DIE GESELLSCHAFT ZU SCHIFFLEUTEN IN

1342-2017

Der Gesellschaft zu Schiffleuten in Bern

zum 675-jährigen Bestehen

März 2017

Herausgegeben von der Waisenkommission

Titelseite Schifflibecher des Berner Goldschmieds Hans Jakob Binder, Mitte 17. Jahrhundert, Silber, teilweise vergoldet, Höhe 35 cm, Gewicht 642 g. Depositum der Gesellschaft zu Schiffleuten im Historischen Museum Bern Inv. Nr. 15100

Aus der Mitte des Schiffs ragt ein Mast mit einem silbernen, geblähten Segel und einem schwarzroten Wimpel hervor. Auf dem kurzen Deck auf der Heckseite steht ein Steuermann in landsknechtartiger Kleidung und bedient ein langes Ruder. Die beiden Seitenwände des Schiffsrumpfes zieren breite ovale Medaillons mit getriebenen Darstellungen von Meeres- gottheiten mit Fischschwänzen: vom Heck aus gesehen auf der rechten Seite ein Triton, der das Horn bläst, auf der linken Seite Poseidon (?) mit bärtigem Haupt und einem Dreizack. Die Medaillons werden seitlich eingefasst von männlichen Maskarons, aus deren Bärten sich Blattvoluten entfalten. Das Schiff ruht auf einem Röhrenschaft, den drei silberne, kräftig ge- gossene Ohrmuschelbügel umfassen. An diesen hängen auf drei Seiten kleine, birnenförmige Bammeln. Das obere Schaftende umgibt ein Kranz von ausgeschnittenen silbernen Spiralblät- tern. Im unteren Teil des ovalen, zweistufigen Fusses winden sich über den Wulst hinweg zwei Meeresungeheuer mit zweiteiligem, schlangenartigem Leib. Der Mast besteht aus einer Röh- re, die unten mit kleinen Löchern versehen ist, so dass bei Entfernung des Wimpels und mit Wein gefülltem Schiff der Mast als Trinkröhrchen verwendet werden kann. Den selben Zweck erfüllt auch das abnehmbare hohle Ruder. Mittels eines kleinen Hahnens kann die Röhre ge- öffnet und geschlossen werden. Zitiert aus Robert L. Wyss, Handwerkskunst in Gold und Siber, herausgegeben von der Burgerbibliothek 1996

Dass, wann es nichts zu schiffen gibt, man sich des fischens notwendig behelfen muss.

Bericht der Stubengesellen im Jahr 1697

Geleitwort

Wie sah das Leben der Schiffleute bei der Gründung unserer Gesellschaft um 1342 aus? Was wäre in der Gesellschaft zu Schiffleuten heute wohl anders, wenn sich die Gesellen im 14. Jahrhundert in Bern für eine Gesellschaft zu Fischern und nicht zu Schiffleuten entschieden hätten? Wie sähe das Leben der Stubengenossinnen und Stubengenossen heute aus, wenn die Eisenbahn nicht erfunden worden wäre? Und was führte im 18. Jh. dazu, dass die Gesell- schaft überlebt hat? Lesen Sie in der Jubiläumsschrift zum 675. Jahrestag unserer Gesellschaft u. a. nach, warum wir heute eine Gesellschaft zu Schiffleuten und nicht eine Gesellschaft zu Fischern sind; wie die Schifffahrt zur Gründungszeit ausgesehen hat und dass schon im Jahre 1697 die Schiffer unter den 22 Stubengesellen der Schiffleuten in der Minderzahl waren.

Die Gesellschaft zu Schiffleuten ist heute die kleinste der dreizehn Zünfte und Gesellschaften der Burgergemeinde Bern. Am 1. Januar 2017 zählte die Gesellschaft 384 Gesellschaftsange- hörige. Die Gesellschaft zu Schiffleuten ist eine öffentlich-rechtliche Körperschaft gemäss kantonal- bernischem Gemeindegesetz. Die Gesellschaft stellt in erster Linie die Fürsorge- und Vor- mundschaftspflege sicher. Sie unterstützt die Aus- und Weiterbildung ihrer Gesellschafter so- wie kulturelle und gemeinnützige Werke und Veranstaltungen Dritter.

Wahrscheinlich haben wir heute mehr Stubengenossinnen und Stubengenossen, die in einhei- mischen oder fremden Gewässern fischen, als solche, die Schiffe durch diese steuern. Tat- sache ist, dass sowohl die Berufsfischer wie die Berufsschiffer in unserer Gesellschaft seit längerer Zeit leider ausgestorben sind. Man muss aber wissen, dass die Stubengesellen da- mals in einer drei- bis vierjährigen Lehre nicht nur das Steuern der Schiffe und Flösse, sondern auch das Bedienen der Sägewerke und den Bau von Schiffen und Flössen lernten. Wenn sie die Lehre abgeschlossen und einige Jahre als Schiffsknechte gearbeitet hatten, nahm sie die Gesellschaft als Meister auf. Sehr erfreulich ist es deshalb, dass ein junger Stubengenosse das Handwerk als Bootsbauer am Thunersee erlernt.

Der ehemalige Präsident der Gesellschaft zu Schiffleuten und Autor, Heinz Sommer, hat es vortrefflich verstanden, aus seinen beiden umfangreichen, wissenschaftlichen Werken über die Schiffleute, die in jüngster Zeit erschienen sind, eine spannende, kurzweilig zu lesende, unterhaltsame und geschichtlich fundierte Jubiläumsschrift zusammen zu stellen. Ich danke Heinz Sommer dafür, dass er bereit war, noch einmal unzählige Stunden für die vorliegende Zusammenfassung «Die Gesellschaft der Schiffleuten in Bern von 1342 bis 2017» zum 675. Jahrestag der Gesellschaft zu investieren.

Bern, im Juli 2017

Der Präsident der Gesellschaft zu Schiffleuten der Burgergemeinde Bern Andreas Urfer

Wir dürfen jubilieren !

Im Januar 1342 gründeten in Bern „Vischer und ihr Gesellschaft“ eine Armenstiftung für ihre Mitglieder. Schultheiss Johannes von Bubenberg hängte sein Siegel an die Stiftungsurkunde, in der unsere Gesellschaft erstmals in Erscheinung tritt. Anders als in , wo fast zur gleichen Zeit „die Zunft zu Schiffleuten“ und „die Zunft zu Fi- scheren“ ihre Stiftungsbriefe erhielten und bis heute je für sich weiter existieren, verschwand in Bern die Gesellschaft der Fischer. Mit Recht darf deshalb gefragt werden, warum wir 2017 das 675-jährige Bestehen der „Gesellschaft zu Schiffleuten in Bern“ feiern wollen.

Rechtlich gesehen, kann aus der Stiftungsurkunde von 1342 tatsächlich auf den Ursprung un- serer Gesellschaft geschlossen werden. Schon lange bevor die Armenfürsorge den burgerli- chen Gesellschaften 1676 förmlich übertragen wurde, haben unsere Vorfahren freiwillig Vor- sorge für arme Männer und Frauen getroffen. Mit einer Spende sicherten sie sich als erste aller Gesellschaften 1342 im Niederen Spital auf ewigklich zu Hand den Vischern und ihr Ge- sellen der Statt von Berne zwo Bettstatt gelegen in dem Nüwen Spital vor dem Nidern Thor der Statt von Bern, mit namen die nächsten zwo Bettstatt vor dem Allthar Sant Niclausen (dem Schutzpatron der Fischer) zu jetwäderen sythen eine, die gezeichnet sind mit Ihr Zeichen (dem Gesellschaftswappen). Wer in diesem „Altersheim“ als Pfründer wohnen durfte, wurde ge- und verpflegt und gekleidet. Als das Predigerkloster an der Zeughausgasse 1528 wegen der Reformation geschlossen wurde, zogen die Pfründer ins dorthin verlegte Grosse Spital. Schiff- leuten liess sich die Pfrundstiftung bestätigen.1 Damit war die Gesellschaft klar Rechtsnach- folgerin der Gesellschaft der Fischer. Wegen Platzmangel wurden die Pfrunden von etwa 1560 an „herausgegeben“. Die Pfründer und Pfründerinnen zogen nicht mehr ins Spital, sondern erhielten Geld für Wohnung, Essen, Kleidung und Brennholz. Eine Verbesserung brachte der 1742 bezogene Burgerspittel. In ihm fanden und finden bis heute Gesellschaftsangehörige Aufnahme. Zwar ist das nicht gratis. Aber die Spitteldirektion überliess noch bis in die 1980er Jahre der Gesellschaft zwei Gesell- schafts- und eine halbe Spittelpfrund von total Fr. 2‘000.- zur Unterstützung von Bedürftigen. Die Fischer hatten 1342 ihr Geld gut investiert !

Die Waisenkommission hat beschlossen, wie schon vor 25 Jahren das Jubiläum zu feiern. Mit einem Extraschiff fuhr damals Gross und Klein zu den Giessbachfällen, welche die Vorfahren der Familie Dähler-Kehrli zu Beginn des 19. Jh. mit Ruderbooten von Brienz aus für den Tou- rismus erschlossen hatten. Auch diesmal wird es eine Schifffahrt geben, jedoch nach alter Schiffleutenmanier mit von Pontonieren geruderten Weidlingen auf der . Ferner soll eine Jubiläumsschrift verfasst und abgegeben werden, welche das Entstehen der Gesellschaft und ihre Entwicklung skizziert. Da sich aus den Unterlagen zu den beiden von der Gesellschaft 2013 und 2014 herausgegebenen Büchern ohne allzu grossen Aufwand eine stark verkürzte Gesellschaftsgeschichte zusammenstellen lässt, habe ich die Aufgabe gerne übernommen.

Heinz Sommer, Bern im Februar 2017

1 Die vischer sollent by brieff und sigel blyben und zwo bettstatten im grossen Spittal besitzen. 1533: Den Schiflüten ein platz im grossen Spittal, wie andern ein stuben oder kamer uffzerichten, nachge- lassen. 1536: Schiffleuten besitzt im Grossen Spital ein Stübli; für den Kauf von Brennholz und Holz zum Kochen stiften sie 50 Pfund.

Quellen der folgenden Zusammenfassung sind hauptsächlich Rats-, Kriegsrats- und Venner- kammermanuale, Spruch-, Polizei-, Mandaten-, Missiven- und Rechnungsbücher, Säckel- schreiberprotokolle, sowie die Schiff- und Fisch-Verwalter Ordnungen im Staatsarchiv, auf der Burgerbibliothek und im Staatsarchiv deponierte Tauf- und Totenrödel, die online Datenbank «Berner Geschlechter» und Archivalien der Gesellschaft zu Schiffleuten, sowie Auszüge aus der Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen. Für das 19. Jh. habe ich das «Intelligenzblatt für die Stadt Bern» und die «Adressbücher für die Stadt Bern» konsultiert (online unter www. digibern.ch). Freundlicherweise hat mir Herr Peter Simon auch die Geschlechtertafel der Familie Simon zur Verfügung gestellt.

Gedruckt sind vorhanden für die Zeit vor dem 20. Jh.: „Die Gesellschaft zu Schiffleuten“ von Stubenschreiber Karl Howald im „Berner Taschenbuch für das Jahr 1874“ (online unter www.digibern.ch). Eine kleine Dokumentation von Fritz Maurer zum 600-Jahrjubiläum 1942/43 u.a. mit Plänen der Anlagen in der Matte und des ersten Gesellschaftshauses an der Gerechtigkeitsgasse. „Die Gesellschaft zu Schiffleuten in Bern, Fischer und Schiffleute im ausgehenden Mittelalter und in der frühen Neuzeit“ von Heinz Sommer, 2013 „Die Gesellschaft zu Schiffleuten in Bern im 17. Jahrhundert, Die Blütezeit geht zu Ende“ von Heinz Sommer, 2014. „Zur Flussschifffahrt im Alten Bern – Wasserwege, Schiffe und Organisation“ von Alfred Bret- scher in Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde, 1999, Heft 3 (online unter www.digibern.ch). In der Broschüre „Die Berner Zunft zu Schiffleuten“ hat Dr. Hans Kuhn-Simon 1968 die Gesell- schaftsgeschichte von Karl Howald eingearbeitet und fortgesetzt. Ergänzt hat er sie mit Infor- mationen zu den drei Gesellschaftshäusern und zu Aktivitäten und Festen der Gesellschaft.

Vor 675 Jahren wurde die Gesellschaft zu Schiffleuten in Bern erstmals erwähnt

Am im Januar 1342 ausgestellten Stiftungsbrief für die zwei Betten im Niederen Spital hing das Siegel von Schultheiss Johannes von Bubenberg. Das Original ging bei einem Brand im Haus des Stadtschreibers verloren. Schiffleuten hatte aber eine Abschrift und liess diese 1463 von Schultheiss Heinrich von Bubenberg beglaubigen. Diese Urkunde, ausgefertigt von Die- bold Schilling, besitzen wir noch (Burgerbibliothek Bern Mss. h.h. 111). Wann sich die Fischer in einer Gesellschaft zusammengeschlossen hatten, ist nicht überliefert. Offenbar standen sie finanziell recht gut und konnten schon vor 1400 an repräsentativer Lage beim Fischmarkt im Zentrum der Stadt ein Gesellschaftshaus erwerben (heute Gerechtigkeits- gasse 80), dies obschon viele Mitglieder näher am Arbeitsplatz, der Aare und der Schiffswerft in der Matte, wohnten. Bis ins erste Viertel des 15. Jh. hiess unsere Gesellschaft und ihr Haus „zu den Vischeren“. Ber- ner Schiffleute werden jedoch schon in Dokumenten nach 1370 erwähnt. Um diese Zeit ero- berte Bern neue Gebiete im Seeland. Damit erhielten die Berner Fischer die Möglichkeit, zu- sätzlich zum Fischfang auch Transportaufträge mit ihren Schiffen zu übernehmen. Zünfte wa- ren in Bern seit 1294 verboten, doch duldeten die Räte Handwerkervereinigungen. Da Fischer nicht als Handwerker, sondern als Waidleute galten, scheinen sich unsere Vorfahren den gel- tenden Gesetzen angepasst zu haben, und so hiess ihre Gesellschaft ab etwa 1430 Schiffleu- ten.1 Ihre Mitglieder waren als Schiffbauer tatsächlich Handwerker, verdienten aber ihren Le- bensunterhalt nach wie vor auch mit Fischfang und Fischhandel.

1 Jost Käsli, des letztgenannten Niklaus Käsli Sun hat sich verbürgt uf desselben sines Vaters Hinderhus gelegen zwischent Lienhart Furer und der Schifflütengesellschaft. Niklaus Käsli starb kurz nach 1432. In den Standesrechnungen heisst die Gesellschaft 1430 Vischer, 1433 Schifflüt, 1437 Vischer und auch Schifflüt und ab 1438 nur noch Schifflüt. 1

Fischer und Schiffleute

Wie in der Einleitung erwähnt, ging unsere Gesellschaft aus der der Fischer hervor. Noch am 19. März 1697 äussern sich die Stubengesellen zu ihrer Situation: dass sie sich des fischens, wann es nichts zu schiffen gibt, nohtwendig behelffen müssind.

Das Fischen war jedoch keineswegs immer ein Notbehelf. Die Mitglieder der Gesellschaft ver- dienten mit dem Handel mit Fischen vom Thuner-, und anfänglich vom Bieler- und Murten- see, gleich viel, wenn nicht mehr, als mit Schiffbau und Schifffahrt. Wegen des Namens „Schiffleuten“ ging das vergessen. Karl Howald hat sich in seiner guten, 1874 publizierten Ge- sellschaftsgeschichte mehr mit den Schiffleuten beschäftigt.

Für viele Berner war und blieb Fisch ein beliebtes Nahrungsmittel. Deshalb musste die Nach- frage nach hygienisch einwandfreien Fischen befriedigt werden, und das zu einem vernünfti- gen Preis. Während die Schiffleute ihr Gewerbe lange Zeit weitgehend intern regeln durften, galten für die Fischer von Anfang an unzählige von den Räten immer wieder aufs neue erlas- sene Vorschriften, die z.T. auch per Anschlag an der Kreuzgasse bekannt gemacht wurden. Da sich die Fischer nur zu oft darüber hinwegsetzten, nahmen die Räte sie mit Marktordnungen und Preisvorschriften immer strenger in die Pflicht.1 Weitere Vorschriften galten dem Schutz des Fischbestands. 1292 wird erstmals ein Wochenmarkt erwähnt, und 1380 ein Fischmarkt.2 Er befindet sich zu- nächst der Kreuzung zwischen der heutigen Kram- und Kreuzgasse. Zwischen 1380 und 1400 kaufen die Fischer und Schiffleute das oberste Haus an der heutigen Gerechtigkeitsgasse sonnseits an idealer Lage nahe an der Fischverkaufsbank und im Zentrum des Markts.3

Das Eckhaus Gerechtigkeitsgasse 80 gehörte zusammen mit dem Hinterhaus bis 1824 der Gesellschaft zu Schiffleuten. Im Erdgeschoss befanden sich vier vermietete Läden, einer unter der Laube, zwei an der Kreuzgasse und einer am Rat- hausplatz, im 1. Stock die Gaststube und im 2. Stock das Ver- sammlungslokal. Im grossen Keller standen im 18. Jh. vier grosse Lagerfässer für 26‘000 Liter Wein. 1824 wurde das Haus dem Staat verkauft, welcher das Rat- haus abbrechen und durch einen Neubau ersetzen wollte. Unser Haus sollte zu Gunsten eines grösseren Ratshausplat- zes abgerissen werden. 1848 verkaufte es der Kanton für 30‘000 Franken dem Uhrenmacher Perrin aus Tramelan.

1 1210: Berns älteste Marktpolizeiverordnung: der Verkauf fauler Fische wird bestraft und führt zur Einstellung des Verkaufsrechts für bestimmte Zeit. 1357: Verbot des Zwischenhandels. In einem Umkreis von einer Wegstunde um die Stadt darf man keine Lebensmittel auf Gewinn kaufen. Bauern haben Lebensmittel, und Fischer die Fische selber auf den Markt zu bringen. 2 die strasse nid dem vischmerits ze erfüllene mit steinen (pflästern). 3 1389 wohnten in den untersten Häusern auf der Sonn- und Schattseite der Kramgasse beim Fisch- markt die Fischer Ulrich Holi, Heinz Nägeli, Heini Thuni, Johann Gross und Hans und Heinz Ebinger. Sie hatten sicher Kontakt mit dem Venner Niclaus von Gisenstein, dem Besitzer des Hauses, der 1390 an die Neuengasse umzog. 2

a) Das Meiending

Massnahmen zur Schonung des Fischbestands und zur Herstellung von gleichen Bedingungen für alle, besprachen die Fischer an Tagungen im Mai. Ein erster Bericht über eine solche Ta- gung stammt aus dem Jahr 1397. Fischer aus einer Reihe von eidg. Orten trafen sich in Baden. Bern war nicht beteiligt. Ihre Beschlüsse liessen sich die Fischer als „Meyending“ von ihren Obrigkeiten bestätigen und für verbindlich erklären. Bern übernahm sie 1427. Bern, Freiburg und revidierten 15101 und 1524 das Meyending für ihre Gewässer gemeinsam. Es enthält Vorschriften zu erlaubten und verbotenen Geräten und Praktiken, bestimmt Grösse und Maschenweite der Netze, legt Midestfangmasse für Fische und Schonzeiten fest. Das „dreiörtige“ Meyending blieb, 1546 und 1548 noch einmal revidiert, für die fliessenden Ge- wässer gültig. 1673 wurde es unverändert zum öffentlichen Anschlag gedruckt und blieb bis am Ende des Alten Bern in Kraft. Die Fischer kümmerten sich wenig darum.2 b) Fischmarktordnungen

Das Fischen in öffentlichen Gewässern mit der Angel und zum „Hausgebrauch“ war jeder- mann erlaubt. Fischer indessen hatten sich an Regeln zu halten. Es galt der Grundsatz „Berner Fische nur für Berner“, und jeder Fischer musste, was er gefangen hatte, persönlich an den Fischmärkten verkaufen. Aus diesem Grund hatte auch jeder von ihnen, gleichgültig woher, Zutritt zum Berner Fischmarkt. Bedingung war, ausnahmslos alles selbst feilzubieten und kei- nem Kollegen Fische ab- oder weiterzuverkaufen. Zur Kontrolle setzte Bern 1423 vier Fisch- schauer oder Fischschätzer ein. Sie prüfen vor der Freigabe zum Verkauf, ob die angebotenen Fische geniessbar sind, und „schätzen“, ob sie den Preis wert sind, den der Fischer verlangt.

Der Markt in Bern wurde hauptsächlich aus dem Oberland und aus dem Bieler- und Murten- see mit Fischen versorgt. Während aus dem Seeland Fischträger mit Körben und Hutten nach Bern kamen,3 übernahmen Berner Schiffleute den Transport aus Interlaken und . Die Berner Schiffleute und Fischer hatten die Bewilligung, an den Seen mit einem Partner, einem „gmeinder“, zusammenzuarbeiten, dem sie die Fische abkauften. Ihre Pflichten regelte der Rat erstmals 1441 in einer Marktordnung für die Fischköiffer und Fischverköiffer (Fischhändler), die er bis 1491 sechsmal revidierte. Die Fischhändler haben für ein genügendes Angebot an frischen und gesunden Fischen zu sorgen. Für alle gelten die glei- chen Bedingungen, so dass der Wettbewerb bezüglich Preis und Qualität spielt. Alle lebenden und toten Fische, die sie gekauft haben, sind gesamthaft so rasch wie möglich auf den Markt zu bringen. Teile davon zum späteren Verkauf in Scheunen vor der Stadt zurückzulassen oder an Auswärtige zu verkaufen, ist ihnen untersagt. Tote Fische, die sie noch am Abend bringen, sollen sie nur noch während des folgenden Tages zum Kauf anbieten. Darauf sind sind sie zu vereidigen. Übernehmen Frauen anstatt der Fischer den Verkauf, werden sie gebüsst. Die Busse fällt an den Münsterbau. Unverkaufte tote Fische dürfen die Händler einsalzen (konservieren), wenn sie noch gut sind, und die vischschouwer es erlauben.

