Impressum Schriftenreihe Aus dem Nationalpark - Band 2 Nationalpark Harz, Lindenallee 35, 38855 Wernigerode Tel. 0 39 43 / 55 02 - 0, Fax 0 39 43 / 55 02 - 37 www.nationalpark-harz.de TUN und LASSEN im Naturschutz

Titelbild: D. Hoffmeister Druck: GCC Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co KG, Calbe 2008 TUN und LASSEN im Naturschutz

Tagungsbericht zur 7. wissenschaftlichen Tagung im Nationalpark Harz

Herausgegeben von der

Nationalparkverwaltung Harz

Schriftenreihe aus dem Nationalpark Harz

Band 2 Zitiervorschlag: Nationalparkverwaltung Harz (2008) (Hrsg.): Tun und Lassen im Naturschutz. Tagungsbericht zur 7. wissenschaftlichen Tagung im Nationalpark Harz. Schriftenreihe aus dem Nationalpark Harz, Band 2. 119 Seiten.

Tagungsbericht zur 7. wissenschaftlichen Tagung im Nationalpark Harz anlässlich des 65. Geburtstages von Dr. Uwe Wegener 14. - 15. September 2006 in Ilsenburg

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Impressum Nationalparkverwaltung Harz Lindenallee 35 38855 Wernigerode www.nationalpark-harz.de

Gestaltung: Nationalpark Harz, Dr. A. Kirzinger, I. Nörenberg Titelfoto: D. Hoffmeister Druck: GCC Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG, Calbe

1. Auflage 2008 Inhalt | 3

Inhalt

Seite

Grußwort der Stadt Ilsenburg 5

Grußwort des Landkreises Wernigerode 6

Grußwort des Wissenschaftlichen Beirates des Nationalparks Harz 7

Hans-Ulrich Kison, Wernigerode 9 Es kommt nicht darauf an, Naturschützer zu sein, sondern Natur zu schützen Laudatio zum 65. Geburtstag von Dr. Uwe Wegener

Michael Succow, Greifswald 15 Tun und Lassen – Naturschutz in Zeiten menschlich bedingten Klimawandels

Andreas Pusch, Wernigerode 19 Waldentwicklung im Nationalpark Harz

Dietrich Hertel & Christoph Leuschner, Göttingen 23 Konkurrenz zwischen Waldbäumen – Interaktionsmechanismen im Kronen- und Wurzelraum unter besonderer Berücksichtigung der Buche

Michael Petrak, Bonn 29 Nationalparke als Teillebensräume für große Wildtiere am Beispiel des Rotwildes

Hans-Jürgen Beug, Göttingen 40 Die Moore des Harzes, ihre Bedeutung für Wissenschaft und Naturschutz

Sabine Bernsdorf & Nadine Böhlmann, Halle 45 Einfluss atmosphärischer N-Einträge auf die Entwicklung der Moore im Hochharz

Kathrin Baumann, Bad Harzburg 52 Vegetationsdynamik soligener Hangmoore im Hochharz

Gunter Karste, Wernigerode 63 Pflanzensoziologische und vegetationsökologische Arbeiten im Nationalpark Harz

Peter Sacher, Wernigerode 68 Zur zoologischen Forschung im Nationalpark Hochharz

Bernd Nicolai, Michael Hellmann & Egbert Günther, Halberstadt 73 Grundlagen und Probleme beim Artenschutz am Beispiel Rotmilan

Horst Kurth, 80 Naturschutz und Nachhaltigkeit – das eine wichtiges Ziel, das andere unerlässliches Handlungsprinzip zukunftsfähiger Waldwirtschaft 4 | Inhalt

Seite

Joachim Müller, Magdeburg 98 Angewandte Forschung als Grundlage für nachhaltigen Naturschutz

Uwe Wegener, Wernigerode 101 12 Thesen zum Tun und Lassen im Naturschutz

Publikationsübersicht Dr. Uwe Wegener 107

Dank 116

Bilder der Tagung 117 GruSSworte | 5

Grußwort der Stadt Ilsenburg

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Pusch, sehr geehrter Herr Dr. Wegener, ich möchte Sie herzlich zu Ihrer Tagung die Forstwirtschaft, und noch heute gilt Ich danke Herrn Dr. Wegener für seine mit dem Thema „Tun und Lassen im Na- dieser Gedanke für alle Bereiche unseres Bemühungen zur Erhaltung des Natur- turschutz“ in unserer Stadt begrüßen. Lebens. Das Gebäude dieser sogenannten raums um Ilsenburg und für die immer Wir freuen uns, dass diese interessante „Zanthier-Akademie“ steht nur wenige gute sachliche und fachliche Zusammen- Veranstaltung gerade hier in Ilsenburg, Meter von unserem Tagungsort entfernt arbeit. dem ersten Nationalparkort im seinerzei- und soll in naher Zukunft wieder seinem tigen Nationalpark Hochharz, stattfindet. ursprünglichen Zweck, der Einrichtung Ich wünsche Ihnen, Herr Dr. Wegener, einer Schule der Nachhaltigkeit, zuge- für die Zukunft alles Gute! Die Stadt Ilsenburg und deren Bewohner führt werden. Mit Ihrer Tagung unter- standen schon seit jeher im Spannungs- stützen Sie indirekt unser Vorhaben. Heide Senne feld zwischen Tun und Lassen mit ihrem Stellvertretende Bürgermeisterin natürlichen Umfeld. Nicht ohne Grund Einen weiteren Punkt möchte ich noch wurde hier die erste Forstakademie der ansprechen: Herr Dr. Wegener wird Welt gegründet, weil man es mit dem heute in den wohlverdienten Ruhestand „Tun“ auf Grund der sich hier angesie- verabschiedet. Diese Tagung ist ein delten Eisenindustrie wohl etwas über- würdiger Rahmen, um sein Lebenswerk, trieben hatte. Hier musste im Interesse seinen Einsatz und sein persönliches der Natur gegengesteuert werden. Forst- Engagement für den Naturschutz in leute wie Hans Dietrich von Zanthier er- Sachsen-Anhalt zu würdigen. arbeiteten ein Nachhaltigkeitsprinzip für 6 | gruSSworte

Grußwort des Landkreises Wernigerode

Herr Dr. Wegener ist der eigentliche schutz hat Dr. Wegener verfasst, darunter Darüberhinaus findet sich sein Wirken Gründungsvater des Nationalparks in auch das Fachbuch „Naturschutz in der in einer Reihe von Behandlungsricht- Sachsen-Anhalt. Sein maßgebliches Ver- Kulturlandschaft“. Als wissenschaftlicher linien für Naturschutzgebiete (NSG) dienst ist es, dass der Nationalpark über- Mitarbeiter war Herr Dr. Wegener an der und Vorschlägen zu NSG- oder FND- haupt entstand, er gehörte zu der Gruppe, Universität Halle/Wittenberg tätig und Ausweisungen. die das Nationalparkprogramm der DDR arbeitete ab 1974 ebenfalls als wissen- initiiert und in die Tat umgesetzt haben. schaftlicher Mitarbeiter beim Institut für Aufgrund seiner langjährigen haupt- und Sein Bemühen galt stets der Schaffung Landschaftsforschung und Naturschutz ehrenamtlichen Tätigkeit im Naturschutz eines länderübergreifenden Nationalparks und ab 1981 im Staatlichen Forstwirt- und seines hohen fachlichen Wissens ist und der intensiven, Grenzen überwin- schaftsbetrieb Wernigerode/Blankenburg. Herr Dr. Wegener über den Harz hinaus denden Zusammenarbeit. Dieses Engage- eine allgemein bekannte und geschätzte ment wurde auch ausdrücklich während Im Staatlichen Forstamt gelang es Dr. Persönlichkeit. des Empfangs zu seinem 65. Geburtstag Wegener als völlig neue Aufgabe den Na- durch Herrn Pusch gewürdigt. turschutz und die Öffentlichkeitsarbeit Seit 1989 ist er wissenschaftlicher Leiter zu etablieren. Er betreute die 22 Natur- des Nationalparks. Herr Dr. Wegener ist ehrenamtlich sehr schutzgebiete im Forstamt sowie eine gro- aktiv, weit über seine hauptamtliche ße Anzahl von Flächendenkmalen und er Im Auftrag des Landrates als auch in mei- Naturschutzarbeit hinaus und hat seine schaffte es, dass gerade in der DDR nicht nem eigenen Namen und dem des Um- Freizeit in den Dienst der Harzregion forsttypische Arbeit als „Konsumgüter- weltamtes des Landkreises bedanken wir und ihrer Natur gestellt. produktion“ anerkannt wurde. Dadurch uns recht herzlich bei Herrn Dr. Wegener standen immer ausreichende Mittel für für sein Engagement zur nachhaltigen Schon 1955 bis 1960 engagierte er sich den Naturschutz im Harz zur Verfügung. Entwicklung von Natur und Landschaft als Naturschutzhelfer im damaligen Kreis und unserer Umwelt. Halberstadt. Seit Mitte der 1990-er Jahre Besonders zu würdigen ist Dr. Wegeners ist Herr Dr. Wegener stellvertretender zentrales Anliegen, die naturkundliche Selbst wenn Herr Dr. Wegener offiziell Vorsitzender des Naturschutzbeirates Heimatforschung mit dem praktischen aus dem Arbeitsleben ausscheidet, gehe im Landkreis Wernigerode und Natur- Ansatz des Naturschutzes zu verbinden. ich davon aus, dass er sich auch weiterhin schutzbeauftragter im Landkreis Hal- Dies zeigt sich in zahlreichen ehrenamtli- für den Nationalpark und den Natur- berstadt. Er ist Mitbegründer des Land- chen Aktivitäten: schutz einsetzen wird. Wir wünschen schaftspflegeverbandes Harz e.V., Mit- - Anleitung von Naturschutzhelfern Herrn Dr. Wegener für die Zukunft alles glied im Botanischen Arbeitskreis (früher - Organisation praktischer Naturschutz- Gute, vor allem Gesundheit. Floristischer Arbeitskreis Nordharz und einsätze Vorland), im Arbeitskreis Heimische Or- - Bündelung der Kräfte aller für den Wofgang Ahrend chideen und einer der Aktivposten im an- Naturschutz eintretender Verbände, Stellvertretender Landrat erkannten Naturschutzverband „Bund für Vereine und Organisationen, insbeson- Natur und Umwelt Sachsen-Anhalt e.V.“ dere in den Kreisen Wernigerode und Über 150 Veröffentlichungen zum Natur- Halberstadt. GruSSworte | 7

Grußwort des Wissenschaftlichen Beirates des Nationalparks Harz

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Gäste, verehrter Herr Dr. Wegener, lieber Uwe, ich darf Sie hier und heute im Namen Uwe Wegener unterstreicht die Bedeu- Grundlage sehen. Ohne sie sind weder die des Wissenschaftlichen Beirates herzlich tung der natürlichen Dynamik nicht nur Inventarisierung, auch im zoologischen zu unserer Tagung „Tun und Lassen im im Nationalpark, sondern auch in der Bereich, noch ein umfassendes Monitoring Naturschutz“ begrüßen. Die Essenz der mitteleuropäischen Kulturlandschaft, möglich“. Wissenschaft ist und bleibt die Kommu- der eine Schlüsselrolle für den Erhalt nikation zwischen kompetenten Leuten. der Arten zukommt. Hierbei betont er, Seine Einsicht, Gast in den dass Nachhaltigkeit im jeweiligen Kon- Lebensräumen zu sein, drückt Respekt Der griechische Geschichtsschreiber, text zu sehen ist und Nachhaltigkeit aus vor der Natur aus. „Allerdings sind Unter- Biograph und Philosoph Plutarch (45 – forstlicher Sicht nicht automatisch auch suchungen immer mit Eingriffen verbunden, 125 n. Chr.) aus Chaironeia stellte schon Nachhaltigkeit aus ökologischer Sicht mit der Kennzeichnung und Begehung des fest „... wer den Wissenschaften dienen will, bedeutet. Gebietes. Natur Natur sein lassen, bedeutet der bedarf der Ruhe und Stille. Fürstengunst auch für den Wissenschaftler, sich als Gast und Staatsämter aber lassen sich nur in der Solide wissenschaftliche Arbeit muss auf im Gebiet zu bewegen, die Begehungen und Unruhe der Geschäfte erwerben ...“. Uwe einer profunden Erfassung der Basisdaten den apparativen Aufwand auf ein Mini- Wegener hat sich in dem Spannungsdrei- aufbauen: Biomonitoring und Analyse der mum zu beschränken und auf Untersuchun- eck zwischen Politik, Verwaltung und Ökosysteme sowie Sukzessionsforschung gen, welche die Wasser-, Moor- oder Boden- Wissenschaft immer am strategischen sind ohne Inventarisierung und eine qualität schädigen, ganz zu verzichten.“ Ziel des Naturschutzes, der Erhaltung kartographische Erfassung nicht möglich, der Arten und Lebensräume, orientiert. wie Uwe Wegener dies im Wissenschafts- Zoologische und botanische Forschungen Mit der Orientierung an der Wissen- gebäude für den Nationalpark Harz im Dienste des Naturschutzes werden schaft hat er sich ein Stück Jugendlichkeit präzisiert. uns die Bedeutung des Nationalparks bewahrt. Harz für die Forschung, das Verständ- Die Leitthemen der Tagung: nis der Kulturlandschaft und die Wis- Die hierin sichtbar werdende Uneigen- - der Nationalpark Harz, senschaft nahe bringen, aber auch die nützigkeit, die Wissenschaft als Grundla- - zoologische und botanische Forschun- Bedeutung einer Wissenschaft für den ge und die Fähigkeit, seine Mitmenschen gen im Dienste des Naturschutzes und Nationalpark. zu gewinnen, zu begleiten und mitzuneh- - Nachhaltigkeit und Naturschutz men, spiegelt sich auch im „Naturschutz reflektieren die wissenschaftliche und Nachhaltigkeit im Naturschutz reicht in der Kulturlandschaft“ wider. berufliche Arbeit von Uwe Wegener. über den Nationalpark hinaus.

Ich zitiere: „Das strategische Ziel des Natur- „Nationalparks sind die Schatzkästchen Die Tagung heute zeigt, und hierin liegt schutzes umfasst nach wie vor die Erhaltung eines Landes und die Wissenschaft trägt auch eine Klammer zum Wirken des der Arten – und vor allem die Mannigfal- ganz erheblich dazu bei, diese Schätze zu Jubilars, dass erfolgreicher Naturschutz in tigkeit der Organismen ... etwa 70 % der heben, sie emotional und physisch nutzbar der Kulturlandschaft das Zusammenwir- Arten müssen außerhalb der Reservate zu machen, sie aber gleichzeitig vor der Ver- ken von Wissenschaft, Verwaltung und in der nicht geschützten Kulturlandschaft nutzung zu bewahren...“. „Die geobotanische gesellschaftlichem Engagement, d.h. die erhalten werden ... “ Forschung möchte ich dabei als wichtigste Verbände erfordert. 8 | gruSSworte

Der Erhalt der Mannigfaltigkeit von Lebensräumen und Arten erfordert die Akzeptanz der Gesellschaft. Hier ist die Vermittlung in einem Umfeld, das immer mehr von den Grundlagen des Lebens wegführt, entscheidend für den langfristi- gen Erfolg.

Im Namen des gesamten Wissenschaftli- chen Beirates möchte ich Uwe Wegener für seine Begleitung und sein Wirken, das ich auch persönlich seit der 1. Sitzung des gemeinsamen Wissenschaftlichen Beirates im Jahr 1995 immer als Gewinn erlebt habe, danken.

Uns allen wünsche ich eine aufschluss- reiche und gewinnende Tagung, die die wissenschaftlichen Grundlagen, die ge- sellschaftliche Rahmenbedingungen und praktische Anschauung vermittelt.

Uwe Wegener hat sich dem Naturschutz gewidmet, wobei für ihn nicht das Etikett entscheidend war und ist, sondern das, was tatsächlich geschieht, getreu dem Leitsatz aus der Philosophie der Antike: „Nicht die Philosophie ist wichtig, sondern philosophisch zu leben.“ So will ich das Wort gerne an Herrn Dr. Hans-Ulrich Kison zu seiner Laudatio übergeben.

Dr. Michael Petrak Vorsitzender Laudatio | 9

Dr. Hans-Ulrich Kison, Wernigerode Es kommt nicht darauf an, Naturschützer zu sein, sondern Natur zu schützen. Laudatio zum 65. Geburtstag von Dr. Uwe Wegener

Am 10. August 2006 beging Dr. Uwe dem Arbeitsgerät in der Hand bei der eigentlich immer die Menschen sind und Wegener seinen 65. Geburtstag und praktischen Naturschutzarbeit zu sehen. was sie denken und tun. So gesehen, wechselte zum Ende des Monats in den Das ist ganz im Sinne des „Tuns“ unse- waren diese Jahre in Halberstadt gute wohlverdienten Ruhestand. Dass dies nur res Tagungsmottos, das übrigens einer Jahre. Im Halberstädter Umfeld waren ein „aktiver“ Ruhestand werden kann, wichtigen Publikation von Uwe Wegener insbesondere die Kontakte zu den Hei- steht für alle, die ihn kennen, ganz außer entnommen ist, die Sie in den Tagungs- matforschern wie Otto Müller, Friedrich Frage. mappen finden (Nationalpark, Heft Mertens, Margarete Müller und Prof. Dr. 1/1995, S. 22-25). Hans-Joachim Müller von Bedeutung. Sie Ich habe die große Freude, aus diesem An- gaben Orientierung und Anleitung bei lass eine Laudatio auszubringen. Grundla- Uwe Wegener wurde 1941 in Halber- der Beschäftigung mit der Ornithologie ge dafür bieten fast 15 Jahre gemeinsamer stadt geboren. Hier verlebte er seine und Botanik sowie für den Schutz der Arbeit im Nationalpark und gut die Kindheit und Jugend und erhielt von Natur. Die traditionsreiche Halberstädter doppelte Zeit persönlicher Bekanntschaft 1948 bis 1960 die Schulbildung. Unzwei- Ornithologie, insbesondere das Museum auf dem Felde der Botanik. felhaft hat der Literat Rolf Hochhuth Heineanum mit seinem Leiter Kuno Recht, wenn er bemerkte, dass die Zeiten Handtke, später Helmut König und Ich habe als Überschrift einen Ausspruch entlehnt und frei abgewandelt, der im Original der doppelbödigen Denkungsart von Bertold Brecht zugeschrieben wird: Es kommt nicht darauf an, Naturschützer zu sein, sondern Natur zu schützen. Dies scheint mir dem Jubilar auf den Leib ge- schneidert. Durch sein gesamtes berufli- ches und große Teile des privaten Lebens zieht sich der Naturschutz gleich einem roten Faden. Egal, aus welcher Position, an welcher Stelle seines Wirkens, egal unter welchen äußeren Bedingungen und ungeachtet aller geäußerten Bedenken und Vorbehalte war für ihn stets wichtig, etwas für die Natur, für die Erhaltung oder die Pflege ihrer Lebensräume und nicht zuletzt für die Zusammenführung aller Kräfte in der Naturschutzarbeit zu tun. Etikette spielte dabei überhaupt kei- ne Rolle. So wundert es auch überhaupt nicht, ihn gleichermaßen an verantwort- Abb. 1: Dr. Uwe Wegener, Prof. em. Dr. Michael Succow, Andreas Pusch und Dr. Hans-Ulrich Kison (v.r.) licher Position am Schreibtisch wie mit anläss­lich der Tagung „Tun und Lassen im Naturschutz“ in Ilsenburg (Foto: F. Steingaß) 10 | Laudatio

Bernd Nicolai, bot den Einstieg, wie bei Zeit (1974) die Leitung des ILN über- 1976 wechselte er als wissenschaftlicher manchem seiner Weggefährten aus diesen nommen hatte, mit der Wissenschafts­ Mitarbeiter zur Zweigstelle Potsdam Tagen übrigens auch. Zum Beispiel sind organisation und Betreuung der internati- des ILN, beauftragt mit Gewässer- und seine ersten quantitativen Beobachtungen onalen Zusammenarbeit im Naturschutz Moorforschung und mit Naturschutzauf- an der Nordharzer Population des Roten beauftragt war. gaben in den Bezirken Potsdam, Frank- Milan heute wichtiger Bezugspunkt, und furt/Oder, Cottbus und in Ostberlin. dies in einer Situation, in der es dieser Mit dem Beginn der 70ger Jahre und der Prägend für ihn war hier vor allem die Art, für die wir im Nordharzvorland in Aufnahme der Tätigkeit im ILN griff Zusammenarbeit mit Dr. Karl Heinz einer besonderen Verantwortung stehen, in seiner Arbeit eine Thematik Raum, Grosser und Dr. Karl-Heinz Mansik. Für gar nicht mehr so gut geht. Wir hören die bis in die heutigen Tage bestimmend die Familie war das hingegen eine entbeh- dazu am Nachmittag noch etwas mehr geblieben ist und mit der sein Name in rungsreiche Zeit, denn seine Frau und im Beitrag von Bernd Nicolai, Michael besonderer Weise verbunden ist und beide Töchter blieben weiterhin in Hal- Hellmann und Egbert Günther. bleiben wird: die Forschung im Dienste berstadt. Mit der „Wochenendehe“ war des Naturschutzes. Der Naturschutz aber die Verbindung zum Halberstädter Schon in den Jahren 1955 bis 1960 war damals, und blieb es noch sehr Kreis und zum Harz erhalten. Gleicher- engagierte er sich als Naturschutzhelfer lange danach, eine Querschnittsaufgabe maßen aus Gründen der Familienzusam- im damaligen Kreis Halberstadt; neben verschiedenster Fachbereiche, hatte z. T. menführung wie wegen seiner inneren der erwähnten Ornithologie waren der mit seinem Selbstverständnis zu tun Bindung zu den heimatlichen Gefilden Fledermausschutz und dann zunehmend und musste in anderer als heute üblicher trat er 1981 eine Stelle im Staatlichen die Floristik seine Arbeitsschwerpunkte. Weise durchgesetzt werden. „Von der Forstwirtschaftsbetrieb Wernigerode/ Schon um 1960 ergaben sich hier Ansatz- Naturdenkmalpflege zum Prozessschutz“ Blankenburg an und war hier als „Haupt- punkte für den praktischen botanischen war das Motto einer wissenschaftlichen amtlicher Naturschutzwart für den Artenschutz. In jene Zeit fallen auch die Tagung im Nationalpark Hochharz, die Harz und das Harzvorland im Bezirk ersten Kontakte zu Alfred Bartsch, der seinem 60. Geburtstag gewidmet war. Da- Magdeburg“ beauftragt mit der Betreu- sich mit den Orchideen des Huy beschäf- mit ist symbolisch auch die Entwicklung ung von 22 Naturschutzgebieten und tigte und 1960 den „Floristischen Arbeits- angedeutet, die Uwe Wegener miterlebt diversen Flächennaturdenkmalen. Das kreis Nordharz und Vorland“ gegründet und mitgestaltet hat. Sicher war er dabei war ein Schritt, der aus heutiger Sicht nur hatte. einer von zahlreichen Akteuren, vor allem folgerichtig schien, dennoch bedeutete er in DDR-Zeiten, aber er war es, der diese Umstellung. Er gab die Position des wis- Von 1960 bis 1966 schloss sich ein Stu- Entwicklung für den Harz und insbeson- senschaftlichen Mitarbeiters an einem re- dium der Landwirtschaft an der Martin- dere dessen nördliches Vorland in die Tat nommierten Institut auf und wechselte in Luther-Universität Halle-Wittenberg umsetzte. die Praxis eines Forstbetriebes. Dort war (MLU) an. Hier waren insbesondere er zunächst ein „Fremdkörper“, manch die Professoren Könnecke, Dörter und Nach seinem Studium widmete er sich einer wird sich sogar gefragt haben, was Schmalz seine Lehrer. Die Gunst der insbesondere den Harzer Bergwiesen, man mit einem promovierten Landwirt in Nachbarschaft zum Botanischen Institut ihrer Nutzung und Erhaltung wie den einem Forstbetrieb überhaupt anfangen der Universität nutzte er für die fakul- botanischen Besonderheiten. Die sich soll. Es hieß im wahrsten Sinne des Wor- tative Fortbildung und kam so in Kon- damals deutlich abzeichnende Problema- tes sich durchzubeißen. Betätigungsfelder takt zu Prof. Dr. Hermann Meusel, Dr. tik der Trinkwassergewinnung im Harz mussten sondiert, Verbündete gefunden Ernst Gerhard Mahn, Prof. Dr. Rudolf bei gleichzeitig steigender Eutrophierung werden – mit Herrn Quitt ist einer von Schubert und Dr. Gerhard Stöcker. in den Einzugsgebieten, in besonderem diesen heute anwesend – und Freiräume Nach Abschluss des Studiums war er als Maße durch landwirtschaftliche Über- waren zu erstreiten, die für Naturschutz- wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut nutzung, war 1972 Gegenstand seiner belange genutzt werden konnten. Ab für Grünland und Meliorationswesen Dissertationsschrift. Die Bewirtschaftung 1983 bekleidete er an gleicher Stelle auch der MLU in der Außenstelle Harz tätig. von Gebirgsgrünland und Düngemittel­ die Funktion des Landeskulturbeauftrag- Es folgten die Jahre 1974 bis 1976 im einsatz waren Themen, die er bearbeitete, ten des Betriebes. Institut für Landschaftsforschung und immer verbunden mit der Integration Naturschutz der Akademie der Landwirt- von Naturschutzanliegen in die für die Mit der Rückkehr in den Harz im Jahre schaftswissenschaften (ILN) in Halle, in Erhaltung des Kulturlandes wichtigen 1981 und seinem neuen Arbeitsprofil denen er als Oberassistent unter Prof. Dr. Nutzungsrichtungen. wurden der praktische Schutz, die Pflege Hugo Weinitschke, der genau ab dieser und Erhaltung von Naturschutzflächen Laudatio | 11

Hauptinhalt seiner Tätigkeit. Keine leich- Einsatz, dass die besorgte Ehefrau Ortrud steiggarten in Thüringen auch: die klima- te Aufgabe, wenn man sich den damals ihn mitten in der Nacht von diesem Ein- tisch suboptimale Lage, die Bedingungen, starken Nutzungsdruck der intensiven satz zurückholen musste. Im Jahre 1986 die hier nicht rau genug waren, führten zu Landwirtschaft vor Augen führt. Den- wurde hier auch ein Feldflorenreservat einem dauernden Kampf gegen die Über- noch führte die „industriemäßig betriebe- eingerichtet, das bis zum Jahre 1995 unter macht der Gräser. Dennoch wurde daraus ne Landwirtschaft“ auch zum Liegenblei- tatkräftiger Mitwirkung von Udo Wolff manche wichtige Erkenntnis gewonnen, ben weniger attraktiver Flächen und zur und der Naturschutzstation Nordharz die später bei der Renaturierung der Nutzungsaufgabe. bewirtschaftet werden konnte. Brockenkuppe Bedeutung bekam.

In die etwa zehnjährige Tätigkeit an Im benachbarten NSG „Hoppelberg“ Man wird der Zeit und der Würdigung dieser Stelle fallen eine Reihe von Ereig- stand der Erhalt der wertvollen xerother- der damaligen Leistungen nicht gerecht, nissen und Entwicklungen, die wegen men Eichenmischwälder, vor allem mit wenn man hier einen Alleingang von Uwe der Fülle hier nur beispielhaft benannt dem großen Bestand des Weißen Diptam, Wegener beschriebe. Sicher hat er sich sein sollen. Es sind dies die erfolgrei- im Vordergrund. mit seinem persönlichen Einsatz in be- chen Bemühungen um die Ausweisung sonderem Maße exponiert und dabei auch des NSG „Ziegenberg bei Heimburg“ Zum Harz: Schon auf das Jahr 1975 stets Verantwortung übernommen, aber (1981) sowie die Pflege und Entwicklung gehen Überlegungen zur Schaffung eines als Einzelkämpfer musste er keineswegs der NSG im Huy – 1985 erfolgte die „Mattengartens“ an den Zeterklippen wirken. Immer wieder fallen, vor allem in Zusammenlegung der NSG „Vorberg“ zurück. Die zunehmende Entfremdung seinen eigenen Darstellungen, Namen wie und „Herrenberg“. Die Arbeiten im NSG und Devastierung der Brockenkuppe Horst Eckardt, Achim Groß und Heinz „Harslebener Berge und Steinholz“ be- durch militärische Verbauungen ließ Quitt, um hier nur stellvertretend einige gannen um 1980/81 unter seiner Leitung die Sorge um den Fortbestand der zu nennen. Mit ihnen hatte und hat er und fanden in jährlichen Einsätzen zur Flora der einzigen natürlich waldfreien außerordentlich erfahrene Naturschützer Entfernung von Gehölzaufwuchs ihre Kuppe unter den deutschen Mittelge- an seiner Seite, die sich für den Harz und Fortsetzung. Es gelang ihm hier z.B. birgen wachsen. Zusammen mit Heinz weit darüber hinaus Verdienste erworben auch, Unterstützung durch die damaligen Quitt, Achim Groß und vor allem Horst haben. Ihre Mitwirkung, ihre Kenntnis- Meliorationsgenossenschaften in Halber- Eckardt wurde aus der Not heraus ein se und ihr engagiertes Eintreten für die stadt und Wernigerode zu erwirken, die damals schwieriges Kapitel der Natur- Naturschutzbelange in der Öffentlichkeit Technik zum Einsatz bringen konnten. schutzarbeit aufgeschlagen. In unmit- boten einen ganz wichtigen Rückhalt. Ende der 1980er Jahre fanden in diesem telbarer Grenznähe einen Garten für Durch sein offenes Wesen, seine Selbstlo- NSG auch erste Versuche der Pflege von Naturschutzzwecke einrichten und dazu sigkeit, Zielstrebigkeit und Geradlinigkeit Halbtrocken- und Trockenrasen sowie noch eine Hütte bauen wollen, schien zu- im Einsatz für Natur und Landschaft der Heideformation durch Flämmen nächst undurchführbar. Dennoch gelang hatte sich Uwe Wegener bald einen Platz statt. Diese Pflegemethode, die heute es; und es gelang auch die gefährdeten inter pares im wahrsten Sinne des Wortes wiederum ins Gespräch kommt und Arten der Brockenkuppe zu bergen. Mit erarbeitet. Wenn er hier mitunter von sicher zukünftig auch wieder in breiterem Unterstützung des Botanischen Gartens „väterlicher Freundschaft“ sprach, wird Umfang aufgegriffen werden muss, hat der Martin-Luther-Universität wurde mehr als deutlich, für wie wichtig er er trotz der allgemeinen „Ächtung“ nie pflanzfähiges Material erzeugt, dieses in selbst dieses Umfeld hielt. Viele andere aus den Augen verloren. Flämmen ist auf Benneckenstein abgehärtet und dann im Mitstreiter wären noch zu erwähnen, das jeden Fall für die Zukunft eine Alternati- Zeterklippen-Garten ausgepflanzt. Hier würde diesen Rahmen aber sprengen. ve zum die Existenz der Kulturlandschaft konnte man dann sogar trotz hermeti- Uwe Wegener selbst hat aber, in seinen bedrohenden „Lassen“. scher Abriegelung des letzten natürli- Publikationen und Beiträgen nachzule- chen Fundortes in Deutschland, auf der sen, stets mit akribischer Genauigkeit Den Harslebener Bergen mit ihren be- Brockenkuppe, die geradezu legendäre darauf geachtet, dass jeder Beteiligte auch eindruckenden subkontinentalen Feder- „Brockenanemone“ einmal blühen sehen. eine entsprechende Würdigung erfuhr. grasfluren galt immer seine besondere Die „Arche“ an der Zeterklippe hat heute Fürsorge. Das mag man der Episode ent- ihre Bedeutung verloren, da die Arten auf Als 1989/90, ganz maßgeblich durch nehmen, dass es Uwe Wegener immerhin der Brockenkuppe und im Nationalpark ihn selbst, die Weichenstellung in Rich- gelang, ein Manöver einer sowjetischen Harz wieder ein sicheres Domizil haben. tung Nationalpark Hochharz erfolgte, Garnison in diesem Gebiet zum Stehen Von der Sache her hatte der Garten ein wurde ihm zunächst die Funktion des zu bringen, dies mit solchem persönlichen ähnliches Problem wie z.B. der Renn- Aufbauleiters und nachfolgend von 1991 12 | Laudatio

bis 2004 die Funktion des stellvertre- Nationalpark blieb zunächst im Verwal- derung des Nationalparks Harz (GFN), tenden und wissenschaftlichen Leiters tungsbereich der Forstwirtschaft, beglei- die, von Beginn ihrer Tätigkeit an, einen der Nationalparkverwaltung übertragen. tet durch die Fachaufsicht vom Umwelt- gemeinsamen Nationalpark Harz der Auch die Geschichte des Nationalparks ministerium. Dank sei hier stellvertretend Bundesländer Sachsen-Anhalt und Nie- ist die Geschichte eines großen Ge- für viele an Hans Epperlein, damals Chef dersachsen zu ihrem Ziel erklärte. meinschaftswerkes, an dem von vielen der Landesforstverwaltung und Herrn Akteuren an verschiedensten Stellen Dr. Müller vom damaligen Umweltminis- Viele der heute Anwesenden haben die mitgearbeitet wurde. Ausgangspunkt war terium gesagt. Diese Rückendeckung war ersten Jahre der gemeinsamen National- eine Gruppe verschworener und beherz- notwendig. Denn, abgesehen von einigen parkarbeit miterlebt. Es ließe sich manche ter Naturschützer um Michael Succow, damals kontrovers diskutieren fachlichen Episode berichten, worauf ich aus Zeit- die zur rechten Zeit, durch die Gunst der Problemen – bis hin zu der Frage, ob gründen verzichten muss. Gelernt haben Umstände auch an der entscheidenden die Kategorie „Nationalpark“ denn die wir alle dabei. Vor allem wurde klar, dass Stelle die einmalige Chance der Schaffung richtige sei –, war der Nationalpark zwar es einer grundsätzlichen Ausrichtung, von Großschutzgebieten in den neuen verordnet, und unsere erste Verordnung eines Leitbildes für den Nationalpark Bundesländern erkannte und ergriff. Ob hat in der Tat gute Dienste geleistet, aber bedarf, dass aber jeder Nationalpark dazu die Aktion später wiederholbar gewesen die sonst noch erforderliche Kulisse von auch seine eigene Identität entwickeln wäre, bleibt aus heutiger Sicht zumindest Naturschutzgesetzlichkeiten war noch gar muss, die in seinem Umfeld wahr- und sehr fraglich. Gegner sprachen später von nicht zurechtgerückt. Z.B. kam das erste ernst genommen wird. Ab 1994 hatte einer Aktion „im Schweinsgalopp“; schaut Naturschutzgesetz des Landes Sachsen- Peter Gaffert die Leitung der National- man auf die turbulenten und sich förm- Anhalt erst 1992. Dennoch waren viele parkverwaltung übernommen. Er ge- lich überschlagenden Ereignisse jener Belange zu regeln: die innere Gestaltung hörte schon nicht mehr dem Kreis der Tage, so mag da sogar Wahres daran sein. der Verwaltung, die Harmonisierung mit „Aktivisten“ der ersten Stunde an. Seine Ich möchte hier bewusst auf die Nen- der Region und das Knüpfen von Verbin- Sichtweise war in manchen Belangen eine nung von Namen verzichten, da dies von dungen zu bereits bestehenden Natio- andere. So öffnete er den Park viel stärker meinem eigentlichen Anliegen wegführt nalparks in Deutschland. Im Ringen um gegenüber der Region und vor allem dem und ich gewiss Gefahr liefe, jemanden zu das Selbstverständnis des Nationalparks Tourismus als wichtigstem Erwerbszweig vergessen. Hochharz, es gab auch Zweifel in den im Harz sowie auch Sport- und Heimat- eigenen Reihen. Vertrauen musste erst vereinen, jedoch dabei nie unter Aufgabe Es ist sicher richtig, in Uwe Wegener den wachsen; maßgebliche Unterstützung der Grundwerte. Dennoch gab es ver- Sachwalter für die Region Harz und die kam hier auch von bereits gestandenen mehrt Grundsatzdiskussionen, manchmal Gründung des Nationalparks Hochharz Nationalparks aus dem Bayerischen Wald auch nicht ganz frei von fundamentalisti- zu sehen. Im Rahmen der damaligen kon- und Berchtesgaden. Die Verbindungen schen Zügen. Aber, wie so oft im Leben, zertierten Aktion sehe ich in ihm daher wurden in erster Linie von Uwe Wegener sind gegensätzliche Positionen für das den eigentlichen Gründungsvater dieses geknüpft. In einem frühen Stadium wur- Auffinden des einzuschlagenden Weges Nationalparks, denjenigen, der mit aller den von 1990 – 1993 auch interna­tionale sehr hilfreich. Insgesamt hat sich eine Konsequenz auf dieses Ziel hin arbeite- Beziehungen zu Nationalparken in Eng- erfolgreiche Entwicklung vollzogen, der te. Ich denke, dass die vorangegangenen land, Österreich, Tschechien, Kanada und Nationalpark wurde von einem ungelieb- Jahre seiner Tätigkeit im Forstamt dazu den USA aufgenommen, die von Hans ten Kind (Bild des „Struwwelpeter“ in der beitrugen, dass er aus Forstkreisen einen Bibelriether aus dem Bayerischen Wald Festrede von Peter Gaffert zum 10jähri- Vertrauensbonus eingeräumt bekam. eine besondere Förderung erfuhren. Dank gen Bestehen des Nationalparks) zu einer Man kann es heute nur als einen solchen der damaligen beherzten Leitung des Par- in der Region und im Land anerkannten Vertrauensbeweis werten, wenn der kes durch Hubertus Hlawatsch und Uwe Institution, ausgestattet mit behördlichen damalige Forstamtsleiter Joachim Bauling Wegener gelang es, den Kurs zu halten Zuständigkeiten, er wurde 2001 erwei- sich entschließen konnte, das Anliegen und ein bis heute tragendes Fundament tert und kam zeitgleich ins Fahrwasser Nationalpark zu unterstützen. Auch von zu legen. der Fusion der beiden Nationalparke im der Abteilung Forstwirtschaft des dama- Harz. ligen Rates des Bezirkes, später dem Mi- Die Notwendigkeit der Gründung eines nisterium für Ernährung, Landwirtschaft Fördervereins wurde nur all zu deutlich. Lassen Sie mich jetzt von diesen so und Forsten und dann der Landesforst- Uwe Wegener war gemeinsam mit Udo wichtigen Rahmenbedingungen, die verwaltung und dem Umweltministerium Heß, Friedhart Knolle u. a. einer der Uwe Wegener auch in besonderer Weise gab es wirkungsvolle Unterstützung. Der Mitbegründer der Gesellschaft zur För- mitgeprägt hat, zu einem anderen seiner Laudatio | 13

Aufgabengebiete kommen, dem Aufbau Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit und Wegener hat sich mit besonderer Be- und der fachlichen Leitung eines wis- vieles andere mehr. harrlichkeit für die Belange der Moorfor- senschaftlichen Arbeitsbereiches. Es ist schung eingesetzt, die inzwischen schon seiner Initiative zu verdanken, dass dieser Die Weichenstellung für unsere eige- zu wichtigen Erkenntnissen für den Fachbereich eine Ausrichtung auf Arbei- nen Forschungsvorhaben erfolgte nach Moorschutz führte. Auch hier gehen die ten der angewandten Forschung und eine gemeinsamer Abstimmung durch Uwe ersten Beratungen und Exkursionen mit entsprechende personelle Ausstattung er- Wegener. Lag anfangs das Schwerge- Prof. Dr. Beug und Prof. Dr. Jensen be- hielt. Dabei leitete ihn die feste Überzeu- wicht auf den Inventarisierungsvorhaben reits auf das Jahr 1990 zurück. Er bahnte gung, wohl auch nach seinen Erfahrungen und den Zieldiskussionen, so wandelte Kontakte und Zusammenarbeit mit der Naturschutzarbeit der vorangegan- sich das Profil mehr und mehr hin zur Fachkollegen an, da gerade in der Moor- genen Jahre, dass die im Nationalpark Betrachtung ökosystemarer Zusammen- forschung sehr schnell die Grenze zur konsequent verfolgte Leitlinie „zurück zur hänge. Die maßgeblich von ihm initiierte Grundlagenforschung tangiert wird. Ob Natur“ einer wissenschaftlichen Beglei- Vegetationskarte und das breit angelegte die Zusammenarbeit mit Frau Dr. Berns- tung und Dokumentation bedarf. Man Monitoring in Dauerbeobachtungsflächen dorf und Mitarbeitern in Halle, Prof. Dr. kann heute auch darauf hinweisen, dass sind nur einige Schlagworte, die hier- Beug aus Göttingen, Dr. Altermann aus diese Auffassung zum Beginn der 1990er her gehören. Es ist auch Uwe Wegeners Halle, Dr. Jeschke aus Greifswald und Jahre keineswegs eine einhellige war, auch Verdienst, dass von Anfang an die Brücke vielen anderen mehr, all diese Kontakte seitens der beratenden Nationalparke von unserer hauseigenen, auf angewandte wurden durch Uwe Wegener geknüpft. nicht. Die Stimmungslage war nicht Aspekte ausgerichteten Forschung, zur Ich kann mir weitere Ausführungen dazu überall so wissenschaftsfreundlich, um Grundlagenforschung geschlagen wurde. ersparen, da wir noch gemeinsam die nicht zu sagen sogar manchmal wissen- Dafür sollen hier zwei Beispiele erwähnt Freude haben werden, in der Folge eine schaftsabweisend. Ich denke aber, dass sein: In Fortsetzung früherer Zusammen- Reihe von Beiträgen zu diesem Thema, die Ergebnisse einer fünfzehnjährigen arbeit mit Gerhard Stöcker, wurden die dabei auch die Übersicht von Herrn Prof. wissenschaftlichen Arbeit unter Leitung Harzer Bergfichtenwälder Gegenstand Beug, zu hören. von Uwe Wegener für sich sprechen und gemeinsamer Forschung, wobei Gerhard heute keiner weiteren Rechtfertigung Stöcker eine Tiefe in der Auswertung der Mit großem Engagement verfolgte Uwe mehr bedürfen. Daten erreichte, die unsere angewandte Wegener auch die baldige Formierung Wissenschaft überfordert hätten. Ohne eines Wissenschaftlichen Beirates. Dieser Als wissenschaftlicher Leiter formierte die Öffnung des Nationalparks und die Beirat, zusammengesetzt aus Spezialis- und leitete Uwe Wegener ein Team, in Schaffung der Grundlagen für diese Ar- ten für eine Reihe von Fachgebieten, die dem ich zwölf Jahre arbeiten durfte. „An- beiten durch Uwe Wegener könnten wir die Arbeit des Nationalparks tangieren, gewandte Forschung“ zu betreiben, hieß heute nicht auf Ergebnisse inzwischen ist heute in seiner dritten Amtsperiode. der Auftrag. Angewandt heißt hier, dass 40jähriger Versuche zurückschauen. Abgesehen von der fachlichen Beratung die Ergebnisse und Erkenntnisse unmit- Dieser Fundus ist für uns unersetzlich. durch das Gremium war vor allem für uns telbar in unsere Arbeit einfließen, diese Gerhard Stöcker wurde leider mitten aus immer wichtig, dass der Beirat mit seiner dokumentieren oder auch Anhalt zur seiner wissenschaftlichen Arbeit gerissen. Reputation die Ziele des Nationalparks Korrektur eines eingeschlagenen Weges Wolfgang Gluch bemerkte in seinem mit trug und in der Öffentlichkeit vertrat. bieten. Angewandt hieß aber auch, dass Nachruf sehr richtig, dass der Hochharz Im Zusammenwirken mit Meike Hullen gerade der wissenschaftliche Fachbereich in seinen letzten Jahren das Hauptar- und Dr. Barth vom niedersächsischen eine ganze Fülle von Aufgaben geschultert beitsgebiet von Gerhard Stöcker war und Nationalpark wurde bereits lange vor der hat, die eigentlich mit Wissenschaft nur die Bergfichtenwälder des Brockengebie- jetzt vollzogenen Fusion der beiden Nati- sehr bedingt etwas zu tun haben, aber für tes in der Folge zu den am gründlichsten onalparke ein gemeinsamer wissenschaft- das Gesamtanliegen unerlässlich waren. bearbeiteten Waldökosystemen Mitteleu- licher Beirat geschaffen. Darüber hinaus Heute überall geforderte Flexibilität war ropas gehören. waren es besonders er und Meike Hullen, zu beweisen, wenn z.B. in Federführung die die Grundlagen für die unmittelbare des Fachbereichs der Nationalparkplan Ein zweites Beispiel: Der Nationalpark Zusammenarbeit der wissenschaftlichen oder der Wegeplan abgefasst wurden, Harz ist reich Mooren. Als außeror- Mitarbeiter beider Verwaltungen legten. wenn es um die Durchsetzung der natur- dentlich sensible Lebensräume sind sie schutzrechtlichen Belange ging, ja auch in unsere Verantwortung gelegt. Gerade Ich wiederhole mich gern, wenn ich um die Mitarbeit an aktuellen Gesetzes- der Umgang mit diesen Biotopen erfor- auch hier betone, dass die zurückliegen- werken, an der Erfüllung des Auftrags zur dert wissenschaftliche Grundlagen. Uwe den Jahre im Nationalpark Jahre einer 14 | Laudatio

intensiven Teamarbeit waren; nur diese dung und Inspiration eines Landschafts- bot die Gewähr, dass es eine erfolgreiche pflegeverbandes im Harz und – ebenfalls Arbeit wurde. Dafür gilt es neben Uwe seit vielen Jahren bis in die heutigen Tage Wegener vielen anderen zu danken. Auch – die Bündelung der Kräfte aller für den hier zwingt die Zeit zur Einschränkung. Naturschutz eintretender Verbände, Ver- Ich darf hier jedoch einige persönliche eine und Organisationen. Dieses Anliegen Eindrücke hinzufügen, und dabei bin ich wurde von ihm stets und konsequent mir sicher, Sprecher vieler anderer auch verfolgt. Dabei, wie im beruflichen Leben zu sein. Das Klima einer gemeinsamen auch, darf ihm ein gehöriges Maß an Arbeit wird ganz maßgeblich durch die Zivilcourage bescheinigt werden. „Wettermacher“ an der Spitze geprägt. Und da möchte ich, der den Staffelstab in Sein Weg durch die Vielfalt des Natur- der wissenschaftlichen Arbeit übernom- schutzes ist durch über 150 (überwie- men hat, schlicht und einfach herzlichen gend) wissenschaftliche Publikationen Dank an Uwe Wegener für die ersten 15 dokumentiert. Mit der Herausgabe von Jahre im Nationalpark sagen. Es war eine „Schutz und Pflege von Lebensräumen“ gute Zeit, wir alle sind mit unserem Na- (1991) sowie „Naturschutz in der Kultur- tionalpark gewachsen und dürfen heute landschaft“ (1998), an der viele Fachkolle- auch ein wenig stolz auf das Erreichte gen mitwirkten, liegen zwei Handbücher sein. Ich persönlich habe besonders vor, die seine Handschrift tragen. In einer die kreative Atmosphäre, den Umgang Vorlesungsreihe an der Fachhochschule miteinander und die gebotenen Freiräume Anhalt in Bernburg vermittelt er seit ei- für die Arbeit geschätzt. Dieses Bewährte nigen Jahren dieses Wissen an Studenten. wollen wir unbedingt auch für die Zu- Ungezählte Praktikanten, Diplomanden kunft erhalten. und Absolventen verschiedenster Ein- richtungen unterstütze er während des Eine solche Laudatio, die an enge zeitliche Praktikums im Nationalpark oder bei der Schranken gebunden ist, kann nur eine Abfassung ihrer Abschlussarbeiten. sehr persönliche Schwerpunktsetzung erfahren. Es bleiben noch eine Reihe von Diese Reihe müsste durch Erwähnung Aspekten zu nennen, ohne die das hier der Mitarbeit in vielen Vereinen, Fachver- entworfene Bild „weiße Flecken“ hätte. bänden, bei der Herausgabe von Fach- Lassen Sie mich stichpunktartig noch zeitschriften und vielem Anderen mehr Weiteres anfügen: ergänzt werden. Es war stets ein zentrales Anliegen von Uwe Wegener, die naturkundliche Wir belassen das aber dabei. Diese Heimatforschung mit dem praktischen Würdigung kann ohnehin nie vollständig Ansatz des Naturschutzes zu verbinden. sein, sie soll aber auf keinen Fall abschlie- Das spiegelt sich sowohl in seinen eigenen ßend sein, denn wir alle wünschen Uwe Arbeiten im damaligen „Floristischen Wegener, dass er in den nachfolgenden Arbeitskreis Nordharz und Vorland“, im Jahren bei bester Gesundheit mit noch Bezirksfachausschuss Botanik (wie im mehr Muße und sicher auch Gelassenheit Zentralen Fachausschuss der DDR), dem seinen Studien und seinem Wirken im „Arbeitskreis Heimische Orchideen“ und Naturschutz nachgehen kann. Gebraucht im Rahmen zahlreicher ehrenamtlicher wird er hier unbedingt. Aktivitäten wieder. Auch die Förderung der Breitenarbeit, sei es durch Anleitung Anschrift des Autors: von Naturschutzhelfern, die Organisation Dr. Hans-Ulrich Kison praktischer Naturschutzeinsätze (z.B. in Nationalparkverwaltung Harz den Harslebener Bergen), die Mitbegrün- Lindenallee 35 38855 Wernigerode Succow, M.: Tun und Lassen | 15

Michael Succow, Greifswald Tun und Lassen – Naturschutz in Zeiten menschlich bedingten Klimawandels

Die wachsenden Bedürfnisse einer wach- unserer Erde als Lebensraum von uns sich zuspitzende demographische Ent- senden Menschheit zu befriedigen und Menschen wird durch die bislang (noch) wicklung sowie der anthropogen bedingte andererseits die Funktionstüchtigkeit des nicht genutzten, noch nicht abgewan- aktuelle Klimawandel stellen die Mensch- Naturhaushaltes langfristig zu sichern, delten Ökosysteme gewährleistet. Des- heit vor Herausforderungen, die von stellen die zentralen Herausforderungen halb kommt der Schaffung auch dieses Regierungen kaum noch zu lösen sind. unserer Zeit dar. Wer hätte vor nicht Nationalparks Harz in seinen jetzigen einmal 10 Jahren den menschlich beding- zusammengewachsenen Grenzen und mit Für den Fortbestand unserer mensch­ ten rasanten Klimawandel als die gegen- seinen in jüngster Zeit realisierten Erwei- lichen Zivilisation benötigen wir ökolo- wärtig wohl größte Herausforderung der terungen eine so große Bedeutung zu. gische Rahmenbedingungen, die sich nur Menschheit begriffen? Wie wenigen war wenig verändern dürfen. Das heißt: Keine bewusst, dass ohne einen Grundbestand Situationsbeschreibung weitere Klimaerwärmung, keinen weite- intakter, d.h. funktionstüchtiger Ökosys- War in meiner Kindheit in Zeiten des ren Meeresspiegelanstieg, keine weitere teme die menschliche Zivilisation nicht Wettrüstens die Sicherung des Friedens, Verschiebung der Vegetationszonen, zukunftsfähig ist. Wie wenigen ist klar, die berechtigte Sorge vor einer nuklearen kein weiteres Auftauen der Dauerfrost- dass es beim Schutz der Natur nicht Verwüstung die wohl bedeutendste Zu- böden, kein weiteres Abschmelzen der schlechthin um die Natur sondern letzt- kunftsfrage, so traten schon bald weltweit Polkappen und Gletscher, kein weiteres endlich um uns selbst, um unseren Fort- Fragen der Ernährungssicherung, der Versalzen einst nutzbarer Landschaften, bestand geht. Der Schutz der Natur, d.h. Gesundheitssicherung, der Trinkwasser­ kein weiteres Abschwemmen fruchtba- der Erhalt der Funktions­tüchtigkeit der sicherung hinzu. Es folgten vor nicht ren Bodens, keinen weiteren Verlust des Ökosysteme auf größtmöglicher Fläche einmal 20 Jahren neue Aspekte, wie Ener- gespeicherten Humus in den Böden, dürfte eine der bedeutendsten Sozialleis- giesicherung und Arbeitsplatzsicherung. keine weitere Entwässerung wachsender tungen für die Zukunft der menschlichen Mit der ersten Welt-Umweltkonferenz CO2 speichernder Moore, keine weitere Gesellschaft sein. Denn ohne (wenigstens (Rio 1992) ist ein weiteres Weltproblem Vernichtung von Regenwäldern, Koral- in Teilen) noch intakte Natur werden die in unseren Blickpunkt gerückt: die Biodi- lenriffen und Mangroven. für unsere Hochzivilisation sich nur ge- versitätssicherung. Und nun, nicht mehr ring ändern dürfenden globalen Rahmen- zu leugnen, geht es um die Klimasiche- In immer größeren Teilen unserer Erde bedingungen des Naturhaushaltes nicht rung als eine der wohl größten Heraus- finden wir heute eine erschöpfte Na- zu sichern sein. Bei menschlich nicht forderungen für den Fortbestand unserer tur und damit zwangsläufig auch eine überformten Naturräumen mit ihrer für Hochzivilisation. Keine der genannten erschöpfte Wirtschaft und eng damit die globale Stabilität und Kontinuität Sorgen konnte bisher gelöst werden, aber verbunden eine erschöpfte, ratlose und von Naturprozessen so fundamentalen immer neue traten hinzu. Zunehmend hoffnungslose Menschheit (Succow Bedeutung wird es sich auf Grund des wird uns bewusst, dass wir inmitten 2006). weltweit zunehmenden anthropogenen eines globalen Prozesses einschneidender Drucks auf die Naturressourcen nur noch Veränderungen von Ökosystemen, von Die größten ökologischen und letztlich um international durch die UNESCO Lebensräumen mit ihrer Pflanzen- und auch sozialen Katastrophen finden wir zertifizierte Nationalparke bzw. Weltna- Tierwelt stehen. Erst allmählich beginnen derzeit in Südostasien. Besonders drama- turerbegebiete der Menschheit handeln. wir die Konsequenzen zu ahnen. Die tisch ist die tiefgreifende Entwässerung Die Funktionstüchtigkeit der Biosphäre Globalisierung der Weltwirtschaft, die der tropischen Waldmoore, vor allem in 16 | Succow, M.: Tun und Lassen

Indonesien. Dort ist für den Anbau von der Stunde, der durch uns Menschen Klimaveränderung all unsere Ökosysteme Reis und Ölpalmen in den letzten fünf ausgelösten Veränderung des globalen unter einem enormen Anpassungsdruck Jahren eine Fläche von der Größe Bayerns Naturhaushaltes und der Zerstörung geraten, den intakte Naturräume wahr- entwässert worden. Durch die Entwässe- der Lebensfülle entgegen zu wirken! Das scheinlich noch am leichtesten verkraften rung gelangen jährlich fast 700 Millionen zwingt, dem Erhalt der Funktionstüchtigkeit können. Gerade den großen Senkenöko-

Tonnen CO2 infolge Torfmineralisierung der Ökosysteme, die auch in Zukunft unsere systemen kommt dabei eine fundamentale in die Atmosphäre. (Das entspricht 70 Lebensgrundlage bilden, bei allen Formen Bedeutung zu.

