Vom Österreichischen Gendarmerie-Offizier Zum Höheren SS- Und Polizeiführer Serbien, 1942-1944 August Meyszner: Stationen Einer Karriere
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MARTIN MOLL Vom österreichischen Gendarmerie-Offizier zum Höheren SS- und Polizeiführer Serbien, 1942-1944 August Meyszner: Stationen einer Karriere Einleitung Seit den 1990er Jahren beschäftigt sich die sogenannte neuere Täterfor- schung mit jenen Männern (und wenigen Frauen), die als direkte oder indi- rekte Täter, mithin als Planer und/oder Ausführende in die nationalsozialis- tischen Mordaktionen gegen Juden, Slawen, Sinti und Roma sowie sonstige als rassische oder politische Gegner apostrophierte Gruppen involviert wa- ren.1 Gefragt wird hierbei nach den sozialen, generationellen, konfessio- nellen, bildungs- und herkunftsmäßigen sowie nicht zuletzt ideologischen Prägungen der Tätergruppen. Dabei fällt zugleich eine Konzentration des Forschungsinteresses auf die die eigentlichen Taten ausführenden Appara- te und deren Personal, insbesondere aus dem weit gespannten SS-Komplex, auf. Als Resultat dieser intensiven Forschungen sind zahlreiche Einzel- und Gruppenbiographien der wie auch immer definierten Täter erschienen, da- neben auch diverse Studien, die sich mit den situativen Rahmenbedingun- gen des Handelns der Täter vor Ort beschäftigen, meist im deutsch besetzten Ost- und Südosteuropa.2 Diese zuletzt intensiv betriebene Forschung hat bisher einen Mann aus dem engsten Kreis der Täter nicht einbezogen, der dies zweifellos verdient hätte, und sei es nur wegen seiner Funktion als Höherer SS- und Polizeifüh- rer (HSSPF) für das deutsch besetzte (Rumpf-) Serbien von Januar 1942 bis 1 Vgl. etwa, mit einleitenden methodischen Überlegungen, GERHARD PAUL (Hrsg.), Die Täter der Shoah. Fanatische Nationalsozialisten oder ganz normale Deutsche?, Göttingen 2002; HELGARD KRAMER (Hrsg.), NS-Täter aus interdisziplinärer Perspek- tive, München 2006; GEORGE C. BROWDER, Perpetrator Character and Motivation: An emerging Consensus?, in: Holocaust and Genocide Studies 17, 2003, S. 480-497. 2 MICHAEL WILDT, Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssi- cherheitshauptamtes, Hamburg 2002. DANUBIANA CARPATHICA 5 (52) (2011), S. 239-308 239 Martin Moll März 1944: August (Edler von) Meyszner (1886-1947).3 Der steirische Gendar- merie-Offizier und spätere HSSPF im Generalsrang (SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei) taucht in der Literatur entweder nur als promi- nentes Mitglied des Steirischen Heimatschutzes, einer NS-Vorläuferorgani- sation im Österreich der 1920er und 1930er Jahre, oder in Form von kurso- rischen Erwähnungen in Darstellungen zur deutschen Besatzungspolitik in Serbien während des Zweiten Weltkrieges auf. Eine seiner Person gewidme- te, monographische Darstellung wurde diesem hochrangigen Vertreter des SS- und Polizeikomplexes bis heute nicht zuteil. So erstaunlich dieser Um- stand angesichts der Ausdifferenzierung der NS-Täterforschung sein mag, so gibt es hierfür doch gute Gründe, welche die Vernachlässigung Meyszners erklären: Im Steirischen Heimatschutz, einer präfaschistischen und in den 1930er Jahren sukzessive in die NSDAP übergeleiteten, paramilitärischen Formation der Rechten, gehörte Meyszner