Vierteljahrshefte Für Zeitgeschichte Jahrgang 49(2001) Heft 2

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Vierteljahrshefte Für Zeitgeschichte Jahrgang 49(2001) Heft 2 VIERTELJAHRSHEFTE FÜR Zeitgeschichte Im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte München herausgegeben von KARL DIETRICH BRACHER HANS-PETER SCHWARZ HORST MÖLLER in Verbindung mit Rudolf v. Albertini, Dietrich Geyer, Hans Mommsen, Arnulf Baring und Gerhard A. Ritter Redaktion: Manfred Kittel, Udo Wengst, Jürgen Zarusky Chefredakteur: Hans Woller Stellvertreter: Christian Hartmann Assistenz: Renate Bihl Institut für Zeitgeschichte, Leonrodstr. 46 b, 80636 München, Tel. 1268 80, Fax 12317 27, E-mail: [email protected] 49. Jahrgang Heft 2 April 2001 INHALTSVERZEICHNIS AUFSÄTZE Hans Günter Hockerts Wiedergutmachung in Deutschland. Eine histori­ sche Bilanz 1945-2000 167 Martin Moll Steuerungsinstrument im „Ämterchaos"? Die Ta­ gungen der Reichs- und Gauleiter der NSDAP . 215 Tobias Schneider Ideologische Grabenkämpfe. Der Philosoph Lud­ wig Klages und der Nationalsozialismus 1933-1938 275 Werner Link Die Entstehung des Moskauer Vertrages im Lichte neuer Archivalien 295 Roland Thimme Das Politische Archiv des Auswärtigen Amts. Rückgabeverhandlungen und Aktenedition 1945- 1995 317 II Inhaltsverzeichnis NOTIZ Nachruf auf Hellmuth Auerbach (Horst Möller) . 363 ABSTRACTS 365 MITARBEITER DIESES HEFTES 367 Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte im Internet: http://www.vierteljahrshefte.de Redaktion: http://www.ifz-muenchen.de GESCHÄFTLICHE MITTEILUNGEN © 2001 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Die Lieferung geschieht auf Kosten und Gefahr des Empfängers. Kostenlose Nachlieferung in Ver­ lust geratener Sendungen erfolgt nicht. Das Abonnement verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn es nicht spätestens zwei Monate vor Ablauf des Kalenderjahres gekündigt wird. Werbeanzeigen und Werbebeilagen besorgt der Verlag. Verantwortlich: Ulrike Staudinger. Hinweis gemäß § 26 Absatz 1, Bundesdatenschutzgesetz: Die Bezieher der „Vierteljahrshefte für Zeit­ geschichte" sind in einer Adreßdatei gespeichert, die mit Hilfe der automatisierten Datenverarbeitung geführt wird. Gemäß unserer Verpflichtung nach § 8 Abs. 3 PresseG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 c DVO zum BayPresseG geben wir die Inhaber und Beteiligungsverhältnisse am Verlag wie folgt an: Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, Rosenheimer Str. 145, 81671 München. Alleiniger Gesell­ schafter des Verlages ist die R.Oldenbourg Verlag GmbH unter der gleichen Anschrift. Alleiniger Gesellschafter der R. Oldenbourg Verlag GmbH ist die R. Oldenbourg GmbH & Co. KG, ebenfalls unter der gleichen Anschrift. Verlag und Anzeigenverwaltung: Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, Rosenheimer Straße 145, 81671 München. Für den Inhalt verantwortlich: Horst Möller; für den Anzeigenteil: Ulrike Staudinger. Erschei­ nungsweise: Vierteljährlich. Jahresabonnement: Inland DM 110,- (DM 94,- + DM 16,- Versandspesen); Ausland DM 116,- (DM 94,-+ DM 22,- Versandspesen). Studentenabonnement (nur Inland) DM 87,- (DM 71,- + DM 16,- Versandspesen); Einzelheft DM 32,- zzgl. Versandspesen. Die Preise enthalten bei Lieferung in EU-Staaten die Mehrwertsteuer, für das übrige