566 2014 ¥ 6 ∂

50 Jahre Kanzlerbungalow – Eine Ikone A Die Nachbarn: Sep Ruf und bei der Planung des Kanzlerbungalows auf der der deutschen Nachkriegsarchitektur ­Terrasse von Erhards Wohnhaus in Gmund B Kanzlerbungalow, , 1964 The Chancellor’s Bungalow at 50 – An 1 Vorfahrt 2 Empfangszimmer Icon of Post-war German ­Architecture 3 Arbeitszimmer Irene Meissner 4 Wohnzimmer 5 Musikzimmer mit versenkbarer Wand 6 Kamindiele mit versenkbarer Wand Fotos: 7 Esszimmer G. Gronefeld /Deutsches Historisches Museum , 8 repräsentatives Atrium mit Kamin 9 Küche Burkhardt + Schuhmacher, Eckhard Kaemmerer/ 10 Personalzimmer Architekturmuseum der TU München, Roland Halbe, 11 Essdiele Presse- und Informationsamt der 12 Gästezimmer 13 Schlafzimmer Bundesregierung, Sven Simon, Sven Simon Foto- 14 Ankleide agentur, Paul Swiridoff, Archiv/Museum Würth, Nach- 15 privates Atrium mit Pool lass Familie Ruf, Berthold Burkhardt, Tomas Riehle / C Wohnhaus Erhard, Gmund am Tegernsee, 1956 D Akademie der Bildenden Künste Nürnberg, 1954 artur images A

Der bekannteste Bau von Sep Ruf (1908 – ­Diskussionen um den deutschen Wiederauf- Transparenz immer wieder eine deutliche Ab- 1982) ist der Kanzlerbungalow in Bonn, der bau teil. 1950 gewann er den Wettbewerb grenzung zur vorangegangenen deutschen von 1964 bis 1999 als offizieller Wohnsitz für die Akademie der Bildenden Künste in Geschichte: Von den offenen Gerichtssälen der deutschen Bundeskanzler diente. In ei- Nürnberg, die heute zu den herausragen- in der Neuen Maxburg, die das Gegenstück nem modernen, moderat dimensionierten den Bauten der frühen Nachkriegsmoderne zum gegenüberliegenden monumentalen Ambiente, das Weltoffenheit und Kulturbe- gezählt wird (Abb. D). Justizpalast bilden, in dem nur wenige Jahre wusstsein ausstrahlt, empfing der jeweilige Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung vorher zahllose Justizverbrechen begangen Regierungschef seine Staatsgäste. Mit dem Deutschlands­ nahm Rufs Schaffen einen worden waren, bis zum Wettbewerbsbeitrag Umzug der Bundesregierung nach Berlin ­eindrucksvollen Umfang an. Wenn er in für das Haus der Bürgerschaft in Bremen, bei geriet der Bungalow aus dem Blickfeld und ­einem historischen Umfeld plante, wie bei- dem Ruf einen aufgeglasten Kubus für die aus dem öffentlichen Bewusstsein. Seit spielsweise bei der Münchner Neuen Max- Stadtpolitiker mitten auf den Markt stellen 2009 ist dieser zentrale Ort deutscher Nach- burg, suchte er einen modernen architekto­ wollte, um das politische Geschehen buch- kriegsgeschichte für die Öffentlichkeit zu- nischen Ausdruck im Einklang mit Ort, Ge- stäblich öffentlich und mit Mitteln der Archi- gänglich. Damit fand nicht nur Rufs Haupt- schichte und Tradition. Bei Bauten mit reprä- tektur transparent zu machen. werk, sondern auch der Architekt selbst sentativer Funktion hingegen schuf er durch Rufs Aufstieg zu einem der renommiertesten neues Interesse. eine spezifische Materialität und gezielte deutschen Architekten lässt sich ab Mitte Das zeigt sich nicht zuletzt auch beim deut- schen Beitrag auf der diesjährigen Architek- tur-Biennale in Venedig: Die Generalkom- missare Alex Lehnerer und Savvas Ciriaci- dis thematisieren den Kanzlerbungalow als Inbegriff moderner deutscher Architektur. Mit dem von Rem Koolhaas für die Länder- 14 pavillons vorgegebenen Thema »Absorbing Modernity: 1914 –2014« liegt das 1964 er- richtete Gebäude zudem exakt in der Mitte 13 15 dieser Zeitspanne (s. S. 574ff.). In München geboren und aufgewachsen, studierte Sep Ruf von 1926 bis 1931 an der 12 damaligen Technischen Hochschule Archi- tektur. Anschließend machte er sich mitten 7 in der großen wirtschaftlichen Depression 11 5 selbstständig und konnte sich trotz politisch reaktionärer Kräfte und gravierender bau­ 10 licher Beschränkungen mit dem Bau zahl­ 6 reicher Einfamilienhäuser sowie mit Sied- lungsplanungen und Wettbewerbserfolgen schnell als moderner Architekt etablieren. 9 8 4 Bereits seinen frühen Entwürfen liegt das »naturverbindende Bauen« als Leitidee zu- grunde: weit geöffnete, lichtdurchflutete und zur Sonne orientierte Räume, eingebettet in die umgebende Landschaft. Aufgrund sei- 2 3 ner politischen Integrität während der Zeit des Nationalsozialismus konnte Ruf nach 1945 im Nachkriegsdeutschland schnell wieder Fuß fassen. In einer Zeit als die 1 ­meisten Architekten noch arbeitslos waren, ­betrieb er bereits wieder ein gut gehendes Architekturbüro und nahm aktiv an den B ∂ 2014 ¥ 6 La Biennale di Venezia 2014 567