1 Jacob von Fahrni vom Kleinen und Benedict Jossi und Hans Halbsatter vom Grossen Rat vertreten unsere Gesellschaft. 2 1605: Zedel an die Gsellschafft zun Schifflüten sy dardurch zu haltung des Meiengedings ouch ver- manen. 3 1523: den vacher von Nydouw, so er mit den fornen harfert, zu Arberg und an der Nüwenbrugg zolls fry halten. Zur Landvogtei Nidau gehörte ein grosses Fischfach in der Zihl. Damit die Fische auf dem langen Transport nicht verdarben, mussten sie die Fischer vorher „braten“ oder zumindest ausneh- men. 3

Untersagt ist den Stubengesellen jeder Zwischenhandel untereinander, wie auch auswärtige Fischer zu hindern, in Bern Fische zu verkaufen.1 Darauf werden sie 1470 vereidigt. Dis Ord- nung habent dis nachgenempten alle gesworn: Item Anthoni Tschillart, Heintzman Closs, Ro- tenbül, Wider von Thun, Hennslin Marti von Thun, Frantz von Murten, Welty Schregel, Hennsli Herman von Oberhoffen, der jung, Cristan Hamerli von Oberhoffen, Hanns Späting, Jost von Bechi (Hünibach), Heintzman Riso. Tschillart, Closs, Rotenbül, Schregel, Späting und Riso waren Stubengesellen bei Schiffleuten. Die andern sind ihre „gmeinder“ an den Seen. Heintzman Closs brach den Eid. Er musste 1472 schwören, sin leptag us auf jeglichen Handel mit Fischen zu verzichten und wurde dazu ver- donnert, beim Bischof in Lausanne um Absolution für den Eidbruch zu bitten. Closs unter- nimmt statt dessen eine Pilgerfahrt nach Rom und legt im Januar 1473 seine Absolution vor. Es steht ihm darauf frei, wieder als Fischhändler zu arbeiten.

Für die Versorgung des Markts mit Zuchtfischen übernahm Bern im letzten Viertel des 15. Jh. einige Weiher von den Klöstern und liess am Gäbelbach bei Rosshäusern und Bottigen neue erstellen. Die andern befanden sich in Köniz, Münchenbuchsee, Beitenwil bei Worb, Landshut, Signau, Thunstetten und in Fulenbach an der Grenze zu Solothurn.2 1527 setzte der Rat den Stubengesellen Mathias Verr als Weihermeister ein. Er hatte für den baulichen Unterhalt der Weiher zu sorgen und mit seinen Kollegen das periodische Ausfi- schen, den Transport und den Verkauf der Fische zu organisieren. Bis 1605 hatte immer ein Mitglied der Gesellschaft dieses Amt, welches eine Zeitlang mit dem des Schwellenmeisters zusammengelegt war. Mit der Zeit stimmten Aufwand und Ertrag nicht mehr, so dass man die Weiher verkaufte oder eingehen liess. Das Weihermeisteramt verschwand.

Die revidierte Marktordnung von 1491 schreibt vor, dass Fisch, der während einer bestimm- ten recht kurzen Zeit keinen Abnehmer gefunden hat, nicht mehr verkauft werden darf. Auch das Einsalzen ist verboten; die Fischschauer haben vielmehr, was übrig geblieben ist, an die Spitäler zu verteilen. Die Absicht, zur Schonung des Fischbestands ein Überangebot zu bestra- fen, ist klar. Für Felchen gelten fixe Preise. Unsere Fischkäufer hatten zwei Einwände: gegen das Einziehen nicht verkaufter Fische und gegen das Verbot des Einsalzens. Zum Zweiten bemerkten sie, das wer unser verderbnus, da es vorkomme, dass man einen ganzen huffen facht, die müssen wir von den Fischern über- nehmen; söllten wir semlich fisch nüt zu nutz ziehen, wer uns zu schwer.

Die Tellbücher (Steuerregister über das Vermögen) von 1389 und 1448, 1458 und 1494 zei- gen, dass unsere Fischer und Fischhändler viel verdient haben. Erstaunt stellt man fest, dass Schiffleuten bezogen auf das Durchschnittsvermögen knapp hinter Pfistern an erster Stelle der reinen Handwerkergesellschaften rangiert. Der Kleinrat Sefrit Ringolt hat 1389 das für die damalige Zeit enorme Vermögen von 4‘000 Pfund. Er ermöglichte vermutlich den Kauf des Gesellschaftshauses. Die Vermögen der andern vier Kleinräte belaufen sich für Johannes Ross 1448 auf 5‘200, für Heini Zimmermann 1458 auf 1‘755, für Bendicht Sporer 1494 auf 1‘100 und für Jacob von Fahrni auf 400 Pfund.

1 1470: haben Mh. der vischeren halb geraten, das die, so in der Statt gesessen sind, sweren söllend, ouch für sich und ihr husgsind das sweren, und mit niemand dehein teill, noch gmeind haben, und ouch die visch nienendt anders wahin vertigen. 2 Der Weiher gehörte anfänglich Diebold Schilling und einem Partner. Da Schilling mit Fisch handelte, nimmt man an, er sei nicht nur bei Distelzwang, sondern auch bei Schiffleuten zünftig gewesen, was damals erlaubt war. Dass seine Witwe die Gesellschaft in ihrem Testament mit einem Legat bedach- te, könnte die Annahme bestätigen. 4

1500 bestimmt der Rat den Ankaufspreis für Felchen vom Thunersee, und wieviel die Fisch- verkäufer dafür in Bern verlangen dürfen. Die Marge beträgt für tote Fische 3 und für lebende 2 Pfennig; und sol ein buss, 5 Pfund, daruff gesetzt werden.

1523 setzen Schultheiss und Rat und die sächzig burger1 die Verkaufspreise für lebende und tote Fische neu fest. Grosse Fische wie Hechte und Forellen sind neu nicht mehr per Stück, sondern nach Gewicht zu verkaufen. Dazu beschafft die Stadt Waagen für die Fischbank. Der Chronist Anshelm meint dazu, dass eine vast gute nutzliche vischerordnung gemacht, und dass man die gewichtigen visch bi der gewicht sollte verkoufen; aber die vischer wurden bald der ordnung meister.2 Die Liste nennt Preise für Hechte, Trischen, Karpfen, Schleien, Brachsmen, Hasel, Forellen, Aeschen, Alant, Nasen, Aale, Groppen, Egli, Balchen und Felchen. c) See- und Fischerordnungen

Die Bevölkerung und die Fischer hatten gehofft, mit der Reformation würde das Fischereiregal der Grundherren insbesondere des Klosters Interlaken hinfällig. Bern zog jedoch sämtliche Fi- schereirechte des Klosters am Brienzer- und am oberen Thunersee an sich. Dazu gehörte ein grosses Fischfach in der Aare, in dem sich leicht grosse Mengen an Felchen fangen liessen.3 Hatten vorher alle dazu fähigen Stubengesellen von Schiffleuten am Fischhandel verdient, be- stimmte nun der Rat noch einen oder zwei von ihnen zu obrigkeitlichen Fischkäufern und zwar für das Oberland und den Bielersee.4

Er schickte 1533 Pauli Späting nach Interlaken und verpflichtete ihn, alle Fische, die nicht für die einheimische Bevölkerung oder im Spitalbetrieb des Klosters nötig waren, nach Bern zu liefern. Zu Fischkäufern und -verkäufern bestimmte er 1535 die beiden Berner Schiffleute Hans Wolf und Tschan Vischer, den kurz darauf Vinzenz Späting, der Bruder von Pauli ablös- te.5 Sie kauften Felchen, Forellen und Trischen dem Landvogt ab und verkauften sie in Bern. Was die Fischer am obern Thunersee anzubieten hatten, mussten sie ebenfalls den Fisch- käufern abliefern.6 Bis 1645 kamen eine ganze Reihe von Schiffleuten/Fischern in den Genuss dieses Privilegs. Felchen, am Fach oder mit dem Zuggarn lebend gefangen, nannte man Zug- fische, mit dem Schwebnetz tot gefangen Schwäb- oder Schwirrfische. Unsere Stubengesellen teilten lebende und tote Felchen unter sich auf.7

Nach der Übernahme von Interlaken regelte der Rat die Fischerei an den Seen in eigener

1 Die Sechzig sind in der Regel die erste Instanz, die gegen Beschlüsse des Kleinen Rats angerufen wer- den kann. Vermutlich waren die Fischer mit dem Kleinen Rat nicht einverstanden. 2 Bloesch E., Die Berner Chronik des Valerius Anshelm, 6 Bände, Bern 1884-1901, Bd 5 S. 73 3 am 24. Juli 1531 sind beim ersten Zug am Morgen 2354 Alböcke (Felchen) gezogen, am selben Tag im Korb (Fischfach) noch 2103. Der Landvogt von Interlaken schickt davon rouw und braten dem Seckelmeister, um sie Schultheiss, Vennern und Räten zu verteilen. Anshelm Bd 6 S. 136 4 Zedel an Hr Wyerman und Hn Späting, dass sy Khunrad Kipffer und den fischer von Lüschertz für sich bescheiden und den Kipffer alles ernsts vermanen, diewyl er den allpöck Zug und ander gnoss habe, sölle er dem fischer die hecht ouch abnemmen und alhar in die stadt schaffen und bringen. 5 1538: Späting und Wolff die alböck gelichen; verbürgen; zug- und schwäbfisch z‘krützern gen. Recht- lich erhielten sie gegen eine Abgabe ein Lehen und mussten Bürgen stellen. 6 An Schultheiss von Thun. Mit den vischern verschaffen, Schärruss die schwäb und schwirvisch ver- khouffend, sunst niemands. 7 Heini Schärruss den Schwäb- und Schwirvischzug zu Inderlappen ein Jar lang, wie von alter har, geli- chen, so ver er khein ander zug visch füre. Vogt von Inderlappen verschaffen, das die da oben von den Zugvischen gesündert werden. 5

Kompetenz. Das Meiending bleibt für die Fliessgewässer in Kraft. Er erlässt eine Seeordnung und bestimmt Aufseher. Diese, meist selbst Fischer, hatten grosse Mühe, Missbräuche ihrer Kollegen zu verhindern. Eine erste Ordnung aus dem Jahr 1537 musste 1547, 1569, 1586, 1592, 1596, 1617, 1647 erneuert bzw. verschärft werden. Unzählige Ermahnungen an die Auf- seher und Fischer belegen, dass die Behörden ständig mit den Fischern kämpften, welche sich nicht an die Vorschriften halten wollten.

Zwei Beispiele von vielen zeigen, dass auch die Fischer von Schiffleuten keine Unschuldsläm- mer waren, obschon gerade sie das Recht und die Pflicht hatten, Missbräuche von auswärti- gen Fischern anzuzeigen. 1617 liest man: gibt es genügend Felchen, rennen die Berner Schif- fer und andere Schlaumeier von Thun nach Scherzligen, kaufen den Seefischern heimlich Al- böck, Spitzling, Buchfisch1 und andere Fisch ab, tragen sie in Körben usserthalb der Stadt den graben ab in ire Schiff oder weidling, die sy uff sölich end underthalb der Stadt in der Aaren anbinden, ferggen sie darnach heimlicher verborgener weiss das wasser ab und verkaufen sie an andern Orten.

Donstag künfftig (4. August 1619) söllindt die Fischer allhie zum ofen gestelt, inen ire unord- nung fürgehalten und dennach verners beratschlagt werden. In der Stube des Kleinen Rats stand ein grüner Ofen. Thun, das er sich erkundige, wie thür die fischer allhie die Allböck und ander Fisch daoben kouffind, und m Gnaden dessen berichten und sonderlich ouch dessen, uss was ursache man die spitzfisch fache, die aber verpotten.

Weil sie sich zum Nachteil der Burgerschaft nicht an die vorgegebenen Preise halten, droht der Rat allen mit dem Entzug des Felchenhandels und befiehlt dem Schultheissen in Thun, sie nicht mehr in den See hinauf fahren zu lassen. Nur den beeidigten Fischkäufern Daniel Schä- rer und Vinzenz Linder ist das noch erlaubt. Die Drohungen nützen wenig. Wenn die Fisch- schätzer an der Fischbank erscheinen, halten sich die Fischer an die geltenden Preise. So bal sie Ihnen aber den rucken kerind, verkaufen sie Felchen und Forellen der Burgerschaft wieder teurer, und meistentheils anderer orth als am fischbank, sonderlich uff gsellschafften und in die wirtshüser und tragen sie in Secken verborgen in die Statt.

Bern regelt 1644 die Verwaltung der Landvogtei Interlaken neu. Der Erlös aus Fischen fliesst in die Kasse des Landvogts. Hans Schneider, der letzte der Berner Fischkäufer, wird entlassen. Der Landvogt überlässt die Fischereirechte einem Pächter, der viele Fische zum Nachteil der hiesigen Burgerschaft über die Gemmi ins Wallis, ins Simmental oder nach Freiburg verkauft, statt sie nach Bern führen zu lassen.

Um diese Zeit war der See schon derart ausgefischt,2 dass der Landvogt die den Räten zuste- henden ordinary Fisch, auf Martini Felchen oder Forellen und auf Fastnacht Trischen, nicht mehr immer auftreiben konnte. Der Rat verbietet dem Landvogt, die Fischerei zu verpachten und befiehlt einen redlichen Fischer anzustellen und zu bezahlen. Der soll bevorderist alle schuldige und von alter har gewöhnte Ordinaria austeilen, die übrigen stuck dann allhie am fischbank zu gutem der burgerschaft verkaufen und hiemit alles gremplen („händelen“) und verthüren gentzlich underlassen. Die Fischer sollen die Ordnung einhalten.

Trotzdem werden Forellen zu jederzeit, wan schon selbige verpotten, gfangen. Stadtberner und auswärtige Fischer verkaufen sie an der Fischbank nach jedessin gefallen, ohne billiche schatzung, in hochem Preiss. Wegen der Überfischung kommen vermehrt nur noch unausge-

1 Albock = Felche; die andern sind noch nicht ausgewachsene Felchen 2 1635 gehen aus Interlaken rund 13'000 Felchen nach Bern, 1641:7‘000, 1642:30‘000, 1643:27‘000, 1644 nach der Neuregelung in Interlaken 2‘000 Stück. 6

wachsene Felchen auf den Berner Fischmarkt. Die Fischer brauchen Netze mit zu engen Ma- schen. Der Schultheiss in Thun meint dazu, dass solche hinabsendung mir unbewüsst besche- chen, wie es dann der fürköuferer gibt, welche selbst zuo den Fischer häuseren gangend und die fisch nit alle Zeit uff dem Wasser, sondern uff dem Land in hutten weggferggend.

Es scheint, dass unsere Fischer am Handel mit Felchen, Forellen und Trischen aus dem Ober- land nur noch am Rand beteiligt waren. Sie behalfen sich mit dem Fang von Lachsen und Fo- rellen in der Aare. Die vielen Lachse verkauften sie jedoch nicht an der Fischbank, sondern bei Wirtschaften und Privathäusern und viel zu teuer. Wenn die Fischschätzer das feststellen, ist Konfiskation die Folge. N.B. konfiszierte Fische verteilte man in der Regel an die Ratsherren ! Anton Gruber, der Schwellenmeister wurde 1663 erwischt und mit 24-stündiger Haft bestraft. 1664 wandte sich der Rat an die Herren Fürgesetzten einer Ehrenden Gesellschaft zun Schiff- leüten. Sie sollen ihren Stubengesellen einschärfen, das Verbot, Forellen während der Schon- zeit zu fangen, zu beachten, damit das sunst Fischryche Wasser, die Ahren, nit gäntzlichen, sunderlich der Fornen halber, erödet, Sundern bim Samen erhalten werde. 1670 berichten Schwellenmeister Hans Rudolf Schneider und Consorten, dass zu ihrem eige- nen und der Gnädigen Herren Nachteil in der Aare nichts mehr zu fangen sei. Es gebe z.B. mutwillige Gesellen und Künstler, die mit vergifften Pillulen Fisch fachend, darmit sy die Fisch erödent, sunders auch den Samen verderbent und die Wasser vergifftend, dass Jahr und Tag die Fisch an solchen Orten nicht leichend. Sie machen untertänigst auf die der Gesellschaft übertragene Kompetenz aufmerksam, verbotene Praktiken zu unterbinden.

Der Rat nahm sie beim Wort. Er wählte an Ostern 1670 den Inselschirurgen Abraham Andres zum Fischschätzer. Als Sechzehner1 und jüngster der drei noch im Grossen Rat vertretenen Schiffleute war er vermutlich Obmann der Gesellschaft. Andres erhält den Befehl, die Fischer im Oberland, an der Aare bis Büren und an der Zihl bis Nidau aufzusuchen und die festgestell- ten Missbräuche zu melden. Nach seinem ersten Bericht erteilte ihm der Rat die Kompetenz, den Fischern nicht vorschriftsgemässe Netze wegzunehmen und die Fische zu konfiszieren.

In einem nächsten Schritt legt der Grosse Rat 1672 neue Höchstpreise für alle gängigen Fisch- arten fest, und macht bekannt, das Meyending von 1548 bleibe weiter gültig. Trotzdem wer- den nur wenige, kleine und teure Fische auf den Markt gebracht, und die Fischer verkaufen vil Fisch nach Fryburg und anderstwohin.

Darauf publiziert Bern 1673 eine Erfrisch- und verbesserung der fischer-ordnungen ufem Thu- ner- und Brienzersee, wie auch in der Aren. Um den schädlichen Zwischenhandel zu unterbin- den, wird zur Versorgung der Märkte in Thun und Bern an beiden Orten ein vermüglicher Fischverwalter bestimmt.2 Kauf und Weiterverkauf aller Fische aus dem Oberland ist nur ih- nen erlaubt. Sie haben die Fischer bar zu bezahlen und die verordneten Preise einzuhalten. Der Verwalter in Thun schickt, was er übernimmt, möglichst rasch seinem Kollegen in Bern. Dieser übergibt sie zum Verkauf gegen Barzahlung dem Obmann von Schiffleuten.3 Der Ver- kaufspreis ist bei allen Fischarten in Bern etwas höher. In Thun soll z.B. ein Pfund Forellen 1½ Batzen und in Bern 2 Batzen kosten. Die Differenz ist die Entschädigung für die Bemühungen

1 Gemeinsam mit dem Kleinen Rat schlugen 16 von den Vennern aus den Gesellschaften bestimmte Grossräte vor den Wahlen in den Grossen Rat die Kandidaten vor. War eine Gesellschaft nicht im Kleinen Rat vertreten, musste in der Regel ihr Sechzehner die Stelle des Obmanns übernehmen. 2 vermüglich: sie müssen über das nötige Geld verfügen, um die Fischer vorschussweise zu bezahlen. In den ersten Jahrzehnten hatte der Rat den Fischkäufern Vorschüsse gewähren müssen. 3 Der Chirurg Niklaus Tscheer, er ist der erste namentlich bekannte Präsident von Schiffleuten. Er ver- rechnete sich bei diesem Geschäft und stürzte sich in Schulden. 7

der Verwalter und der Stubengesellen, welche die Fische auf dem Markt verkaufen. Wenig im Vergleich zum einst einträglichen Geschäft. Getadelt wird das Verhalten der sogenanten fischweiberen zu Bern, welche daselbst den fisch- verkouf treibend. Sie nehmen sich das Recht heraus, andere, die Fisch zum Verkauf bringen, daran zu hindern. Also soll denselben diser also missbrauchte fischg‘werb abgestrickt sein.1 Die Ordnung bestimmt Schonzeiten, Mindestfangmasse und die Maschengrösse der Netze. Der Fang von nicht ausgewachsenen Felchen (Buchfische, Juchfische, Spitzling) ist bei 50 Pfund Busse verboten.

Damit die Fische nicht in Thun liegen bleiben und verderben, befiehlt der Rat 1677 den Fi- schern alle Leb- und andere Fisch dem hierzu bestelten Hans Ullrich Studer zu Thun alle Mon- tag, Mittwuchen und Sambstag2 zu rechter Zeit und, so weit müglich, vor Mittag in dem preiss des abermahls in Druck verfertigeten Tax zeübergeben, by 10 Pfunden buss von jedem, so darwider handlen und die Fisch anderstwohin verkaufen wurde. Die Massnahme schützt den Fischbestand, weil es sich nicht mehr lohnt jeden Tag Netze zu setzen. Und soll vorgemelter Studer die Fisch unausgelesen, ouch mit bestmüglicher Manier und ord- nung nach Bern schicken, damit selbige dem allhier bestelten früsch und gut übergeben und eingezelt werdint.

Weil im Sommer die Menge der nach Bern gelieferten Felchen oft grösser war als die Nachfra- ge, ordnete der Rat 1679 an, dass am Montag mehr nit als 300, am Mitwochen 400 und am Sambstag 800 nach Bern geschickt werdindt. Der Schultheiss in Thun soll Weiher zum Aufbe- halten von Lebfischen erstellen lassen und Flossschiffe beschaffen.3 In Interlaken und an der Matte sind dafür Fischkästen vorhanden.

1693 revidiert Bern die Fischertax und die Fischerordnung noch einmal, neu „Allgemeine Fi- scherordnung“, weil sie auch für die Aare und den Bielersee gilt. Für die Abwicklung des Kaufs und Verkaufs der Fische aus dem Oberland sind allein die beiden Fischverwalter zuständig. Die Fassung wird 1765 leicht präzisiert und bleibt bis zum Untergang des Alten Bern gültig.

Säger - «Schiffmacher» - Schiffmänner - Transportunternehmer

Aus der Gesellschaft der Fischer ging am Ende des 14. Jh. die Gesellschaft der Fischer und Schiffleute hervor. Viele Mitglieder waren beides. Bis zum landesweiten Ausbau des Strassennetzes im 18. und des Eisenbahnnetzes im 19. Jh. wurden Flusssysteme als schnelle und rentable Verkehrswege rege genutzt. Auf der Aare blühte einst vom Brienzersee bis zur Mündung in den Rhein ein gewerbsmässiger Transport von Gütern und Personen.

Zur Zeit der Gründung der Stadt Bern gab es nur zwei Brücken über die Aare, eine in Thun und eine in Bargenbrück/Aarberg. Überall sonst musste man zum Überqueren Fährschiffe benüt- zen. Auch in Bern, wo vermutlich eine Fähre den Personen- und Warenverkehr an der Nydeck besorgte, bis 1256 die hölzerne Untertorbrücke sie ablöste. Unterhalb Bern befanden sich um 1300 drei Fähren. Die in Gümmenen über die Saane wird 1288 erstmals erwähnt, die bei Bremgarten 1306, und die dritte in Unterdettigen wegen eines schweren Unfalls 1311. Sie gehörte als Lehen der Familie Bubenberg. Der Chronist Konrad Justinger berichtet, am 29. Juni

1 Dieses Verbot steht schon in der Fischmarktordnung von 1459. 2 Die Fahrtage der Schiffe von Thun nach Bern 3 Flossschiff: kleiner, schiffsähnlicher schwimmfähiger Kasten mit Löchern, den man Schiffen oder Flössen anhängt. Durch die Löcher strömt für die Lebfische beim Fahren immer frisches Wasser. 8

1311 hätten 72 Personen auf dem Weg zum Markt in Bern die Unterdettiger Fäh- re benützt. Bei der Überfahrt zerbrach das überladene Schiff, und alle Passagiere ertranken.1

Fährunglück bei Dettigen. Spiezer Schilling- chronik (Burgerbibliothek Bern Mss.h.h. I 16 S. 151)

Wenn Justinger nicht übertreibt, benützte man schon grosse Schiffe. Weil die Berner Matte mit Sägen, Gewerbebetrieben und Mühlen auch den Bubenberg gehörte, nehme ich an, dass dort ihre Dienstleute die Schiffe bauten. Die Fähren in Bremgarten und Dettigen wurden nach dem Bau der Neubrücke 1466 aufgehoben.