Prozent jener CO2-Reduktion, die das der Naturnutzung höchste Priorität einzu- Kyoto-Protokoll im Annex 1 vorsieht). räumen (Succow 2007b). Hinzu kommt, dass spätestens fünf Jahre Wildnis als Naturschutzstrategie nach Entwässerung tropischer Moore ge- Die größte Herausforderung für den In diesem Sinne gilt es, alle großen Na- waltige Moorbrände entstehen, die eben- Naturschutz dürfte es daher sein, bei turlandschaften dieser unserer Erde zu falls hochgradig klimaschädlich sind. In wachsenden Bedürfnissen einer wachsen- erhalten, die noch nicht vom Menschen Indonesien brannten 1997/98 bis zu 2,2 den Menschheit die Funktionstüchtigkeit genutzt bzw. verändert wurden. Es sind Millionen Hektar Moore, wodurch bis zu des Naturhaushaltes, der Ökosysteme, dies nicht mehr als 20% aller Landflä-

9.400 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt langfristig zu sichern. Ein Schlüssel chen, es sind dies die letzten Überlebens- wurden. Gegenwärtig werden jährlich dafür wäre, die ökologischen Leistungen räume einer unendlich großen Zahl von

weltweit ca. 3 Milliarden Tonnen CO2 von Ökosystemen in unser Preissystem Tier- und Pflanzenarten wie auch letzte aus drainierten Mooren in die Atmosphä- einzubauen. Rückzugsräume indigener Völker. Diese re abgegeben, ⅔ davon in Südostasien. Naturlandschaften sind „ohne uns“ „für Diese Entwicklungen sind in den aktuel- Besonders wichtige ökologische Leistun- uns“ so wichtig. Es sind sich ständig selbst len Klimabilanzen kaum berücksichtigt gen vollbringen dabei die Senkenökosys- optimierende globale Stabilisierungs- (Succow 2007a)! teme. Unter unseren humid-temperaten räume der Biosphäre. Hier brauchen wir Klimabedingungen sind das vor allem nicht zu reparieren. Die Natur kennt Wir Menschen haben zu lange gegen die wachsende Moore, Klarwasserseen, alte keine Abfälle. Recycling gehört zu ihren Natur gekämpft, benutzten sie wie einen Wälder, Anlandungsküsten, naturnahe Grundprinzipien. Steinbruch, haben uns über sie erhoben, Flussauen. wollten sie beherrschen. Nun, da die In Naturräumen ohne stoffliche Nutzung Schäden unübersehbar und die Verlus- Eine In-Wert-Setzung ökologischer Leis- sollte es das primäre Ziel sein, Natur- te unwiederbringlich sind, ergreift uns tungen würde es möglich machen, z.B. prozesse aus sich heraus zuzulassen.

Unbehagen, auch Mitleid, vor allem aber Preise für CO2-Bindung, Grundwasser- Das führt zur Steigerung der Produk- Sorge. Sorge um unsere eigene Zukunft. bildung, Biodiversität auszuloten und in tivität des Standortes, d.h. sich ständig Und Zweifel. Wer ist wirklich der Stär- unserem ökonomischen System zu veran- steigernder Kohlenstoffeinlagerung kere? Wohin steuert das Projekt Mensch? kern. Ein sicher nicht leichtes Vorhaben, (sowohl ober- als auch unterirdisch), wie Ein Projekt mit ungewissem Ausgang? das aber angesichts des durch den Men- auch der tierischen Biodiversität. Das Wie weit darf sich der Mensch von der schen ausgelösten Verlustes ökologischer hat letztendlich aber auch eine immer Natur entfernen, ihre Tragekapazität Funktionstüchtigkeit in immer größeren „optimalere“ Ausnutzung der gegebe- überfordern? Naturräumen der Erde unausweichlich nen, da sich fortlaufend verbessernden

wird. (Lediglich bei der CO2-Fixierung in Standortverhältnisse zur Folge. Das heißt In diesem neuen Jahrhundert, gar Jahr- wachsenden Mooren sind erste Ansätze zusammenfassend eine ständige, dem tausend der Menschheitsgeschichte, einer In-Wert-Setzung erarbeitet). So System zugrunde liegende Steigerung der müssen wir unabdingbar begreifen: Wir lange eine derartige Monetarisierung Fruchtbarkeit und Funktionstüchtigkeit dürfen uns nicht länger als Herrscher ökologischer Leistungen noch nicht des Naturraumes. aufspielen, als Ausbeuter und Zerstörer erfolgt, brauchen wir großräumige strenge handeln. Wir müssen Frieden schließen Schutzgebiete, in denen jede Form einer Die Natur konnte sich dank der ihr inne mit der Natur, die wir auch als Schöp- menschlichen Nutzung und auch Gestal- wohnenden Evolution immer wieder fung begreifen sollten, wir müssen mit tung außer Frage steht, wissend, dass ein an neue Umweltbedingungen anpassen, ihr in Eintracht leben, ihre Ressourcen „zweckfreier“ Umgang mit Ökosystemen Lebensfülle entfalten, ihren Haushalt op- nicht verschwenden. Wir müssen uns kein Luxus ist, sondern zur Überlebens- timieren. Sie braucht dafür aber Zeit und endlich im ökologisch gebauten Haus frage der menschlichen Zivilisation wird. Raum. Geben wir der Natur um unserer Erde als Teil empfinden. Es ist ein Gebot Wissend, dass im Zuge der rasanten selbst willen Zeit und Raum. Welt-Natur- Succow, M.: Tun und Lassen | 17

erbegebiete der UNESCO, Nationalpar- Viele der Arten, die wir hier schützen, ten menschlichen Räumen führen in ke in höchsten IUCN-Kategorien sind sind zugewandert. Der Schwerpunkt immer größeren Teilen der Bevölkerung geeignete Instrumente, haben sich für den ihrer Lebensbindung liegt außerhalb zur Stärkung ökologischen Bewusstseins, Schutz von Ökosystemen international Mitteleuropas. Meist sind diese Arten zu Sehnsucht nach Stille, Einsamkeit, bewährt. Der anthropogene Vernutzungs- in ihren primären Lebensräumen nicht Erleben von nicht dem Herrschaftswil- grad unserer Biosphäre zwingt hier zu ra- gefährdet, sie gehören dort zur „Stamm- len des Menschen unterworfener Natur. schem Handeln, d.h. alle noch nicht vom ausstattung“ der Landschaften. Sie haben Damit wird letztendlich das Wildniskon- Menschen überformte Natur zu erhalten. zweifellos zur Erhöhung unserer Biodi- zept, d.h. Naturräume der Natur wieder versität beigetragen. Die globale Biodiver- zurückzugeben („Natur Natur sein Nutzungslandschaft wird es immer geben sität ist dadurch nicht bereichert worden! lassen“) auch in Mitteleuropa zu einer und sie wird sich fortlaufend verändern, Auch zukünftig wird der Fortbestand der umfassenden und realistischen Natur- entsprechend dem Stand der Produktiv­ „sekundären“, der zugewanderten biologi- schutzstrategie. Nicht mehr benötigte kräfte und menschlichen Bedürfnisse. schen Vielfalt insbesondere aus der Phase militärische Übungsplätze, frei werdende Der Mensch wird ihre Produktivität im der extensiven Landnutzung ein wichtiges Bergbaufolgelandschaften, Grenzsiche- Zuge seines wissenschaftlich-technischen Feld des Naturschutzes sein. Die Prioritä- rungsräume und Staatsjagdgebiete aus Fortschritts in seinem Sinne immer wei- ten liegen jedoch eindeutig bei Erhalt und dem Erbe der DDR wurden und wer- ter maximieren, ihre Ökosysteme werden Sicherung der noch verbliebenen primä- den auch in nächster Zeit, zumindest immer einfacher strukturiert und damit ren Natur bzw. in Gebieten, die wir der teilweise, als Nationales Naturerbe im ihrer Natürlichkeit beraubt, sie werden Eigendynamik der Natur zurückgeben, Sinne des Wildniskonzeptes der Natur zu immer stärker „menschengemachten“ den so genannten Naturentwicklungs­ zurückgegeben. Mit der Entscheidung Räumen umgestaltet. räumen. Dafür können Renaturierungs- der Bundesregierung, ehemals militärisch maßnahmen anfangs notwendig bzw. genutzte Flächen in einer Größenordnung Kultivierte Landschaften auf einem sinnvoll sein (Succow et al. 2001). von 125.000 ha für Naturschutzzwecke bestimmten Niveau der Nutzungsinten- zu sichern, hat sie den Grundstock für die sität in Ausschnitten zu „konservieren“ ist Natur ihrer Eigendynamik zu überlassen, Ausweisung eines Nationalen Naturerbes sicher eine Kulturaufgabe, darf aber nicht sie nicht stofflich (materiell) zu nutzen, gelegt, das uns nun in die Lage versetzt, Schwerpunkt des Naturschutzes sein. sie als Nationalparke oder gar Welter- wesentliche Defizite des deutschen Denn in „kultivierten“ Landschaften wird be der Menschheit auszuweisen, damit Naturschutzes endlich zu überwinden. es immer ein Handeln gegen die Natur tat man sich bislang in Mitteleuropa Das beinhaltet im Sinne einer Wieder­ geben müssen, die es anders machen schwer. Allenfalls überließ man dies den gutmachung an der Natur, auch in Mit- würde. Entwicklungsländern. „Wildnis“ ist für teleuropa Wildnis zuzulassen, Mut zur Mitteleuropa nicht nur eine neue Natur- Wildnis zu wagen. Der Schwerpunkt des Mitteleinsatzes schutzstrategie, sondern sie greift auch zum Schutz der Natur und damit zum tief in das Bewusstsein der Menschen. Es Die Wertschöpfung für die menschliche Schutz der Biodiversität liegt in Mittel- besteht zweifellos eine wachsende Sehn- Gesellschaft erfolgt hier aus immate- europa gegenwärtig allerdings nicht beim sucht nach unberührter, unreglemen­ riellen Leistungen wie Naturerlebnis, Erhalt bzw. der Mehrung der so genann- tierter Natur, letztendlich auch nach Naturerfahrung, Wohlfahrt, Gesundheit, ten „Stammlebensräume“, sondern der einem Miteinander von Zivilisation und Spiritualität. Und zukünftig wird die In- Lebensräume, die sich im Zuge der Land- Wildnis. Wildnis, aus sich selbst heraus Wert-Setzung ökologischer Leistungen nutzung entwickelt haben. Mit hohem existierend, braucht den Menschen nicht ebenfalls eine Wertschöpfung ergeben, ideellen und materiellen Einsatz wird – aber der Mensch der technisierten Welt über deren Größenordnung wir heute nur versucht, im „Kampf gegen die Natur“ braucht Wildnis, auch als Maß und um spekulieren können. z.B. Halb-Kulturformationen zu erhalten, seiner Demut willen. Aufgegebene Kul- denn ohne unser Zutun, ohne Pflege, turlandschaft wird als Entwicklungsraum Der Flächenanteil derartiger Naturent- würde der Wald zurückkehren. neuer Wildnis zunehmend akzeptiert. wicklungsräume dürfte gegenwärtig in Deutschland weniger als 2 % ausmachen. So wichtig und richtig diese Arbeiten Die Dominanz der allein auf Produk- Mittelfristig könnten es aber durchaus auch sind, sollte aber bedacht werden, tionsmaximierung ausgerichteten Nut- auch 5 % werden und bei weiterem dass es sich hierbei nicht um autoch­thone zungslandschaften (Produktionsland- Rückzug der Landnutzung aus den so Lebensräume, also Lebensräume mit schaften) sowie die Reizüberflutung in genannten Problemgebieten des länd- ihrem primären Artenbestand handelt. den städtischen, von Technik beherrsch- lichen Raumes ist durchaus auch ein 18 | Succow, M.: Tun und Lassen

Flächenanteil von bis zu 10 % vorstellbar. Literatur „Deutschland renaturiert“ – so wurde Kröhnert, S.; van Olst, N. & Kling- jedenfalls die Prognose für Deutschland holz, R. (2005): Deutschland 2020 – in einem Flächenszenario für 2020 darge- Die demografische Zukunft der Nation. stellt (Kröhnert et al. 2005). Dabei ist Herausgegeben vom Berlin-Institut für es durchaus realistisch, dass derartige Na- Bevölkerung und Entwicklung. Berlin. turentwicklungsräume mit einer naturbe- tonten touristischen Nutzung auch durch Succow, M. (2006): Unsere Erde altert private Stiftungen getragen werden. Die vorzeitig. In: Die Umweltmacher. 20 Jahre Heinz Sielmann Stiftung gibt dafür erste BMU – Geschichte und Zukunft der Beispiele, so in der Döberitzer Heide, ei- Umweltpolitik. Hamburg, S. 431 - 442. nem ehemaligen Truppenübungsgelände. Succow, M. (2007a): Klimafaktor Moor. Wer es mit der Weiterentwicklung des In: Michael Otto Stiftung für Umwelt- Naturschutzes in Mitteleuropa ernst schutz (Hrsg.): Hamburger Gespräche meint, darf sich einer Ausdehnung von für Naturschutz 2006: Die Natur im „Wildnis“ nicht verweigern! Ein Umgang Klima-Deal. Hamburg, S. 24 - 27. mit Natur in zweckfreier Betrachtung ist kein Luxus, sondern hat Teil der Kultur Succow, M. (2007b): Schutz der Biodi- eines Volkes zu sein. Üben wir uns im versität: Wofür sind wir verantwortlich, Erhalten und Haushalten, gewähren wir was haben wir für Argumente. In: Bun- der Natur Raum, geben wir ihr Zeit – desministerium für Umwelt, Naturschutz um unserer eigenen Zukunft willen. und Reaktorsicherheit & Forschungsstelle für Umweltpolitik (Hrsg.): Bilanz und Perspektiven – Handlungsfelder der Lassen Sie mich zum Schluss den Natur­ deutschen Umweltpolitik. Tagungsband schützer, Pazifisten und Schriftsteller zum Symposium „20 Jahre Bundesum- Reimar Gilsenbach (1925-2001) zitieren. weltministerium“. Berlin, S. 110 - 115. Er fasst die Probleme unserer Zeit in drei Sätzen zusammen, die uns Vermächtnis Succow, M.; Jeschke, L. & Knapp, H. und Auftrag zugleich sind: D. (2001): Die Krise als Chance – Na- turschutz in neuer Dimension. Findling- Lassen wir die Natur unverändert, können Verlag. Neuenhagen. wir nicht existieren. Zerstören wir sie, gehen wir zugrunde. Der schmale, sich verengende Gratweg zwischen Verändern und Zerstören wird auf Dauer nur einer Gesellschaft gelingen, die nach ökologischen Prinzipien handelt und deren Ethik sich im Teil sein mit der Natur empfindet.

Anschrift des Autors: Prof. em. Dr. Michael Succow Vorsitzender des Stiftungsrates der Michael Succow Stiftung zum Schutz der Natur c/o Institut für Botanik und Landschafts- ökologie der Ernst-Moritz-Arndt- Universität Greifswald Grimmer Str. 88 17487 Greifswald Pusch, A.: Waldentwicklung im Nationalpark Harz | 19

Andreas Pusch, Wernigerode Waldentwicklung im Nationalpark Harz

Nach der Fusion der Nationalparkverwal- Altgebiet und im Erweiterungsgebiet, zu einer dramatischen Baumartenver- tungen Hochharz (Sachsen-Anhalt) und Abb. 2 verdeutlicht die daraus resultieren- schiebung von der Buche zur Fichte. Harz (Niedersachsen) zum National­park de Klimastufenverteilung mit ihrer ent- Das ist die Hauptursache dafür, dass seit Harz im Jahre 2006 waren vielfältige ver- sprechenden Auswirkung auf die jeweils der Wiederaufforstung der Wälder vor waltungstechnische Aufgaben vorran­gig zu erwartenden Waldgesellschaften. mehr als 200 Jahren in der Folge dieser zu lösen. Dennoch konnte die neu zusam- kulturhistorisch großartigen Leistung mengeführte Verwaltung bald die Ent- Mit dieser Erweiterung war die Fläche großflächige Fichtenreinbestände entstan- wicklung eines gemeinsamen Waldent- des sachsen-anhaltischen Nationalpark- den. Diese zeichnen sich auch heute noch wicklungskonzeptes in Angriff nehmen. teiles von der Höhenstufenverteilung durch Gleichaltrigkeit und Strukturar- Diese Aufgabe war besonders wichtig, her sehr viel vergleichbarer mit dem mut aus. Zu dem sind nach mehreren da es sich um einen Waldnational­park niedersächsischen Teil als vorher. Dies Generationen gepflanzter Fichten die handelt, in dem in beiden Teilen bis zum hat im Harz entscheidenden Einfluss auf Standortsverhältnisse für eine natürliche Zeitpunkt der Fusion bereits waldbau­ den Grad der anthropogenen Beeinflus- Laubbaumverjüngung schlechter gewor- liche Maßnahmen durchgeführt wurden. sung der Waldzusammensetzung. Die den. Die aktuelle Verteilung von Laub- Diese wurden in der Öffentlichkeit und Waldgeschichte, die vom Bergbau stark und Nadelbäumen im Nationalpark zeigt auch in Teilen der Fachwelt unterschied- geprägt war, führte vor allen Dingen in die Abb. 3. lich beurteilt. Während in Niedersachsen den mittleren Lagen des Mittelgebirges seit Gründung des Parks im Jahr 1994 recht intensive Eingriffe waldbaulicher Art durchgeführt wurden, war in Sach- sen-Anhalt eine stärkere Zurückhaltung zugunsten eines weitgehend unbeeinfluss- ten Prozessschutzes spürbar. Dies ist zu- nächst auch erklärlich, da mit Gründung des Nationalparks im Jahre 1990 lediglich eine Fläche von ca. 5.900 ha ausgewiesen wurde, die überwiegend mindestens der montanen Höhenstufe zuzuordnen war. Mit der Erweiterung des Parks um ca. 3.000 ha im Jahre 2001 kamen jedoch überwiegend Flächen aus niedrigeren Höhenstufen dazu, da das Ziel der Erweiterung u. a. die Einbeziehung von Laub-Mischwäldern in der Nähe der Ort- schaft Ilsenburg war.

Abb. 1 vergleicht die Verteilung der Abb. 1: Flächen der einzelnen Höhenstufen im Höhenstufenverteilung im Nationalpark Harz (S.-A.) 20 | Pusch, A.: Waldentwicklung im Nationalpark Harz

potentielle standörtliche Vegetation hat nach wie vor einen entscheidenden Einfluss auf die Waldentwicklung, auf die subalpin über Kampfzone der Fichte und Zwergstrauchheide ca. 1.050 m natürliche genauso wie auf die menschlich hoch- 750/825 bis Fichtenwälder, Hochmoore unterstützte. Abb. 4 zeigt die Strecken- montan ca. 1.050 m entwicklung im Verhältnis zur Fläche in ober- 650/750 bis Buchen-Fichten-Mischwälder den Jahren 1996 bis 2005. montan 750/825 m montan 450/550 bis Buchenwälder 650/750 m Die Ergebnisse des Monitorings las- sub- unterhalb Laubmischwälder mit dominierender Buche sen auch für die nähere Zukunft keine montan 450/500 m Entspannung beim Wildeinfluss erwar- ten. So liegt der Terminaltriebverbiss bei Abb. 2: Klimastufenverteilung im Nationalpark Harz (S.-A.) der Eberesche im niedersächsischen Teil (Abb. 5) in einer Größenordnung, die noch kein Nachlassen der Wildbestands- Aus diesen gestörten Verhältnissen leitet gravierender waren die Unterschiede bei regulierung zulässt. Ebenso liegt auch sich die Notwendigkeit waldbaulicher den ausgeführten Pflanzungen. Während die Neuschäle mit ca. 5% in den letzten Maßnahmen für einen Übergangszeit- sich die Fläche der Initialpflanzungen in Jahren noch nicht in einem beruhigenden raum ab, da großflächige Teilbereiche des Sachsen-Anhalt auf durchschnittlich 7 Bereich. Dies ist zwar im Nationalpark Nationalparks noch so stark von einer ha/Jahr belief, wurden in Niedersachsen aus wirtschaftlicher Sicht kein Problem, mehrere Generationen andauernden 108 ha jährlich mit Laubbäumen, vor- aber die Chance der Fichte, ohne Schäle forstwirtschaftlichen Beeinflussung ge- nehmlich Buchen, bepflanzt. Der pro- und die daraus folgende Rotfäule ein prägt sind, dass eine annähernd natur- zentuale Anteil der Pflanzungen an der hohes Alter in Gesundheit und Stabilität nahe Rückentwicklung zu naturnäheren Entwicklungszone lag in Sachsen-Anhalt zu erreichen, darf nicht auf ein Minimum Strukturen ohne menschliche Hilfestel- dementsprechend bei 0,15 %, während reduziert werden. lung nicht zu erwarten wäre. Vor allem er in Niedersachsen mit 1,3 % mehr als der seit mehreren Fichtengenerationen achtmal so hoch war. Ein Ende der Wildbestandsregulierung verschlechterte Oberbodenzustand, das ist also noch nicht absehbar. Sie soll großräumige Fehlen von Samenbäumen Somit bestand die Hauptaufgabe bei der weiterhin unter Minimierung der Stör- der Laubbaumarten und die immer noch Entwicklung eines gemeinsamen Wald- wirkung durch eine flexible Anwendung hohen Schalenwildbestände lassen diesen behandlungskonzeptes weniger in der verschiedener Jagdmethoden erfolgen. Schluss zu. Waldentwicklungsmaßnah- Angleichung unterschiedlicher Waldbau- men wurden bereits vor der Fusion in verfahren als in der Homogenisierung der Alle zukünftig noch durchzuführenden beiden Teilen des Nationalparks durch- Eingriffsstärke. Waldentwicklungsmaßnahmen müssen geführt. Sowohl in Niedersachsen als auf die neue, einheitliche Zonierung des auch in Sachsen-Anhalt gab es in den Neben den waldbaulichen spielten auch Nationalparks abgestimmt werden. Abb. Entwicklungsbereichen durchforstungsar- jagdliche Eingriffe in beiden Ländern eine 6 zeigt die Aufteilung der Flächen in die tige Eingriffe, die der Laubholzförderung erhebliche Rolle. Vor allem das Rotwild Naturdynamikzone („Kernzone“), Natur- oder der Strukturverbesserung dienten. Ebenso wurden Laubbaumpflanzungen durchgeführt, vor allem mit Buche. Dabei war der Einsatz moderner Forsttechnik im Gesamtgebiet üblich, so dass hier keine prinzipiellen oder ideologisch be- dingten Unterschiede feststellbar waren. Die Intensität der Eingriffe war allerdings unterschiedlich. So sind in dem Zeitraum von 1996 bis 2005 in Sachsen-Anhalt jährlich 1,3 fm/ha/Jahr eingeschlagen Abb. 3: Baumarten- worden, während sich in Niedersachsen verteilung im die Einschläge in doppelter Höhe, näm- Nationalpark lich bei 2,6 fm/ha/Jahr, bewegten. Noch Harz Pusch, A.: Waldentwicklung im Nationalpark Harz | 21

Abb. 4: Rotwildstreckenentwicklung im Nationalpark Harz Abb. 5: Terminaltriebverbiss bei Eberesche entwicklungszone und die Nutzungszone, 2. Naturdynamikzone 3. Naturentwicklungszone hier noch untergliedert in Erholungsbe- Es werden keinerlei geplante Maß- Nur hier werden waldbauliche reiche und die als Pflegebereiche zusam- nahmen durchgeführt. Zulässig sind Maßnahmen zur Unterstützung der mengefassten Bergwiesen, Bergheiden lediglich die Gewährung der Ver- zukünftigen natürlichen Entwicklung und Schwermetallrasen. kehrssicherheit sowie die Borkenkä- durchgeführt. ferbekämpfung zum Schutz benach- Die prozentuale Aufteilung auf die barter Wirtschaftswälder in einem Es handelt sich im Wesentlichen um wesentlichen Bereiche der Naturdyna- Grenzbereich von ca. 500 m Breite. durchforstungsartige Eingriffe zur Förde- mik- bzw. Naturentwicklungszone zeigt die Abb. 7.

Dabei ist zu bemerken, dass in Sachsen- Anhalt auf eine sehr kleinflächig auf- gegliederte Zonierung zugunsten einer großzügigeren Arrondierung verzichtet wurde. Das bedeutet, dass nicht alle Flä- chen der „Kernzone“ auch statistisch er- Naturdynamikzone fasst wurden und der tatsächliche Anteil Naturentwicklungszone dieses Bereiches um einige Prozentpunkte Nutzungszone (Erholungsbereich) höher liegt. Nutzungszone (Pflegebereich)

Die wichtigsten Grundsätze der Wald- entwicklungsmaßnahmen unterscheiden sich nun wesentlich in Abhängigkeit von der Zonierung. Sie wurden in einem sorgfältigen Diskussionsprozess unter Beteiligung des forstlich und naturschutz- fachlich ausgebildeten Personals erarbei- tet und bilden die Grundlage des zukünf- tigen Waldentwicklungskonzeptes.

Folgende Maßnahmen sind vorgesehen: 1. Nutzungszone Hier finden auf weniger als 1% der Abb. 6: Zonierung im Fläche Pflegemaßnahmen entspre- Nationalpark Harz chend der Zweckbestimmung statt, vor allem Mahd von Bergwiesen. 22 | Pusch, A.: Waldentwicklung im Nationalpark Harz

Abb. 7: Flächenanteile der Zonen

rung der Naturdynamik und Naturnähe. Darüber hinaus findet in der Naturent- Ziele sind dabei vor allem die Verbesse- wicklungszone noch Borkenkäfermanage- rung der Strukturvielfalt, Laubbaumför- ment statt, um in größeren Fichtenkom- derung, Verbesserung der ökologischen plexen die Waldentwicklung allmählicher Stabilität und der Sicherung des Lichtbe- ablaufen zu lassen und der Buche die darfs von Laubbaumpflanzungen. Dabei Chance auf ein natürliches Einwandern in wird auf das Abräumen der Althölzer die Fichtenalthölzer zu ermöglichen. verzichtet. Die Maßnahmen dienen nicht der Erreichung wirtschaftlicher Ziele. Weitere Bachrenaturierungen werden noch in begrenztem Umfang durchge- Der zweite Bereich waldbaulicher führt. Maßnahmen umfasst die Pflanzung von Laubbäumen. Hier werden auf Lücken Bei allen Waldentwicklungsmaßnahmen im Bestand, auf natürlich entstandenen gilt das Gebot, ein Drittel der Fläche Freiflächen oder unter dem Schirm des vom aktiven Eingriff auszunehmen, um Altbestandes Laubbäume gepflanzt, und im direkten Vergleich unter den unter- zwar in Abhängigkeit von der höhenzona- schiedlichsten Standortsbedingungen die len Situation. weiteren Abläufe beobachten zu können und gleichzeitig die Prozessschutzfläche In der submontanen und montanen Stufe zu vergrößern. werden Buchen und andere Mischbaum­ arten auf ca. 2/3 der zu entwickelnden Als Waldentwicklungsziel kann man die Fläche eingebracht. In der obermontanen Durchführung von Waldbaumaßnah- Stufe wird die Laubbaumeinbringung auf men zur Begleitung der Startphase einer ca. ein Drittel der Fläche beschränkt, da natürlichen Entwicklung bezeichnen, die Anschrift des Autors: hier natürlicherweise mit einer bereits langfristig von Fichtenforsten zu naturna- Andreas Pusch nennenswerten natürlichen Fichtenbeimi- hen Wäldern führt. Nationalparkverwaltung Harz schung zu rechnen wäre. Oberhalb von ca. Lindenallee 35 750-800 m Höhenlage wird auf Pflan- 38855 Wernigerode zungen verzichtet. Hertel, D.; Leuschner, C.: Konkurrenz zwischen Waldbäumen | 23

Dietrich Hertel & Christoph Leuschner, Göttingen Konkurrenz zwischen Waldbäumen – Interaktionsmechanismen im Kronen- und Wurzel- raum unter besonderer Berücksichtigung der Buche

Zusammenfassung Bodenraum vermieden wird. Artspezi- nismen dieser ausgeprägten Konkurrenz­ Die Artenzusammensetzung von mittel- fisch unterschiedliche räumliche Muster überlegenheit der Buche gegenüber ande- europäischen Waldgesellschaften wird der Kronenraumbesetzung können in ren Baumarten aufzuklären. In unserem wesentlich von der Konkurrenz zwischen Mischbeständen zur Vermeidung von me- Beitrag soll dargelegt werden, den für den Standort geeigneten Baum­ chanischen Interaktionen zwischen den (a) welche Mechanismen der oberirdi- arten bestimmt. In Mitteleuropa ist die Zweigen konkurrierender Baumindividu- schen Konkurrenzüberlegenheit der Rot- große Konkurrenzkraft der Rotbuche en führen und die Koexistenz erleichtern. buche zugrunde liegen, (b) welche Rolle entscheidend dafür, dass weite Bereiche die Konkurrenz der Buche zu anderen der potentiellen natürlichen Vege­tation Baumarten im Wurzelraum spielt und von Buchenwäldern eingenommen Einleitung (c) welche Umstände eine längerfristige werden. Offensichtlich spielen dabei Für die natürliche Waldentwicklung Koexistenz anderer Baumarten mit der sowohl ober- wie unterirdische Konkur­ spielen im Bereich des Nationalparks Buche ermöglichen. renzprozesse eine wichtige Rolle. Im Harz ebenso wie an anderen Waldstand- Kronenraum entscheidend ist die ver- orten Mitteleuropas Konkurrenzprozesse glichen mit anderen Baumarten sehr zwischen Bäumen eine entscheidende Definitionen von Konkurrenz geringe Strahlungstransmission durch die Rolle. Dabei sind in den unteren und Der Begriff „Konkurrenz“ wird in der Buchenkronen, die die Etablierung von mittleren Berglagen des Harzes vor allem pflanzenökologischen Literatur in Jungwuchs anderer Baumarten am Wald- Interaktionen zwischen der Rotbuche unterschiedlicher Bedeutung gebraucht. boden verhindert. Diese wird ermöglicht (Fagus sylvatica L.) und einigen anderen Begon et al. (1998) definieren in ihrem durch die Tatsache, dass die Kosten Baumarten von besonderer Bedeutung, grundlegenden Lehrbuch Konkurrenz zum Aufbau eines entsprechend dichten da diese Gebiete innerhalb des mitteleu- als eine Wechselbeziehung zwischen Blätterdaches im Falle der Buche deut- ropäischen Dominanzbereichs der Buche zwei (oder mehr) Individuen, bei der lich günstiger als bei anderen Baumarten liegen. Die Vorherrschaft der Rotbuche in die Vitalität (bzw. die Fitness) beider sind. Im Bodenraum erreicht die Buche weiten Teilen Mitteleuropas vom Tief- Partner vermindert wird. Diese enge Konkurrenzüberlegenheit durch mehrere land bis in die montane Stufe hinein ist Definition von Konkurrenz, bei der beide Faktoren: (1) eine hohe Feinwurzeldich- einerseits durch die im Vergleich zu vielen Konkurrenten negativ beeinflusst wer- te und -gesamtmasse, (2) die expansive anderen Baumarten sehr breite Ampli- den, wird allerdings selten angewendet, Erschließung des Wurzelraumes und (3) tude von Standorten begründet, die von da sie in dieser symmetrischen Form überlegenes Wurzelwachstum in direkter ihr besiedelt werden (Ellenberg 1996, offenbar eher selten in der Natur ange- Nachbarschaft zu artfremden Wurzeln, Leuschner 1997, Leuschner 1999a). troffen wird. Häufiger sind dagegen stark dessen Ursachen noch nicht vollständig Dass sie an nahezu allen diesen Standor- asymmetrische Interaktionen, bei denen verstanden sind. ten auch zur Dominanz gegenüber den einer der Konkurrenten in seiner Fitness anderen Baumarten gelangt, ist dagegen beeinträchtigt wird, während der andere Koexistenz anderer Laubbaumarten mit auf die große Konkurrenzkraft der Buche einen Konkurrenzvorteil erzielt. Diesem der Buche ist vor allem dort möglich, zurückzuführen (Ellenberg 1996, Bild eher entsprechend ist die Definition, wo ein hoher Steingehalt im Boden zu Leuschner 1998). In den vergangenen wonach sich Konkurrenzüberlegenheit einer räumlichen Trennung der Wurzel­ Jahren sind verstärkt Anstrengungen einer Art oder eines Individuums in der systeme führt und Konkurrenz im unternommen worden, um die Mecha- Verdrängung einer anderen Art bzw. eines 24 | Hertel, D.; Leuschner, C.: Konkurrenz zwischen Waldbäumen

Quadratmeter Bestandesfläche und Tabelle 1: Relativer Lichtgenuss (% der Freilandstrahlung) am diese Kosten steigen exponentiell hin zu Waldboden unter Kronen verschiedener mitteleuropäischer Kronendächern mit noch stärkerer Schat- Baumarten. Angegeben sind Mittelwert sowie gemessene tenerzeugung (Hagemeier 1997). Wie Minima und Maxima. Nach Hagemeier 1997, verändert. das Beispiel von Eiche und Buche zeigt, unterscheiden sich die Investitionskos- Baumart Relativer Lichtgenuss ten in schattenerzeugende Baumkronen unterhalb der Baumkronen (%) deutlich zwischen verschiedenen Baumar- Betula pendula 22 (7-52) ten. Ein Vergleich dieser Ressourcenauf- Pinus sylvestris 10 (7-29) wendungen zwischen unterschiedlichen Quercus petraea 9 (2-21) Baumarten von Hagemeier (2002) Fraxinus excelsior 7 (2-16) zeigt, dass beispielsweise die jährlichen Tilia cordata 2 (1-4) Kosten an Stickstoff zur Blattausbildung Fagus sylvatica 2 (2-5) in einem Kubikmeter Kronenvolumen unter den untersuchten Baumarten am höchsten im Falle der Waldkiefer (Pinus sylvestris) mit 0,55 mol N m-3 ist, gefolgt Individuums infolge höherer Produktivi- ten. In dieser Eigenschaft kommt ihr in von der Hainbuche (Carpinus betulus) mit tät und einer größeren Ressourcenausnut- Mitteleuropa allein die Linde (Tilia corda- 0,42 mol N m-3, worauf die Arten Betula zung äußert (Grime & Hodgson 1987, ta) gleich: Unter dem Blätterdach dieser pendula, Quercus petraea und Tilia cordata Thompson 1987). Diese Definition be- beiden Baumarten werden oft nur bis zu mit je ca. 0,28 mol N m-3 folgen. Demge- schreibt nicht allein die Asymmetrie von zwei oder noch weniger Prozent der von genüber erwiesen sich die Stickstoffinves- Konkurrenzprozessen, sondern betont oben auf den Waldbestand einfallenden titionen für das gleiche Kronenvolumen auch die Bedeutung der damit verbunden Sonnenstrahlung gemessen, während un- der Rotbuche von 0,07 mol N m-3 als Verringerung von für das Pflanzenwachs- ter den meisten anderen Baumarten weit weitaus geringer gegenüber denen der tum wichtigen Ressourcen (z.B. Strah- strahlungsreichere Bedingungen vorzu- potentiellen Konkurrenten (Abb. 1). Es lung, Nährstoffe, Wasser). Abgesehen von finden sind (z.B. 7 % relativer Lichtgenuss zeigt sich demnach aus diesen Ergebnis- mechanischen oder indirekten Kon- im Falle der Esche, Tab. 1). Dieser Befund sen, dass die Rotbuche nicht nur über kurrenzwirkungen lassen sich aufgrund belegt nicht nur die offenbar sehr effizien- wirksame Mechanismen einer effizienten der Ressourcenkonkurrenz kompetitive te Strahlungsausnutzung der Buche (und Strahlungsausnutzung im Blattwerk der Interaktionen zwischen Pflanzenindi- der Linde), sondern hat auch weitgehende Baumkronen verfügt, die zu einer Ein- viduen auch getrennt nach den unter- Konsequenzen für die Verjüngung der schränkung der verfügbaren Strahlungs- schiedlichen Pflanzenorganen analysieren, Buche und ihrer Konkurrenten. Diesbe- energie für den Jungwuchs insbesondere also beispielsweise Konkurrenz­prozesse zügliche Untersuchungen haben gezeigt, anderer Baumarten am Waldboden im Kronenraum gegenüber solchen im dass vitale Jungpflanzen der Buche unter führen, sondern dass dieser Mechanis- Wurzelsystem von Bäumen (Leuschner dem gesamten Helligkeitsspektrum am mus der starken Strahlungsabsorption 1999b). Boden anderer Baumarten, wie z.B. der darüber hinaus bei der Buche bei weitem Traubeneiche, gedeihen können, während kostengünstiger als bei anderen, potentiell der Jungwuchs dieser anderen Baumar- konkurrierenden Baumarten ist. Mechanismen der oberirdischen Kon- ten am Boden unter den Buchenkronen kurrenzüberlegenheit der Rotbuche aus Lichtmangel nicht existieren kann Seit längerem ist bekannt, dass die Rot- (Hagemeier 1997). Allerdings muss Welche Rolle spielt die Konkurrenzstär- buche insbesondere oberirdisch gegen- berücksichtigt werden, dass diese Strah- ke der Buche im Wurzelraum gegenüber über anderen Baumarten sehr konkur- lungsabsorption durch das Blattwerk mit anderen Baumarten? renzstark ist (Ellenberg 1996, Leu- entsprechenden Kosten im Sinne der Viel weniger als über die Mechanismen schner 1998). Dabei spielt vor allem die Kohlenstoff- und Nährstoffinvestition der oberirdischen Konkurrenzkraft der Fähigkeit der Buche eine große Rolle, mit des Baumes in die Blätter verbunden ist. Rotbuche ist über kompetitive Interaktio- dem Blattwerk der Krone effektiv die ein- So benötigen Buche und Traubeneiche nen der Buche gegenüber anderen Baum- fallende Sonnenstrahlung zu absorbieren zur Absorption von 90 % der Sonnen- arten im Wurzelraum bekannt. Dies und somit die Bodenbereiche unterhalb strahlung durch die Blätter 8 bzw. 15 ist sicherlich in erster Linie durch die der Buchenkronen sehr stark zu beschat- Mol des assimilierten Kohlenstoffs je ungünstige Ausgangssituation der in der Hertel, D.; Leuschner, C.: Konkurrenz zwischen Waldbäumen | 25

