Scheine in schwarz-weiß eine aufregende aber doch auch schöne Zeit kopiert und uns einen Spaß daraus gemacht, gewesen!“ diese „unter die Leute zu werfen.“ Das sei Ralf Luther, damals Landrat im Landkreis der Abschied von der DDR-Mark gewesen. Schmalkalden, 1994 im neuen Landkreis Gertraute Koch war zu dieser Zeit Ange- Schmalkalden-Meiningen, berichtet, dass stellte der Kreissparkasse Meiningen und der Vertrag über eine Währungsunion am 18. erinnert sich, dass die Menschen am Mon- Mai 1990 unterschrieben wurde und am 1. tag, 2. Juli Schlange standen, um Geld zu Juli 1990 in Kraft trat. Dies alles im Vorfeld tauschen. Die Bank verfügte über große Tre- der Wiedervereinigung im Oktober des glei- sorräume, so dass dort Tage zuvor genügend chen Jahres. Beim Umtausch gab es unter- D-Mark eingelagert waren. schiedliche Sätze. Löhne, Gehälter, Renten, Ralf Luther (Rosa) weiß, dass man auf den Mieten und andere „wiederkehrende Zahlun- Ein historisches Bild aus der Ausstellung des Dörfern Geld mit den Nachbarn tauschte. gen“ wurden 1:1 umgestellt. Bei Bargeld und Kreisarchiv Meiningen. Es zeigt den dama- „Einige hatten viel Geld und gaben davon Bankguthaben waren die Regelungen kom- ligen Bankdirektor der Kreissparkasse Mei- etwas ab, damit auch die Ärmeren im Ort plizierter: Kinder unter 14 Jahren konnten ningen mit einer Angestellten und den neuen die neue Währung schnell bekamen.“ Es war bis zu 2.000 DDR-Mark im Verhältnis 1:1 D-Mark-Scheinen. Foto: Freies Wort Meiningen eine aufregende Zeit, denn die Geldtrans- umtauschen, 15- bis 59-Jährige bis zu 4.000 porte fuhren ja über Land und waren ent- DDR-Mark, wer älter war bis 6.000 DDR- Bankguthaben am Stichtag umgetauscht sprechend bewacht. Angelika Hoyer, heute Mark. Darüber hinausgehende Beträge, wurden, daher mussten sämtliche Bargeldbe- Kreisarchivarin am Landratsamt Meiningen, also auch größere Geldvermögen, wurden stände in einem gewissen Zeitraum danach erinnert sich, dass diese Transporte natürlich im Verhältnis 2:1 umgestellt; Kredite und auf ein Girokonto eingezahlt werden. „Die geheim waren und meist in den Nachtstun- andere Verbindlichkeiten 2:1. Die Münzen Leute kamen an den Schalter und tausch- den stattfanden. von 1 bis 50 Pfennige galten allerdings für ten die DDR-Mark in D-Mark um.“ Für die Wenn die Menschen aber sahen, dass im Ort eine Übergangsfrist weiterhin als gesetzli- Währungsumstellung wurden 440 Millionen plötzlich Polizeibeamte eine Straße absicher- ches Zahlungsmittel, was dazu führte, dass in DM-Banknoten im Wert von 27,5 Milliar- ten, kamen viele, um den Geldtransport zu den Wochen vor der Währungsunion beson- den DM mit 460 Tonnen Gewicht in 22.000 beobachten. „So was sah man ja nicht alle ders die 50-Pfennig-Stücke gehortet wurden, Packbeuteln in die DDR transportiert. Ein Tage.“ Oftmals sei es in den Ortschaften da sie auch nach dem 1. Juli noch verwen- Packbeutel enthielt 20 Pakete zu je 1.000 der DDR so gewesen, dass die gepanzerten det werden konnten. Der Einzelhandel nahm Banknoten. Aus Zwischenlagern wurden Fahrzeuge nicht ausreichten. „Da wurden die 1 und 2 DDR Mark Münzen in den letz- die Banknoten an die Bankfilialen verteilt. dann die DDR-Gefangenen-Autos, die ja ten Junitagen teilweise nur noch ungern an, Teilweise wurden dazu Gefangenentranspor- entsprechend durch Gitter gesichert waren, da diese bis zum Stichtag am Wochenende ter der Volkspolizei benutzt aus Mangel an als Geldtransporter genutzt“, berichtet Ralf gezählt, gerollt und auf ein Girokonto einge- gepanzerten Fahrzeugen. Gertraude Koch: Luther. zahlt sein mussten, sonst waren sie wertlos. Nach dem 1. Juli wurden dann auch ehema- Gertraute Koch erinnert sich an die Tage Getraute Koch, damals Angestellte bei der lige Mitarbeiter der DDR-Staatsbank für den nach dem 2. Juli, als die Umtauschaktion Kreissparkasse Meiningen, sagte, dass nur Ein- und Auszahlungsverkehr geschult. begann. Da habe man das DDR-Geld in Kisten und Waschkörben gesammelt und dies dann zur Bundesbank transportiert, wo es vernichtet wurde. Die ersten Umtausch- tage seien stressig gewesen, denn die Men- schen wollten alle so schnell wie möglich die D-Mark haben. „Wir haben bei uns in der Bank alles rekrutiert was möglich war, selbst unsere Ruheständler mussten wieder mit ein- springen.“ Pfarrer Michael Schlauraff, damals 20 Jahre jung, hatte für sich vorgesorgt und in den Wochen zuvor immer wieder D-Mark, die ihm von Bekannten, unter anderem zur Kon- firmation geschenkt worden war, auf die Seite gelegt. „Auch vom Begrüßungsgeld hatte ich noch etwas übrig.“ So war es für ihn ein Leichtes am Sonntagabend im Rats- keller von Naumburg zum Essen zu gehen und mit D-Mark zu bezahlen. „Es war schon ungewöhnlich, denn in der Kneipe waren kaum Gäste.“ Schmunzelnd erzählt er, dass Bitte umtauschen: Das DDR-Geld hatte mit dem 1. Juli 1990 seinen Wert verloren. Lediglich er schon zuvor des Öftern mit D-Mark Pfennig und 50-Pfennigstücke waren noch ein Jahr als Währung gültig, daneben DM-Münzen. Seite ­­20 Das Grabfeld Nr. 28 · November 2020