Ausland sind sie Bruttopreise. Ermittlung der gebundenen Ladenpreise für Österreich und die Schweiz: Österreich: DM-Preis x 7,3 = öS-Preis (ab 0,5 aufgerundet, bis 0,4 abgerundet auf volle Schillinge). Schweiz: DM-Preis x 0,86 = sFr-Preis (aufgerundet auf volle Franken). Bezieher der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte sind berechtigt, die der Zeitschrift an­ geschlossene Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte (2 Bände im Jahr) im Abonnement zum Vorzugspreis von DM 65,- zuzüglich Versandkosten zu beziehen. Die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Fotokopien für den per­ sönlichen und sonstigen eigenen Gebrauch dürfen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen daraus als Ein­ zelkopien hergestellt werden. Jede darüber hinausgehende Vervielfältigung bedarf der Genehmigung des Verlages und verpflichtet zur Gebührenzahlung. Satz und Druck: Appl, Senefelderstraße 3-11, 86650 Wemding Ein Teil dieser Auflage enthält folgende Beilage: Institut für Zeitgeschichte: Gesamtverzeichnis 2001 HANS GÜNTER HOCKERTS WIEDERGUTMACHUNG IN DEUTSCHLAND Eine historische Bilanz 1945-2000 I. Im Generationswechsel der Zeithistoriker ist der Begriff Wiedergutmachung in Miß­ kredit geraten. Er gilt als „unerträglich verharmlosend", als ein „an relativierenden und exkulpatorischen Inhalten kaum zu überbietender Begriff"1. Eine zornige Publi­ zistin ging noch weiter und schrieb: „Gegen das Wort Wiedergutmachung hätte man sofort gerichtlich Einspruch erheben und verbieten müssen, es im Zusammenhang mit den Judenverfolgungen zu nennen"2. Bis zu einem gewissen Grad ist diese Ab­ wehr verständlich. Denn die Auflösung des Rechts in Angst und Schrecken, die mil­ lionenfache Verfolgung und Vernichtung lassen sich nicht ungeschehen oder rück­ gängig und in diesem Sinne niemals „wieder gut" machen. Und es mag schon sein, daß mancher die Verwandlung von Schuld in Schulden meint, wenn er von Wieder­ gutmachung spricht, und mit den Schulden die Schuld als erledigt ansieht - des wei­ teren Hinsehens nicht mehr wert. Blättert man im Grimm'schen Wörterbuch, so wird man indessen belehrt, daß „gutmachen" im Deutschen von alters her „ersetzen, bezahlen, sühnen" bedeutet3. Vielleicht erklären solche Bedeutungsschichten, warum jüdische Emigranten deut­ scher Herkunft den Wiedergutmachungsbegriff - eine deutsche Spracheigentümlich­ keit, die sich nicht übersetzen läßt - zumeist akzeptierten, mitunter auch selbst pro- 1 Aleida Assman/Ute Frevert, Geschichtsvergessenheit, Geschichtsversessenheit. Vom Umgang mit deutschen Vergangenheiten nach 1945, Stuttgart 1999, S. 57; Hartmut Berghoff, Zwischen Ver­ drängung und Aufarbeitung. Die bundesdeutsche Gesellschaft und ihre nationalsozialistische Ver­ gangenheit in den Fünfziger Jahren, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 49 (1998), S. 103. Erweiterte Fassung eines Vortrags, den ich im Juni 2000 als Stipendiat des Historischen Kollegs gehalten habe; die Vortragsfassung ist im Jahrbuch des Historischen Kollegs 2000, Mün­ chen 2001, S. 85-122, erschienen. 2 Lea Fleischmann, Dies ist nicht mein Land. Eine Jüdin verläßt die Bundesrepublik, Hamburg 1980, S. 70. 3 Darauf verweist die grundlegende Studie von Constantin Goschler, Wiedergutmachung. West­ deutschland und die Verfolgten des Nationalsozialismus (1945-1954), München 1992, S. 25. Vgl. Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Bd. 9, München 1984, S. 1469f. (Nach­ druck der Ausgabe Leipzig 1935). VfZ 49 (2001) © Oldenbourg 2001 168 Hans Günter Hockerts pagierten4. In den Gründerjahren der Bundesrepublik haben gerade diejenigen den Begriff der Wiedergutmachung gehegt und gepflegt, die klarer als andere erkannten, daß die Deutschen sehr viel zu ersetzen, zu bezahlen und zu sühnen hatten. In den Kreisen des Widerstands war der Begriff gang und gäbe, und es waren gerade die ent­ schiedensten Vorkämpfer der Hilfe für die Opfer der nationalsozialistischen Verfol­ gung, die ihn hochschätzten. Einer von ihnen, der Unionsabgeordnete Franz Böhm, hat 1954 zeitgenössische Konnotationen präzise entschlüsselt: „Wen die Grausamkei­ ten der Hitlerzeit damals, als sie verübt wurden, entsetzten, wer mit den Opfern fühlte, wer, wenn er konnte, zu helfen suchte, dem ist heute die Wiedergutmachung Herzenssache. Wer aber damals mit Hitler sympathisierte, wer jeden, den die Gesta­ po abholte, für einen Feind, Übeltäter oder Schädling hielt oder wer sich auch nur beim Anblick all der Herzlosigkeit und Brutalität mit dem Satz tröstete: wo gehobelt wird, da fallen Späne, für den ist heute die Wiedergutmachung ein Ärgernis."5 Der Begriff wurde damals als Appell an das Gewissen gebraucht, um Trägheit und Teil­ nahmslosigkeit zu überwinden. Weil die Protagonisten der Wiedergutmachung unter der politischen und moralischen Schuld litten, wollten sie wenigstens die bezifferba­ ren Schulden nach besten Kräften beglichen sehen - wohl wissend, daß man „ohne­ hin nur einen Bruchteil wiedergutmachen" könne6. Zudem wollten sie Zeichen set­ zen für „tätige Reue" und die „symbolische Wiederinkraftsetzung des Sittengeset­ zes"7. Daher zogen sie einen emphatischen, moralisch verpflichtenden Begriff einer Redeweise vor, die sich auf farblose Fachtermini wie „Entschädigung" beschränkte. 4 Dafür ist der von Siegfried Moses im Juli 1943 in Tel Aviv publizierte Artikel: „Die Wiedergutma- chungsforderungen der Juden" ein frühes Zeugnis. Vgl. hierzu Hans Tramer (Hrsg.), In zwei Wel­ ten. Siegfried Moses zum 75. Geburtstag, Tel Aviv 1962. 5 Franz Böhm, Recht und Moral im Rahmen der Wiedergutmachung (undatiertes, auf Ende 1954 zu datierendes Redemanuskript in seinem Nachlaß, in: Archiv für christlich-demokratische Poli­ tik (künftig: ACDP), I-200, Nr. 006/2). Ähnlich ders., Wie besiegen wir die Trägheit des Herzens? Gedanken zur Wiedergutmachung, in: FAZ vom 13. 1. 1955, S. 2, und ders., Die politische und soziale Bedeutung der Wiedergutmachung (1956), in: Ders., Reden und Schriften, hrsg. von Ernst-Joachim Mestmäcker, Karlsruhe 1960, S. 193-215. 6 Heinrich v. Brentano in der Unionsfraktion am 17. 3. 1953. Vgl. die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Sitzungsprotokolle 1949-1953, bearb. von Helge Heidemeyer (Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Vierte Reihe, Bd. 11), Düssel­ dorf 1998, S. 693. 7 So Hans-Peter Schwarz, Adenauer. Der Aufstieg 1876-1952, Stuttgart 1986, S. 899 im Blick auf Adenauers Anteil am Israel-Abkommen. Aus der stattlichen Zahl der Beispiele für ein alles ande­ re als verharmlosendes Verständnis der Wiedergutmachung vgl. Karl Jaspers,
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