Flössen zum Holztransport lud man zusätzlich schweres Material wie Bausteine und Ziegel auf. Der Basler Zolltarif von 1365 nennt schon solche aus Thun und Bern.

Die älteste Darstellung Berns zeigt Flösse an der Matte (Spiezer Schilling 1465, Burgerbibliothek Bern Mss.h.h. I 16 S. 39) Die Existenz von Schiffleuten in der Stadt Bern ist erstmals 1375 schriftlich dokumentiert. Zeugnisse, dass Schiffe aus dem Oberland nach Bern verkehrten sind viel älter. Bereits 1271 erwähnt eine Urkunde aus Interlaken naves mercimoniales, Warenschiffe. 1323 befreien Bern und Thun die Mönche des Klosters Interlaken von Zoll und Abgaben von allen Fuhrungen. Für diese stand bestimmt der Wasserweg im Vordergrund. In der Zeit des Laupenkriegs sperrte der Adel im Seeland Bern die Zufuhr von Lebensmitteln. Von Spiez aus traten die Bubenberg in die Bresche.2 Ihre Schiffleute versorgten Bern. Nach dem Laupenkrieg vermittelte Freiburg 1341 zwischen Thun und Bern über die Schifffahrt: Wir sprechen och und sagen us, daz alle die ze Thune in der stat seshaft sint, süllent dez ungeltez

1 Darnach do man zalt MCCCXI jar, an sant peter und paulstag, so da war zinstag, wolten die lüte ab dem Frienisberg faren gen bern ze märit, und do si kamend gen Tettingen in das schiff, do brach das schiff und ertrunkend LXXII mönschen. G. Studer, Die Berner Chronik des Conrad Justinger, 1871, S. 44 2 Sie hatten 1338 die Herrschaft Spiez von den verarmten Freiherren von Strättligen gekauft. 9

ze Berne ledig sin,1 und süllent daz nit gelten (bezahlen). Wir sagen och us und sprechen, daz die von Bern mit ir schiffen, kleinen und grossen, varen mügend untz an Uttingers hus, und süllent och weg und steg haben dur Thune, als sie hatten, do si mit frid mit ein andren waren vor dem urlig (Krieg, Streit). Die Schiffer der Bubenberg konnten wie früher zwischen Spiez und Bern hin und her reisen.2 1360 kaufte Bern die Besitzungen der Familie Bubenberg in der Matte mit Sägewerken und Mühlen und dem Uferstreifen um die Halbinsel hinunter bis zum heutigen Aarhof. Das flache Ufer eignete sich gut zum Be- und Entladen von Schiffen. Bald nach der Übernahme der mit Wasser betriebenen drei Sägen3 entwickelte sich ein reger Schiffbau.

Nach dem Erwerb Aarbergs und der Eroberung Nidaus und Bürens fahren die Berner weiter Aare abwärts. Der Bedarf an Schiffen nimmt zu. Auf der Werft entstehen zwischen 1375 und 1384 bereits 168 Schiffe, davon 20 für auswärtige Interessenten in Freiburg i. Ue., Nidau, Bü- ren, Solothurn, , Klingnau, Schaffhausen und Hagenau im Elsass. Namen von in Bern tä- tigen Schiffmachern sind ab 1375 belegt. In der Standesrechnung für 1376 steht erstmals die Bezeichnung „Schiffleute“: item dien schiflüte umb brot hies der weibel 5 Schilling (geben).4

Sie führen mit Schiffen den Hausrat des Landvogts und auf Flössen Bretter und Schindeln nach Aarberg,5 Soldaten und Kriegsmaterial von Bremgarten nach Büren. Im Burgdorferkrieg (gegen Kyburg) setzt Bern 1383 Flösse ein. Der Bauherr Peter Balmer lässt durch drei Schiffleute und Säger an der Aare in Dettigen drei Flösse bauen, um Soldaten nach Solothurn zu bringen. Dazu kamen zwei Schifflein, welche mitgezogen wurden. Aus Solothurn liess man die Flösse zur Brücke in Olten treiben, um sie zu zerstören.6

1376 erwähnt die Berner Standesrechnung den Säger und Schiffmann Rudi Flösser (!). Mit Schiffbau und Transporten beschäftigt, war er auch verantwortlich für die Überwachung und den Unterhalt der grossen Aareschwelle in der Matte. Je nach Wasserstand hatte er mehr oder weniger Wasser abfliessen zu lassen, damit die Wasserräder der Mühlen und Sägen lau- fen, und die Fische ziehen konnten. Rudi Flösser ist der erste namentlich erwähnte Schwel-

1 Ungeld, Ohmgeld: Steuer auf Wein 2 Urkunden erwähnen 1356 und 1360 Johanse die schifmann gebrüdere, johans den schifmann den jüngeren als Zeugen in Aeschi; Siegel von Bubenberg. 3 1405: Matte: dry sagen: hat kilchberg die ersten, Steiner die andren, Hensli von farni die dritten 4 Staatsarchiv Standesrechnungen 1375/76 B VII 446 b und c; auf der gleichen Seite ebenfalls: Dien zi- merlüten und schifknechten gen Aarberg 1 Pfund 2½ Schilling. 5 Michel Syber und dem Meder umbe einen flos gen Arberg ze füren mit dien laden. Rudin Flösser um schindlen gen Arberg. 6 Studer G., Die Berner Chronik des Conrad Justinger, 1381: do zugent die von bern umb mitten sum- mer für Olten und floszten die bruggen weg. 1288 soll schon Rudolf von Habsburg bei der Bela- gerung Berns zu diesem Mittel gegriffen haben, um die Untertorbrücke zu zerstören. (Chronica de Berno) 10

lenmeister. Dieses Amt übertrug der Rat bis 1825, als der zweitletzte bei Schiffleuten zünftige Schiff- mann starb, immer einem unserer Stubengesellen.

Die Aareschwelle um 1483, amtliche Chronik von Diebold Schilling (Burgerbibliothek Mss.H.H.I.1. S. 31)

Fuhren die Schiffleute weit Aare abwärts, verkauf- ten sie die Schiffe am Ausladeort und machten sich zu Fuss auf den Heimweg, um das mühsame fluss- aufwärts Ziehen zu vermeiden. Die „Abführschiffe“ ersetzten sie durch neue. a) Säger, Flösser und Schiffmacher

Unsere Stubengesellen lernten in einer drei- bis vierjährigen Lehre nicht nur das Steuern der Schiffe und Flösse, sondern auch das Bedienen der Sägewerke und den Bau von Schiffen und Flössen. Wenn sie die Lehre abgeschlossen und einige Jahre als Schiffsknechte gearbeitet hatten, nahm sie die Gesellschaft als Meister auf.

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11 13 17

12 16 15

Die Matte auf dem Sickingerplan von 1603-07. 11: obere Ländte und Holzlagerplatz 12: Schwelle 13: Re- chen 14: Stadtmühle 15: die drei Sägewerke 16: untere Ländte 17: Schiffbauscherme. (Staatsarchiv AA IV 1650) Die Sägewerke an der Matte waren lange die einzigen in einem grossen Umkreis und die Pächter hatten praktisch ein einträgliches Monopol für das Zurüsten von Bauholz. Die «Ord- nungen der Sageren und Schifflüten» fixieren die Löhne, welche für die einzelnen Arbeiten verlangt werden dürfen. Eine alte Ordnung wird 1540 ersetzt; zwei weitere folgen 1585 und

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1609.1 Nach der mehrfach vorkommenden Wendung sager oder schifflüt machten Säger Schiffe, und Schiffmacher waren Säger.

In jede der drei Sägen sollen sich höchstens zwei Meister teilen. Je sechs Stubengesellen sind bis gegen Ende des 17. Jh. dort an der Arbeit. 1698 sind es nur noch zwei auf der untersten Säge, welche als die schlechteste galt. 1731 tritt die Gesellschaft zu Schiffleuten an ihre Stelle und übernimmt auch ihre «Landeren», die Anlegestellen. Anfänglich holten die Schiffleute speziell gewachsenes Holz für die Schiffe noch aus dem Bremgartenwald. Als dort das Geeignete nicht mehr zu finden war, mussten sie es in den Wäl- dern nördlich von Thun oder am Gurnigel beschaffen.

Aus dem Oberland herabgeflösste Stämme zogen die Säger aus dem Wasser, rollten sie dann zu den Sägen und bezogen dafür den „Trölerlohn“. Stämme aus dem Grauholz, dem Bremgar- ten- und Könizbergwald banden sie in Worblaufen zu Flössen und fuhren Aare abwärts. Die Stadt bezahlte dafür viele Arbeitstage. Dem schwelimeister von den neunzechen flössen gan Arberg zemachen, hatt 84 tag für jeden 6 Schilling; und von den flössen gan Arberg zefüren von jedem 2 Pfund.2 Die neun flöss gan Arberg zefüren hatt der schwellimeister sampt den knechten 25 tag für jeden 6 Schilling. Dem Schwellimeister Gilg Schärrer, umb das er zu Worb- lauffen min Gnädiger Herren flöss gemacht hatt selbs achtett 2 tag zum Tag jedem 8 Schilling. Geschnittenes Holz nahmen sie auf den Flössen mit oder brachten es per Schiff ins Waadtland und gelegentlich sogar nach Thun hinauf.

In der Lehre lernten die angehenden Schiffmacher die für Schiffe geeigneten Tannen, oder seltener Eichen, auszuwählen. Dafür waren sie häufig in den Wäldern im Oberland unterwegs. Die Spanten richteten sie mit der Axt zu und bogen über dem Feuer die mit der Axt geglätte- ten Planken. Zum Abdichten der Fugen beschafften sie Moos und Schnüre.

Für ein Schiff war viel Holz nötig: für Bretter 40-60 cm dicke etwa 10-15 Meter lange Tannen- stämme, dazu je nach Schiffstyp für die Spanten, an denen man die Planken befestigte, eine Anzahl mindestens armdicker Bäumchen mit rechtwinklig abstehenden Ästen oder Wurzeln. Vor allem das Ausgraben oder Fällen dieses Jungwuchses „erödete“ bzw. schädigte die Wäl- der. Den Schiffmachern warf der Rat vor, sie würden die Wälder ruinieren.3 Sie bauten Schiffe nicht allein für den Eigenbedarf, sondern versuchten um des Verdiensts willen möglichst viele zu verkaufen. Schon früh werden Abnehmer in Schaffhausen, Laufenburg und Basel und an den Juraseen erwähnt. Um diese Kunden nicht zu verlieren, erledigten die Sager und Schifflüt ihre Bestellungen oft vor denen der Stadt und wurden vom Rat zurechtgewiesen.4

In Basel gab es, anders als in Bern, keinen gewerbsmässigen Schiffbau. Die Basler kauften die Schiffe den Oberländern ab, u.a. den Schiffmachern in Bern. 1416 führten diese Klage beim Basler Rat, weil die Basler Schiffleute sie beim Kauf immer wieder übervorteilten. Basel rea- gierte empört, als Schiffleute aus Zürich, Bern, Luzern, Schaffhausen und Laufenburg 1450 un- tereinander die Preise vereinbarten und beschlossen, den Baslern wegen der Preisdrückerei keine Schiffe mehr zu verkaufen.

1 Stadtarchiv Bern Bauamtsurbar I 2 1 Pfund=20 Schilling=240 Pfennige 3 1678: Und nun ermelter Schiffmann Oht ohne das ein gantz schädlicher holtzwurm (!) seye, als ha- bend ir gnädigen Herren ihme das Schiffmachen auf ein Jahr lang interdiciert. 4 19. Oktober 1566: An gemeine Stubengsellen zun Schifflüth, das sy ein gemein pott besammlind und verschaffe, dz unser herren höltzer gesaget werde. 1580: Zedel an die Sager an der Matten, söllend m.h. böum, so zu laden und latten zu ir Gnaden büwen zu Lussens und Louppen bereit und im was- ser ligen, fürderlich sagen und sunst nützit fürnemmen untzit ir Gnaden sachen verfertiget. 12

Eine erste Angabe zur Grösse der Berner Schiffe macht der Berner Zolltarif von 1435. Sie sind acht Schuh (2.4 m) breit. Die Laufenburger Knechte verlangen beim Hinunterseilen über den kleinen Laufen von Berner und Freiburger Schiffen 8 Schilling, für kleinere 5- oder 6-schühige Schiffe 4 Schilling. Berner Schiffe waren demnach mindestens 7 Schuh (2.10 m) breit. Auf Abbildungen aus dem 16. Jh. sind kastenförmige Schiffe zu sehen, welche dem modernen Weidling wenig ähneln.

Warenschiff auf dem Rhein in Basel 1599 Koelner P. Basler Zunftherrlichkeit, 1942, S. 188

Wie realistisch die Darstellungen sind, liesse sich an Schiffswracks überprüfen. Diese gibt es aber praktisch nicht, weil man Schiffe, die nichts mehr taugten, zerschlug und das Holz zum Heizen brauchte. Das einzige mir bekannte Schiffswrack aus dem frühen 16. Jh. wurde zu Be- ginn des letzten Jahrhunderts im Schlossgraben in Hallwil entdeckt.

Es ist 10.6 Meter lang, vorne 1.62 Meter, in der Mitte 1.82 Meter und hinten 1.55 Meter breit. Der kiellose Boden ist im Mittelteil flach und steigt an beiden Enden ungefähr im letzten Viertel leicht gekrümmt zu Bug und Heck an. Die Seitenwände bilden mit dem Boden fast einen rechten Winkel und sind leicht geschweift. Am quadratischen Bug und Heck sind Quer- balken als Abschluss aufgesetzt. Die Seitenwände bestehen aus zwei Planken, deren untere 46 cm und die obere 12 cm hoch ist. Die geringe Wandhöhe weist darauf hin, dass das Schiff

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wenig Tiefgang hatte. Die Planken bestehen aus Tannenholz. Die 8 Schuh breiten Schiffe aus Bern waren mit etwa 13 Metern länger. Ab und zu gibt es Angaben zu ihrer Tragkraft. 1443 führte der Berner Hensli Zimmermann mit zwei Schiffen 23 Fass Wein von Büren und Solo- thurn nach Aarau. Jedes der Schiffe trug demnach ein Gewicht von etwa 10 Tonnen. Auf einem Solothurner Schiff, das 1480 an der Brücke in Wangen verunfallte, befanden sich 110 Soldaten und 4 Schiffmänner.

Abbildungen aus Lithberg N., Hallwyl II, 1932, fig. 23 Weidling 20. Jh. Im 17. Jahrhundert stellte die Berner Werft für das Salzdirektorium grosse Segelschiffe her. Sie verkehrten, beladen mit bis zu 60 Salzfässchen (21 t), aus Yverdon nach Murten, Nidau oder Aarberg. Die z.T. auch aus Bern oder vom Thunersee für die Aktiengesellschaft des Ca- nals d’Entreroches gelieferten Barken hatten eine Kapazität von 52 Ryffässern (ca 35 t). Ab Koblenz kamen Schiffe mit 35 Salzfässchen (12 t) oder 3-400 Zentnern Waren (15-20 t) Aare aufwärts nach und Aarburg. Unsere Stubengesellen konnten also Schiffe für unter- schiedliche Bedürfnisse bauen. Die Zollordnung von 1754 erwähnt grosse Schiffe, Halbschiffe, Spitzweidlinge und Weidlinge von drei Laden.

Die Spitzweidlinge sind identisch mit heutigen Aareweidlingen. Die «Dreilädner» bestehen aus einem breiten Bodenladen und zwei re- lativ niedrigen Seitenwänden. Sie wurden vor allem von Fischern benützt und von Bauern, die Land auf beiden Seiten der Aare be- wirtschafteten. Das ersparte ih- nen den Weg zur nächsten Brücke oder Fähre.

Schüler auf einem Dreilädner in einer Aaregiessen 1914 (Staatsarchiv N Laedrach 85.7)

Die einzigen, wenn auch nicht ganz verständlichen Masse für Weidlinge legt der Berner Rat erst 1681 in der „Ordnung wegen der Schiffart auff der Aaren von Thun nacher Bern“ fest. Sol- len alle diese Bern-weydlinge in alle weg gleich gross seyn und namlich haben: in der länge werkschue 44; vor in der breite und höche werkschue 3, zoll 3; hinden in der breite und höche 14

werkschue 3, zoll 6. (Länge 13.124 m, Breite und Höhe vorn 0.984 m, Breite und Höhe hinten 1.064 m). Da das Überladen der Schiffe viele Unfälle verursacht hatte, wird zusätzlich be- stimmt, dass die beladenen Schiffe noch ein Freibord von 50 cm haben müssen. Die Masse beruhen auf Erfahrungen betr. Sicherheit, und setzen dem Holzverbrauch Grenzen. 1808 wurde eine Verlängerung der Schiffe auf 14.9 m bewilligt. Der Verkehr aus Thun hatte bis zur Eröffnung der Eisenbahnlinie noch immer einen beträchtlichen Umfang.

Bernweidling (* Wand vorne 3 Schuh 6 Zoll = 1.074 cm; ** Wand hinten 3 Schuh 9 Zoll = 1.116 m)

Wegen der durch das Heraufziehen der Schiffe an den Ufern verursachten Schäden vereinbart Bern 1710 mit Solothurn, die Ladung der heraufkommenden Schiffe von vorher 35 auf 25 Salzfässchen, und für Kaufmannswaren von vorher 3-400 auf 150 Zentner (à 50 kg) zu ver- ringern. Wahrscheinlich änderte sich damit nichts an den Schiffen, da die Schiffleute bei der Talfahrt nicht an diese Vorschrift gebunden waren.

Wenn andernorts Holz für Schiffe nicht mehr vorhanden war, gab man sie bei unseren Stu- bengesellen in Auftrag. Diese liessen sich noch so gerne auf einen Handel ein, der ihnen Ver- dienst brachte. Holz für alle möglichen Zwecke war nun so gefragt, dass der Rat vorerst ver- bot, es ohne seine Bewilligung zu fällen.1 Dann war vor dem Bau grosser Schiffe sein Einver- ständnis erforderlich. Und 1535 verfügte er schliesslich, Schiffe der Berner Werft seien, mit Ausnahme derjenigen für Zurzach, grundsätzlich nur noch für den Neuenburger-, Murten- und Bielersee bestimmt. Ein Verkauf bzw. Ersatz ist erst gestattet, wenn sie dort mindestens drei Jahre gebraucht worden sind. Die früheren Kunden der Berner am Rhein in Schaffhausen, Lau- fenburg, Basel und Neuenburg a.Rh. müssen sich mit gebrauchten Schiffen abfinden, ausser der Rat bewilligt eine Ausnahme.2

1 1484: haben min Gnädige Herren geraten, das die Schifflütt kein holltz zu schiffen in dheinen bann- wälder oder holltzer söllen howen, noch vellen, dann mit sundrem gunst miner Gnädigen Herren oder erloubung und willen dero, den söliche hölltzer zugehören, doch ist inen zugelassen, ouch schädlich holltz, als buchen oder dessglychen. 2 1551: Demnach wir die dry Seew mit schiffen versächen müssen, und, damit unsere hölzer dadurch nitt gar undergangind und geschwänndt wärdind (schwenden=ausreuten), ein Ordnung gemacht un- der anderem wysende, das ein jeder dry jar lang ein schiff fürenn und bruchen sölle und wir ime dheins hie machen ze lassen ohne schrifftlich schin, das er dem statt geben. 1592: An die Landvögte in Ifferdten und Nidou dess hievor gethanen Insechens und ordnung, dass keine Schiff ab den Seen gelassen werden söllind, sy syend dan zuvor dry Jar lang daruff brucht worden, erinnern und bevel- chen, nochmalen mit ernst darob zehalten. 15

Anzahl vom Rat bewilligte Schiffe 1550-1590

50

45

40

35

30

25

20

15

10

5

0

1590 1551 1552 1553 1554 1555 1556 1557 1558 1559 1560 1561 1562 1563 1564 1565 1571 1575 1580 1550 Die Schiffmacher, die früher unkontrolliert Schiffe verkauft hatten, mussten sich fügen. Mit der Zeit begannen sie sich gegen die weniger streng überwachten Konkurrenten im zu wehren und klagten sie beim Rat an. Der schützte unsere Berner und untersagte 1592 den Schiffbau im Aargau, behielt aber unsere Stubengesellen weiter im Auge.1 1622 führte er für nidsich fahrende Schiffe Passzedel oder Schiffspatente ein. Ohne sie musste das Schiff spätestens ab Brugg wieder aufwärts geschleppt werden. Uff anhalten der Schifflüthen allhie verbot der Rat den Aargauern 1642 Schiffbau und -verkauf erneut, da an sölichen ohrten hievor keine Schiffwerkstatt jemalen gewesen, die jenigen dz Handtwerk nit wie brüchlich ordenlich erlehrnet, des Schiffens nit erfahren und ihrer darmit niemandt gedient sye. Und in einem „Patent“ bestätigt er den Bernern, dass nur noch Schiffe bauen und verkaufen darf, wer das Handwerk ordenlich und wie brüchlich gelehrnet. Die Kon- kurrenz zwischen Bernern und Auswärtigen blieb bestehen. Die Berner liessen sich noch 1761 den Entscheid von 1642 bestätigen.