Literaturschau 2020

Reinhold Albert Anlässlich seines 15jährigen Bestehens ver- facher Auszeichnungen ins Fadenkreuz des öffentlichte der Historische Verein des Land- MfS als „Schild und Schwert“ der SED gera- Chronik der Gemeinde Sulzdorf an kreises Haßberge im August 2020 einen ten ist. Sein Fazit aus seiner „Begegnung mit der Lederhecke, Band III Sammelband zur Geschichte und Geschich- Tschekisten“: Die DDR schuf sich ihre Geg- Herausgeber Gemeinde Sulzdorf a.d.L., ten aus dem Landkreis. Hierin befinden sich ner selbst! ISBN: 978-3-942113-54-3. Preis 20 Euro interessante Beiträge, die auch unsere Hei- Hans-Jürgen Salier hat seine Erinnerungen in 1994 schrieb Rein- mat berühren. So berichtet Dr. Volker Röß- ein Narrativ gekleidet, das seine Lebenser- hold Albert eine ner über das alte Schloss Schweinshaup- fahrungen mit dem real existierenden Sozia- zweibändige Chro- ten (Gemeinde Bundorf, Foto), von dem in lismus in vierzehn Stationen erfasst. nik der Gemeinde unseren Tagen nur noch ein Torbogen erhal- Hans-Jürgen Salier distanziert sich entschie- Sulzdorf und sei- ten ist. Das Schloss wurde 1972 restlos den vom Begriff „Wende“, einer Wortschöp- ner Ortsteile, in beseitigt und einer neuen Straßenführung fung von Egon Krenz (*1937), dem letzten der ausführlich geopfert. Joachim Braun berichtet über die Generalsekretär der SED, „einem der fürch- zahlreiche Aspekte Einwohnerwehren nach dem Ersten Welt- terlichsten und peinlichsten Genossen der aus Vergangenheit krieg und auch der Rhön-Grabfelder Kreis- DDR-Geschichte“, weil dieses Narrativ bis und Gegenwart heimatpfleger Reinhold Albert ist mit einem heute meinungsbildend wirke. Sein Lob: unserer Heimat- Beitrag vertreten. Er erzählt die Geschichte „Unsere Menschen mit ihrer großartigen dörfer beleuch- der sächsischen Landwehr an der Grenze Disziplin sind bewundernswert!“ und tadelt tet wurden. Doch zwischen Unterfranken und Thüringen im die ehemalige DDR als „riesengroßen bio- damit waren die Heldburger Land. grafischen Waschsalon“, von dem weit mehr Nachforschungen natürlich nicht beendet. Parteigenossen profitierten als von den „Per- Seit 1995 verfasste er für das Mitteilungs- Hans-Jürgen Salier silschein-Aktionen“ nach 1945. Zwar schätzt er Spionagechef Markus Wolf, den „Mann blatt der Gemeinde „Echo der Lederhecke“, Im Land der Anderen – Begegnungen diverse Heimatblätter, das Heimatjahrbuch ohne Gesicht“ (bis 1985) als „klüger als Rhön-Grabfeld und weiteren Publikationen mit dem Sozialismus in der DDR, seine proletarischen Spießgesellen“ ein, aber weitere etwa 75 Beiträge über geschichtli- Leipzig/Hildburghausen er kritisiert ihn als Buchautor, v.a. für seine che Ereignisse in der Gemeinde Sulzdorf Salier-Verlag, 2020, 286 S., 14,90 €, ISBN „Meinungsmanipulation durch die bekannte und seinen Ortsteilen zu Themen, die in der 978-3-96285-023-4 Feindbildpflege“ (2003). Als entschiedener Chronik von 1994 noch nicht berücksichtigt Für Hans-Jürgen Gegner einer Schließung der Stasi-Akten sind. Ebenso hielt der Kreisheimatpfleger Salier (*1944) begründet Salier mit Verve, warum die Bür- in Jahreschroniken die wichtigsten Ereig- sind es subjektive gerrechtler 1989/90 Disziplin wahren mus- nisse in der Gemeinde Sulzdorf in Wort und Motive und objek- sten: „Anarchie konnten wir uns auf keinen Bild fest. Ergänzt werden seine Beiträge im tive Gründe, die Fall leisten“. Willi Eisele 3. Band der Gemeindechronik u. a. von Dr. den unbestechli- Annette Faber (Altar in der Serrfelder Kir- chen Zeitzeugen che), Dr. Birgit Speckle (Möbelindustrie in bewegten, seine Heimatjahrbuch Rhön-Grabfeld Sulzdorf), Nancy T. Polevoy (über die aus „Begegnungen mit 2021, Folge 43 Sulzdorf in die USA ausgewanderte jüdische dem Sozialismus Herausgeber: Landkreis Rhön-Grabfeld, Familie Heilner) und Kreiskulturreferent in der DDR“ einem Mellrichstadt 2020, Preis 21 Euro Hanns Friedrich (Feier zur Grenzöffnung vor Leserkreis über das Die 43. Folge des 25 Jahren). Gustel Schneider erinnert an die Heldburger Land Heimatjahrbuchs Sellbach-Hütte in Zimmerau. Nachdem die hinaus nach sei- Rhön-Grabfeld Herausgabe der ersten Chronik nunmehr 25 ner Einsicht in die (für das Jahr Jahre zurückliegt, regte die nunmehrige Bür- Akten des MfS 2021) erscheint germeisterin Angelika Götz an, einen dritten (2006) in Buchform zugänglich zu machen. in diesen Tagen. Teil der Sulzdorfer Gemeindechronik her- Als Diplomlehrer, Lokal- und Regionalhi- Kreisheimat- aus zu bringen. Diese wurde im März 2020 storiker, Philatelist, Autor und Verleger, pfleger Rein- im Sulzdorfer Gemeindezentrum im Bei- aber auch als Kommunalpolitiker hat Hans- hold Albert sein von Landrat Thomas Habermann und Jürgen Salier erfahren, dass der Machtap- (Sternberg) hat Bezirksheimatpfleger Prof. Dr. Klaus Reder parat der SED sich als „fähig zu allem und seit 15 Jahren vorgestellt. zu nichts entpuppte“. Er zeigt dies an Fak- die Schriftleitung ten auf, die er zunächst als „eigentlich nicht dieses traditions- Hist. Verein Landkreis Hassberge erwähnenswert“ einstufen wollte, musste reichen und in aber die Erfahrung machen, mit welcher unserer Heimat viel gelesenen Buches inne. Sammelband 1 – Geschichte Chuzpe geschichtsvergessene SED-Nach- Er hat wieder zahlreiche Beiträge gesammelt und Geschichten aus dem folger bis heute den „Schaden, den das und aufbereitet. Es war wegen der Corona- Landkreis Haßberge Unrechtsregime an Leib, Leben und Seelen Pandemie 2020 nicht einfach, das 480 Sei- der Menschen angerichtet hat“ bis heute zu ten umfassende Buch wie gewohnt mit inter- relativieren versuchen. Aus der Fülle seiner essanten Beiträgen aus dem Grabfeld, der Aufzeichnungen und der Bilanz seiner MfS- Rhön und darüber hinaus zu füllen. Nach- Akte hat der Autor exemplarisch Lebenssi- folgend eine kleine Auswahl, das Grabfeld tuationen ausgewählt, die belegen, wie er als betreffend: Ansgar Büttner berichtet über die Lehrer an der Polytechnischen Oberschule, Rettung der Wargolshäuser Dreschmaschine, durch seine Kündigung und seinen Berufs- Fredi Breunig über die Ausfallstraßen von wechsel ins Verlagswesen („Delegierung“, Großeibstadt in alter Zeit und Regina Vos- 1987), aber auch in seiner ehrenamtlichen senkaul über die Arbeit der Energie-Initia- Tätigkeit als Philatelist im Kulturbund der tive Rhön-Grabfeld in den zurückliegenden Herausgeber: Historischer Verein Landkreis DDR, des AK Postgeschichte Thüringen mit 25 Jahren. Karl Ebert trug Fotos und Infos Haßberge, ISBN 3-938438-26-6, Haßfurt internationalen Kontakten im Bereich der der legendären Reise eines Luftschiffs über 2020, Preis 20 Euro Briefmarken- und Münzkunde trotz mehr- dem Grabfeld 1939 zusammen. Christa Hey Nr. 28 · November 2020 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­21 erinnert an die „gute alte Zeit“. Dr. Roland reihe der Kulturagentur des Landkreises Ansgar Büttner Sauer beschreibt eine Rückertreise nach Rhön-Grabfeld, Mellrichstadt 2020, Preis Großbardorf und Prof. Dr. Ekkehard Wagner 6 Euro Die alte Dreschmaschine erzählt …. erinnert sich an Gastspiele bei der Milzgrund- Als Band 4 der Eine Geschichte über den Werdegang der kapelle und an einen Überschlag mit seinem Schriftenreihe alten Dreschmaschine von Wargolshausen „Karo“ bei Eyershausen. Michael Böckler der Kulturagentur und über die Getreideernte von einst. Her- steuert einen Beitrag über die Mennonitenge- des Landkreises ausgeber: Vereinsgemeinschaft Wargolshau- meinde in Trappstadt bei. Wolfgang Weber Rhön-Grabfeld sen e. V., Mellrichstadt 2010, Preis 5 Euro schildert am Beispiel Wülfershausen, wie erschien in diesen Die alte Dreschmaschine von Wargols- Seuchen (Diphterie) einst der Bevölkerung Tagen ein rund 70 hausen, die 1957 von 36 Ortsnachbarn zusetzten. Hanns Friedrich erzählt von Wall- Seiten umfassen- gemeinschaftlich angeschafft wurde, sollte fahrten in Corona-Zeiten und Konrad Stei- des Büchlein über eigentlich zerlegt werden, nachdem der Mäh- nert über den Aufenthalt von Friedrich Höl- die Geschichte drescher in den 1960er Jahren seinen Sieges- derlin in Waltershausen vor 250 Jahren. Im des Weinanbaus zug angetreten hatte. Doch die vorüberge- Jahrbuch 2021 wird Teil II der Erinnerungen im Landkreis hend in Vergessenheit geratene Maschine der Adolf Manger in Sondheim im Grabfeld Rhön-Grabfeld. wurde 1980 bei einem Dreschfest wieder in veröffentlicht. Markus Büttner steuert tolle Bereits vor 1400 Gang gesetzt und bildet nunmehr den Mittel- Fotos aus dem Grabfeld bei und Jürgen Rein- gab es in unseren Breiten einen ansehnlichen punkt in einem eigenen Kommunikationshof hardt beschreibt detailreich den Vierzehnhei- Weinbau. Doch die Qualität ließ im Lauf der in der Ortsmitte von Wargolshausen. Ansgar ligenbildstock in Merkershausen. Schriftlei- Jahrhunderte in Anbetracht der Klimaver- Büttner hat zahlreiches Bild- und Textmate- ter Reinhold Albert ist mit sechs Aufsätzen änderung nach, bevor der Rebenanbau im rial zusammen getragen und ein rund 50 Sei- vertreten, so u. a. über den Leidensweg des 19. Jahrhundert vorübergehend eingestellt ten umfassendes Heft geschrieben, das von Weisbacher Pfarrers Spielmann im Dritten wurde, zumal ein amtliches Urteil über den der Vereinsgemeinschaft Wargolshausen mit Reich oder über den Widerstand in Rhön Neustädter Wein lautete: „Ein starker Trunk Unterstützung des Bezirks Unterfranken, des und Grabfeld gegen das Nazi-Regime. Er davon ließ die Zähne zusammen beißen.“ Landkreises Rhön-Grabfeld sowie diverser veröffentlicht weitere Auszüge aus der hand- Andernorts wurde nieder geschrieben: „Nach Firmen und Banken heraus gegeben wurde. schriftlichen Chronik des Franziskanerklo- solchen Trunk kamen ihm die Tränen.“ oder: Das Heft gliedert sich u. a. in die Themen- sters auf dem Kreuzberg, berichtet über den „Nach solchem Trunk musste man mehr wei- felder die Ernte und ihre Bedeutung, der Inhalt eines Unterelsbacher Pfarrbuches aus nen als lachen“ u. ä. Liebenswerte Bezeich- Selbstbinder, das Dreschen mit dem Dresch- dem 18.-20. Jahrhundert und schildert die nungen des ehemaligen Rhöner Weins flegel, der Siegeszug der Dreschmaschine Gründungsjahre des Überlandwerks Rhön waren z.B. „Lacrimae Petri“ (= Tränen des und das Wargolshäuser Dreschfest 1980 und vor 100 Jahren. Und natürlich sind in dem Petrus, nach dem Bibelzitat: „Er ging hin- das Brauch- Buch wieder Gedichtbeiträge und Mundart- aus und weinte bitterlich!“), „Wechterswink- tumsfest 2011. geschichten von Fredi Breunig, Christa Hey, ler Aufbrüh“ oder „Wollbicher Dünnpfiff“. Dann wird der Erika Jeger, Karl Hillenbrand und Dr. Hein- Doch siehe da – seit einigen Jahren wird Aufbau des rich Mehl enthalten. Titel und Rückseite des in Strahlungen wieder Wein professionell neuen Zuhau- Jahrbuchs Rhön-Grabfeld 2021 zieren mei- gekeltert. Ein Kapitel im von Kreis- ses der Dresch- sterhafte Fotos der Kreisstadt Bad Neustadt heimatpfleger Reinhold Albert verfassten maschine von Dr. Jan Gensler. Büchlein behandelt das Thema, was noch beschrieben an den Weinanbau in Rhön-Grabfeld erin- sowie deren Reinhold Albert nert. Akribisch nachgeforscht hat der Autor Umzug. Ja, und darüber, wo in den einzelnen Gemeinden dann kommt Der Weinbau in der Rhön und dem einst Wein angebaut wurde. In über 80 der das historische Grabfeld war einst weit verbreitet 113 Ortschaften Rhön-Grabfelds gelang Gefährt auch „Du edler Saft der Beeren, brin‘ uns’re der Nachweis über den Weinanbau in alter noch selbst zu Rhön zu Ehren!“, Band 4 der Schriften- Zeit. Wort.