A The neighbours: Sep Ruf und Ludwig Erhard plan- ning the Chancellor’s Bungalow on the terrace at ­Erhard’s home. B Chancellor’s Bungalow, Bonn, 1964 1 Driveway 2 Reception 3 Study 4 Living room 5 Music room, sliding wall panel 6 Fireplace niche, sliding wall panel 7 Dining room 8 Atrium with fireplace (for official events) 9 Kitchen 10 Staff member 11 Second dining room 12 Guest room 13 Bedroom 14 Dressing room 15 Private atrium with pool C Erhard Residence, Gmund am Tegernsee, 1956 C D Academy of Fine Arts, Nuremberg, 1954

der 1950er-Jahre an seinen großen reprä- das Gefühl eines friedlichen Beisammen- Konrad Adenauer nutzte, wollte Erhard nach sentativen Bauaufgaben aufzeigen. Als ein- seins und dienten als Demonstration eines der im Herbst zu erwartenden Kanzlerwahl ziger bayerischer Architekt wurde er zur gewandelten Deutschland, denn zuletzt hat- nicht einziehen, da die spätklassizistische Teilnahme an der 1957 in Berlin te sich NS-Deutschland mit dem monumen- Villa seiner Meinung nach für Empfänge aufgefordert, die als Manifest für den »de- talen Bau von Albert Speer auf der Weltaus- nicht geeignet war. mokratischen« Wiederaufbau nach National- stellung in Paris 1937 präsentiert. Die inter- Im weitläufigen Park des Palais Schaum- sozialismus und Kriegszerstörung konzipiert nationale Moderne als neue Heimat der burg war schnell, auf einer zum Rhein hin war. Als Deutschland dann wieder an einer Deutschen, dies war die Botschaft der Brüs- abfallenden Wiese, ein Bauplatz gefunden Weltausstellung teilnehmen durfte, präsen- seler Pavillons. (Abb. E). Noch während der Amtszeit Ade- tierte sich die BRD in Brüssel 1958 mit den 1963 erhielt Sep Ruf von Vizekanzler Ludwig nauers legte Ruf im Mai 1963 erste Entwürfe gläsernen Pavillonbauten von Egon Eier- Erhard, für den er am Tegernsee ein Wohn- vor und als diese im Sommer in der Öffent- mann und Sep Ruf. Die Konzeption verweist haus neben seinem eigenen Haus errichtet lichkeit bekannt wurden, hatte das Projekt auf die Nürnberger Akademie: Die leichten, hatte (Abb. C), den Direktauftrag zum Bau »Wohnhaus Bonn« längst das Entwurfssta- »schwebenden«, filigranen Bauten mit offe- des Wohn- und Empfangsgebäudes des dium verlassen und befand sich mitten in nen Räumen und fließenden Übergängen Bundeskanzlers in Bonn (Abb. A, B). In das der Ausführungsplanung. Erst am 15. Okto- zur Umgebung vermittelten den Besuchern , das Bundeskanzler ber 1963, am Tag von Adenauers Rücktritt, wurde Sep Ruf offiziell mit der Erstellung der Entwurfsunterlagen beauftragt. Bereits einen Tag darauf nivellierte eine Planierraupe das Gelände und wenige Tage später wurde mit den Bauarbeiten begonnen. Als erste Anga- ben zu den vom Bundesschatzministerium ermittelten Kosten in Höhe von 2,3 Millionen DM bekannt wurden, standen der »Maß­ halte-Kanzler« und sein Architekt heftig in der Kritik. Die Berichte in der Presse heizten die Diskussionen an und brachten dem Bau Spottbezeichnungen wie »Ludwigslust« oder »Palais Schaumbad« ein. Ruf erarbei- tete daraufhin eine reduzierte Planung für ­eine Bausumme von 1,85 Millionen DM. Die Endabrechnung belegte dann sogar eine Einsparung von 19 000 DM. Am 5. Mai 1964 wurde unter Ausschluss der Presse das Richtfest gefeiert und nach nur einem Jahr Bauzeit erfolgte am 12. Novem- ber 1964 die Schlüsselübergabe an Ludwig Erhard. Dessen Identifikation mit der Archi- tektur war so stark, dass er bei der Eröff- nung erklärte: »Sie lernen mich besser ken- nen, wenn Sie dieses Haus ansehen, als et- wa, wenn Sie mich eine politische Rede hal- ten sehen.« In Entsprechung zu den beiden Funktionen »Wohnen« und »Begegnen« gliedert sich das Gebäude in zwei quadratische, gegen- einander versetzt angeordnete, eingeschos- sige Atriumbauten von 20 und 24 Metern Seitenlänge (Abb. B). Der kleinere, niedri­ D gere, weitgehend mit Klinkermauerwerk 568 50 Jahre Kanzlerbungalow – Eine Ikone der deutschen Nachkriegsarchitektur 2014 ¥ 6 ∂

E Kanzlerbungalow mit Blick zum Rhein F Ludwig Erhard in seinem Arbeitszimmer G Esszimmer und Kamindiele mit versenkbarer Wand im Originalzustand der Ära Erhard 1964 H Werkpläne Sep Ruf (s. S. 570/71)

E Chancellor’s Bungalow with view to the Rhine F Ludwig Erhard in his study G Dining room and fireplace niche, with wall panel that slides into pocket beneath it, in its original state during the Erhard era, 1964 H Construction documents, Sep Ruf (see pp. 570/71)