Nach dem Bauernkrieg bereiteten Rat und Kriegsrat die vielen von Fischern und Bauern be- nützten Schiffe nicht nur wegen des Holzmangels Sorgen. Sie dienten zum Schmuggeln und zum Übesetzen von unerwünschten Personen und herumstreichenden Bettlern. 1655 musste Schwellenmeister Schärer ein Verzeichnis aller zwischen Thun und Bern ange- troffenen Schiffe abliefern. Bei einer weiteren Aufnahme auf allen bernischen Flüssen findet er 1658 deren 92. Von ihnen müssen alle drei Jahre etwa 30 ersetzt werden. Zählt man die zu- sätzlich bewilligten Abführschiffe hinzu, sind es noch etwa 20 mehr. Der Rat mahnt in der Fol- ge 1659 wieder einmal: Zedel an die Geselscht zun Schiffleüten. So müssind doch ir Gnaden er- fahren, dz mit dem Schiffmachen gleichsam ein gwerb getrieben werde, wie dass Hans Ott sich underfangen in rechter anzal weidling zemachen und zeverkouffen, ohne dass ir Gnaden nach

1 1612: Zedel an Hr Späting (Kleinrat von Schiffleuten), dass er mit hilff des Schwellimeysters alle die Meister alhie für sich neme und von einem jeden erforschen sölle, wie mengs Schiff ein jeder vern- drigs und hürigen jars gemachtt, ob sy des gwaltt (Bewilligung) empfangen und die verzollet, ouch wo sy mit denselben hinkhommen. 16

Inhalt der Ordnung darum begrüsst werdint. Wellind derowegen sie angesinnen haben, ob dem Verpott fleissig zehalten. Der Rat lässt vorübergehend alle Schiffe ausser den bewilligten Fährschiffen einziehen und nach Bern und Aarberg schaffen. Zwischen Thun und Bern hatte Schwellenmeister Schärer das mit einer bewaffneten Eskorte zu vollziehen.

Basel und Schaffhausen beschwerten sich wiederholt über die restriktive Praxis Berns, mit dem Hinweis, sie könnten ohne Berner Schiffe die Salzfuhren aus Bayern und Tirol nicht be- wältigen, von denen ausser Solothurn auch Bern abhänge. Die Schiffleute ihrerseits erklärten, es sei unmöglich die Zurzachschiffe zurückzubringen. Der Rat sah das ein, meinte aber, dass zwar gar keine Schiff auss dem Land gelassen werden sollten. Lasse sich das nicht vermeiden, sei für abgeführte Schiffe, statt des seit dem 14. Jh. geltenden Zolls von nur 5 oder 10 Schil- ling, eine zusätzliche Abgabe zu fordern, wie das andernorts auch gemacht werde, und erhöh- te 1677 die Abgabe für ein ganzes Schiff um das rund Fünzigfache auf 4 Kronen, und für ein halbes Schiff auf 2 Kronen, welches den Basslerischen und Schaffhausischen herren Ehrenge- sandten bey erster zusammenkunfft anzedütten sein wirt. Die Schiffleute durften diese Abga- be auf den Verkaufspreis schlagen. Teurere Schiffe sollten weniger Absatz finden ! 1723 untersagte die Zollkammer der hiesigen Meisterschaft und denen von Hunziken by hoch oberkeitlicher Ungnad den Verkauf von Schiffen. Das Meisterbott versprach, sich dieser ho- chen Erkentnus conform halten zu wollen. Wangen, Aarwangen, Aarauw und Nydauw müss- ten aber gleich behandelt werden, weil sie den Solothurnern Schiffe lieferten. 1732 lockerte der Rat das Verbot und milderte den Tarif von 1677 auf die Klage der allhiesigen schiffmeister, dass sie wegen der geringheith ihres verdiensts von denen abführenden schiffen sehr schlechten gewinn haben. Die Konkurrenz der Werften am Thunersee, in Hunziken bei Rubigen, im Aargau und seit 1722 in Yverdon drohte sie vollends aus dem Geschäft zu ver- drängen. Der Tribut ist nur noch zu zahlen von den Schiffen, die allhier mit waaren beladen und direct auss dem land verführt werden. b) Transportunternehmer

Die Eroberung des Aargaus 1415 bot unseren Schiffleuten völlig neue Möglichkeiten. Die Stadt übertrug ihnen sofort die «Züglete» der Landvögte, wenn diese im Herbst von Bern aus auf ihr Schloss zogen. Die Reisen führten nach Aarberg, Nidau, Erlach, Gottstatt, Wangen, Bipp, Aarwangen, Aarburg, Biberstein und Schenkenberg. Erwähnt werden jedoch auch Orte, die nicht am direkten Wasserweg liegen: Zofingen, Lenzburg, Baden und Königsfelden.1 Zu dritt oder viert bezogen die Schiffleute Lohn, Verpflegung und pro Schiff 6 Mass (10 Liter) Wein aus dem Stadtkeller.

Die Handwerker und Kaufleute in der Stadt nützten den neu erschlossenen Wasserweg für den Handel. Leder gehörte seit dem 14. Jh. zu den meist exportierten Handelsgütern, bis sich die Produktion im 18. Jh. mehr und mehr auf das Land verlagerte. Die Gerber verschifften Fel- le und Häute in grossen Mengen bis nach Strassburg und Frankfurt. Näher lag der Messeplatz Zurzach. Die erste schriftliche Nachricht über den Besuch der Zurza- chermesse durch Berner findet man 1427. Die Berner Schiffleute verpflichten sich vertraglich,

1 Fidelbogenn von dess uffüren wägen der vögty von Baden 20 Pfund. 1583: Dem schwellimeyster Marti Thäler für iro vier, umb das sy m.h. gsandtenn, so uff die tagleystung gan Baden beordnet, uff dem wasser hinab gefürt henndt. ime (dem Stadtschreiber Dachselhofer) widerbekert, so die herren gesandten für die vier schiffmannen, die sy uff dem wasser hinabgefürt zu Büren, Solothurn, Aar- wangen, Arburg, item uff ir heimreiss ussgeben. 1645: Thunerhans soll Schultheiss von Erlach per Schiff zur Badener Tagung führen und das Schiff in Brugg verkaufen. 17

zu jeder der beiden Messen mit zwei Schiffen das Leder abzuführen. Und die Gerber sind ge- halten, die Fuhr ausschliesslich unseren Stubengesellen zu überlassen.1 Bei einem Unfall an der Saanemündung hatte 1469 ein Schiff mehr als 2000 Leder geladen. Ein langer Schadener- satzprozess folgte. Am Schluss regelt der Rat im Juni 1470 in einem «Freiheitsbrief»,2 wann Schiffleute für Verluste bei Schiffbruch haften. Wegen des Unfalls liess die Stadt die Schiffe nun vor der Abfahrt kontrollieren. Wegfahren liess man nur erfahrene, nüchterne Schiffleute und „währschafte“ nicht überladene Schiffe.

Schiff mit (Leder?) Ballen, vermutlich vor Zurzach Scheibenriss 17. Jh. (Bern. Historisches Museum)

Wie bei den Fuhren für die Landvögte, erhielten die Schiffer und Gerber Wein mit. Fremde Lederhändler, Kaufleute und weitere Mitreisende gingen an Bord. Fuhr kein anderes Schiff in Bern ab, machte auch der Rat Gebrauch von den Zurzachschiffen. Zedel an Züg- herren, soll dem Vogt zu Arburg im Zurzachschiff ein tonnen pulver zuschicken. Zedel an min Herrn Seckel- meister Zehnder soll dz bereit glöggli allhie jetzund im Zurzach Schiff gan Khüngsfelden zevertigen befelchen. Lentzburg 20 Centner Pulver, 100 Musqueten, 500 bu- scheln lundten by naechst verreisendem Zurzach Schiff wol verwart zuzeschicken. Die Fahrt der Berner galt als etwas Besonderes. Wenn sie in Solothurn rasteten, spendete ihnen die Stadt einen Begrüssungstrunk. In Aarwangen, Aarburg und an der Grenze des Amtes Lenzburg liessen die Landvögte bei der Durchfahrt Salut schiessen.3 Wenn die Schiffleute nicht unterwegs übernachteten, dauerte die Fahrt bis nach Klingnau etwa 16 Stunden. Um das Hinaufziehen der Schiffe auf dem Rhein von Koblenz nach Zurzach zu vermeiden, lud man die Waren in Klingnau aus und führte sie über Land. Das ersparte den Einsatz von zusätzlichen Schiffsziehern.

Treidelzug am Rhein um 1600 (Spätmittelalter am Oberrhein, Söhnke L. und Zotz Thomas, Katalogband 2001, S. 95

1 1631: Zedel an ein ehrende Gsellschafft zu Schifflütten, wyl Jacob Lysser die den meysteren Gerwer handtwercks nun lange Jahr verrichtete schiffahrt nach Zurzach quittiert… 2 Staatsarchiv Spruchbuch des oberen Gewölbs F S. 234-36. Freiheitsbriefe regeln die besonderen Rechte und Kompetenzen der Zünfte und Gesellschaften. 3 Arburg soll, wan Schiff uff Zurzach zu farend, zu einem Schiff allein ein Schütz (Schuss) und nit mehr thun. Lenzburg soll in empfachung der Zurzach schiffen mit schiessen alle bescheidenheit bruchen. 18

Nach dem Auslad verkauften die Berner ihre Schiffe an Abnehmer aus Schaffhausen, Lau- fenburg und Basel. Das war rentabler, als sie wieder nach Nidau zurückzuschleppen, wo sie bis zur nächsten Messe für aus Genf ankommende Waren liegen geblieben wären. Damit die Schiffleute nicht durch Bäume, Sträucher und Abzäunungen am Aufwärtsziehen der Schiffe gehindert wurden und durch das Wasser waten mussten, hätten die Anstösser die Ufer möglichst frei halten sollen, was jedoch nur zu oft unterblieb. 1616 liess Bern prüfen, ob und durch was beste mittel die lären vass, [kouffmanswhar] und anders das wasser uffzebrin- gen und zezüchen sye oder nit, oder was für hindernussen vorhanden, und wie dieselbig abze- schaffen, damit dafür gesorgt werden könne, dass die schiffläst das wasser widerumb hinuff biss in Nydouwer see mit geringerem Kosten und Ungelegenheiten als bisher gezogen werden können. Die Ausrede der Schiffleute, das sei zu mühsam, und sie müssten die Schiffe in Aarau, Brugg oder Klingnau verkaufen, gilt dann nicht mehr. Es dauerte aber doch bis 1679, bis ein regelmässiger Schiffsverkehr von Brugg nach Nidau einsetzte.

Richtung Thun hatte der Rat unsere Gesellschaft schon 1505 beauftragt, regelmässig ein Schiff hinauf und wieder zurück zu führen. Der Chronist Anshelm bemerkt dazu: hat ein stat Bern, in ansehen gemeiner kommenheit, ein andre müe fürgenommen und da nit on kosten angericht, ein schif gon Thun uf der Ar uf- und abe zefaren, bestund nit lang, wan der nuz und die arbeit uf dem ruhen, unbeständigen wasser niena mocht erstatten.1

Wein, Getreide, Salz und Leder waren Güter, für welche gemäss den meisten Publikationen der Wasserweg bevorzugt wurde. Hier eine kleine Auswahl all dessen, was unsere Stuben- gesellen im Auftrag der Stadt aus Bern wegführten. Leider erfährt man nicht, was ihnen Pri- vate übergaben.

1505 Erhart Späting umb 20 käpffer (Kragsteine) und 5 armi mönschen hinweg zu füren 1507 Benedicht Jossen von dem schlachwerk gan Nidow zu füren (Vorrichtung zum Einrammen von Brückenpfeilern) 2 1507 Jossen und Bernhart Wiler von zwöyen schiffen ouch ziegel gan Arberg und auch rafen und laden gan Wangen zu füren 16 tag zum tag 6 Schilling 1519 Niclaus Pirro und sinem gesellen von einem armen man gan Klingnow zu fürenn tut die zer- ung (Verpflegung) und fürung 1 Pfund 1 Schilling 4 Pfennig 1524 Fidelbogen von 54 man im schiff das land abzufürenn 1525 kriegslöuf wägen: Fidelbogen sampt gemeinen schifflüten für der ampthlütten fuhr gan Graubu und inn das Argeuw 1534 furlon von 2 vass mitt salz so gan Lennzburg kamend 1535 den schifflüten den vogt von Baden uffzefüren; inen Municion und büchsen gan Arburg ze fü- ren 1549 han ich Martin Fidelbogen geben von wegen des holtzes zu der gefencknus zu Wyblispurg (Avenches) gehörig gan Pfauwen (Faoug) zu füren 1552 Mathis Verr dem schwelimeister umb 180 Latten zur Brugk gan Bellerive (bei Salavaux am Murtensee) 1553 dem nüwen schwelimeister umb 2 nüwe schiff von 102 vassen an See (Bielersee) zefüren und gan Wangen 1554 Cunrat Stöcklin von einer thonen bulvers gan Brugk und etliche fässlin gan Arwangen zefüren 1554 Martin Fidelbogen das er 22 vass gan Nydouw gfürt hatt geben sin lon

1 Bloesch E., Die Berner Chronik des Valerius Anshelm, 6 Bände, Bern 1884-1901, Bd. 2 S. 414 2 1570 beim Bau der Brücke in Olten: dagegen sol er den schlegel und schlachwerck dermassen rüsten mit einem uffzug (...) das er die pfyler in sinen kosten schlache. 19

1554 Denne thut der kosten, so über die siben stuck büchsen und zwölff haggen sampt der mu- nition, so zu Ir g.h. in Savoysch land gevertiget, ganz, es sye mit fur und schifflon dieselbigen von hinnen gan Yverdten und da dannen ettliche gan Morges zevertigen 1557 Stöcklin geben, das er ein armen man im schiff gan Klingnouw und zwöy vass mit büchsen- pulver gan Arwangen und Biberstein gefürt hat 1563 Hansen Späting dem schwelimeister von 65 landvassen an see zufüren, von jedem 5 Schilling, und 60 Riffvassen gan Iferden, von jedem 8 Schilling 1563 Hans Wolff dem Schiffman geben 4 stuck büchsen uff Rederen sampt der Munition gan Yver- dun zefüren 1566 dem schwelimeister Spättig1 gebenn umb zwöy grosse nüwe schwelischiff gan Arberg ouch flöss, alles holz und gschirr, so er gan Arberg gfürt 1566 Brücke Aarberg: han ich Hanns Wolffen dem schiffmann geben von 38 centner ysenwerk von Thun gan Arberg ze fürenn von jedem centner 3 Batzen 1573 dem schwelimeister Marti Täler bezalt von m.g.h. vassen und den helm gan S. Johans zum thurm ze füren tut mit sampt sin und siner mithelffern zerung lut zedels 52 Pfund 9 Schilling 1573 Hans Wolff dem schiffman von 6 vässli mit Stürz (Blech) gan S. Johans ze füren von eim 3 Bat- zen 1576 dem schwelimeister bezalt das er gan Jverden gefürt nünzeh pompen und anders, so us schöpfung des bads daselbs dienstlich (Bad schon römisch, 1545 wieder in Betrieb genom- men) 1577 Jacob Linder dem Schiffman bezalt, so in vorgender Badischer tagleystung Hrn Schultheissen von Mülinen und Herrn Tillier zu wasser hinabgefertiget 1581 Hans Steiner dem Schiffman sin lon bezalt, umb das er und sine mitgsellen etliche Munition alls etlich Thonnen Bulfer, Kuglen, Bly, Hartzring und anders gan Lenzburg, Brugg und Biber- stein gefürt

Zwischen Mai und Oktober waren die Berner Schiffleute hauptsächlich damit beschäftigt, aus Bern einige hundert leere Weinfässer aus den Staatskellern zum Abfüllen an den Bieler- und Murtensee zu bringen. Nach der Eroberung der Waadt (1536) fuhren sie auch nach Yverdon. Die vielen Berner, welche an den Seen Rebbesitz hatten, übergaben ihre Fässer ebenfalls un- sern Leuten. 1544 richtete die Stadt am rechten Aareufer am Altenberg ein Fasshaus mit einer weiteren Anlegestelle für Schiffe ein.

Fasshaus im Altenberg auf dem Sickin- gerplan von 1603-07 (Staatsarchiv AA IV 1650)

1 Hans Späting war auch Fischschauer und Fischhändler, 1569-73 Landvogt in Nidau, 1576-82 Schult- heiss in Thun, 1583-1611, im Kleinen Rat, wie dann auch seine Söhne Hans 1612-18 und Vinzenz 1621-24,. 20

Beim Fasshaus verluden die Schiffleute die Fässer, wahrscheinlich 20 bis 25 pro Schiff. Ohne Kran wurden sie über ein Brett gerollt und im Schiff gestapelt. Die im Seeland benützten Landfass fassten 1‘000 Liter Wein, die Ryffass am Genfersee 670 Liter. Die Schiffer entschä- digte man für die Arbeit mit Wein.1

Weidling hoch mit leeren Weinfässern beladen 1723 auf der Aare unterhalb von Bremgarten (Staats- archiv AA IV Bern 55)

Anzahl per Schiff beförderte Fässer 1557-1575

1400

1200

1000

800

600

400

200

0 1557 1558 1559 1560 1561 1562 1563 1564 1565 1566 1567 1568 1569 1570 1571 1572 1573 1574 1575

Total Bern-Yverdon Bern-Bielersee Murten-Yverdon Yverdon-Murten

1 1637: und da letzt verschinen Ostern Hr Schwellimr Linder 2 schiffeten gan St Johansen und Erlach uff den abzug geführt, ist ihme gewohntem bruch nach Ladlohn entrichtet worden 28 mas (rund 50 Liter). 21

Die Grafik zeigt, welchen Aufwand unsere Stubengesellen jedes Jahr mit den Fasstransporten an den Bielersee und nach Yverdon nur für die Stadt zu leisten hatten. Zwischen Murten und Yverdon waren es die dortigen Schiffleute. Die Zahlen aus der zweiten Hälfte des 16. Jh. gel- ten auch für das 17. und 18. Jh. Die Schwankungen von Jahr zu Jahr hängen mit dem Umfang der erwarteten Traubenernte zusammen. Aufgenommen sind auch die Transporte voller Weinfässer von Yverdon nach Murten. Wein aus Le Landeron, Erlach, Ligerz und Twann ge- langte dagegen über den Bielersee nach Lattrigen und von dort auf der Strasse nach Bern.

Nach der Ablieferung der Fässer in Yverdon versuchten die Schiffleute Fracht nach Nidau oder Solothurn zu erhalten. Von dort konnten sie das leere Schiff für den nächsten Transport nach Bern zurückbringen. Weil sie aber immer befürchten mussten, keine Fracht zu finden, liessen sie die leeren Fässer liegen, wenn sich unterwegs ein besseres Geschäft ergab.

Vom 17. Jh. an begann Bern die Schifffahrt zu regeln. In Yverdon wurden die Fässer mit Wein vom Genfersee, die mit Salz aus dem Burgund und Waren aus Genf auf Schiffe umgeladen. Bern erteilte der „Schiffskompanie“ in Yverdon das Vorrecht des Abtransports der Fässer nach Murten und aller andern Waren nach Solothurn. Unsere Stubengesellen hatten das Nach- sehen, wenn Yverdon über genügend Schiffe verfügte. Weiter unten machten ihnen Solothur- ner Schiffer die Fracht streitig.

Das Schleppen schwer beladener Schiffe von Meienried nach Bern beanspruchte viel Zeit und Personal. Das vermied man und zog aus Yverdon die kürzere Strecke nach Murten vor. Mit einem voll beladenen und von vier Schiffleuten geführten Schiff gelangten 25 und mehr Weinfässer oder 60-70 Salzfässli nach Murten. Für den Weitertransport nach Bern boten die Weinfertiger in Murten und Gümmenen die fuhrpflichtigen Bauern auf. Die nötige Anzahl zu gewinnen, war nicht leicht. Für jedes Weinfass war ein Fuhrwerk mit 2 Mann und 2-3 Pferden nötig. Ebenso für 3 Salzfässli oder 3-4 Salzsäcke.1 Deshalb beschloss Bern 1645 den Bau eines Schifffahrtskanals von der Broye nach Aarberg und die Einrichtung eines Treidelpfads von Aar- berg zur Neubrücke. Das ersparte den Umlad in Murten, damit Kosten, und auf die Bauern war man nicht mehr angewiesen. Der 15 Kilometer lange Kanal ging bereits im Spätsommer 1646 in Betrieb. Mittwochens, den 12. Augusti hat der Thuner Hanss, ein Schiffmann von Bern, umb die halbe viere gegen dem Abend das erste mal ein halb Schiff mit Siben Zigen und einem lähren vass geladen, uss der Aaren In Canal gführt, dem Oberen See (Neuenburgersee) zu. Montag, den 26. Oktober hatt man angfangen, die Erste Schiffeten mit Wyn von hier (Aarberg) nach der Neuen Brügg auf Bern zu ferggen, wo man aber erst am Donnerstag darkommen ist.2 Die Schiffleute aus Yverdon und Bern mussten den Kanal benützen. Den Bernern schrieb der Rat vor, die leeren Weinfässer von Aarberg über den Kanal abzuführen, statt über den un- teren unkumlichen Weg über Nidau. Anfänglich funktionierte das auch. Aber schon bald zeig- ten sich Mängel. Der Aufwand für Reparaturen überstieg den Ertrag, und häufige, lange Be- triebsunterbrüche verunmöglichten die Benützung. 1665 wurde der Kanal aufgegeben. Nur der Treidelpfad von Aarberg zur Neubrücke war noch von Nutzen. Der Staatswein aus dem Waadtland wurde schon von 1647 an wieder nach Murten befördert, obschon der Weiter-

1 Als Zuglast für ein Pferd war ein fuderiges oder Landfass mit einem Inhalt von 1002 Litern bestimmt oder ein Ryffass mit 668 Litern. 1640: Geschützmunition: 84 centner 37 Pfund = 4'220 kg. Zuo disem gewicht fordert er 7 wegen, jeden mit 12 Centner (600 kg) beladen für jeden wagen 3 Ross; zur Schonung der Strassen war noch 1738 das Maximalgewicht auf 1500 kg, und 1743/44 auf 1750-2000 kg beschränkt. 2 Staatsarchiv Taufrodel Aarberg 3 S. 202 ff. mit weiteren Notizen von Pfarrer Forrer zum Baufort- schritt und zur Inbetriebnahme des Kanals. 22

transport eines Fasses auf der Strasse nach Bern wieder zwei- bis zweieinhalbmal so viel kostete, als per Schiff von Yverdon nach Aarberg.1 Hingegen gelangten immer noch Salzfässli per Schiff an die Neubrücke.

Führten Broye, Zihl und Aare nur wenig Wasser, mussten die Schiffe unter Zuhilfenahme von Pferden geschleppt werden. Kam man mit voll beladenen Schiffen an seichten Stellen nicht mehr weiter, blieb nur das Raselieren übrig: ein Teil der Fässer wurde über ein Brett an Land gerollt. Das leichter gewordene Schiff schleppte man weiter, bis das Wasser wieder tief genug war. Dort lud man es aus, zog es leer wieder zurück und holte die zurückgelassenen Fässer nach und lud die abgelegten andern Fässern zur Weiterfahrt wieder ein. Berichten zu Folge war diese mühsame Operation zwischen Nidau, Meienried und Aarberg nur allzu oft nötig. Zur Vereinfachung standen an der Broye und zwischen Fanel und Erlach für den Umlad kleine Raselierschiffe bereit.