Verein für Heimatgeschichte im Grabfeld e.V. Museumspädagogisches Zentrum (MPZ) im Vorgeschichtsmuseum Bad Königshofen i. Gr.

Anschrift: Ich, Straße/Hausnummer:

Postleitzahl /Wohnort:

geb. am Telefon-Nummer:

erkläre hiermit, daß ich dem Verein für Bankverbindung: Heimatgeschichte im Grabfeld e.V. / IBAN / BIC: Museumspädagogischen Zentrum (MPZ) bis auf schriftlichen Widerruf als Mitglied Kreditinstitut: beitrete. Mit der Satzung und dem Mitgliedsbei- Ort, Datum: Unterschrift: trag von 20,- Euro jährlich bin ich einver- standen. Seite ­­22 Das Grabfeld Nr. 28 · November 2020

Erzählt von Manfred Hummel, aufgeschrieben von Hans-Georg Fleischer Ein Gemälde einer Sonnenblume in Römhild

lage mit Lebensmitteln war damals schon keschön für das gemeinsame Mahl und er sehr angespannt und so hatten meine Eltern wollte sich gleich verabschieden, denn sein ein Schwein gefüttert, das nun gerade an die- Urlaub sei nun beendet und er müsse noch sen Tagen geschlachtet wurde. heute zum Zug. Meine Eltern luden also die Familie Roth, Ganz ungläubig nahm meine Mutter das unsere Nachbarn, zum „Schlachtschüssel- Bild entgegen, bedankte sich sehr verlegen essen“ ein. Die Eheleute mit ihrem Sohn und wünschte ihm Glück und eine gesunde nahmen dankbar die Einladung an. Es wurde Wiederkehr. Noch im Hinausgehen fügte er ein fideles gemeinsames „Gretelfleisch- hinzu, dass er im nächsten Urlaub noch einen schneiden“ und für Stunden waren die Sor- passenden Rahmen für das Bild anfertigen gen des Alltags vergessen. werde und verabschiedete sich mit den Wor- Ich war damals ein Junge von fast neun Jah- ten: „Bis zum nächsten Urlaub..!.“ ren, doch bemerkte ich in den Gesichtszügen Monate später erhielt seine Frau die Nach- des Soldaten Nachdenklichkeit und Sorge. In richt, dass ihr Mann vermisst wäre. Der meiner kindlichen Naivität fragte ich mich geschickte Tischlermeister und begnadete warum, denn wir saßen fröhlich und nun Freizeitmaler Ernst Roth kam nie wieder auch gesättigt am großen Tisch. zurück. Er blieb in einem sinnlosen, zerstö- Zwei Tage später wurde mir klar: Er musste rerischen Krieg und ruht in fremder kalter wieder zurück zu seiner Einheit an die Ost- Erde. front und die Familie blieb in Römhild ohne Oft schaue ich mir das Bild und die Initia- den Vater und Ehemann zurück. Herr Roth len E.R. an und stelle mir vor, welche Bilder bedankte sich bei meiner Mutter noch ein- er in seinem Leben noch hätte malen können mal für das herzhafte Mahl auch im Namen und dieser Augenblick im Januar 1942 ent- In unserem Wohnzimmer, genau über der seiner Frau und bat, auch den Dank an mei- steht jedes Mal wieder vor meinem geistigen Couch, hängt seit nunmehr 54 Jahren ein nen Vater auszurichten. Dabei legte er einen Auge. besonderes Bild. Ein Sonnenblumenstrauß. in ein Tuch gewickelten großen Gegenstand Beim Umzug mit meiner Familie 1966 in Wenn ich es mir so anschaue, täglich fällt auf den Tisch und packte ihn vor den Augen unser eigenes Haus bat ich meine Eltern mein Blick darauf, gehen die Gedanken viele meiner Mutter aus. um das Bild, um diesem und der Erinne- Jahrzehnte zurück. Ich saß derweilen mucksmäuschenstill auf rung an diesen freundlichen Menschen einen Es war im Januar 1942 als ein Mitbewohner meinem Stuhl und werde diesen Augenblick würdigen Platz zu geben. Das Gemälde unseres Hauses – er war Soldat der Wehr- nie vergessen. Herr Roth stellte den Gegen- wurde von vielen bewundert und auch macht an der Ostfront – auf Heimaturlaub stand, es war ein Bild auf Leinwand, fast Kaufangebote gemacht – es ist jedoch unver- bei seiner Familie weilte. Die Versorgungs- senkrecht auf und meinte, das wäre sein Dan- käuflich.

Hebammenwahl in Untereßfeld

Otto Schulz ein geheimes Kommando hin verließen sie den Raum und beseitig- ten ihren ersten Zorn und Durst in der alten Winkler‘schen Brauerei Die Frauen und 21 Mädchen von Gabolshausen und Untereßfeld und feierten im „Fuchsloch“ weiter. Als immer mehr Frauen mit wählten im Mai 1896 ihre „Ammefra“ oder Hebamme! Da diesmal dem revoltierenden Magen Schwierigkeiten hatten, beendeten sie je eine Kandidatin aus den beiden Ortschaften sich zur Wahl stell- das Gelage im „Fuchsloch“ und zogen mit ihrem getreuen Bürger- ten, gab es schon Wochen zuvor lange Debatten, Gespräche und meister Lang über den Berg nach Hause zurück. Prophezeiungen über den Wahlausgang; vor allem bei den Back- Dort versanken sie nicht in „flammender“ Depression. Die Män- vorbereitungen am Gemeindebackofen blühten die Gerüchte. ner hatten schon alles gerüstet zu einem „Weiberball“. Bis in die Gabolshausen hatte mehr Wahlberechtigte als Untereßfeld und fei- frühen Morgenstunden hinein dauerte die ausgelassene Stimmung. erte in kleinen Gruppen schon den Sieg im Voraus. Untereßfelder Nach und nach schlitterten die einzelnen Paare nach Hause und die ließen trotzdem den Kopf nicht hängen. Sie hatten, wenn sie auf Katerstimmung griff allmählich bedrückend um sich. die kommende Niederlage angesprochen wurden, nur ein Lächeln PS: Der Gabolshäuser Lehrer Max Tschiggfrey übrig. Führen sie etwas im Schilde? erzählte diese Geschichte bereits in den Blättern Der Wahltag war gekommen. Die ganze „Frauenwelt“ von Gabols- für Heimatkunde Nr. 4/1934 unter dem Titel „Die hausen hatte ihre Festtracht angelegt und war bester Stimmung. Hebammenwahl im Jahre 1896 zu Untereßfeld i. Vor dem Wirtshaus versammelten sie sich. In ihrer Mitte schritt fei- Gr.“ Sein Schlusssatz lautete: „Die Erinnerung erlich und würdig die Gabolshäuser Vertreterin, die Polizeidieners aber an jene „berühmte Hebam- Maja und neben ihr der Bürgermeister namens Lang. Auf Schub- menwahl“ lebt fort in karren wurden die gehbehinderten Frauen über den Berg nach traulichem Kreis zu Untereßfeld gebracht. Alle versammelten sie sich vor der alten vergnügten Stunden Volksschule und wollten geschlossen in den Saal einziehen. Doch und ergötzt heute der war schon halb besetzt, und die Gabolshäuser wurden immer noch im Stillen, auf- blasser, denn immer wieder brachten die Untereßfelder auf Schub- gefrischt und „aufge- karren selbst die ältesten Frauen heran. Der Saal war überfüllt und wärmt“, die Gemüter die Hoffnung, den Sieg zu erringen, sank bei den Gabolshäusern der nunmehr betag- merklich: Was kommen musste, kam dann auch: Die Untereßfelder ten Dorffrauen.“ siegten mit großer Mehrheit und jubelten laut. Bei den Verlierern herrschte anfangs großes Entsetzen. Und wie auf Aus: Geh zu, lach a weng, 2001, Zeichnung: Rudi Breunig Nr. 28 · November 2020 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­23 Trappschter Kinner in die 1970er und 1980er Johre