Regel nur indirekt beobachtbaren Ver- hältnisse des Wurzelsystems im Boden bedingt. Dennoch liegen schon seit vielen Jahrzehnten detaillierte Untersuchungen zur Morphologie des Grobwurzel­systems verschiedener Baumarten vor. So ist bekannt, dass sich das Grobwurzelsystem (Wurzeln von 5-70 mm Durchmesser) der Buche durch eine mäßig oberflächen- nahe Ausdehnung (sog. „Herzwurzelsys- tem“) beispielsweise von den eher flach- streichenden Grobwurzeln der Kiefer oder dem tiefwurzelnden Grobwurzelsys- tem der Eiche unterscheidet (Hilf 1927, Köstler et al. 1968). Dagegen war lange Zeit über die Interaktionen im sog. „Fein- wurzelsystem“ (Wurzeln < 2 mm Durch- messer) nur wenig bekannt. Dabei stellt Abb. 1: Jährliche Kosten an Stickstoff zur Bildung von Blättern je Kubikmeter Kronen- das Feinwurzelsystem von der Biomasse volumen der Altbäume von sechs verschiedenen mitteleuropäischen Baumarten. Nach Hagemeier 1997, verändert. her zwar einen eher unbedeutenden Teil des Baumes dar, ist durch seine Funktion der Wasser- und Nährstoffaufnahme so- nährstoffarmen Mineralboden (Büttner Flächen durchaus ähnlich hohe Feinwur- wie als Kohlenstoffsenke aber ein ökolo- & Leuschner 1994, Hertel 1999, zeldichten der Eiche aufweisen wie die gisch gesehen äußerst bedeutendes Organ Leuschner et al. 2001). Untersuchun- beiden anderen Bestandestypen, in denen des Baumes (Fitter 1996, Vogt et al. gen der Verteilung der Feinwurzeldichte Buchenstämme in größerer Zahl präsent 1996). Anders als bei den Grobwurzeln im Zwischenstammbereich von Buche waren (Abb. 2). Tatsächlich lässt sich kann man im Falle des Feinwurzelsystems und Eiche in diesem Altbestand haben auch experimentell eine aktive Verdrän- oft keine artspezifisch unterschiedliche außerdem gezeigt, dass die Buchenfein- gung der Eichenfeinwurzeln durch die Differenzierung der Feinwurzelmasse in wurzeln selbst in der organischen Auflage anwesenden Buchenfeinwurzeln nachwei- unterschiedliche Bodentiefen feststellen. in unmittelbarer Nähe der Eichenstämme Es besteht vielmehr eine einheitliche massenmäßig dominieren (Hertel & Präferenz der Feinwurzeln für die ober- Leuschner 1998, Hertel 1999, Leu- flächennächsten Bodenhorizonte, was schner et al. 2001). Dies kann damit damit zusammenhängen dürfte, dass in erklärt werden, dass die Buchenfeinwur- diesen Bodenbereichen stets die höchste zeln die mächtigere organische Auflage Freisetzung von Nährstoffen (wie z.B. in der Nähe von Eichenstämmen durch des Stickstoffs) infolge von Mineralisa- eine Zunahme der Dichte an Feinwurzeln tionsprozessen stattfindet. Dementspre- stärker erschließen, als dies die Feinwur- chend haben Untersuchungen in einem zeln der Eiche tun (Hertel 1999). Im Buchen-Eichen-Mischbestand auf sehr Gegenteil kommt es durch die Anwesen- nährstoffarmen Böden in der Lüneburger heit von Buchenfeinwurzeln offenbar zu Heide gezeigt, dass dort tatsächlich eine einer Verdrängung von Eichenfeinwur- deutliche vertikale Differenzierung des zeln, wie der Vergleich von Beständen mit Grobwurzelsystems beider Baumarten Buchendominanz und solchen gleicher zu erkennen ist, dass die Buchen- und Mischungsverhältnisse von Buche und Abb. 2: Masse lebender Feinwurzeln von Buche Eichenfeinwurzeln jedoch unabhängig Eiche oder deutlicher Eichendominanz und Traubeneiche je Quadratmeter Bestan- von ihrer Artzugehörigkeit ihre größ- zeigt: Bei gleicher Mischung von Buche desboden in Altbeständen mit Buchendo- te Dichte in der ca. 10 cm mächtigen und Eiche erreichen die Buchenfein- minanz (links), Eichendominanz (rechts) und gleichmäßig gemischten Eichen-Bu- organischen Auflage ausbilden, da dort wurzeln dasselbe Dominanzverhältnis chenbeständen (Mitte) auf nährstoffarmen ungleich günstigere Wachstumsbedin- wie in buchendominierten Beständen. Sandböden der Lüneburger Heide. Nach gungen vorherrschen als im sehr sauren, Dagegen können eichendominierte Hertel 1999, verändert. 26 | Hertel, D.; Leuschner, C.: Konkurrenz zwischen Waldbäumen

sen, wie Versuche unter Zuhilfenahme das Ausweichen vor direkter Konkurrenz von Buche und Winterlinde (Abb. 3). Im von in situ Wurzelwachstumskammern durch die Nachbarn gibt. Falle der Esche führt die höhere Position gezeigt haben (Hertel 1999, Hertel des größten Teils der Baumkrone (bei & Leuschner 2006). Die beschriebenen In Mitteleuropa ist das natürliche Vor- zugleich auch etwas größerer Gesamthö- Untersuchungen machen deutlich, dass kommen von Mischwäldern aufgrund der he des Baumes) zu einer Vermeidung von die Rotbuche offenbar nicht nur oberir- oben geschilderten Konkurrenzmechanis- direkter mechanischer Interaktion durch disch sehr konkurrenzstark ist, sondern men der Rotbuche eine Ausnahme. Eines die koexistierenden Baumarten in der dass das Feinwurzelsystem der Buche der größten in Deutschland existierenden Nachbarschaft und gleiches dürfte auch in seinem Wachstum sehr plastisch und Mischwaldgebiete mit Buchenbeteiligung für die tiefliegende Krone der Hainbu- zudem invasiv ist, was zur Verdrängung liegt im Nationalpark Hainich (Thürin- che gelten. Dagegen befinden sich große der Feinwurzeln anderer Baumarten, wie gen). Dort kommen, im Wesentlichen Teile der Baumkrone von Buche und denen der Traubeneiche, führt. bedingt durch die frühere Mittelwald- Winterlinde in der gleichen Höhe, wo wirtschaft, heute großflächig bis zu 14 es in direkter Nachbarschaft der beiden verschiedene Baumarten nebeneinander Arten auch tatsächlich zu einer starken Welche Umstände erlauben eine längerfris- vor. Unter ihnen nehmen Esche, Winter- mechanischen Beeinträchtigung der tige Koexistenz verschiedener Baumarten? linde, Hainbuche, Berg- und Spitzahorn, Lindenkrone (z.B. in Form des Abbruchs Ein dauerhaftes Zusammenleben verschie- Rotbuche, Stieleiche und Bergulme die von Spitzentrieben) durch eindringende dener Baumarten sollte dort möglich sein, bedeutendsten Anteile an der gesamten Buchenäste kommt (Frech 2006). Bei wo die Konkurrenzmechanismen zwischen Stammzahl ein. In diesen Mischbestän- der Betrachtung der räumlichen Struk- verschiedenen Individuen nicht zu einer den sind in den vergangenen Jahren inten- turierung des Kronenraums solcher Verdrängung eines (oder mehrerer) Nach- sive Studien zu den oberirdischen Kon- Mischbestände muss allerdings auch die barindividuen führt. Dies ist dem sog. „Dy- kurrenzverhältnissen der unterschied- Beschattung infolge der Überschirmung namicequilibrium model“ von Huston lichen Baumarten in Abhängigkeit von durch höhergelegene Kronen anderer (1979, 1994) zu Folge unter mittlerem bis der jeweiligen Nachbarschaftssituation Baumarten mitberücksichtigt werden. So geringem Konkurrenzdruck zwischen den durchgeführt worden (Frech et al. 2003, hat die hohe Position der Eschenkronen Individuen und/oder mäßiger bis geringer Frech 2006). Die aufwendigen Vermes- offenbar kaum einen negativen Effekt auf Störungsintensität am Standort gegeben. sungen der Stamm- und Kronenarchitek- die niedriger gelegenen Kronen der be- Tilman (1994) betont in seinem „Habitat tur verschiedener Baumarten in Konkur­ nachbarten Baumarten, was insbesondere subdivision model“ dagegen die Bedeutung renz zu unterschiedlichen Nachbarn daran liegen sollte, dass die Strahlungsab- der Heterogenität von reichstrukturierten haben unter anderem gezeigt, dass es zwi- sorption der Esche – wie oben gezeigt – Standorten als entscheidenden Faktor schen Individuen der selben Art zu einer deutlich geringer ist als die beispielsweise für die Existenz artenreicher Pflanzen- Vermeidung großräumiger Überlappung der Buche oder der Winterlinde. Dagegen bestände, da es dort Möglichkeiten für in der Krone kommt, während zwischen hat die starke Strahlungsabsorption Individuen unterschiedlicher Baumarten gerade dieser letztgenannten Baumarten oft ein deutliches Eindringen der Krone einen deutlich negativen Einfluss auf der einen in diejenige der anderen Art benachbarte Hainbuchen mit ihren sehr zu beobachten ist (Frech et al. 2003). niedrigen Baumkronen (Frech 2006). Die artspezifischen Unterschiede in der Diese Ergebnisse lassen annehmen, dass oberirdischen Baumstruktur erlauben es dieser Mechanismus zur Vermeidung den Baumarten jedoch in manchen Fällen, direkter mechanischer Kroneninteraktio- einer direkten mechanischen Interaktion nen zumindest in bestimmten Fällen der durch den Nachbarn einer anderen Bau- Koexistenz der Arten förderlich ist. mart auszuweichen. So liegt die maximale horizontale Ausdehnung der Baumkrone Zu den wenigen Standorten, wo es in der Esche im Mittel in 23,5 m Höhe und der potentiellen natürlichen Vegetati- damit ca. 5 Meter über derjenigen der on Mitteleuropas zu einer dauerhaften Abb. 3: Mittlere Höhe der maximalen horizontalen Ausdehnung der Baumkrone von Esche, Rotbuche (19,0 m) und der Winterlinde Mischung verschiedener Laubbaumarten Buche, Winterlinde und Hainbuche in (18,5 m). Die mittlere Höhe der maxima- mit der Rotbuche kommt, zählen bewal- Altbeständen des Nationalparks Hainich len Kronenausdehnung der Hainbuche dete Blockschutthalden. Namentlich auf (Thüringen). Dargestellt sind Median und Quartilabstände inkl. Maximum und liegt sogar nur bei 10,5 m und damit Basalt-Blockschutthalden stellen sich sta- Minimum. Nach Frech 2006, verändert. noch weitere 8-9 Meter unter derjenigen bile Mischungen aus vor allem Sommer- Hertel, D.; Leuschner, C.: Konkurrenz zwischen Waldbäumen | 27

bzw. Winterlinde, Berg- und Spitzahorn, 185 g Feinerde je Liter Bodenvolumen. Literatur Rotbuche, Esche und Bergulme ein. Einer Dass dieser Mangel an vorhandenem Fein- Begon, M.; Harper, J.L. & Townsend, dieser Mischbestände wurde in der Um- boden Auswirkungen auf die räumliche C.L. (1998): Ökologie. Spektrum Akade- gebung von Zierenberg in Nord-Hessen Ausprägung des Feinwurzelsystems der mischer Verlag, Heidelberg. beispielhaft hinsichtlich der herrschen- Bäume hat, zeigt sich in einer verglichen den Konkurrenzverhältnisse untersucht mit anderen Laubbaumbeständen weit Büttner, V. & Leuschner, Ch. (1994): (Hölscher et al. 2002, 2003). Der unterdurchschnittlichen Feinwurzeldichte Spatial and temporal patterns of fine root Mischwald stockt auf stark geneigtem dieses Bestandes (ca. 0,6 g Feinwurzelbio- abundance in a mixed oak-beech forest. Untergrund aus Basalt-Blockschutt. Die masse je Liter Bodenvolumen). Betrachtet For. Ecol. Manage. 70, 11–21. Artenzusammensetzung wird bezüglich man jedoch nur die zerstreut vorkommen- der Stammzahl je Hektar angeführt von den Bodenstellen, an denen sich eine nen- Ellenberg, H. (1996): Vegetation Mit- der Sommerlinde (46 %), gefolgt von der nenswerte Menge an Feinboden gebildet teleuropas mit den Alpen. 5. Aufl. Ulmer Buche (24 %) und der Esche (15 %) sowie hat, so ist dort die Feinwurzeldichte enorm Verlag, Stuttgart. Spitz- und Bergahorn (zusammen 13 %) hoch (6,8 g L-1): Die Feinwurzeln konzen­ und einigen Bergulmen. Trotz der auf die trieren sich offenbar an diesen Stellen, an Fitter, A. (1996): Characteristics and Individuenzahl bezogenen Unterlegenheit denen eine adäquate Nährstoffversorgung functions of root systems. In: Waisel, Y., der Buche gegenüber der Linde, erreicht gewährleistet ist. Da die horizontale Eshel, A., Kafkafi, U. (eds.): Roots. die Buche jedoch eine überdurchschnitt- Erstreckung des Feinwurzelsystems der The Hidden Half. 2nd ed. pp. 1-20. Mar- liche Kronenraumbesetzung in diesem einzelnen Baumindividuen beispiels­ cel Dekker, New York. Bestand: Mit einem Blattflächenindex weise von Buche und Linde hier jedoch ab (LAI) von 2,5 m2 Blattfläche je 2m einer Stammdistanz von ca. drei Metern Frech, A. (2006): Walddynamik in Bodenfläche nimmt sie einen größeren deutlich abnimmt und ab 6 m Abstand die Mischwäldern des Nationalparks Hai- Anteil (42 %) am Blattflächenindex des Feinwurzeldichte auf nahezu null absinkt, nich: Untersuchung der Mechanismen gesamten Bestandes ein als die häufiger kommt es in diesem Bestand offenbar erst und Prognose der Waldentwicklung. Ber. auftretende Linde (2,4 m2 m-2 = 40 %), gar nicht zur Überlappung der Feinwurzel- Forschungszentrum Waldökosysteme was insbesondere auch auf die deutlich systeme. Die Untersuchung einer größeren Univ. Göttingen, Reihe A, Bd. 196. 120 S. größere mittlere Kronenschirmfläche der Zahl an Bodenproben zeigte tatsächlich, Buche von 86 m2 gegenüber 67 m2 bei der dass in mehr als 20 % der untersuchten Linde zurückzuführen ist (Hölscher Bodenproben überhaupt keine Baum­fein­ et al. 2002). Die anderen auftretenden wurzeln enthalten waren und in mehr als Baumarten spielen bei diesem Vergleich 60 % Feinwurzeln allein einer einzigen eine nur untergeordnete Rolle. Warum Baumart vorkamen (Abb. 4). Nur in 17 % gelangt die Buche trotz dieser Tendenz, der untersuchten Bodenbereiche traten oberirdisch überdurchschnittlich viel Feinwurzeln von zwei oder mehr Baum­ Kronenraum einzunehmen, nicht zur Do- arten auf. Das bedeutet, dass auf nur 17 % minanz in diesem Bestand? Ein Schlüssel der Bestandesgrundfläche dieses Mischbe- zur Beantwortung dieser Frage scheint standes potentiell Wurzelkonkurrenz zwi- in der fehlenden Möglichkeit der Buche schen den unterschiedlichen Baumarten zur äquivalenten Ausprägung von hohen möglich ist. In allen anderen Bereichen des Feinwurzeldichten im Wurzelraum dieses Bestandes führt die stark heterogene Fein- Bestandes zu liegen. Der Boden dieses erdeverteilung dazu, dass sich die Feinwur- Standortes ist – wie bei vielen derarti- zelsysteme der Baumarten nicht überlap- gen Basalt-Blockschutthalden – durch pen und insbesondere die Buche ihre oben einen hohen Steingehalt (57 Vol%) beschriebene große Konkurrenzstärke im gekennzeichnet. Viele Zwischenräume Wurzelraum gegenüber den anderen Arten sind zudem von Luft erfüllt, so dass offenbar nicht ausspielen kann. Es ist also der Feinerdeanteil des Bodens lediglich anzunehmen, dass das weitgehende Fehlen Abb. 4: Relative Häufigkeit von Bodenproben, in 35 g L-1 erreicht – ein sehr niedriger Wert von Wurzelkonkurrenz in diesem Bestand denen keine Baumfeinwurzeln bzw. Fein- wurzeln von 1, 2 oder 3 Baumarten im verglichen beispielsweise mit einem weni- eine große Bedeutung für die dauerhafte Mischbestand „Schreckenberg“ auf Basalt- ge hundert Meter weit entfernt liegenden Koexistenz der unterschiedlichen Baumar- Blockschutt bei Zierenberg (Nordhessen) buchendominierten Waldbestand mit ten hat. gefunden wurden. 28 | Hertel, D.; Leuschner, C.: Konkurrenz zwischen Waldbäumen

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Michael Petrak, Bonn Nationalparke als Teillebensräume für große Wildtiere am Beispiel des Rotwildes

Das Leitbild für Nationalparke heißt: Lebensraumberuhigung, die alle Aktivitä- sprüchliche Befunde und Einschätzungen Natur Natur sein lassen und Natur­ ten im Nationalpark einschließen muss. erklärbar. Während noch vor wenigen erlebnis unter der Voraussetzung, dass Jahren das Schalenwild vielfach als Pro- dies mit dem Schutzziel vereinbar ist. blem für die Nationalparkentwicklung Das Rotwild ist die größte Wildart in 1. Einleitung gesehen wurde (Fönad 1997) ist die Mitteleuropa und eignet sich als stör- Verhalten, verstanden als Rahmen der Einschätzung jetzt dem Ansatz zu einem empfindliche große Säugerart als Leitart stammesgeschichtlich gewachsenen sachgerechten Management gewichen für eine Lebensraumberuhigung, die Antwortmöglichkeiten auf eine sich stän- (Europarc 2003). Die zentrale Bedeu- auch zahlreichen anderen Arten zugute dig ändernde, vom Menschen bewusst tung der Raumordnung unterstreichen kommt. Nahrungs- und Feindverhalten, oder unbewusst manipulierte Umwelt die Befunde aus dem Schweizer National- die in der Verbreitung der Art dokumen- (Sprankel 1982) setzt den Rahmen zur park, die einen positiven Einfluss des Rot- tierte Anpassungsfähigkeit, ökologische Integration des Rotwildes in den Natio­ wildes sowohl für die Entwicklung der Einnischung und saisonaler Lebensraum- nalpark. Wesentlich ist hier, ob und in von Mensch und Tier geprägten Heiden wechsel setzen die Rahmenbedingungen welchem Umfang die Lebensansprüche und Rasen als auch die Waldverjüngung zur Integration des Rotwildes in den des Rotwildes im jeweiligen National- dokumentieren (Krüsi et al. 1998). Nationalparken. Das Rotwild kommt park erfüllt werden können und welchen als größtes einheimisches Wildtier in Stellenwert dieser auf Populationsebene allen Nationalparken mit Ausnahme des in der Raumnutzung des Rotwildes 2. Material und Methode Wattenmeeres vor. Die Übersicht der einnimmt. Strategien zur Integration des Ausgehend von den Befunden zur Öko- Nationalparke in Deutschland zeigt, dass Rotwildes, aber auch der anderen großen logie, zum Verhalten und zur Physiologie diese in der Regel nur Teillebensräume Schalenwildarten, in den Nationalparken des Rotwildes wird das Thema anhand im Gesamtlebensraum der Rotwild- müssen an der Einsicht einsetzen, dass es ausgewählter Fallbeispiele erläutert und populationen abdecken und besondere keine linearen Beziehung zwischen dem interpretiert. Grundlagen hierzu sind Anforderungen auch daraus resultieren, Einfluss der in Frage stehenden Wildtiere Untersuchungen zu den Wechselbezie- dass für die Integration des Wildes die auf den Lebensraum und der Bestandes­ hungen zwischen Mensch und Wildtier Gewährleistung des jahreszeitlichen höhe gibt und andererseits Kriterien und Vegetation sowie eigene Beobach- Lebensraumwechsels entscheidend ist. für Nationalparke zweifellos auch sind, tungen und Einblicke insbesondere in die Dort, wo das Rotwild im Zuge eines inwieweit Wildtiere hier in der Lage sind, Nationalparke Bayerischer Wald, Berch- saisonalen Lebensraumwechsels den ihre stammesgeschichtlich gewachsenen tesgaden, Harz, Kellerwald und Eifel. Nationalpark nicht vollständig verlässt – Lebensansprüche auch zu realisieren, und dies ist die Regel – ist auch lang- und sie damit auch beobachtbar sind (vgl. fristig eine Wildbestandsregulierung in Petrak 1996, 2001). 3. Überlebensstrategien des Rothirsches den Nationalparken notwendig. Weitere 3.1. Verbreitungsareale – Hinweis auf die Maßnahmen sind ein Monitoring zu den Eine Schlüsselrolle kommt hier der Anpassungsfähigkeit Wechselbeziehungen zwischen Wild und Raumnutzung zu, sowohl für die Integra- Die circumpolare Verbreitung des Rot­ Vegetation in den Nationalparken und tion des Rotwildes als auch als Prüfgröße wildes bzw. der Verwandten des Rot- eine Anpassung der Jagd an die Zielset- für das praktische Nationalparkmanage- hirsches unterstreicht nachhaltig die zung der Parke sowie eine großräumige ment. So werden auch scheinbar wider- Anpassungsmöglichkeiten sowohl an die 30 | Petrak,M.: Nationalparke als Teillebensräume für groSSe Wildtiere

Abb. 1: Wildwiederkäueräsungstypen (HOFMANN 1995)

naturräumlichen Voraussetzungen als nal besonders anpassungsfähig. Pansen- res Sozial- und Altersklasse, Kondition auch die vom Menschen geschaffenen struktur und Äsungsrhythmus bedingen und Konstitution sowie die Jahreszeit Rahmenbedingungen. Das Rotwild ist einander (Hofmann 1995). Darüber und das davon abhängige Gesamtnah- hinsichtlich der von ihm besiedelten Kli- hinaus kommt dem Pansen eine wesent- rungsangebot des Lebensraumes sowie die mazonen sehr anpassungsfähig (Bützler liche Funktion bei der Feindvermeidung Tageszeit und der Einfluss des Menschen 2001; Müller 1984). zu. Der Pansen ermöglicht eine wesent- (Petrak 1993, 1999; Schulze 1998). liche Verkürzung der zur Nahrungsauf- nahme im offenen Gelände benötigten 3.2. Das Schema der Wildwiederkäuer Zeit. 3.3.Saisonaler Lebensraumwechsel – Die Anpassung der Äsungstypen (Abb. 1) Schlüssel zur Lebensstrategie und zur (v. l. n. r: Reh, Elch, Gams, Steinbock, In Verbindung mit Nationalparken und Integration des Rotwildes Rothirsch, Damhirsch, Wisent, Mufflon, Rotwild werden meist die aus der Nah- Für das Verständnis der Wechselbe- Auerochse) deren Anpassungsbreite rungswahl resultierenden Wechselwir- ziehungen zwischen einer Rotwildpo- durch die Länge der Grundfläche ange- kungen diskutiert. Wichtige Faktoren, die pulation und ihrem Lebensraum unter deutet ist, zeigt deutliche Unterschiede in die Beäsungsintensität einer bestimmten ursprünglichen Rahmenbedingungen den Strategien zur Nahrungswahl. Das Pflanzenart zu einer definierten Zeit be- kommt dem saisonalen Lebensraumwech- Reh steht am linken, der Auerochse am stimmen, sind neben der Beliebtheit der sel eine Schlüsselrolle zu (National- rechten Ende des Spektrums; Rehwild betreffenden Pflanze ihr phänologischer parkverwaltung Berchtesgaden kann auch ersatzweise von rohfaser­ Zustand zum Zeitpunkt der Beäsung, 1994). Der paläoökologische Befund, dass reicher Äsung nicht existieren, das Rind das Artenspektrum der Pflanzengemein- die Gattung Cervus im Unterschied zu geht ohne Raufutter ein. Das Rotwild als schaft, die angrenzenden Pflanzenge- anderen Arten wie z.B. Mammut, Rentier, Intermediärtyp ist jahreszeitlich – regio- meinschaften und aus Sicht des Wildtie- Polarfuchs, Wildschwein und Waldelefant Petrak,M.: Nationalparke als Teillebensräume für groSSe Wildtiere | 31

sowohl in den Tiergesellschaften der Käl- 4.000 ha großen Naturschutzgebiet des und 1970 haben sich im Durchschnitt testeppen als auch der Waldgesellschaften Hohen Venns (Dreze & Schumacher pro Jahr etwa doppelt so viele Bergföhren als wesentlicher Bestandteil vorkam, 1986) und den benachbarten Wäldern, etabliert, wie zwischen 1914 und 1930, spiegelt die hohe ökologische Valenz wo das Rotwild im Winter aus den Lagen als die Alp weder bewirtschaftet noch von der damaligen Formen des Rothirsches von über 600 m NN in die tieferen Lagen den Hirschen genutzt wurde (Krüsi et wider und gibt auch einen Hinweis auf im Bereich von Eupen von rund 200 bis al. 1998). die Anpassungsfähigkeit des rezenten 300 m zieht. Rothirsches an verschiedene Lebensräu- Die stammesgeschichtliche Prägung des me (Wagenknecht 2000). Wie wichtig dieser saisonale Lebens- Rothirsches als Bewohner halboffener raumwechsel sowohl für die Vegetation Waldsteppenlandschaften zeigt sich auch Genauso wie die Rothirschvorfahren, als auch die Möglichkeiten des Wild- noch heute in den Mustern der Lebens- die die Eiszeiten in den großen Flusstä- managements in Verbindung mit den raumnutzung. Dies zeigt sich beispielhaft lern überlebt haben, weicht das Rotwild Nationalparken ist, zeigt das Beispiel des im Nationalpark Eifel. auch heute noch – wo dies durch den Schweizer Nationalparks, der bis heute Menschen nicht verhindert wird – aus ein saisonaler Aufenthaltsraum für das Auf der Dreiborner Hochfläche des Na- den Hochlagen in die tieferen Lagen aus. Rotwild geblieben ist, dessen Bestände tionalparks Eifel nehmen die Offenland- Dabei werden bevorzugt Höhenlagen außerhalb des Nationalparks reguliert flächen insgesamt etwa 53 % des Lebens- zwischen 200 und 300 m bzw. darunter werden. Der saisonale Aspekt trägt hier raumes ein (Abb. 2). Die Dokumentation aufgesucht. Dieser saisonale Lebensraum- entscheidend zum Verständnis der Wech- der Raumnutzung des äsenden Rotwildes wechsel entlastet im Winter die Klimax- selbeziehungen zwischen Rothirsch und belegt eindrücklich die Bedeutung der gesellschaften von der Nahrungsaufnah- Lebensraum bei. So wird auch verständ- offenen Lebensräume für die Nahrungs- me und bedeutet im Hinblick auf die Re- lich, dass in den intensiv beästen Berei- wahl. Ein Vergleich gemähter Flächen generationsfähigkeit und das Vorkommen chen von Alp Stabelchod sich die Zahl mit den durch die Schafbeweidung offen zahlreicher Pflanzenarten wie Weiden in der Gefäßpflanzenarten im Mittel auf gehaltenen Flächen zeigt im Jahresverlauf den Auwaldgesellschaften eine wechsel- den Dauerbeobachtungsflächen seit 1941 deutliche Unterschiede: Gemähte Flächen seitige Optimierung zwischen den Glie- mehr als verdoppelt hat. sind während des gesamten Jahres beim dern des Ökosystems und den Wildbe- Rotwild beliebter. Entscheidend ist ständen. Die Bedeutung der winterlichen Darüber hinaus haben dendrochronolo- jedoch, dass die Nutzung der offenen Flä- Talwanderungen im Zuge der saisonalen gische Untersuchungen in den waldrand- chen Voraussetzung sowohl für die Beob­ Lebensraumwechsel lässt sich auch heute nahen Weidenbereichen belegt, dass eine achtbarkeit des Rotwildes ist, als auch noch sowohl in Mittelgebirgen als auch mäßige sommerliche Hirschdichte die an die Voraussetzung gebunden ist, dass im Hochgebirge beobachten, so z.B. im Ausdehnung des Waldes deutlich eher die Lebensräume tatsächlich weitgehend deutsch-belgischen Grenzgebiet in dem fördert als behindert: Zwischen 1930 störungsfrei sind, wie dies zur Zeit der

Abb. 2: Habitatnutzung von äsendem Rotwild auf dem Truppenübungsplatz Vogelsang – Beispiel für die Offenlandnutzung (4.929 Einzelbeobachtungen) 32 | Petrak,M.: Nationalparke als Teillebensräume für groSSe Wildtiere

früheren militärischen Nutzung gewähr- die Tragbarkeit der Wildbestände ist die begründeten Ungleichgewichte erfordern leistet war. Umgekehrt sind Tagaktivität Entfaltung der Strauch- und Krautschicht ein integriertes Management, das stets des Rotwildes und Beobachtbarkeit für entscheidend, während die in der Baum- über die engeren Schutzgebietsgrenzen die Nationalparkbesucher auch wichtige schicht gebundene Energie in der Regel hinausgeht. Indikatoren zu einer erfolgreichen Besu- nicht zur Verfügung steht. cherlenkung (Petrak 2004; Petrak et Diese Zusammenhänge haben auch zur al. 2005). Entscheidend ist jedoch das Gefälle der Folge, dass in der Kulturlandschaft die als Nahrung verfügbaren Energie zwi- Balance zwischen Wild und Lebensraum schen Wald und Umfeld, charakterisiert generell verschoben ist, da die Zugäng- 4. Energietransfer Offenland und Wald als Anteil verfügbarer Trockensubstanz- lichkeit des Offenlandes vielfach die Aus Sicht des Naturschutzes ist die Ba- produktion in den Ökosystemen. Die Nahrungsgrundlage für Wildbestände lance zwischen Primärproduzenten und Trockensubstanzproduktion liegt mit bietet, die aus Sicht der Wälder als zu Konsumenten eine zentrale Aufgabe in Werten zwischen 5 und 30 t Trockensub- hoch einzustufen sind. Naturschutzgebieten, auch bei National- stanz je ha und Jahr für Getreidefelder, parken (Wegener 1998). Diese Balance Grünlandgesellschaften und sommergrü- zwischen Wald und Wiederkäuern wird ne Wälder in derselben Größenordnung. 5. Wechselbeziehungen zu Haustieren – jedoch nicht nur durch die Struktur in Für Pflanzenfresser stehen hiervon in Wildgesundheit den Waldlebensräumen, sondern vor einem Buchenwald jedoch maximal 0,5% Aspekte der Tiergesundheit gewinnen im allem auch durch das Umfeld bestimmt. zur Verfügung, in Grünlandgesellschaf- Naturschutz generell an Bedeutung, da in Die Höhe der Naturprimärproduktion ten 25 bis 45 %. Ähnlich sieht es bei den der Regel das Risiko primär vom Men- wird wesentlich durch die Absorption Feldern aus. Dies führt dazu, dass große schen und seinen Haustieren ausgeht, des Sonnenlichtes durch das Chlorophyll Arten wie Rothirsch, Damhirsch und dies aus wirtschaftlichen Erwägungen bestimmt und liegt in unseren Breiten in Wildschwein die Kulturlandschaft zur heraus jedoch vielfach ignoriert wird und verschiedenen Pflanzengemeinschaften Nahrungssuche gezielt aufsuchen. Die in im Naturschutz eine fachlich gute tier- in derselben Größenordnung. Für die dieser energetischen Dysbalance zwischen ärztliche Praxis eher noch die Ausnahme Nahrungskapazität im Wald und auch Schutzgebieten und Kulturlandschaft ist. Wichtige Krankheiten und ihre Erre-

Tab. 1: Wichtige Krank- heiten und ihre Erreger Petrak,M.: Nationalparke als Teillebensräume für groSSe Wildtiere | 33

ger sind in der Tabelle 1 aufgeführt. Die wesentlichen Gesetze und Verordnungen Tabelle 2: Übersicht der zu berücksichtigenden Rechtsvorschriften zu veterinärmedizinischen und veterinär- - Tierseuchengesetz rechtlichen Aspekte sind der Tabelle 2 zu - VO über anzeigepflichtige Seuchen entnehmen. - Tollwut-VO - Schweinepest-VO Bei der Integration des Wildes in Nati- - Geflügelpest-VO onalparke werden Aspekte der Wildge- - Aujeszkysche Krankheit-VO sundheit oft unterschätzt. Während beim - Tierkörperbeseitigungsgesetz Schwarzwild die Gefahr der Schweine- - Anlage C zur Eisenbahnverkehrsordnung pest allgegenwärtig ist, werden vergleich- - Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz bare Risiken für die Wiederkäuer leicht - Fleischhygienegesetz vernachlässigt. Als Beispiele seien die - Fleischhygiene-VO Moderhinke für das Muffelwild oder auch - Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Durchführung die Paratuberkulose für die Wiederkäuer der amtlichen Untersuchungen generell genannt.

Zu einer Zeit, als die Schafe Wirtschafts- grundlage waren, durften Kreisgrenzen nur nach entsprechender veterinärpolizei- Wildbestandsregulierung in die mittelalte Daten zur quantitativen und qualitativen licher Kontrolle passiert werden. Früher Klasse nicht mehr eingegriffen wird, wird Zusammensetzung der Helminthenfauna war es für das Überleben von Wander- diese Erkrankung dann offensichtlich und von freilebendem Rotwild aus Nordrhein- schafherden entscheidend, dass diese so kann in größerem Umfang zum Ausbruch Westfalen erhoben und interpretiert schnell laufen konnten, wie sie fressen kommen. Die Prophylaxe ist hier ausge- (Rehbein et al. 2002). Die für kleine mussten. Erkrankungen wie der Moder- sprochen schwierig. Hauswiederkäuer charakteristischen hinke bedeuteten den Ruin, auch für den Nematodenarten 1Haemonchus contortus, Schäfer. Heute werden größere Entfer- In den Paratuberkuloseleitlinien (Bun- 2Onchocerca circumcincta, 3Taenia axei, nungen mit Fahrzeugen überbrückt, dies desministerium 2005) vom 07. Januar T. colubriformis, T. vitrinus, 2Nematodirus führt dazu, dass die praktizierte Über- 2005 wird zum Weidemanagement fest- battus kamen in Nordrhein-Westfalen wachung der Herden an Gründlichkeit gehalten: „7. Weidemanagement: Wander- ausschließlich auf Vogelsang, d.h. im nachgelassen hat. An der Küste kann sich schafherden dürfen Kälberweiden nicht heutigen Nationalpark Eifel und im jeder leicht davon überzeugen: Bei von beweiden; eine Weide darf, nachdem Naturschutzgebiet in der Wahner Heide See heranziehendem Unwetter flüchten Schafe dort geweidet haben, für einen vor, d.h. dort, wo eine Beweidung durch die Deichschafe erst im letzten Moment Zeitraum von 2 Jahren nicht als Kälber- Haustiere, u.a. Schafe erfolgte, so dass ein hinter den Deich. Dabei lässt sich sehr weide genutzt werden“. unmittelbarer Kontakt auf Äsungsflächen gut beobachten, dass einzelne Schafe für das Rotwild bestand. Mit dem Leit- wegen offensichtlicher Schmerzen an den Das Infektionsrisiko für Rotwildkälber bild einer Förderung natürlicher Prozesse Schalen nicht so schnell folgen können. ist in der gleichen Größenordnung steht die Förderung einer Endoparasiten- anzunehmen. Die Paratuberkulose ist fauna des Rotwildes, insbesondere der Bei der Paratuberkulose ist die Situation insgesamt schwer zu diagnostizieren, die Lungenwürmer und der Parasiten, die ge- dadurch besonders fatal, dass sich die Erkrankung ist keine neue Erkrankung, meinsam bei Nutztieren wie Rindern und Jungtiere anstecken, die Krankheit jedoch gewinnt jedoch zunehmend an Bedeu- Schafen vorkommen, nicht im Einklang. erst nach einer Latenzzeit von mehreren tung. Paratuberkulosefälle für Rotwild im Die Tatsache, dass die Befallsrate nicht so Jahren ausbricht und diese Latenzzeit Einzugsbereich von Wanderschafherden hoch ist, dass eine unmittelbare Belastung in der Regel über der wirtschaftlichen sind nachgewiesen. der Wildtiere damit einhergeht, spricht Lebenserwartung der Haustiere liegt, nicht gegen dieses Argument: Ange- so dass sie dort gar nicht offensichtlich Zu diesen Infektionskrankheiten kom- sichts der Langfristigkeit entsprechender wird. Bei Wildtieren, von denen einzelne men parasitologische Belastungen. Wirt- und Parasitanpassungen und der Individuen älter werden, weil gerade in Zielsetzungen der Nationalparke müs- Nationalparken auch unter dem Ge- Im Rahmen einer Kooperationsstudie sichtspunkt einer nationalparkgerechten der Forschungsstelle wurden erstmalig 1 Großer Magenwurm, 2 Fadenwürmer, 3 Bandwürmer 34 | Petrak,M.: Nationalparke als Teillebensräume für groSSe Wildtiere

sen heutige Entscheidungen durch eine Wolf und Luchs fehlen, sondern auch der Optimalphase kurz vor dem Zusam- sachgerechte Weichenstellung potentielle große Pflanzenfresser wie Auerochse menbruch praktisch völlig fehlen.“ Weiser Probleme in der Zukunft ausschließen. und Wisent und der Elch frühzeitig vom für einen ökologisch passenden Einfluss Menschen eliminiert wurden und so des Schalenwildes auf die Vegetation ist Für die Praxis heißt dies, dass in Na- heute fehlen. Die großen Wildtiere leben damit stets der Zustand der Gesamtve- tionalparken bzw. im Umfeld von Na- alle in Rudelverbänden, so dass sie in der getation und der Anteil der Pflanzen, die tionalparken, in denen Haustiere aus ursprünglichen Naturlandschaft nicht in dem auch von Natur aus bevorzugten Managementgründen eingesetzt werden, in gleichmäßiger geringer Dichte über Mosaikphasen besonders verbreitet wären ein hoher Standard im Sinne einer guten die ganze Fläche verteilt waren, sondern (Barth 1994). fachlichen Praxis einzuhalten ist. Bei stets Gebiete mit örtlich höherer Dichte einer Bewertung ist insgesamt wesentlich, neben Räumen mit wesentlich geringerer Entscheidend ist hierbei, dass sich dass im Nationalpark der Prozessschutz, Dichte vorkamen. In die Entwicklung von einzelne Lebensgemeinschaften bzw. d.h. eine naturnahe Entwicklung bei Waldgesellschaften nach dem Mosaik- Mosaikphasen auch wechselseitig beein- gleichzeitiger Minimierung menschlicher Zyklus-Konzept (Remmert 1980, 1991) flussen (Petrak 1982, Reimoser 1995; Einflüsse im Vordergrund steht. sind die unterschiedlichen Schalenwildar- Schulze 1998; Simon et al. 1997) wie ten mit ihren Lebensansprüchen opti- am Beispiel der Pflanzengemeinschaften Aus den hier aufgezeigten Zusammen­ mal eingepasst. Die Freiflächenstadien aus einem konkreten Untersuchungsge- hängen lässt sich keine generelle Ableh- wurden im Sinne einer wechselseitigen biet aus der Nordwesteifel deutlich wird. nung von Beweidung in Naturschutz­ Optimierung auch durch den Schalen- Äsungslose Pflanzengemeinschaften, in projekten ableiten, da sich die Probleme wildverbiss wesentlich gefördert und sind dem Fall bestimmte Fichtenbestände, über gezieltes Management von Lebens­ Voraussetzung für das Überleben der erhöhen nachhaltig die Äsungsbelastung räumen, Herden und Wildbeständen an offene Strukturen angepassten Arten für benachbarte Pflanzengemeinschaften, minimieren lassen. Eine solche Konzep- gewesen. Remmert führt hierzu aus: „An z.B. naturnahe Waldgemeinschaften. tion entspricht jedoch nicht dem Leitbild den derzeitigen nordamerikanischen und Die Nationalparke Harz und Hochharz „Natur Natur sein lassen“ für die Natio- euro-asiatischen Wirtschaftswäldern zeigen dies in eindrucksvoller Weise. Der nalparke. verursachen die vorkommenden Groß- Einfluss des Rotwildes auf die Pflanzen- wildrelikte sehr erhebliche Schäden. Das gemeinschaften wird dabei wesentlich hat zu Annahme außerordentlich niedri- durch die Strukturmerkmale des Lebens- 6. Natürliche Dynamik – Ansatzpunkte ger natürlicher Dichten des Großwildes raumes modifiziert: So entwachsen die als in den Nationalparken geführt. Geht man jedoch davon aus, Nahrungspflanzen besonders beliebten Die Wechselbeziehungen zwischen Pflan- dass z.B. aus den europäischen Wäldern Ebereschen dem Äser des Rotwildes so- zen und großen Wildtieren sind äußerst Wildpferd, Auerochse, Wisent und Elch wohl am Quitschenberg im NP Harz als kompliziert und vielschichtig, so dass sich verschwunden sind, und rechnet man auch an den Hohneklippen im NP Hoch- im Unterschied zu den Zeigerpflanzen mit den üblichen Werten (0,5 – 1 Stück harz, Bereiche, in denen die Dynamik in für die Boden- und Klimafaktoren keine Großwild/km²) so kommt man bei den 6 den Fichtenbeständen durch großräumige „Weiserpflanzen“ für die Wilddichte Großwildarten (Wildschwein, Rothirsch, Sturmwürfe und Borkenkäfer nachhaltig angeben lassen (Petrak et al. 2005). Elch, Wisent, Auerochse, Pferd) auf etwa angestoßen wurde, während im gleichen Die Frage welche Bestandesgröße die 1 Stück jeder Art/10 km². Dieser rechne- Gebiet im Harz die Pflanzung von Eber­ ökologisch richtige ist, wird durch die rische Wert ist nach dem Sozialverhalten esche vor 30 Jahren nicht zum Erfolg Bezugsgröße „Lebensraumkapazität“ dieser Tiere unwahrscheinlich; in einem führte. Diese Beobachtung zur Bedeutung bestimmt. Die untere Dichtegrenze wird natürlichen Umfeld wird man mit höhe- der Struktur für die Wechselbeziehungen durch das Fortpflanzungsminimum, bei rer Dichte rechnen müssen. Bei Annahme zwischen großen Wildtieren und Wald- dessen Unterschreitung die Population von Mosaikstrukturen sind höhere Dich- lebensraum steht in Übereinstimmung erlischt, bestimmt, die mögliche Bestan- ten möglich bei geringsten Verbissschä- zu Befunden z.B. aus der Norddeutschen deshöhe wird durch die Umweltkapazität den. Allerdings wäre keine gleichmäßige, Tiefebene, wo der Unterbau von Kiefern­ bestimmt, d.h. die aus Sicht des Wildbe- sondern eine extrem ungleichförmige beständen mit Eiche dort gelingt, wo die- standes und des Lebensraumes mögliche Verteilung der Großtiere vorherzusagen. se vom Eichelhäher eingebracht werden, Maximaldichte. In Verbindung mit den Sie würde besonders zahlreich an und in dagegen der Unterbau durch Pflanzung Nationalparken muss eine Beurteilung den Wiesen und Weichholzbereichen vor- bei gleichem Wildbestand in diesen dieser Zusammenhänge berücksichtigen, kommen, die in jedem Mosaikzyklus auf- Lebensräumen ohne besonderen Schutz dass nicht nur die Großräuber wie Bär, treten; dagegen würde sie in den Stadien vielfach nicht gelingt. Petrak,M.: Nationalparke als Teillebensräume für groSSe Wildtiere | 35

Tab. 3: Voraussetzungen zur Integration des Schalenwildes in den Nationalparken der Bundesrepublik Deutschland (ROW = Rothirsch, REH = Reh, WS = Wildschwein, GAMS = Gemse, MW = Muffelwild, DAW = Damwild)

7. Nationalparke in Wildlebensräumen – Austausch zum Umfeld stehen. Für das Einführung der Wintergatter (Wotschi- raumzeitliche Dynamik Wildmanagement bedeutet dies, dass sich kowsky 1981) dazu geführt, dass vor der Die Tabelle 3 fasst die Nationalparke in der Ausgleich zwischen den Wildbestän- Öffnung der tschechischen Grenze die der Bundesrepublik Deutschland mit den und den Lebensräumen nur durch zunächst in die Gatter ziehende Teil- Angaben zu Größe, den Lebensräumen die Integration auch der Randbereiche population aus dem Bayerischen Wald und den dort lebenden Schalenwildarten bzw. der angrenzenden Gebiete erreichen eingesperrt wurde und angesichts eines zusammen. Rotwild ist zweifellos die lässt. insgesamt hoch erscheinenden Rotwildes- Leitart. bestandes im Zuge der Bestandsregulie- Die Notwendigkeit wird sowohl bei rung weitgehend eliminiert wurde, wäh- Die Übersicht macht deutlich, dass alle einem Vergleich der Situation in den rend zu gleicher Zeit im Winter Rotwild Nationalparke aus Sicht der großen Wild- National­parken deutlich als auch bei aus den Hochlagen, d.h. dem Grenzgebiet tiere unvollständige Lebensräume sind, einer Längsschnittbetrachtung: So hat zwischen Bayerischen Wald und Böhmer da entweder nicht alle Lebensraumtypen die im ältesten deutschen National- Wald nachwanderte. Damit wurde das vertreten sind, oder aber Nationalparke park im Bayerischen Wald zunächst als ursprüngliche Raumnutzungsmuster des wegen ihrer Lage in einem räumlichen Provisorium für rund 10 Jahre gedachte Rotwildes im Bayerischen Wald zerstört. 36 | Petrak,M.: Nationalparke als Teillebensräume für groSSe Wildtiere

Seit der Öffnung der Grenze und dem ehesten in den Hochlagen der National- zu den umliegenden Bereichen, Wegfall des Zaunes in den Hochlagen parke für das Wildschwein erfüllen. - Einschätzung der Populationsentwick- wurde gerade in der Kernzone deutlich, lung. dass ein länderübergreifendes Konzept Das Verbreitungsareal des Schwarzwildes Angesichts der Bedeutung von Störwir- für das Rotwildmanagement notwendig zeigt deutlich, dass die Wildschweine kungen für die Balance zwischen Wild- ist. Der Bayerische Wald zeigt auch bei- länger anhaltenden Schneelagen mit bestand und Lebensraum muss sich die spielhaft, dass es fatal ist, wenn wichtige Verharschungsgefahr durch großräumi- Jagd selbst an den Kriterien Effizienz, Lebensraumbereiche nicht zum Rotwild- ges Auswandern ausweichen. Dies bietet Störungsarmut und Wildtiergerechtig- gebiet zählen: Die Tatsache, dass Natio- allen Nationalparken in den Mittel- und keit, d.h. Tierschutzschutzgerechtigkeit nalparkgrenze und Rotwildsgebietsgrenze Hochgebirgen die Chance, dass die orientieren. Dies bedeutet konkret eine identisch sind und damit das Rotwild Wildschweine die Kernzone im Winter drastische Verkürzung der Jagdzeit nicht in natürliche Wintereinstände verlassen und außerhalb bejagt werden im Sinne eines Bejagungskalenders, in auswandern kann, erschwert die Balance können. In den Tieflagenbereichen muss jedem Fall ein Ende der Bejagung vor der zwischen Wildbestand und Lebensraum. die Bejagung der Wildschweine jedoch winterlichen Notzeit und den Verzicht auch in den Kernzonen eingeplant wer- auf störungsintensive Jagdformen. Die Wintergatter bedeuten immer das Aus- den, zumindest in den Fällen, in denen Bestandsregulation ist zur Erfassung von schalten der für die natürliche Dynamik ein energiereiches Umfeld dazu führt, Kenndaten zum Wildbestand zu nutzen zwischen Wildbestand und Lebens- dass Schwarzwilddichten erreicht werden, (Institut für Wildbiologie Göttin- raum notwendigen Raumnutzung, das die deutlich über der Kapazität der natür- gen 1995, 1997). Zerstören der örtlichen Traditionen im lichen Lebensräume liegen. Wildbestand, darüber hinaus Änderun- Sonderfall Winterfütterung gen der Raumnutzung auch im Sommer, Von zentraler Bedeutung sind alle Maß- da die Gatter im Frühjahr – aufgrund 8. Aufgabenfelder für die Integration des nahmen, die wesentlich die Raumnutzung der verzögerten Vegetationsentwicklung Schalenwildes, insbesondere des Rotwildes beeinflussen. Dort, wo Rotwildpopula- gerade in Hochlagen – zu spät geöffnet 8.1. Wildtiermanagement tionen in Räumen leben, in denen eine werden und werfen darüber hinaus durch Das Management der Wildarten muss Winterfütterung erforderlich ist, ist eine das provozierte Setzen in ungeeigneten der Tatsache Rechnung tragen, dass die übergreifende Abstimmung notwendig, Einstandsbereichen, zum Teil sogar im Nationalparke nur Teilbereiche aus dem unabhängig davon, ob der Nationalpark Wintergatter, Tierschutzprobleme auf. Gesamtlebensraum der Wildarten abde- in eine Winterfütterungskonzeption ein- cken, so dass ein umfassendes Konzept bezogen ist oder nicht. Eine Winterfütte- Wintergatter sind als Instrument zur In- stets auch außerhalb gelegene Gebiete rung ist je nach Lebensraum nicht wegen tegration des Rotwildes im Nationalpark als wesentliche relevante Randbedin- der Strenge des Winters an sich erforder- untauglich. Angesichts der Unvollständig- gungen einbeziehen muss. Dies bedeutet lich, sondern ausschließlich als Ersatz für keit der Nationalparke unter den Ge- auch, dass ein fachlich gutes Konzept im anthropogen bedingte Fehlentwicklungen, sichtspunkten Funktion als Lebensraum gesamten Umfeld überzeugend vermittelt wie Verdrängung des natürlichen Nah- für große Wildtiere ist ein nationalpark- werden muss. rungsspektrums durch Verdrängungen übergreifendes Managementkonzept in der Weichlaubgehölze und Vernichtung allen Fällen erforderlich. Dies schließt ein, Die Kriterien von Europarc Deutsch- potentieller Winterlebensräume. dass die Teilziele der Wildbestandsregu- land sind Grundlage für das praktische lierung im Nationalpark und im Umfeld Management. Entscheidend ist jedoch, durchaus unterschiedlich sind. Die Jagd dass die zur Populationserhebung notwen- 8.2. Wildbiologische Kenndaten: Verhal- im Sinne einer zielorientierten Regulie- digen Schlüsseldaten, insbesondere die Da- ten und Körpermaße rung des Wildeinflusses in den Natio- ten zur Strecke nach Alter und Geschlecht, Das Erfassen von Körpermaßen und nalparken ist auch langfristig nur in den im gesamten Lebensraum erhoben werden. Kenndaten zum Verhalten dienen der Fällen verzichtbar, in denen der saisonale Diese Streckentafel ist Grundlage zur Charakterisierung des Rotwildes aber Lebensraumwechsel so ausgeprägt ist dass Klärung der folgenden Fragen: auch des Verhaltens und der Raumnut- die Wildbestände außerhalb der Kernzo- - Übereinstimmung zwischen Planung zung. Hier sind für Nationalparke auch nen ausreichend reguliert werden können und Realisierung, die Beziehungen zum Umfeld wesentlich. und die Akzeptanz für das Auswandern - Geschlechterverhältnis, Diese sind gerade dann von zentraler des Wildes auch außerhalb des Parks - Altersgliederung, Bedeutung, wenn die Nationalparkgrenze geben ist. Diese Kriterien lassen sich am - Strecke im Nationalpark in Verbindung gleichzeitig Lebensraumgrenze darstellt, Petrak,M.: Nationalparke als Teillebensräume für groSSe Wildtiere | 37

z.B. zwischen Waldlebensraum und fiehlt sich eines Streifgebietskartierung großen Wildtiere in die Planung positiv genutzten Feldern, oder aber Grenze zum zur Erfassung des Wildeinflusses mit der zu integrieren. Dabei muss auch berück- rotwildfreien Gebiet. Intention einer entsprechenden Schwer- sichtigt werden, dass die Nationalparke punktsetzung bei der Bejagung. Eine in der Regel nur Teilbereiche aus dem Alternative bietet hier auch eine Verdich- Gesamtlebensraum der Populationen ab- 8.3. Monitoring zur Vegetation tung des Probeflächennetzes (Natio- decken, so dass ein umfassendes Konzept Ein Monitoring zur Vegetation auf Ver- nalpark Harz 1994, 1997, 1998, 2002; stets auch außerhalb gelegene Gebiete als gleichsflächen (gezäunt, ungezäunt) und Nationalpark Hochharz 1998). wesentliche relevante Randbedingungen ggf. weitere Erhebungen nach Kriterien einbeziehen muss. Hierbei werden hohe der Landeswaldinventur oder auch eines Anforderungen an praktikable Lösungen landesspezifischen Wildmonitorings 8.4. Sicherung ausreichend großer beru- und die Überzeugungsarbeit vor Ort ge- sollte die Nationalparke und ihr Umfeld higter Räume stellt. Ein Verzicht auf das Management umfassen. Eine besondere Bedeutung hat die Siche- großer Wildarten in Nationalparken rung ausreichend großer Lebensbereiche bedeutet nicht mehr Naturnähe, sondern Im Hinblick auf den Einfluss des Wildes für Wildtiere. Für das Rotwild muss eine angesichts der Randeffekte eher einen auf die Vegetationsentwicklung ist die Reichweite der Störgröße Mensch von künstlichen Zustand, wie Konzentratio- Etablierung eines Systems von Wei- 300 bis 500 m bzw. im offenen Gelände nen in ganzjährig und langfristig absolut sergattern, d.h. unmittelbar vergleich- von über 600 m zugrunde gelegt werden ruhigen Zonen inmitten eines bejagten bar und paarig angelegter Flächen zur (vgl. Petrak 1996). Daraus folgt konkret, Umfeldes oder aber wildleere Räume. Beobachtung des Wildeinflusses auf die dass bei Wegesystemen in Nationalpar- Sowohl im Hinblick auf die Funktions- Vegetation notwendig. Für die langfristige ken auf Abstände zwischen den Wegen steuerung im Nationalpark – im Sinne Aussagefähigkeit ist es entscheidend, dass von mindestens 1 bis 1,5 km – je nach eines Prozessschutzes – als auch unter die hier zu erarbeitenden Kriterien auch Geländestruktur sind hier auch Abwei- dem Gesichtspunkt des Bildungsauftrages berücksichtigt werden. Dies sind vor al- chungen möglich – geachtet werden muss. ist das beobachtbare Wild wesentliches lem die Auswahl nebeneinander liegender Eine Besucherlenkung, die dem Wild Kriterium für die gelungene Integration – jedoch nicht zu dicht nebeneinander mindestens die Hälfte des Lebensraumes der noch vorhandenen großen Wildar- wegen des Zauneffektes – standörtlich in beruhigter Form zur Verfügung stellt, ten in die Nationalparke, die auch der und vegetationskundlich vergleichbarer erfordert eine gemeinsame Abstimmung Bedeutung der großen Herbivoren für die Flächen, die wilddichte Einzäunung, die mit allen unmittelbar Betroffenen und Vegetation Rechnung trägt. unmittelbare Aufnahme zu Beginn der Beteiligten, d.h. den für den Nationalpark Flächeneinrichtung und die Aufnahme zuständigen Verwaltungen, den Kom- der Vegetation – nicht nur der Bäume! – munen, den Verbänden aus Naturschutz, in den Folgejahren. Bewährt haben sich Sport und Erholung sowie Tourismus quadratische Einzäunungen von 12,5 x (Petrak 1992). 12,5 m um die Aufnahmeflächen von 10 x 10 m. Quadratische Aufnahmeflä- Gerade bei der touristischen Erschließung chen bieten hier den Vorteil, dass die im Umfeld ist es hier ganz wesentlich, Aufnahme bei der unterschiedlich hoch dass traditionelle Wanderrouten und Ein- wachsenden Vegetation langfristig ohne standsräume des Rotwildes berücksich- großen Zusatzaufwand möglich ist. Im tigt werden, um Sackgassenwirkungen, Unterschied hierzu entsprechen die in dadurch ausgelöste Wildkonzentrationen der Forsteinrichtung üblichen Probekrei- und Schwierigkeiten in der Balance zwi- se dem Ideal minimaler Randlinien in schen Wald und Wild zu vermeiden. Relation zur Fläche, erfordern jedoch bei stärker strukturierten Flächen, d.h. sehr unterschiedlichem Wachstum der Gehöl- 9. Ausblick ze höheren Aufwand bei der Aufnahme Ein Nationalpark, der die Kriterien der im Verlauf der Entwicklung. Die Lage Entwicklung und des Prozessschutzes der Probeflächenpaare kann sich an den erfüllen will, muss dies auch für die Inte- Knotenpunkten eines 1 x 1 km großen gration des Wildes erreichen. Angesichts Rasters orientieren. Darüber hinaus emp- der Komplexität des Verhaltens sind die 38 | Petrak,M.: Nationalparke als Teillebensräume für groSSe Wildtiere

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Hans-Jürgen Beug, Göttingen Die Moore des Harzes, ihre Bedeutung für Wissenschaft und Naturschutz