wohl jahrelang zum Führungszir- kel. Dennoch stand er im Schatten von dessen Führer Walter Pfrimer (1881- 1968), der durch den Putschversuch von 1931 Geschichte geschrieben hat, den er angeführt hatte und der nach ihm benannt wurde. Standen die Jahre zwischen Meyszners Engagement für Pfrimer bis zu seinem Amtsantritt in Serbien (Januar 1942) naturgemäß weniger im Fokus der Forschung, so schien sich seine Tätigkeit in Serbien ungeachtet seiner hohen Position durch zwei Umstände zu relativieren: Als Meyszner in Bel- grad eintraf, war die physische Vernichtung der dort ansässigen Juden als Teil der Vergeltungsmaßnahmen gegen Partisanenanschläge bereits weitge- hend abgeschlossen. Meyszner hatte somit kaum Gelegenheit, das zu tun, was seinen Amtskollegen in anderen deutsch besetzten Gebieten gerade ab 1942 oblag, nämlich die Deportation der Juden in die Vernichtungslager oder deren Liquidierung vor Ort zu organisieren. Folgerichtig findet Meyszner in Walther Manoscheks gründlicher Studie über den Holocaust in Serbien nur am Rande Erwähnung.4 Zum zweiten: Obwohl die Bekämpfung der serbi- 3 Ein tabellarischer Lebenslauf bei ANDREAS SCHULZ, DIETER ZINKE, Die Generale der Waffen-SS und der Polizei. Die militärischen Werdegänge der Generale, sowie der Ärzte, Veterinäre, Intendanten, Richter und Ministerialbeamten im Generalsrang, Band 3: LA-PL, Bissendorf 2008, S. 185-198; vgl. auch NIKOLAUS VON PRERADOVICH, Österreichs höhere SS-Führer, Berg am See 1987, insbesondere S. 115-122. 4 WALTER MANOSCHEK, „Serbien ist judenfrei“. Militärische Besatzungspolitik und Judenvernichtung in Serbien 1941/42, München 1993; CHRISTOPHER R. BROWNING, Wehrmacht Reprisal Policy and the Mass Murder of Jews in Serbia, in: Militärge- 240 August Meyszner: Stationen einer Karriere schen Partisanenbewegungen zu den vordringlichen Aufgaben gehörte, die Meyszner durch Führer-Erlass übertragen worden waren, spielte seine Dienststelle hierbei schon mangels verfügbarer SS- und Polizeikräfte nur eine nachgeordnete Rolle. Die Aufstandsbekämpfung war und blieb eine ge- nuin militärische Aufgabe, weil nur die Wehrmacht die dafür erforderlichen kampfkräftigen Verbände bereitstellen konnte, und weil Serbien bis zur Räu- mung des Landes Operationsgebiet unter Militärverwaltung blieb. Immerhin erschien August Meyszner nach Kriegsende den Jugoslawen, auf deren Territorium sich sein zeitgeschichtlich relevantes Wirken haupt- sächlich abgespielt hatte, als prominent genug, um ihn vor Gericht zu stellen und Ende 1946 zum Tode zu verurteilen. Nach Vollstreckung der Todesstra- fe im Januar 1947 scheint sich Meyszners Spur in der Historiographie weit- gehend zu verlieren und das Interesse an ihm erloschen zu sein.5 Seinem Lebensweg nachzuspüren und dabei seine bemerkenswerte Karriere vom österreichischen Gendarmerie-Offizier in der steirischen Provinz zum Re- präsentanten des Reichsführer-SS als HSSPF in Serbien zu verfolgen, ist die Intention der nachfolgenden Ausführungen. Diese stehen zugleich unter der bis heute kontrovers diskutierten Fragestellung, welche Rolle die aus Öster- reich stammenden, zahlreichen Repräsentanten der NS-Besatzungsverwal- tungen auf dem Balkan während der Jahre 1941 bis 1945 spielten.6 Da neben Meyszner noch zwei weitere, spätere HSSPF ihre politischen Gehversuche im Rahmen des Steirischen Heimatschutzes absolviert hatten, soll drittens schichtliche Mitteilungen 33 (1983), S. 31-47; DERS., Germans and Serbs. The Emer- gence of Nazi Antipartisan Policies in 1941, in: MICHAEL BERENBAUM (Hrsg.), A Mo- saic of Victims. Non-Jews persecuted and murdered by the Nazis, New York-Lon- don 1990, S. 64-73. 