Mathias Gerstner würschtlich zum Rächern aufkengt. und des Geld ist Wenn de Landwirtschoft dähäm koht host, folchendermasen Als mir Kinner, die zwische 1970 und hoste ach immer mit oh müs back. Ich wor aufgedählt wurn: 1980 geborn worn sän, in Trappscht auf- als Kind immer a weng krank ober trotzdem Alle dies erscht gewochse sän, hods nuch keh Inderned hob ich mei Zeuch müss moch. N meiste Johr dabei worn, und Fäsbuck gabe. Mir höm unner Kind- hots mich immer aufgerecht, wenn ä Ziddl höm eh Mark heit ganz annersch verbrocht, ach wenns auf n Esszimmerdisch gelache wor: „Mir sän gricht, alle dies erscht rund 40 Johr her is. drausen Büdderich. Ess ä Brod und schock zwed Johr dabei Mit drei Johr biste nein Kinnergarde komme. die Fuhr Fudderrube nein. Gruß Mama.“ Do worn zwee Mark Entweder zu die Helga oder zu die Kloster- wor ich scho gelode. und so weiter. schwester Adelmara. Bei die Schwestern N meiste Spaß hots immer gemocht, wenn Und den schönne ises immer ä wenig strenger zugange. Wenn mir Kinner alle im alde Schluus gschpield grösse Rest höm die Schwester Oberin mol auskolfe hot, ist höm: Verschteckeläs oder „Könich, Kaiser, die Oberminisd- immer ä Gschichte vorgelas worn. Wehe es Hosescheißer“. Do höm mir ä boor Gräß auf rande gricht. Die Zwillingswooche hot ehner beim Vurlase geschwätzt! S Baa- die Ströß gemolt und uns dann nei gestellt. Älsdä. Do hosde sele wor immer nabe dro gelache. Dann hots Dann is mä mit n Bool obgewurfe worn. nadürlich ach n ohdrib kohd beim Minisdri- ä poor auf die Pfode gabe. Schö wor ach immer in die größ Schluus- ern dabei zu bleibe. In die Schul sänn bis zu die vierd Klass scheuer vo die Balge neis Hää spring. Ich wäs noch wie mir mitn Hutzlerschmied alle Kinner noch in Trappscht nei gange. Naben Kauflode „Rink“ hoste noch zwee mol n schönne Minisdrandeausfluch naufn Do hoste dann nebe die Alschlabe im Kin- anner Kauflade in Trappscht koht. Bei die Kreuzberch gemocht höm. Mit Übernoch- nergarde ach Kinner aus anndere Dürfer s Ida is noch die Ferien immer des ganz Schul- tung in ä Hüdde in Kilianshof. Heimatland erschte mol kenne gelernt. Wenn de Werkn zeuch gekäfft worn und hinnern Roth is es wor des schö. Mir höm alle in ehn größe oder Kunst bei die Frau Kneuer kobt host, meiste gekäft worn, wos mä alles so zum Raum gschloffe. Ehner hat Heftlich mit hoste nix dürf vergess, sonst hoste Ärcher Esse gebraucht hod. Fast hät ichs vergesse: Säuerei dabei kohd. Heieiei. N nexte Doch gricht. Wenn de noch n Uhu vergesse host, Oh Silvester sän nadürlich ach die Knaller sän mä naufn Kreuzberg gelaffe. worsch keh Problem. Schnell nochmol vür bei die Ida gekäft worn. Wennde noch kehne N schönste vom Minisdriern worsch dann, zum Einkaufslode und ä Dube gekäfft. Do gricht host, hot halt ehner vo die ältere Bube wenn de bei die Älste dabei worscht und bei hots ach immer die beste Nöscherei gabe. Ich des zeuch müs käff. die Drei Könich mit kön moch host. Do hods erinner mich nuch noch oh die hade, rosa- Die Milch ist jeden Doch mit die Milchkann nur eh Trubbe gabe, die´s ganz Durf gemocht rode Kaugummi mit Obziehbildlich drauf. bein Nochber kult wurn. Der had Milch- hod. Die erscht Flösche Weih is beim Bür- N Wanderdoch sän mä naufn Höhberch, nü küh im Stool. Wenn de ä Gliesle Honich chermäsder sei Mudder aufgemocht worn. die Saalequell noch Alschlabe oder nauf die gebraucht host, biste zum Hippolds Ewald. Do hosde ned ehrrer raus gedürft, bis die Aldeburch gelaffe. Wenn die Schüh freckt gange sän, hoste sä Flösche Weih ach wallich leer wor. Dann N Winter sän alle Kinner mit`n Schliede hinner bein Schuster gedroche. So hoste ises hoorich worn. Uben „Griche“ hots viel nauf`n klenne Hügl gelaffe, der „Kanna- noch viel im Dürf kön erledich. In Künsufe Likörlich gabe. „Gel euch Bube frierds duch. sack“ häst. Ich gläb des wor scho vor hun- hots noch kehn Aldi und Müller gabe. Ged ä mol reih, währmt euch ä wenig auf nert Johr die Schliedeboh vo alle Kinner in Die Fosenochd in Trappscht wor immer und dringt ä Schnäpslä,.“ hots do mehrmols Trappscht. Un wenn dann in Januar die Wied wunderbor. Noch n Januar is ohfgfang worn, kesse. Und n 6. Januar 1990, mir worn da beim Schluuss zu gfrorn wohr, sänn Eishoc- Faschingswache zu baun. Die Kinnergar- fuchzä Johr alt, sän mir als Dreikönich Rich- kischlächer mit Dochladde gabaut worn. dekinner sän alle aufn Kinnergardewoche tung Dräch (Eicha) non Grenzübergang zur Mehr als ehmol sänn ä bor vo uns Kauze komme. Wenn de älter worscht, hoste scho DDR gange. Im Grenzkontäner vo die Russe eigebroche, wenn des Eis noch ned gedro- selber ä kle Handwachelä gebaut. Ehmol höm mir dann unner Dreikönigssprüchle che hot. höm die Bube „Säukäffer“ gemöcht. Do aufgsoche und warme Wodga gricht. Die Zweemol es Johr is gschlocht worn. Doch sen beim Vodder ausn Stool ä bor Gelslich Russe höm zwor kehn Ton verschdanne, vorher hot unner Hausmetzger Götze Adolf oder Bärchl kuhlt wordn und nein Säukoste ober schö worsch. Do biste dann mit die die Sau dod gemocht. Do hob ich immer kumme. Noch´n Fosenochdszuch hadde die Weihrauchkessele n Neu Uhr Obets widder gern kulfe. „Geh nochmol schnell hinnern Säulich dermas´n Husde koht, dass der Tier- in die Sakristei eigedrudld und der Heilicher- Lode und hul zwee Backlich Brühbaach und orzt müs kum hod. mäster, hot dir beim Ömziehn widder kulfe. ä Pfund Pföffer“, hot die Mudder gsocht. Bei uns Bube is die Entscheidung für Kin- Drei Wirdschofde hade mä nuch ins Durf Es Blud durfte mir Kinner net rühr, weil nerfasching schnell gfalle: Endweder Kau- kohd. Der Scherschwarz mit Metzgerei, der des musst immer richdich schnell gschllo- boi oder Indianer. N wichtigste worsch dann, Mäster und der Felix. Mit mein Vodder wor che wer, dämits ned gerinnt. Der Fläschbe- hinner die Ida zu gän und genuch Erbsä für ich öfdersch n Sundich nochmidoch hinnern schauer aus Herbscht is dann noch Obets die Erbsebisdol zu käffe. Ich wäs noch wie Scherschwarz. Die Wirtä hod uns Kinner neis Haus kumme und sei größ Mikroskop des sackrisch gepfizt hot, wenn de auf die dann ach ä mol ä Flöschle Mirinda gabe. N ausgebackt. Ober der next Doch wor inter- nockiche Arm dann Erwäs obgricht host. Schönste worsch immer beim Mäster. Der essand. Do konnst nur khoff, dass der Metz- Ehmol hot ä Prinzessin ä Erbse in die Nose Erwin Kastaun hot nächlich n Kicker im ger n Obed vorher net zu arch lang in die gestecket. Des wor ä Jocht bis die wieder Hausplatz kohd. Und in die Wirdschoft hots Wirtschoft kuckt wor. „Mein Kaffee sauf hause wor. zwee Audomade mit Nüßlich gabe. Rote- ich schwarz, ohne Milch und Zugger, odder Noch die Fosenocht ises für die Bube mit und weiße Nüßlich mit Saalz. Do hoste 20 wölld ihr mich vergift!“ Ab halb elf sän die Rumpelprobe los gange. Alle Bube höm noch Pfennich nei gewurfe und der Mäster hot Erschte zum Kesselfläsch esse komme. Mir die Kommunion es Minisdriern oh gfange. die mit ä Bierdeckel ä kle Babdecklschüs- Kinner höm dann ä Emerle Gridlsubbe nauf Die Pfarrer wollte dürtmols keh Mädlich sel gebuche. Dann konste schö die Nüßlich die Klosterschwestern müs droch und eh om Aldor hob. Beim Rumbln worn mir oh draus genösch. Wenn vom Sundigsgeld noch Emerle naufn Pfarr. Wenn noch a Laber- die 30 Bube, die dann durchs Durf gelaffe wo ü wor, hoste dir für 30 Pfennich noch e würschdle in die Griedlsubbe gelache wor, sän. N Karsamsdich hots dan kässe: „Wir kle Minimilch gekäft. worschte nuch besser oh gesenn. N beste haben geklappert fürs Heilige Grab und bit- Alles in allem höm mir in Trappscht ä wirk- höm immer die Nierlich und dann die Hock- ten um eine kleine Gab“. Ich gläb mir worn lich schönne Kindheit kön derlab. Mir höm fläschbröder gschmeckt. Der Opa hot dann die letzte Rumpelbube, die ned nur Geld, Sträch getriebe, wies die Kinner vur uns ach immer im Rächerschrank die Knackwürscht- sondern noch Ähr gricht höm. Die Ähr sänn scho gemocht höm und wies die Kinner noch lich, die Schinge und die Laber- und Blud- dann vorn beim Husliks Bäck verkäft worn uns ach nuch moche. Seite ­­24 Das Grabfeld Nr. 28 · November 2020