Zusammenfassung über diese Moore zu erweitern und zu det sich am Brocken bei 1098 m NN an Durch die große Zahl seiner Moore und verbessern. der dortigen Waldgrenze. Die meisten ihre unterschiedlichen Positionen an den Moore liegen oberhalb von 700 m NN Berghängen sowie durch ihre weitgehend auf dem sog. Torfhäuser Hügelland und naturnahe Erhaltung zeichnet sich der 1. Einleitung verteilen sich vom Acker im Westen bis Harz gegenüber allen anderen zentraleu- Das Moorinventar, das wir im Harz zum Gebiet um den Brocken im Osten. ropäischen Mittelgebirgen aus. In Vergan­ vorfinden, ist im Vergleich zu allen an- Außerhalb des Torfhäuser Hügellandes genheit und Gegenwart spielten und deren mitteleuropäischen Mittelgebirgs­ ist der Harz arm an Mooren, denn hier spielen diese Moore in der Forschung eine landschaften von einmaliger Qualität schneiden die Flüsse unter Bildung steiler bedeutende Rolle und führten zu wich- und Quantität. Es gilt hier vor allem zu Hänge meist viel zu tief in das Gebirge tigen und vielseitigen wissenschaftlichen verdeutlichen und dazulegen, in welcher ein, als dass Moore dort hätten entstehen Erkenntnissen. Das betrifft die Vegeta- Weise dieser Schatz bisher wissenschaft- können. tion der Moore, ihre Morphologie, ihre lich genutzt wurde und welche Ergebnisse Entstehung und Entwicklung ebenso wie erzielt worden sind. Die Bedeutung für Die Zahl der offenen Moore beträgt ihre Bedeutung als Archive für die Vege- den Naturschutz könnte sich im Kern etwa 50; hinzu kommen große Flächen tations-, Klima- und Siedlungsgeschichte. dann aus dem Gesagten ergeben, denn von Torfdecken unter Wald. Für den Als Hangmoore sind sie ausnahmslos di- sie besteht im wesentlichen darin, den niedersächsischen Teil des Harzes nennt rekt über dem mineralischen Untergrund Formenschatz der Harzer Moore zu man 38 offene Moore mit einer Fläche aus kleinflächigen Initialstadien, den unserem Wohl und dem Wohl kommen- von 600 ha und zusätzlich etwa 1000 ha „Moorkernen“, entstanden. Die ältesten der Generationen zu beschützen und zu Torflager unter Fichtenwald. Die Größe Moorbildungen bildeten sich vor etwa pflegen und bei Bestrebungen fördernd der offenen Moore erreicht in Einzelfällen 10.000 Jahren gegen Ende der Späteis- mitzuwirken, die auf neue wissenschaft- Werte von über 100 ha, so im Fall des zeit. Die Moore wuchsen im Verlauf der liche Erkenntnisse ausgerichtet sind. Mit Sonnnenberger Moores und des Bruch- Nacheiszeit mit gewissen Schwankungen diesen Zielvorgaben ist für den Natur- bergmoores. Moore benötigen für ihr in der Geschwindigkeit ihrer Wachstums- schutz auch eine beträchtliche Verant- Wachstum viel Feuchtigkeit. In der Regel vorgänge heran. Solche Schwankungen wortung verbunden. fallen im Bereich der Moore mindestens wurden wenigstens zum Teil klimatisch 1300 mm Niederschläge. Der Wasser- ausgelöst. Eingehende pollenanalytische Zunächst möchte ich auf die Anzahl haushalt der Moore wird außerdem durch Untersuchungen haben den Harz zu einer und Art der Moore, ihre Lage, Größe eine relativ geringe Verdunstung begüns- auf dem Gebiet der Vegetationsgeschichte und Torfmächtigkeiten eingehen, später tigt, da die Jahresmitteltemperaturen am besten untersuchten deutschen Mit- auf die Vegetation, die hydrologischen unter +5° C liegen. telgebirgslandschaft gemacht. Es bedarf Verhältnisse, auf ihre Entstehung und keiner besonderen Begründung, dass die ihr Alter sowie auf die Schäden durch Die Hangmoore des Harzes überziehen Moore als ein Teil der Harzer Landschaft menschliche Einflüsse. Das alles sind einfache Hanglagen und erfassen dabei in hohem Maße schutzbedürftig sind. Erkenntnisse, die aufgrund wissenschaft- auch Sattel- und Kammlagen. Gipfella- Naturschutz und Forschung tragen dabei licher Untersuchungen in den letzten gen sind selten, ein Gipfelmoor gibt es Verantwortung für die Erhaltung der Jahrzehnten zugänglich geworden sind. am Rehberg. Es hat als Beispiel für diese Moore, für die Beseitigung nicht irrever- Moorform im Harz Seltenheitswert, ist sibler anthropogener Schäden und für Die Moore des Harzes sind Hangmoore, allerdings völlig von Entwässerungsgrä- weiterhin erforderliche wissenschaftliche d.h. sie liegen auf geneigtem Untergrund. ben durchzogen. Der Naturschutz ist der- Untersuchungen, um unsere Kenntnisse Das am höchsten gelegene Moor befin- zeit um die Renaturierung bemüht. Die Beug, H.-J.: Die Moore des Harzes | 41

Hangmoore meiden zu steile Hänge und nen Verluste durch die Verdunstung eine oberen Teil den Hang hinauf wachsen Blockpackungen. Ebene oder plateauar- Rolle. Zunächst bildeten sich über dem kann, während die flächenhafte Zuwachs- tige Anteile kommen im Untergrund der Mineralboden mit seinem nährstoffrei- leistung an den lateralen und hangunteren Moore hier und da vor, sind aber selten. chen Grund- und Oberflächenwasser Moorrändern im allgemeinen deutlich Ganz besonders wichtig für die Charak- Niedermoore mit einer Reihe von Arten, geringer bleibt. terisierung der Moore im Harz ist die die gewisse Ansprüche an die Nährstoff- Tatsache, dass alle Torfdecken direkt auf versorgung stellen, wie Eriophorum an- dem mineralischen Untergrund liegen gustifolium und Molinia caerulea, um nur 3. Die Moore als Forschungsobjekte und nicht aus verlandeten Seen hervorge- einige Arten dieser Kategorie zu nennen. Die Attraktivität der Harzmoore für die gangen sind, wie das z.B. im Schwarzwald Sie halten sich aber nur so lange in der Forschung lässt sich gut an der bereits und den Vogesen der Fall ist, wo viele Vegetation des aufwachsenden Nieder- vorhandenen Literatur demonstrieren. Moore aus verlandeten Karseen entstan- moores, wie der Grundwassereinfluss an- Zur Vegetation wurde das bereits ausge- den sind. hält. Bei zunehmendem Aufwachsen des führt. Andererseits sind die vielen Moore Torflagers bricht schließlich der Kontakt ein nahezu einmaliges Archiv für die Die einzelnen Moore sind zu unterschied- zur Nährstoffversorgung aus dem Mine- Entzifferung der Vegetationsgeschichte lichen Zeiten entstanden. Es bildeten sich ralboden, oder – wie wir noch sehen wer- mit Hilfe palynologischer Methoden, hier zunächst Niedermoore, die aufwuchsen den – die Versorgung mit dem von den insbesondere für die Entwicklung der und später zumindest stellenweise zu Hängen abfließenden Oberflächenwasser heutigen Wälder, sowie für die Siedlungs- Hochmooren wurden. Die Torfmächtig- ab, und die Moorpflanzen sind alleine auf und Klimageschichte. Untersuchungen keit kann beträchtlich sein, wenn auch in das Wasser angewiesen, das in Form der dieser Art begannen mit der Arbeit von ein und demselben Moor an verschieden extrem nährstoffarmen Niederschläge Wendt & v. Bülow (1927). Fortgeführt Stellen sehr unterschiedlich. So liegen direkt auf ihre Oberfläche gelangt. Dann wurden sie von Hesmer (1928), Firbas, z.B. unter der Oberfläche der Radauer bleiben alle Arten mit Ansprüchen an Losert & Broihan (1939), Willutzki Borns bei Torfhaus großflächig 4 bis über eine gewisse Vorsorgung mit Nährstoffen (1962) und schließlich unter Zusam- 6 m Torf. Der größte Wert wurde in dem zurück, und die anspruchslosesten Arten menfassung aller bereits erarbeiteten relativ kleinen Roten Moor nahe dem sind unter sich. Dann ist die Niedermoor- Erkenntnisse von Göttinger Institut für Oderteich mit etwas mehr als 7,50 m vegetation zu einer Hochmoorvegetation Palynologie und Quartärwissenschaften gemessen. Stellenweise dünnen die Torf­ geworden, in der u.a. Sphagnum rubel- in einer Buchveröffentlichung von Beug, lager an den Rändern eines Moores bis lum, Sph. magellanicum und Eriophorum Henrion & Schmüser (1999) unter auf wenige dm aus. Andererseits besitzen vaginatum von Bedeutung sind. An den besonderer Berücksichtigung der Ent- viele Moore mächtige Randgehänge mit Rändern solcher Moore besteht der Kon- wicklungsgeschichte der Moore. mehreren Metern Torf, die bis an den takt zum Mineralboden aber weiterhin, Rand der Vermoorung heranreichen. so dass die Hochmooranteile immer von Vegetationsgeschichte. Die pollen- einem Niedermoorsaum umgeben sind. analytisch-vegetationsgeschichtlichen Untersuchungen haben detaillierten 2. Vegetation und Hydrologie Für Hangmoore ergibt sich nun eine Aufschluss darüber gegeben, wie alt die Eine erste Veröffentlichung über die interessante Situation. Die hangoberen einzelnen Harzmoore sind. Die frühesten Moorvegetation im Harz geht auf Moorteile werden besonders gut mit Vermoorungen setzten am Ende der sog. Hueck (1928) zurück. Die umfassends- Oberflächenwasser versorgt, das aus den Jüngeren Tundrenzeit ein, einer relativ ten vegetationskundlich-ökologischen Hangpartien oberhalb der Moore, d.h. kurzen stadialen, d.h. kalten Phase, mit Untersuchungen sind jüngeren Datums, aus ihrem Hangwassereinzugsgebiet, in der die letzte Kaltzeit bzw. ihre Späteis- sie stammen von Jensen (1961, 1987, sie einfließt oder einsickert. Demzufolge zeit zu Ende ging. Solche Torfe finden 1990), der damals allerdings nur die sind die hangoberen Teile immer gut mit wir vor allem im Radauer Born und an Moore im niedersächsischen Teil des Wasser und Nährstoffen versorgt, und verschiedenen Stellen im Tal der Roten- Harzes untersuchen konnte. zwar umso besser, je größer das Einzugs- beek. Grob veranschlagt kann man für gebiet ist. Diese Nährstoffzufuhr bewirkt, diese Torfe ein Alter von 10.000 Jahren Moore entstehen und wachsen nur, wenn dass hier der Niedermoorsaum besonders angeben. Zwei Dinge sind in diesem ihre Wasserversorgung gesichert ist. Da- breit zu sein pflegt. Außerdem bewirkt Zusammenhang interessant. Einmal bei spielen die Niederschläge, der Einfluss die gute Wasserversorgung ein beson- haben wir trotz sehr intensiven Suchens von Grund- bzw. Oberflächenwasser und ders intensives Moorwachstum mit dem keine pollenführenden Bildungen aus der die durch die Temperaturen vorgegebe- Erfolg, dass das Moor mit seinem hang­ Allerödzeit gefunden, einer der Jüngeren 42 | Beug, H.-J.: Die Moore des Harzes

Tundrenzeit vorangegangenen wärmeren Zu einem späteren Zeitpunkt, d.h. vor Es waren kleine Bereiche, die sog. Phase der Späteiszeit. Man kann durch- etwa 5000 Jahren, veränderte sich das Moorkerne, von denen die Vermoorung aus damit rechnen, dass es damals schon Waldbild dramatisch durch die Ausbrei- ausging. Die Moorkerne entstanden zur Bildung von Torfen in den Hochla- tung der Rotbuche. Sie baute die Laub- an dauerfeuchten Bereichen und zwar gen des Harzes kommen konnte, aber und Laubmischwälder weitgehend ab und vorwiegend an Bachrändern. Wenn sie Torfe aus dieser Zeit mögen entweder ließ die Fichte vor allem auf Sonderstand- außerhalb von Bachrändern entstanden, im Verlauf der Jüngeren Tundrenzeit tief orten zurück. Lange Zeit hindurch war dann z.B. dort, wo sich ein Hang stark ab- unter Solfluktionsmaterial begraben oder es nun die Rotbuche, die in den Wald- flacht, d.h. an einem Hangknick, wo das solifluidal erodiert worden sein. Zum beständen von tiefen Lagen bis hinauf Niederschlagwasser langsamer als sonst anderen ist es merkwürdig, dass man zur damals bewaldeten Brockenkuppe abfloss und den Boden daher dauerhafter aus dem Hochharz keine Torfe aus der dominierte. Das heutige Waldbild des durchfeuchtete als anderswo. Moorkerne letzten Warmzeit, dem Eem-Interglazial, Harzes mit seinen reinen Fichtenwäldern entstanden nicht nur gegen Ende der kennt. Der Hochharz dürfte damals min- geht erst auf die exzessive mittelalterliche Späteiszeit und zu Beginn der Nacheis- destens so großflächig wie heute vermoort und neuzeitliche Holzgewinnung im Zu- zeit. Die Bildung neuer Moorkerne setzte gewesen sein. Man muss daher davon aus- sammenhang mit dem Erzbergbau sowie sich bis in das 1. Jahrtausend v. Chr. fort. gehen, dass die Verhältnisse und Vorgän- auf Beweidung zurück. Möglicherweise Bis zu dieser Zeit führten verschiedene ge während der letzten Eiszeit, welcher spielte auch die sog. Kleine Eiszeit, eine Vorgänge ständig zu neuen Bodenver- speziellen Natur sie auch immer gewesen Klimaverschlechterung, die im Spätmit- dichtungen, an denen neue Versumpfun- sein mögen, für eine vollständige Abtra- telalter begann, bei der Förderung der gen erfolgen und zur Moorbildung führen gung dieser Torfmassen gesorgt haben. Fichte eine Rolle. konnten, sei es, dass diese Bodenverdich- Die eemzeitlichen Torfe müssen damals tungen durch Abspülung von feinem komplett über die Harzflüsse fortgespült Moorentwicklung. Neben diesen vege- Bodenmaterial und deren Akkumulation worden sein. tationsgeschichtlichen Untersuchungen oder durch Bodenentwicklungsvorgänge ergab sich die Frage nach der Entstehung entstanden. Ich will auf den Ablauf der nacheiszeit- und Entwicklung der Moore. Wir haben lichen Waldgeschichte nur in groben von Göttingen aus zu dieser Frage ein Da ein Moor durch seine Wasserspeiche- Zügen eingehen. Zunächst eroberten Bir- über 30 Jahre dauerndes Projekt durchge- rung in der Lage ist, die Umgebung an ken und Kiefern, dann Hasel und Ulmen führt, nachdem wir mit Stichproben fest- seinen Rändern zu durchfeuchten, konnte die Hochlagen. Eiche, Linde und Esche gestellt hatten, dass die untersten Torf- die Vermoorung leicht und oft stetig von zogen nach. Auch auf der Brockenkuppe schichten eines Moores an verschiedenen den Moorkernen aus auf deren unmit- bildeten Hasel und Ulme damals Ge- Stellen ganz verschieden alt sein können. telbare Umgebung übergreifen, und die hölzbestände. Linden kamen noch bei Im Laufe der Zeit haben wir fast alle Moorkernen wuchsen zu Kleinmooren über 800 m NN auf dem Bruchberg vor. Moore auf ihre Entwicklungsgeschichte heran. Die Zahl der Moorkerne unter Das hielt bis in die Zeit der klimatisch untersucht. Das geschah in einem 50 x den Torfdecken der heutigen Moore ist günstigen postglazialen Wärmezeit an, in 50 m Raster, dessen Oberflächenpunkte sehr unterschiedlich. Bei einigen kleinen der sich die Fichte auszubreiten begann zunächst vermessen wurden. Dann wur- Hochmooren haben wir nur einen ein- und viele der bestehenden Laubwälder den die untersten Torfschichten mit dem zigen Moorkern gefunden. Meist sind es in Laubmischwälder umwandelte. Man Übergang zum mineralischen Untergrund aber mehrere. Unter dem 140 ha großen rechnet mit der Einwanderung bzw. abgebohrt und die jeweils unterste Torf- Bruchbergmoor konnten 47 Moorkerne ersten Ausbreitung der Fichte im allge- schicht pollenanalytisch durch Vergleich festgestellt werden. Die Zahl der Moor- meinen um etwa 7000 vor heute. Funde mit gut datierten Pollendiagrammen kerne hängt aber nicht alleine von der von Fichtennadeln in Torfen aus dem datiert. Das Alter einer untersten Torf- Größe eines Moores ab. So entstand das Brockenbereich haben aber gezeigt, dass probe entspricht natürlich immer dem 115 ha große Sonnenberger Moor nur mindestens vereinzelt die Fichte schon Zeitpunkt der uns interessierte, dem aus 10 Moorkernen. mehr als 1000 Jahre früher im Harz Fuß Zeitpunkt nämlich, zu dem diese Stelle gefasst hat. Die Weißtanne ist übrigens vom Moor überwachsen wurde. Mit Die weitere Entstehungsgeschichte eines niemals in den Harz gelangt, sie hat im diesen Angaben, die wir von fast allen heutigen Moores unterlag relativ einfa- Gegensatz zur Fichte den Sprung vom offenen Mooren erhoben hatten, konnten chen Gesetzmäßigkeiten. Benachbarte Thüringer Wald über das Thüringer dann die Gesetzmäßigkeiten erfasst wer- Moorkerne wuchsen zu Kleinmooren Becken nicht geschafft. den, nach denen sich die Entwicklung der heran, wurden immer größer, stießen Moore des Hochharzes vollzog. zusammen und verwuchsen nahtlos Beug, H.-J.: Die Moore des Harzes | 43

miteinander. Ein Vorgang, der sich über Mit Hilfe der Ergebnisse zur Entwick- damals das Moorwachstum stimulierte, Jahrtausende erstreckte und der zu den lungsgeschichte konnten unter Berück- lag somit die Brockenkuppe zweimal über großen Mooren führte, wie wir sie heute sichtigung aller untersuchten Moore die klimatische Waldgrenze – aber eben kennen. Von diesem Entwicklungsprozess Werte über die Wachstumsgeschwindig- nur vorübergehend. Erst in historischer sehen wir an der heutigen Oberfläche der keiten ermittelt werden. Dabei ergab sich Zeit, als im gesamten Hochharz – und Moore nichts mehr. Er ist im Einzelnen für den flächenhaften Zuwachs (in ha pro auch auf der Brockenkuppe – die starken allerdings noch komplizierter als hier 100 Jahren) ein ausgeglichener Kurven- anthropogenen Eingriffe zur Umwand- dargestellt, weil die Moorkerne eines verlauf, der nur um etwa 6000 und um lung der bisher dominierenden Rotbu- heutigen Moor meist verschieden alt sind 3000 vor heute vorübergehend höhere chen-Wälder in reine Fichtenwälder führ- und weil die Wachstumsgeschwindigkeit Werte einnimmt. Aus diesen beiden Zei- ten, bildete sich auf der Brockenkuppe die der Kleinmoore bzw. ihrer frühen Ab- ten kennt man aus Untersuchungen im heutige Waldgrenze mit der subalpinen kömmlinge von dem Hangwasserzufluss alpinen Raum Klimaverschlechterungen, Stufe aus. Man muss daher die heutige und von der klimatischen Entwicklung im die vorübergehend zu Absenkungen der Situation der Brockenkuppe mit ihrer Postglazial abhing. alpinen Waldgrenze und der Waldstufen waldfreien Stufe auf anthropogene Ein- führten (Piora- bzw. Rotmoos-Kaltpha- flüsse zurückzuführen. Man darf nicht davon ausgehen, dass es sen und Löbben-Kaltphase; Patzelt nur eine Frage künftiger Jahrtausende & Bortenschlager 1973, Burga & sein könnte, bis der ganze Hochharz zu Perret 1998). Eine Bedeutung dieser 4. Naturschutz einer zusammenhängenden Moorfläche kühleren postglazialen Phasen für die Bei der Darstellung der wissenschaftlich- geworden wäre. Der Vorgang des flä- Mittelgebirge war bisher nicht bekannt. botanischen Sachkenntnis kann man chenhaften Moorwachstums ist in vielen Aus der Reaktion der Wachstumsvor- sich fragen, ob man noch Worte verlieren Fällen mindestens vorläufig zum Still- gänge der Moore im Harz ist zu ersehen, muss, um die Bedeutung der Moore für stand gekommen. So können die Moore dass in diesen Zeiten der flächenhafte den Naturschutz zu beleuchten. Maß- meist keine steilen Hänge erobern, und Zuwachs erhöht war. Auch der Torfzu- nahmen zum Schutz und zur Erhaltung auf Blockpackungen würden sie sich auch wachs (in cm pro 100 Jahren) zeigt in der Moore fallen unter die Aufgaben des nicht wohl fühlen. Dem Moorwachstum synchroner Weise angehobene Werte. Naturschutzes, bedürfen aber in vielen sind orographische Grenzen gesetzt. Fällen der Zusammenarbeit mit oder der Manche Moore haben diese ihre Grenzen Die Geschichte der Brockenkuppe. Anregung durch wissenschaftliche Insti- schon vor einigen tausend Jahren erreicht Schließlich ergeben die vegetationsge- tutionen. Das wird längst in vielfältiger und mussten daher ihr flächenhaftes schichtlichen Ergebnisse und die Daten Weise wahrgenommen. Zu überdenken Wachstum bereits frühzeitig einstellen. zu den Wachstumsgeschwindigkeiten und sicherlich zu verbessern ist dagegen Andere Moore haben ihr flächenhaftes der Moore auch verlässliche Angaben die Rolle des Naturschutzes in Fragen der Wachstum infolge von Entwässerungs- zur Geschichte der Vegetation auf der Lehre, d.h. bei der nun einmal notwendi- maßnahmen oder anderen Schädigungen Brockenkuppe. Hier wurden Moore gen Weitergabe und Vermittlung der pro- einstellen müssen. Ob in ferner Zukunft untersucht, die bei 1036, 1060, 1095 und funden Kenntnisse über alle Einzelheiten das Moorwachstum durch massive 1098 m NN liegen. Soweit dabei frühho- dieser einmaligen moorreichen Land- Erhöhung des Wasserangebotes oder lozäne Torfe untersucht werden konnten, schaft an junge Biologen, und das bei al- durch Beseitigung der anthropogenen ergab sich für die Brockenkuppe damals lem Verständnis dafür, dass Maßnahmen Schäden wieder angekurbelt werden bereits eine Bewaldung mit Kiefern, und erforderlich sind, um Besucherströme von kann, liegt eher im Bereich spekulativer eine waldlose Stufe fehlte. Im weiteren den Moorflächen fernzuhalten. Erörterungen. Der derzeitige Anstieg der Verlauf der postglazialen Waldgeschich- Jahresmitteltemperaturen, auf den immer te ergab sich für den Zeitraum bis zum wieder hingewiesen wird, erscheint mir Beginn der Neuzeit ebenfalls eine voll- 5. Menschliche Einflüsse nicht sonderlich besorgniserregend zu ständige Bewaldung der Brockenkuppe. Wenn die Moore des Harzes im Ver- sein, da die Moore auch die erhöhten Dieser Zustand wurde nur zweimal gleich zu denen andere Landschaften in Jahres- und Sommermitteltemperaturen unterbrochen und zwar in den Zeiten, in ihrer Gesamtheit in einem guten Zustand der postglazialen Wärmezeit bei gutem denen sich für die Wachstumsgeschwin- sind, so können sie doch nicht als absolut Wachstum überstanden haben. Der Harz digkeiten der Moore angehobene Werte schadensfrei bezeichnet werden. Es gilt zu empfängt und empfing offenbar immer ergeben hatten. Damals konnte sich vorü- prüfen, in wieweit man in den einzelnen noch genügend Niederschläge, um das bergehend eine waldlose Stufe ausbilden. Mooren die Schäden, die in der Vergan- Moorwachstum nicht zu gefährden. Durch das episodisch kühlere Klima, das genheit den Mooren zugefügt worden 44 | Beug, H.-J.: Die Moore des Harzes

sind, in vorsichtiger Weise ausgleichen Sonnenberger Moor und auf dem Oder- Jensen, U. (1961): Die Vegetation des kann. Zunächst ein paar Worte zur Art sprungmoor der Fall. Es wäre nützlich, Sonnenberger Moores im Oberharz und der Schäden. wenn solche Vorgänge in einem Monito- ihre ökologischen Bedingungen. Natur- ring-Vorhaben verfolgt werden könnten. schutz und Landschaftspflege in Nieder- Der Torfstich hat im Hochharz eine lange In anderen Fällen sind die Beschädigun- sachsen 1: 83 S. Vergangenheit und geht bis in das 16. gen wahrscheinlich irreversibel, etwa im Jh. zurück. Die Vermoorung „Auf dem Fall von Torfstichen im Bereich steiler Jensen, U. (1987): Die Moore des Hoch- Acker“ wurde noch in der Nachkriegszeit Randgehänge, oder wenn tiefe Entwäs- harzes. Allgemeiner Teil. Naturschutz durch den Abbau von Badetorf an einer serungsgräben in die Hochflächen der und Landschaftspflege in Niedersachsen besonders wichtigen Stelle stark beschä- Moore hineinverlegt worden sind. Andere 15: 93 S. digt. Oft sind die Spuren des älteren Schäden, die durch randliche Entwäs- Torfstiches noch deutlich erkennbar, so u. serungsmaßnahmen entstanden sind, Jensen, U. (1990): Die Moore des Hoch- a. am Radauer Born bei Torfhaus und am könnten in manchen Fällen durch gezielte harzes. Spezieller Teil. Naturschutz und Goethemoor, das insbesondere durch die Maßnahmen zumindest gemindert Landschaftspflege in Niedersachsen 23: Anlage der Brockenbahn erheblich und werden. Ein zu erarbeitender Katalog 117 S. wohl irreversibel beschädigt wurde. der Schadensfälle könnte als Grundlage gute Dienste leisten. Hier sind insgesamt Patzelt, G. & Bortenschlager, S., Eine andere Schadenskategorie aus der Aufgaben wahrzunehmen, bei denen (1973): Die postglazialen Gletscher- und Vergangenheit sind die zahlreichen sich Naturschutz und Wissenschaft die Klimaschwankungen in der Venediger- Entwässerungsgräben, die seinerzeit von Verantwortung für die Moore des Harzes gruppe (Hohe Tauern, Ostalpen). Zeit- Forstbehörden angelegt wurden. Kleinere teilen müssen. schrift für Geomorphologie, N.F. Suppl. Moore wurden von Gräbern durchschnit- 16: 25-72. ten, häufig wurden am Rande der Moore, entweder im Flachmoorbereich oder Literatur Wendt, L. & v. Bülow, K. (1927): Ein auf der Hochfläche, auf langen Strecken Beug, H.-J.; Henrion, I. & Schmüser, Pollendiagramm aus dem Brockengebiet. Gräben ausgehoben. Besonders nachhal- A. (1999): Landschaftsgeschichte im Centralblatt für Mineralogie, Jhg. 1927, tig wurde der Wasserhaushalt geschädigt, Hochharz. Die Entwicklung der Wälder Abt. B, Nr. 7: 277-287. wenn das Wasser aus dem hangoberen und Moore seit der letzten Eiszeit. 454 Einzugsgebiet durch Gräben abgeleitet S., Clausthal-Zellerfeld. Willutzki, H. (1962): Zur Waldge- wurde und somit nicht mehr auf das schichte und Vermoorung sowie über Moor gelangen konnte. Eine zumindest Burga, C.A. & Perret, R. (1998): Ve- Rekurrenzflächen im Oberharz. Nova partielle Minderung der Wachstums- getation und Klima der Schweiz seit dem Acta Leopoldina NF 160, Bd. 25: 1-52. leistung ist das Resultat, die betroffenen jüngeren Eiszeitalter. 805 S. ,Thun. Moorteile trocknen aus und verheideten oder tragen heute oft sogar Fichtenbe- Firbas, F.; Losert, H. & Broihan, F. wuchs. (1939): Untersuchungen zur jüngeren Vegetationsgeschichte im Oberharz. Diese Schädigungen liegen mehr als Planta 30: 422-456. ein halbes Jahrhundert zurück. Manche Moore sind inzwischen dazu übergegan- Hesmer, H. (1928): Die Waldgeschichte gen, gewisse Schäden selber zu beheben. der Nacheiszeit des nordwestdeutschen So kann man immer wieder sehen, dass Berglandes auf Grund von pollenanalyti- gut wachsende Teilflächen auf den großen schen Mooruntersuchungen. Zeitschrift Hochmooren in den letzten 50 Jahren, in für Forst- und Jagdwesen 1928, H.4 und denen ich diese Vorgänge selber beobach- 5: 1-67. tet konnte, sich vergrößerten und dabei Flächen mit dem sog. Stillstandskomplex Hueck, K. (1928): Die Vegetation und Anschrift des Autors: überwuchsen, auf denen der Torfzuwachs Oberflächengestaltung der Oberharzer Prof. em. Dr. Hans-Jürgen Beug durch Entwässerungsmaßnahmen stark Hochmoore. Beiträge zur Naturdenkmal- Walther-Nernst-Weg 9 eingeschränkt oder sogar zum Stillstand pflege XII, H.2.: 151-214. 37075 Göttingen gekommen war. Das ist z.B. auf dem Bernsdorf, S.; Böhlmann, N.: Einfluss atmosphärischer N-Einträge auf die Entwicklung der Moore | 45

Sabine Bernsdorf & Nadine Böhlmann, Halle Einfluss atmosphärischer N-Einträge auf die Entwicklung der Moore im Hochharz

Einleitung Methode der unterschiedlichen Eintragspfade Sehr geehrter Herr Dr. Wegener, An verschiedenen Moorstandorten von Hangwasserzufluss, Freiland- und lieber Uwe! im Nationalpark Harz (Moor auf der Bestandesdeposition und die Quantifizie- Wir freuen uns sehr, dass wir heute Brockenkuppe, Quellmoor östlich der rung des N-Austrages in Fließgewässer anlässlich Deines 65. Geburtstages unsere Ilse, Goethemoor und Blumentopfmoor) und Atmosphäre. Ergebnisse der Moorforschung präsentie- wurden hydrochemische Kennwerte des ren dürfen. Unsere nunmehr fast langjäh- Moorwassers und Moorabflusses erfasst, Darüber hinaus wurden im Rahmen der rige Moorforschung begann 1998 mit der um die Beeinträchtigung der Moore praktischen Wiedervernässung eines Diplomarbeit von Frau Böhlmann. durch Bautätigkeit, Entwässerung, Tou- entwässerten Moores in der Naturent- rismus und atmosphärische N-Einträge wicklungszone des Nationalparks Unter- Ausgangspunkt unserer Forschung waren zu beurteilen (Böhlmann et al., 2001). suchungen zum Wasser- und N-Haushalt die von der BTU Cottbus durchgeführ- des Moores durchgeführt, um den Erfolg ten Wolkenwasseruntersuchungen auf Der Einfluss atmosphärischer N-Einträge der Wiedervernässung zu beurteilen. der Brockenkuppe, die auf sehr hohe auf die N-Flüsse eines intakten Moores N-Konzentrationen hinwiesen (Möller wurden mit Hilfe der N-Bilanzierung et al., 1996). Die daraus resultieren- intensiv im Ilsemoor untersucht Ergebnisse den hohen N-Einträge stellen für die (Böhlmann, 2004). Grundlage der Die atmosphärische N-Deposition wurde Entwicklung und das Wachstum der N-Bilanzierung waren die Erfassung im Zeitraum 2002 bis 2005 an verschie- N-limitierten Vegetation der Moore eine des N-Eintrages unter Berücksichtigung denen Standorten im Nationalpark Harz potentielle Gefährdung dar. Der Natur- raum des Hochharzes wird vor allem von sehr differenziert ausgebildeten Mooren geprägt. In diesem Zusammenhang sind der Wasser- und Nährstoffhaushalt für den Erhalt der Moore wichtige grundle- gende Fragen. Die folgenden Ausführun- gen geben beispielhaft einen Überblick über die in den letzten 8 Jahren erzielten Ergebnisse. Insbesondere die Dissertation von Frau Böhlmann demonstriert am Beispiel des Ilsemoores die Zusammen- hänge zwischen N-Ein- und N-Austrag und den Vorgängen im Moor. Ergänzend dazu sind mehrere Diplomarbeiten mit der Problematik beschäftigt.

Abb. 1: N-Deposition ausgewählter Standorte im Nationalpark Harz 46 | Bernsdorf, S.; Böhlmann, N.: Einfluss atmosphärischer N-Einträge auf die Entwicklung der Moore

nachgewiesen (Abb. 1).

Die gemessene N-Freilanddeposition ist sehr unterschiedlich und reicht von 30 kg N ha-1 a-1 im Blumentopfmoor im Jahr 2005 bei einer Niederschlags- menge von 1332 mm bis maximal 46 kg N ha-1 a-1 auf der Brockenkuppe bei einer Niederschlagsmenge von etwa 1600 mm. Ergänzend dazu lagen die N-Depositionen im Ilsemoor bei etwa 30 kg N ha-1 a-1.

Die Anteile der N-Komponenten schwankten an den einzelnen Standorten. Während im Ilsemoor die Deposition aus Abb. 2: Vergleich von Freiland- und Bestandesdeposition im Ilsemoor etwa gleichen Anteilen von Ammonium und Nitrat bestand, überwog auf der Brockenkuppe der Nitratanteil. Im Blu- mentopfmoor lagen 54 % des Stickstoffs

als NH4 vor und 23 % als NO3. Auffal- lend sind die relativ hohen organischen N-Anteile von 31 % (Ilsemoor) bis 39 % (Brockenkuppe). Der organische Stick- stoff wurde in bisherigen Untersuchungen aus der Literatur nur in wenigen Fällen berücksichtigt.

Aus den im Rahmen der Dissertation von Frau Böhlmann (Böhlmann, 2004) durchgeführten umfangreichen Un- tersuchungen im Ilsemoor werden die Unterschiede zwischen Freiland- und Bestandesdeposition deutlich (Abb. 2). Abb. 3: Vergleich der mittleren N-Gehalte von Regen und Nebel Deutlich erkennbar sind die bis zu 100 % höheren N-Einträge im Bestand mit einem deutlich höheren Anteil an Nitrat gegenüber Ammonium im Vergleich zur Freilanddeposition.

Ursache für die erhöhten N-Einträge im Bestand ist der Einfluss der Nebeldepo- sition auf die chemische Beschaffenheit des Bestandesniederschlags. Im Vergleich zum Regen sind die N-Konzentrationen im Nebel um ein Vielfaches (6 bis 7-fach) höher (Abb. 3). Auffallend sind die hohen

NO3-Gehalte im Nebel, die Werte bis zu 7,7 mg/l erreichen.

Abb. 4: N-Gehalte des Moorwassers ausgewählter Moore im Nationalpark Harz Bernsdorf, S.; Böhlmann, N.: Einfluss atmosphärischer N-Einträge auf die Entwicklung der Moore | 47

Die hydrochemischen Kennwerte (N- Gehalte) sind für die unterschiedlichen Standorte in Abb. 4 dargestellt. Die

Nt-Gehalte sind sehr unterschiedlich. Die höchsten Werte liegen im Goethemoor und im entwässerten Blumentopfmoor -1 mit 1,14 bzw. 1,02 mg l vor. Deutlich niedrigere Nt-Gehalte charakterisieren das Ilsemoor und das regenerierte Blu- mentopfmoor mit 0,49 bzw. 0,55 mg l-1.

Die NO3-Gehalte des Moorwassers sind auf der Brockenkuppe und im Goe- themoor mit 1,31 bzw. 1,12 mg l-1 am höchsten.

Die elektrische Leitfähigkeit des Moor- Abb. 5: Elektrische Leitfähigkeiten des Moorwassers ausgewählter Moore im Nationalpark Harz wassers zeigt für die genannten Standorte in unterschiedlichen Untersuchungs- zeiträumen mit > 100 µScm-1 sehr hohe Werte auf der Brockenkuppe, die auf eine Störung der Moorareale durch die in der Vergangenheit vorgenommene militärische Nutzung der Brockenkuppe und die damit in Verbindung stehende Ausbringung allochthonen Baumaterials (Kalkschotter) hinweist (Abb. 5). Relativ einheitlich und deutlich niedriger liegt die elektrische Leitfähigkeit im Goethe- moor, im Ilsemoor und im regenerierten Blumentopfmoor. Für das entwässerte Blumentopfmoor wurden erhöhte Werte nachgewiesen, die durch die Beeinträch- tigung des Wasser- und folglich auch des Abb. 6: Elektrische Leitfähigkeit im Abfluss des Moores auf der Brockenkuppe im Zeitraum 1998 bis 2003 Stoffhaushaltes des Moores infolge der Entwässerung begründet sind.

Betrachten wir die elektrische Leitfä- higkeit des Abflusses aus dem Moor auf der Brockenkuppe über einen längeren Zeitraum, so nahmen in Verbindung mit der Renaturierung der Brockenkuppe er- freulicherweise die elektrischen Leitfähig- keitswerte von 1998 bis 2003 deutlich ab, ebenso nimmt die Streuung der Werte ab. Es sind die aus monatlichen Einzelwerten berechneten durchschnittlichen Leitfähig- keitswerte dargestellt (Abb. 6).

Die im gleichen Untersuchungsrhythmus ermittelten pH-Werte zeigen ebenfalls deutlich höhere Werte der degradierten Abb. 7: pH-Werte des Moorwassers ausgewählter Moore im Nationalpark Harz 48 | Bernsdorf, S.; Böhlmann, N.: Einfluss atmosphärischer N-Einträge auf die Entwicklung der Moore

Die N-Bilanz wurde am Beispiel des Ilsemoores für das Jahr 2002 aufgezeigt (Böhlmann, 2004; Abb. 9). Bei einer Niederschlagsmenge von 1904 mm wurden in das untersuchte Ilsemoor 46 kg N ha-1a-1 eingetragen. Für die Frei- fläche betrug der N-Eintrag 31 kg ha-1 a-1 bei einer gemessenen Niederschlagsmen- ge von 2106 mm. Der Bestandesnieder- schlag war mit 1814 mm und einem N- Eintrag von 53 kg ha-1 a-1 deutlich höher. Der N-Eintrag über den Hangwasserzu- fluss wurde mit 7,7 kg ha-1a-1 ausgewie- sen. Die Evapotranspiration für dieses Gebiet wurde mit 211 mm berechnet bei einem gemessenen Abfluss von 1676 mm Abb. 8: pH-Werte im Abfluss des Moores auf der Brockenkuppe im Zeitraum 1998 bis 2003 und einem N-Austrag von 17 kg ha-1 a-1.

Die gemessene N2O-Emission des Ge- Moorareale auf der Brockenkuppe. Es Werte vor (Abb. 7). bietes betrug 0,25 kg N ha-1a-1 und ist für wurden mooruntypisch hohe pH-Werte die Gesamtbilanz vernachlässigbar. Die von durchschnittlich > 6,4 nachgewie- Die pH-Werte des Moorabflusses nah- ermittelte N-Retention von 69 % weist sen, die ebenfalls auf die Ausbringung men innerhalb des Zeitraumes von 1998 das Moor als eine N-Senke aus. von Kalkschotter auf der Brockenkuppe bis 2003 analog zur elektrischen Leitfä- zurückzuführen sind. Für die übrigen higkeit geringfügig ab; die Streuung der Die N-Gehalte unterschiedlicher Standorte liegen in etwa vergleichbare Werte wird ebenfalls kleiner (Abb. 8). Pflanzenarten wurden im Ilsemoor

Abb. 9: Wasser- und N-Stoffflüsse des Ilsemoores (2002) Bernsdorf, S.; Böhlmann, N.: Einfluss atmosphärischer N-Einträge auf die Entwicklung der Moore | 49

bestimmt (Abb. 10). Die N-Gehalte der Pflanzenarten unterscheiden sich signi- fikant in Abhängigkeit des Standortes (Hangwasserbereich, zentrale Moorflä- che) und der Pflanzenart. Gefäßpflanzen wiesen im Vergleich zu den untersuchten Torfmoosen signifikant höhere N-Gehal- te auf und zeigen damit eine im Vergleich zu ombrotrophen Pflanzenarten erhöhte N-Aufnahme. Ebenfalls höhere N-Ge- halte wurden im Hangwasserbereich bei höherer N-Zufuhr nachgewiesen.

Wiedervernässung des Blumentopfmoores Im Jahr 2005 erfolgte durch Verschluss der Gräben mit Hilfe von Stauvorrich- Abb. 10: N-Gehalte unterschiedlicher Pflanzenarten im Ilsemoor tungen (Abb. 11) die Wiedervernässung einer Versuchsfläche im Blumentopfmoor.

Erste Ergebnisse der Untersuchungen zum Wasser- und Stoffhaushalt wurden vorgestellt.

Nach Einbau der Stauvorrichtungen veränderten sich die Wasserstände des Moores deutlich. Die Wasserstände des Moores stiegen unmittelbar kurz nach Einbau der Stauvorrichtungen merklich an und zeigen seitdem permanent wasser- gesättigte Verhältnisse (Abb. 12).

Nach Beginn der Wiedervernässung veränderten sich die hydrochemischen Abb. 11: Wiedervernässung des Blumentopfmoores Parameter des Moorwassers. Die N- Gehalte lagen im wiedervernässten Moor deutlich niedriger (Abb. 13).

Ebenso wurden im Moorwasser des wiedervernässten Standortes signifikant geringere elektrische Leitfähigkeiten nachgewiesen, die auf geringere Stoffum- setzungsprozesse infolge der hohen Was- sersättigung nach der Wiedervernässung hindeuten. Begründet durch den erzielten Anstieg der Moorwasserstände sank das Redoxpotenzial des Moorwassers nach Wiedervernässung signifikant ab (Abb. 14).

Abb. 12: Veränderung der Moorwasserstände des Blumentopfmoores nach Wiedervernässung 50 | Bernsdorf, S.; Böhlmann, N.: Einfluss atmosphärischer N-Einträge auf die Entwicklung der Moore

Abb. 13: N-Gehalte des Moorwassers vor und nach der Wiedervernässung des Blumentopfmoores

Abb. 14: Elektrische Leitfähigkeiten und Redoxpotenziale des Moorwassers vor und nach der Wiedervernäs- sung des Blumentopfmoores

Ausblick Abschließend sei allen gedankt, die an Zusammenfassung Die bisherigen Ergebnisse zeigen deutlich den Forschungsarbeiten beteiligt waren. Für den Erhalt und Schutz der das Land- den Einfluss der nachgewiesenen hohen Besonderer Dank gilt Frau Dr. Böhlmann schaftsbild des Hochharzes prägenden atmosphärischen N-Einträge auf den für die Präsentation der Ergebnisse, den vielgestaltigen Moore ist die Betrachtung Stoffhaushalt der untersuchten Moore. wissenschaftlich technischen Mitarbei- des Wasser- und Nährstoffhaushaltes Langfristigere Untersuchungen sind tern des Institutes Frau Nauendorf und existentiell. Besonders die sehr hohen erforderlich, um die Entwicklung der Frau Naumann sowie Herrn Dr. Abdank. atmosphärischen N-Einträge können sich Moore bei anhaltend hohen N-Einträgen auf die nährstofflimitierte Vegetation und zu prognostizieren. In diesem Zusam- Bei den Mitarbeitern des Nationalparks auf das Wachstum der Moore auswirken. menhang sind neben der fortsetzenden bedanken wir uns für die bisher sehr Untersuchung des N-Haushaltes und der gute Zusammenarbeit. Insbesondere Dir, Der atmosphärische N-Eintrag wurde dauerhaften Beobachtung der Vegetati- lieber Uwe, gilt unser Dank für die geleis- umfassend unter Berücksichtigung ver- onsentwicklung ebenso die Nährstoffver- tete Unterstützung und Koordinierung schiedener Eintragspfade (Freiland- und sorgung (P, K) der Vegetation wichtige der wissenschaftlichen Arbeiten. Wir Bestandesdeposition) und für differen- zu berücksichtigende Aspekte. Bisherige wünschen uns, dass die Moorforschung zierte Niederschlagsformen (Regen, Untersuchungen geben erste Hinweise im Nationalpark weitergeführt wird und Schnee, Nebel) sowie an unterschiedli- auf eine P-Limitierung der Vegetation dass Du unsere Untersuchungen auch chen Standorten im Nationalpark Harz und damit die mögliche Unterbindung künftig noch begleiten wirst. untersucht. der Ausbreitung nährstoffliebender Die abschließenden Bilder zeigen den Pflanzenarten zugunsten der nährstof- Beginn Deiner Forschungsarbeiten an Der in den Jahren 2002 bis 2005 nach- flimitierten Torfmoose in den Mooren unserem Institut mit dem Abschluss der gewiesene atmosphärische N-Eintrag (Böhlmann, 2004). Im Rahmen einer Promotion an unserer Universität (Abb. ist an den jeweiligen Messstellen sehr Diplomarbeit wurden daraufhin Versuche 15 und 16). Die Fotos sind mir freund- unterschiedlich. Für das Ilsemoor wurden zur differenzierten Phosphorversorgung licherweise von Deinem Doktorvater, auf der Freifläche Depositionsraten von Torfmoosen begonnen, die unbedingt Herrn Professor Dörter, zu Verfügung von 31 bzw. 29 kg N ha-1a-1, für die fortzusetzen sind. gestellt worden. Brockenkuppe 39 bzw. 46 kg N ha-1 a-1 sowie für das Blumentopfmoor Bernsdorf, S.; Böhlmann, N.: Einfluss atmosphärischer N-Einträge auf die Entwicklung der Moore | 51

29 kg N ha-1 a-1 gemessen. Der N-Eintrag im Bestand war im Vergleich zur Freiflä- chendeposition deutlich höher.

Am Beispiel des Ilsemoores wurde der Wasser- und Stickstoffhaushalt für zwei hydrologische Jahre erfasst. Es wurden re- lativ hohe N-Retentionsraten des Moores von 65 und 69 % nachgewiesen. Demzu- folge fungiert das untersuchte Moor auch bei hohen N-Einträgen als N-Senke. Die N-Gehalte der Biomasse unterscheiden sich in Abhängigkeit von der Pflanzenart und vom Hangwasserzufluss signifikant.

Auf erste Ergebnisse des wiedervernäss- ten Blumentopfmoores wurde verwiesen und damit im Zusammenhang stehende Forschungsansätze wurden angesprochen.

Literatur Böhlmann, N.; Bernsdorf, S.; Borg, H. & Wegener, U. (2001): Einfluss an- thropogener Belastungen auf chemische

Kennwerte des Wassers in Mooren des Abb. 15: Promotion Dr. Uwe Wegener in Halle 1972 Hochharzes. Landnutzung und Landent- wicklung 42: 1–6.

Böhlmann, N. (2004): Wasser- und Stickstoffhaushalt eines soligenen Hang- moores im Hochharz am Beispiel des Ilsemoores. UFZ-Bericht 21: 1-259.

Möller, D. (1996): Precipitation and cloud chemistry in the Neue Bundeslän- der of Germany in the background of changing emissions. Quarterly Journal of Hungarian Meteorological Service Vol. 100 (1-3):117-133.