E F

­geschlossene Baukörper enthält die Privat- »Thermopane«-Isolierverglasung ist ein frü- mit seinem Flachdach, sichtbaren Stahlstüt- räume des Bundeskanzlers, die auf einen hes Beispiel dieser Konstruktionsweise. zen, weiten Öffnungen ohne Sturz, versenk- Innenhof mit Schwimmbecken ausgerichtet Durch die abgehängte Deckenverkleidung baren Trennwänden und Einbauschränken sind. Im Gegensatz zum introvertierten mit Holzriemen aus brasilianischer Kiefer eine nicht zu unterschätzende Rolle. Wohnbereich öffnet sich der größere und und den ringsherum schwellenlosen Zu- Der Bungalow (vom indischen »bangla«), ur- höhere Pavillon, der Empfängen und Be- gang zum Haus erscheint die Fassade rah- sprünglich ein mit einfachen Materialien er- sprechungen vorbehalten war, mit ge- menlos. Ruf entwarf auch einen großen Teil richtetes Landhaus, knüpft an die Bauform schosshohen, verschiebbaren Glaswänden der Inneneinrichtung selbst und stattete den der Hofhäuser an, die Ludwig Mies van der zum Park. Die fließend angelegten Raumfol- Bungalow mit edlen Materialien wie Traver- Rohe und Ludwig Hilberseimer am gen ließen sich durch Versenk- und Schie- tinböden und Palisanderwänden sowie mit vielfach behandelt und bei Bauausstellun- bewände verschiedenen gesellschaftlichen klassisch modernem Mobiliar aus der Her- gen gezeigt hatten. Die dann auch in den Anlässen anpassen (Abb. G). man Miller-Collection aus. Auf Anregung USA verbreiteten kompakten Atriumhäuser Für den Bau wählte Ruf eine Stahlkonstrukti- des Architekten wurden im Park – wie beim waren zum einen hinsichtlich Erschließung on, da sich eine Montage am besten für ei- Pavillon in Brüssel – die Skulpturen »Mater- und Umgang mit Grund und Boden beson- ne schnelle Fertigung eignete. Zusammen nitas« von Fritz Koenig und der »Figuren- ders ökonomisch und boten zum anderen in- mit dem Tragwerksplaner Georg Lewenton, baum« von Bernhard Heiliger aufgestellt. dividuelle Gestaltungsmöglichkeiten. In den der schon bei der Planung der Brüsseler Die »Drei Stelen« und der »Rundling« von 1950er-Jahren wurde der eingeschossige Pavillons beteiligt war, wurde das Tragwerk Paul Dierkes vervollständigen das Ensemble Bautyp zum Sinnbild für einen modernen Le- entwickelt: Auf einem Untergeschoss aus (Abb. K). bensstil und zur Wohnform der aufstreben- Stahlbeton erheben sich filigrane Stahlstüt- Obwohl Erhards äußere Erscheinung eine den Mittelklasse. Der Bungalow vermittelte zen, die eine zwei Meter weit auskragende eher bürgerlich-konservative Haltung hätte nicht nur das Gegenbild zur heimattümeln- Dachkonstruktion tragen (Abb. H). Die vermuten lassen, förderte er mit großer den Blut- und Boden-Ideolologie, sondern schwebende Wirkung des Daches wird ­Konsequenz und wie bislang kein anderer entsprach ganz der politischen Westbindung durch eine matt schwarz gestrichene umlau- deutscher Regierungschef moderne Archi- der Bundesrepublik. Auch Ruf hatte unter fende Verblendung aus Stahlblech unter- tektur. Auf dem langen Weg zu einer allmähli- anderem mit dem Atriumhaus für Wilhelm stützt. Die transparente Außenhaut mit Alu- chen Akzeptanz moderner Wohnformen in Helwig im hessischen Treysa (1958) den miniumrahmen, Hebeschiebetüren und Deutschland spielte der Bonner Bungalow Typus­ weitergeführt. Der Kanzlerbungalow stand mit seiner ele- ganten modernen Erscheinung und dem Verzicht auf jegliches Pathos auch für eine neue, demokratische Form der Repräsenta- tion. Die Idee fließender Räume basierte auf dem von für das Deutsche Reich auf der Weltausstellung 1929 in Barcelona errichteten Ausstellungs- pavillon, der im Rückblick die Weimarer ­Republik repräsentierte. Dessen offenes Raumkonzept diente nun als architektoni- sche Anknüpfung an die erste Demokratie in Deutschland und als Leitbild für die Bonner Demokratie. Der Bungalow setzte sich von den herkömmlichen architektonischen For- men und der damit verbundenen Pflege ei- nes Staatszeremoniells ab und ist bis heute eine der ganz wenigen in moderner For- mensprache errichteten politischen Resi- denzen weltweit. Vielen Kritikern erschienen die modernen Formen jedoch als nicht angemessen, G der Bungalow wurde zum Politikum und