Schriftenreihe des Vereins für Heimatgeschichte im Grabfeld:

Band 1: Sabine Hansen, „Die Römhilder Reimchronik“, ISBN 3-86180-089-6, Verlag Frankenschwelle KG, Band 37: Reinhold Albert: Der Grenzsteingarten im (z.Zt. nicht lieferbar) 98646 Hildburghausen. Kurpark in Bad Königshofen - Initiative von Bürger- Druck: Holl-Druck GmbH, Hofheim i. Ufr, 1989. Band 18: Reinhold Albert: Chronik von Herbstadt meister i.R.‚ Clemens Behr, Untereßfeld 2015. Band 2: Reinhold Albert, „Geschichte der Juden im mit seinen Gemeindeteilen Ottelmannshausen und Band 38: Hanns Friedrich: Autobahnkir- Grabfeld“, Druck: Druckerei Schedel, Kleineibstadt, Breitensee, Kleineibstadt 2001. che Thüringer Tor an der A 71 - Ein Ge- 1990. Band 19: Gerhard Schätzlein/Reinhold Albert: Gren- denkstein für das Wunder des Friedens. Band 3: Leo W. Hamm, „Der Königshof im Grabfeld“, zerfahrungen II 1972 – 1988, Bayern, Hessen/Bezirk Band 39: Reinhold Albert: Geschichte der Wallfahrts- Druck: Schunk Druck- und Verlags-GmbH, Bad Suhl, Hildburghausen 2001. kirche Maria, Trösterin der Betrübten, auf dem Fin- Königshofen, 1991. Band 20: Michael Böckler: Die Schott von Schotten- delberg bei Saal an der Saale. Mellrichstadt 2015. Band 4: Reinhold Albert, „Geschichte der Wüs- stein im Grabfeld, Trappstadt 2003. Band 40: Hanns Friedrich: 65 Jahre Städtepartner- tung Eschelhorn (Urselhorn) und der St.-Ursula- Band 21: Reinhold Albert: Ipthausen – eine Chronik, schaft Bad Königshofen im Grabfeld und Arlington/ Texas, Bad Königshofen 2016. Kapelle bei Alsleben“. Druck: Druckerei Schedel, erschienen zum 250. Jubiläum der Wallfahrtskirche Kleineibstadt, 1992. Mariä Geburt, Kleineibstadt 2004. Band 41: Reinhold Albert: Chronik von Großbardorf, Mellrichstadt 2016. Band 5: Barbara Rösch/Gerhard Schätzlein/Hanns Band 22: Gerhard Schätzlein/Reinhold Albert/Hans- Friedrich/Reinhold Albert, „Grenzerfahrungen 1945- Jürgen Salier: Grenzerfahrungen III 1989/90 Bezirk Band 42: Reinhold Albert: Alsleben – 1150 Jahre Ge- 1990“, Willmars/Mellrichstadt, 1993. Suhl – Bayern/Hessen, Hildburghausen 2005. schichte – Vom Wandel einer lebendigen Gemeinde, Mellrichstadt 2017. Band 6: Leo W. Hamm, „Sagen, Geschichten und Le- Band 23: Hanns Friedrich/Andrea Rückert: Bildschönes genden aus dem Königshöfer Land“, Druck: Drucke- Bad Königshofen, Kleineibstadt, 2006.. Band 43: Reinhold Albert: Chronik von Groß- und Kleineibstadt – Die Geschichte der Dörfer, Mellrich- rei Schedel, Kleineibstadt, 1994. Band 24: Michael Böckler: Die Truchsesse von Trapp- stadt 2018 Band 7: Reinhold Albert, „Kriegsende 1945 und Nach- stadt 1317-1520, 2006; Glockentaufe in Königshofen kriegszeit im Königshöfer Grabfeld“, Druck: Schunk 1514, 2002. Band 44: Reinhold Albert: Silberstrauß und Ringelein, silbern ist das Mägdelein – Bräuche in alter und neuer Druck- u.Verlags-GmbH, 1995. Band 25: Andrea Rückert: Engel – Himmlische Boten Zeit und Rhön und Grabfeld, Mellrichstadt 2018. Band 8: Klaus Reder/Reinhold Albert, „Rhön und auf Erden, Kleineibstadt, 2006. Grabfeld im Spiegel der Beschreibungen der Bezirks- Band 45: Reinhold Albert: 1219-2019 – 800 Jahre Band 26: Reinhold Albert – Chronik von Rappershausen, ärzte Mitte des 19. Jahrhunderts“, Druck: Dru- Leinach – Wir Leinacher – Ein Dorf aktiv, lebens- Bad Neustadt 2007. ckerei Schedel, Kleineibstadt, 1995. wert, liebenswert. Mellrichstadt 2019 Band 27: Reinhold Albert – 300 Jahre Kath. Pfarrkirche Band 9: Michael Böckler, „Unbekanntes Ganerbendorf Band 46: Michael Böckler: Trappstadt – 750 Jahre be- Untereßfeld, Bad Königshofen-Untereßfeld, 2008. Trappstadt“ Druck: Druckerei Schedel, Kleineibstadt wegte Geschichte, Mellrichstadt 2019 1997.€. Band 28: Reinhold Albert/Hans-Jürgen Salier: Gren- Band 47: Manfred Firnkes: Das frühe Grabfeld des 8. zerfahrungen kompakt – Das Grenzregime zwischen Band 10: Detlev H. Pleiss/Leo W. Hamm: „Der Dreißig- Jahrhunderts: historische Einordnung und urkundli- Südthüringen und Bayern/Hessen 1945 – 1990, Sa- jährige Krieg im Königshöfer Land - Königshofen un- che Quellen, Mellrichstadt 2019 lier Verlag; ISBN: 978-3-939611-35-6; 2009. ter der schwedischen Besatzung 1631 - 1634“ Band 48: Reinhold Albert: Hendungen – ein Dorf mit Druck: Druckerei Schedel, Kleineibstadt, 1997. Band 29: Clemens Behr – Heimatlieder aus dem frän- einer spannenden Geschichte, Mellrichstadt 2019 kischen und thüringischen Grabfeldgau, Untereß- Band 11: Fritz Köth, „Künstler aus dem Grabfeld - Band 49: Hanns Friedrich: Bildschöne Heimat – Das feld 2010. Erich Mutze, Willi Pflüger, Theo Dreher, Ludwig Sto- Grabfeld - Franken und Thüringen, Mellrichstadt 2019 Band 30: Reinhold Albert – Althausen im Grabfeld – er- larski, Willy Ruß“ Druck: Druckerei Alfons Schedel, Band 50: Reinhold Albert: Merkershausen – das Dorf schienen anlässlich der 200-Jahrfeier der Gründung Kleineibstadt, 1997. am Haßbergtrauf, Mellrichstadt 2019 der Pfarrei Althausen, Untereßfeld 2011. Band 12: Reinhold Albert: „Geschichte des Kapuzi- Band 51: Reinhold Albert: Chronik der Gemeinde Sulz- nerklosters und der Klosterkirche Bad Königshofen i. Band 31: Reinhold Albert - Chronik von Unter- und dorf a. d. L., Band III, Mellrichstadt 2020 Gr.“ Druck: Druckerei Alfons Schedel, Kleineibstadt, Oberebersbach, Herausgeber Gemeinde Nieder- 1997. lauer, Bad Neustadt, 2012. Band 13: Reinhold W.F. Heusinger und Gerwin K. Solf: Band 32: Clemens Behr - ‚s Brünnle und ‚s Kreuzle in Videoreihe Hanns Friedrich: „Die Grafen von Wildberg und ihre Wappengenos- Breitensee, 2013. sen, sowie die Dynasten von Thundorf und Tann- Band 33: Reinhold Albert: 50 Jahre neue Pfarrkirche St. Video 1: 1250 Jahre Bad Königshofen; 1991. roda.“ Eigenverlag des Vereins für Heimatgeschichte. Vitus in Wülfershausen/Saale, Wülfershausen 2013. Video 2: 550 Jahre Stadtpfarrkirche Bad Königshofen. 1993. Band 14: Otto Schulz: „Wenn’s weihnachtet im Band 34: Reinhold Albert: Das Grauen in der Hölle von Grabfeld“ – Weihnachtliche Geschichten und Spiele, Dachau - Die Leidenszeit des Pfarrers August Eisen- Video 3: Der Todeszaun; 1994. Kleineibstadt 1998. mann aus Alsleben im KZ Dachau von 1941 - 1945, Video 4: Beim frühen Morgenlicht- 50 Jahre Män- Band 15: Archäologische Arbeitsgruppe Rhön-Grabfeld, Untereßfeld 2014. nerwallfahrt; 1995. Walter Jahn (Hg.): VORZEIT - SPUREN in Rhön und Band 35: Reinhold Albert: Burgen, Schlösser und Kir- Video 5: Rhöner Advents- u. Weihnachtszeit; 1996 Grabfeld, Kleineibstadt, 1998. chenburgen im Landkreis Rhön-Grabfeld, Bad Neu- Video 6: Das Geheimnis des Steinplattengrabes 1998 Band 16: Otto Schulz: „...Wallt‘ ich den Birkenpfad“, stadt 2014. Video 7: Das Gelübde – Männerwallfahrt 2000 Bad Königshofen 1999. Band 36: Hanns Friedrich/Andrea Friedrich-Rückert: Band 17: Gerhard Schätzlein, Barbara Rösch, Rein- Bildschöne Heimat - Wülfershausen - Eichenhausen, Video 8: Als Zaun und Minen Menschen trennten 1999 hold Albert: „Grenzerfahrungen 1945 bis 1971“, Wülfershausen 2014. Video 9: Die 12 Heiligen Nächte 2000 Video10: Ratschen und Osterstorch 2001 Video11: Plantanz Eyershausen 2002 Video 12: Johann Peter Herrlein 2003 Video 13: Plantanz Obereßfeld, 2004 Video 14: 110 Jahre Burglauer, 1999 Video 15: 500 Jahre Schmalwasser, 2006 Video 16: 960 Jahre Heustreu, 2007 Video 18: 750 Jahre Reyersbach, 2008 Video 19: In Gottes Namen (Wallfahrt Hollstadt), 2004 Video 20: Mit den Füßen beten (Wallfahrt Eyershausen), 2003 Video 21: Es war einmal - die deutsch-deutsche Die Schriftenreihe des Vereins für Heimatgeschichte im Grabfeld e.V. umfasst mittlerweile über Grenze - Filmdokumentation der Jahre 50 Bücher und Hefte. 1989 bis 2014 Nr. 28 · November 2020 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­25