Anschrift der Autorinnen: Dr. S. Bernsdorf und Dr. N. Böhlmann Abb. 16: Dr. Uwe Wegener, Zirkelarbeit am Lehrstuhl Landwirtschaftliche Melioration Martin-Luther-Universität Halle-Wit- tenberg Institut für Agrar- und Ernährungswis- senschaften Ludwig-Wucherer Str.81 06108 Halle () 52 | Baumann, K.: Vegetationsdynamik soligener Hangmoore im Hochharz

Kathrin Baumann, Bad Harzburg Vegetationsdynamik soligener Hangmoore im Hochharz

1. Einleitung N-Einträge das Wachstum von Phanero- Vegetationsdynamik geführt, die so kurz- Soligene Hangmoore sind im Hochharz gamen fördern, was zu einer Verdrängung fristig nicht erwartet worden waren. recht weit verbreitet, aber im Brocken­ der Torfmoose führen kann (z.B. Clymo gebiet besonders vielfältig ausgebildet: 1973, Limpens 2003). 2. Untersuchungsgebiet Vor allem in Höhenlagen von 850 Das Untersuchungsgebiet befindet sich - 1.050 m ü. NN finden sich hier ur- Im Jahr 2001 wurden Untersuchungen im sachsen-anhaltischen Teil des Natio- waldartige Moorfichtenwälder mit mehr der Vegetation und ihrer Dynamik im nalparks Harz innerhalb der Kernzone. oder weniger ausgeprägtem Kampfwald- Auftrag der damaligen Nationalpark- Es umfasst die soligenen Hangmoore am charakter, die immer wieder von natürlich verwaltung Hochharz begonnen. Dazu Nordwest-, West- und Südhang des Bro- waldfreien Partien mit kleinflächigem gehört eine sukzessive flächendeckende ckens sowie im Ilse-Quellgebiet östlich Vegetationsmosaik durchsetzt sind. Die Feinkartierung der Vegetation zur Erfas- der Heinrichshöhe in einer Höhenlage Vegetation dieser Nieder- und Über- sung des Status quo (Alnus 2001, 2002, von 850-1.050 m ü. NN. Alle Moore gangsmoore hat in der Vergangenheit 2005). Untersucht werden sollen jedoch weisen eine hohe Naturnähe auf. stets weniger Beach­tung gefunden als die auch mögliche Vegetationsveränderungen der Hochmoore des Harzes. Auch über vor dem Hintergrund der hohen N-Ein- Das Klima des Brockengebietes ist rau: ihre natürliche Dynamik und mögliche träge. Besonderes Augenmerk gilt dabei Nach Glässer (1994) belaufen sich die anthropogene Veränderungen ist bislang den Torfmoosen, und zwar sowohl ihrer mittleren Jahresniederschläge auf rund wenig bekannt. Zwar sind diese Moore möglichen Verdrängung durch Phane- 1.600 mm, und die Jahresmitteltempe- von direkten menschlichen Verände- rogamen als auch ihrer interspezifischen ratur beträgt nur 2,8 °C. Dazu kommen rungen weitgehend verschont geblieben, Konkurrenz. Sphagnum fallax ist in den eine durchschnittlich von Ende Novem- doch auch der Nationalpark kann keinen soligenen Hangmooren die häufigste und ber bis Ende April andauernde Schneebe- Schutz vor den indirekten Folgen der in weiten Bereichen dominante Art, aber deckung und eine extreme Nebelhäufig- Industriegesellschaft bieten, zu denen es ist unklar, ob dies ein harztypisches, keit von im Mittel 284 Tagen. ein schleichender Klimawandel und natürliches Phänomen ist oder ob es sich atmosphärische Stickstoff-Depositionen um eine Entwicklung der jüngeren Zeit Geologisch wird das Gebiet vom Sye- gehören. Letztere haben sich in Europa handelt. Um die Entwicklung der Torf- nogranit („Kerngranit“) aufgebaut. In seit 1950 vervielfacht (vgl. Pitcairn et moosdecken zu untersuchen, wurde im den soligenen Hangmooren finden sich al. 1995). Auch im Harz sind die Einträge Jahr 2001 mit einem „Torfmoos-Monito- Torflager, die in den natürlich waldfreien hoch: Böhlmann (2004) ermittelte in ring“ auf 20 Dauerquadraten begonnen Bereichen überwiegend eine Mächtigkeit einem soligenen Hangmoor im Ilse- (Alnus 2006. von 70-100 cm erreichen. Die Ver- Quellgebiet im Freiflächenniederschlag moorung am Nordwesthang des Brockens 29-31 kg N ha-1 a-1 und im Bestandesnie- Der Zeitraum dieses Monitorings ist ging nach Beug et al. (1999) von der derschlag sogar 53-63 kg N ha-1 a-1; dies noch zu kurz, um fundierte Aussagen zu Bildung bachorientierter Moorkerne der ist weit mehr als der vom Economic and möglichen gerichteten – natürlichen oder Pollenzone VI (vor 6.800-8.600 Jahren) Social Council (2003) für nährstoff- anthropogenen – Veränderungen der aus. Deutlich jünger sind zumindest Teile arme Moore geforderte Grenzwert von Moorvegetation treffen zu können. Den- der Vermoorungen im Ilse-Quellgebiet, 10-20 kg N ha-1 a-1. Verschiedene Un- noch haben die Untersuchungen bereits deren Entstehung in die Pollenzone Xa tersuchungen belegen, dass zunehmende zu einigen Erkenntnissen hinsichtlich der (vor maximal 1.100 Jahren) datiert wird Baumann, K.: Vegetationsdynamik soligener Hangmoore im Hochharz | 53

(Böhlmann 2004). Einheiten übersetzt. Da sich in der alten Bei der Auswahl der Dauerquadrate Arbeit keine Originalaufnahmen sondern wurde darauf geachtet, dass Sphagnum 3. Methoden nur Stetigkeitstabellen finden, ist diese fallax ebenfalls – allerdings mit geringen 3.1 Vegetationskartierungen Überführung mit einer gewissen Un- Deckungsgraden – vorhanden ist und / Am Nordwest-, West- und Südhang schärfe behaftet. oder in der Nachbarschaft Dominanzbe- des Brockens und in Teilbereichen des stände bildet. In Tab. 1 sind ergänzende Ilse-Quellgebietes wurde eine flächende- Die anschließende Gegenüberstellung der Informationen zu den einzelnen Flächen ckende Feinkartierung der Vegetation in beiden Vegetationskarten zeigte teilweise zusammengestellt. den waldfreien Bereichen der soligenen erhebliche Unterschiede, die methodisch Hangmoore durchgeführt. Dazu wurden bedingt sein müssen. Offenbar ist die Die Dauerquadrate sind jeweils 1 x 1 m Vegetationsaufnahmen nach der Methode Vegetation des Moores in der Karte von groß und mit vier Holzpflöcken markiert. von Braun-Blanquet (vgl. Dierschke 1973 nicht lagegenau und maßstabsge- Bei der Aufnahme der Vegetation wird 1994) angefertigt. Die Schätzung der recht wiedergegeben worden, so dass ein jede Fläche in 25 Kleinquadrate mit einer Deckungsgrade erfolgte in Prozent. Um Vegetationsvergleich nur eingeschränkt Größe von 20 x 20 cm zerlegt. Auf dieser die Vergleichbarkeit mit vorliegenden möglich ist. Es wird daher auf die Dar- Basis werden die Dominanzverhältnisse Untersuchungen aus den Harzmooren stellung der beiden Karten verzichtet der einzelnen Torfmoose in ein entspre- zu gewährleisten, wurde die Vegetations­ und nur textlich auf die offensichtlichen chendes Raster übertragen. Für die Ge- gliederung von Baumann (2000) und Vegetationsveränderungen eingegangen. samtfläche von 1 2m Größe wird zudem Ellwanger (1995) soweit möglich eine Vegetationsaufnahme erstellt. Die übernommen; teilweise erfolgte eine noch 3.3 Dauerflächen-Untersuchungen Deckungsgrade der verschiedenen Arten feinere Differenzierung. Insgesamt 20 Dauerflächen wurden in werden dabei in Prozentwerten geschätzt. den soligenen Hangmooren des Ilse- Die Aufnahme der Flächen erfolgte von 3.2 Vegetationsvergleich 1973 - 2002 Quellgebietes auf einer Höhe zwischen 2001 bis 2003 und 2005 bis 2006 jährlich Lediglich aus einem kleinen Moor nahe 845 und 950 m ü. NN im Zeitraum von im Hochsommer, 2004 ruhten die Un- der ehemaligen Ilsenburger Skihütte im 2001-2003 angelegt. Die Flächen setzen tersuchungen. Um zufallsbedingte, etwa Ilse-Quellgebiet liegt bereits eine ältere sich aus jeweils fünf Parallelen von vier auf besonderen Witterungsbedingungen Vegetationskarte vor (Schiemenz 1973). unterschiedlichen Torfmoos-Typen zu- (Starkregenereignisse, Trockenperio- Um mögliche Vegetationsveränderungen sammen, die alle soligenen Moorbereiche den) beruhende vorübergehende Vege- innerhalb eines Zeitraums von 30 Jahren repräsentieren, die nicht von Sphagnum tationsveränderungen von gerichteten erkennen zu können, wurde im Jahr 2002 fallax dominiert werden: So werden Veränderungen unterscheiden zu können, eine Neukartierung vorgenommen. Vor Dominanzen von Sphagnum papillosum, S. ist zumindest in der Anfangsphase des Ort gestaltete es sich allerdings schwierig, auriculatum und S. riparium sowie mehr Monitorings eine jährliche Aufnahme den Bereich der alten Kartierung genau oder weniger nackte Torfe untersucht. wichtig. zu lokalisieren, weil keine Einmessung vorlag, auf der Karte kein Maßstab ange- geben war und sie – wie sich erst später herausstellte –nicht korrekt eingenordet war.

Im Rahmen der eigenen Kartierung wur- den neben der Lage des Moores insbeson- dere der Verlauf der waldfreien Flächen und der Quellbäche sowie die Lage der Fichteninseln mittels Taschenbussole und Ultraschall-Entfernungsmessers exakt vermessen. Auf Basis der so erstellten Karte erfolgte anschließend die eigentli- che Vegetationskartierung (vgl. Kap. 3.1). Für den Vergleich 1973-2002 wurden die bei Schiemenz (1973) unterschiede- nen Vegetationseinheiten in die eigenen Tab. 1: Übersicht der Dauerquadrat-Typen im Ilse-Quellgebiet 54 | Baumann, K.: Vegetationsdynamik soligener Hangmoore im Hochharz

Laufende Nummer 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 Einheit 11 11 11 11 12 12 131 131 132 132 21 21 221 221 221 221 222 222 222 223 231 232 24 25 25 25 26 Deckung Krautschicht 90 65 90 80 70 80 40 55 55 35 80 75 45 30 55 20 65 30 45 25 35 45 50 85 90 80 40 Deckung Moosschicht 30 30 10 15 5 10 70 60 95 99 60 50 80 100 95 95 75 95 95 60 98 95 100 30 20 15 95 Artenzahl Gefäßpflanzen 10 6 8 9 9 8 4 5 12 12 6 7 5 6 8 3 9 1 4 3 6 4 3 5 5 5 7 Artenzahl Moose 2 5 2 5 2 4 5 3 5 3 3 2 3 4 4 5 3 2 2 2 2 2 3 1 1 1 3

AC, DA Piceo-Vaccinietum uliginosi Vaccinium uliginosum 50 . 10 2 . 1 . . . + . . . 3 . 5 ...... Calluna vulgaris . 15 2 . . . . 1 . 10 . . 1 ...... Vaccinium myrtillus 10 2 . 5 1 . . . 1 ...... Vaccinium vitis-idaea 1 . . 25 . . . . 1 ...... Picea abies 1 . 1 1 ...... Dicranum scoparium . 1 . + ......

KC Oxycocco-Sphagnetea Eriophorum vaginatum + 25 70 25 1 . . . 20 1 . 1 ...... 5 . 2 . Carex pauciflora 1 2 . . . . . 5 . . . . 1 . 2 ...... Vaccinium oxycoccus 1 2 1 1 1 + 5 10 3 2 1 2 3 5 10 2 2 . . . 1 . . . . . 5 Sphagnum russowii 30 15 10 . 5 . . 5 1 3 2 . 1 1 1 ...... Drosera rotundifolia ...... 2 . 2 1 . . . 2 1 ...... Trichophorum cespitosum . . . . . 10 ...... Sphagnum rubellum ...... 1 ...... Empetrum nigrum 5 ...... 1 ......

Trichophorum germanicum . . . . 65 65 . 5 2 1 . . 25 ......

KC, DA Sphagnetum magellanici Sphagnum magellanicum ...... 60 50 ...... 1 ...... Andromeda polifolia ...... 10 ...... 2 ......

AC Caricetum lasiocarpae Carex lasiocarpa ...... 50 45 ......

Eriophorum angustifolium + . 1 . . 2 25 25 2 2 5 1 15 20 25 10 25 30 35 25 5 10 . . 1 . 10

Carex rostrata ...... 1 ...... 25 30 . . . . 10

Sphagnum papillosum ...... 90 95 35 45 80 90 90 90 ...... Sphagnum fallax . 15 . . . 3 5 5 1 1 25 5 . 10 2 2 75 95 95 10 95 . 30 30 20 15 95 Sphagnum auriculatum ...... 50 ...... Sphagnum riparium ...... 90 70 . . . .

Calamagrostis villosa . . . 2 ...... 2 . 5 . 1 5 50 . . . .

Molinia caerulea ...... 25 15 25 25 ...... 75 80 70 .

AC Caricetum fuscae Calliergon stramineum ...... 1 . 1 ...... 1 ...... 1 Carex canescens ...... 2 . . . . 5

KC Scheuchzerio-Caricetea fuscae Carex nigra 15 + 5 . + 1 . . 2 2 . . . . 2 . 5 ...... 5 1 2 1 Viola palustris ...... 20 ...... Carex echinata ...... 1 . . .

Begleiter Polytrichum commune 2 . 1 1 1 5 1 . 1 . . . 2 1 2 1 . 1 3 . 3 5 3 . . . 2 Trientalis europaea . . . 1 5 1 . . 3 2 2 2 . . 5 . 2 . 5 + 2 . 3 + 1 2 15 Anthoxanthum alpinum . . . . + ...... 2 . 1 . . . 2 . 2 . . . 2 Galium harcynicum . . . . + 1 ...... Aulacomnium palustre . 1 . . . 1 ...... Avenella flexuosa . . 5 2 ...... Nardus stricta . . . . + ...... 1 . . 3 ...... Juncus squarrosus ...... Drepanocladus aduncus . . . . . 1 1 ...... Sphagnum girgensohnii . . . 15 ...... Pleurozium schreberi . . . 2 ...... Potentilla erecta ...... + ...... Salix repens ...... 10 ...... Drepanocladus fluitans ...... 2 ...... Juncus effusus ...... 7 5 . maculata ...... 3 2 ...... Melampyrum pratense ...... + ...... Lycopodium clavatum ...... 1 ...... Polytrichum strictum . 1 ...... Mylia anomala . . . + ......

1. Oxycocco-Sphagnetea 2. Scheuchzerio-Caricetea fuscae 1.1 Piceo-Vaccinietum uliginosi 2.1 Caricetum lasiocarpae 1.2 Trichophorum germanicum-Gesellschaft 2.2 Eriophorum angustifolium-Gesellschaft 1.3 Sphagnetum magellanici 2.2.1 Variante von Sphagnum papillosum 1.3.1 Typische Variante 2.2.2 Variante von Sphagnum fallax 1.3.2 Variante von Sphagnum papillosum 2.2.3 Variante von Sphagnum auriculatum 2.3 Carex rostrata-Gesellschaft 2.3.1 Variante von Sphagnum fallax 2.3.2 Variante von Sphagnum riparium 2.4 Calamagrostis villosa-Sphagnum riparium-Gesellschaft 2.5 Molinia caerulea-Dominanzbestände 2.6 Caricetum fuscae

Tab. 2: Vegetationstabelle der waldfreien soligenen Hangmoore Baumann, K.: Vegetationsdynamik soligener Hangmoore im Hochharz | 55

4. Vegetation Hangwasser hinausgewachsen sind und auf: Die Typische Variante wird durch die Die Vegetation der waldfreien Moorbe- deshalb weniger nass und schlechter Präsenz von Sphagnum magellanicum ge- reiche lässt sich zwei Vegetationsklassen nährstoffversorgt sind als die flachgrün- kennzeichnet. Es handelt sich um jeweils und insgesamt neun Pflanzengesellschaf- digeren Standorte. Vielerorts haben sich ca. 10-20 m2 große Bereiche, die über die ten zuordnen. Erosionskomplexe entwickelt, die aus normale Mooroberfläche hinausgewach- einem System zwergstrauchreicher Parti- sen sind. Die Krautschicht wird zwar vom 4.1 Oxycocco-Sphagnetea en und meist nackter, nur vorübergehend Mineralbodenwasserzeiger Eriophorum „Echte“ Hochmoorvegetation ist in den wasserführender Schlenken bestehen. angustifolium dominiert, doch es finden untersuchten Hangmooren nicht zu sich auch diverse Hochmoor-Arten wie finden. Die KlasseOxycocco-Sphagnetea 4.1.2 Trichophorum germanicum-Gesell- Vaccinium oxycoccus, Drosera rotundifolia ist mit drei Gesellschaften vertreten, in schaft (Tab. 2, Nr. 5-6) und Andromeda polifolia. Letztere tritt in denen sich die Hochmoor-Arten mit de- Die Rasensimse tritt gelegentlich aspekt- den soligenen Hangmooren äußerst selten nen der Niedermoore mischen. Hieraus bildend mit ihrer mehr atlantisch verbrei- auf. resultiert teilweise eine für die Harzmoo- teten Unterart Trichophorum cespitosum re außergewöhnliche hohe Artenzahl pro ssp. germanicum auf. Entsprechende Bei der Variante von Sphagnum papillosum Flächeneinheit. Der Anteil der Oxycocco- Bestände werden in der Trichophorum handelt es sich um dichte Decken von Sphagnetea-Gesellschaften an der Ge- germanicum-Gesellschaft zusammenge- Sphagnum papillosum, die eine Mischve- samtfläche der waldfreien Moorteile fasst. Sie ähneln physiognomisch den getation von Arten der Klassen Oxycocco- beträgt weniger als 10 %. vollständig von Trichophorum cespitosum Sphagnetea und Scheuchzerio-Caricetea ssp. cespitosum dominierten Mooren im fuscae bei zahlenmäßigem Überwiegen 4.1.1 Piceo-Vaccinietum uliginosi ( Ta b . 2 , Brockengebiet, bei denen es sich jedoch der ersteren aufweisen. Sie stehen der Nr. 1-4) um Stillstandskomplexe von Hochmoo- Sphagnum papillosum-Variante der Erio- Die Reisermoorvegetation des Piceo- ren handelt, deren Vegetation als Tricho- phorum angustifolium-Gesellschaft sehr Vaccinietum uliginosi tritt generell an der phorum-Fazies des Sphagnetum magellanici nahe (vgl. Kap. 4.2.2), doch das Schmal- ökologischen Grenze zwischen Moor einzuordnen ist (vgl. Ellwanger 1995). blättrige Wollgras tritt hier stets nur und Wald auf und wird überwiegend mit sehr geringen Deckungsgraden auf. von Zwergsträuchern geprägt, zwischen In der Trichophorum germanicum- Gelegentlicher Begleiter der Bestände ist denen auch schlechtwüchsige Gehölze Gesellschaft sind die Hochmoor-Arten das Gefleckte Knabenkraut Dactylorhiza( (im Harz Fichten) stocken können. Im mit denen der Niedermoore durchsetzt. maculata). Brockengebiet handelt es sich um Bestän- Typische Zeiger für minerotrophe Bedin- de, in denen die Fichte meist vollständig gungen sind die hochsteten Carex nigra, 4.2 Scheuchzerio-Caricetea fuscae fehlt oder über einen Meter Höhe kaum Trientalis europaea, Anthoxanthum alpi- Gesellschaften der Klasse Scheuchzerio- hinauswächst. Habituell haben sie den num und Polytrichum commune. Torfmoo- Caricetea fuscae prägen die waldfreien stärksten Hochmoor-Charakter aller se spielen kaum eine Rolle. Wuchsorte Moorpartien auf über 90 % der Fläche. erfassten Vegetationstypen. sind Übergangsmoore, deren Oberfläche Sie sind überwiegend auf nasseren Stand- ähnlich wie beim Piceo-Vaccinietum uligi- orten zu finden als dieOxycocco-Sphagne - Mit Vaccinium uliginosum, V. myrtillus, nosi weniger nass und vergleichsweise fest tea-Gesellschaften und weisen oft dichte, V. vitis-idaea und Calluna vulgaris treten ist. Häufig sind Erosionskomplexe mit weiche Torfmoosdecken auf. vor allem Zwergsträucher als differenzie- kleinen, meist vegetationsfreien und nur rende Arten auf, daneben erreichen aber temporär wasserführenden Schlenken 4.2.1 Caricetum lasiocarpae (Tab. 2, Nr. auch Eriophorum vaginatum, Sphagnum ausgebildet. 11-12) russowii und Dicranum scoparium höhere Das Fadenseggen-Ried (Caricetum lasio- Stetigkeiten als in den übrigen Vegeta- 4.1.3 Sphagnetum magellanici ( Ta b . 2 , carpae) wächst im Untersuchungsgebiet tionstypen. Dass es sich durchweg um Nr. 7-10) lediglich in einem einzigen Hangmoor. minerotrophe Standorte handelt, zeigen Das Sphagnetum magellanici ist mit seinen Die namengebende Kennart hat hier ihr Arten wie Carex nigra, Avenella flexuosa zahlreichen Subassoziationen die das einziges aktuell bekanntes Vorkommen und Polytrichum commune. klassische waldfreie Hochmoor des Har- im Nationalpark Harz (vgl. Kison & zes prägende Pflanzengesellschaft. In den Wernecke 2004). Die Zuordnung des Das Piceo-Vaccinietum uliginosi findet soligenen Hangmooren kann die Gesell- Bestandes zu dieser Assoziation erfolgt sich auf den mächtigsten Torfen, also schaft naturgemäß keine große Rolle spie- allein durch Präsenz von Carex lasiocarpa, in Bereichen, die am stärksten aus dem len. Sie tritt im Gebiet mit zwei Varianten die stets hohe Deckungsgrade erreicht. 56 | Baumann, K.: Vegetationsdynamik soligener Hangmoore im Hochharz

Abb. 1: Die Eriophorum angustifolium-Gesellschaft tritt in vielen soligenen Hangmooren des Brockengebietes großflächig auf. Dieses Foto zeigt einen Bereich im Ilse-Quellgebiet, in dem der ehemals recht wüchsige Moorfichtenwald im Randbereich des offenen Moores im Absterben begriffen ist.

Zahlreich präsent ist auch Molinia meist dichte Torfmoosrasen gekennzeich- wie dem hochsteten Vaccinium oxycoccus caerulea. Mit Ausnahme des Torfmooses net. Die standörtlichen Bedingungen sind sowie Drosera rotundifolia, Vaccinium Sphagnum papillosum, das meist 30-50 % recht vielfältig und lassen sich in erster uliginosum und Carex pauciflorabegleitet. der Fläche bedeckt, treten alle weiteren Linie an der Art des dominanten Torf- Spezies nur mit geringer Mächtigkeit auf. mooses ablesen, nach der eine Differen- Die Torfmoos arme Variante und die Physiognomisch handelt es sich um Carex zierung in Varianten erfolgt. Variante von Sphagnum fallax finden sich lasiocarpa-Molinia caerulea-Dominanzbe- stets in enger kleinräumiger Verzahnung. stände. Die engsten Beziehungen zu den Oxy- Vermutlich treten beide auch in einem cocco-Sphagnetea-Gesellschaften hat die zeitlichen Mosaik auf, indem durch 4.2.2 Eriophorum angustifolium-Gesell- Variante von Sphagnum papillosum. Ihre Erosion (Starkregen, Schneeschmelze) schaft (Tab. 2, Nr. 13-20) Torfmoosdecke ist stets dicht, fest und die Torfmoosdecke in kleinen Rinnen ge- In den soligenen Hangmooren am sehr gut betretbar, denn sie ist bereits aus öffnet wird, später jedoch je nach Abfluss- weitesten verbreitet ist die Eriophorum dem stärksten Einfluss des Hangwassers regime auch wieder regenerieren kann. angustifolium-Gesellschaft. In dieser Vege- hinausgewachsen. Treten die Bestände in Die Variante von Sphagnum fallax nimmt tationseinheit werden Bestände mit star- einem kleinräumigen Mosaik mit anderen größere Flächen ein als die Torfmoos ker Präsenz (oft Dominanz) des namen- Varianten der Gesellschaft auf, ist stets arme Variante und hat auch im Vergleich gebenden Wollgrases zusammengefasst, eine leichte Aufwölbung der Sphagnum aller Varianten der Eriophorum angusti- denen Kennarten anderer Gesellschaften papillosum-Decken zu erkennen. Die folium-Gesellschaft die mit Abstand fehlen; demzufolge ist die Gesellschaft im minerotrophe Bedingungen anzeigenden größten Flächenanteile. Die Standorte wesentlichen negativ definiert. Strukturell Spezies Eriophorum angustifolium, Sphag- sind durchweg nass und gelegentlich von sind die Bestände durch eine selten mehr num fallax und Polytrichum commune wer- Wasser überrieselt. Häufige Begleiter des als 50 % deckende Krautschicht und den stets von Oxycocco-Sphagnetea-Arten Schmalblättrigen Wollgrases sind Trien- Baumann, K.: Vegetationsdynamik soligener Hangmoore im Hochharz | 57

talis europaea und Calamagrostis villosa, weich, und die Torfmoosdecken mäßig fuscae) werden durch Carex canescens und in der Moosschicht ist neben Sphagnum gut betretbar. Diese Bestände nehmen die Calliergon stramineum gekennzeichnet, fallax auch Polytrichum commune hochstet weitaus größten Flächen ein. hochstete Begleiter sind Eriophorum vorhanden. Oxycocco-Sphagnetea-Arten angustifolium, Carex rostrata, Carex nigra, treten allenfalls vereinzelt auf. Die Sphagnum riparium-Variante wächst Trientalis europaea und Anthoxanthum an den nassesten Stellen; die sehr weichen alpinum. In der meist gut ausgebildeten Auf Quellwasseraustritte und flache Torfmoosrasen sind schwer oder nicht Moosschicht dominiert Sphagnum fallax. Rinnen beschränkt ist die Variante von betretbar. Da Sphagnum riparium in Die Wuchsorte sind weniger stark ver- Sphagnum auriculatum, die durch die (halb)schattigen Bereichen das typische nässt als die der oft benachbart vorkom- schwach goldene bis kupferfarbene Fär- Torfmoos in durch geworfene Fichten menden Eriophorum angustifolium- und bung der namengebenden Art auffällt. In entstandenen Tümpeln ist, handelt es sich Carex rostrata-Gesellschaft und etwas diesen artenarmen Beständen finden sich bei dieser Variante vermutlich teilweise besser mit Nährstoffen versorgt. Generell oft Nardus stricta und Juncus bulbosus, und um Regenerationsstadien z.B. von kleinen bedeckt das Caricetum fuscae im Harz in Oxycocco-Sphagnetea-Arten fehlen meist Einsturz- oder Wurzeltrichtern. natürlich waldfreien Mooren nur kleine vollständig. Diese Variante ist die seltens- Flächen und hat seine Hauptverbreitung te der Gesellschaft und nur punktuell und 4.2.4 Calamagrostis villosa-Sphagnum auf anthropogenen Standorten, z.B. in kleinflächig zu finden. riparium-Gesellschaft (Tab. 2, Nr. 24) nassem Extensivgrünland (vgl. Baumann Die Calamagrostis villosa-Sphagnum 2000). 4.2.3 Carex rostrata-Gesellschaft (Tab. 2, riparium-Gesellschaft ist durch die Domi- Nr. 21-22) nanz der beiden Namen gebenden Arten 5. Vegetationsdynamik Die Carex rostrata-Gesellschaft wird geprägt, im übrigen aber ausschließlich 5.1 Vegetationsvergleich 1973 - 2002 durch die Namen gebende Schnabel- negativ gekennzeichnet. Die sehr nassen Damals wie heute bedeckt die Eriophorum Segge geprägt, ist aber im übrigen negativ Torfmoosrasen sind kaum betretbar. angustifolium-Gesellschaft weite Bereiche gekennzeichnet. Sie fällt durch den ver- Entsprechende Bestände sind in den des Moores, und die Sphagnum fallax-Va- gleichsweise hohen Wuchs und die bläu- waldfreien Niedermooren des Brockens riante hat daran die größten Anteile. Auf lichgrüne Farbe der Seggenbestände auf. sehr selten und treten nur kleinflächig auf. deren Kosten etwas ausgebreitet zu haben Die Krautschicht ist stets lückig ausgebil- Die Wuchsorte sind denen von Teilen der scheint sich die Sphagnum papillosum- det und bedeckt selten mehr als 50 % der Sphagnum riparium-Variante der Carex Variante, die heute drei großflächige und Fläche. Oxycocco-Sphagnetea-Arten fehlen rostrata-Gesellschaft sehr ähnlich, d.h. es mehrere kleine Vorkommen hat, auf der den artenarmen Beständen praktisch handelt sich primär um eine Verlandungs- alten Vegetationskarte jedoch nur an zwei vollständig. Häufige Begleiter vonCarex vegetation. Innerhalb der Moorfichten- Stellen eingezeichnet ist. Zurückgegangen rostrata sind Eriophorum angustifolium, wälder sind entsprechende „Verlandungs- ist die Sphagnum auriculatum-Variante: Calamagrostis villosa, Trientalis europaea gesellschaften“ häufiger kleinstflächig z.B. 1973 war sie noch für zahlreiche Ab- und Polytrichum commune. in Wurzeltrichtern zu finden. schnitte der Quellbäche kennzeichnend, heute ist sie auf einen kurzen Bachlauf Typischerweise ist die Gesellschaft an 4.2.5 Molinia caerulea-Dominanzbestän- beschränkt. Im stärksten Maß haben stark vernässten, deutlich hangwasserbe- de (Tab. 2, Nr. 25-26) jedoch die Bestände der Sphagnum einflussten Stellen zu finden. Offenbar Das Pfeifengras bildet örtlich Dominan- riparium-Variante abgenommen. Sie wa- von Beschattung profitierend, finden zen, die sich aufgrund ihres spärlichen ren 1973 noch praktisch unterhalb jeder sich entsprechende Bestände überall Arteninventars nur schwer syntaxo- Fichteninsel ausgebildet und auch entlang kleinflächig in lichteren, nassen Sen- nomisch einordnen lassen und hier als von Quellbächen zu finden, doch 2002 ken des Moorfichtenwaldes, ohne dass Molinia caerulea-Dominanzbestände wurden nur noch wenige Vorkommen am diese Kleinstvorkommen kartographisch bezeichnet werden. Die Moosschicht ist Rand des offenen Moores festgestellt. Im darstellbar sind. Auch in absterbenden zwischen den Pfeifengras-Horsten nur Bereich von Fichteninseln ist Sphagnum Partien des Moorfichtenwaldes scheint schwach ausgebildet und wird meist von riparium zwar auch heute noch an einigen sich Carex rostrata schnell zu etablieren. Sphagnum fallax geprägt. In der Kraut- Stellen zu finden, doch es bedeckt nur schicht sind Carex nigra und Trientalis sehr kleine, in einer Vegetationskarte Die Torfmoos arme Variante und die europaea die häufigsten Begleiter. nicht darstellbare Flächen. Im angren- Sphagnum fallax-Variante treten meist in zenden Fichten-Bruchwald wächst es kleinräumigen Komplexen eng verzahnt 4.2.6 Caricetum fuscae (Tab. 2, Nr.27) dagegen vielerorts flächig in den Wurzel- auf. Ihre Standorte sind nass, die Torfe Die Braunseggensümpfe (Caricetum trichtern umgestürzter Fichten. 58 | Baumann, K.: Vegetationsdynamik soligener Hangmoore im Hochharz

Nummer P1 P2 P3 P4 P5 Moor I11 I11 I3 I7 I3 Aufnahmejahr 01 02 03 05 06 01 02 03 05 06 01 02 03 05 06 03 05 06 03 05 06 Deckung der Krautschicht [%] 20 20 30 20 30 30 40 55 50 60 45 50 45 35 30 50 40 60 15 20 25 Deckung der Moosschicht [%] 99 100 100 100 100 85 80 85 55 55 90 70 80 80 65 98 95 80 100 100 100 Deckung der Streuschicht [%] 15 20 45 40 30 25 40 75 90 90 15 20 50 10 15 40 50 60 10 15 15 Anteil offenen Bodens [%] 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5 5 2 5 20 0 0 0 0 0 0 Artenzahl Phanerogamen 2 2 4 3 3 10 9 12 10 10 10 11 12 12 10 7 7 7 6 9 7 Artenzahl Kryptogamen 2 2 2 2 2 4 4 4 3 3 4 4 4 3 3 5 5 3 4 3 4

Kryptogamen Sphagnum papillosum 97 99 98 99 98 75 75 80 50 50 25 30 30 50 55 98 92 75 98 97 97 Sphagnum fallax 2 1 2 1 2 5 3 5 5 5 65 40 50 30 10 0,5 2 3 2 3 2 Sphagnum russowii . . . . . 3 1 0,5 1 1 . . . . . 0,5 0,5 2 0,5 . 1 Calliergon stramineum . . . . . 1 1 0,5 . . 1 1 1 . . 0,5 0,5 . . . . Polytrichum commune ...... 1 3 1 1 1 0,5 0,5 . 0,5 0,5 0,2

Phanerogamen Eriophorum angustifolium 15 15 20 13 18 2 3 4 0,5 2 20 30 25 15 7 10 5 3 10 10 7 Molinia caerulea 5 5 10 7 12 10 20 35 35 35 . . 0,5 0,5 . 20 15 50 . . . Vaccinium oxycoccus . . 0,5 0,5 0,2 5 4 5 3 4 3 5 3 3 3 2 2 3 3 5 7 Eriophorum vaginatum . . 0,5 . . 7 5 5 10 3 1 1 0,5 1 . 10 5 2 . 1 . Drosera rotundifolia . . . . . 1 2 2 . . 1 0,5 0,5 0,5 2 2 1 1 5 5 5 Trientalis europaea ...... 1 3 2 2 2 1 1 2 2 2 3 3 1 0,5 2 Carex pauciflora . . . . . 3 3 5 1 0,2 ...... Vaccinium myrtillus . . . . . 1 2 1 1 0,2 ...... 1 . Vaccinium vitis-idaea . . . . . 0,5 . 0,5 0,2 0,2 ...... Lycopodium annotinum . . . . . 0,5 . 0,5 ...... Picea abies juv...... 2 1 0,5 1 2 . . . . 1 . . . . 0,2 . Calamagrostis villosa ...... 0,5 1 0,2 1 . . . 0,5 0,5 0,2 Juncus filiformis ...... 3 1 ...... Potentilla erecta ...... 7 7 3 5 4 ...... Viola palustris ...... 2 4 3 3 4 ...... Nardus stricta ...... 1 1 5 7 . . . 3 7 5 Picea abies (Keimling) ...... 0,2 0,2 0,2 0,2 ...... 0,2 Trichophorum germanicum ...... 1 1 1 ...... Carex rostrata ...... 1 ...... Carex nigra ...... 0,5 0,2 1 ...... Juncus acutiflorus ...... 3 1 1 . . . Tab. 3: Vegetation der Dauerflächen des Sphagnum papillosum-Typs in den Jahren 2001 - 2006

Nummer A1 A2 A3 A4 A5 Moor I11 I3 I3 I9 I4 Aufnahmejahr 01 02 03 05 06 01 02 03 05 06 03 05 06 03 05 06 03 05 06 Deckung der Krautschicht [%] 35 35 40 30 50 10 15 20 15 16 25 20 30 20 15 25 15 15 15 Deckung der Moosschicht [%] 90 90 90 75 75 98 85 90 100 90 40 75 65 90 90 90 90 80 80 Deckung der Streuschicht [%] 35 60 90 80 75 10 15 25 25 30 60 45 25 1 0 0 25 10 10 Anteil offenen Bodens [%] 0 0 0 0 0 2 10 0 0 0 10 10 20 10 5 5 10 15 20 Artenzahl Phanerogamen 4 3 3 3 3 4 4 5 4 4 8 9 6 5 7 5 4 5 4 Artenzahl Kryptogamen 2 2 2 2 2 4 3 4 4 4 4 4 4 4 4 4 2 2 2

Kryptogamen Sphagnum auriculatum 75 75 77 60 60 90 80 70 60 75 22 40 35 70 30 15 50 60 55 Sphagnum inundatum ...... 10 10 5 . . . Sphagnum fallax 10 15 13 15 15 5 5 20 40 20 10 20 15 . . . 40 20 25 Sphagnum riparium . . . . . 2 . 1 1 1 1 0,5 0,2 15 50 70 . . . Sphagnum papillosum ...... 7 7 15 ...... Polytrichum commune . . . . . 1 2 1 1 2 . . . 5 1 1 . . . Phanerogamen Eriophorum angustifolium 30 30 20 15 30 10 15 20 15 15 20 10 20 2 3 1 8 7 8 Molinia caerulea 5 4 20 15 20 0,1 . . . . 3 3 5 . . . 4 5 5 Vaccinium oxycoccus 2 4 1 2 2 ...... 0,2 0,5 0,2 Juncus bulbosus . . . . . 1 1 1 2 1 . . . 3 1 3 . . . Trientalis europaea . . . . . 0,2 0,2 0,2 0,2 0,2 0,5 . 0,2 ...... Picea abies (Keimling) 0,2 ...... 0,2 0,2 . . . . . 0,2 . Nardus stricta ...... 0,2 0,2 0,2 0,5 0,5 ...... Viola palustris ...... 0,5 0,5 1 2 0,5 1 . . . Drosera rotundifolia ...... 1 1 1 . . . 3 2 2 Eriophorum vaginatum ...... 0,2 . . . . 1 ...... Sorbus aucuparia (Keimling) ...... 0,2 ...... Potentilla erecta ...... 2 1 1 ...... Calamagrostis villosa ...... 5 3 5 . . . Agrostis stolonifera ...... 10 5 15 . . . ...... 0,2 ...... Anthoxanthum alpinum ...... 0,2 . . . . Juncus acutiflorus ...... 0,2 . . . . Tab. 4: Vegetation der Dauerflächen des Sphagnum auriculatum-Typs in den Jahren 2001 - 2006 Baumann, K.: Vegetationsdynamik soligener Hangmoore im Hochharz | 59

Die Carex rostrata-Gesellschaft hatte latum-Typs (vgl. Tab. 4), die sich durch- im dritten Jahr überwachsen. Das die 1973 zwei durch Juncus effusus-Calamag- weg im Bereich von Wasserläufen befin- Sphagnum riparium-Bestände stets beglei- rostis villosa-Bestände getrennte Vorkom- den; einige Flächen werden nur leicht von tende Calamagrostis villosa hat sich in R1 men im Süden des Moores, die im Verlauf Wasser überrieselt, andere zumindest deutlich und in R3 leicht ausgebreitet. von 29 Jahren offenbar zu einem Bestand während Starkregenereignissen auch von zusammengewachsen sind. Außerdem größeren Wassermengen durchflossen. Im Die Dauerquadrate vom Nackter-Torf- wurden 2002 drei kleine Vorkommen am zuletzt vergleichsweise wenig vernässten Typ (vgl. Tab. 6) zeigen eine unterschied- Rand des offenen Moores kartiert, die in Quadrat A1 ist Sphagnum auriculatum liche Entwicklung. Zwei der Flächen (N4 der alten Vegetationskarte nicht verzeich- und die Moosschicht insgesamt um 15 % und N5) haben sich kaum verändert. Auf net sind. zurückgegangen, und Molinia caerulea drei Flächen haben sich die Torfmoose hat sich in gleicher Größenordnung insgesamt ausgebreitet; daran beteiligt Die deutlichsten Veränderungen scheinen ausgebreitet. Die Abnahme von Sphag- sind Sphagnum fallax (N1), S. auriculatum jedoch die Bäche erfahren zu haben. Das num auriculatum in Fläche A2 ist mit (N2) und S. papillosum (N3). Auf N3 hat Moor ist von einigen dauerhaften und einer Zunahme von S. fallax verbunden. außerdem Molinia caerulea deutlich zuge- mehreren temporären Bachläufen durch- Erhebliche jährliche Schwankungen zeigt nommen. Das Wasserregime im Bereich zogen, die meist nur ein sehr flaches, we- Fläche A3, die sich in einem stark quel- dieses Dauerquadrats hat sich offenbar nig in den Torf eingesenktes Bett haben. ligen Bereich befindet. Davon betroffen erheblich verändert: Im Jahr der Einrich- Das Wasser überrieselt die Torfe vieler- sind weniger die Deckungsgrade der ver- tung (2003) war der Torf nass, und der orts langsam auf breiter Fläche und fließt schiedenen Arten insgesamt, sondern die Eriophorum angustifolium-Bestand wirkte nur in kurzen rinnenartigen Bereichen räumliche Verteilung der verschiedenen wüchsig und vital. 2005 und 2006 fielen etwas schneller ab. Die temporären Bäche Torfmoos-Arten: Von Jahr zu Jahr zeigt die trockenen Torfe und die Kleinwüch- scheinen sich von 1973 bis 2002 vollstän- sich eine völlig neue Lage der Flecken mit sigkeit des vegetativ gebliebenen Woll- dig verlagert zu haben, die dauerhaften jeweils dominierendem Sphagnum auricu- grases auf. Das generell an sehr nassen zumindest auf Teilstrecken. latum, S. fallax und S. papillosum. Die im Stellen wachsende Drepanocladus fluitans, Bereich eines Bachlaufs etwas unterhalb von dem 2003 ein kleiner Bestand nach- 5.2 Dauerflächen-Untersuchungen von A3 eingerichtete Fläche A4 mit ihren gewiesen worden war, konnte 2005 und Obwohl die Dauerquadrate erst im Zeit- nur schwer betretbaren Torfmoosdecken 2006 nicht mehr gefunden werden. raum von 2001-2003 angelegt worden hat sich ebenfalls deutlich verändert, sind und der Beobachtungszeitraum indem Sphagnum auriculatum von 70 % 5.3. Zusammenfassende Bewertung und deshalb maximal sechs Jahre umfasst, auf 15 % Deckung ab- und Sphagnum Diskussion wurden auf einigen Flächen bereits deut- riparium in gleichem Maß zugenommen Die Dynamik des Oberflächenwassers liche Veränderungen festgestellt; andere hat. Das Dauerquadrat A5 befindet sich ist in den soligenen Hangmooren im dagegen zeigten sich nahezu unverändert. im Bereich eines temporären Bachlaufs. Brockengebiet sehr groß. Der Vegetati- Hier sind zwar die Deckungsgrade der onsvergleich 1973-2002 hat gezeigt, dass Insgesamt wenig verändert haben sich die beiden Torfmoose Sphagnum auriculatum sich die temporären Bachläufe in diesem Dauerquadrate des Sphagnum papillosum- und S. fallax insgesamt recht konstant, Zeitraum vollständig und die dauerhaf- Typs (vgl. Tab. 3). Auf zwei Flächen (P1, aber es zeigt sich eine Veränderung ihrer ten zumindest auf Teilstrecken verlagert P5) ist die gesamte Vegetation nahezu Verteilung auf der Fläche. haben. Selbst der kurze Zeitraum der unverändert geblieben. Die Quadrate Dauerflächen-Untersuchungen hat an P2 und P4 zeigen eine Abnahme von Die größte Konstanz zeigen die sehr einigen Stellen lokale Veränderungen Sphagnum papillosum (und der Moos- nassen, meist schwer betretbaren Dau- im Wasserregime aufgezeigt: Das abflie- schicht insgesamt) um 25 % bei gleichzei- erquadrate des Sphagnum riparium-Typs ßende Wasser kann sich bei Starkregen tiger Zunahme von Molinia caerulea um (vgl. Tab. 5): Auf allen Flächen sind die oder während der Schneeschmelze neue 25-30 %. Auf Fläche P3 hat sich Sphag- Deckungsgrade von Sphagnum riparium Wege suchen, oder ehemals oberfläch- num papillosum auf Kosten von S. fallax nahezu unverändert. Dieses Moos zeigt lich abfließendes Wasser versickert in ausgebreitet, und in der Krautschicht hat ein starkes Längenwachstum, was an der kleinen Trichtern und fließt dann in Eriophorum angustifolium tendenziell ab- abnehmenden Höhe der über die Moos- tieferen Schichten ab. So können nasse, und Nardus stricta zugenommen. decken hinausragenden Markierungs- quellige Bereiche vom Oberflächenwasser pflöcke zu erkennen ist; einzelne Pflöcke, abgeschnitten werden und andererseits Die deutlichsten Veränderungen zeigen die anfangs noch auf einer Länge von ehemals nur mäßig nasse Partien stärker die Dauerquadrate des Sphagnum auricu- 20-25 cm sichtbar waren, waren bereits vernässen. Die Mehrzahl der bislang 60 | Baumann, K.: Vegetationsdynamik soligener Hangmoore im Hochharz

Nummer R1 R2 R3 R4 R5 Moor I1 I3 I3 I6 I6 Aufnahmejahr 01 02 03 05 06 02 03 05 06 02 03 05 06 03 05 06 05 06 Deckung der Krautschicht [%] 30 35 30 25 45 25 25 15 30 20 35 40 50 7 10 20 10 15 Deckung der Moosschicht [%] 100 100 100 98 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 Deckung der Streuschicht [%] 5 10 25 5 2 2 3 2 2 3 10 30 5 1 1 3 1 0 Anteil offenen Bodens [%] 0 0 0 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Artenzahl Phanerogamen 4 6 6 5 5 7 8 7 7 3 5 4 4 4 4 4 3 3 Artenzahl Kryptogamen 2 2 2 2 2 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 2 2

Kryptogamen Sphagnum riparium 98 97 95 95 98 88 90 90 90 90 85 93 95 90 95 95 80 70 Sphagnum fallax 2 3 5 3 2 10 10 8 8 10 15 5 4 10 5 4 20 30 Polytrichum commune . . . . . 5 1 2 2 1 1 2 1 0,5 1 1 . . Phanerogamen Eriophorum angustifolium . 1 0,5 0,2 . 2 3 0,2 1 15 20 25 30 1 2 1 . . Calamagrostis villosa 2 2 4 7 25 2 3 5 4 7 10 10 15 2 2 3 5 7 Carex rostrata 25 30 25 15 15 ...... 5 5 15 5 7 Trientalis europaea 1 1 3 2 3 . . . . . 1 2 2 . . . 1 1 Juncus filiformis 2 1 2 1 1 ...... Carex canescens . 0,5 0,2 . 1 3 5 5 5 ...... Viola palustris . . . . . 1 3 2 12 ...... Juncus bulbosus . . . . . 1 1 0,2 1 ...... Juncus effusus . . . . . 1 2 1 4 ...... Agrostis stolonifera . . . . . 2 5 2 3 ...... Carex nigra ...... 1 3 1 3 . . . . . Anthoxanthum alpinum ...... 1 ...... Vaccinium oxycoccus ...... 0,5 1 1 . . Agrostis tenuis ...... 0,2 ...... Tab. 5: Vegetation der Dauerflächen des Sphagnum riparium-Typs in den Jahren 2001 - 2006

Nummer N1 N2 N3 N4 N5 Moor I3 I3 I3 I10 I6 Aufnahmejahr 02 03 05 06 02 03 05 06 03 05 06 03 05 06 03 05 06 Deckung der Krautschicht [%] 40 30 25 35 30 50 30 30 30 40 45 25 13 25 25 15 20 Deckung der Moosschicht [%] 20 12 30 35 10 10 18 35 15 18 25 25 20 25 2 0 0 Deckung der Streuschicht [%] 30 30 35 20 5 40 30 15 90 90 80 80 40 20 20 50 10 Anteil offenen Bodens [%] 50 30 40 35 55 35 30 30 0 2 2 10 30 50 80 50 90 Artenzahl Phanerogamen 7 7 8 10 4 3 3 3 7 7 6 4 5 4 3 2 2 Artenzahl Kryptogamen 2 3 3 3 3 2 2 2 3 2 2 1 1 1 1 0 0

Kryptogamen Sphagnum fallax 20 11 30 32 6 5 3 5 13 15 7 25 20 25 2 . . Sphagnum russowii 1 1 2 1 ...... Sphagnum inundatum . . . . 4 5 15 30 ...... Polytrichum commune . 0,5 2 2 ...... Sphagnum papillosum ...... 2 3 18 ...... Drepanocladus fluitans ...... 0,5 ...... Phanerogamen Eriophorum angustifolium 5 5 7 10 20 35 25 25 15 15 15 25 10 23 5 7 7 Molinia caerulea . . . . 7 7 5 5 5 15 20 1 0,5 1 . . . Vaccinium oxycoccus ...... 3 2 2 2 1 1 0,5 . . Eriophorum vaginatum 4 7 5 4 . . . . 1 0,5 . . 2 . . . . Drosera rotundifolia 3 7 3 5 . . . . 5 7 8 0,5 0,5 1 . . . Trientalis europaea 1 0,5 2 3 . . . . 2 0,2 1 ...... Carex rostrata 15 10 7 7 ...... 20 8 13 Potentilla erecta 1 0,5 1 1 ...... Picea abies (Keimling) 0,5 0,5 0,2 0,2 . . . . 1 0,2 0,2 ...... Viola palustris . . 0,2 0,2 2 3 2 2 ...... Juncus bulbosus . . . 1 ...... Calamagrostis villosa . . . 0,2 ...... Anthoxanthum alpinum . . . 0,2 ...... Tab. 6: Vegetation der Dauerflächen des Nackter Torf-Typs in den Jahren 2002 - 2006 Baumann, K.: Vegetationsdynamik soligener Hangmoore im Hochharz | 61

festgestellten Vegetationsveränderungen einer ausreichenden soligenen Wasserzu- 6. Zusammenfassung dürfte letztlich auf diese Dynamik des fuhr abhängig. Dass in drei der fünf Dau- Die soligenen Hangmoore des Brocken- Oberflächenwassers zurückzuführen sein. erquadrate eine Zunahme von Molinia gebietes weisen ein kleinräumiges Vegeta- caerulea beobachtet wurde, kann mit einer tionsmosaik aus teils kampfwaldartigem Dass die Dauerquadrate des Sphagnum abnehmenden Vernässung zusammen- Moorfichtenwald und waldfreien Berei- auriculatum-Typs die deutlichsten kurz­ hängen. Diese kann wiederum in einer chen auf. In letzteren können neun Pflan- fristigen Veränderungen zeigen, ist in natürlichen Änderung der Wasserdyna- zengesellschaften der Klassen Oxycocco- ihrer Lage im Bereich sehr quelliger, mik begründet sein, indem zuvor flächig Sphagnetea und Scheuchzerio-Caricetea überrieselter Moorpartien begründet, die den Hang überrieselndes Wasser in neu fuscae unterschieden werden. vorübergehend von großen Wassermen- entstandenen Abflussrinnen „kanalisiert“ gen durchflossen werden können. Bei wird. Ein Vergleich von Vegetationskarten starkem Abfluss werden die Torfmoos- aus den Jahren 1973 und 2002 und decken offenbar mechanisch aufgerissen Die Ausbreitung von Molinia caerulea ist die Beobachtung von 20 Dauerflächen und regenerieren dann bis zum nächsten jedoch ein weiter verbreitetes Phänomen: seit dem Jahr 2001 zeigen, dass sich die Starkregenereignis. Bleibt die Dynamik In fünf der insgesamt zehn Dauerquadra- Vegetation örtlich kurz- bis mittelfris- aus oder nimmt der quellige Einfluss te, in denen das Pfeifengras vorkommt, ist tig verändern kann. Die Mehrzahl der insgesamt ab, geht Sphagnum auriculatum sein Deckungsgrad um 7-30 % angewach- bislang festgestellten Veränderungen ist zurück, und S. fallax oder sogar S. papillo- sen. In drei Fällen ist dabei eine abneh- auf die Dynamik des Oberflächenwassers sum können sich stärker etablieren. Auch mende Vernässung im Gelände erkenn- zurückzuführen. Auswirkungen atmo- die Dauerquadrate des Nackter-Torf-Typs bar, zwei Flächen erscheinen nach wie vor sphärischer N-Einträge auf die Vegeta- zeigen teilweise deutliche Veränderun- nass. Mit der Ausbreitung von Molinia ist tion können bislang nicht belegt werden. gen. Es scheint so, als sei das Fehlen von im allgemeinen ein Rückgang der Torf- Die aus verschiedenen europäischen Torfmoosen auch auf mechanische Ein- moose verbunden. Verschiedene Unter- Mooren beschriebene Ausbreitung von wirkungen des Wassers zurückzuführen. suchungen (z.B. Clymo 1973, Limpens Sphagnum fallax auf Kosten konkurrenz- Bleiben diese aus, können sich Torfmoose 2003) belegen, dass zunehmende N- schwächerer Torfmoose ist in den Bro- etablieren; die Besiedlung des Torfs er- Einträge das Wachstum von Phaneroga- ckenmooren nicht zu beobachten. Ob die folgt offenbar kurzfristig durch Arten der men fördern. Die Zunahme von Molinia örtliche Zunahme von Molinia caerulea unmittelbaren Umgebung. caerulea könnte im Zusammenhang mit im Zusammenhang mit N-Einträgen zu N-Einträgen stehen, zumal auch abseits sehen ist, kann aufgrund der Kürze des Die Konstanz der Dauerquadrate des der Dauerflächen in einigen Bereichen Monitoring-Zeitraums nicht beantwortet Sphagnum riparium-Typs ist darin seit 1995 eine Zunahme des Pfeifengrases werden. Erst im Rahmen einer längerfris- begründet, dass die sich meist in Vereb- beobachtet wird. Für belastbare Aussa- tigen Dauerbeobachtung können vorüber- nungen befindlichen Wuchsorte ständig gen muss jedoch das weitere Monitoring gehende Schwankungen von gerichteten sehr nass, aber die Kräfte des fließenden abgewartet werden. Entwicklungen unterschieden und ihre Wassers deutlich schwächer sind. Sie Ursachen differenziert werden. scheinen sich, wie der Vegetationsver- Keinerlei Hinweise geben die bisherigen gleich 1973-2002 zeigt, in einem länger- Untersuchungen auf eine generelle Aus- fristigen Sukzessionsprozess zu befinden. breitung von Sphagnum fallax auf Kosten Bei weiterem Aufwachsen der Torfmoos- konkurrenzschwächerer Torfmoose. decken wird sich Sphagnum fallax stärker Sphagnum fallax ist ein Konkurrenzstra- etablieren und S. riparium schließlich tege, der günstige Nährstoffsituationen ablösen. schnell für eine Steigerung der Phyto- masseproduktion nutzen kann. Diese Auch in den Dauerquadraten des Sphag- Fähigkeit führt in Zeiten anthropogener num papillosum-Typs fehlt eine starke N-Depositionen zu einem deutlichen Oberflächenwasser-Dynamik.S. papillo- Konkurrenzvorteil (vgl. Twenhöven sum wächst in Bereichen, die bereits aus 1992). dem stärksten Einfluss des Hangwassers hinausgewachsen sind; oft ist eine leichte Aufwölbung der Mooroberfläche zu erkennen. Dennoch ist die Vegetation von 62 | Baumann, K.: Vegetationsdynamik soligener Hangmoore im Hochharz

Literatur Expert workshop on empirical critical ALNUS (2001): Vegetation eines soli- loads for nitrogen deposition on (semi-) genen Hangmoores im Ilse-Quellgebiet natural ecosystems, working group on (Nationalpark Hochharz). Kartierung effects (twenty-second session, Geneva, im Auftrag der Nationalparkverwaltung 3-5 September 2003). Hochharz. Ellwanger, G. (1995): Die Vegetation ALNUS (2002): Vegetations- und Torf- der Moore des Brockengebietes. Diplom- moos-Monitoring in soligenen Hangmoo- Arbeit am Systematisch-Geobotanischen ren des Ilse-Quellgebietes (Nationalpark Institut der Universität Göttingen, 126 S. Hochharz). Untersuchung im Auftrag der Nationalparkverwaltung Hochharz. Dierschke, H. (1994): Pflanzensoziolo- gie. Stuttgart, 683 S. ALNUS (2005): Vegetation der Moore am Westhang des Brockens (National- Glässer, R. (1994): Das Klima des park Harz). Kartierung im Auftrag der Harzes. Hamburg, 341 S. Nationalparkverwaltungen Hochharz und Harz. Kison, H.-U. & Wernecke, J. (2004): Die Farn- und Blütenpflanzen des Nati- ALNUS (2006): Torfmoos-Monitoring onalparks Hochharz. Eine kommentierte in soligenen Hangmooren des Ilse-Quell- Artenliste zur Vegetationskarte – For- gebietes (Nationalpark Harz). Untersu- schungsbericht. Wernigerode, 182 S. chung im Auftrag der Nationalparkver- waltung Harz. Limpens, J. (2003): Prospects for Sphag- num bogs subjekt to high nitrogen deposi- Baumann, K. (2000): Vegetation und tion. Dissertation, Universität Wagenin- Ökologie der Kleinseggenriede des Har- gen (Niederlande). zes. Wissenschaftliche Grundlagen und Anwendungen im Naturschutz. Göttin- Pitcairn, C. E. R.; Fowler, D.; & gen, 219 S. Grace, J. (1995): Deposition of fixed atmospheric nitrogen and foliar nitrogen Beug, H.-J.; Henrion, I. & Schmüser, content of bryophytes and Calluna vulga- A. (1999): Landschaftsgeschichte im ris. Environmental pollution 88: 193-205. Hochharz. Die Entwicklung der Wälder und Moore seit dem Ende der letzten Schiemenz, H. (1973): Ökologisch Eiszeit. Clausthal-Zellerfeld, 454 S. begründete Pflegenormative für ge- schützte Hochmoore des Thüringer Böhlmann, N. (2004): Wasser- und Waldes und des Oberharzes. Anlage zum Stickstoffhaushalt eines soligenen Hang- Forschungs-Teilbericht im Rahmen des moores im Hochharz am Beispiel des Forschungsschwerpunktes 17/4 „Öko- Ilsemoores. UFZ-Bericht 21: 1-259. logisch begründete Pflegenormative für geschützte Gebiete und Objekte“. Institut Clymo, R. S. (1973): The growth of für Landschaftsforschung und Natur- Sphagnum: Some effects of environment. schutz Halle, Zweigstelle Dresden. Anschrift der Autorin: J. Ecol. 61: 849-869. Dr. Kathrin Baumann Twenhöven, F. L. (1992): Untersu- Arbeitsgemeinschaft für Landschaftspla- Economic and Social Council chungen zur Wirkung stickstoffhaltiger nung, Naturschutz und Umweltstudien (2003): Economic Commission for Euro- Niederschläge auf die Vegetation von (ALNUS GbR) pe: Executive body for the convention on Hochmooren. Mitt. Arbeitsgem. Geobot. Lärchenweg 15a long-range transboundary air pollution. Schl.-Holst. u. Hamburg 44: 1-171. 38667 Bad Harzburg Karste, G.: Pflanzensoziologische und vegetationsökologische Arbeiten im Nationalpark harz | 63

Gunter Karste, Wernigerode Pflanzensoziologische und vegetationsökolo- gische Arbeiten im Nationalpark Harz

Im Vortrag zum oben genannten Thema sollen die pflanzensoziologischen Erfas­ sungen im Rahmen der Vegetationskar- tierung und die Sukzessionsuntersu- chungen in Dauerbeobachtungsflächen vorgestellt werden.