572 50 Jahre Kanzlerbungalow – Eine Ikone der deutschen Nachkriegsarchitektur 2014 ¥ 6 ∂

Irene Meissner ist Architektin und wissenschaftliche I – L Kanzlerbungalow 2011 nach der Generalsanie- Mitarbeiterin am Architekturmuseum der TU Mün- rung chen. 2012 hat sie über Sep Ruf promoviert. I Stahlkonstruktion mit abgenommenen Decken­ Dem Beitrag liegt die Publikation »Irene Meissner, paneelen während der Restaurierung Sep Ruf 1908–1982, Berlin 2012« zugrunde; der K Transparenz: Blick von der Vorfahrt durchs Foyer ­Abschnitt über die Instandsetzung des Kanzler­ bis ins Atrium bungalows basiert auf einem von Berthold Burkhardt L Wohnzimmer mit Möblierung der Ära Erhard, im November 2010 gehaltenen Vortrag an der TU Esszimmer mit Möblierung der Ära Kohl mit run- München. dem Esstisch und der verspiegelten Deckenbe- leuchtung Irene Meissner, architect and research associate at TU ’s “Architekturmuseum”. She completed her dis- I – L Chancellor’s Bungalow 2011 after the refurbish- sertation on Sep Ruf in 2012. ment This article is extracted from her publication: Sep Ruf I Ceiling panels removed during restoration revealing 1908 –1982 (Berlin 2012); the segment on the refur- steel structure bishment of the Chancellor’s Bungalow is based on a K Transparency: view from the driveway, through the lecture held by Berthold Burkhardt in November 2010 at foyer, to the atrium the TU Munich. L Living room with furnishings from the Erhard era; dining room with furnishings from the Kohl era: 1 Adolf Arndt, Demokratie als Bauherr, Berlin 1960 round table and mirrored luminaire I