Von Königshofen in die Vereinigten Staaten von Amerika Gertrud Schumacher vermeinte, ein Engel habe sie zu Kunigunde Weigand am Marktplatz geführt

Ein junges Mädchen wächst auf einem Bau- erhielten die Aufgabe, die Demarkations- Gertrud Schu- ernhof auf. Ihre Mutter stirbt und sie wird linie zur Sowjetischen Besatzungszone zu macher ließ sich von ihrem strengen Vater aufgezogen. Der bewachen und u. a. darauf zu achten, dass 1946 zusam- Krieg bricht aus und ihre Brüder werden in die Soldaten der Roten Armee die Demar- men mit ihrem den Krieg geschickt. Als Teenager zieht das kationslinie zwischen der sowjetischen und Freund, dem Mädchen bei ihrer älteren Schwester ein und amerikanischen Besatzungszone nicht über- US-Soldaten findet Arbeit in einem Restaurant, dann wäh- schritten. Gus Schelley, bei rend des Zweiten Weltkriegs freiwillig als Gertrud Schumacher folgte zusammen mit Foto Hemmerich Krankenschwester beim Roten Kreuz. Sie lernt einer Bekannten ihrem Freund in die Grab- in Königshofen nach Kriegsende einen US-Soldaten kennen, feldstadt. Zunächst wohnte sie in einer Sani- mit ihrem neuen, verliebt sich und sie verloben sich. So beginnt tätsstation Nähe der Molkerei Krämer. Sie aus ausgemuster- die Geschichte eines jungen Mädchens. Es ist benötigte jedoch eine Erlaubnis, um in der tem Fallschirm- eine dramatische Geschichte. Ihre Welt wird Stadt leben zu dürfen. Voraussetzung hier- stoff gefertigten durch den Krieg und seine Nachwirkungen auf für war der Nachweis einer Arbeitsstelle. Kleid fotogra- den Kopf gestellt. Frau Schumacher wurde schließlich auf fieren. Vermittlung ihres amerikanischen Freundes Reinhold Albert Dienstmädchen in einem von der US-Army rend des Krieges die schriftlichen Arbei- beschlagnahmten Haus. In diesem waren 20 ten des Nazi-Kreisleiters, der so Frau Wei- Gertrud Schumacher, gebürtig aus Alt Jabel Soldaten unter Aufsicht eines Unteroffiziers gand „nicht allzu helle war“, erledigt. O-Ton in Mecklenburg-Vorpommern, floh in den einquartiert. Frau Weigand über ihren Mann Theo: „Der Wirren der Nachkriegszeit bei Hannover von Nach erfolgter Registrierung hatte Ger- dumme Kerl! Er war nicht wirklich in der der sowjetischen in die amerikanische Besat- trud Schumacher Anspruch auf Lebens- Partei. Er machte nur Hausaufgaben für die zungszone und hielt sich zunächst bei ihrer mittelkarten. Die Zimmersuche erwies sich Gauleiter.“ Schwägerin in Hungen bei Frankfurt auf. in der damaligen Zeit als schwierig, denn Nachdem ihr Mann also vorbelastet war, Dort lernte sie den US-Soldaten Gus Shelley Unterkünfte waren schwer zu finden, da in musste Frau Weigand mehr Zimmer zur kennen und lieben. Mit 19 Jahren war dieser Königshofen und dem Grabfeld zahlreiche Verfügung, stellen als der damalige Durch- 1942 zum Militär eingezogen und nach Eng- Flüchtlinge und Vertriebene aus dem Osten schnittshaushalt. Das Schlafzimmer von land geschickt worden. Am 6. Juni 1944 lan- unterzubringen waren. Schließlich fand die Frau Weigand wurde von einer Kölnerin dete er am „D-Day“ als Angehöriger der 82. junge Frau ein Zimmer im Haus „einer sehr mit ihrem zehnjährigen Sohn bewohnt, ein Luftlandedivision in Frankreich. Sein bes- netten Dame“, wie sie schreibt, und zwar bei Nebenkämmerlein erhielt Frau Schumacher. ter Freund wurde bei der Landung getötet. Kunigunde Weigand am Marktplatz. Deren In dem von US-Soldaten bewohnten Haus Seine Einheit kämpfte anschließend gegen Ehemann Theodor war Lehrer und befand hatte Gertrud Schumacher für Ordnung und die deutsche Armee bis sie Frankfurt erreicht sich zu dieser Zeit in einem Kriegsgefan- Sauberkeit zu sorgen. Sie wurde jedoch hatte. Hier wurde Shelleys Einheit zur Bewa- genenlager in Frankreich. Die Amerikaner nicht mit Geld, sondern mit US-Zigaretten chung eines Krankenhauses in Hungen abge- hatten ihn mit weiteren zehn NSDAP-Partei- entlohnt. Ihr Tag in Königshofen begann ordnet und im April 1946 nach Königshofen mitgliedern bei Kriegsende in Königshofen mit einem Frühstück in der Kantine, in der im Grabfeld versetzt. Die US-Soldaten im April 1945 verhaftet. Weigand hatte wäh- amerikanische Köche die Mahlzeiten für die Soldaten zubereiteten. Der Speisesaal befand sich in einem ehemaligen Biergarten, der zu diesem Zweck beschlagnahmt worden war (das Gasthaus Rosenau). Der Besitzer wohnte noch im Obergeschoss. Manchmal saß ihr Freund Shelley mit am Tisch. Vorgesetzte bedeuteten ihm jedoch, dass er nicht bei ihr sitzen dürfe, weil sie Deutsche sei. Die deutschen Angestellten hatten an getrennten Tischen Platz zu neh- men. Doch Shelley bewies Courage und sagte: „Warum kann ich nicht bei ihr sitzen? Sie ist mein Mädchen, und ich werde sie hei- raten!“ Shelley suchte des Öfteren die Mol- kerei Krämer auf, weil er Käse liebte und sich gerne Käsesandwiches vom Grill zube- reitete. Er bezahlte die Ware mit Zigaretten. Eines Tages kaufte Shelley im PX-Store, einem Militärgeschäft in Königshofen, einen ausgemusterten Fallschirm, woraus sich Ger- trud Schumacher ein Kleid schneidern ließ. Das Paar suchte Hemmerichs Fotogeschäft auf und ließ sich mit dem neuen schönen weißen Kleid fotografieren. Nach Feierabend Im vierten Haus von links am Marktplatz in Königshofen wohnte die Familie Weigand im 3. trafen sich die US-Soldaten im „American Stock. Hier fand Gertrud Schumacher Unterkunft. Sie vermeinte, ein Engel habe sie zu Kuni- Club“, einem ehemaligen Bekleidungsge- gunde Weigand geführt. Diese kümmerte sich vorbildlich um die junge Frau und ihren kleinen schäft am Marktplatz. Sohn. Diese Ansichtskarte aus der Sammlung Elfriede Herda (Ostheim v.d. Rhön) wurde in Frau Schumachers Schwester Grete lebte der Nachkriegszeit aufgelegt. noch in Lübtheen bei Ludwigslust in der Seite ­­26 Das Grabfeld Nr. 28 · November 2020