Es geht hierbei nicht vordergründig um die Darstellung von Ergebnistabellen und Diagrammen, sondern um die Präsenta- tion unterschiedlicher Untersuchungsfel- der, die mosaikartig aneinander gereiht ein Gesamtbild der Veränderungen und der Dynamik in den Lebensräumen des Nationalparks ergeben.

Die Vegetationskartierung, ergänzt durch Untersuchungen in Dauerbeobachtungs- flächen, besitzt hierbei eine wichtige Abb. 1: Dr. Uwe Wegener am Gipfelstein mit den Initiatoren des Großschutzgebietsprogramms der DDR. Funktion. v. l. n. r: J. Stein, U. Müller-Helmbrecht, H.-D. Knapp, M. Succow, Frau Stein, U. Messner, U. Wegener, Frau Reichhoff, Dr. L. Reichhoff, W. Böhnert. Da sich der fast 25.000 ha große Natio- nalpark Harz vom Nordrand bei Ilsen- im Harz einen relativ hohen Stellenwert nennen, ist es zu verdanken, dass im Zuge burg über die Brockenkuppe bis zum erhielt und bis heute besitzt. der Umsetzung des Großschutzgebiets- Südrand bei Herzberg erstreckt sind die Programms der DDR im Harz ein Natio- meisten im Harz vertretenen Pflanzenge- Bevor er aber auf die Weichenstellung nalpark ausgewiesen wurde. sellschaften im Nationalpark zu finden. innerhalb der Nationalparkverwaltung Dies ist unumstritten ein Glücksfall für Einfluss nehmen konnte, übernahm er die Bereits in der Aufbauphase des National- die ökologische Forschung im Schutzge- Promotorfunktion bei der Ausweisung parks stand fest, dass neben der Gewähr- biet. des Nationalparks Hochharz, legte damit leistung der natürlichen Dynamik auf den Grundstein für die Gründung des möglichst großer Fläche, die Forschung Voraussetzungen für die Forschung im Nationalparks Harz in Niedersachsen und die Informations- und Bildungsarbeit Nationalpark Harz und somit auch für die Fusion beider weitere Aufgabenschwerpunkte bilden Dr. Uwe Wegener, stellvertretender Leiter Parks. werden. und Leiter des Fachbereichs für Natur- schutz und Forschung des Nationalparks Seinen freundschaftlichen Kontakten zu Obwohl in der Aufbauphase des Nati- Hochharz, beeinflusste die Weichen- Prof. M. Succow, Prof. H.- D. Knapp und onalparks die Auseinandersetzung mit stellung im Park so, dass die Forschung Dr. L. Jeschke (Abb. 1) um nur einige zu potenziellen Nutzern oder auch das 64 | Karste, G.: Pflanzensoziologische und vegetationsökologische Arbeiten im Nationalpark harz

Abb. 2: Der Brocken als militärische Festung vom Flugzeug 1990 Abb. 3: Die renaturierte Brockenkuppe vom Flugzeug 1998

Entfernen der militärischen Altlasten z.B. Dies war auch die Voraussetzung, um Vier Jahre später vertiefte Christian auf dem Brocken viel Zeit beanspruchte, Einfluss auf eine nationalparkkonforme Damm die pflanzensoziologischen Un- wurden beispielsweise die Renaturie- Entwicklung nehmen zu können. Nur tersuchungen im Rahmen seiner Diplom- rungsmaßnahmen auf der Brockenkuppe so war es möglich, die zur militärischen arbeit, die von uns nach Sanierung des von Beginn an, seit 1990, wissenschaftlich Festung ausgebauten Brockenkuppe zu Militärcamps der Russen ergänzt wurden begleitet. renaturieren (Abb. 2 und 3). (Karste et al. 2001).

Am Beispiel des Brockenplateaus zeigt Bereits 1990 wurde parallel zu den Es zeigt sich bereits jetzt, dass die wissen- sich auch, dass es durchaus richtig sein Abrissarbeiten eine Bestandserfassung schaftlichen Effizienzkontrollen unver- kann, anthropogen überprägte Flächen in von Pulsatilla alba (Brockenanemone) und zichtbar sind, will man Aussagen zum den Nationalpark zu integrieren. eine grobe Vegetationsstrukturerfassung Ablauf der Wiederbesiedlung und zur durchgeführt (Abb.4) (Karste 1997) natürlichen Dynamik allgemein machen.

Abb. 4: Verbreitung der Pulsatilla alba (Brockenanemone) Karste, G.: Pflanzensoziologische und vegetationsökologische Arbeiten im Nationalpark harz | 65

Aufgrund der jahrzehntelangen Unzu- gänglichkeit des Brockens waren kontinu- ierliche ökologische Untersuchungen bis 1990 nicht möglich. Es gab somit einen großen Nachholbedarf.

Dies war auch der Grund dafür, dass in den ersten Jahren nach Ausweisung des Nationalparks 1990 die Strukturen des Bergfichtenwaldes an der Waldgrenze erfasst (Karste et al. 2000) und entlang einer vegetationsfreien Trasse vom Bro- cken bis Schierke die spontane Wiederbe- siedlung der Flächen untersucht wurden (Karste & Schubert 1997).

Die Untersuchungen in 18 Dauerflächen (Abb. 5) entlang der vegetationsfreien Trasse zeigten, dass frühzeitig abgegebene Prognosen über den weiteren Verlauf der Entwicklung nach längeren Unter- suchungszeiträumen meist korrigiert werden mussten.

So konnte festgestellt werden, dass Flä- Abb. 5: Verteilung der Daueruntersuchungsflächen entlang der ehemals chen, die zu fast 50 % die Rasen-Schmiele vegetationsfreien Abwassertrasse (Deschampsia cespitosa) einnahm, in den Folgejahren überraschender Weise nicht komplett von dieser Art besiedelt wurden. Es ging der Anteil der einst vorherrschen- den Art sogar zurück und andere Arten, die anfangs kaum in Erscheinung traten, übernahmen die Dominanz.

Obwohl sämtliche Dauerflächenunter- suchungen im Nationalpark mosaikartig ein Gesamtbild von den Veränderungen ergeben und sich sämtliche Einzelunter- suchungen in ein Gesamtkonzept inte- grieren, stand fest, dass eine detaillierte Flächenübersicht erarbeitet werden muss.

Die 1992/93 für das Hochharzgebiet durchgeführte Biotoptypenkartierung erfüllte die Voraussetzungen für die Be- wertung kleinflächiger Ökosystemstruk- Abb. 6: Ausschnitt aus der Vegetationskarte des Nationalparks Harz turen nur unzureichend. 66 | Karste, G.: Pflanzensoziologische und vegetationsökologische Arbeiten im Nationalpark harz

Die Vegetationskarte im Nationalpark Harz So wurde im Nationalpark Harz (Sach- sen Anhalt) eine Vegetationskartierung durchgeführt.

Die theoretische Grundlage für die pflan- zensoziologische Zuordnung bildete das von Schubert et al.(2001) herausgege- bene „Bestimmungsbuch der Pflanzenge- sellschaften Deutschlands“.

Die Ergebnisse der Vegetationskartierung Abb.8: Mit der Vegetationskartierung im niedersächsischen Teil des National- wurden unter Verwendung des Geogra- parks wurde 2006 begonnen fischen Informationssystem Arc-View digitalisiert und die Flächenpolygone mit repräsentativen Vegetationsaufnahmen nach Braun-Blanquet verknüpft (Abb. 6).

Die Ergebnisse der pflanzensoziologi- schen Erfassung wurden nach Eingabe in das Geografische Informationssystem im Wissenschaftsbericht „Die Pflanzen- gesellschaften des Nationalparks Harz (Sachsen-Anhalt) – Eine kommentierte Vegetationskarte“ zusammengefasst (Abb.7) (Karste et al. 2006).

Der Bericht besteht aus einem allgemei- nen Teil, der die Geografische Lage, die Geologie, das Klima, die Böden und die naturräumliche Gliederung beschreibt

Abb.7: Die Pflanzengesellschaften des National­ und aus einem speziellen Teil, der auf die parks Harz (Sachsen-Anhalt) – Eine einzelnen Gesellschaften eingeht. Außer- kommentierte Vegetationskarte dem wird erläutert wieso die Vegetations- karte eine wesentliche Arbeitsgrundlage im Nationalpark ist.

Weiterhin ist dem Heft eine Übersichts- karte im Maßstab 1:25 000 beigefügt worden.

Insgesamt wurden 79 Assoziationen erfasst. Da sich das Kartierungsgebiet vom Harzrand bei Ilsenburg bis zur Brockenkuppe erstreckt, ist davon aus- zugehen, dass wir einen repräsentativen Ausschnitt der für den Harz typischen Gesellschaften in dem vorliegenden Wis- Abb.9: Die Vegetationskarte für den niedersächsischen Teil des Nationalparks Harz wird ebenfalls die Grundlage für die Markierung von Dauerbe- senschaftsbericht beschreiben. obachtungsflächen bilden Karste, G.: Pflanzensoziologische und vegetationsökologische Arbeiten im Nationalpark harz | 67

Mit der Vegetationskarte liegt eine gute Gesamtübersicht vor. Eine Wiederho- lung in einem noch zu definierendem Zeitraum wird uns mit Hilfe des GIS die Veränderungen in den unterschiedlichen Pflanzengesellschaften aufzeigen. Ziel ist es, die Vegetationskartierung auch auf der niedersächsischen Seite des National- parks analog durchzuführen (Abb. 8).

Da quantitative und qualitative Aussagen zum detaillierten Ablauf der Dynamik in den verschiedenen Pflanzengesellschaften nur im Rahmen von Untersuchungen in Dauerbeobachtungsflächen möglich sind, wurden auf der Grundlage der vorliegen- den Vegetationskarte repräsentative aber auch seltene Gesellschaften markiert und analysiert.

Abb.10: Dr. Uwe Wegener und Prof. Dr. Rudolf Schubert bei der Bewertung von Moosgesellschaften Nach Fertigstellung der Vegetationskarte für den niedersächsischen Teil des Na- tionalparks muss das Dauerflächennetz Literatur Karste, G.; Schubert, R. & Wegener, komplettiert werden (Abb. 9). Karste, G. (1997): Beobachtungen zur U. (2003): Die Wiederbesiedlung vegeta- Populationsdynamik von Pulsatilla alba tionsfreier Flächen im Brockengebiet im Die in den Dauerflächen gewonnen Rchb. auf der Brockenkuppe im Harz. Nationalpark Hochharz. Hercynia N.F. Ergebnisse werden der Nationalpark- Hercynia N.F. 30: 273-283. 36: 217-233. verwaltung eine wichtige Stütze bei der Entscheidung Tun oder Lassen im Natio- Karste, G. & Schubert, R. (1997): Karste, G.; Schubert, R.; Kison, nalpark sein. Sukzessionsuntersuchungen zur Rena- H.-U. & Wegener, U. (2006): Die turierung subalpiner Mattenvegetation Pflanzengesellschaften des Nationalparks In jedem Fall wird für die Nachwelt auf der Brockenkuppe (Nationalpark Harz (Sachsen- Anhalt). Eine kommen- umfassend dokumentiert, was sich im Hochharz). Archiv für Naturschutz und tierte Vegetationskarte. Forschungsbe- Laufe der Zeit im Ergebnis von natür- Landschaftsforschung, 36: 11-36. richt. Wernigerode. licher Dynamik bzw. im Ergebnis von Initialmaßnahmen verändert bzw. nicht Karste, G.; Schubert, R.; Kison, Schubert, R.; Hilbig, W. & Klotz, S. verändert hat. H.-U. & Wegener, U. (2000): Dauerflä- (2001): Bestimmungsbuch der Pflanzen- chenuntersuchungen zur Zustandserfas- gesellschaften Deutschlands. Spektrum, An dieser wichtigen Aufgabe wird Dr. sung des Bergfichtenwaldes am Brocken Akademischer Verlag Gustav Fischer. Uwe Wegener trotz Entlassung in den im Nationalpark Hochharz. Archiv für Ruhestand auch perspektivisch mitwir- Naturschutz und Landschaftsforschung, ken (Abb. 10). 39: 104-139.

Karste, G.; Schubert, R. & Wege- ner, U. (2001): Vegetationsentwicklung nach Sanierung des Militärgeländes auf der Brockenkuppe im Nationalpark Anschrift des Autors: Hochharz. Archiv für Naturschutz und Dr. Gunter Karste Landschaftsforschung, 40: 29-57. Nationalparkverwaltung Harz Lindenallee 35 38855 Wernigerode 68 | Sacher, P.: Zur zoologischen Forschung im Nationalpark harz

Peter Sacher, Wernigerode Zur zoologischen Forschung im Nationalpark Hochharz

Lieber Uwe Wegener, meine Damen und Neben der rechtlichen Handhabe für die sche Forschung im Nationalpark. Das Herren, Forschungsarbeit sind daraus auch ihre verdeutlicht recht eindrucksvoll das von inhaltliche Bestimmung unter National­ Uwe Wegener 2004 kreierte Schema, in 15 Jahre zoologische Forschung in 30 parkbedingungen abzuleiten. Grund- dem die Inventarisierung als Fundament Minuten abzuhandeln ist ein nahezu aus- gedanke war und ist, dass sich jegliche des von ihm entworfenen Wissenschafts- sichtsloses Unterfangen. Ich muss daher Forschung im Nationalpark dem Schutz- gebäudes dargestellt ist (vgl. Wegener eingangs um Verständnis bitten, wenn zweck unterzuordnen hat. „Schutzzweck“ 2006). meine Ausführungen vielfach nicht bis meint dabei Prozessschutz, d.h. im ins Detail gehen können und schon gar Nationalpark ist der ungestörte Ablauf Dementsprechend lag bei diesen ersten nicht jede in dieser Zeitspanne erfolgte aller Naturvorgänge uneingeschränkt zu Erfassungsarbeiten hier zunächst auch zoologische Aktivität hier Erwähnung gewährleisten. Das in diesem Zusammen- der nahezu alleinige Schwerpunkt der finden kann. hang oft gebrauchte „Natur Natur sein zoologischen Forschung. Ziel musste es lassen“ meint nichts anderes als diesen sein, auf breiter Ebene, d.h. unter Einbe- Im Einzelnen möchte ich Ihnen zu den umfassenden Schutz von natürlichen Pro- ziehung unterschiedlichster Taxa, mög- Punkten zessen und Abläufen, den Schutz ganzer lichst viele Daten zusammen zu tragen. - Grundlagen und Auftrag der zoologi- Lebensräume. Das bedeutet nicht etwa, Sie sollten Bezugs- und Bewertungs- schen Forschung dass der klassische Artenschutz überholt grundlage späterer Untersuchungen zum - Inventarisierung ist, vielmehr erfährt er durch diese umfas- Sukzessionsgeschehen und zu mittel- und - Biomonitoring und Sukzessionsforschung sendere Betrachtungsweise eine wichtige langfristigen Untersuchungen im Rahmen - Arten der Europäischen Vogelschutz- Erweiterung. Um ein Beispiel zu nennen: des Biomonitorings sein. richtlinie / FFH-Arten / Leitarten Bei unseren aktuellen Totholzuntersu- - Wie weiter im fusionierten National- chungen geht es eben nicht nur um das Dass dabei „gängige“ Gruppen wie Vögel, park Harz? Vorhanden- oder Nicht-Vorhandensein Säugetiere und Schmetterlinge von Ergebnisse und Überlegungen vortragen. der in Sachsen-Anhalt stark gefährdeten Anfang an das besondere Interesse von Einzelart „Schulterbock (Oxymirus Bearbeitern fanden, überrascht nicht. 1. Grundlagen und Auftrag cursor)“, sondern auch um ihre Entwick- Andere, weniger im Mittelpunkt stehende Wie die Forschung im Nationalpark ge- lungsstadien, das Begleitartenspektrum Gruppen gesellten sich in den Folgejahren nerell hat auch die zoologische Forschung einschließlich möglicher Prädatoren und hinzu, wobei dies verständlicherweise gesetzliche Rahmenbedingungen zu be- letztlich sogar um ihr gesamtes biotisches stets von kompetenten Anbietern/Bear- achten. Dies waren in den zurückliegen- Umfeld. beitern abhängig war und bis heute ist. den Jahren in erster Linie die regionalen und überregionalen naturschutzrechtli- 2. Inventarisierung Bei diesen frühen Inventarisierungsarbei- chen Regelungen in Form des Landes- Gerade unter dem Blickwinkel des Pro­ ten spielte immer auch das Wissen um bzw. Bundesnaturschutzgesetzes, die Na- zessschutzes und dem dabei zu berück- faunistische Besonderheiten der Brocken- tionalparkverordnung vom 12.09.1990, sichtigendem komplizierten Faktoren- region eine Rolle. Beispielsweise ist seit der ab 1995 erarbeitete Nationalparkplan und Beziehungsgefüge war und ist die mehr als 100 Jahren bekannt, dass in den und nicht zuletzt auch das Nationalpark- Inventarisierung Ausgangspunkt und Mooren unterhalb der Brockenkuppe die gesetz vom 06.07.2001. wichtigste Grundlage für die zoologi- Alpensmaragdlibelle (Somatochlora alpes­ Sacher, P.: Zur zoologischen Forschung im Nationalpark harz | 69

tris) vorkommt, und schon in der ersten Hälfte des 19. Jh. hatte von dort Saxesen über Nachweise des Moorperlmutterfal- ters (Boloria aquilionaris) berichtet (Saxe- sen 1834). Zu diesen der Forschung bereits bekannten „Gallionsfiguren“ der Hochlagen am Brocken gehört auch die Ringdrossel (Turdus torquatus), für die Angaben über mögliche Brutvorkommen im Harz sogar bis ins 18. Jh. zurückrei- chen (Hellmann, Günther & Ohlen- dorf 1992). Auch die Alpenspitzmaus (Sorex alpinus) wird seit langem aus dem Brockengebiet genannt. Erstmals wurde sie 1878 nachgewiesen (Schulze 1887) – der letzte sichere Beleg datiert aus dem Jahre 1954 (Ansorge 1990). Stellvertre- tend für eine Reihe weiterer wirbelloser Arten sei hier ferner eine Zwergspinne, Abb.1: Wichtige ornithologische Untersuchungen ab 1990 (Foto: S. Klaus) Mecynargus morulus, erwähnt, die 1904 von Friedrich Dahl im Brockengebiet gefunden wurde und die in Deutschland offenbar nur im Harz vorkommt (Wieh- Biomonitoring und Sukzessionsforschung Günther & Nicolai 1998) bzw. im le 1965, Sacher 1996, 1999 b). möglich. Im Nationalpark Hochharz Hohnegebiet (1994/95 – Martens wurden solche Erhebungen von Beginn 1995 – Wadewitz 2002) sowie die Für solche Arten mit aus zoogeografi- an so angelegt, dass dabei mehr als nackte Spechterfassungen auf ausgewählten scher Hinsicht bemerkenswerten Verbrei- Artenlisten zustande kamen. Einige Bei- Flächen des Nationalparks(1998/99 tungsbildern galt in besonderem Maße, spiele mögen das verdeutlichen: – Hellmann & Günther 1999) im Zuge der Inventarisierung nach ihrem zunächst Grundlagen gelegt, um mit Verbleib zu fahnden und ihren aktuellen In der ornithologischen Forschung mittel- und langfristig angelegten Wieder- Status zu klären. Darüber hinaus durfte wurde bereits 1990 mit einer detaillierten holungsuntersuchungen zu Monitoring- besonders in den Moorgebieten und in Erfassung der Brutpaare und Brutrevie- befunden zu kommen – vgl. Abb. 1). der subalpinen Zwergstrauchheide mit re der Ringdrossel begonnen. Bis heute weiteren interessanten Arten gerechnet wird diese Erfassung jährlich wiederholt Auch die bisherigen Erfassungen/Unter- werden, die das vorwiegend nordische und gestattet wie bei kaum einer anderen suchungen zu Einzelarten (u.a. Baumpie- Gepräge des Brockens unterstreichen. Tierart im Nationalpark kontinuierlich per; Gartenrotschwanz, Grünlaubsänger, Die frühe Abtrennung dieser sensiblen präzise Aussagen über die Bestandsent- Heidelerche, Neuntöter, Wendehals, Lebensräume von den Besucherströmen wicklung (Hellmann 2005). Wiesenpieper) sind so angelegt, dass sie erfolgte noch Ende 1989, was rückbli- kontinuierlich weitergeführt werden kön- ckend als wirksame Schutzmaßnahme Ähnlich kontinuierlich gestalteten sich nen, was im Falle einiger Arten ja auch gar nicht hoch genug eingeschätzt werden die Bestandserfassungen zur Vogelwelt schon praktiziert wird (z.B,. Baum- und kann und zu den besonderen Verdiensten der Brockenkuppe insgesamt (1990, Wiesenpieper, Neuntöter – Wadewitz von Uwe Wegener gehört. 1993-2000 –Hellmann, Günther & 2003). Nicolai 2000), zum Sperlingskauz (ab 3. Biomonitoring/Sukzessionsforschung 1998 – Wadewitz 1999) und zum Au- Ein vergleichbares Herangehen erfolgte Die unter Punkt 2 erfolgte gesonderte erhuhn (ab 1997-2003 –Schwarzen- bei allen faunistischen Untersuchungen Behandlung der Inventarisierung soll – berger). Während man in solchen Fällen an wirbellosen Tiere des Nationalparks, wie erwähnt – deren grundlegende Be- bereits von Biomonitoring sprechen kann, d.h. von Anfang an ging es immer auch deutung hervorheben. Mit ihr beginnen wurden mit den drei bisher vorliegen- um das Einbeziehen der Lebensräu- faunistische Erhebungen, und erst durch den Siedlungsdichteuntersuchungen im me und Strukturen – um komplexere ihre wiederholte Anwendung werden Brockenurwald (1994/96 – Hellmann, Themenstellungen also, nicht um bloße 70 | Sacher, P.: Zur zoologischen Forschung im Nationalpark harz

mann, Sacher & Brünner 2006).

Erwähnt sei aber noch, dass im Rahmen des Bodenfallenprogramms auch kürzer- fristig eintretende Faunenveränderungen dokumentiert werden konnten. So zeigte sich im Zuge des Sukzessionsgeschehens auf der Brockenkuppe, dass die nach Abriss von Militärgebäuden zunächst vegetationslosen Flächen von wirbellosen Tieren, insbesondere Spinnen, rasch be- siedelt werden. Mit zunehmender Vegeta- tionsausbildung verschwinden diese oft in hohen Abundanzen auftretenden Pionier­ besiedler (r-Strategen) u.U. innerhalb weniger Jahre (1998-2001) wieder. Dafür stellen sich anspruchsvollere (hier vor allem hygrophile) Arten ein, die in den anfangs nackten Granitgrusflächen nicht Abb.2: Wichtige lepidopterologische Untersuchungen ab 1990 (Fotos: F. Julich) existieren konnten. Wichtigstes Ergebnis dabei war, dass sich unter den Arten, die vom Flächenzugewinn profitieren, auch Artenlisten. Bei den 1990 begonnenen Über Jahre wurde hier umfangreiches solche befinden, die auf Grund ihres Untersuchungen zur Schmetterlingsfauna Datenmaterial zu in verschiedenen nördlichen Verbreitungsschwerpunktes wird dies besonders deutlich. Sie führten Lebensräumen lebenden Wirbellosen im Harz nur in den Hochlagen vorkom- inzwischen zu einer Gesamtübersicht mit erhoben, wobei zahlreiche Taxa einbezo- men – beispielsweise die Linyphiide Verbreitungsangaben für 595 Falterarten gen werden konnten. Für Wiederholungs- Oreonetides vaginatus und die Gnaphoside (s. Abb. 2)! beprobungen im Rahmen des Biomoni- Gnaphosa leporina (Sacher 1997, 2006) . torings sind dies wertvolle Grundlagen. In die gleiche Richtung gehen die Unter­ Dass bei solchen gezielten Erfassungen Zu den Themen Inventarisierung und suchungen des 1992 gestarteten Boden­ neben den erwarteten Wiederbestätigun- Biomonitoring sei abschließend bemerkt, fallenprogramms (Sacher 1999 a). gen mancher Arten erwartungsgemäß dass sich der Nationalpark Hochharz eine ganze Reihe an zoogeografisch wert­ diesbezüglich nicht zu verstecken braucht: vollen Neufunden gelangen, sei hier nur Bei einem von Scherfose 2004 angestell- am Rande erwähnt. ten Vergleich liegt der prozentuale Anteil der Forschung an Einzelarten und Arten- Von hohem Wert für das Biomonitoring gruppen sowie der Anteil des Biomonito- sind zweifellos auch die erst in den letzten rings im Nationalpark Hochharz sichtbar Jahren begonnenen Untersuchungen zu über dem jeweiligen Durchschnittswert Totholzbewohnern mittels Stammeklek­ der anderen deutschen Waldnational­ toren (seit 2002) und Baumkronen- parke (Wegener 2006). Die zoologische vernebelung (seit 2005) (Abb. 3) sowie Forschung dürfte daran einen nicht uner- die breit angelegten Beprobungen der heblichen Anteil haben. Nationalpark-Fließgewässer hinsichtlich aquatiler Insekten (ab 2005 – Eintagsflie- 4. Arten der Europäischen Vogelschutz- gen, Steinfliegen, Köcherfliegen, Käfer). richtlinie / FFH-Arten / Leitarten Reichlich 6.000ha des Nationalparks All dies sind nur Beispiele – zahlreiche Hochharz sind nach EU-Vogelschutz- weitere Insektentaxa sowie bemerkens- Richtlinie als „Besonderes Schutzgebiet Abb. 3: Baumkronenbenebelung 2005 / 2006 werte Befunde zu Kleinsäugern müssen Hochharz“ ausgewiesen, in dem mit (Foto: N. Richter) hier unerwähnt bleiben (u.a. Schick- Wanderfalke, Auerhuhn, Sperlingskauz, Sacher, P.: Zur zoologischen Forschung im Nationalpark harz | 71

Rauhfußkauz, Schwarzspecht und Neun- sam und noch effizienter fortzusetzen. Literatur töter 6 Arten nach Anhang I der Vogel- Sich bereits jetzt abzeichnende erfolgver- Ansorge, H. (1990): Zu Morphologie schutz-Richtlinie brüten. Beim Entstehen sprechende Ansätze dafür sind und taxonomischen Status der Alpen- dieser Auflistung (2000) war noch nicht - Forschungsarbeiten, wenn möglich, spitzmaus, Sorex alpinus, im Gebiet der bekannt, dass hier auch die Heidelerche auch länderübergreifend anzulegen, DDR. – Abh. Ber. Naturkundemus. vorkommt. Ferner fehlen Schwarzstorch - für das Biomonitoring besonders gut Görlitz 64 (4): 1-12. und Grauspecht – ebenfalls Arten nach geeignete Artengruppen, Leitarten und Anhang I – die im Gebiet zwischen Ilse- Methoden/Vorgehensweisen abzustim- Hellmann, M. (2005): Bestand- und Eckertal zu berücksichtigen sind. Mit men und ggf. anzugleichen, serfassung der Ringdrossel auf der Ausnahme des Rauhfußkauzes (Abb. 2) - Monitoring-Intervalle unter Berück- Brockenkuppe im Jahre 2005 und existieren zu allen genannten Arten aktu- sichtigung territorialer Besonderheiten Darstellung der Bestandsentwicklung ab elle Daten. Sie resultieren aus Bestandser- gemeinsam festzulegen, 1990. – Unveröff. Bericht an die Natio- fassungen, die im Falle von Wanderfalke, - Waldumbaumaßnahmen mit einem nalparkverwaltung Hochharz, 5 S. + 3 S. Auerhuhn und Sperlingskauz kontinuier- gemeinsamen Monitoring-Programm Anhang (Abb.). lich durchgeführt worden sind (s. Punkt zoologisch zu begleiten. Biomonitoring/Sukzessionsforschung). Hellmann, M. & Günther, E. (1999): Einige dieser Arten sollten aus meiner Sehr deutlich zeichnet sich ab, dass die Die Spechte im Nationalpark „Hochharz“. Sicht gleichzeitig auch als Leitarten fun- zoologische Forschung nur durch die Unveröff. Bericht an die Nationalparkver- gieren, da sie – wie etwa die Spechte und Unterstützung und das aktive Mittun waltung Hochharz, 10 S. + 4 S. Anhang der Schwarzstorch – in besonderer Weise staatlicher, gesellschaftlicher und privater (Abb.). zur Charakterisierung von Lebensräumen Institutionen und Organisationen sowie geeignet sind. Auch auf die Ringdrossel Universitäten und Hochschulen, Gut- Hellmann, M.; Günther, E, & Nico- und den Wiesenpieper mit ihrer engen achterbüros, Einzelforscher und – ganz lai, B. (1998). Die Vögel des Brockenur- Bindung an die waldfreie Brockenkuppe wichtig – zahlreicher ehrenamtlicher waldes: Vorkommen, Siedlungsdichte, trifft das zu. Beide Arten werden jedoch Mitarbeiter durchführbar ist. Ihnen und Avizönose. – Orn. Jber. Mus. Heineanum nicht von der EU-Richtlinie erfasst, wor- natürlich auch allen beteiligten Mitarbei- 16: 103-136. aus deutlich wird, dass der Nationalpark tern der Nationalparkverwaltung unter bei seinem weiter auszubauenden Leit- der wissenschaftlichen Leitung von Uwe Hellmann, M.; Günther, E, & und Indikatorartensystem (s. auch Punkt Wegener sei an dieser Stelle für das in Nicolai, B. (2000): Die Vögel der 5) nicht zwangsläufig nur auf Vogelarten 15 Jahren zoologischer Forschung im Na- Brockenkuppe. – Orn. Jber. Mus. Heinea- nach Anhang I bzw. bei anderen Taxa tionalpark Hochharz Erreichte herzlich num 18: 1-49. nicht nur auf FFH-Arten zurückgreifen gedankt. Ich würde mich freuen, wenn muss. Beispielsweise kommen dafür auch diese über Jahre gewachsene, erfolgrei- Hellmann, M.; Günther, E, & Oh- Bachforelle, Feuersalamander sowie die che Zusammenarbeit im Nationalpark lendorf, B. (1992): Zum Vorkommen unter Punkt 2 genannten „Gallionsfi- Harz fortbestehen und weiter ausgebaut der Ringdrossel (Turdus torquatus) im guren“ in Betracht. Mehr noch: Selbst werden könnte. Hochharz. – Orn. Jber. Mus. Heineanum weitaus häufigere Arten als die genannten 10: 107-116. können unter der Voraussetzung, dass sie Veränderungen im Ökosystem signalisie- Martens, H. (1995): Vogelsiedlungs- ren, als Leit- und Indikatorarten herange- dichten uns Siedlungsstruktur naturna- zogen werden. her montaner Fichtenwälder im Bereich des Brockenmassivs (Hohneklippen, 5. Wie weiter im fusionierten National- Ostharz). – Dipl. Arb. Univ. Göttingen, park Harz? Zool. Inst. Die zu Jahresbeginn 2006 erfolgte Fusion der beiden Harzer Nationalparke bedeu- Sacher, P. (1996): Nachweis von Mecy- tet keinen Richtungswandel in der zoo- nargus morulus im Harz – eine Wieder- logischen Forschung. Vielmehr eröffnet bestätigung für Deutschland (Araneae: sie eine ganze Reihe neuer Möglichkeiten Linyphiidae: Erigoninae). Arachnol. Mitt. und Chancen, den insgesamt heute schon 12: 66-67. thematisch sehr ähnlichen Weg gemein- 72 | Sacher, P.: Zur zoologischen Forschung im Nationalpark harz

Sacher, P. (1997): Webspinnen (Arach- Wadewitz, M. (2002): Untersuchungen nida: Araneae) im Nationalpark Hoch- zum Brutvogelbestand auf der Skitrasse harz. Ber. Naturhist. Ges. Hannover 139: am Hohnekopf. – Unveröff. Bericht an 259-276. die Nationalparkverwaltung Hochharz.

Sacher, P. (1999a): Das Bodenfallenpro- Wadewitz, M. (2003): Erfassung des gramm im Brockengebiet – Zielstellung, Wiesen- und Baumpiepers sowie des Methodik, Standorte. Abh. Ber. Naturk. Neuntöters im Nationalpark Hochharz. Magdeburg 22: 7-17. – Unveröff. Bericht an die Nationalpark- verwaltung Hochharz. Sacher, P. (1999b): Mecynargus morulus O. P.-CAMBRIDGE, 1873 und Lept- Wegener, U. (2006): Grundlagen der hyphantes antroniensis SCHENKEL, botanischen Forschung im Nationalpark 1933 – zwei bemerkenswerte nordische – Rückblick und Ausblick. In: 15 Jahre Spinnenarten vom Brocken-Gipfel im geobotanische Forschung im National- Harz (Araneae: Linyphiidae). – Ent. park. Von der Inventarisierung zum Bio- Nachr. Ber. 43 (3/4): 237-239. monitoring. – Abh. Ber. Mus. Heineanum 7, Sonderheft 1: 45-58. Sacher, P. (2006): Gnaphosa leporina (L. Koch, 1866) – ein weiteres bemer- Wiehle, H. (1965): Die Spinnenfauna kenswertes Faunenelement von Brocken des Harzes. Natur und Museum 95: (Arachnida: Araneae: Gnaphosidae. Abh. 133-142. Ber. Mus. Heineanum.

Saxesen, W. (1834): Von den Thieren und Pflanzen des Harzgebirges und der Jagd. In: Zimmermann, C.: Das Harzge- birge in besonderer Beziehung auf Natur und Gewerbekunde geschildert. Darm- stadt, S. 215-278.

Schickmann, S.; Sacher, P. & Brün- ner, H. (2006): Neue Befunde zur Kleinsäugerfauna des Hochharzes in Sachsen-Anhalt. – Hercynia N.F. 39(2): 283-294.

Schulze, E. (1887): Sorex alpinus am Brocken. – Z. Naturwiss. 60: 187.

Schwarzenberger, T. (1998-2003): Das Auerhuhn im Nationalpark Harz.

Wadewitz, M. (1999, Mskr.): Bericht zur Erfassung des Sperlingskauzes (Glaucidium passerinum) im Nationalpark Hochharz (Sachsen-Anhalt) in der Brut- saison 1999. – Unveröff. Bericht an die Anschrift des Autors: Nationalparkverwaltung Hochharz, 6 S. Dr. Peter Sacher Am Gönnenicht 8 38871 Abbenrode Nicolai, B.; Hellmann, M.; Günther, E.: Grundlagen und Probleme beim Artenschutz | 73

Bernd Nicolai, Michael Hellmann & Egbert Günther, Halberstadt Grundlagen und Probleme beim Arten- schutz am Beispiel Rotmilan *

Einleitung I der EU – Vogelschutzrichtlinie und der Der Rotmilan Milvus milvus ist eine äu- damit einhergehenden aktuellen Rechts- ßerst attraktive Art und nach den Adlern sprechung (OVG Koblenz, Urteil vom bei uns der größte heimische Greifvogel. 16.03.2006 – 1 A 10884/05) zu Gunsten Bereits das befähigt ihn zu einem gut dieser Vogelart, liegen sogar juristisch geeigneten Objekt für den Artenschutz. gute Voraussetzungen vor, einen wir- Es gibt jedoch auch sehr gut begründete kungsvollen Schutz durchzusetzen. Kriterien für wirklich notwendige Arten- schutzmaßnahmen, denn der Rotmilan … Hinzugefügt werden kann schließlich • besitzt nur ein relativ kleines, auf Euro- noch, dass dieser Greifvogel am Ende pa begrenztes Areal (vgl. Abb.1) von ökologischen Nahrungsnetzen steht • hat nur einen geringen Weltbestand von und in vielfältiger Abhängigkeit von annähernd 20.000 Brutpaaren (BP) Umweltverhältnissen ist, ihm deswegen • besitzt im Nordharzvorland (Sachsen- auch eine wesentliche Indikatorfunktion Anhalt) sein Dichtezentrum und zukommt. Das heißt, wir bekommen über Abb.1: Verbreitungsgebiet des Rotmilans (unter- • hat hier in den letzten anderthalb Jahr- die Situation dieses Vogels – vorausge- schiedliche Färbungstiefe innerhalb des Are- zehnten um rund 50 % abgenommen! setzt wir haben genügend Kenntnisse als deutet auf verschiedene Bestandsdichten) seiner Biologie und seines Verhaltens! – Diese bemerkenswerten Fakten gipfeln Informationen über Zustände in seiner in einer weiteren Besonderheit, denn der (unserer) Umwelt. Damit wiederum wird Fläche der offenen Landschaft außerhalb Rotmilan stellt für die Bundesrepublik der Artenschutz (nicht nur) in diesem der großen isolierten Wälder (Hakel. Deutschland eine Einmaligkeit dar: Von Fall nicht zum Selbstzweck. Huy, Hohes Holz), in denen damals unseren insgesamt rund 250 Brutvo- Ansammlungen von Rotmilan-Brutpaa- gelarten ist sie die einzige Art, von der Voraussetzungen – Kenntnisse ren bereits bekannt waren, bearbeitet gut die Hälfte der Weltpopulation nur „Nur was bekannt ist, k a n n geschützt (Abb. 2). in Deutschland brütet! Daraus leitet werden!“ sich eine herausragende Verantwortung Die gut auswertbaren Ergebnisse führ- unseres Landes ab (Flade 1998), wie wir Um die seinerzeit (Nicolai & König ten mit den Daten aus den Wäldern sie für keine andere Vogelart haben. Mit [1984]1990) angenommenen Verän- zu sehr interessanten Ergebnissen. Im der Nennung des Rotmilans im Anhang derungen in der Siedlungsdichte und fünfjährigen Rhythmus, also 1991, 1996, Siedlungsstruktur der Rotmilanpopulati- 2001 und 2006, wurden daraufhin die on des Nordharzvorlandes zu überprüfen, großflächigen Bestandserfassungen wie- wurde erstmals zur Brutzeit 1986 die derholt (Nicolai et al. 1993ff.). Dieses * Herrn Dr. Uwe Wegener zu seinem 65. Geburts- tag gewidmet; nicht zuletzt hat er mit seinen Unter- Siedlungsdichte der Greifvögel auf einer ’Monitoring’ lieferte die Grundlage für suchungen im Huy bereits Ende der 1950er Jahre über 400 km² großen Fläche erfasst. Auf eine breite Diskussion der festgestellten Grundlagen für unsere heutigen Kenntnisse über der Grundlage von Messtischblatt-Qua- Bestandsveränderungen, die immer im die Entwicklungen beim Rotmilan gelegt. - Etwas veränderte Fassung eines Vortrages auf der 7. Wiss. dranten (MTBQ; Viertel einer Topogra- Zusammenhang mit stattgefundenen, Nationalpark-Tagung. fischen Karte TK-25) wurde dabei eine erheblichen Umweltveränderungen 74 | Nicolai, B.; Hellmann, M.; Günther, E.: Grundlagen und Probleme beim Artenschutz

Ergebnisse – Diskussion „Nur was irgendwie gefährdet ist, m u s s geschützt werden!“

Der Rotmilan zeigte im untersuchten nordöstlichen Harzvorland in den 1970er und 1980er Jahren eine starke Verän- derung seiner Siedlungsweise. Er besie- delte zunehmend die offene Landschaft außerhalb der großen Wälder, in der vorher so gut wie keine Brutvorkommen gefunden wurden. Dadurch stieg auch der Gesamtbestand deutlich an. Bis um etwa 1980 nahmen sogar noch die Bestände in den isolierten Wäldern auf maximale Werte zu: Hakel 136 BP (1979; Stubbe 1982), Huy 92 BP (1981; Günther & Wadewitz 1990). Interessanterweise erfolgte die allgemeine Zunahme des Rotmilan-Bestandes immer noch, obwohl Abb.2: Landschaftsausschnitt (Kreis umschließt eine Fläche von 1500 km²) des Nordharzvorlandes mit dem Untersuchungsgebiet (14 MTBQ) außerhalb die Bestände der Wälder in den 1980er der großen Wälder (Hohes Holz, Huy, Hakel); eingezeichnet die ehemali- Jahren bereits kontinuierlich abgenom- gen Kreisstädte, Fließgewässer und kleinere Städte/Dörfer (Punkte; nicht men haben. Für diese eindeutig positive vollständig). Entwicklung erscheinen uns unter ande- rem diese drei Punkte wesentlich: • Gute Nahrungsgrundlage (Kleinsäu- ger wie Hamster und Wühlmäuse) durch günstige Anbaustruktur und Fruchtfolge (hoher Anteil mehrjähriger Futterkulturen) in der ausgedehnten Agrarlandschaft der fruchtbaren Börde sowie an offenen Hausmülldeponien, Rieselfeldanlagen, Schlachthöfen usw. • Zunehmendes Angebot an Nistmög- lichkeiten in der vorher ausgeräumten Agrarlandschaft durch potentielle Horstträger (Anpflanzung und Auf- wuchs von Hybrid-Pappeln als Wind- schutzstreifen und in Feldgehölzen) Abb.3: Rapsfeld im Nordharzvorland (im Hintergrund Hoppelberg SW Halber- stadt) zur Brutzeit wirkt wie eine versiegelte Bodenfläche (Foto: B. Nicolai • Keine Verfolgung (Jagdschutz) und in / 26.05.2005) der Bevölkerung zunehmend positive Bewertung der ursprünglich „ungelieb- ten Raubvögel“. betrachtet wurden. Außerdem konnte heute zusammengetragenen Fakten und eine Vielzahl von Detailkenntnissen und Erkenntnisse erlauben nun weitreichende Einen extremen Einbruch gab es dann thematischen Publikationen (z.B. Hell- Schlussfolgerungen und bieten zugleich allerdings ab 1991, nachdem der absolute mann 1996, 1999, 2002, Mammen et al. eine ausgezeichnete Basis für notwendige Höchststand (ca. 630 BP auf 1500 km² 1996ff., Nachtigall 1999, Pfeiffer weiterführende Forschungsziele. kalkulierter Gesamtfläche) erreicht war. 2000, Schönbrodt & Tauchnitz Unsere Schätzungen, die auf der Grund- 1987ff., Stubbe et al. 1982ff.) in die Be- lage der Zählungen auf den 440 km² trachtungen einbezogen werden. Alle bis offener Landschaft plus den Bestandszah- Nicolai, B.; Hellmann, M.; Günther, E.: Grundlagen und Probleme beim Artenschutz | 75

len der Wälder basieren, erbrachten für die Folgezeit 1996-2001-2006 insgesamt nur noch annähernd 325 BP / 1500 km². Das entspricht einer Abnahme des Rotmilan-Bestandes im Dichtezentrum seines Areals um nahezu 50 % (Nico- lai & Böhm 1999, Nicolai & Weihe 2001, Nicolai 2006). Die wesentlichen Ursachen liegen in den gravierenden Ver- änderungen in der Landbewirtschaftung, die in sehr kurzer Zeit unmittelbar nach der politischen Wende in Ostdeutschland erfolgten (vgl. George 1995, 2004) und sich knapp umschreiben lassen mit (1.) Abb.4: Veränderungen in der Siedlungsstruktur des Rotmilans innerhalb des Untersuchungsgebietes am zunehmender Intensivierung (verstärkte Beispiel von drei Zeitpunkten (um 1970, 1991, 2006): Verteilung der besetzten Horste (= Punk- Flächennutzung, vielfältigerer Einsatz te) innerhalb der untersuchten 14 MTBQ; die größeren schwarzen Kreisflächen zeigen summa- von Insekti-/Herbiziden, Verringerung risch die Bestände (Zahlen = Anzahl Brutpaare) in den Wäldern Hohes Holz, Huy und Hakel. Aus: Nicolai (2006) von Ernteverlusten), (2.) starke Zunahme des Anbaus von Ölsaaten (Raps) und Wintergetreide (Weizen), (3.) Abnahme des Hackfruchtanbaus und schließlich (4.) Verringerung des Grünlandanteils. Diese genannten Faktoren führen auf zwei Wegen zu einer Negativentwicklung der Nahrungsgrundlage für unsere Rot- milane, nämlich einerseits zur direkten Verringerung des Beuteangebotes und andererseits – wegen zu starker Boden- bedeckung – zur Verschlechterung der Erreichbarkeit der Beute insbesondere zur Brut- bzw. Nestlingszeit, wo zur Versorgung der Jungvögel sogar eine erhöhte Nahrungsmenge notwendig wird (s. auch Nachtigall 1999). Zum bes- seren Verständnis stelle man sich nur ein blühendes Rapsfeld vor (Abb. 3), dessen dichter Strauchwuchs auf ein bis andert- Abb.5: Schematische Übersicht der Einflussnahme wesentlicher ökologischer Faktoren auf die Entwicklung halb Meter Höhe Blick und Zugang zu des Rotmilan-Bestandes im Norharzvorland jedweder Beuteart am Boden verwehrt, und das auf Tausende Hektar Nutzfläche! Brutgebiete für den Rotmilan völlig verlo- gebiete ist es gelungen, auf Dauer nager- ren gegangen ist und sich seine Brutplätze reiches Grünland und zahlreiche Pappeln Damit ist die zurückliegende Entwick- vorwiegend in den Niederungsgebieten als potentielle Horstträger zu erhalten. lung des Rotmilan-Bestandes innerhalb der Fließgewässer (, Selke, Holtem- der letzten drei bis vier Jahrzehnte kurz me, Gr. Graben/Bruch) konzentrieren. Inzwischen wurden jedoch weitere Pro- umrissen und der aktuelle Status der Po- Somit haben sich auch neue Bedingungen bleme erkannt: Neben den o.g. Faktoren pulation im Nordharzvorland aufgezeigt. für notwendige Schutzstrategien ergeben. haben nämlich noch verschiedene andere Abb.4 veranschaulicht noch einmal die Die Bedeutung der Bode-Selke-Niede- Dinge Einfluss auf die Größe des Rot- Verhältnisse zu drei verschiedenen Zeit- rung für den Natur- und Artenschutz ist milan-Brutbestandes. Eine vereinfachte punkten. Die derzeitige Situation (Ergeb- aufgrund unserer Erkenntnisse erheblich Übersicht zeigt das Fließschema in Abb.5. nisse von 2006) ist die, dass die frühere gewachsen. Mit der Unterschutzstellung Auf Grund neuer Erkenntnisse in den große Bedeutung der isolierten Wälder als der Niederungen als Landschaftsschutz- letzten Jahren kommen beispielsweise zu 76 | Nicolai, B.; Hellmann, M.; Günther, E.: Grundlagen und Probleme beim Artenschutz