­ent­fachte eine Diskussion über moderne Ar- che Zustand teilweise wieder hergestellt. den Travertinplatten verlegte noch intakte chitektur und Staatsrepräsentation, wie sie bewohnte dann 16 Jahre den Fußbodenheizung. Die Aluminiumprofile oh- in Deutschland seit dem Bau des Reichs- Bungalow. Um Erhards Kanzlerbungalow ne thermische Trennung der mit »Thermopa- tags nicht mehr geführt worden war. nach seinem Geschmack »gemütlicher« zu ne« verglasten Schiebefenster und festste- Nicht zuletzt die Identifikation Erhards mit gestalten, ließ er Orientteppiche, Sesselgar- henden Flügel wurden belassen und nicht »seinem« modernen Kanzlerbungalow führ- nituren und Gardinen anschaffen und im aus energetischen Gründen verbessert. Die te zu vielfach nur politisch motivierten Kon- Speisezimmer eine opulente Deckenbe- den Innenbereich mit den Vordächern ver- troversen um den Bau, die dann aber den leuchtung anbringen. Als sein Nachfolger im bindende Holzlamellendecke musste restau- Architekten trafen. Als Erhard sein Amt an Amt, Gerhard Schröder, den repräsentati- ratorisch aufgearbeitet werden. Kurt Georg Kiesinger abgeben musste, ven Teil gelegentlich für Arbeitsgespräche Eine besondere Herausforderung lag im nutzte Altbundeskanzler Konrad Adenauer, nutzte, musste Kohl den Bungalow fast Umgang mit den baulichen Veränderungen der seinerseits hatte Erhard weichen müs- zwangsweise räumen. durch die wechselnden Bundeskanzler. Es sen, die Gelegenheit, um durch Sottisen ge- bestand Einvernehmen, wesentliche Berei- gen den Bau den gehassten Parteifreund Instandsetzung 2006 – 2009 che der Architektur auf den ursprünglichen zu treffen. Auf seiner Geburtstagsfeier be- Der seit dem Regierungsumzug 1999 nach Originalzustand von 1964 zurückzuführen, dauerte Adenauer Kiesinger, dass er nun in Berlin leerstehende Kanzlerbungalow wurde doch wurden auch den Eingriffen während den Bungalow einziehen müsse und läster- 2001 unter Denkmalschutz gestellt. 2005 der Amtszeit von Helmut Kohl wie auch der te: »Ich fürchte, der brennt nicht mal, da nahm die Wüstenrot Stiftung das Gebäude in Umgestaltung unter Kurt Georg Kiesinger kann kein Mensch drin wohnen. [...] ich weiß ihr Denkmalprogramm für die Erhaltung her- eine zeitgeschichtliche Bedeutung beige- nicht, welcher Architekt den Bungalow ge- ausragender Bauten der Moderne auf und messen: Speisezimmer und Kamindiele mit baut hat, aber der verdient zehn Jahre.« nach einer 2006 erfolgreich durchgeführten den raumprägenden Deckenleuchten und Die nun folgenden Auseinandersetzungen Machbarkeitsstudie begann 2007 die bauli- den Möbeln aus der Ära Kohl blieben des- über den Geschmack und die Geschmack- che Instandsetzung durch die Architekten halb belassen. Empfangsraum und Musik- losigkeit von Politikern wurde weitgehend Burkhardt + Schumacher, Braunschweig. zimmer wurden in den Zustand von 1964 auf dem Rücken Rufs ausgetragen, der wie Nach über vierzig Jahren gaben die seiner- zurück­versetzt und die hydraulische Ver- kein anderer deutscher Architekt in