Treidelzug mit 17 Fässern und 10 Pferden unter- wegs von Nidau nach Meienried an der Zihl bei Gottstatt. Die extrem lange Leine erlaubt das Überwinden von Flusswindungen. Lavierte Tuschzeichnung von Karl Ludwig Zehen- der, 1794. (Bern. Historisches Museum Inv.Nr. 5333)

Im Vergleich zu Fuhrwerken waren Schiffe noch im 17. Jh. leistungsfähiger. Zudem gehörten Klagen über schlechte und gefährliche Strassen zur Tagesordnung. Es verwundert deshalb

1 1644: Murten-Bern. 30 Batzen für ein Ryffass (mit 670 Litern), für ein vier söumiges Eichenfass 35 Batzen (670 Liter) und für grössere 40 Batzen. 8.5.1647: Item ist geordnet dess lohns halb, so Sie von jedem Vass mit wein von Jverden gahn Aarberg gewärt, zeforderen undt zenemen habend, namlich 12 Batzen. 23

nicht, dass man für schwere oder Massengüter Schiffe vorzog. Hier wieder eine kleine Auswahl von Aufträgen der Stadt für unsere Stubengesellen. Sie ver- dienten weiterhin an der Auffuhr der Landvögte und bis 1678 an den Fahrten nach Zurzach. Dagegen weiss man nichts über Aufträge von Privaten.

1602 Jacob Lysser, Jacob Flamer und Hans Tröller den Schifflüten von dryen schiffeten laden Holtz, buchin pfähl und anders zum Buw gan Nydouw zefüren 1608 Ysac Kistler und Hans Hügli sampt iren mithaften den flösseren umb das sy 238 stuck Buw- höltzer zum Hussbuw zu Arberg ghörig vom Bremgarten gan Aarberg geflösset 1620 Min Gnädige Herren irem Diener dem Schwellimeister Abraham Schärer ufferleit zwey Schiff zum Wasserbuw gan Ifferdten zemachen. Zusammen mit fertigung von 102 wynfassen 1620 Mr Abraham Schärer dem Schwöllimeister lut sines uszugs entricht von ettlichen Fenstern und Sidelwerck (Möbel) gan Gottstatt und gan Bargen zum Pfrundhuss zefüren, ouch zwo schiffeten laden und ein schiffeten grosse Stucken Steinen gan Büren 1633 Hr Haller und zugeordnete Proviantmeister sollen das jenige Getreid, so sy zu erhaltung der 2000 man im Ergöuw begeren werden, erhalten. Zedel an die Schifflüth allhie söllind inen, den Proviant Hrn, in fertigung der früchten gewertig syn 1634 dem Herrn Schwellimeister wegen des Korns und letster Kriegsmunition, so er gan Bruggk geführt 1641 Schifflohn von hier nach Brugk zahlt von 33 centner bemelter alter franz. Mehrsalzsecken in Siben ballen, vom Centner 2 Batzen 1644 Durch mh Stattschreiber söllend vorgedachte nach Zurzach fahrende Schifflüht inn formli- chen Eidt uffgenommen werden, dz sie dieselben ihre hinabführende Schiff keines wegs von handen geben, sonder widerumb zruck uffs wenigst biss gan Brugg schaffen wellind. Der be- schechenden erhandlung derselben durch die an den grenzen ligenden Kriegenden völcker, sich deren wider ein Eidtgenosscht zu prevalieren, dardurch vorzebouwen (Dreissigjähriger Krieg !). 1645 Thunerhans soll Schultheiss von Erlach per Schiff zur Badener Tagung führen und das Schiff in Brugg verkaufen 1648 Hans Studer dem Schiffman wegen er die in der Insul gehabte Wider Töuffer in einem Schiff nacher Brugg geführt 1653 Züghr Lehrber die begerte munition und armatur als 2 Veldstückli, so er derenhalb kein be- denken hette (Bauernkrieg), 150 Handgranaten, 6 beschossne Rüstungen, 6 Centner Pulver und 2 Centner bley ohnverweilt uff dem wasser durch sichersten weg gan Arwangen zuver- schaffen 1659 Jean Baptiste Ponte aus Turin mag im übrigen sein conduite selbs suchen, es were dan, ds er ins Schwellimeisters Schiff, so er hinab führen wirt, sich nacher Brug begeben welle 1662 Mrn Hans Jacob Schreck dem Schiffman bezahlte ich von 72 weyn züber von hinnen nacher St Johannsen zu führen 1671 Nach Rapperweyer verschickte Täuffer werden auf dem Wasser nacher Basel geliferet. Dem Schwellimeister Schneider für das Schiff, darin obige Wider Töuffer nacher Basel geführt, und drunden verkaufft worden, bezahlt für Schifflohn, item Zehrung (Verpflegung) für sich und seine fünf Knechten 1673 Hans Weniger dem Schiffmann ein bewilligungs patent sein Schiff, so er zur Fur der Jungfer Wilading Hausrathts gan Arwangen brauchen wirt, hernach einem Schaffhausischen Schiff- mann zeverkauffen 1678 Hr Felix Güntisperger zu seiner abreiss auff die Frankfurter Mess ein passpatent. Eidem zu ab- führung einer schiffeten papier ein passpatent 1681 Heinrich Schär dem Schwellimeister und Samuel Rychener von dreyen feürsprützen nacher Arburg auf die Vestung

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1686 Mr Heinrich Schärer dem Schwellimeister zu construction mit abführung eins gantzen schiffs nach Cadelburg (am Rhein gegenüber Zurzach), doch also, dass selbiges mit Hr Ruprechts wahren beladen werde ein patent 1689 Zedel an Hr Teütsch Seckelschreiber Lerber solle dem Schwellimeister für die 40 oberlendi- sche Soldaten, so er per wasser nach Wangen gefürt, 10 Kronen entrichten. 1691 Felix Güntisberger dem jüngeren für Papier, darvon ein theil bereits in Frankfurt ligen soll, dass sie alhier auf ir Gnaden Papiermühlinen fabriciert worden, nacher Cöln und in Holland zuführen ein Certificat

Die Zahl der bei der Gesellschaft zu Schiffleuten aktiven Schiffmänner nahm laufend ab. Ihre Söhne waren nicht mehr immer für den Beruf zu gewinnen, und die Aufnahme neuer Burger hörte nach 1643 auf.1 Die Spediteure in Morges, Yverdon und im Aargau klagten, weil Tran- sitgüter lange liegen blieben. c) Bern reglementiert den Schifffahrtsbetrieb

Als Folge übetrug die Berner Regierung 1679 einem Konsortium die Organisation eines „fahr- planmässigen“ Verkehrs von Yverdon nach Brugg und zurück. Es hatte für Schiffe und Perso- nal zu sorgen und mindestens alle vierzehn Tage, später jede Woche, mindestens ein Schiff von Aarburg, allenfalls Brugg, nach Yverdon und in der Gegenrichtung von Yverdon nach Aar- burg abfahren zu lassen. Alle Transportgüter aus Orten an diesen Strecken durften nur Schif- fen des Konsortiums übergeben werden. Wie oder ob es überhaupt unsere Stubengesellen beschäftigte, ist nicht belegt. Immerhin bezog es von ihnen für die Abfuhr der aus Genf kom- menden Zurzacherwaren jedes Jahr 10-20 «Abführschiffe». Den Bernern überlassen blieb die Abfuhr der leeren Weinfässer an den Bielersee, nicht aber nach Yverdon, weil das Konsortium das unentgeltlich erledigte. Sie fuhren immer noch nach Zurzach, aber wahrscheinlich nur noch mit einem Schiff, weil die Zahl der in Bern tätigen Ger- ber ständig zurückgegangen war.

1681 ging ihnen ein weiteres Geschäft verloren. Nach schweren Unfällen mit überladenen Schiffen bei Uttigen und Belp erliess der Rat eine Schifffahrtsordnung für die Aare zwischen Thun und Bern. Er bestimmte fünf Schiffleute aus Thun, welche dreimal in der Woche, nüch- tern (!) und jeder mit mindestens einem Schiff zu bestimmten Zeiten Fracht nach Bern führen mussten. Die Berner, welche sich ebenfalls um diesen Auftrag beworben hatten, kamen nicht zum Zug.

1688 unterlag Schiffleuten vor dem Rat dann noch mit einer Klage gegen zwei Thuner. Diese erhielten nicht nur die Bewilligung zum Schiffbau, sondern durften ausserdem mit voller La- dung in Bern durchfahren. Kamen sie mit weniger Fracht an, hatten sie die Ladung den Ber- nern zu überlassen, ussert in dem fall, wan jemanden fuhr vonnöthen, und die meisterschafft allhier nit mit schiffen versehen wäre.

Und 1697 verlor die Gesellschaft ihre alten Freiheiten ganz. Der Kriegsrat (!) stellt fest, dass der Schwellimeister, der Inspector über die Weydling an der Matten sein solle, anstatt dessen der bericht falle, dass es mit denselben unentbunden zugehe und so tags und nachts allerhand persohnen über die Aaren geführt werdind. Wie auch dass mit abführung der Schiffen und ihr Gnädigen Herren darvon gehörigen Gälderen (die 1677 eingeführte Abgabe für Abführschiffe)

1 Neuaufnahmen ins Burgerrecht bei Schiffleuten letztmals 1632. Dann bis ins 19. Jh nur drei, jedoch nicht Schiffmänner. Sonst nur „ewige“ Einwohner, oder Habitanten/Hintersassen auf Zeit. 25

derselbe allerhand geschwindigkeiten und gefährden verüebe. Nach ausführlichen Befragungen bestimmt der Kriegsrat in der Ordnung der Schiffleut allhie, dass nur neun Schiffmeister als Unternehmer je einen Weidling behalten dürfen. Sind selbige alle Abend angeschlossen zu halten. Die Meister sollen auch nach beschlossenen Stattthoren niemanden weder selbst noch durch ihre Leüt über das Wasser führen. Es wird toleriert, dass sie bis zu deren Verkauf einige Weidlinge an der Aare stehen lassen, aber angeschlossen oder halb mit wasser angefüllt (!). Ein neuer Meister wird erst beim Ableben eines früheren be- stimmt.

Die in der Mitte des 17. Jh. beschlossene Schliessung des Burgerrechts hatte dazu geführt, dass die Gesellschaft Schiffer und Schiffmacher nur noch aus eingeburgerten Bernern rekru- tieren konnte. Zuzug von andern Handwerksgesellschaften blieb aber praktisch aus, weil der Beruf des Schiffers wenig attraktiv war. Gab es auswärtige Interessenten, erhielten sie mit et- was Glück den Status des „ewigen Einwohners“ oder der Rat duldete sie als „Habitanten“ so lange, wie ihre Anwesenheit für nötig erachtet wurde. Als letzte hatten die Schiffmänner Hans Schumacher aus Uttigen und Friedrich Wehrli aus Biberstein 1632 das Burgerrecht erhalten. Vier zwischen 1654 und 1657 nach Bern gezogene Aargauer Schiffmänner blieben Habitanten, und von ihren Nachkommen starben die beiden letzten 1725. Das Gesellschaftsverzeichnis von 1697 führt statt der 9 erlaubten bereits nur noch 7 Schiff- meister auf. Die Schiffer sind unter den 22 Stubengesellen in der Minderzahl. Die übrigen 13 haben andere Berufe. Drei Pfarrherren leben nicht in Bern: Gabriel Schärer in Gampelen, Vin- zenz Späting in Kallnach und Abraham Späting in Reichenbach i.K. Abraham Schärer ist Land- schreiber in Laupen. Heinrich Stämpfli ist Schleifer, Johannes Höfli und Samuel Schmid sind Bader. Anton Schärer, alt Landschreiber, ist Stubenschreiber und Säckelmeister. Ausgewan- dert ist Abraham Andres. Der Nachwuchs besteht aus dem stummen und gehörlosen Samuel Wehrli, den Schüler-knaben Conrad Dössi und Jacob Heintz, dem Studenten Niklaus Tscheer1 und den noch minderjährigen Abraham, David und Ulrich Tscheer, sowie Niklaus, Gabriel und Vinzenz Späting. Von diesen Jungen wird keiner Schiffmann.

Wegen der Beschränkungen waren unsere Schiffer froh über zusätzliche Aufträge. 1787 soll- ten sie französische Flüchtlinge nach Basel bringen. Zwei Schiffe verunglückten jedoch am 5. August schon bei Aarberg und von 137 Hugenotten ertranken 111. Schuld daran waren wenig erfahrene Schiffsknechte. Weitere Transporte erreichten dann Basel ohne Zwischenfälle. Da- mit war diese Strecke nach langer Zeit wieder erschlossen. 1700 und 1701 fuhren Niclaus und Johann Schneider nach Holland. Weil seine Existenzgrundlage in Bern unsicher war, erwog Niclaus Schneider sogar als Schiffmacher nach Neu-Breisach zu ziehen, als er von einer wei- teren Fahrt aus Holland zurückkam. 1709 erhielt er noch einmal ein Pass Patent, um zwölf zu Diensten der General Staaten zu Holland gewidmeten Canoniers in die Niederlande zu brin- gen. Und Abraham Schumacher suchte 1715 und 1716 mit Inseraten in der „Gazette de Berne“ Interessenten für Reisen nach Mainz und zur Messe nach Frankfurt.2

1 Er schloss 1698 das Theologiestudium ab, wurde wegen Pietismus 1699 ausgewiesen, zog nach Deutschland, heiratete die Tochter von Graf Friedrich von der Lippe Biesterfeld und starb 1748 in Duisburg. 2 16.3.1715: Abraham Schumacher Batelier de la Ville de Berne en partira le neuf du mois d'avril sur son bon bateau couvert pour Mayence et pour la foire de Frankfort; il ne prendra que cinq écus blancs par personne avec 30 livres de hardes. 29.6.: il partira le 22 Août pour Mayence et Frankfort. 7.3.1716: le 6 avril prochain il partira avec un bateau pour Mayence et Frankfort. 26

Trotzdem blieben die Verdienstmöglichkeiten der Schiffer, aber auch einer Reihe von andern Stubengenossen schlecht. In einem Säckelschreiberprotokoll von 1704 heisst es, die Gesell- schaft sei nahezu ruiniert. Im Rat begann man sich Gedanken zu machen, wie der Gesellschaft wieder aufzuhelfen sei. Sie kam, als die Konzession für die Schifffahrt zwischen Yverdon und Brugg 1702 erneuert wurde, vorerst auf Probe, und dann 1704 definitiv wieder in ihren Ge- nuss. Die Berner waren aber gezwungen, das Meiste auswärtigen Schiffleuten gegen die Ab- gabe eines halben Batzens je Zentner transportierter Waren zu überlassen. Die Konzessions- gebühr von jährlich 400 Pfund schuldete die Gesellschaft weiter, aber sie durfte sie für ihre Armen verwenden. Die Konzession wurde 1714 um weitere 12 Jahre verlängert. 1718 erhielt Franz Ludwig Müller, Obmann von Schiffleuten, für 20 Jahre das Schifffahrtspa- tent auf Zihl und Aare von Nidau nach Bern. Das diente den in der Gesellschaft übrig geblie- benen Schiffern. Müllers Schiffleute sind verpflichtet, für jedermann die Hinabfuhr zu garan- tieren, dass aber niemand schuldig und verbunden seye, sich dieser wasserfuhr obsich (auf- wärts), sonderen jedem freystehen solle, sich dieser oder der fuhr über landt zu bedienen.

Dennoch nahm das Interesse am Schifferberuf weiter ab. Sterben Schiffmänner, rückt nur selten jemand aus der Familie nach, wie Jacob Schneider (1694-1755). Drei andere Schiffer- familien waren schon 1730 erloschen. Dem Beruf treu blieben nur noch einzelne Nachkom- men von Hans Schumacher.

Ein Gesuch der Gesellschaft, die Konzession von 1714 anzupassen, wies der Rat 1721 vorerst zurück und regelte Streitigkeiten zwischen den Meistern. Dass ein jeder Meister an den Kauff- mannsgütern zur Pfingst- und Verenazeit (den Messen in Zurzach), wie auch bei den Auff- zügen der Herren Landvögten ohne underscheid gleichen Antheil haben. Was aber die kleinen Fahrten betreffen thüe, wan namblich ein Herr nach Baden oder sonsten anderwertig sich be- geben wollte, soll demjenigen allein die Fahrt überlassen sein, der sich ihme anvertrauwen thut und anvertrauwt haben will. Inzwüschen sollen die Meister insgesambt dahin verbunden sein, dass, wan sie ein Fahrt haben, sie sey gross oder klein, sie jederweilen die Burgers Söhn nach altem gebrauch ersuchen und brauchen und dann erst die ausseren und frömbden Knächten ansuchen sollen; alles bei unausbleibender straff von 4 Pfund von denem jenigen zu bezahlen, der wider diese erkantnus fehlen thut, worzu die Meister insgesamt versprochen und gelobt haben, steiff und vest darby zu bleiben. Zu den kleinen Fahrten zählten sie vermutlich auch die mit wenig Fracht. In Nidau fuhren sie, wenn es pressierte, mit 50 bis 60 Zentnern (2.5 bis 3 t) los. Am 24. Februar 1722 änderte der Rat auf Antrag der Vennerkammer die Konzession dann doch, weil der Gesellschaft zu Schiffleuten in ihren Angelegenheiten geholfen werden muss, wenn sie nicht völlig verderben soll. Die Barken aus Yverdon sind in Nidau zu entladen, wo der Ort ist, da die Effekten auf Nauen der Schiffleute der Hauptstadt geladen werden, um bis nach Brugg weiter geführt zu werden.1 Ausgenommen ist der Wein für Private in Büren, Solothurn und Aarburg. Er ist Schiffleuten aus dem Unteraargau und Brugg zu übergeben. Alle Waren, welche auf dem Wasserweg von Brugg heraufkommen, auch das Salz, sollen der Reihe nach durch die Schiffleute von Rupperswil, Aarau und Aarburg nach Nidau statt nach Solothurn ge- zogen und da in die Barken verladen werden. (…) Endlich, damit die Waren mit möglichster Raschheit spediert werden können, ist den hiesigen (bernischen) Schiffleuten sehr empfohlen worden, in Nidau eine genügende Zahl Schiffe von jeder Grösse bereit zu halten, damit, auch

1 Davon ausgenommen ist einzig die vom Kaufmann Mandrot in Yverdon gecharterte Barke. Sie darf nach Amsterdam durchfahren. de Raemy D.; Brusau C.; Histoire d'Yverdon II, 2001, S. 126 27

wenn nur 50 Zentner vorhanden sind, sie abgeführt werden, was sie versprochen haben.

Im Frühjahr 1725 gestattete der Rat dem «Äussern Regiment», der aus jungen Burgern gebil- deten Schattenregierung, wie alle paar Jahre den Auszug zu einem Manöver auf das Kirchen- feld. Der alt-Schwellenmeister Niclaus Schneider erhielt den Auftrag, im Marzili eine Schiff- brugk schlagen zu lassen und etwelchen Schiffleüten das ze zeigen. Er bat den Rat, die Ehren- de Gesellschaft aufzufordern, die zu den Schiffen eingeteilte Mannschaft aufzubieten: Abra- ham Schumacher, Hans Schmid, Heinrich Rychener, Emanuel Gryph, der soeben die Lehre ab- geschlossen hat, und aus Hunziken Hans und Ulli Schmid.1 Sollend sich bey Niclaus Schneiders Haus vor Mittag bey guter Zeit einfinden Montag 21. Mai.2 1737 nimmt Schiffleuten den erwähnten Emanuel Gryph (1703-75) auf, den Sohn der mit dem Gerber Hans Ulrich Gryph verheirateten Anna Barbara Späting. 1745 zum „ganzen Meister“ ernannt, wird er Schwellen- und 1757-72 Stubenmeister. Sein Sohn Abraham Emanuel (1731- 73) wird 1754 Stubengeselle. Auch er wird Schiff- und Schwellenmeister und 1764-70 Säckel- meister der Zunft. Seine beiden Söhne sterben leider im Kindesalter.

Eine kleine zusätzliche Verdienstmöglichkeit ergab sich mit den ab 1738 regelmässig im Som- mer organisierten zwei Reisen mit armen Patienten aus dem Inselspital zur Kur im Bad Schinz- nach, den Badefahrten.3 1738 liefen die Konzession von 1722 und auch die von Franz Ludwig Müller von 1718 aus. Um alle bisshar verspührten beschwehrlichkeiten zu beseitigen, trafen Bern und Solothurn eine neue Vereinbarung für die Schifffahrt auf der Aare, so dass der transit mehrers beförderet und das gemeinnüzige commercium wider geäüfnet werde. Solothurn setzt seine alten Rechte durch und wird an Stelle von Nidau zum Hauptumschlagplatz aller aus Yverdon abwärts und aus Brugg aufwärts kommender Waren. Bern verzichtet auf das 1679 eingeführte alleinige Laderecht für seine Schiffleute auf der Strecke nach Brugg, gibt aber die obere Schifffahrt von Solothurn nach Bern und Yverdon noch nicht aus der Hand. Besondere Regeln gelten für die beiderseitigen Zurzachschiffe, für die Auffuhr der Berner Landvögte oder für Badefahrten. Was zwischen den Zurzachermessen von Brugg herauf kommt, steht zu 2/3 Bernern zu - Schiffleuten aus Bern, Aarburg, Yverdon etc. - und zu 1/3 den Solothurnern. Das gleichzeitig erlassene Schifffahrtsreglement schreibt vor, dass sich jede Woche abwech- selnd ein Schiff in Solothurn oder Brugg zum Abholen der Waren einfinden muss. Werden die Schiffleute avisiert, dass Ware für mehr als ein Schiff vorhanden ist, haben sie sich mit den nötigen Schiffen einzufinden. Sind mindestens 75 Zentner vorhanden, müssen sie fahren. Die Vereinbarung wurde 1742 bestätigt, und das Reglement 1753 erneut für weitere 10 Jahre. 1743 wird ausserdem das 1722 für die Yverdoner Schiffskompanie erlassene Verbot aufgeho- ben, mit ihren Barken nach Solothurn zu fahren, weil die paar noch aktiven Berner die ihnen zustehenden 2/3 an Fracht zwischen Solothurn und Nidau gar nicht bewältigen können.