Abb.6: Windkraftopfer: Rotmilan verunglückt Abb.7: Schwachwüchsige, alternde und stark brüchige Pappelreihe bei Wegeleben (MTBQ 4133/1) an einer Windkraftanlage bei Schafstädt (Foto: B. Nicolai / 11.6.2006) (Querfurter Platte, außerhalb des Unter- suchungsgebietes). (Foto: U. Mammen / Ende Mai 2005)

den „unnatürlichen“ Verlusten an Elektro- deshalb, dass ausgerechnet hier im von Kompensationsmaßnahmen neu Freileitungen und den Verkehrsopfern nordöstlichen Harzvorland (Rotmilan- gepflanzten Bäume brauchen Jahre, bis sie an Straßen und Bahntrassen zunehmend Dichtezentrum!) zur Zeit vorhandene die erforderliche Horstbaumqualität er- Verluste an Windenergieanlagen (WEA). „Windparks“ erheblich erweitert werden reichen. Unbestritten bleibt jedenfalls der Zwar wurde in den ersten Jahren an und zahlreiche neue Anlagen in Planung hohe Stellenwert der Pappeln für den Mi- vorhandenen Anlagen nur mehr oder bzw. im Genehmigungsverfahren sind lan: 77 % der besetzten Horste befanden weniger zufällig auf Todfunde geachtet, oder bereits gebaut werden. Unmittelbar sich im Mittel über den gesamten Unter- doch hat sich herausgestellt, dass Rot- betrifft das sogar unser Beobachtungs- suchungszeitraum auf Pappeln, aktuell im milane in besonderer Weise durch die gebiet im Bereich „Speckberg“ (MTBQ letzten Jahr sogar 83 % (Nicolai 2006). Rotoren gefährdet sind. Diese Vogelart 4033/3 und 4133/1). verunglückt häufiger als jede andere an Hinzu kommt, dass auf die in der offenen WEA (Dürr & Langgemach 2006; Noch eine drohende Gefahr wurde Landschaft brütenden Milane ein erhöh- Daten bis 2002). Inzwischen wurden neuerdings erkannt: Und zwar gehen ter Druck besteht: Störungen unterhalb weitere Verluste gemeldet, so dass bereits die Baumreihen (Windschutzstreifen), eines oftmals in relativ kleinen Horsten annähernd 80 verunglückte Rotmilane Feldgehölze und Einzelbäume in der brütenden Vogels (vgl. Abb.8) wirken sich bekannt geworden sind (Mammen & offenen (Acker-) Landschaft nach und hier viel stärker aus, als in geschützter Dürr 2006, Mammen, pers. Mitt.; nach verloren. Das betrifft besonders die Lage und bei üppigeren Horsten. Diese Abb.6). Aus populationsbiologischer angepflanzten (Hybrid-) PappelnPopulus Feststellung muss wiederum im Zusam- Sicht ist dabei bemerkenswert, dass vor- spec. Sie haben ihr biologisches Alter menhang mit zunehmenden Störungen wiegend (> 90 %) Altvögel verunglücken. fast erreicht und brechen nun langsam in der Landschaft durch diverse Freizeit- Das spricht dafür, dass nicht die Uner- zusammen (Abb.7). Hinzu kommt, dass nutzungen (Jogger, Cross-Fahrer, Hunde- fahrenheit und mangelnde Flugfähigkeit sie wegen der hohen Bruchanfälligkeit halter u.ä.) gesehen werden. Dabei stört von Jungvögeln zur Kollision führen. bei den Kommunen (Verkehrssiche- diese Beunruhigung am Horst derart, Möglicherweise ist es die auf Beute rungspflicht!), den Landwirten und den dass die brütenden Vögel den Horst ver- ausgerichtete Erfahrung der Altvögel, die Unterhaltungsverbänden nicht sonderlich lassen und damit das Gelege oder kleine sie in die Bereiche der Rotorblätter führt beliebt sind. Die dringend erforderlichen Jungvögel für Prädatoren, wie beispiels- und nicht mit einer „unnatürlichen“, von Umbaumaßnahmen scheitern vielfach an weise Rabenkrähe und Elster, kurzzeitig oben kommenden Schlaggefahr rechnen der allgemein ungünstigen Haushaltslage freigeben. lässt. Besonders problematisch erscheint der Kommunen. Selbst die im Rahmen Nicolai, B.; Hellmann, M.; Günther, E.: Grundlagen und Probleme beim Artenschutz | 77

Schließlich ist ein verstärkter Konkur- Abgang des Baumbestandes in der offe- renzkampf um die knapper werdende nen Landschaft und Nistplatzkonkurrenz Ressource Horstplatz entstanden. Sie (Greifvögel, Waschbär, Nilgans). besteht im Gebiet auf der einen Seite natürlicherweise zwischen dem Rotmilan Hingewiesen wird schließlich aus- und den beiden Greifvogelarten Mäuse- drücklich auf die Notwendigkeit von bussard und Schwarzmilan, die zugleich Schutzmaßnahmen und auf weiteren auch Nahrungskonkurrenten sind. Forschungsbedarf. Dabei ergibt sich Aktuell hinzugekommen sind jedoch erhebliches Konfliktpotential für den zwei Neozoen: Da ist plötzlich die recht Artenschutz daraus, dass wesentliche aggressive Nilgans Alopochen aegyptiacus, Ursachen für die Abnahme des Rotmilan- die in den stabilen Horsten der Greifvö- Bestandes in der intensiven Wirtschafts- gel brütet, und der ebenfalls in starker weise und Landnutzung bestehen. Zunahme begriffene Waschbär Procyon lotor, der gleich in zweifacher Weise Literatur Einfluss nimmt. So kontrolliert er auf der Flade, M. (1998): Neue Prioritäten im einen Seite die Greifvogelhorste und wird Vogelschutz: Kleiber oder Wiedehopf? so zum Räuber, der Eier, Jungvögel und Falke 45: 348-355. Beutereste frisst. Andererseits blockiert er besonders geeignete große Horste, indem Dürr, T. & Langgemach, T. (2006): er sie als sicheren Tagesruheplatz nutzt. Greifvögel als Opfer von Windkraftan- Allein im Bereich der Bode-Selke-Nie- lagen. Populationsökologie von Greif- Abb.8: Brütender Rotmilan auf kleinem Horst derung östlich von Wegeleben (MTBQ vogel- und Eulenarten 5 (Wiss. Beitr. in einer Pappelreihe am Ortsrand von 4133/1) wurden so durch Waschbären Martin-Luther-Univ. Halle-Wittenberg): Hedersleben; der Horst wurde etwa zum im Jahr 2006 nachweislich mindestens 483-490. Zeitpunkt des Schlupfes der Jungvögel von den Altvögeln verlassen. (Foto: B. Nicolai/ 5-7 Horste „genutzt“! 1.5.2006) George, K. (1995): Neue Bedingungen Zusammenfassung für die Vogelwelt der Agrarlandschaft in Der Rotmilan hat in den letzten vier Ostdeutschland nach der Wiederverei- Jahrzehnten enorme Veränderungen nigung. Ornithol. Jber. Mus. Heineanum Hellmann, M. (1999): Die Entwick- im Bestand gezeigt; besonders auffällig 13: 1-25. lung des Rotmilans Milvus milvus vom sind: (1.) deutliche Bestandszunahme in Nahrungsgast zum Brutvogel in der Stadt 1970er und 1980er Jahren, (2.) Räumung George, K. (2004): Veränderungen der Halberstadt. Ornithol. Jber. Mus. Heine- der Wälder und Besiedlung der offenen ostdeutschen Agrarlandschaft und ihrer anum 17: 93-107. Landschaft sowie der Ortslagen und (3.) Vogelwelt insbesondere nach der Wie- extremer Bestandseinbruch Anfang der dervereinigung Deutschlands. Apus 12: Hellmann, M. (2002): Der Winter- 1990er Jahre (Abnahme um fast 50 %). 1-138. bestand des Rotmilans Milvus milvus 2000/01 und 2001/02 im Land Sachsen- Der Hauptgrund für die Bestandsabnah- Günther, E. & Wadewitz, M. (1990): Anhalt. Ornithol. Jber. Mus. Heineanum me ist Nahrungsmangel, bedingt durch Der Bestand der Greifvögel im Huy 20: 57-80. (1.) Intensivierung der Landbewirtschaf- (Nördliches Harzvorland) im Jahre 1981. tung, (2.) fehlendes Angebot (Abnahme Abh. Ber. Mus. Heineanum 1, Nr. 4: 1-3. König, H. (1974): Milvus milvus – Rot- von Beutetieren u.a.), (3.) Verschlechte- milan. S. 79-86 in: Haensel, J., & H. rung der Erreichbarkeit von Beutetieren Hellmann, M. (1996): Untersuchun- König (1974-91): Die Vögel des Nord- und (4.) zunehmende interspezifische gen an Schlafplätzen von Rotmilan harzes und seines Vorlandes. Naturkdl. Konkurrenz. Zunehmend negativ auf die und Schwarzmilan (Milvus milvus, M. Jber. Mus. Heineanum 9/2. Bestandsentwicklung wirken außerdem migrans) im nördlichen Harzvorland. erhöhte Verluste durch Verkehr, Verdrah- Ornithol. Jber. Mus. Heineanum 14: Mammen, U. & Gedeon, K. (1996): tung der Landschaft, Windkraftanlagen, 111-132. Bestands- und Reproduktionsentwick- Prädatoren (neu: Waschbär Procyon lotor) lung von Greifvögeln (Falconiformes) sowie Verlust von Horstplätzen durch 78 | Nicolai, B.; Hellmann, M.; Günther, E.: Grundlagen und Probleme beim Artenschutz

im östlichen Deutschland in den Jahren milvus) in Ostdeutschland. Vogel u. Rotmilan (Milvus milvus) in Schleswig- 1988 bis 1993/94. Populationsökologie Umwelt 8, Sonderh.: 11-19. Holstein. Corax 20: 165-178. von Greifvogel- und Eulenarten 3, (Wiss. Beitr. Martin-Luther-Univ. Halle-Witten- Nicolai, B. (1997): Red Kite Milvus mil- Schönbrodt, R. & Tauchnitz, H. berg): 13-21. vus. S. 134-135 in: Hagemeijer W.J.M., (1987): Ergebnisse zehnjähriger Plan- & M.J. Blair (Ed.): The EBCC Atlas of beringung von jungen Greifvögeln in Mammen, U. (2000): Bestandsabnahme European Breeding Birds : Their Distri- den Kreisen Halle, Halle-Neustadt beim Rotmilan Milvus milvus von 1994 bution and Abundance. London. und Saalkreis. Populationsökologie von bis 1997 in Deutschland. Ornithol. Mitt. Greifvogel- und Eulenarten 1. Wiss. Beitr. 52: 4-13. Nicolai, B. (2006): Rotmilan Milvus Martin-Luther-Univ. Halle-Wittenberg milvus und andere Greifvögel (Accipit- 1987/14 (P27): 67-84. Mammen, U. & Dürr, T. (2006): Rot- ridae) im nordöstlichen Harzvorland milane und Windkraftanlagen – Konflikt - Situation 2006. Ornithol. Jber. Mus. Schönbrodt, R. & Tauchnitz, H. oder Übertreibung. Apus 13: 73-74. Heineanum 24: 1-34. (1991): Greifvogelhorstkontrollen der Jahre 1986 bis 1990 bei Halle. Populati- Mammen, U. & Stubbe, M. (2000a): Nicolai, B. & Böhm, W. (1997): Zur onsökologie von Greifvogel- und Eulen- Trends in Bestand und Reproduktion der aktuellen Situation der Greifvögel (Ac- arten 2. Wiss. Beitr. Martin-Luther-Univ. Greifvögel (Falconiformes) und Eulen cipitridae) insbesondere des Rotmilans Halle-Wittenberg 1991/4 (P45): 61-74. (Strigiformes) in Deutschland von 1988 Milvus milvus im nordöstlichen Harzvor- bis 1998. Populationsökologie von Greif- land. Ornithol. Jber. Mus. Heineanum 15: Schönbrodt, R. & Tauchnitz, H. vogel- und Eulenarten 4, (Wiss. Beitr. 73-87. (1999): Greifvogelhorstkontrollen von Martin-Luther-Univ. Halle-Wittenberg): 1991 bis 1998 im Stadtkreis Halle und 17-31. Nicolai, B. & Böhm, W. (1999): Zur im Saalkreis. Populationsökologie von Bestandsentwicklung des Rotmilans Greifvogel- und Eulenarten 4, (Wiss. Mammen, U. & Stubbe, M. (2000b): Milvus milvus im nördlichen Harzvor- Beitr. Martin-Luther-Univ. Halle-Witten- Zur Lage der Greifvögel und Eulen in land. Ornithol. Jber. Mus. Heineanum 17: berg): 153-166. Deutschland von 1995 bis 1998. Vogel- 109-112. welt 121: 307-315. Schönbrodt, R. & Tauchnitz, H. Nicolai, B. & König, H. (1990): Der (2006): 2005 und 2006 – zwei außerge- Mammen, U. & Stubbe, M. (2006): Die Bestand des Rotmilans (Milvus milvus) in wöhnliche Jahre für Greifvögel. Apus 13: Bestandsentwicklung der Greifvögel und der DDR – Ergebnisse der Brutvogelkar- 62-65. Eulen Deutschlands von 1988 bis 2002. tierung. Abh. Ber. Mus. Heineanum 1/1: Populationsökol. Greifvogel- u. Eulenar- 1-12. [Mskrpt. 1984] SRU – Der Rat von Sachverstän- ten 5: 21-40. digen für Umweltfragen (2004): Nicolai, B., & Weihe, F. (2001): Szenarien der Agrarpolitik – Untersu- Nachtigall, W. (1999): Aktionsraum Bestand der Greifvögel (Accipitridae) im chung möglicher agrarstruktureller und und Habitatnutzung des Rotmilans (Mil- nordöstlichen Harzvorland – Situation ökonomischer Effekte unter Berücksich- vus milvus Linné, 1758) im nordöstlichen 2001. Ornithol. Jber. Mus. Heineanum tigung umweltpolitischer Zielsetzungen. Harzvorland. Dipl.-Arbeit, Univ. Halle- 19: 33-47. Materialien zur Umweltforschung 37. Wittenberg. Pfeiffer, T. (2000): Über den Ernäh- Stubbe, C. (1961): Die Besiedlung eines Nicolai, B. (1993): Die Siedlungsdichte rungszustand juveniler Rotmilane (Mil- abgeschlossenen Waldgebietes (Hakel) der Greifvögel (Accipitridae) im nörd- vus milvus) in der Umgebung von Weimar mit Greifvögeln im Jahre 1957. Beitr. lichen Harzvorland unter besonderer und daraus abzuleitende Schutzvorschlä- Vogelkde. 7: 155-224. Berücksichtigung des Rotmilans (Milvus ge. Landschaftspflege Naturschutz Thür. milvus). Ornithol. Jber. Mus. Heineanum 37: 1-10. Stubbe, M. (1982): Brutdichte und Al- 11: 11-25. tersstruktur einer Rotmilan-Population – Schmidt, M. & Schmidt, R. (2006): Milvus milvus (L., 1758) – im nördlichen Nicolai, B. (1995): Bestand und Be- Langjährig erfolgreiches Mischbrutpaar Harzvorland der DDR im Vergleich zum standsentwicklung des Rotmilans (Milvus von Schwarz- (Milvus migrans) und Mäusebussard Buteo buteo (L., 1758). Nicolai, B.; Hellmann, M.; Günther, E.: Grundlagen und Probleme beim Artenschutz | 79

Arch. Naturschutz. Landschaftsforsch. 22: 205-214.

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Anschriften der Autoren: Dr. Bernd Nicolai Museum Heineanum Domplatz 36 D-38820 Halberstadt

Michael Hellmann und Egbert Günther Untere Naturschutzbehörde Klusstraße 10 D-38820 Halberstadt 80 | Kurth, H.: Naturschutz und Nachhaltigkeit

Horst Kurth, Hasselfelde Naturschutz und Nachhaltigkeit - das eine wichtiges Ziel, das andere unerlässliches Hand- lungsprinzip zukunftsfähiger Waldwirtschaft

Vorspann der Naturkraft. Novalis sieht im o.g. Ro- Vorbildcharakter der forstlichen Nach- Die 7. Wissenschaftliche Tagung im manfragment den Menschen als Schüler haltigkeit explizit hervorhebt (2004), Nationalpark Harz unter dem Thema dieser Gottheit.) die ökologischen Leistungen des Waldes „Tun und Lassen im Naturschutz” am und seiner Bäume, auch die Vorzüge 14. September 2006, auch dieser Beitrag, Ich füge hier bewusst das weithin unbe- des reproduzierbaren (Bio-) Rohstoffs erfolgen anlässlich des 65. Geburtstages kannte Gedicht „Der Harz” des 17jähri- Holz in hohen Graden lobt, andererseits von Dr. Uwe Wegener, einer herausragen- gen Novalis von 1788 ein, weil es alle Fa- akzeptieren sie inzwischen – nun endlich den Persönlichkeit des Naturschutzes im cetten unseres „Muttergebürgs” anspricht: – die schon 1900 vom wissenschaftlichen Harz und Vorland. In meinem schriftli- Wald und Wild, Bäume und Holz, Begründer des deutschen Naturschutzes chen Geburtstagsgruß an ihn zitiere ich Stürme und rauschende Ströme, Felsen Hugo Conwentz geäußerten kritischen aus dem Romanfragment „Die Lehrlinge und „Eingeweid”, den unersättlichen Ansichten über ihr Tun: zu Sais”, 1797, des Friedrich von Harden- Menschendurst nach Silbererz, Kupfer berg (1771 - 1801) – genannt Novalis –, und „tödtend Bley”, Freiheit, Dichtung „Zu den am meisten bedrohten Gebieten das den Schutz der Natur zum Gegen- und Begeisterung unter dem „donnernden gehört der Wald, ... . Vornehmlich mit Be- stand hat : Felsenhaupt”, dem Brocken. ginn einer Planmäßigen Wirtschaft geht der natürliche Wald beständig zurück, und statt „Wer aber einen richtigen Natursinn hat, Es soll uns – wie Novalis – um den gan- seiner erhebt sich die Forst, mit nur wenigen der genießt die Natur, indem er sie studirt, zen Harz, nicht um Ausschnitte, um die ertragreichen Holzarten, meist in künstlich und freut sich ihrer Mannichfaltigkeit, ihrer Landschaft dieses Mittelgebirges insge- erzogenen Stämmen. Durch den in Deutsch- Unerschöpflichkeit im Genusse, und bedarf samt gehen, in der sich Natur und Kultur land jetzt vorherrschend geübten Kahl- nicht, daß man ihn mit unnützen Worten in der Region widerspiegeln; Schutz der Na- schlag werden die urwüchsigen Bäume und seinen Genüssen störe. Ihm dünkt vielmehr, tur und Nachhaltigkeit sind menschliche Sträucher nahezu gänzlich vernichtet und daß man nicht heimlich genug mit der Na- Kategorien, sind kulturvoller, moderner gleichzeitig schwindet ein Teil der übrigen tur umgehen, nicht zart genug von ihr reden, und zukunftsorientierter Umgang mit Pflanzen- und Tierwelt, deren Lebensbedin- nicht ungestört und aufmerksam genug Natur und Umwelt, darin liegt das Ver- gungen mehr oder weniger an jene geknüpft sie beschauen kann. ... Ein Verkünder der bindende dieser Prämissen menschlichen sind.“ (aus: „Forstbotanisches Merkbuch”, Natur zu seyn, ist ein schönes und heiliges Handelns. zitiert nach Milnik 2003). Amt ... . Ein wahrer Forscher wird nie alt, jeder ewige Trieb ist außer dem Gebiete der 1. Einführung Während die Forstleute ihre schon immer Lebenszeit, und je mehr die äußere Hülle Veranlassung zu diesem Beitrag sind erbrachten Leistungen für den Natur- verwittert, desto heller und glänzender und verschiedentliche Irritationen darü- schutz hervorheben (u.a. „Lebensraum mächtiger wird der Kern.” ber, wie sich die Waldbehandlung bzw. Wald” ) und in modernen Fachbüchern -nichtbehandlung – also Tun und Lassen den naturschutzgerechten und gleich- Diese im Schloß Wiederstedt am harzer – im Nationalpark Harz mit Zanthiers zeitig nachhaltigen Waldbau erläutern Flüsschen Wipper „geborenen” Worte Nachhaltigkeitsgedanken vertragen. Die (Graf Hatzfeldt 1994, Thomasius scheinen wie für den unermüdlichen Uwe Forstleute sind einerseits stolz darauf, & Schmidt 1996, 2003), findet man in Wegener gemacht. (Im altägyptischen dass der Rat für Nachhaltigkeit bei der Scherzingers hoch gelobtem „Naturschutz Sais steht eine Statue der Isis, der Göttin Bundesregierung den gesellschaftlichen im Wald”, 1996, von 450 Seiten nur auf Kurth, H.: Naturschutz und Nachhaltigkeit | 81

Friedrich von Hardenberg, Novalis, 1788 Der Harz

Harz, du Muttergebürg, welchem die andere Schar Gütig läßest du zu, daß dir dein Eingeweid Wie der Eiche das Laub entsproßt Mit der emsigen Hand durchwühlt Adler zeugest du dir hoch auf der Felsenhöh` Nach verderbendem Gold und nach dem Silbererz Und dem Dichter Begeisterung. Unersättlicher Menschendurst,

Weit im deutschen Gefild sieht man der Felsen Haupt Aber schenkest uns auch Kupfer und tödtend Bley Spät im Sommer vom Schnee noch schwer, Eisen nützlich dem Mensch(en)geschlecht Tiefer Fichtenbekränzt, düster vom Eichenwald, Das den Acker durchfurcht, Sterblichen Speise giebt Der vor Zeiten den Deutschen hehr. Und dem gütigen Ofen Holz,

Ströme rauschen herab dir in das finstre Thal, Wenn mit schneidender Axt Bäume der Hauer fällt Brechen zwischen den Lasten sich Die dein nährender Schoß erhob. Welch spielende Flut von dem Gebürge riß Aber bauets nicht auch Häuser zum Schutz uns auf? und des eilenden Sturmes Grimm. Schützts uns nicht für der Feinde Wuth?

Oft umringen dich auch Blitz und des Donners Hall, Lob dir, denn es besang dich, der Unsterblichkeit Schrecken unten das tiefre Thal Sänger Klopstock mit Harfenklang, Doch mit heiterer Stirn lachst du des Ungestüms, Daß es scholl im Gebürg und in dem Eichenwald Träufst nur fruchtbare Flut herab. In dem felsichten Widerhall.

Eber brausen im Wald, Eber mit Mörderzahn, Deutsche Freyheit so werth, werther dem Biedermann Die der Spieß zu bestehn nur wagt, Als des zinsenden Perus Gold Du auch hegest den Hirsch trotzend auf sein Geweih Stehe furchtbar und hehr und unerschütterlich Und noch mehrerer Thiere Heer. Wie dein donnerndes Felsenhaupt.

einer halben einen Bezug zur Nachhal- Wälder und baute allmählich räumlich Konsens und Harmonie. Man war über- tigkeit, die Geobotaniker Härdtl, Ewald, wie zeitlich Waldstrukturen für nach- zeugt, dass im Kielwasser von Walder- Hölzel haben in „Wälder des Tieflands haltige Holzerträge auf. Periodische haltung, photosynthetischer Leistung der und der Mittelgebirge” (2004, 250 Seiten) Waldinventuren sowie mittel- und Bäume und nachwachsender Holzpro- auch kaum Platz für die aktuellen Forsten langfristige Nachhaltplanung (historische duktion (mit den auf uns überkommenen und ihre von der Nachhaltigkeit des Bezeichnung: Forsteinrichtung) beglei- wilden Baumarten der Heimat, wenn Holz­ertrages seit über 200 Jahren gepräg- ten die Forstwirtschaft von Anfang an. auch unter Bevorzugung von Nadelbaum­ ten Waldstrukturen. Es scheint so, als Der Naturschutz ist demgegenüber erst arten und Reinbestandsstrukturen) die stünde wirklich die Frage zur Disposition: ein Kind des 20. Jahrhunderts. War es Anforderungen des Naturschutzes sowie Spielt die forstliche Nachhaltigkeit für zunächst nur ein moralischer Appell an andere Wohlfahrtsleistungen mit erfüllt die naturschutzgerechte Waldwirtschaft die Landnutzer, gibt es den Naturschutz werden. Wald galt lange Zeit als die eine Rolle? Der Beantwortung dienen die als Institution und ordnungspolitische naturnahe Landnutzungsform schlecht- folgenden Abschnitte. Kategorie, inzwischen auch als Bestand- hin und forstliches Tun als grundsätzlich teil von Forstplanung und Vollzug, seit naturschutzgerecht. Für diese Einstellung 2. Ziele der Waldwirtschaft, Multifunk- einem halben Jahrhundert. sprechen auch einige Tatbestände aus der tionalität, Überlagerung von Waldfunk- Entstehung des staatlichen Naturschut- tionen Bis weit in das 20. Jahrhundert wurden zes. So entstand die deutsche Natur- Die Forstwirtschaft existiert als Wirt- die forstlichen Tätigkeiten oftmals als schutzgesetzgebung vor gut 70 Jahren schaftszweig ab Mitte bis Ende des 18. praktizierter Natur- und Landschafts- im Schoße des Reichsforstamtes. Der Jahrhunderts. Sie überwand seitdem schutz empfunden und dargestellt. Die gesetzliche Naturschutz war lange Zeit den Waldabbau sowie die Verödung der Entwicklung war gekennzeichnet von in den Forstabteilungen der Agrarminis- 82 | Kurth, H.: Naturschutz und Nachhaltigkeit

terien angesiedelt und wurde vielfach von Interesse der menschlichen Gesellschaft gepflegt werden. Die Vielfältigkeit und forstlichen Persönlichkeiten vertreten. erfüllen kann und muss. Dies sollte natürliche Eigenart der Landschaft Dies gilt gleichermaßen für den ehren- explizit auch von Vertretern des Natur- sollen berücksichtigt, ausreichende Le- amtlichen Naturschutz, der von vielen und Landschaftsschutzes anerkannt und bensräume für die heimische Tier- und Forstleuten mitgetragen worden ist, oft hervorgehoben werden. Ich nehme schon Pflanzenwelt erhalten oder wieder- bis heute. hier das Fazit meines Beitrags vorweg: hergestellt und natürliche Erholungs- Alle Nutzungsformen, alle Leistungen des möglichkeiten erhalten und entwickelt Doch im letzten Drittel des 20. Jahrhun- Waldes müssen aufgrund der raum-zeitli- werden. Auf die Gestaltung und Pflege derts zeigen sich zunehmend Konflikte. chen Besonderheiten des Waldes (Groß- der Waldränder ist besonders zu ach- Die Forstwirtschaft ist – zum Erstaunen flächigkeit, lange Lebens- und Produkti- ten.” vieler Forstleute – der Kritik durch den onsdauer, biotischer Stoffbildungsprozess Naturschutz ausgesetzt. Es zeigt sich, nicht direkt abschöpfbar, spezifisches Im Teil 4 des Gesetzes werden „Besonders die Ziele des Naturschutzes sind nicht Stabilitäts- und Elastizitätsverhalten) geschützte Waldgebiete” hervorgehoben, generell mit denen der Forstverwaltung dauerhaft, nachhaltig erbracht werden. in den § 16 und 17 der Schutz- und identisch, sondern sie sind eigenständig, der Erholungswald, im § 18 die Wald- oftmals auch gleich-, manchmal vorrangig. Das Landeswaldgesetz für Sachsen-An- schutzgebiete (dabei geht es um „wertvolle Arten-, Biotop- und Landschaftsschutz halt vom 13. April 1994 folgt im § 1, der Waldlebensgemeinschaften in ihrer für den sind nicht einfach identisch mit dem den Gesetzeszweck beschreibt, wörtlich Lebensraum typischen Arten- und For- „ordnungsgemäßen” forstlichen Vorgehen, dem Bundeswaldgesetz in der Fassung menzusammensetzung”) und im § 19 die manchmal stehen sie dem sogar diametral vom 27. Juli 1984: Naturwaldzellen (das sind: „Waldteile, gegenüber. Hinzu kam die Emanzipa- „Zweck dieses Gesetzes ist es insbesondere, die in ihrer Zusammensetzung und ihrem tion der Naturschutzbehörden und die im Bewusstsein der besonderen Bedeutung Aufbau besonders naturnah sind oder in Etablierung des Naturschutzes in Bildung des Waldes für die Allgemeinheit absehbarer Zeit eine Entwicklung zu einer und Wissenschaft. Der Naturschutz hat 1. den Wald wegen seines wirtschaftlichen naturnahen Struktur erwarten lassen und das Kielwasser forstlicher Zielsetzungen Nutzens (Nutzfunktion) und wegen sei- sich daher ungelenkt entwickeln sollen”). In verlassen. Naturschutz und andere öko- ner Bedeutung für die Umwelt, insbeson- ihnen wird der Wald sich selbst über- logische, landeskulturelle und erholungs- dere für die dauernde Leistungsfähigkeit lassen. Zwischenzeitlich hat man knapp wirksame Leistungen der Forstwirtschaft des Naturhaushalts, das Klima, den Was- 1000 Hektar als Naturwaldzellen ausge- sind nicht mehr nachrangig, sondern serhaushalt, die Reinhaltung der Luft, die wählt, vorwiegend im Landeswald. Ihre gleichwertig zum Stoffbildungsprozess Bodenfruchtbarkeit, das Landschaftsbild, Entwicklung verdient hohe Aufmerksam- der Photosynthese und zum ordnungsge- die Agrar- und Infrastruktur und die keit durch die Forstbetriebe und Natur- mäßen Kreislauf von Aufforstung, Pflege Erholung der Bevölkerung (Schutz- und schutzorgane. Von der Schutzkategorie und Holzernte. Der Holzerzeugungswald Erholungsfunktion) zu erhalten, erforder- Waldschutzgebiet wurde bisher kein oder weicht einer multifunktionalen Forstwirt- lichenfalls zu mehren und seine ordnungs- kaum Gebrauch gemacht. Anregungen schaft, in der mal diese mal jene Zielset- gemäße Bewirtschaftung n a c h h a l t i g sind wünschenswert. zung der generellen Zielkombination den zu sichern, Vorrang hat. Das Bundeswaldgesetz und 2. die Forstwirtschaft zu fördern und In diesem Abschnitt 2 ist, worauf noch- die Länderwaldgesetze bringen diesen 3. einen Ausgleich zwischen dem Interesse mals aufmerksam gemacht wird, von der Sachverhalt eindeutig zum Ausdruck. der Allgemeinheit und den Belangen der Waldgesetzgebung die Rede und nicht Waldbesitzer herbeizuführen.” vom Naturschutzgesetz. Es wird deutlich, Die wichtigste Erkenntnis der dargestell- dass die Waldwirtschaft multifunktional ten Entwicklung und Situation ist: Der In § 4 werden die „Grundsätze der Be- ist, dass meistens auf gleicher Fläche Naturschutz ist ein gleichberechtigtes wirtschaftung des Waldes” erläutert: mehrere Funktionen zu erfüllen sind und und gleichrangiges Ziel im Zielsystem der „(1) Wald ist im Rahmen seiner Zweckbe- dass es darüber hinaus noch Waldflächen Forstwirtschaft. Dieses Zielsystem zeich- stimmung nach anerkannten forstli- mit dem Vorrang bestimmter Funktionen net sich durch hohe Naturnähe aus, denn chen Grundsätzen ordnungsgemäß, gibt, d. s. speziell für den Naturschutz der alle forstlichen Leistungen sind an die insbesondere n a c h h a l t i g, pfleglich Schutzwald, die Waldschutzgebiete und biotische Photosynthese und den energe- und sachkundig zu bewirtschaften. die Naturwaldzellen. tischen Stoffbildungsprozess gebunden. (2) Die Umwelt, der Naturhaushalt und Darin liegt die einzigartige Hauptleistung die Naturgüter sollen bei der Bewirt- Mit der Waldgesetzgebung vom Ende des des Waldes für alle Aufgaben, die er im schaftung des Waldes erhalten und 20. Jahrhunderts sind neue und günstige Kurth, H.: Naturschutz und Nachhaltigkeit | 83

Voraussetzungen gegeben, die spezifi- schen Erfordernisse des Naturschutzes Entwicklungsphasen des Waldes in Mitteleuropa (grob) sowohl auf der gesamten Waldfläche als auch in Vorrangflächen zu erfüllen. Als Urwald/Wildnis = Kulturhindernis, Verminderung durch einziger Mangel fällt auf, dass, außer natürliches Ökosystem Rodung, geringe, selektive Ernte von „Forstlichen Rahmenplänen” für öffent- Waldprodukten/ Jagd liche Maßnahmen, keine spezifischen Planungs- und Kontrollvorgaben für den Jagdwald herrschaftliche Jagd, Erhalt der Wald- Naturschutz oder die Erholungsnutzung fläche, willkürliche, doch geringe Ernte genannt werden. Oftmals fehlen auch die von Waldprodukten Rahmenpläne. Landwirtschaftswald Rodung, willkürliche Holzernte, Erfreulicherweise werden im Waldge- Parzellierung, agrarische Waldnutzung setz die biologischen und ökologischen Leistungen des Waldes, die auch für die Bergwerkswald (parallel willkürliche Holzernte, Waldabbau , Schutzfunktion, damit für den Na- zum Landwirtschaftswald) agrarische Waldnutzung turschutz, zu erbringen sind, deutlich im erzträchtigen Gebirge hervorgehoben. In unserem aktuellen Buch über den Öko-Kamp Hasselfel- Holzerzeugungswald Waldaufbau, nachhaltige Holzernte, de (Kurth, Gutbier & Kurth 2006) Raum-Zeit-Struktur haben wir diese auch für den Naturschutz relevanten Leistungen im Abschnitt „Ein Multifunktionswald Waldumbau , -überführung in natur- Baum ist mehr als ein Baum” zusammen- nähere Strukturen, nachhaltige und funk- gestellt. Ammer, Micksch & Ploch- tionengerechte Waldwirtschaft, hohe mann, 1989, S. 348 schreiben: „Verkürzt Umwelt- und Ressourcenbeanspruchung ausgedrückt muss es wohl so sein, dass Holz- nutzung und Waldpflege das Grundraster der Dynamik im Walde bestimmen, das örtlich und zeitlich von spezifischen Arten- einige hundert Jahre, Landwirtschafts- niveau, und zwar aktuell, langfristig (d.h. schutzmaßnahmen begleitet und unterstützt und Bergwerkswald mehr als fünfhun- auf Dauer) und umfassend in Raum und werden kann.” dert Jahre, der Holzerzeugungswald Zeit entsprechend der Eigendynamik der etwa zweihundert Jahre. Wir stehen mit Waldökosysteme. Schutzobjekte können Die Öffentlichkeit, auch die Forstleute dem Waldumbau wirklich vor einem Einzelerscheinungen, einzelne Arten und und Naturschützer, nehmen die Wald- Umbruch, der hohe Anforderungen an spezifische Biotope, auch ganze Wald- gesetzgebung der letzten Jahrzehnte die Forstbetriebe stellt. Wir sind auf landschaften sein. In erster Linie geht es mehr oder weniger als „normal” oder dem Weg von einem relativ naturfernen – unabhängig von einzelnen Objekten – auch als selbstverständlich hin. An den Kulturwald zu einem naturnäheren. Der um die naturschutzgerechte Wirtschafts- gesellschaftlichen Entwicklungsphasen absehbare Klimawandel bringt allerdings weise auf der gesamten Waldfläche. Die der Wälder soll deshalb kurz deutlich erhebliche Verunsicherungen. Gesichtspunkte des Naturschutzes und gemacht werden, dass der Multifunk- der Landschaftspflege müssen deshalb tionswald ein wichtiger Fortschritt der Zu den Herausforderungen entsprechend integrativer Bestandteil aller forstlichen Waldwirtschaft in den letzten Jahrzehn- des Waldgesetzes kommen noch die des Planung und allen forstlichen Tuns sein. ten ist und damit neue, komplexe und Naturschutzgesetzes, die im Abschnitt 3 Der Gesetzgeber differenziert nicht nach spezifische Anforderungen an die Forst- dargestellt werden. dem Naturschutz einerseits und der betriebe gestellt werden. (Leider lässt der Landschaftspflege andererseits. Wird im Gesetzgeber die Finanzierungsfrage offen 3. Ziele des Waldnaturschutzes weiteren Text der Naturschutz darge- und begnügt sich mit dem allgemeinen Der Naturschutz im Wald zielt auf Erhalt stellt, ist die Landschaftspflege stets mit Hinweis auf „Förderung”.) und Entwicklung der biologischen Viel- angesprochen. Spezifischen Charakter falt (Biodiversität) von Waldökosystemen erreicht der Naturschutz für einzelne Die nacheiszeitliche Urwaldphase dauerte in ihrer Gesamtheit. Es geht um Vielfalt Arten, Flächendenkmale, Natur- und mehrere tausend Jahre, der Jagdwald auf genetischem, Art- sowie Biozönose- Landschaftsschutzgebiete, Naturparke, 84 | Kurth, H.: Naturschutz und Nachhaltigkeit

Biosphärenreservate sowie Nationalparke. eigenen Wertes und als Lebensgrundlagen Dem kommt man näher, wenn man den des Menschen auch in Verantwortung für Gegenstand des NatSchGLSA betrach- Besonders wirkungsvoll ist naturschutz- die künftigen Generationen im besiedelten tet. Das sind: Naturhaushalt (Boden, konformes Vorgehen auf alten Wald­ und unbesiedelten Bereich so zu schützen, Wasser, Luft, Klima, Tiere, Pflanzen und standorten, die nicht zwischenzeitlicher zu pflegen, zu entwickeln und, soweit erfor- das Wirkungsgefüge zwischen ihnen), Rodung und ackerbaulicher Nutzung derlich, wiederherzustellen, dass Biotope, Landschaften (Vielfalt, Eigenart unterzogen wurden. Hier liegt ein beson- 1. die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des und Schönheit) einschl. historischer Kul- derer Vorzug der Harzer Waldlandschaft, Naturhaushalts, turlandschaft, Biotopverbund und damit weil frühzeitige Rodungsverbote eine grö- 2. die Regenerationsfähigkeit und n a c h - Schutzgebiete (Nationalpark, gesetzlich ßere Entwaldung verhindert haben. Hin- h a l t i g e Nutzungsfähigkeit der Natur- geschützter Biotop, Naturschutzgebiet, zu kommt, dass einige Sünden früherer güter, Naturdenkmal, Landschaftsschutzgebiet, Forstwirtschaft im Harz, manche schon 3. die Tier- und Pflanzenwelt einschließlich Naturpark, Biosphärenreservat, geschütz- seit längerem, überwunden sind: Stub- ihrer Lebensstätten und Lebensräume ter Landschaftsbestandteil, Europäisches benrodung, Streunutzung, Schnödeln sowie ökologisches Netz „Natura 2000”, d. s. die von Laubholz, Waldweide, Plaggenhauen, 4. die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie Flora-Fauna-Habitat-Gebiete). Schon Vollumbruch, lange Freilage des Bodens der Erholungswert von Natur und Land- diese Aufzählung unterstreicht die au- und damit Bodenverwilderung, intensive schaft auf Dauer gesichert werden.” ßerordentliche Rolle des Waldes für den Reisig- und Leseholznutzung, überhöhte Naturschutz. Wilddichte. Heute steht stofflich – bis Aus der Sicht des Vortragsthemas sind auf das kaminfähige Astholz – nur noch die folgenden Passagen bemerkenswert: Das o. g. Gesetz widmet einen Paragra- der Biomasseaustrag der Schäfte an. „ … in Verantwortung für künftige Gene- fen (§ 5) den Bodennutzungen Land-, rationen ... ”, „ ... zu pflegen, zu entwickeln Forst- und Fischereiwirtschaft. Es wird Aus der Sicht des Naturschutzes gilt das und, soweit erforderlich, wiederherzustellen „die besondere Bedeutung einer natur- und Hauptinteresse den funktionsfähigen ... ”, „ ... nachhaltige Nutzungsfähigkeit der landschaftsverträglichen Land-, Forst- und Waldökosystemen als Lebensraum, ge- Naturgüter ... ”, „ ... auf Dauer ... ”. Damit ist Fischereiwirtschaft für die Erhaltung von bunden an die assimilatorische Leistung das Handlungsprinzip Nachhaltigkeit un- Kultur- und Erholungslandschaft” hervorge- der Waldbäume in allen ökosystemaren mittelbar in die Zielsetzung von Natur- hoben und in Absatz (5) sogar ein weitge- Entwicklungsphasen. Manchmal gewinnt schutz und Landschaftspflege einbezogen hendes forstliches Ziel formuliert: „Bei der man bei Exkursionen und in Debatten und deutlich hervorgehoben gegenüber forstlichen Nutzung des Waldes ist das Ziel den Eindruck, es ginge vorrangig um Zu- dem „schützen”, das als Element des Be- zu verfolgen, naturnahe Wälder mit einem sammenbruchsphasen mit großflächigen wahrens selbstverständlich zu den Zielen hinreichenden Anteil heimischer Forstpflan- Totholzanteilen. gehört, aber eben nicht in der Ausschließ- zen aufzubauen und diese ohne Kahlschläge lichkeit in der es viele Naturschützer in n a c h h a l t i g zu bewirtschaften. Das Nun aber konkret zur gesetzlichen der Vergangenheit betont haben. Der Nähere regelt das Landeswaldgesetz.” Man Grundlage: das Bundesnaturschutzgesetz Wald ist lebende, dynamische Natur in kommt folglich für unser Thema nicht he- (BNatschG) ist vom 25. März 2002. steter Veränderung und da erfordert „das rum um einen Abschnitt über die „natur- Für Sachsen-Anhalt bot sich aufgrund Schützen” meistens mehr als Nichttun nahen Wälder”, die – so hofft der Gesetz- dieses „jungen” Rahmengesetzes des und Beobachten. Mir fällt bei den heu- geber – das Bindeglied für Naturschutz Bundes die Chance zu einer modernen tigen Vorträgen wieder auf, dass in der und Waldwirtschaft sind. Einen Baustein Fassung: Naturschutzgesetz des Landes praktischen Arbeit der Naturschützer das für diese Verbindung liefert Abschnitt 2 Sachsen-Anhalt (NatschGLSA) vom analytische, feststellende, das passive Mo- des NatSchGLSA „Landschaftsplanung”. 23. Juli 2004. Hier wird nur auf dieses ment gegenüber synthetischen, zukunfts- Dazu heißt es in § 13 (1): Landesgesetz Bezug genommen, weil die gestaltenden Lösungen überwiegt. „Die Landschaftsplanung ist eine flächende- Novellierungsdebatte in erster Linie die ckende Fachplanung des Naturschutzes. Die Bundesgesetzgebung betrifft. Die in Abschnitt 1 aufgeworfene Frage, Ergebnisse der Landschaftsplanung sind im ob die Nachhaltigkeit im Waldnatur- Landschaftsprogramm, in den Landschafts- Das Naturschutzgesetz des Landes schutz eine Rolle spiele, wird mit dem § 1 rahmenplänen sowie in den Landschaftsplä- Sachsen-Anhalt beschreibt in § 1 „Ziele des Naturschutzgesetzes eindeutig beja- nen in Text und Karte begründet für den des Naturschutzes und der Landschafts- hend beantwortet. Freilich bleibt offen, jeweiligen Planungszeitraum darzustellen.” pflege”: was denn nun nachhaltiges Handeln bzw. Nach § 12 sind „Natur und Landschaft sind aufgrund ihres Nichthandeln ausmacht. „die Inhalte der Landschaftsplanung ... in Kurth, H.: Naturschutz und Nachhaltigkeit | 85

Planungen und Verwaltungsverfahren”, die sich „auf Natur und Landschaft ... auswir- Unterschutzstellung von Waldflächen in Sachsen-Anhalt (in Prozent der Lan- ken ... als Abwägungsgrundsatz zu berück- deswaldfläche von knapp 0,5 Mio. ha) (grobe Übersicht): sichtigen.” Bisher fehlen solche Planungen weitge- Totalschutz hend. Die Forstpartie ist – abgesehen von (ohne Bewirtschaftung, u.a. Kernzonen, bestimmte NSG, NWZ) = 2 % Konsultationen mit der Naturschutzbe- Eingeschränkte Bewirtschaftung hörde und Gebietsfestlegungen für die (Enwicklungszonen von Nationalpark u.a.) = 13 % Schutzkategorien – auf sich selbst und Spezifische Bewirtschaftung die forstlichen Fachplanungen, im we- (Flora-Fauna-Habitat-Gebiete) = 17 % sentlichen auf die in 10jährigem Abstand Spezifische Bewirtschaftung erfolgende Forsteinrichtung angewiesen. (Landschaftsschutzgebiete, Naturparke usw.) = 63 % Ohne jegliche Einschränkungen Welche Größenordnung die Unterschutz- (Wald außerhalb von Schutzgebieten) = 5 % stellung von Waldflächen in Sachsen-An- halt hat, verdeutlicht die grobe Übersicht.