persönli- zeit eingesetzten Materialien keinen erkenn- senkwand reaktiviert sowie die bauzeitliche che Diffamierungskampagnen hineingezo- baren Anlass für eine durchgreifende Erneu- Beleuchtung mit Downlights und frei im gen wurde. Der Deutsche Werkbund und erung, sodass Reparaturen und Erhaltungs- Raum aufgestellten textilen Stehleuchten viele Kollegen bezogen daraufhin für Ruf maßnahmen im Hinblick auf eine denkmal- wiederhergestellt (Abb. L). Die Räumlichkei- Stellung. Walter Rossow und verträgliche und bautechnische Instandset- ten im privaten Gebäudeteil blieben unver- sahen eine Architektur bedroht, die zwar im zung von den Architekten durchgeführt wer- ändert, das Schwimmbad wurde stillgelegt. Ausland allgemeine Anerkennung fände, den konnte. Aufgrund der geringen Schä- Im Außenbereich musste der Terrassenbe- aber in Deutschland verhöhnt und lächerlich den, wie altersbedingte Verschleißerschei- lag und die Markisen instandgesetzt wer- gemacht würde. nungen, wurde für die Sanierung der Stand den. Die 1977 während des »Deutschen Die weitere Geschichte des Umgangs mit der Bautechnologie der 1960er-Jahre als Herbstes« auf der Rheinseite errichtete dem Kanzlerbungalow ist auch ein Spiegel baukonstruktiv schützens- und denkmalpfle- Schutzwand aus Panzerglas blieb als zeit- der ästhetischen Befindlichkeit der Kanzler gerisch erhaltenswert zugrunde gelegt. geschichtliches Dokument erhalten, wäh- der Bundesrepublik. Kurt Georg Kiesinger Die 40 Millimeter dicke Korkisolierung des rend die 1991 zusätzlich ergänzten Schutz- ließ das Haus durch die Stuttgarter Innenar- Warmdaches konnte durch 100 mm Styropor scheiben rückgebaut wurden, um eine chitektin Herta-Maria Witzemann umbauen. verbessert werden, ohne die Höhe des um- durchgängige Beziehung zwischen Innen- Sie gestaltete das Speisezimmer zum laufenden Stahlbandes an der Traufe zu be- und Außenraum wiederherzustellen. Wohnraum um, ließ die Herman-Miller-Möbel einträchtigen. Trennbänder zwischen den Der Verzicht auf pompöse Selbstdarstellung entfernen und erweiterte die einstige Ess- Stahlblechen und ihren Halterungen wurden und die weltoffene Haltung machen den diele durch Abbruch der Trennwand um das eingefügt, um die beginnende und teilweise Kanzlerbungalow zu einer Ikone der deut- benachbarte Gästezimmer. Die mit Holz ver- fortgeschrittene Kontaktkorrosion zukünftig schen Nachkriegsarchitektur. Wenn sich am täfelten Wände wurden weiß gestrichen und zu vermeiden. Eine Überholung der Gebäu- 12. November 2014 zum 50. Mal die Eröff- die unverkleideten Stahlstützen tapeziert. detechnik war unumgänglich, die Heiz- und nung jährt, kann der Bau auch an die Forde- ließ davon einiges wieder ent- Lüftungsanlage wurde vollständig erneuert rung Adolf Arndts erinnern, dass »das Bau- fernen, bezog aber den Bau nicht, und erst sowie die Elektroinstallation überprüft. Die en in der Demokratie andersartig sein unter wurde der ursprüngli- neue Lüftungsanlage unterstützt die unter muss«.1 ∂ 2014 ¥ 6 La Biennale di Venezia 2014 573