5 Vgl. etwa KARL-HEINZ SCHLARP, Wirtschaft und Besatzung in Serbien 1941-1944. Ein Beitrag zur nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik in Südosteuropa, Stutt- gart 1986, der auf über 400 Seiten Text Meyszner an einer einzigen Stelle en passant erwähnt. Eine geraffte Darstellung bietet RUTH BETTINA BIRN, Die Höheren SS- und Polizeiführer. Himmlers Vertreter im Reich und in den besetzten Gebieten, Düssel- dorf 1986, S. 238-249. 6 Zuletzt BERTRAND PERZ, Der österreichische Anteil an den NS-Verbrechen. An- merkungen zur Debatte, in: HELMUT KRAMER, KARIN LIEBHART, FRIEDRICH STADLER (Hrsg.), Österreichische Nation – Kultur – Exil und Widerstand. In memoriam Felix Kreissler, Münster 2006, S. 223-234; OLIVER RATHKOLB, Die paradoxe Republik. Ös- terreich 1945 bis 2005, Wien 2005, Kapitel 9. 241 Martin Moll nach den Bedingungen der Sozialisation in diesem rechtsextremen Wehrver- band gefragt werden. Kindheit und Jugend August Meyszner wurde am 3. August 1886 als August Edler von Meyszner in Graz, der Hauptstadt des Kronlandes Steiermark, geboren. Den Adelstitel, mit dem sein Vater Rudolf Meyszner 1884 geadelt worden war, verlor er mit dem Untergang der Habsburgermonarchie Ende 1918, als kurz darauf der österreichische Adel per Gesetz abgeschafft wurde.7 Meyszner entstammte einem gehobenen, soliden familiären Umfeld: Sein Vater brachte es in der österreichisch-ungarischen Armee bis zum Oberstleutnant, sein Onkel Fer- dinand von Meyszner sogar bis zum Feldmarschallleutnant. Aus der Fami- liengeschichte bemerkenswert ist ferner eine mit August Meyszners älterem Bruder Rudolf Ferdinand (1882-1963) zusammenhängende Episode: Dieser heiratete 1929 die Jüdin Alice Strauß (1875-1945), die in ihrer zweiten von ins- gesamt vier Ehen mit dem Walzerkönig Johann Strauß (1825-1899) verehe- licht gewesen war. August Meyszner trat zunächst ins k. u. k. Heer ein und wurde 1908 22-jährig als Leutnant ausgemustert. Wenige Wochen vor Ausbruch des Ers- ten Weltkriegs trat er mit dem Rang eines Oberleutnants endgültig zur Gen- darmerie über, der er auf eigene Bitte hin bereits im Mai 1913 dienstzuge- teilt geworden war; warum Meyszner aus dem Heeresdienst auszuscheiden wünschte, erwähnt er in seinen Lebensläufen nicht.8 Weitere Beförderungen zum Rittmeister und Major folgten 1916 und 1921. Wenige Tage nach Kriegs- 7 Das NS-Regime machte die Abschaffung des österreichischen Adels durch die Republik nach dem „Anschluss“ 1938 nicht rückgängig, weshalb österreichische Adelsprädikate im Gegensatz zu altreichsdeutschen im „Dritten Reich“ offiziell nicht geführt werden durften. Anders als die meisten aus der Alpenrepublik stam- menden SS-Führer hielt sich Meyszner daran, was man als geringes Interesse an seinem Adelstitel deuten könnte. PRERADOVICH, Österreichs höhere SS-Führer, S. 340-341. 8 Lebenslauf Meyszners, 12. Februar 1935, Bundesarchiv Berlin (im Folgenden: BAB),