1 1723 teilt das Meisterbott von Schiffleuten der Zollkammer mit, es und die von Hunziken wollten sich an das Verbot halten, keine Schiffe zu verkaufen. 2 Zunftarchiv Schiffleuten 1 S. 58; 5.5.1738: Zu Schifflüthen sind keine verordnete ausszüger, weilen es alles Schifflüth synd und zu den Schiffbrüggen geordnet. 1798: Der Schwellenmeister muss für eine Schiffsbrücke gewöhnliche Schiffe liefern. Zur Probe wird am 25.1.98 gegenüber dem äussern Bad in der Matte eine Brücke über die Aare geschlagen. Sie wird dann bei Dotzigen über die Aare geschla- gen, um den Rückzug der bern. Truppen zu ermöglichen. 3 Balmer H., Geschichte des Bads Schinznach, Bulletin der Vereinigung Schweizer Petroleum Geologen und Ingenieure, 1987, S. 27 28

Der Nachwuchs an Schiffern blieb ungenügend. Zwischen 1738 und 1745 bildete Schwellen- meister Jacob Schneider sogar drei junge Aargauer aus. Konrad Landolt aus Aarau, Jacob Hoff- mann und Jacob Schmid aus Aarburg schlossen die Lehre mit Zustimmung des Botts erfolg- reich ab. Stubengenosse wird dagegen der Schiffer Friedrich Zehender (1725-63), der Sohn von Sig- mund Zehender (1700-1775) und Anna Katharina Späting. Sigmund hatte bei Mittellöwen we- nig Aussicht auf Staatsämter. Bei Schiffleuten, der Gesellschaft seiner Gattin, schon. Er wird 1735 Grossrat, 1742 Zollherr im Kaufhaus, 1747 Kastlan in Wimmis, 1759 Kastlan in Zwei- simmen.1 Friedrich beendete die Lehre als Schiffer 1740, zog aber die militärische Laufbahn vor. 1755 wird er Grossrat und kauft 1757 das grosse Landgut Melchenbühl bei Muri. 1762-63 ist er Säckelmeister. Mit dem Sohn von Friedrich Zehender sen., Friedrich (1759-1829), Kava- llerieleutnant und Gutsbesitzer, stirbt die Linie bei uns wieder aus. Auf Friedrich Zehender folgte 1754 nach abgeschlossener Lehre noch Franz Ludwig Stauffer (1730-90). Er war der Sohn eines Hufschmieds und Enkel des Schiffmanns Daniel Schumacher. Schon von 1760 an ist er aber Stubenwirt.

Fatal wirkte sich die 1753 bei der Erneuerung des Schifffahrtsreglements den Schiffleuten ge- währte Erhöhung des Schifflohns aus. Nach 1760 brach auch der Zustrom von Gütern aus Westen nach Yverdon ein. Die neu ausgebaute Strasse über Moudon wurde vorgezogen. 1761 bitten die schiffmeister hiesiger haubtstatt wegen des Abgangs dieses Handwerks noch einmal um Hilfe. Sie klagen, dass sie durch ihr erlehrntes handtwerk bald nicht mehr im stand seyen, ihr brodt zu gewinnen, zumahIen gegenwärtig die strassen allso verbesseret sich befin- den, dass die meisten persohnen sich der fuhr über land bedienen lassen; ausserdem werden die gelegentlich sich zeigenden Fuhren von Schiffleuten eingeladen, die weder burger sind, noch das handtwerk gebührend erlehrnet haben; auch werde das schiffmachen von ausseren allso missbraucht, dass die hiesige meister bald keine zu verfertigen haben. Der folgene Ent- scheid der Räte klärt jedoch nur die Verhältnisse in Bern. Sie bestätigen das 1688 für die Durchfuhr von Waren aus Thun erlassene Reglement und die Verfügung über den Bau von Schiffen aus dem Jahr 1642,2 mit der Beifügung, [1.] dass die bei der Neubrücke wohnenden Schiffer (!) keine Waren in und bei Bern abholen und abführen dürfen, sach wäre dann, dass hiesige schiffmeister sich der fuhr nicht beladen wolten; [2.] dass zu sicherheit des publici hie- sige schiffmeistere begwältiget seyn sollen, alle schiffe, welche zum verkauff nach handtwerks brauch gemacht, über hiesige schwelli gesprenget und weiters geführt werden, scharf exami- nieren zu können, ob solche währschafft verfertiget und mit sicherheit mögen gebraucht wer- den, wiedrigen fahls aber solches unserem grossweibel anzuzeigen, damit der treulose meister möge zur gebührenden strafe gezogen werden.

1 Er hatte 4 Söhne: der älteste Kaufmann, Grossrat und Landvogt in Echallens, der zweite Friedrich, der Schiffmann, der dritte Grossrat, Offizier in holl. Diensten und Landvogt in Wangen, der vierte Offizier in sardischen und holl. Diensten. Ausser Friedrich erscheint keiner bei Schiffleuten. 2 1688: Die Thuner dürfen bei voll beladenem Schiff in Bern durchfahren, bringen sie weniger mit, sind die Güter den Berner Schiffleuten zum Weitertransport zu überlassen, ausser diese haben keine Schiffe bereit. 1642: Wangen, Aarwangen, Aarburg und Aarouw: uff anhalten der Schifflüthen allhie wellindt min Gnädige Herren das schiffmachen drunden und wegfertigung des holtzes darzuo den jenigen, welche sich dessen underwindind, gentzlich by pönn der confiscation abgestrickt haben; ausgenommen sind diejenigen, welche das Handwerk erlernt haben. 29

Wohl aus der gleichen Überlegung wie Sigmund Zehender suchte Gottlieb Friedrich Ith, genannt Amadée (1739-99), der Grossneffe des Landschrei- bers Abraham Schärer in Laupen, als letzter Aussenstehender Anschluss bei Schiffleuten. Vorerst Kaufmann, begann er noch mit 30 Jahren die Leh- re als Schiffmann. Das Bott nahm ihn 1771 auf, obschon er die Lehre nur angefangen hatte, und wählte ihn sofort zum Säckelmeister und Almosner. 1775 wurde er Grossrat, Artillerieoberst, war 1775-81 Gesellschaftspräsi- dent, 1781-87 Landvogt in Trachselwald und 1788-97 Säckelmeister. Der Sohn Johann Rudolf (1774-1841) stand in holländischen und französischen Diensten und starb als Major in Brasilien. Sein Sohn Heinrich, der letzte des Geschlechts, starb 1861. Eine Sonderstellung hatte die Familie Schumacher. Sie stellte von 1700-1856 noch immer 8 Schiffmänner. Friedrich Vinzenz (1776-1825) übte als letzter das Amt des Schwellenmeisters aus, welches der Grosse Rat seit 1375 ohne Unterbruch immer einem Schiffmann aus unsern Reihen übertragen hatte. Und Heinrich Friedrich Schumacher (1800-1856) war der allerletzte Schiffmann aus unserer Gesellschaft.

1770 nahm Bern Verhandlungen zur Revision des Reglements mit Solothurn auf. Die Schiff- fahrt von Yverdon bis Solothurn und zurück soll nun Solothurner und fremden Schiffleuten erlaubt sein. Für unsere drei noch aktiven Schiffer war das schon bedeutungslos. Verblieben war ihnen die Abfuhr der leeren Weinfässer, die Reise mit einem einzigen Schiff nach Zurzach und wohl ab und zu der Bau eines Schiffes. Trotzdem verfasste das Meisterbott im April 1771 ein „Handwerksreglement für die Meisterschaft der Schifflüten“. Es ordnet die vierjährige Lehrzeit und die fünfjährige Gesellenzeit bis zur Aufnahme als Meister. Die Witwe von Schwellenmeister Abraham Gryph († 1773) erreichte 1776 noch, dass der Rat den Fuhrlohn für ein leeres obrigkeitliches Fass nach Vallamand und Yverdon von 5 auf 6 Batzen erhöhte. Ihr Gesuch beweist, dass sie das Geschäft ihres Mannes mit Angestellten wei- ter führte. Die beiden andern Berner, Friedrich Anton und Johann Jacob Schumacher, waren sicher ebenfalls auf Schiffknechte angewiesen. Wer diese waren und woher sie stammten, ist nicht überliefert. Es galt nur die Regel, dass die Söhne von Burgern Vorrang vor Ausseren und frömbden Knächten haben sollten. Das Mitgliederverzeichnis von 1785 führt 18 Männer auf. Vier (!) sitzen im Grossen Rat, aber vier andere benötigen Armenunterstützung. Kein einziger ist als Schiffmann bezeichnet. Beim Schwellenmeister Friedrich Anton Schumacher steht „rüefender Wächter“, d.h. Nachtwäch- ter. Ein weiterer Schiffmann, Jacob Schumacher, ist 68-jährig und „Umbieter“. Die Tabelle zeigt, wie die Zahl der bei uns zünftigen Schiffer mehr und mehr sank.

1700 9 1730 7 1760 3 1790 1 1820 2 1710 8 1740 5 1770 3 1800 2 1830 1 1720 10 1750 3 1780 1 1810 1

Mit dem Untergang des Alten Bern 1798 hörte der Zunftzwang für Schiffleute auf. Die frühe- ren Privilegien der Schiffergesellschaften wurden bis 1848 nach und nach alle abgeschafft. Nur noch Heinrich Friedrich Schumacher (1800-1856) erlernte den Schifferberuf. Deshalb ver- zichtete die Gesellschaft 1819, als Säge und Schleife an der Matte niedergebrannt waren, auf die weitere Benützung und verkaufte die Liegenschaften der Stadt.

Hatte von den beiden ursprünglichen Haupterwerbszweigen die Fischerei schon um 1700 ihre Bedeutung verloren, wurden nun auch Schiffbau und Schifffahrt bei der Gesellschaft zu Schiff-

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leuten bedeutungslos. Die Gesellschaft lebt nur dank Neuaufnahmen anderer Berufsleute weiter. Von ihnen steuern heute wieder eine ganze Reihe, zwar nicht mehr Weidlinge, aber in der Freizeit Motor- und Segelboote. Seit kurzem ist mit Hans Hofstetter sogar ein Schiff- fahrtsunternehmer Mitglied bei Schiffleuten, und der junge Nils Müri lässt sich zum Schiffbau- er ausbilden.

Was von der einst blühenden Flussschifffahrt übrig blieb Bis zur Inbetriebnahme der Eisenbahnlinien behielt der Schiffstransport zwischen Thun und Bern und von Yverdon nach Brugg seine grosse Bedeutung. Auch in Bern arbeiteten weiterhin einige Schiffer und Flösser. Sie waren selbständig und meist nicht mehr Burger und übernah- men die nach dem Brand wieder aufgebauten Anlagen in der Matte. Aus Thun verkehrten dreimal in der Woche Märit- bzw. Postschiffe, „Kälberflotte“ genannt, nach Bern.

Christoph Reiner: Märitschiff aus Thun am Schwellenmätte- li in Bern 1815 (Kunstmuseum Bern)

Zwischen Juli und Dezember 1825 fuhren 623 Schiffe nach Bern, darunter 592 beladene Aare- weidlinge, dazu rund 1‘000 Stämme Holz in Flössen. Die Fahrzeuge transportierten 6‘132 Personen, 764 Kälber, 195 Schweine, 143 Schafe und Ziegen, 555 Klafter buchenes und 2‘105 Klafter tannenes Brennholz. Dazu viel Baumaterial, Kalk, Schiefer und Ziegel, ja sogar 27 Fass Eis. Zwischen 1842 und 1852 diskutierte man, ob statt der für die Schifffahrt und Flösserei hinder- lichen Schwelle nicht der Bau einer Kammerschleuse angezeigt wäre. Bei den Hochbrücken an der Nydeck und in der Tiefenau kamen wegen der Schifffahrt keine Pfeiler in die Aare zu ste-

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hen. Rund 2‘900 m3 Granit- aus Brienz und Kalksteine aus Merligen für den Bau der Nydeck- brücke gelangten 1841-44 per Schiff nach Bern.1

Die Matte um 1830 nach dem Wiederaufbau der 1818 abgebrannten Gebäude (anonym, Burgerbiblio- thek Gr.A.392)

Als 1858 für die neuen Spinnereien ein Stollen unter der Engehalbinsel zur Felsenau zur Nut- zung der Wasserkaft geplant wurde, zeigte sich nur noch wegen der Flösserei aus dem Ober- land Opposition. Die Flösserei sei nur beim „Thunwasser“ 2 oder hohem Wasserstand in Be- trieb. Der Stollen leite bei niedrigem Wasserstand das Wasser ab, das heisse, ein Durchkom- men auf der Aare sei nicht mehr möglich. Mit den Stauwehren an der Engehalde, in Müh- leberg, Niederried und Hagneck sind weitere Barrieren dazu gekommen. Immerhin gibt es in Mühleberg noch ein für Schiffe mit einem Maximalgewicht von 25 t ausgelegtes Schiffshe- bewerk.

Ausser Friedrich Vinzenz und Heinrich Friedrich Schumacher arbeiten in der ersten Hälfte des 19. Jh. in Bern noch weitere nichtzünftige Schiffmänner. Nachher sind es neben einer Reihe von Flössern hauptsächlich noch vier. Der Pfisternburger und Schwellenmeister Emanuel Küp- fer († 1855) ist bis 1842 noch mit dem Krankenschiff nach Schinznach unterwegs. 1844 löst ihn sein Sohn Emanuel als Schwellenmeister ab († 1888).3 Sie begannen mit Ausflugsfahrten nach Reichenbach und zur Neubrücke. Ihr Restaurant auf dem Schwellenmätteli florierte; bis zum Bau der Dalmazibrücke 1871/72 erreichten es Gäste aus der Stadt nur mit der Fähre des Schwellenmeisters.

Die Schiffmeister Johann Spring († 1858), Johann Hirter († 1872, 1865 Mitglied bei Zimmer-

1 Müller K.E., Geschichte der Erbauung der Nydeckbrücke in Bern, 1848 2 Die zeitweilige Erhöhung des Abflusses durch Öffnen der Schleusen in Thun 3 1851: Schwellenmeister Küpfer ist auch verantwortlich für die Bereitstellung wohlausgerüsteter und hinreichend bemannter Rettungskähne u.a. im Schwellenmätteli ober- und unterhalb der Schwelle. 32

leuten) und der Flössermeister Johann Krebs († 1902) waren die drei andern. Spring und Hir- ter waren an der Postschifffahrt von Thun nach Bern beteiligt.1 Der „Baedeker“ kritisiert sie 1853 mit „keine besondere Bequemlichkeit bietend.“ Alle drei betrieben während der Som- mersaison bis etwa 1885 die „Gesellschafts- oder Plaisirschifffahrt“.2 Johann Krebs verband das Nützliche mit dem Angenehmen. Hatte er ein oder mehrere Flösse in der Matte bereit, offerierte er Flossfahrten. Von der Neubrücke gingen die Flösse dann während der Woche Aare abwärts. Spring und Hirter konnten allein von den gelegentlichen Gästefahrten nicht leben. Johann Spring war auch noch Steinhauer, und Johann Hirter wandte sich nach 1850 mehr und mehr der Fuhrhalterei und dem Holz- und Kohlenhandel zu. Neben den Vergnügungsfahrten organisierten alle drei Reisen, die z.T. bis nach Basel führten. Spring fuhr mit Schützen im Juli 1840 morgens um 3 Uhr mit einem bedeckten Schiff zum Freischies- sen nach Solothurn ab. Zum nächsten Freischiessen in Basel reist Hirter am Samstag, den 29. Juni 1844, morgens um 4 Uhr mit den Schützen an der Neubrücke ab. Er benützt dazu das Postschiff, so in der Woche regelmässig von Thun kommt, mit Bänken und Verdeck. Kann 70 Personen (!) aufnehmen. Übernachtung in Laufenburg, Ankunft in Basel sonntags Morgen früh. Als die Bahn Bern erreichte, hörten der Personen- und Warentransport und die Flösserei auf dem Wasser ab Bern praktisch auf. Krebs führte noch drei grössere Reisen durch. Am 20. Juni 1872 reiste er mit der Grütlimusik auf einem grossen Schiff nach Büren, und am Sonntag, 8. Oktober 1882, und noch einmal am Sonntag, 8. September 1885, nach Aarberg. Nachher fah- ren fast nur noch Wasserfahrer und Pontoniere auf der Aare, zum einen als Wasserretter („Den Wellen zum Trotz, dem Nächsten zum Schutz“, oder „der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt“ sind Leitsätze, die aus der Wasserrettung herkommen), zum andern zu Übungs- zwecken für die Genietruppen der Armee. Beim Zerfall der Flussschifffahrt, heisst es 1897, wäre es ohne die Wasserfahrer- und Pontonierfahrvereine nicht mehr möglich, genügend Re- kruten zu finden. Der Schweizer Wasserfahrerverband wie auch der Schweizerische Ponto- niersportverband pflegen auch heute noch eine enge Partnerschaft mit der Armee im Bereich vor- und ausserdienstlicher Ausbildung von Pontonieren der Genietruppen. Mit den Behörden in allen Kantonen bestehen zudem Vereinbarungen für Spontanhilfe auf dem Wasser, zu der sie für Einsätze auf das handwerkliche Wissen und Können der Wasserfahrer und Pontoniere zählen können.

Im August 1881 fuhr die Jungmannschaft des Pontonierfahrvereins mit vielen Mitgliedern des Männerchors und ihren Frauen und Töchtern nach Aarberg. Sie „sprengte“ die Pontons leer über die Schwelle und liess die Fahrgäste beim Schwellenmätteli in zwei mit Fahnen ge- schmückte Pontons einsteigen. Die Mitfahrenden zahlten Fr. 1.50. Von der Neubrücke nach Aarberg dauerte die Fahrt 3½ Stunden. Von 1910 an organisierte der Berner Verkehrsverein bei schönem Wetter im Sommer jeden Donnerstag und Samstag wieder Fahrten nach der Neubrücke. Auch die Familie Herzig führte Gästefahrten durch. Der letzte Weidlingsbauer im Dalmazi war Hans Herzig (1921-89), Enkel

1 Am Sonntag, 23.8.1846, bzw. am 30.8., je nachmittags um 5 Uhr, fährt das gedeckte ordinäri Post- schiff von Thun nach Bern. Einstieg bei Hr. Engemann, Bäcker an der Allmendbrücke bei Thun. An- kunft in Bern 7½ Uhr. Preis 5 Batzen. Hirter Schiffmeister. Von 1848 an verkehrte die Postkutsche dreimal wöchentlich von Thun nach Bern. 2 Morgen Donnerstag, 21.5.1852, am Auffahrtstag, Fahrt mit einem neuen grossen Schiff, das bei 200 Personen (!) fassen kann, mit guter Musik von der Landeren bis zur Neubrücke. J. Hirter Schiffmeis- ter. 33

eines Aareflössers und Sohn von Adolf Herzig (1890-1978).

Schwellenmätteli ca. 1910 Burgerbibliothek FN.G.C.494

Nach einer Reise nach Köln im Jahr 1911 organisierten die Pontoniere in den folgenden Jahren im Aarebecken „nautische Spiele“. Sie bewiesen ihre Geschicklichkeit und steuerten vom Dählhölzli Schiffe mit verschiedenen Sujets zum Schwellenmätteli: Helvetia, Märitschiff aus Thun, Kölner Schiff, zwei Königskinder in einer Muschel, das Autoschiff mit schnurrenden Wasserrädern etc.1 Sie wurden nach dem 1. Weltkrieg wieder aufgenommen und hatten beim Publikum grossen Erfolg.

Nautische Spiele 1938 Autoschiff Staatsarchiv FN_Jost_ N_3266

Heute beleben unzählige Schlauchboote im Sommer die Aare von Thun nach Bern. Im Aare- becken messen die Pontoniere gelegentlich an Wettkämpfen ihre Fähigkeiten, wie z.B. im Sommer 2016 die Jungpontoniere aus der ganzen Schweiz. Die Ruderer dagegen haben den Wohlensee erobert, der im Spätherbst von einer Rudererinvasion „heimgesucht“ wird: am Ar- madacup nehmen über 200 Ruderer und Ruderinnen teil. Der Cup lässt zwar die nautischen Spiele nicht wieder aufleben, bietet aber mit den Drachenbootrennen eine besondere Pub- likumsattraktion.

1 Der Schriftzug REX auf dem Verdeck weist vermutlich auf das Motorradwerk REX in Coventry hin, das zwischen 1901-14 auch Kleinwagen produzierte. 34

Leider macht niemand von uns bei den Wasserfahreren und Pontonieren mit. Doch pflegt der Präsident gute Kontakte zu ihnen. So war es 2001 möglich, mit drei von Pontonieren ge- steuerten Schiffen vom Schwellenmätteli zur Brauerei Felsenau zu fahren, wo uns die Be- sitzerfamilie Simon gastlich empfing.

Im Juli 2016 konnte eine Vertretung von Schiffleuten den Aare Club Matte Bern, den ältesten Wasserfahrverein der Stadt Bern, mit dem Schiff „Ittu‘me“ (Mattenenglisch für Matte) von Laufenburg nach Basel begleiten.1 Anlass war die „Hirsebreifahrt“ nach Strassburg , welche die Zunft zur Schiffleuten in Zürich alle 10 Jahre durchführt. Der Anlass erinnert an das Jahr 1456, als die Zürcher den verbündeten Strassburgern mit einem Schiff einen Topf mit noch warmem Hirsebrei brachten, und bewiesen, dass ihnen notfalls sehr rasch Hilfe geleistet wür- de.

Die „Ittu‘me“ auf dem Rhein, Foto A. Urfer

Die Gesellschaft verändert sich

Hätte unsere Gesellschaft im 18. Jh. nur noch Schiffer als Mitglieder gehabt, wäre sie wohl eingegangen, wie 1729 die der Rebleute. Zum Glück lebten noch Angehörige mit andern Be- rufen. Bader waren die Höffli und Heintz. Emanuel Dössi war Schneider und Bettelvogt.2 In Signau lebten die Notare Vater und Sohn Samuel und David Losenegger (†1756). Und die Stu- benbücher verzeichnen die Präsenz der beiden Schleifer Heinrich und Hans Jacob Stämpfli († 1787, der letzte des Stamms). Von den beiden Söhnen des Landschreibers Abraham Schärer in Laupen (1671-1730) war Samuel (1702-1760) Fürsprecher und Schiffleutenwirt, und Johann Anton (1694-1752) Insel- chirurg. Der Sohn von Samuel, Johannes (1739-1779), Chirurg in holländischen Diensten, starb

1 Die Ittu’me ist ein ehemaliges Touristenschiff aus den 1970-er Jahren, das für Rundfahrten vom Schweller zur Neubrücke oder zur Wohlei benützt wurde. Der Aare Club hat es mit grossem Zeit- und Finanzaufwand 2015/16 restauriert. 2 Samuel Rudolf Höffli († 1804), Bernhard Heintz († 1833) und Emanuel Dössi († 1804) waren die letzten ihres Geschlechts.. 35

auf der Seereise nach Ostindien. Sein Cousin Sigmund Emanuel (1726-1794) starb als Major in Holland. Mit ihm erlosch das Geschlecht bei Schiffleuten. Vertreten ist ebenfalls noch die frühere Ratsherrenfamilie Späting. Vinzenz Späting († 1718) ist Pfarrer in Kallnach und Mandach. Vinzenz (1671-1750), der Sohn von Gabriel, des Pfarrers in Wimmis und Gottstatt († 1691), war Färber, ab 1718 Grossrat, später Kastlan in Wimmis und Zweisimmen, Obmann von Schiffleuten. Sein Bruder Niklaus (1678-1745) war Hutmacher. Und der letzte des Geschlechts, Johannes (1694-1756), der Sohn des Pfarrers Johannes Spä- ting († 1724), war Notar und Stubenschreiber.