K

The most renowned building designed by Sep ly regained his footing after the war; his body larger pavilion (24 ≈ 24 m), where receptions Ruf (1908 –1982) is the “Chancellor’s Bunga- of work grew parallel to the economy, each are held, is more strongly oriented to the park. low” in Bonn, which from 1964 until 1999 ­design a carefully calibrated response to the Because speedy construction was required, served as the official residence of the German physical and historical setting. By the mid- Ruf chose steel as structural material. He and chancellor. When the seat of the federal gov- 1950s, the commissions had gained promi- engineer Georg Lewenton developed the ernment was moved to Berlin, the building nence. The pavilions of the Expo structural concept – with a reinforced con- disappeared from the public eye. However, in (1958), the first post-war Expo Germany was crete basement supporting delicate steel col- 2009, following a three-year refurbishment, allowed to participate in, were designed by umns and a cantilevering roof – together. this important link to the history of post-war Egon Eiermann and Sep Ruf: the transparent, In the 1950s, single-storey courtyard houses Germany was opened to visitors. And this, in airy structures signified Germany’s transforma- came to be associated with a modern lifestyle turn, aroused renewed interest in Sep Ruf and tion. In 1937, Albert Speer’s monumental pavil- for the up-and-coming middle class – in his oeuvre. Germany’s contribution to this ion had represented the country. ­Germany this typology is named “bungalow” year’s Venice Biennale – the theme of the In 1963, Ruf was commissioned by Vice (from the Hindi “bangla”, meaning “belonging ­national pavilions is “Absorbing Modernity Chancellor Ludwig Erhard to design a building to Bengal”). Ruf’s design was inspired by the 1914–2014” – focuses on the Chancellor’s in which the next chancellor – by all indica- courtyard houses of Mies van der Rohe and Bungalow as the epitome of the country’s tions, Erhard – would live and hold receptions Ludwig Hilbersheimer; these had been exhib- . (ills. A, B). A site was selected facing the ited internationally. It was not only the antithe- Ruf studied architecture in Munich. He founded Rhine on the grounds of Schaumburg Palace, sis to the “blood and soil” ideology, but also his office during a major economic depression, at the time the chancellor’s place of residence correlated with the Federal Republic’s political yet, despite the prevalence of reactionary forc- (ill. E). Corresponding to the dual function, it is ties to the West. The spatial concept – unhin- es, was able to establish himself as a modern arranged in two separate single-storey pavil- dered flow of space – harked back to Germa- architect. His early designs – lofty spaces ori- ions, each square in plan (ill. B). In the smaller ny’s first democracy: Mies’s Barcelona Pavil- ented to the sun and nestled in the landscape one (20 ≈ 20 m), which contains the private ion, the ground-breaking predecessor, was – have a close relationship to nature. He quick- living quarters, brick walls provide privacy. The finished in 1929, during the Weimar Republic.

L