„Ostzone“, wie die Sow- den Waren, die mir Shelley gab, konnte ich jetische Besatzungszone ganz gut bis zu seiner Rückkehr leben. Es in Deutschland damals schien, als hätte unsere gemeinsame Zukunft genannt wurde. Dort waren bereits begonnen.“ Sie wohnte weiterhin bei harte Zeiten angebrochen. Frau Weigand am Marktplatz und bekam Viele Menschen hatten noch einige Liebesbriefe von Gus Shelley. nicht genug zu essen. Und Bald jedoch war sprichwörtlich Funkstille. weil ihre Schwester sich Schon als er ging, hatte Frau Schumacher nicht ausreichend ernähren Zweifel, ob Gus zurückkomme und sie in die konnte, bekam sie Typhus. USA hole, zumal seine Mutter die ganze Zeit Grete teilte Gertrud mit, gegen die Verbindung gewesen sei. dass ihre Freundin Hilde, Es wurde Herbst und schließlich Winter. ins Krankenhaus einge- Frau Schumacher schreibt: „Was mich am liefert wurde und dort an meisten störte, war, dass ich dachte, ich sei Hungertyphus gestorben ein gutes, ein respektables Mädchen. Es gab sei. Dort seien so viele viele Mädchen, die mit Amerikanern gin- Menschen gestorben, dass gen, aber ich sah mich nicht wie sie. Ich es nicht genug Holz für dachte, ich sei anders. Und doch hatte ich ausreichend Särge gab. das Gefühl, dass es in Königshofen Men- Fast jeden Tag schickte schen gab, die auf mich herabblickten. Wenn ihr nun ihre Schwester aus man mit dem „Feind“ schlief, galt man Königshofen ein Paket mit als genauso schlimm wie die anderen. Das Lebensmitteln. Damals machte keinen Unterschied. Alle Mädchen durfte man nicht mehr waren in ihren Augen gleich. Und ich musste als ein Pfund pro Paket es ertragen. War dieses religiöse Städtchen (Reis, Mehl und Pudding- so frei von Sünde?“ mischung) verschicken. Babysachen wurden mit Hilfe von Frau Wei- Grete bescheinigte spä- gand und deren guter Freundin Else gefertigt. ter ihrer Schwester Ger- Sie hatte Verbindungen zu einer Strickerei in trud, die Sendungen hät- Köln und besorgte Wolle im Tausch gegen ten ihr und ihren beiden Nahrungsmittel. Diese bekam Frau Schuma- Kindern das Leben geret- cher, indem sie bei einem Bauern Zigaretten Dieses Foto von 1948 zeigt Gertrud Schumacher mit ihrem tet. Im Sommer 1946 kam gegen Wurst, Speck usw. tauschte und an Sohn Fred und Kunigunde Weigand (rechts). Grete zu Besuch nach Else weiterreichte. Königshofen. Anton Bie- Am 2. Januar 1947 wurde ihr Sohn im ber, der einen amerikanischen Imbiss am Königshöfer Krankenhaus geboren. Er hatte Gertraud Elsner Marktplatz betrieb, besorgte ihr ein Zimmer. blonde lockige Haare und ein wunderschö- Hier konnte sich Grete erholen, nahm Mine- nes Gesicht, das sie an seinen Vater erin- Zum Geburtstag ralbäder im Kurviertel und aß wieder gut und nerte. Wie sehr wünschte sie sich in diesem Es klingelt heut mit schrillem Ton reichlich. Gegen Ende des Sommers konnte Augenblick, dass er bei ihr hätte sein kön- den ganzen Tag dein Telefon, sie gesund nach Hause zurückkehren. nen. In all ihrer Traurigkeit war sie aber steht keine Viertelstunde still, Die Zeit verging und im späten Frühjahr glücklich, ihr Baby in den Armen zu hal- weil jeder gratulieren will. 1946 stellte Frau Schumacher fest, dass sie ten. Vor der Entlassung wurde das Kind in Die Ersten tun es schon um acht, mit Shelleys Kind schwanger war. Hoch- der kleinen Krankenhauskapelle getauft. Die du hast kein Frühstück noch gemacht. zeitspläne wiegelte ihr Freund gleich ab. Hebamme lieh ihr, wie sie es gewohnt war, Heut möchtest du dich schick frisieren, Amerikanischen Soldaten sei es zwar erlaubt ein kleines Taufkleid für ihr Baby, dem Frau doch nein! Du musst telefonieren. russische, polnische oder französische Mäd- Schumacher den Namen Teddy Gus (Fred) Kaum hebst den Arm du mit dem Kamm, chen zu heiraten, jedoch keine deutschen gab. da ruft schon wieder jemand an. Frauen. Frau Weigand überließ ihr nun in ihrer Woh- Du machst dann vor Verzweiflung ganz Im Juni 1946 erhielt Gus Shelley schließ- nung ein besseres Zimmer, damit sich das dir fix bloß einen Pferdeschwanz. lich seine Entlassungspapiere aus der Armee Baby gut entwickeln könne. Die Weigands Du musst die Torte noch glasieren, und wurde in die USA doch wann? Du musst telefonieren! zurückgeschickt. Er Sogar um zwölf, zur Essenszeit versprach ihr, sie mit man telefonisch nach dir schreit, dem Kind nachzu- und du bist innerlich empört, holen, bzw. wieder dass man dich heut beim Essen stört; zurück zu kehren. Als schön abgekühlt schlingst du `s hinein Abschiedsgeschenk und musst noch tun, als tät ‘s dich freu‘n. hinterließ er seiner Der Kaffeetisch ist schön gedeckt, schwangeren Freundin dein Kuchen allen Gästen schmeckt, keinen einzigen Cent, doch ein Gespräch kommt nicht zustande, jedoch einen Koffer denn ständig klingeln Anverwandte … voll Parfum und ame- Drum lass die Klingelei ich bleiben rikanischen Zigaretten, und will Dir meine Wünsche mit denen sie auf dem SCHREIBEN! Schwarzmarkt handeln Ich wünsch Dir zum Geburtstag heute konnte. nun Gottes Segen, Glück und Freude! Gertrud Schumacher Gesundheit sei Dir auch beschieden, schrieb: „Zigaretten Gelassenheit und Seelenfrieden! waren besser als Geld, Nun sei gegrüßt, du altes Haus, denn für jede Schach- Fred Piegonski besuchte 2014 seinen Geburtsort Bad Königshofen, denn mein Gedicht ist jetzt ganz aus. tel konnte man 100 wo er bei Bianca Fischer-Milz seine beiden Bücher über das Leben Mark bekommen. Von seiner Mutter vorstellte. Nr. 28 · November 2020 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­27 wohnten im 3. Stock eines dreistöckigen Hauses, an dem ein großer Getreidespeicher angebaut war. Sie hatten das Haus als Hoch- zeitsgeschenk von Weigands Familie bekom- men. Die Zehners betrieben ein Getreidege- schäft von einem Büro im 1. Stock aus und wohnten im 2. Stock. Sie betrieben das Lager im hinteren Teil, kauften Mais und Getreide von den Bauern und verkauften es an die Mühlen im Umkreis. Frau Weigand nahm nun den Platz einer Großmutter ein und Frau Schumacher gewann mehr und mehr die Erkenntnis, dass sie ein Engel zu ihr geführt habe. Das Kind wuchs schnell, hatte guten Appetit und wurde ein richtiger Wonneproppen. Doch, es brauchte einen Vormund „… zur Regelung des Kindeswohls“, wie es damals hieß. Der Stadtbeamte sagte der jungen Mutter, entwe- der sie suche jemand als Vormund für Teddy oder die Behörde würde jemand bestimmen. Gertrud Schumacher bat Imbissbesitzer Bie- ber Teddys Vormund zu werden. Er willigte ein und hatte dafür Sorge zu tragen, dass das Kind gut erzogen wurde und nicht hungern musste. Bieber stand zu seinem Wort, denn er wollte das Beste für den kleinen Jungen, 1992 entstand diese Aufnahme der Familie Piegonski/Schumacher mit hinten Gertrud (* bescheinigte ihm die junge Mutter viele 1926) und Fred (* 1947), davor Rita (1952-2009) und Liane (* 1950) sowie vorne Walter Jahre später. Der Vormund ihres Kindes (1957-2014), Lianes Sohn Marc (* 1974) sowie Wladyslaw (1925-2014). bot ihr zudem einen Job in der Küche sei- ner Snackbar, einem ehemaligen Café auf den sie in Deutschland gezeugt hatten, her- in Ruhestand ging. Weigand war so freund- dem Marktplatz. Gertrud Schumacher arbei- angezogen werden könnten. Folglich musste lich und erlaubte Frau Schumacher weiter- tete bis Herbst 1946 dort. Dann verließen die Frau Schumacher Sozialhilfe beantragen. Sie hin kostenlos bei ihnen zu wohnen. Aber amerikanischen Soldaten Königshofen in erhielt 35 Mark monatliche Unterstützung. mehr und mehr verspürte sie einen gewissen Richtung Schweinfurt und der Grenzschutz Davon konnten sie leben. Gertrud Schuma- Druck, sich eine andere Bleibe zu suchen. musste nun von Westdeutschen übernom- cher half Frau Weigand, wo sie konnte. Die Weigand wollte seinen Platz zurück. Eines men werden. Die Snackbar schloss. Zeit verging und bald begann das Kind zu Tages sagte er ihr, dass eine Mietwohnung Kunigunde Weigand war immer recht kränk- laufen. in der Stadt frei sei und denke, dass sie sich lich. Seit sie sich aber um den Sohn von Frau Nachdem Teddy ein Jahr alt war, kehrte dafür interessieren könne. Schumacher kümmern musste, verschwan- Theodor Weigand nach dreijähriger Haft Der Vater ihres Kindes ließ sich weiter ver- den all ihre Schmerzen und Beschwerden. in Frankreich zurück. Er unterrichtete noch leugnen. Angeblich fing seine Mutter ihre Sie war 44 Jahre alt und hatte keine eigenen einige Zeit an der örtlichen Schule, bevor er Briefe ab. Gertrud Schumacher hatte in Kinder. Frau Weigand behandelte den Buben wie ihr eigenes Kind und hing sehr an ihm. Das war ein neues Leben für sie, so Gertrud „Das Grabfeld“ erscheint einmal jährlich mit finanzieller Unterstützung Schumacher. Bei Weigands wohnte damals die Familie folgender Institutionen Firmen und Verbände: Fengler im Schlafzimmer. Frau Fengler hatte im letzten Kriegswinter in Berlin ein neun Monate altes Kind verloren. Die Familie versuchte den Bombenangriffen zu entkom- men und hatte das Baby auf einem Schlitten durch die kalten winterlichen Straßen gezo- gen. Es erfror. Tief verletzten Frau Schuma- Volksbank Raiffeisenbank cher die Worte der unglücklichen Mutter: Rhön-Grabfeld eG „Es gibt keine Gerechtigkeit auf der Welt. Sie haben ein Kind, aber keinen Ehemann. Ich habe einen Mann, aber kein Kind!“ Und was es in den Augen der Fenglers natürlich noch schlimmer machte, war, dass sie ein Kind von einem Amerikaner hatte und folg- lich glaubten, auf sie herabsehen zu müssen. Wenn damals deutsche Mädchen ein Kind von Amerikanern bekamen, wurden sie im Allgemeinen von anderen Deutschen verach- Raiffeisenbank tet. In ihren Augen waren sie Ausgestoßene. im Grabfeld eG Auf der anderen Seite, so Frau Schumacher Kompetent-Zuverlässig-Regional-Persönlich rückblickend, unterstützten sie Frau Wei- gand und andere Königshöfer vorbildlich. Frau Schumacher erfuhr durch einen Stadt- Sparkasse bediensteten, dass die amerikanischen Sol- Bad Neustadt a. d. Saale daten, die tausende Kinder zurückgelassen hatten, finanziell nicht für den Nachwuchs, Seite ­­28 Das Grabfeld Nr. 28 · November 2020