Die Schiffmänner und Schiffmacher waren oft auf Armenunterstützung angewiesen. Konnten sie das damals übliche Lehrgeld für ihre Kinder nicht aufbringen, mussten die Gesellschaft und die Stadt einspringen und bestimmten, welcher Beruf in Frage kam.1 Da in der Stadt Schiffbau und Transport nur noch wenigen ein gesichertes Einkommen garantierte, standen andere Handwerksberufe im Vordergrund. So verlor Schiffleuten nach und nach den ursprünglichen Charakter, obschon der Name blieb. Die Einnahmen der Gesellschaft kamen aus der Vermietung des Hauses, gelegentlichen Auf- nahmegeldern und bescheidenen Kapitalanlagen. Sie flossen damals nur ins Stubengut. Ein gesondertes Armengut gab es nicht. Die Einnahmen reichten nicht aus, um alle Bedürftigen zu unterstützen und die Lehrgelder zu bezahlen. Anfänglich hatten diejenigen Stubengenossen, welche die Konzession für die Transporte zwischen Nidau und Brugg übernahmen, jährlich eine Konzessionsgebühr von 400 Pfund zu Gunsten der Gesellschaftsarmen zu leisten. Dieser Betrag fehlt bereits 1734 in der ältesten erhaltenen Stubengutsrechnung. Ohne Zuschüsse der Stadt, sie bestanden in Geld und Getreide, hätte der Säckelmeister, der zugleich Almosner war, bald nichts mehr zu verteilen gehabt. Obmann Samuel Tillier sorgte im Rahmen des Möglichen für Abhilfe. 1757 liess er zinnerne Platten und Teller aus der Gaststube verkaufen. Sie wogen 35 kg. „Unnützes“ Silbergeschirr, drei z.T. vergoldete Becher, eine silberne Schale und silberne Löffel wurden 1762 der Münz zum Einschmelzen gegeben; ebenfalls im Gewölbe aufbewahrte z.T. fremde Gold und Silber- münzen. Den Erlös von 1‘300 Kronen legte man zum Nutzen der Gesellschaft neu an. Nur das Schiffli, der Tillierpokal und 12 silberne Löffel blieben verschont.

Sechs Stubengesellen wollten dem gänzlichen Verschwinden der Schiffer aus der Gesellschaft nicht tatenlos zusehen. Sie entwarfen 1771 ein Reglement, in welchem sie forderten, dass nur noch aufgenommen werden solle, wer das Schifferhandwerk regelgerecht erlernt habe. Die- ses Anliegen vertrat Schwellen- und Schiffmeister Gryph, und verlangte, das Grosse Bott müs- se die Sorge der Schiffmeister ernst nehmen und sie nach Kräften unterstützen. Die andern fünf, der Seckelmeister Ith, der Stubenwirt Stauffer, der Kaufmann Bernhard Dachs, der Mes- serschmied Schumacher und der Schleifer Stämpfli schlossen sich an. Den ursprünglichen Charakter als Schiffergesellschaft verlor Schiffleuten auch, weil dringend Nachwuchs aus andern Gesellschaften nötig war. Mangels angesehener und regimentsfähiger Burger war von 1683 bis 1718 kein Mitglied mehr Grossrat. Ein Beitritt konnte sich also loh- nen, wenn jemand die Ämterlaufbahn anstrebte, umso mehr, wenn er, wie die schon erwähn- ten Sigmund Zehender und Amadée Ith, in der Gesellschaft seiner Familie wegen bekannteren Verwandten keine Chancen hatte.

Zwei Angehörige hochgeachteter Ratsherrenfamilien nützten die Situation aus. 1712 trat der

1 1724: vom Almosendirektorium ist Emanuel Gryff, das Schiffmacher Handwerk zu erlernen, Mr. Ni- claus Schnyder, dem Schwellenmeister, anvertraut worden. 36

Grossrat und Kaufhausverwalter Franz Ludwig Müller (1674-1736) mit 5 Söhnen zu Schiffleu- ten über. Er war der Grosssohn des Gerbernvenners. Müller kannte die Schiffleute. Als Kauf- hausverwalter vereidigte er sie jedes Jahr. Er wurde sofort Obmann und Sechzehner. Als die Berner nach dem Sieg bei Villmergen die gemeinen Herrschaften im Thurgau und in den Frei- en Ämtern mitverwalteten, war er zuerst Statthalter im Toggenburg und dann wiederholt Landvogt in Rheineck und in den Freien Ämtern und schliesslich Stiftschaffner in Zofingen, d.h. dortiger Statthalter Berns. Das bei seiner Aufnahme gegebene Versprechen löste er bei den Grossratswahlen 17181 ein und brachte als Sechzehner Vinzenz Späting in den Grossen Rat. Mit Späting stellte Schiffleuten nach 34 Jahren wieder einen Grossrat aus den alten eige- nen Familien. Zwei von Müllers Söhnen dienten als Offiziere in fremden Diensten, Friedrich war 1746-50 Säckelmeister und Landschreiber bei Samuel Tillier in Interlaken, der vierte, Jo- hann Rudolf, obrigkeitlicher Buchdrucker, Säckelmeister 1750-60, und der fünfte, Wolfgang, Zollverwalter im Waadtland. Die Linie starb bei Schiffleuten 1834 aus.

1737 wechselte Major und Grossrat Junker Samuel Tillier (1704-1781) von Mittellöwen zu uns.2 1741 wählte ihn das Bott zum Obmann, was er bis kurz vor seinem Tod blieb. Er lässt 1743 mit Verweis auf andere Gesellschaften vom Bott erstmals formell ein achtköpfiges Vor- gesetztenkollegium zur Betreuung der armen Gesellschaftsangehörigen und Waisen wählen.3 Deshalb bürgerte sich die Bezeichnung Waisenkommission ein.4 Samuel Tillier war 1744-50 Landvogt in Interlaken, 1760 Oberst und 1773-81 Mitglied des Kleinen Rats. Im Ausstich stand ihm kein geringerer als Albrecht von Haller gegenüber, der das Pech hatte, beim Los die sil- berne statt der goldenen Kugel zu ziehen.

Aus einem völlig andern Grund meldeten sich der Seidenfabrikant Johann Ulrich Aeschbacher und der Pfarrer Bernhard Dachs 1742 bei Schiffleuten an. Sie hatten vor der Burgerkammer die Zulassung als ewige Einwohner erwirkt und mussten innert Jahr und Tag einer Gesellschaft beitreten, wenn sie sie nicht verlieren wollten. Johann Ulrich Aeschbacher (1687-1751) betrieb seit 1719 mit Angestellten an der Matte in einem ehemaligen Gerbhaus eine Seidenweberei und besuchte die Zurzachermesse. 1736 er- hielt er von der Burgerkammer die Zulassung als ewiger Einwohner. 1737 kaufte er das Gerb- haus Obergerbern für 7‘000 Pfund ab. Da Kaufleuten 1739 sein Aufnahmegesuch ablehnte, bewarb er sich 1742 bei Schiffleuten. Das Bott nahm ihn mit Gattin und zwei Kindern auf. 1743 ist er bereits Mitglied des neu geschaffenen Vorgesetztenkollegiums, bleibt jedoch das unüblich hohe Aufnahmegeld von 400 Pfund bis 1748 schuldig.5 Katharina Aeschbacher, die Tochter, war mit Hansrudolf Simon aus Bolligen (1699-1760) verheiratet, dem Stammvater der Seidenfabrikantenfamilie. 1747 suchte Katharinas Bruder vergeblich Unterstützung bei

1 Die Erneuerung des Grossen Rats fand nur 1691, 1701, 1711 und 1718 statt und sorgte jeweils für grosse Unruhe. 2 Er schenkte bei seiner Aufnahme der Gesellschaft 2‘000 Pfund für die Armen und einen silbernen Pokal, den Tillierbecher. (Depositum im Historischen Museum Inv. Nr. 15099) 3 Major Tillier Obmann, Johann Rudolf Müller Seckelmeister, Jacob Schnyder Schwellenmeister, Jo- hann Anton Schärer Chirurg, Samuel Schärer Fürsprecher, Friedrich Emanuel Heintz Bader, Johann Ulrich Aeschbacher Seidenfabrikant, Franz Ludwig Müller der Jüngere, Major. 4 Auf Wunsch von Obmann Samuel Tillier ernennt das Bott 1769 ein dreiköpfiges Waisengericht, ge- leitet vom Säckelmeister, welcher Almosner ist; es prüft, wer wieviel Unterstützung nötig hat. 5 Die Söhne von Stubengesellen bezahlten nur 20 Pfund. Emanuel Gryph, der die Schifferlehre ge- macht hatte, schuldete 1737 als „fremder, der die Gesellschaft nicht geerbt hat“, das Doppelte. N.B. noch in der 2. Hälfte des 19. Jh. kostete die Aufnahme die Stubengesellensöhne 23 Franken. 37

den Vorgesetzten. Er habe gehofft, von seinem Vater in die Fabrik aufgenommen zu werden, der sie aber völlig seinem Schwager Simon überlasse. Als der Vater starb war er im Ausland. Das Bott befand, sein Vormund Emanuel Gryph solle die Regelung des Erbes der Witwe und den Angehörigen überlassen. Aeschbacher junior meldet sich noch einmal 1752 schriftlich bei Schiffleuten und bittet, weil er heiraten will, um eine Zuwendung, was die Gesellschaft ver- weigert. Nachher verliert sich seine Spur. Den Betrieb erbte Hansrudolf Simon, der Grossvater des 1836 bei uns eingeburgerten Johann Samuel Simon.

Johann Jacob Dachs (1667-1744) aus Thun war 1695 Pfarrer in Holderbank, wurde 1714 ans Münster berufen und damit automatisch „ewiger Einwohner“, nicht aber seine vorher in Hol- derbank geborenen Kinder. Der Sohn Bernhard Friedrich Dachs (1696-1752) war Pfarrer in Schlosswill und verheiratet mit Maria Elisabeth Jenner aus der Ratsherrenfamilie. Er wurde 1741 mit seinen Kindern ebenfalls ewiger Einwohner und ersuchte 1742 um Aufnahme bei Schiffleuten und versprach, „alsobald 300 Pfund in bar für ihre Armen zu erlegen“. Das Bott nahm das selbstverständlich an.

1643 hatte Bern das Patriziat geschaffen, indem es die Einwohner in „regimentsfähige“, d.h. in den Grossen Rat wählbare Burger, das Patriziat, und in ewige Einwohner teilte. 1785 waren von Schiffleuten nur noch die drei Familien Tillier, Zehender und Ith „im Regiment“, d.h. in verschiedenen Funktionen an der Regierung beteiligt. Zwar regimentsfähig, aber nicht mehr im Grossen Rat vertreten waren die Familien Müller, Schumacher, Höffli, Schärer und Stauf- fer. In den andern Gesellschaften war die Situation nicht besser. Der Grosse Rat geriet unter Druck und befürchtete eine nachteiligen Veränderung (!) der Regierungsform. Er öffnete 1790, aber wohl zu spät, das Burgerrecht schliesslich wieder ein wenig. Bei Schiffleuten erhielt darauf die seit 1742 bei uns zünftige Familie Dachs 1791 das volle Burgerrecht.1 1794 be- schloss der Grosse Rat, dass einem neuen Stamm oder mehreren das Burgerrecht erteilt werden müsse, sobald die Zahl der regimentsfähigen Geschlechter durch Absterben auf unter 236 gesunken sei. Vorrang hatten Berner aus den deutschen und welschen Landesteilen. Die Neuburger mussten der Gesellschaft ihres Handwerks beitreten, oder wurden, wenn sie Ge- schäftsleute waren, einer Gesellschaft zugelost. 1795 war das bei Schiffleuten der Zofinger Kaufmann und Oberstleutnant Johann Jakob Imhof (1748-1828). Sein Schwiegervater Samuel Gruner aus Bern übernahm die Einkaufssumme von 10 Mark Silber (2.4 kg) oder 1‘296 Kro- nen; das Kapital der Gesellschaft wuchs auf einen Schlag um 43% ! Der einzige Sohn fiel 1798 als Leutnant bei Neuenegg. Imhof verzichtete am 18. April 1798 auf das Bugerrecht.

Der Sohn des Ratsherrn Samuel Tillier, Junker Anton Ludwig (*1750), Offizier im bernischen Jägerkorps, genannt „l’héritier“, der Erbe, wird 1775 zum Stubengesellen aufgenommen, dann 1783 seine Brüder Emanuel Samuel (*1751), Offizier der königlichen Schweizergarde in Paris, und Rudolf (*1754), Kaufmann in Amsterdam und dann in Philadelphia. Das Bott wählt Anton Ludwig 1782 zum Obmann. An der Burgerbesatzung von 1785 war Amadée Ith Sech- zehner von Schiffleuten. Sein Einfluss führte sehr wahrscheinlich dazu, dass gleich alle drei Brüder Tillier in den Grossen Rat gelangten.

Der anhaltende Rückgang der Mitgliederzahl und der Geldmangel der Gesellschaft blieben im Grossen Rat nicht unbemerkt, und er liess 1787 Schiffleuten anfragen, ob sie bereit wären, den Räten ihr Haus zu verkaufen. Das Bott entschied, ein Verkauf komme nicht in Frage, aber über einen Tausch mit einer Liegenschaft an einer Hauptgasse könne man reden. Obmann An-

1 Der letzte männliche Nachkomme starb 1864. 38

ton Ludwig Tillier solle entsprechende Angebote entgegennehmen und sie dem Bott unter- breiten. Es blieb aber alles beim alten.

Die 1795 unter Druck beschlossene Öffnung des Burgerrechts beruhigte die Situation nicht. Einzelne Geschäftsleute aus der Klasse der ewigen Einwohner drängten auf Mitbeteiligung an der Regierung. Anton Ludwig Tillier hatte sich mit seinem Lebenswandel den Aufstieg zu hö- heren Würden verbaut und nützte die Spannungen aus. Er unterstützte die revolutionären Ideen und liess im Februar 1798 im Land eine Proklamation verbreiten, in welcher zur Abset- zung der alten Regierung aufgerufen wurde. Nach dem Umsturz wurde er im April als einziger Patrizier Mitglied der provisorischen Regierung und Regierungsstatthalter des helvetischen Kantons Bern, also höchster Berner. Er kam den französischen Wünschen zu wenig nach und verlor das Amt am 1. Januar 1799. Am 4. Februar trat er als Obmann von Schiffleuten zurück. Bis 1804 nahm er noch an Sitzungen des Vorgesetztenbotts teil. Als Grossrat war er 1805 Mit- glied des neu geschaffenen Gerichts für den Amtsbezirk Bern. Aus der Politik zurückgezogen, lebte er bis 1813 auf seinem Gut im Mühletal bei Aarberg. Sein Bruder Emanuel Samuel verhinderte 1789 während der Julirevolution mit seinen Gar- disten die Gefangennahme des Erzbischofs von Paris und das Eindringen der aufgebrachten Pariser ins Schloss Versailles; er erntete Lob von Louis XVI und La Fayette. 1792 kehrte er nach der Auflösung der Schweizergarde als Oberst nach Bern zurück. Er ist 1794-98 Grossrat und Ohngeldner1 und 1797-1820 Säckelmeister von Schiffleuten. 1805-31 ist er Ohngeldner der Stadt und nach der Restauration 1815-31 wieder Grossrat und 1816-17 und 1826-31 Mitglied des Grossen Stadtrats. Von Louis XVIII ist er 1816 zum Feldmarschall befördert worden. Er starb 1836. Sein Sohn Samuel David (1797-1837) starb als Hauptmann in Neapel und war der letzte des Geschlechts bei Schiffleuten. Rudolf Tillier, der Kaufmann, ist 1785 bei seiner Wahl in den Grossen Rat in Philadelphia, wo er Sarah Biddle aus einer angesehenen Familie geheiratet hat. Ihre Schwester ist die Gattin des Generals James Wilkinson. Die Firma Clemens Biddle & Tillier vermittelt Kolonisten aus Frankreich Land im Norden des Staates New York. Im Januar 1789 trifft Rudolf auf seiner Rei- se nach Bern in Paris den späteren Präsidenten Thomas Jefferson und den Marquis La Fayette. In Bern wird er überraschend Sechzehner, bewirbt sich aber nicht um die frei werdende Land- vogtei Interlaken und beschliesst nach Amerika zurückzukehren, weil er keine Aussicht auf lukrative Ämter hat. Er dehnt seine Tätigkeit nach Süden aus und ist 1794 in St. Louis, wo seine Gattin stirbt. Im Jahr darauf ist er wieder in Bern. Für die 1793 in Paris gegründete New York Compagnie, die im Norden des Staates New York viel Land gekauft hat, um französische Kolonisten anzusiedeln, beschafft er Geld und ist 1796-1800 von New York aus Administrator des Ganzen. Abgelöst wendet er sich erneut nach St. Louis. Ab 1805 leitet er im Auftrag der amerikanischen Regierung die dort im neuen Fort Bellefontaine angesiedelte Handelsmission. Im Winter lebt er wieder in New York. Er stirbt 1810. Merkwürdigerweise ist er 1815-17 im- mer noch in den Grossratsverzeichnissen aufgeführt.

Die helvetische Regierung hatte bereits 1798 den Zunftzwang aufgehoben: Handwerker wa- ren nicht mehr verpflichtet, der ihrem Beruf entsprechenden Zunft beizutreten. In Bern rea- gierten die Gesellschaften 1804 darauf. Schiffleuten erkärte, die Gesellschaft sei „geschlos- sen“, und „dass man folglich keinen genoss einer andern gesellschaft des Handwerks wegen mehr annehmen werde“. So blieben Neuaufnahmen von Schiffern aus, und andere junge Be- rufsleute hatten kein Interesse, einer armen Gesellschaft beizutreten.

1 Verantwortlich für den Einzug des Ungelds, Ohngelds: Umsatzsteuer auf Wein 39

Ausser Anton Ludwig Tillier hatten nach 1798 noch drei andere Männer, die später Stubenge- nossen wurden, mehr oder weniger wichtige Funktionen unter dem neuen Regime. Christian Pfander (1765-1839) aus Belp und einer der drei Grosssöhne von Johann Ulrich Aeschbacher, Albrecht Emanuel Simon (1737-1818), Tuch- und Strumpffabrikant, gehörten 1799 der fünf- köpfigen Verwaltungskammer des Kanntons Bern an, der Exekutive. Simon machte sich mit dem Eintreiben der von Frankreich geforderten Kontributionen unbeliebt. Pfander arbeitete an der bernischen Mediationsverfassung mit. 1803 gehörte er dem Grossen und als Polizeimi- nister dem Kleinen Rat an. Er erhielt 1808 das Burgerrecht geschenkt und wurde wie Imhof Schiffleuten zugelost.1 1814-30 sass er wieder im Grossen und 1814-23 im Kleinen Rat, war 1823-30 Regierungsstatthalter in Schwarzenburg und 1816-24 Gesellschaftsobmann.

Während das Bott Christian Pfander aufnehmen musste, war es sonst recht vorsichtig, ob- schon die Gesellschaft dringend frisches Blut brauchte. Es lehnte im März 1813 das Aufnah- megesuch von Albrecht Emanuel Simon ab.2 Er bot für seine vierzehnköpfige Familie, 8 Söhne, 3 Schwiegertöchter und 1 Grosskind, nur das reglementarische Aufnahmegeld von 5‘200 Fran- ken damaliger Währung an. Das Bott befand, das stehe pro Kopf gerechnet in keinem Verhält- nis zum Stubengut. Daneben gebe es noch andere erhebliche - wahrscheinlich politische - Gründe für die Ablehnung. Im November versuchte es Simon bei Schmieden und wurde aus den gleichen Gründen abgewiesen. Seine Söhne Johann und Emanuel begründeten erst 1836 und 1838 den Stamm Simon bei uns.

Neue Familien

Als 1815 mit der Restauration die früheren Verhältnisse wieder mehr oder weniger hergestellt waren, kam es bei Schiffleuten zu Neuaufnahmen. Auffällig ist, dass vor allem „vermögliche- re“ Geschäftsleute - der Stadtrat hatte das empfohlen ! - den Zugang zur Gesellschaft fanden. Das fiel auch auf, denn 1840 wies der Burgerrat das von Schiffleuten befürwortete Gesuch des Gerichtspräsidenten von Wangen „als reine Finanzspekulation“ zurück. Im September 1815 nahm das Grosse Bott den in Bern ansässigen Weinhändler Samuel Eichelberger (1764-1822) aus Sumiswald mit Ehefrau und vier Kindern auf.3 Nur einen Monat später teilte das Bott der Regierung (!) mit, es habe beschlossen den Weinhändler und Gross- rat Christian Herrenschwand (1768-1852), Besitzer von Stuckishaus, aufzunehmen. Mit Chris- tian Pfander hatte er Geschäftsbeziehungen, war 1798-1802 Mitglied des neu geschaffenen Kantonsgerichts und wurde, da er mit seinem Vermögen die Voraussetzungen dafür erfüllte, als Nichtburger 1803 in den neu zusammengesetzten Grossen Rat gewählt. 1814 hatten alle nichtburgerlichen Grossräte das persönliche Burgerrecht der Stadt Bern erhalten. Wahr- scheinlich, unterstützt von Christian Pfander, bewarb sich Herrenschwand bei Schiffleuten, um in den Besitz „aller burgerlichen Privilegien und Wohltaten“ zu gelangen. Die Einburge- rung seiner Gattin und der vier Kinder war nur eine Formsache und anfangs 1817 vollzogen. Am 2. April nahm er bereits im Vorgesetztenbott Einsitz. Er war 1825-43 Gesellschaftspräsi- dent, 1831-39 Regierungsrat und blieb bis 1846 Grossrat.

In relativ kurzen Abständen folgten andere Geschäftsleute, welche sich die Aufnahmegebüh-

1 Seine Einkaufssumme bei Schiffleuten belief sich auf 4‘320.- Franken damaliger Währung. 2 Seine beiden Brüder waren, der eine 1804 bei Webern, der andere 1805 bei Mittellöwen aufgenom- men worden. 3 Die Einkaufssumme betrug 3‘780.- Franken damaliger Währung. Dazu kamen für die Waisenhäuser, das Stadt-Almosen und den Primarschulfonds noch einmal 1‘440.- Franken. 40

ren leisten konnten. 1821 der Seiden- und Strumpffabrikant Johann Friedrich Nägeli, 1824 die Papierhändlerfamilie Leuenberger, 1827 die Müllerfamilien Moser und Steiner und 1829 der Küfermeister Rudolf Schorer, Gesellschaftspräsident 1844-52.

Nicht zur Kategorie der Geschäftsleute gehörte 1821 der aus Strassburg gebürtige Baumeister Johann Daniel Osterrieth (1768-1839). 1798 plante er die Erweiterung Aaraus zur neuen helvetischen Hauptstadt und leitete den Bau der neuen Berner Münzstatt (abgebrochen für das Bellevue Palace). Ab 1801 war er Kantonsbaumeister. 1821 leitete er den Bau des Stadtca- sinos (1895 abgebrochen für das Parlamentsgebäude) und plante und baute 1825 das neue Aarbergertor. Das grosse Zuchthaus am Bollwerk stammte von ihm. Es gilt als Hauptwerk des Spätklassizismus in Bern (1893/94 abgebrochen für die Bollwerkpost). 1834 schuf er nach dem Stadtbrand die Pläne für den Wiederaufbau Huttwils. Und 1837 legte er ein Projekt für die Nydeckbrücke mit Verlängerung der Gerechtigkeitsgasse mit Abbruch der Kirche vor. Es wurde nicht weiter verfolgt. 1825-30 war er Säckelmeister von Schiffleuten.

Das Zuchthaus und das Torhaus auf der linken Seite wurden 1893/94 für die Bollwerkpost abgebrochen, das rechtsseitige Torhaus 1961 beim Bahnhofneubau. (Burgerbibliothek Gr_C_183)

Sein Sohn Ludwig Friedrich Osterrieth (1807-1888) war ebenfalls Baumeister, 1843-59 Mit- glied des Grossen Burgerrats, 1853-55 Gemeinderat, 1853-58 Gesellschaftspräsident; er ver- starb kinderlos in Paris.

Mit Johann Röthlisberger (1791-1851) folgte 1831 ein weiterer Kaufmann. 1837-38 war er Säckel- meister. Den Burgerbrief mit dem Familienwappen be- wahrte er in einer Kassette auf, die heute im Zunft- archiv auf der Burgerbibliothek deponiert ist.

1836 und 1838 gelang schliesslich den bereits er- wähnten Seiden- und Strumpffabrikanten Simon die Aufnahme.

1838 rückte die heute noch vertretene Weinhänd- lerfamilie Stauffer nach. Mehr Erfolg als der Gerichtspräsident von Wangen hatten 1841 der Arzt Hans Ulrich Küpfer aus Mün- singen († 1861) und der Lederhändler Johann Ja- kob Koch aus Lüen in Graubünden (1799-1887), 41

Gesellschaftspräsident 1858-82; der Sohn Johann Rudolf (1832-91) war Gymnasiallehrer und Gesellschaftspräsident 1883-91. 1859 nahm Schiffleuten die Witwe Elisabeth Sommer mit ihrem 17-jährigen Sohn auf, die Schwägerin von Pfarrer Johann Rudolf Schorer. Der Sohn August Sommer lebte als Kaufmann in Langenthal und sein letzter männliche Nachkomme starb 1917.

Populär und über die Stadtgrenzen hinaus bekannt wurde Müllermeister Samuel Steiner Sohn (1818-82). 1846-81 war er unser Säckelmeister, 1845 Kirchgemeinderat der Nydeckgemeinde, 1850 Gemeinderat, 1858 Grossrat, drei Mandate, welche er bis zu seinem Tod behielt. Er war Verwaltungsrat der Berner Staats- und der Entlebuchbahn und 1866-72 Nationalrat.

Finanziell ging es der Gesellschaft gut. 1847 verbucht Säckelmeister Samuel Steiner Einnah- men aus Kapitalanlagen von Fr. 3‘938.- und aus Mietzinsen von Fr. 1‘003.-;1 die Auslagen be- laufen sich auf bloss Fr. 1364.-. Vom Überschuss muss er 10% neu anlegen. Den Rest von Fr. 3381.- verteilt er an die 112 Mitglieder (Frauen und Kinder mit eingerechnet je Fr. 30.-).2 Als 1851 Pfistern ihr neues Hotel zuoberst an der Sonnseite der Marktgasse bezog, stifteten alle Gesellschaften je ein Buntfenster mit ihrem Wappen. Die Fenster entwarf der Heraldiker Dr. Ludwig Stantz. Obwohl Schiffleuten die kleinste Gesellschaft war, hatte sie keine Mühe, die Scheibe zu finanzieren. Sie hängt heute mit allen andern im Kulturcasino.

Der „Mutz“ steuert mit der linken Pranke das Schiff. Der Stachel im Wappenschild ist viel fei-

1 Das Gesellschaftshaus gehörte zwar seit 1824 dem Kanton. Die Gesellschaft blieb Mieterin und hatte sich das Wirtschaftsrecht vorbehalten. Der Verkaufserlös war angelegt. Den Laden benützte ein Un- termieter. 2 1876 waren es pro Person Fr. 40.-. Das 1868 neu gekaufte Gesellschaftshaus an der Kramgasse 68 hatte einen Wert von Fr. 95‘000.-, die Wertschriften Fr. 77‘000.-, davon Aktien der Centralbahnge- sellschaft für Fr. 13‘000.-. Das Armengut war mit Fr. 99‘000.- dotiert. 42

ner und dazu golden statt weiss, wie im offiziellen Wappen. In den hellbraunen Eckfeldern stehen feine Sentenzen zu Fischerei und Schifffahrt. Oben links heisst es „Fischfangen und Vo- gelstellen gefahret Alt- und Junggesellen“, illustriert mit einer jungen Frau, gefangen in einer Fischreuse. Oben rechts steht unter einem Schiff in Sturmesnot „Die Mittelstrass führt heil fürbas“. Unten links in Erinnerung an den kühnen Schiffmann Tell “Ein Freund in der Not“ und rechts „Der letzte Fährmann ist der Tod“.

Mit der Neuregelung des Schweizer Bürgerrechts wurden der Gesellschaft 1861 elf Personen zugewiesen, welche vorher keinen gesetzlichen Heimatort hatten: der Spengler Johann Gott- lieb Pfister, der Dienstmann Johannes Egger, der Holzhauer, Zügler und Packer Friedrich Schmocker und die Schneiderin Anna Ryser. 1865 nahm Schiffleuten den Notar und Kirchmei- er Karl Howald auf und 1866 den Lederhändler Rudolf Allemann.

Karl Howald hatte sich neben seinem Beruf als Notar einen Namen als Historiker gemacht. Er entwarf 1876 das Pro- gramm für die grosse Murtenschlachtfeier und gestaltete mit Ludwig Stantz den Festumzug. In der dreizehnköpfigen Gruppe von Schiffleuten waren vertreten Fritz, Rudolf und Vinzenz Schumacher, Fritz Simon und Fritz Moser; dazu ka- men acht Aussenstehende, darunter das spätere Mitglied Emil Jordi. Für die fünf Helme, Schwerter, Überröcke, Bein- kleider und den Brustpanzer des Fähnrichs Vinzenz Schu- macher bezahlte Säckelmeister Steiner Fr. 700.-. Als Kirchmeier und Vizepräsident des Münsterbauvereins bemühte sich Howald unermüdlich um den Ausbau des Münsterturms, an dem im November 1893 der Schlussstein des Helms eingesetzt wurde. Zum Dank ist er am untern Achteck des Turms mit einer in Stein gehauenen Porträtbüste verewigt. Er starb 1904 kin- derlos. Auch für den Festzug zur 700-Jahrfeier im August 1891 war er verantwortlich.

Schiffleuten am 700-Jahr Jubi- läum Berns 1891

v.l.n.r.: Fähnrich Fritz Schumacher *1842 Drechsler, Schwellenmeister Karl Bachofner *1845 Münstersig- rist, Fritz Moser *1859 Schlosser; sitzend v.l.n.r.: Rudolf Schumacher *1846 Buchbindermeister, Eduard Pfander *1869 stud.med.dent., Gottlieb Pfister *1849 Spengler, Hermann Schumacher *1876 Buchbin- der, Rudolf Schumacher *1872 stud.theol.

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Als Sekretär des Münsterbauvereins stand der Primarlehrer Jakob Sterchi Karl Howald zur Seite. Ihn und den Münstersigristen Hans Bachofner nahm Schiffleuten 1890 auf. Der heutige Stamm Howald geht auf den 1885 aufgenommenen Kaufmann Ernst Gottlieb Howald zurück, den Cousin Karls.

Es folgten 1896 der Fürsprecher Julius Pezolt, der Notar Emil Jordi und 1897 der Fabrikant in Wangen Adolf Roth. Emil Rudolf Leuzinger, Inhaber eines Leinen- und Baumwollwarenge- schäfts, verwandt mit den Familien Koch und Allemann, war 1898 der letzte neu aufgenom- mene im 19. Jahrhundert. Schiffleuten betrieb im 20. Jh. nie eine aktive Aufnahmepolitik, wuchs jedoch weiter.

Jahr Geschlechter/Stämme Stubengesellen auswärts Schiffleute minderjährige + Kopfzahl total oder im ledige Männer Ausland 1697 15 22 5 11 11 1714 17 30 4 15 17 1740 11 22 1 5 7 1763 12 22 4 7 21 1780 12 22 9 3 15 1804 6 12 4 1 9 1846 17 32 1 19 111 1859 17 19 36 110 1877 20 32 115 1914 22 54 8 17 165 1940 26 59 19 19 167 2015 90 370

Das Gesellschaftshaus an der Münstergasse 22

Durch Vermittlung des damaligen Stubenschreibers und Notars Gerhard Jordi konnte 1951 zum Preis von Fr. 127‘000.- endlich wieder eine eigene Liegenschaft erworben werden.1 Die Wohnung im 1. Stock wurde 1951/52 zur Gesellschaftsstube umgebaut. Das Ladenlokal und die drei andern Wohnungen sind vermietet und die Mietzinse sind eine wichtige Stütze un- serer Finanzen. Anfänglich konnten die Wohnungen im 2. und im Dachstock noch moderni- siert werden. Weitere Projekte scheiterten dann am Einspruch der Denkmalpflege. Da die Stu- be beim Grossen Bott oft zu eng ist, versuchte die Waisenkommission in der Altstadt etwas Anderes zu finden. Die Preise sind jedoch so exorbitant, dass das Vorhaben misslang. Was an kleinen Verbesserungen an der Stube bis jetzt möglich war, ist realisiert worden. Dabei hat sie auch ästhetisch gewonnen und wirkt dank der neuen Beleuchtung viel heller. Der neue Boden, modernes Mobiliar und helle Vorhänge tragen dazu bei.

Zur Ausstattung gehören zwei Werke von bekannten Berner Künstlern. In der Stube hängt das Diptychon von Egbert Moehsnang. Er schuf es im Auftrag der Waisenkommission speziell für unsere Stube zwischen 1998 und 2000 im Atelier unter dem grossen Dach seines Bauernhau- ses in Schüpfen. Blau und Weiss erinnern an das Fahrwasser der Schiffleute, Schwarz an seine Gefahren. Das Diptychon ist ein Andenken an den 1995 verstorbenen Richard Simon, der in seinem Testament die Gesellschaft äusserst grosszügig bedachte.

1 Das 1865 erworbene Gesellschaftshaus an der Kramgasse 68 war 1924 verkauft worden. Schiffleuten blieb Mieterin im 2. Stock, was mit der Zeit nicht mehr befriedigte. 44

Im Innenhof steht der 1961 von Max Fueter ge- schaffene bronzene Stachler. Er macht sichtbar, wel- che Anstrengung nötig war, die Schiffe Fluss aufwärts zu stossen, wenn es nicht anders ging. Die Figur ist das Geschenk von Fürsprecher Alfred Pezolt, Gesell- schaftspräsident von 1949-53. Während an der Marktgasse die Löwen von Gerbern und Mittellöwen die Fassaden zieren dürfen, kam das an der Münster- gasse nicht in Frage. Die Rüstung mit Helm, Kettenpanzer und Zweihänder hinten in der Stube ist meines Wissens ein Erbstück aus dem Nachlass von Friedrich Steiner, dem Gross- sohn des Müllermeisters Samuel Steiner

Die am Umzug von 1891 benützte Fah- ne wird im Historischen Museum aufbe- wahrt (Inv.Nr. 22357). 1899 liess die Gesellschaft sie ersetzen. Auf die neue war Schiffleuten offen- sichtlich stolz: „Heute und morgen, 15., 16. Juli, wird im Laden von Herrn Robert Leuzinger an der Marktgasse 35 die Zunftfahne von Schiffleuten ausgestellt, auf der von Kunstmaler Karl Gehri in Münchenbuchsee das bekannte Wap- penbild von Dr. Stantz mit dem Mutz als Steuermann in vorzüglicher Weise re- produziert ist“ (sh. Abb. vorne). Mit einer noch älteren ist sie wohl wegen ihres Zustands entsorgt worden.

Unsere heutige Fahne schaffte die Gesellschaft 1932 an. Dazu war vorher ein mit Spenden 45

von Zünfterinnen und Zünftern geäufneter Fahnenfonds geschaffen worden. Sie gibt der Stube einen zusätzlichen farbigen Akzent. Entworfen hat sie Architekt von Rodt. Genäht und bestickt hat sie Fräulein Johanna von Steiger.

Um den blauen Wappenschild hervortreten zu lassen, ist der Hintergrund purpurfarbig. Krebse und Fische symbolisieren das Was- ser.

Nachdem sie an der Marktgasse im Schau- fenster des Porzellangeschäfts Steiger aus- gestellt worden war, fand am 25. März 1933 am Familienfest im Sternen in Muri die offizielle Übergabe mit einem poeti- schen Prolog statt, wie Dr. Hans Kuhn-Si- mon berichtet.

Auch bei anderen Gelegenheiten fasste man sich in Versform. Von einem unbekannten Poe- ten stammen die folgenden Zeilen. Sie nehmen u.a. Bezug auf die Scheibe von Ludwig Stantz.

Als erster Fährmann allbekannt, Den Lotsen hemmt oft Gegenwind, Wird Vater Noah stets genannt, D‘rum Schalt** und Ruder nötig sind. Der, als die Sündflut plötzlich kam, Gebraucht er sie mit Schick und Mut, Was lebte, in die Arche nahm. So spottet er des Sturmes Wut.

Seither steht Schiffahrt hoch in Gunst, Der letzte Fährmann ist der Tod. Gesiegt hat Berner Flösserkunst, Wohl dem, der in der höchsten Not Als Habsburgs Rudolf uns’re Stadt An Bord hat jenen Steuermann, Zweimal umsonst belagert hat.* Der ihn zum Frieden führen kann !

* Bern hielt 1288 zwei Belagerungen stand. Die Belagerer hätten nach Diebold Schilling, um die neue, damals noch hölzerne Untertorbrücke zu zerstören, Schiffe und Flösse mit brennendem Material bela- den und vom Marzili die Aare hinuntertreiben lassen. Den Bernern sei es jedoch gelungen, sie mit Schiffen von der Brücke „abzuweisen“. ** Schalte: Stange mit Eisenspitze zum Stossen des Schiffs.

Die Zunftgesellschaft zu Metzgern lädt reihum eine Zweierdelegation dreier anderer Gesell- schaften zu ihrem traditionellen „Rüeblimahl“ im Zunfthaus an der Kramgasse ein. Im Herbst 46

1953 war Schiffleuten an der Reihe. Wie bei solchen Anlässen üblich, erhalten die Vertreter der Gastzünfte das Wort, um ihre Gesellschaft vorzustellen. Für Schiffleuten tat das Dr. Hans Oscar Kuhn und fasste die Geschichte unserer Gesellschaft humorvoll in Verse und spielte auf den kurz zuvor erfolgten Bezug des Hauses an der Münstergasse an.

Beym Münsterplatz, von hier nit wyt, Wohl aber in vergang’nen Zyten Da husend nun, sit kurzer Zyt Zu Schiffe fuhr in alle Wyten Und - will ich hoffen - mit Vernunft Ja, von der Wiege bis zur Bahre Die Burger von der Schifflütenzunft; Vertraut dem Wellenspiel der Aare. An Zahl gering, doch gueten Muets, Doch mählich, da auf breiten Strassen Wiewohl ermanglend blauen Bluets. (!) Die Bürger in den Kutschen sassen, Unlängst macht da bey uns die Runde Von Rossgestampf und Peitschenknallen Von Metzgern diese ernste Kunde: Die stillen Dörfer widerhallen, Sie wellend halten, hier im Saal, Da mit der schnellen Isenbahn Nach altem Bruch das Rüeblimahl. Man so ergötzlich reisen kann, Und sintemalen man zum Feste Und - wehe - mit Gehup und Gasen Gern bey sich sehe liebe Gäste, Benzinvehikel schröcklich rasen, So mögend diesmal, nach der Reihe, Dem Schifferhandwerk zum Verdruss, Die Schifflüt senden ihrer zweie, Da ward es stille auf dem Fluss. An leck’rer Schpys sich zu ergetzen, Von dazumal die Wasserratten Mit küelem Wyn den Gaumen netzen. Die zogend ufwärts us der Matten, Die Botschaft han wir wohl vernommen Um da und dort, in Lauben, Gassen Und sind mit Freud anhergekommen, Zu neuem Leben Fuess zu fassen. Ein junger und ein Altgeselle. In unterschiedlichen Gewerben Wir melden höflich uns zur Stelle Setzt es sich fort von Erb‘ zu Erben. Als Abgesandte einer Gilde, Die Böses niemals führt im Schilde, (Dank für die Einladung und Wünsche.)

Die Obmänner und Präsidenten von Schiffleuten

Bis 1664 habe ich in den Dokumenten keinen als Obmann bezeichneten Stubengesellen ge- funden. In der Regel nahm ein Mitglied des Kleinen Rats diese Funktion wahr. Schiffleuten stellte jedoch selten ein Mitglied der Exekutive, und zwischen 1624 und 1773 niemanden. Dann übernahm der Sechzehner,1 welcher mitunter zu den Sitzungen des Kleinen Rats beige- zogen wurde, oder der amtsälteste Grossrat diese Aufgabe. Schiffleuten hatte zwischen 1683 und 1712 weder ein Grossratsmitglied, noch einen Sechzehner. Deshalb ernannte der Grosse Rat Grossräte aus andern Gesellschaften zu Sechzehnern für Schiffleuten, und der Kleine Rat eines seiner Mitglieder zu ihrem Obmann.

Vom 18. Jh. an war es üblich, dass bei Abwesenheit des Obmanns meist der Säckelmeister, oder auch ein anderes Mitglied, die Leitung des Botts übernahm. 1804 wählt das Bott erst- mals einen Vizepräsidenten.

1 Sechzehner: von den vier Vennern aus den Gesellschaften bestimmtes, 16-köpfiges Wahlmännergre- mium, welches am Gründonnerstag vor Ersatzwahlen in den Grossen Rat zusammen mit dem Klei- nen Rat die Kandidaten vorschlug. Schiffleuten hatte Anspruch auf ein Mitglied. 47

Obmann oder später Präsident

1664-74 Abraham Andres, Chirurg 1674-83 Niklaus Tscheer, Chirurg 1683-89 Ratsherr Hans Rudolf Tillier 1689-97 Ratsherr Johann Bernhard von Muralt 1697-1701 Ratsherr Jakob Wyss 1701-04 Ratsherr Beat Ludwig Thormann 1704-12 ??? 1712-35 Franz Ludwig Müller, Kaufhausverwalter und Landvogt im Thurgau und den Freien Ämtern, Stiftsschaffner in Zofingen 1736-41 Vinzenz Späting, Färber und Kastlan in Wimmis 1742-74 Major Junker Samuel Tillier, Landvogt in Interlaken, Besitzer von Schloss Gümligen, Kleinrat ab 1773 1775-81 Hauptmann Gottlieb Friedrich Ith, genannt Amadé 1781-87 Hauptmann Junker Anton Ludwig Tillier, Sohn des Kleinrats 1788 Hauptmann Gottlieb Friedrich Ith, alt Landvogt von Trachselwald 1788-99 Jägeroberst Anton Ludwig Tillier 1799-1804 Pfarrer Jacob Friedrich Dachs in Thurnen 1804-16 Bernhard Niklaus Stauffer, Drechslermeister, Mitglied des Stadtrats 1816-24 Christian Pfander, Mitglied des Kleinen Rats 1825-43 Christian Herrenschwand, Weinhändler, Regierungsrat 1831-39 1844-52 Rudolf Schorer, Küfermeister, Burgerrat 1853-57 Ludwig Friedrich Osterrieth, Baumeister, Gemeinde- und Burgerrat 1858-82 Johann Jakob Koch, Lederhändler, Burgerrat 1883-91 Johann Rudolf Koch, Gymnasiallehrer 1891-1900 Arnold Schumacher, Oberst, Waffenchef der Artillerie, Burgerrat 1901-28 Dr. Albert Pfander, Arzt, Burgerrat 1929 Prof. Dr. theol. Wilhelm Hadorn 1930-36 Eduard Schlupp, Direktor der Spar- und Leihkasse 1937-44 Fritz Octave Pfander, Abteilungschef der Kantonalbank 1945-48 Moritz Simon, Sektionschef Eidg. Landestopograhie 1949-52 Alfred Pezolt, Fürsprecher 1953-56 Fritz Burkhard, Lehrer an der Länggassschule 1957-60 Heinrich Joss, Oberrichter 1961-76 Dr. rer.pol. Fritz Simon, Burgerrat 1977-83 Hans-Rudolf Kuhn, Fürsprecher, Abteilungschef EJPD 1983-93 Bernhard Dähler, Architekt, Burgerrat 1994-2008 Heinz Sommer, Gymnasiallehrer, Rektor 2009- Andreas Urfer, Sekundarlehrer und Informatiker

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