arbeit verrichten war zuletzt Pressesprecher eines College in musste und nach dem Los Angeles – schildern und brachte diese zu Ende des Nazi-Reiches Papier. Es wurden schließlich zwei Bücher in bei den Amerikanern englischer Sprache unter den Titeln „A Girl eine Stellung erhielt. von Alt Jabel – Journey to Freedom (Reise Sie heirateten 1949 in in die Freiheit) und „America the beauti- der Kapuzinerkloster- ful“ (Das schöne Amerika), ISBN: 978-0- kirche in Königshofen 9842401-0-4 veröffentlicht. Sie wurden in und bald wurde Töch- Amerika ein großer Erfolg. terlein Liane geboren. 2008 rief Gertrud Schumacher Gus Shelley Ende 1951 emigrierte in North Carolina an, um ihn um Erlaubnis die Familie in die Ver- zur Veröffentlichung ihrer Geschichte in einigten Staaten von dem geplanten Buch zu bitten. Sie erfuhr von Amerika und baute seiner Ehefrau, dass er im Krankenhaus lag. sich dort erfolgreich Nach seiner Entlassung telefonierte sie mit eine neue Existenz auf. ihm und merkte, dass Gus sehr krank war. Die Familie weilte in Sie sprach deshalb nur kurz mit ihm und der Folgezeit mehrfach beide verabschiedeten sich. Vier Tage später in Deutschland, ins- verstarb Shelley. besondere nach dem Vor einiger Zeit telefonierte Frau Schuma- Fall des Eisernen Vor- cher mit Bianka Milz in Bad Königshofen hangs 1989, da Ger- und berichtete ihr, dass ihr Mann Wladyslaw trud Schumacher nun (Walter) Piegonski, mit dem sie eine glück- wieder in ihrer alten liche Ehe führte, im Februar 2014 im Alter Heimat Mecklenburg von 88 Jahren verstarb, ihr Sohn Walter nur Verwandte besuchen kurz darauf mit 57 Jahren. Die rüstige alte konnte. Zeitlebens Dame, ist mittlerweile 94 Jahre alt und noch Die über 90-jährige Gertrud Schumacher erinnert sich in unseren wurde Gertrud Schu- überaus geistig rege. Sie lebt bei ihren Kin- Tagen gerne an ihre Zeit in Königshofen und dem Grabfeld, wo sie macher von Kunigunde der und Enkeln in den USA und ist dankbar viel Unterstützung erfuhr. Weigand über das für ihr reiches Leben. Leben in Königshofen Königshofen das Flüchtlingsmädchen Ger- informiert und die Verbindung riss nie ab. trud aus dem Sudentenland kennen gelernt, 2014 weilte Fred Piegonski in seinem die eines Tages mit ihrem Freund nach Her- Geburtsort Bad Königshofen und besuchte zogenaurach zog. Diese vermittelte ihr nun Bianca Fischer-Milz am Marktplatz. Im Gertraud Elsner dort eine Stelle auf einem ehemaligen deut- Gepäck hatte er zwei Bücher seiner Mutter Herzliche Bitte schen Fliegerhorst, den nun die Amerikaner Gertrud Schumacher, die damals 88 Jahre nutzten. Dort lernte Gertrud Schumacher den alt war. Fred ließ sich das abwechslungs- Ruf mich nicht ans Telefon ehemaligen polnischen Zwangsarbeiter Wla- reiche und spannende Leben voller Not und um 13 Uhr, da schlaf ich schon, dyslaw Piegonski kennen, der im Krieg auf Entbehrungen, aber auch die schönen Zeiten ich halte Mittagsruhe. einem Bauernhof in Niedersachsen Zwangs- seiner Mutter nach seiner Pensionierung – er Ruf auch nicht an, wenn `s erst um zwei, da ist mein Schlaf noch nicht vorbei. Ein alter Mensch wird so erschreckt, wenn man ihn aus dem Schlafe weckt. Der Schlaf nimmt auch die Schmerzen, ach, nimm dir das zu Herzen! So gegen drei, zur Kaffeezeit, da bin ich gern gesprächsbereit, da freu ich mich, wenn ‘s Telefon mich ruft mit hellem Klingelton. Noch schöner wär ‘s, ich sag es frei, kämst du selbst bei mir vorbei.

Enorm war der Zulauf 2019 und 2020 (vor der Corona-Krise) bei den Vorträgen und Filmvor- führungen des Vereins für Heimatgeschichte im Grabfeld in der Darre bzw. im Vorgeschichts- museum in Bad Königshofen. Themen waren anlässlich der Wiederkehr des 30. Jahrestags der DDR-Grenzöffnung u. a. die Geschichte der innerdeutschen Grenze, die Vorsitzender Hanns Friedrich sowie 2. Vorsitzender Reinhold Albert hielten. Studiendirektor i. R. Manfred Firnkes (im Bild) stellte vor zahlreichen Gästen zudem sein Buch „Das frühe Grabfeld des 8. Gertraud Elsner (Schlechtsart) Jahrhunderts“ vor.