Man kann für das Bundesland insgesamt, Freies Bau- und Brennholz, Bau-, Steuer- Jahrhundert von Ostern bis Sankt Martin ganz besonders für den Harz (s. Ab- und Wehrdienstfreiheit, gute Entlohnung ständig etwa 8000 Holzkohlenmeiler. schnitt 6) von einem Schutzgebietssystem lockten Arbeitskräfte in den Harz. Der Holzkohle war der begrenzende und sprechen. Nach der Übersicht unterliegt integrierte Bergwerksstaat entwickelte teure Faktor der Verhüttung. Die Hütten nahezu die gesamte Landeswaldfläche den sich, auch durch den Fortschritt in der folgten dem knapper werdenden Holz gesetzlichen Vorgaben des Naturschutz- Bergwerks- und Verhüttungstechnik bis in die Kammlagen des Harzes, nach gesetzes. Dieses Gesetz beeinflusst also (Schwarzpulver, Drahtseil, Wasserkunst, Braunlage, Elend und Schierke. Bis an maßgeblich die Waldwirtschaft des Lan- Blasbalgtechnik), zu einer Bergindustrie. das Brockenbett oberhalb der Zeterklip- des und damit auch das Arbeitsvolumen Dabei war den Landesherren bewusst, pe und des Renneckenberges gingen die und das betriebswirtschaftliche Ergebnis. dass nur sorgsamer Umgang mit den Res- meist großflächigen Kohlenhauungen. Allerdings bleibt zunächst offen, was sourcen – Bodenschätze, Wasser, Wald Der Harz trug den Charakter eines die gesetzlichen Vorgaben „naturnaher – einen dauerhaften Wirtschaftsbetrieb frühen Industriegebietes. Der Clausthaler Wald” und „nachhaltige Erfüllung der möglich macht, der auch den Nachfahren Professor für Metallurgie Carl Schnabel Schutzfunktionen” für Auswirkungen auf und den Landeskindern ein ständiges dichtete: die forstliche Tätigkeit haben. Defizite Auskommen sichern wird. Der Blanken- bestehen in der Umsetzung der Flora- burger Welfenherzog August der Jüngere „Es ragen dunkle Tannen zum Himmel Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) der forderte Ende des 17. Jahrhunderts als ohne Zahl, Europäischen Union (Wegener 2006). Hauptziel seines Wirtschaftsbetriebes, und weißer Nebel hebt sich empor aus Dies betrifft besonders den Schutz vor „für die liebe Posterität vorzusorgen” (Lan- tiefem Tal; Ort, die gebietsspezifische Zieldefinition gerfeldt 1858): „ein guter Fürst sei wenig es riecht so schweflig sauer und tötet Baum und das Management. oder gar nicht von einem guten Hausvater und Strauch, unterschieden” (Kremser 1990). Hier zei- das ist des Harzer Herold, der biedre Hüt- gen sich Ansätze zum Paradigmenwechsel tenrauch!” 4. Die forstliche Nachhaltigkeit – his- (Erhalt und Aufbau statt Abbau). torische Kategorie und aktuelle Hand- Unter diesen für den Wald chaotischen lungsmaxime zugleich; auch planmäßige Der Holzbedarf stieg Anfang des 18. Gegebenheiten erlaubten die Landesher- Verknüpfung von Vergangenheit, Gegen- Jahrhunderts in unvorstellbare Dimen- ren einigen ihrer „hirschgerechten” Jäger wart und Zukunft des Waldes sion. Zur Hüttenproduktion von einer sich zu „holzgerechten” zu „wandeln”. Tonne Schmiedeeisen wurden dreißig Empirisch entwickelten sich Waldvermes- Ein kurzer Blick auf die Entwicklung zur Tonnen Holz benötigt. Hinzu kam der sung, Holzvorratserfassung und planeri- Nachhaltigkeit in den harzer Wäldern: Bedarf an Holz für Heizen und Kochen, scher Umgang mit dem landesherrlichen Nach dem 30jährigen Krieg erlebte der Bauen, Grubenausbau, Feuersetzen, für Wald statt der Jahrhunderte währenden Bergbau seine zweite Blüte. Das Berg- das Rösten und Treiben der Erze, für die Vernichtung und des Abbaus. Der Harz geschrei der Landesherren trug Früchte. Wasserkünste. Im Harz brannten im 18. wurde durch den weitsichtigen Hofjäger- 86 | Kurth, H.: Naturschutz und Nachhaltigkeit

meister Johann Georg von Langen (1699 hochgewölbt das grüne Dach? Seit Anfang des 20. Jahrhunderts unter- - 1776) und seine Schüler (von Zanthier, Das ist unsrer Ahnen Segen liegt dieses Waldbild der Kritik, die bis von Laßberg u.a.), auch durch einige heute immer lauter und härter wurde, Kammerherren (Cramer, von Brocke) zur Denn es gilt ein ewig Recht, auch zunehmend unter dem Einfluss des „Wiege der Forstwissenschaft” (Cotta wo die hohen Wipfel rauschen; Naturschutzes. Das Leistungsvermögen 1825) und zum „Zentrum forstlichen von Geschlechte zu Geschlecht, der Waldböden und der Waldgesell- Wissens” (Bernhardt 1874). geht im Wald ein heilig Tauschen. schaften wird nicht ausgeschöpft, die biotischen Eigengesetzlichkeiten werden Zanthier (1717 - 1778) war seiner Zeit Was uns not ist, uns zum Heil, durch mechanisches Vorgehen überprägt, nicht nur mit der Gründung seiner ward´s gegründet von den Vätern die Risiken und Schäden sind zu hoch „Forstakademie” (1763) voraus und mit aber das ist unser Teil, und vor allem: die zunehmend an Bedeu- dem revolutionären Grundsatz „in einem daß wir gründen für die Spätern. tung gewinnenden landeskulturellen und Forstrevier darf nicht mehr Holz geschlagen sozialen Waldfunktionen werden nicht werden als nachwächst”, sondern vor allem Drum im Forst auf meinem Stand hinreichend erfüllt. Der große Erkennt- durch seine weitsichtige Darstellung ist mir`s oft, als böt ich linde nisfortschritt auf biotischem und öko- nachhaltiger Gesinnung, die bis heute gilt meinem Ahnherrn diese Hand, systemarem Gebiet sowie über die Rolle und die über den Wald hinaus generelle jene meinem Kindeskinde. ” der Natur für die Gesellschaft fand nicht Bedeutung für die Gesellschaft hat: rasch genug Eingang in die Forstwirt- (Die Produktion der Industrie stieg schaft. Die forstwissenschaftlichen Neue- „Es ist gewiß, daß kein Mensch bloß für seit Ende des 18.Jahrhunderts auf das rungen, z.B. über die Waldstandorte, das sich, sondern auch für andere und für die 70fache. Dem konnte die Forstwirt- Wachstumsverhalten, den Umweltein- Nachkommenschaft leben muß.” schaft, begrenzt durch die naturalen fluss, das Monitoring kamen nicht schnell Wachstumsgesetze, nicht folgen. Man und intensiv genug zur Anwendung. Damit ist die Nachhaltigkeit eine „Ethik darf deshalb nicht übersehen, dass die humanen Wirtschaftens”, die im Harz Bescheidung der Volkswirtschaft auf den Als Ergebnis der forstlichen Entwicklung früher als in anderen deutschen Wäldern nachhaltigen Ertrag an Holz auch mög- bis heute zeigt sich: durchgesetzt wurde. Die Leistung unserer lich wurde durch Substitution von Holz die Nachhaltigkeit der Holzerträge Vorgänger reiht sich mit dem Paradig- durch Kohle, Erdöl, Erdgas, Zement, wurde eindrucksvoll über alle Um- menwechsel vom Waldabbau zum Aufbau Beton, Metalle und Plaste. Wäre z.B. die brüche der menschlichen Gesellschaft nachhaltiger Wälder ein in die großen westdeutsche Stahlindustrie nach dem hinweg erfüllt, die Waldstrukturen Leistungen der Aufklärung und des 2. Weltkrieg statt des Steinkohlenkokses entsprechen im wesentlichen diesem Fortschritts in Kunst und Gesellschaft. auf Holzkohle angewiesen gewesen, hätte Handlungsprinzip; den wichtigen über Die heutigen harzer Wälder sind eine man die Holznutzung auf das Achtfache den Holzertrag hinausgehenden und „lebende Schule der Nachhaltigkeit”, frei- erhöhen müssen.) immer bedeutungsvoller werdenden lich einer Nachhaltigkeit des Holzertra- weiteren Waldfunktionen wird zu ges, wie sie seit nunmehr 250 Jahren im Infolge der Beschränkung des Holzauf- wenig Rechnung getragen. Allerdings Mittelpunkt forstlichen Handelns stand. kommens durch Nachhaltigkeit und soll nicht verkannt werden, dass mit Aus verlichteten, devastierten Wäldern Substitution konnten im Verlauf von über dem Erhalt der Waldfläche, hoher wurden holzvorratsreiche, der Holz­ertrag zweihundert Jahren die heutigen Wälder Bestockungsdichte, hohen Zuwächsen, stieg auf das Fünffache und dies trotz der nach Raum-, Zeit- und Baumartenstruk- also hoher assimilatorischer Leistung zusätzlichen Belastungen des Waldes mit tur erreicht werden. Sie sind geprägt von (Kohlenstoffbindung, Sauerstofffrei- Waldweide, hoher Wilddichte, Schnö- schlagweiser Hiebsführung, gleichaltri- setzung) und der wasserwirtschaftli- deln, Streu- und Reisignutzung. gen und einförmigen Reinbestockungen chen Wirkung auch bisher hohe außer- unter Bevorzugung von Fichte und Kiefer. stoffliche Leistungen von den Wäldern Beeindruckt vom nachhaltigen Tun der Man war bemüht, sich einem rationalen erbracht werden und zwar ohne Hono- frühen Forstleute schreibt Emanuel Gei- Idealwald anzunähern, der technologisch rierung dieser nichtstofflichen Leistun- bel (1815 - 1884) in seinem Gedicht „Aus einfach handhabbar und am Holzbedarf gen durch die Gesellschaft. dem Walde” in den Juniusliedern, 1848: der Volkswirtschaft orientiert war, sich übersichtlich und mit geringen Kosten Auch wenn sukzessive dieser und jener Feierlich der Alte sprach: „managen”, d.h. planen und bewirtschaf- neue Aspekt in die Nachhaltdefinition, „Siehst Du über unsern Wegen ten ließ. vor allem in deren Bedingungen und Kurth, H.: Naturschutz und Nachhaltigkeit | 87

Kriterien eingebaut worden ist (Kurth Erzgebirge und vom Harz in die Wäl- Größen sind nicht quantifiziert, manche 2004), erfolgte ein genereller, internati- der der Welt und nunmehr – so hoffen auch noch unbestimmt, rein empirisch onaler Durchbruch erst mit dem Welt- wir Optimisten – in viele menschlichen und nicht immer als zum Ziel führend kongress 1992 in Rio de Janeiro. In der Lebensbereiche der Erde! nachgewiesen. Für die Planung bleibt – Walderklärung dieses Weltgipfels heißt außer dem berühmt-berüchtigten Götter- es unter „Grundsätze, Elemente”: Für die konkrete forstliche Tätigkeit hat blick – nur der Weg über multikriterielle „Forstliche Ressourcen und Waldgebiete die o.g. Helsinki-Konferenz 1994 die Modellansätze, bei denen die Wirkung sollen nachhaltig bewirtschaftet werden, um Kriterien nachhaltigen Umgangs mit einzelner Einflussfaktoren schwierig zu den sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen, den Waldökosystemen in sechs Thesen durchschauen ist und deren Lösungen kulturellen und geistigen menschlichen gefasst, die Kernpunkte sind durch Un- demzufolge noch nicht überzeugen. Hier Bedürfnissen heutiger und künftiger Gene- terstreichen hervorgehoben: bedarf es intensiver Fortschritte, um bei rationen gerecht zu werden. Diese Bedürf- „1. Erhaltung und angemessene Verbesse- Multifunktionalität, auch bei Vorrang nisse beziehen sich auf forstwirtschaftliche rung forstlicher Ressourcen und ihr Bei- von Schutzfunktionen, überzeugende Erzeugnisse und Dienstleistungen wie Holz trag zu globalen Kohlenstoffkreisläufen; Planungsansätze, gestützt auf wissen- und Holzerzeugnisse, Wasser, Nahrungs- 2. Erhaltung der Gesundheit und Vitalität schaftlich begründete, funktionengerechte und Futtermittel, Arzneimittel, Brennstoffe, von Forstökosystemen; Zielwälder, zu erreichen. Dies gilt ebenso Schutz, Arbeit, Erholung, Lebensräume für 3. Erhaltung und Förderung der Produkti- für Kriterien und Indikatoren einer wild wachsende Pflanzen und Tiere, land- onsfunktion von Forstökosystemen; Nachhaltigkeit der Naturschutzfunk- schaftliche Vielfalt, Kohlendioxidsenken und 4. Erhaltung, Schutz und angemessene tion. Bei der hat – worauf Küster 2004 -speicher sowie sonstige Forstprodukte.” Verbesserung der Biodiversität in Forst- hinweist – eindeutig der ökologische ökosystemen; Aspekt Vorrang vor dem ökonomischen Auf die Walderklärung stützt sich die 5. Erhaltung und angemessene Verbes- und sozialen. Definition Nachhaltiger Waldwirtschaft serung der Schutzfunktionen bei der nach der Forstministerkonfernz Helsin- Waldbewirtschaftung (vor allem Boden 5. Naturnahe Waldwirtschaft – zukunfts- ki 1994, sowie weiterer solcher Treffen und Wasser); weisend für Natur und Wirtschaft? in der Folgezeit, u.a. in Lissabon 1998: 6. Erhaltung anderer sozio-ökonomischer Die Termini „naturnaher Wald”, „natur- „Nachhaltige Bewirtschaftung bedeutet Funktionen und Bedingungen.” nahe Waldwirtschaft” bzw. „naturnahe Pflege und Nutzung der Wälder und Wald- Waldbewirtschaftung” werden von Politi- landschaften in der Weise und Intensität, Die Zitate belegen, dass der Naturschutz kern bevorzugt, wenn vom Wald die Rede dass ihre Artenvielfalt, ihre Produktivität, nunmehr eindrucksvoll in die Prinzipien ist. Dies gilt für den 1. Waldgipfel in Bad ihr Verjüngungspotential, ihre Vitalität, und Kriterien der Nachhaltigkeit inte- Honeff 2001 und den „Rat für Nach- und ihre Fähigkeit bedeutsame ökologische, griert worden ist. Die forstliche Nach- haltige Entwicklung” bei der Bundesre- wirtschaftliche und soziale Funktionen heute haltigkeit ist jetzt auf alle Funktionen gierung genauso wie für die Agrar- und und in Zukunft wahrzunehmen, auf allen ausgerichtet, die der Wald zu erfüllen hat. Umweltminister. Wie in einer Heilslehre Ebenen – örtlich, (regional, erg. H.K.), Der Inhalt von Definition und Kriterien verbindet man mit dem Adjektiv natur- landesweit und global – erhalten bleibt, ohne hat sich von einzelnen Zielen (z.B. dem nah, neuerdings auch „naturverträglich”, andere Ökosysteme zu beeinträchtigen.” Holzertrag) deutlich verlagert auf die die Generallösung für die Erfüllung Ansprüche, denen der Wald mit seiner heutiger gesellschaftlicher Wünsche an Solche durch internationale Vereinbarung Struktur insgesamt genügen muss. Aller­ den Wald. Dabei zeichnet sich doch die entstandene Definition hat eine gewisse dings entsteht eine neue Problematik: Forstwirtschaft schon immer durch große Weitschweifigkeit und Breite, trotzdem Galten für die Nachhaltigkeit der Holzer- Naturnähe aus. Es wird mit heimischen, ist es ein bedeutsamer Fortschritt, dass träge nur vier Bedingungen (Kriterien), genetisch unmanipulierten, „wilden” die nachhaltige Waldwirtschaft damit die Planung kam mit wenigen, modellar Baumarten „gearbeitet”, die Photosynthese eine europäische, eine internationale, beherrschbaren Regelungsgrößen aus und die damit verbundene Stoffbildung hoffentlich eine globale Kategorie wird. (Flächengröße, Baumartengruppe, Alter, ist der forstliche Kernprozess, die Stand- Hierin liegt ihr besonderer Wert. Der Holzvorrat, Bonität) und mit dem Ide- ortsgegebenheiten werden beachtet, verdeutlicht sich, wenn man die Geburt alwald des schlagweisen Hochwaldes lag ebenso die Wachstumsgesetze der Bäume des Begriffes beim Freiberger Berghaupt- eine relativ einfache Zielgröße vor, geht und ihre lange Produktionsdauer. mann Hans von Carlowitz (1713) oder es nunmehr um mehrere, oft divergente bei Hans Dietrich von Zanthier (1763) Ziele, die Zahl der Kriterien und Indika- Schon Bundeswaldgesetz und Bundes- sieht: eine Handlungsmaxime geht vom toren wächst auf etwa einhundert, viele naturschutzgesetz (§ 8, Abs. 7) schreiben 88 | Kurth, H.: Naturschutz und Nachhaltigkeit

die „ordnungsgemäße Forstwirtschaft” grundsätzlich Vorrang haben sollen vor früher flächige Vorgehen. Aus aktueller bzw. „ordnungsgemäße Bodennutzung” der Nutzfunktion des Waldes, d.h. vor Sicht muss auf einige Schwerpunkte vor. Deren Grundsätze sind Nachhal- der volks- und betriebswirtschaftlichen aufmerksam gemacht werden: tigkeit, Pfleglichkeit, Planmäßigkeit und Ressourcenfunktion. Viele Forstleute - Der Waldschutz gegen Schäden durch Sachkunde. Sie betreffen: die Wahl der sehen in solchen, wohl überzogenen An- Sturm, Nassschnee, Schadinsekten, Verjüngungsverfahren und Baumarten, forderungen an den Wald Gefahren für Pilze und Austrocknung ist eine wich- die Walderschließung, das Belassen eine umfassende Nachhaltigkeit (Höl- tige Prämisse naturnahen Handelns; von Alt- und Totholz, den Verzicht auf termann & Oesten 2001). Borkenkäferschäden in den Ausmaßen Herbizide, Düngung und Standortsme- der Jahre 2003 und 2006 konterkarie- lioration, die Gestaltung der Waldränder Man muss m.E. den Terminus „naturnah” ren jegliche Verbesserung der Wald- und die Reduktion hoher Wildstände. entmystifizieren. Ausgangspunkt des struktur, sie führen zu Kahllage und Mit der Durchsetzung dieser Grundsätze Handelns sind der aktuelle Waldzustand Einförmigkeit, als Verjüngungsbaumart wäre viel getan, wie der Deutsche Forst- und die in ihm verkörperte Geschichte bleibt wieder nur die Fichte. wirtschaftsrat 1990 feststellt. Trotzdem dieser Bestockungen. Waldbestände mit - Ertragsverluste und das Risiko in wünschen die Vertreter des Naturschut- höchster Naturnähe, d.s. Dauerwälder Umwandlungsphasen von Fichtenaltbe- zes eine noch bessere Anpassung der mit starker Horizontal- und Vertikal- ständen sowie die Verjüngungsschwie- Waldwirtschaft an die Naturschutzge- struktur, sind nur auf weniger als fünf rigkeiten für lichtbedürftige Baumarten setzgebung. Manchen genügt nicht einmal Prozent der Waldfläche, in vielen Forst- (Eiche) und der Artenreichtum kleiner das Waldbauliche Leitbild naturnaher betrieben überhaupt nicht, vorzufinden. Freiflächen geben Veranlassung, auf die Waldwirtschaft, wie es aktuellen Schrif- Viele mittelalte und alte Waldbestän- Mischung von verschiedenen Waldbau- ten des Waldbaus zu entnehmen ist: de mit erheblichen Strukturmängeln systemen hinzuweisen und nicht nur 1. Die Baumarten der natürlichen Wald- können das Ziel Dauerwald erst in der auf Dauerwaldstrukturen zu setzen. gesellschaft werden am Waldaufbau Folgegeneration erreichen. Der forstliche - Der Pflegezustand vernachlässigter beteiligt. Auftrag lautet also nicht „Bewirtschaf- Bestockungen und deren Instabili- 2. Holzvorrat und Zielstärke werden tung naturnaher Bestockungen”, sondern tät zeigen, dass der Prozessschutz nach Baumart, Standort und Holz- „Waldumbau in Richtung auf naturnahe kein Allheilmittel ist und nur für die qualität differenziert. Forstwirtschaft” (Teuffel et al. 2005). Kernzonen im Nationalpark und im 3. Die Verjüngung erfolgt vorrangig Selbst für diese Aufgabe sind nicht alle Biosphärenreservat sowie die Natur- durch langfristige, kleinflächige Ver- Hypothesen wissenschaftlich belegt. Oft waldzellen in Betracht kommt; auf fahren. sind sie nur fragmentarisch geprüft und die Bestandespflege darf keinesfalls 4. Die natürlichen Steuerungskräfte im betriebs- wie volkswirtschaftlich noch gar verzichtet werden. Wald werden genutzt („biologische nicht hinterfragt. Manche Auffassung zur - Der Widerspruch zwischen naturnaher Rationalisierung”). Naturnähe ist auch nur Wunschdenken. und holzmarktgerechter Baumarten- 5. Die Widerstandskraft der Wälder Hinzu kommt die Unsicherheit über die wahl wird allmählich spürbar; der wird erhalten und gefördert. Auswirkung des Klimawandels und über Holzmarkt ist – heute und in absehba- 6. Die Schalenwildbestände werden den das Ausmaß künftiger Stoffeinträge. rer Zukunft – technologisch auf höhere Erfordernissen der natürlichen Verjün- Anteile an Nadelholz, besonders auf gung der Baumarten angepasst. Für den Waldumbau im o.g. Sinne sind Fichte, ausgerichtet als sie sich nach 7. Die genetischen Ressourcen der Wäl- das niedersächsische „LÖWE-Programm” der potentiellen natürlichen Vegetation der werden erhalten und verbessert. (Langfristige Ökologische WaldEntwick- und den o.g. Programmen ergeben; die 8. Der Boden ist zentrale Lebensgrund- lung) und die „Leitlinie Wald” in Sachsen- beabsichtigte Reduktion des Fichtenan- lage der Waldökosysteme und wird vor Anhalt geeignete, auch hinreichend mit teils im Harz von zwei auf ein Drittel Beeinträchtigungen bewahrt. den Naturschutzbehörden abgestimmte muss überprüft werden. 9. Die Schutz- und Erholungsfunktio- Handlungsprogramme. Ihre konsequente - Betriebswirtschaftliche Aspekte des nen werden gesichert. Umsetzung im öffentlichen und priva- Waldumbaus führen Möhring (2004) 10. Die biologische Vielfalt der Waldöko- ten Wald ist dringend und bedarf der zu einer Renaissance der Fichte und zu systeme wird erhalten und erhöht. gesellschaftlichen Aufmerksamkeit und kritischer Sicht auf manchen Besto- Kontrolle. Meßbare naturale Größen sind ckungsumbau auf Buche. Einige Vertreter von Naturschutz- und dafür wünschenswert, da eine Einzel- - Die modernen Technologien für Wald- Umweltverbänden fordern sogar, dass die baumwirtschaft – auf die läuft es hinaus pflege und Holzernte erfordern den am Allgemeinwohl orientierten Belange – weit schwieriger prüfbar ist als das Zugang zu Wald und Beständen nach Kurth, H.: Naturschutz und Nachhaltigkeit | 89

den heutigen technischen und ökono- mischen Mindestanforderungen für Abb. 1: Auszug aus „Nationales Waldprogramm 2006 – AG-Entwurf”, Rückung und LKW-Transport; auch Kernempfehlungen aus Sicht des Tourismus ergeben sich Anforderungen an das Wegenetz, selbst Biologische Vielfalt der Wälder erhalten, schützen und nachhaltig nutzen im Schutzwald (Karste 2005). 1. Naturnahe Waldwirtschaft weiter verbreitern - Sorgen bereitet die Entfeinerung der - Bedeutung von Wäldern als Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten, möglichst Forstarbeit, die oft mit dem Einsatz von naturnahe Bewirtschaftung zu ihrer Erhaltung und nachhaltigen Nutzung Vollerntemaschinen und Rückeaggre- - Ziele der naturnahen Waldbewirtschaftung (u.a. grundsätzlich Verzicht auf gaten verbunden ist und die teilweise zu Kahlschlag, stabile / strukturreiche Bestände mit hinreichendem Anteil stand- ökologisch unzumutbaren Waldbildern ortsheimischer Baumarten, Sicherung genetischer Ressourcen) führt. - Ziele der Schalenwildbejagung: Anpassung des Wildbestandes, so dass natür- - Die jüngsten Untersuchungen zum liche Verjüngung heimischer Baumarten ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen Cluster Forst-Holz Deutschland möglich ist (Mrosek, Kies & Schulte 2005) - Verhältnis zu natürlichen Abläufen und Selbststeuerungsmechanismen belegen den außerordentlich hohen - Berücksichtigung ökonomischer, ökologischer und sozialer Belange volkswirtschaftlichen Stellenwert 2. Naturschutzmaßnahmen, Schutzgebiete, Biotopverbund des nachwachsenden Rohstoffs Holz - Arten- und Biotopschutz als integraler Bestandteil der naturnahen Waldnutzung und seiner inländischen Produktion; - naturnah bewirtschaftete Wälder als Element von Biotopverbundsystemen nach der Charta für Holz 2004 soll - Integration von alten Bäumen, Totholz, Altholzinseln, Specht- und Horstbäumen das Holzaufkommen in den nächsten - Bedarf an Schutzgebieten unterschiedlicher Schutz- und Größenordnung 10 Jahren um ein Fünftel steigen; mit - Ziel der Waldmehrung und -vernetzung in der Raumordnung berücksichtigen Korrekturen an der ökologisch ausge- - Kooperation, Freiwilligkeit und Anreizschaffung zur Steigerung der Akzeptanz richteten Zielsetzung in der Baumar- beim Grundeigentümer mit zunehmender Bedeutung, Vertragsnaturschutz tenstruktur ist zu rechnen. - Erforschung / Erfassung von Waldökosystemen weiterentwickeln im Sinne einheitlicher Erhebungsmethoden für BioDiv-Indikatoren Die Aufzählung verdeutlicht das erhebli- 3. Belastungen für den Wald reduzieren che Konfliktpotential für den praktischen - Bedrohung der Wälder durch vom Menschen verursachte Gefahren Forstbetrieb, der sowohl ökologische wie - Verkehr, Industrie, Kraftwerke, Haushalte, Landwirtschaft als Hauptverursacher soziale, technologische und wirtschaftli- - Zerschneidung von Wäldern durch Straßen und andere Verkehrswege che Ansprüche erfüllen muss. Das Hand- - Verringerung von Gefährdung durch Luftverschmutzung und Fragmentierung lungsprinzip „naturnahe Waldwirtschaft” - Kompensierung der Folgen durch geeignete Maßnahmen benennt zwar ein immer wichtiger wer- dendes Anliegen, den Schutz der Natur, Aktionen vernachlässigt aber die oftmals gleich- - Naturschutz ist sowohl in bewirtschafteten Wäldern als zusätzlich auch in separa- rangigen, hier und dort auch vorrangigen ten Schutzgebieten zu stärken. Geeignete Maßnahmen hierzu sind: Aspekte von Technologie und Wirtschaft. * Weiterentwicklung der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft, Die komplexe gesellschaftliche Wirklich- * finanzielle Förderung, keit von Gegenwart und Zukunft zwingt * Erleichterung einer ökosystemaren Jagd durch Weiterentwicklung der ein- zu einer realistischen, pragmatischen schlägigen jagdlichen Regelungen und gleichzeitig Stärkung der Eigenverant- Sicht auf das Handeln im Wald: wortung des Grundeigentümers als Inhaber des Jagdrechts, so naturnah wie möglich, * Sicherung und Weiterentwicklung von Waldnaturschutzflächen auf Grundlage so kultur-, technik- und wirtschafts- naturschutzfachlicher und forstfachlicher Erfordernisse und grundsätzlich im nah wie nötig. Einvernehmen mit dem Waldbesitzer. - Zur Stabilisierung der Wälder gegen Luftschadstoffe, insbesondere zur Unterstüt- Diese Sicht ist allerdings differenziert zung der Verjüngung des Waldbestandes und zum Grundwasserschutz sind neben entsprechend der jeweiligen Zielkon- den Maßnahmen zur Reduzierung der Luftverschmutzung geeignete waldbauliche stellation der Waldfunktionen in den Maßnahmen fortzuführen. Kompensationskalkungen kommen dort in Betracht, wo Waldbeständen und -gebieten. An der diese nach sorgfältiger Prüfung als erforderlich erachtet werden. ökologischen Grundkonstellation dieses Beitrags sollen trotzdem keine Abstriche 90 | Kurth, H.: Naturschutz und Nachhaltigkeit

vorgenommen werden: das forstliche Tun muss deutlich naturnäher werden als in der Vergan- genheit.

Das Spannungsfeld im Umgang mit dem Wald bleibt trotz des Bedürfnisses nach Harmonie sehr weit. Ein Konsens zu einem Gesellschaftsvertrag für den Wald ist bedauerlicherweise in nächster Zeit nicht in Sicht. Zwei Belege dafür: - Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Deutschland wegen unvollständiger Umsetzung der Flora-Fauna-Habitat- Richtlinie (FFH-RL) am 10.10. 2006 rechtskräftig verurteilt” (Schütte 2006). Man stellt fest, dass durch das nationale Recht Tierarten des Anhangs IV der FFH-RL nicht hinreichend geschützt werden. Die Divergenz zwischen bestehendem nationalen und neuerem EU-Recht droht, zu einem inhaltlichen und bürokratischen Hin- dernis zu werden. - Dem 1. Deutschen Waldpipfel von 2001 folgten weitere Zusammentreffen Abb. 2: Verwüsteter Wald. Der Stich aus dem 17. Jh. zeigt, ähnlich dem Um- land auf den Städteansichten des Matthäus Merian aus dem 16. Jh., aller am Wald Interessierten. In diesem nur mehr Reste einer Bestockung. Sammlung Rozsnyay, Göttingen. Jahr war es der 18. Runde Tisch. Ihm lagen „Kernempfehlungen” für das „Na- tionale Waldprogramm Deutschland” vor, die auszugsweise in Abb. 1 wieder- gegeben werden. Wichtige Umwelt- verbände verließen die Veranstaltung vorzeitig. Ursache sei, wie erzählt wird, die Divergenz zwischen dem durch- aus akzeptablen Programm und der Realität beim praktischen Vollzug. Die auf Veranlassung der Umweltorganisa- tionen eingeführte Zertifizierung der Waldbewirtschaftung bringt offen- sichtlich nicht die erhofften Aussagen, überhaupt seien die Fortschritte im na- turschutzgerechten Handeln zu gering.

Es wird deutlich, bei allem Bemühen der Forstwirtschaft um mehr Naturnähe der Waldökosysteme, besteht eine Kluft zwischen Wort und Tat, zwischen Wollen Abb. 3: Menschliche Tätigkeiten im „Bergwerkswald”: Fällen, Aushalten und Tun; mehr Konsequenz ist nötig in von Hölzern, Jagd, Mast, Weide. Sammlung Rozsnyay, Göttingen. der Durchsetzung der funktionengerech- ten, nachhaltigen und naturverträglichen Kurth, H.: Naturschutz und Nachhaltigkeit | 91

Waldwirtschaft, wie der Gesetzgeber sie vorschreibt. Auch die Defizite in der Zielwaldableitung für naturnahe Wald- strukturen sind unübersehbar. Es besteht Forschungsbedarf.

6. Die Eignung der Harzer Wälder für den Natur- und Landschaftsschutz – vom fränkischen Bannwald zur nachhaltigen Region Mit 180.000 Hektar nehmen die Har- zer Wälder drei Viertel der Fläche des Harzes ein. Ein solch hoher Waldanteil wird in den deutschen Mittelgebirgen m. W. nur noch im Pfälzer Wald erreicht. Die frühe Erklärung zum Bannwald der Merowinger und die einige Jahrhunder- te umfassende industriell-bergbauliche Phase haben die Wälder des Harzes geprägt (Abb. 2, 3). Im Interesse des berg- baulichen Holzbedarfs wurde einerseits die landwirtschaftliche Flächennutzung nur zur Heugewinnung um die Ortsla- gen zugelassen, andererseits wurde das besonders waldschädliche Gewerbe der Glashütten und des damit verbundenen Abb. 4: Laub- und Nadelholzanteile zwischen 1566 und 1750. Aus Pottaschebrennens frühzeitig aus dem Steinsiek (1999). Harz verdrängt, leider nicht vollständig. Neue Untersuchungen belegen, dass der hohe Fichtenanteil (zwei Drittel der Waldfläche) nicht erst durch die forstliche Waldnutzung im 19. und 20. Jahrhundert zustande kam, sondern bereits zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert durch Übernutzung der Buche und Anflug von Fichtensamen auf den verödeten Wald- orten entstand (Abb. 4, 5). Freilich setzte die Forstwirtschaft die Verfichtung fort. Sie wurde erst in den letzten 30 Jahren gestoppt. Trotzdem hat sich im Harz ein

Abb. 5: Älteste Darstellung der Fichtenwirtschaft im Harz auf der Bergkan- ne des Berghauptmanns von Imhoff, 1734, nach einer Zeichnung von Roessler. Im Vordergrund weist ein Förster eine Fichte zum Fällen an. Zwei Holzhauer zersägen eine Fichte zu Kohlholz. Im Mittelgrund sind einige Kohlenmeiler und eine Köte zu sehen. Auch im Sommer dient der Pferdeschlitten zum Rücken des Holzes auf dem „Hai”. Gestapelt liegen Kohlholz (kurz) und Grubenholz (lang), Bauholzstämme liegen einzeln auf dem hinteren Schlag. Zwei Wasenbinder decken mit Reisig (Hecke) einen „Kunstgraben” gegen Zufrieren ab. Der abgebrochene Baumstumpf im Vordergrund und das schräge Baumgerippe im Hintergrund weisen auf Sturm- und Borkenkäferschaden hin. Aus Kremser 1990. 92 | Kurth, H.: Naturschutz und Nachhaltigkeit

höherer Laubholz-, besonders Buchenan- wald, damit bestehen gute Vorausset- relativ hoch, sicher unter dem Einfluss teil, erhalten als in vergleichbaren Mittel- zungen für die Umsetzung der gesell- des Nationalparks; gebirgen (Erzgebirge, Thüringer Wald), in schaftlichen Naturschutzziele; - die klimatische, standörtliche und denen die Buche weniger als 10 Prozent - der Laubbaumanteil insgesamt be- bestockungsgemäße Differenzierung ist der Fläche stellt. trägt (nach der Fläche) ein Drittel, der außerordentlich groß, deshalb sind bei Buchenanteil ein Fünftel; die Fichte allen Bewirtschaftungsmaßnahmen die Der hohe Waldanteil und die frühe Aus- stellt noch zwei Drittel, ihr Anteil wird Gegebenheiten der neun Wuchsbezirke schöpfung der Erzlagerstätten verhinder- planmäßig reduziert werden; das Laub- zu beachten: Hochharz, Mittel- und ten eine weitere Industrialisierung des holz ist konzentriert auf Harzrand, Oberharz Niedersachsen, Mittelharz, Gebirges und sind die Ursache der dün- Süd- und Unterharz, es muss vor allem mittleres Unterharzplateau, östlicher nen Besiedlung. So ist der Harz einerseits in den Plateaulagen von Ober- und Unterharz, Ostharzer Abdachung, altes Kulturland, andererseits zeichnet er Mittelharz erhöht werden; westlicher und südwestlicher Harzrand sich durch hohe Naturnähe und damit - bereits die Hälfte der Waldbestände Niedersachen, nördlicher Harzrand seine besondere Erholungseignung aus. haben eine Beimischung anderer Baum­ Sachsen-Anhalt, Südharz Thüringen; Hinzu kommt die attraktive geologische arten; - die Wälder des Harzes haben einen und klimatische Differenzierung auf engs- - zwei Drittel der Bestände sind noch lebenden Holzvorrat von 54 Mio. Vfm, tem Raum von den Vor- und Umländern einschichtig und damit ohne Vertikal- einen Biomassevorrat von 79 Mio. t, mit Niederschlägen unter 500 mm/a bis struktur; einen Kohlenstoffvorrat im Holz von zu den Hoch- und Kammlagen mit der - nur noch ein Viertel der alten Wald- 20 Mio. t und eine Sauerstofffreiset- dreifachen Niederschlagsmenge und mit bestände ist „kulturbestimmt und zung von 52 Mio. t je Jahr. einer Jahresdurchschnittstemperatur von -bedingt”, bei den Jungbeständen sind weniger als der Hälfte des Harzrandes. es weniger als ein Zehntel; die übrigen Das Fazit aus den forstlichen Gegeben- Aus diesen Gegebenheiten resultiert der sind „sehr naturnah, noch bzw. bedingt heiten: Naturschutz im Harz ist weit außerordentlich hohe Naturschutzwert naturnah”; überwiegend Waldnaturschutz. Dieser des Harzes. Inzwischen existieren länder- - der lebende Holzvorrat je Hektar ist betrifft einerseits die herausgehobenen übergreifend, in Niedersachsen und Sach- mit 301 Vorratsfestmeter so hoch wie Flächen mit ihrem spezifischen, durch sen-Anhalt, der Nationalpark als Kern- niemals zuvor; Gesetz und Verordnung festgelegten gebiet des Gebirges und der umgebende - der laufende Zuwachs je Jahr und Hek- Status und der damit verbundenen Naturpark. Ergänzend kommen das ganz tar liegt bei 7,5 Vorratsfestmeter und spezifischen Aufgaben dieses Schutzge- spezifische Biosphärenreservat Karstland- war niemals vorher so hoch; bietssystems (Nationalpark, Naturpark, schaft Südharz und die restlichen Flächen - die Holzernte je Jahr und Hektar liegt Biosphärenreservat, Landschaftschutz- des Harzes als Landschaftsschutzgebiet bei 5 bis 6 Vorratsfestmeter, ihre Rela- gebiet, Flora-Fauna-Habitat-Gebiet, bzw. Naturpark (thüringischer Harz) tion zum Zuwachs erlaubt die weitere Waldschutzgebiet, Naturschutzgebiet, hinzu. Ein Netz von einzelnen Natur- Akkumulation des Holzvorrates um 1 Naturdenkmal, Naturwaldzelle), ande- denkmalen, Naturschutzgebieten, Natur- bis 2 Vorratsfestmeter/a/ha; rerseits ausnahmslos alle Waldflächen, waldzellen und FFH-Gebieten ergänzt - das flächengewogene Durchschnitts- unabhängig vom jeweiligen Schutzsta- den landschaftlichen Flächenschutz. Von alter der Fichte liegt bei 48 Jahren, das tus. Durchweg in jeder Waldparzelle all diesen Schutzkategorien ist der weit entspricht einer Produktionsdauer von vollzieht sich die biologische Funktion überwiegende Teil waldgeprägt. Zustand 100 Jahren; ein Drittel der Fichtenbe- von Photosynthese und Stoffbildung, und Bewirtschaftung des Waldes haben stände ist älter als 80 Jahre und für den von Wachstum und Reproduktion, von eine ganz besonders hohe Relevanz für Waldumbau sehr geeignet; Kohlenstoffspeicherung und Sauerstoff- den Naturschutz und darüber hinaus für - das flächengewogene Durchschnitts- freisetzung, von naturaler Produktion Tourismus, Erholung und den gesamten alter der Buche beträgt 82 Jahre, das schlechthin. Diese Funktion zieht im ökologischen Wirkungskomplex der entspricht einer Produktionsdauer von Wirtschaftswald (d.s. alle Waldflächen Landschaft. Einige Angaben aus der 160 Jahren; knapp zwei Drittel der außer dem Nationalpark und spezifischen gemeinsamen Tagung von Zanthier-Aka- Buchenbestände sind älter als 80 Jahre NSG) unmittelbar die Abschöpfung der demie und Landesforstverein Sachsen- und für Maßnahmen der Strukturent- naturalen Leistung durch die Holzernte Anhalt 2005 in Ilsenburg unterstreichen wicklung und der langfristigen Natur- nach sich. (Freilich stets als nachhaltige diese Aussage (Kurth, He 2007): verjüngung sehr disponiert; Nutzung mit einer Abschöpfungsrate, die - zwei Drittel des Harzwaldes sind - der Totholzanteil je Hektar beträgt ste- unter der Zuwachsrate liegt, ihr besten- Staatswald (Land, Bund), also Bürger- hend 5 Vfm, liegend 14,5 Vfm; das ist falls nahe kommt.) Auf die Abschöpfung Kurth, H.: Naturschutz und Nachhaltigkeit | 93

kann – abgesehen von der Kernzone des Photosynthese sowie die stofflichen bzw. Funktionen für Wasserhaushalt, Klima, Nationalparks – nicht verzichtet werden, energetischen Vorzüge und die natürliche Bodenbindung, Kohlenstoffspeicherung ansonsten würde die Mortalitätsrate Reproduktion des Holzes, auch ökonomi- usw.. Wald ist neben dem bewegten gefährlich groß werden. Übersteigt die sche Gründe, lassen den Verzicht auf die Gebirgsrelief und den blanken Gewässern Holzernte die Zuwachsrate kommt es Rohstoffproduktion nicht zu, zumal sich das prägende Landschaftselement. Seine im Extremfall zum biologischen Zu- die Forstwirtschaft zu mehr als 90 Pro- Erhaltung, Pflege und multifunktionale sammenbruch der Ökosysteme und zent über den Holzertrag finanziert. Nur Bewirtschaftung sichert die Erfüllung der zur Kohlenstofffreisetzung. Man muss der Nationalpark – immerhin 15 % des gesellschaftlichen Bedürfnisse an diese die nachhaltige Holzernte begreifen als Harzwaldes – wird fast ausschließlich mit Ressource und ihre Reproduktion. Die zutiefst menschliche Nutzungsform öffentlichen Mitteln, unter weitgehendem Waldwirtschaft hat für den Schutz der naturaler Produktion und Reproduktion Verzicht auf den Holzerlös, ausgestattet. heimischen Natur und die Landschafts- (Abb. 6). Mit jeder Tonne forstlicher Die forstliche Aufgabe für die meisten pflege einen herausragenden Stellenwert. Biomasse, die gewonnen und verwertet Wälder umfasst also hohe Holzprodukti- wird, spart man fossile Rohstoffe mit on plus hohe Naturschutzleistung durch Die Waldgesetze schreiben die Nachhal- ihrer gefährlichen Kohlendioxidfrei- nachhaltige, naturnahe Wirtschaftsweise tigkeit als Handlungsmaxime zur Erfül- setzung. Die Holzbilanz Deutschlands unter maximaler Nutzung der Gratisna- lung aller an den Wald gestellten Anfor- aus Verbrauch, Im- und Export ist etwa turkräfte. derungen vor. Als Weg der Bewirtschaf- ausgeglichen. Der Verzicht auf die Holz- tung gilt die „ordnungsgemäße Wald- produktion im Harz von etwa 1 Mio. 7. Folgerungen für die Gegenwart wirtschaft”. Auch das Naturschutzgesetz Festmeter müsste durch fossile Stoffe Der Harz, frühes Zentrum des deutschen fordert die nachhaltige Erfüllung seiner oder durch Holzimporte (aus nachhalti- Reiches und Jahrhunderte währende Zielsetzung. Folglich muss jegliches ger Produktion, deshalb Zertifizierung) Bergbauregion, ist altes Kulturland Handeln im Wald auf die Generationen- ersetzt werden und wäre zusätzlich mit mit reicher Naturausstattung. Das gerechtigkeit orientiert sein. Der Waldna- dem energetischen Verlust sehr weiten grüne Kleid der Wälder bedeckt den turschutz hat für die gesamte Waldfläche Transports belastet. Die volkswirtschaft- überwiegenden Teil des Gebirges und die Sicherung der biologischen Vielfalt liche Bedeutung dieser Problematik lässt hat einerseits für das Aufkommen des auf Dauer zum Ziel. Darüber hinaus gibt sich an neuen Daten des Clusters Forst- erneuerbaren Rohstoffs Holz, anderer- es im Harzwald in hohen Flächenanteilen Holz belegen: 1 Arbeitskraft im Wald seits für den Schutz der Natur und den Teilregionen und Einzelflächen, in denen zieht 13,5 in der Folgeindustrie nach sich; Tourismus eine hervorragende Position. der Naturschutz Vorrang vor anderen einem Euro Umsatz in der Forstwirt- Darüber hinaus haben die Wälder weitere Waldfunktionen hat und folglich die schaft folgen 80 Euro (!) in der weiteren Holzverwertung. Der Cluster Forst-Holz hat, mit Abstand, die meisten Beschäf- tigten von allen volkswirtschaftlichen Clustern und steht mit seinem Umsatz gleich hinter der Automobilindustrie und vor den anderen volkswirtschaftlichen Bereichen. Das Holz war nicht nur für die früheren Landesherren im 18. Jahrhun- dert, sondern ist auch heute im hoch technisierten Deutschland ein grüner Schatz. Seine umweltfreundliche und nachhaltige Produktion im heimischen Wald ist volkswirtschaftlich unerläss- lich. Folglich müssen die Aufgaben des Waldnaturschutzes und der -landschafts- pflege weitgehend im Einklang mit hoher Holzproduktion erfolgen. Es steht nicht zu erwarten, dass auf immer mehr Wald- flächen auf die Holzproduktion verzichtet Abb. 6: „Zur Ernte für die Nachwelt”. Kupferstich, vermutlich 18. Jh., im Harz. Stockrodung, Eichensaat, wird. Die ökologische Attraktivität der Fichtenpflanzung. Sammlung Rozsynay, Göttingen. 94 | Kurth, H.: Naturschutz und Nachhaltigkeit

Wirtschaftsweise bestimmen muss. Drittel ein öffentliches Gut. Öffentlich- wichtiger Anreiz für die Forstbetriebe. keit lebt von sachlicher, frühzeitiger und Zumal diese Wirtschaftsweise nicht nur Die Nachhaltigkeit von Wald und Wald- ehrlicher Information. Der ehrenamtliche dem Naturschutz, sondern auch anderen wirtschaft ist aufgrund der Multifunkti- Naturschutz und interessierte Bürger „Wohlfahrtswirkungen” und dem Touris- onalität an eine umfangreiche Definition können zu Verbündeten und Kontrolleu- mus zugute kommt. und viele Kriterien und Indikatoren ren naturnahen Handelns werden. Hier gebunden. Das führt zu multikriteriel- bestehen große Reserven. Die hohe Flächendominanz des Waldes len Planungsmethoden, bei denen die im Harz, seine historische Entwicklung Wirksamkeit der einzelnen Kompo- Inzwischen ist eine Welle von „Forstrefor- sowie die heutige Attraktivität der Natur- nenten nicht immer durchschaubar ist. men” über den Bürgerwald aller Bundes- ausstattung sind Veranlassung, den Harz Dies erschwert den konkreten Nachweis länder hinweggerollt. Es läuft mehr oder zu einer Modellregion für Nachhaltig- der Naturschutzpositionen. Trotzdem weniger auf eine Rationalisierung von keit und Naturschutz zu entwickeln. enthält das forstliche Planungsgefüge Leitung und Verwaltung des Staatswaldes Der Nutzen liegt in der landeskulturel- eine hohe Relevanz für alle Aspekte des und damit auf Personaleinsparungen hin- len, wirtschaftlichen und touristischen Naturschutzes: Standortskartierung, aus, wobei in absehbarer Zeit „die schwar- Perspektive dieses Gebirges und seines Biotopkartierung, Waldfunktionenkar- ze Null”, d.h. die nahezu ausschließliche Umlandes mitten in Deutschland. Ge- tierung, Waldinventur, mittelfristige Finanzierung aus dem Holzerlös stehen tragen werden könnte diese Entwicklung Forsteinrichtungsplanung. Eine Erleich- soll. Es ergeben sich, etwa in Sachsen- von den staatlichen Verwaltungen für terung für die forstliche Planung würde Anhalt, Verdopplungen der Revier- und Nationalpark, Naturpark, Biosphären- sich ergeben, wenn die vom Gesetzgeber Vervierfachungen der Forstamtsgrößen. reservat Südharz, den Fachorganen für vorgesehene Fachplanung des Natur- Es ist – wie Verbände monieren – wenig Naturschutz der Landkreise, der Schutz- schutzes – „Landschaftsplanung” – durch- überzeugend, dass durch diese „Reform” gemeinschaft Deutscher Wald, dem weg erfolgen würde. Hier besteht großer ein ökologisch verträglicheres Handeln Verband der Waldbesitzer, der Regional- Nachholbedarf. Darunter leidet auch der erreicht wird. Der mit der Reform ver- gruppe des Forstvereins, dem Harzklub Meinungsaustausch mit der Öffentlich- bundene Wechsel von Zuständigkeiten und der Zanthier-Akademie. keit, den kommunalen Partnern und den erschwert manche notwendige Zusam- Umweltverbänden. menarbeit vor Ort. Das Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz ist von so hoher natürlicher Die naturnahe Waldwirtschaft gilt als Der Dauerstreit zwischen den Zertifi- Ausstattung und es ist ein so wichtiger Königsweg für die naturschutzgerech- zierungssystemen für naturnahe Wald- Teil des einheitlichen Naturraums Harz ten Waldbehandlung. Allerdings sind wirtschaft weist hin auf die Unsicherheit und des Systems der Waldschutzgebiete, nicht alle „naturnahen” Vorgehensweisen einiger Kriterien, auch des entspre- inzwischen auch so bekannt, dass seine wissenschaftlich überzeugend, empirische chenden Monitorings. Die verlässliche, baldige öffentliche Erklärung durch Ver- Lösungen sind weit verbreitet. Für den einzelflächenweise Zertifizierung könnte ordnung der Landesregierung empfohlen Waldumbau auf größere Naturnähe gibt ein vernünftiges Mittel sein, naturnahes wird. es erheblichen Forschungsbedarf. Dies be- Handeln anzuerkennen. Fortschritte in trifft Maßnahmen des Waldschutzes vor dieser Frage sind dringend. Der Harz genießt inzwischen hohe Gefahren, besonders die Stabilisierung Aufmerksamkeit als Geopark mit seinen von Fichtenbeständen, die Duldung von Der Ökolandbau ist das agrarische „Landmarken”, die der goldenen geo- Mortalität sowie die Harmonie von hoher Äquivalent zur naturnahen Waldwirt- logischen Quadratmeile folgen. Das biotischer Stoffproduktion und Wahrung schaft. Bis 2006 erhielten Agrarbetriebe gleiche Interesse ist zu erwarten, wenn des Naturschutzes. Gefährdungen resul- mit Ökolandbau zwischen 192 und die Wuchsbezirke, die Naturschutzge- tieren auch aus der Rationalisierung der 256 Euro Förderung je Hektar und Jahr. biete, die Naturdenkmale und spezifische Forstarbeit und der damit verbundenen Ab 2007 zahlt die Europäische Union Waldbestände als ökologische Zonen und Vergröberung der Arbeitsprozesse sowie 137 Euro/ha/a, die von der Landesre- Landmarken der Harzlandschaft öffent- der Belastung des Waldstraßensystems. gierung Sachsen-Anhalt eine Ergänzung lichkeitswirksam vorgestellt werden. Von Mehr Information der Öffentlichkeit über erfahren werden, sicher wieder in Rich- den Flußauen, Bachtälchen, Erlenbrü- das forstliche Tun oder Nichttun ist wich- tung auf eine Gesamtförderung von etwa chern, Schluchtwäldern über die tro- tig, nicht nur bei eingetretenen Schad­ 200 Euro/ha/a. Die finanzielle Stimulie- ckenen Eichen-Lindenwälder, die breite ereignissen (wie jetzt mit den Borkenkä- rung naturverträglicher Waldwirtschaft, Amplitude der Buchenwaldgesellschaften, ferschäden). Wald ist im Harz zu zwei gestützt auf die Zertifizierung, wäre ein die Wasserflächen und Bergwiesen, die Kurth, H.: Naturschutz und Nachhaltigkeit | 95

Fichtenforste und Hochmoore bis zum Saatgut, anschließende labile Stangen- Abwehr einzustellen. Der gerade publi- Brockenurwald reichen die Facetten holzphasen und erneute „natürliche” Zu- zierte Waldschadensbericht des Landes der Harznatur. Es ist angebracht, diese sammenbrüche abgelöst. Fichtenforsten Sachsen-Anhalt für 2006 (Volksstimme Natureinheiten und das waldbauliche aus diesem Zyklus, also anthropogen Magdeburg, 7.12.2006) zeigt einen durch Tun zu ihrer nachhaltigen Bewahrung stark überprägte Bestockungen, sind weit „chronisch saure Schadstoff- und hohe und Entwicklung den Menschen und der verbreitet – auch im Nationalpark. Die Stickstoffbelastungen” sowie „anhalten- Gesellschaft zu erläutern. grünen Flanken der markanten Harz- de Erwärmungstendenz” geschwächten gipfel sind erneut von diesem „Schicksal” Wald. Dies ist im Nutz- wie im Schutz- (Man könnte analog zur Wuchsbe- bedroht. Der nachhaltige Naturschutz wald zu berücksichtigen. zirksgliederung zunächst neun bis zehn muss in Kenntnis dieser Risiken verbun- ökologische (Wachstums-) Zonen in den sein mit dem Waldschutz und der Angriff nehmen, die biotische Naturaus- Stabilisierung (Pflege) der jungen und 8. Schlussbemerkung stattung dieser Teilregionen beschreiben mittelalten Bestände. Man könnte solches Im Beitrag wurde bisher nur der regio- und kartengestützt die in diesem Raum Handeln als integrativen Natur- und nale Aspekt erörtert. Die überregionale gelegenen Objekte des Naturschutzes, Landschaftsschutz bezeichnen. Das Bedeutung der kulturnahen Naturland- der Bewirtschaftung (alte Kohlplätze) Thema dieser Veranstaltung lautet zu schaft Harz – man könnte auch von und landschaftliche Besonderheiten Recht „Tun und Lassen im Naturschutz”. urtümlicher Kulturlandschaft sprechen beschreiben. Es entsteht so allmählich Ohne Tun droht für die attraktivsten – hat europäische Dimension. Mit eine Ergänzung zu den Geomarken, den Wanderziele, die Höhen und ihre Flan- 180.000 Hektar zusammenhängender Wanderkarten und Ortsbeschreibungen, ken, ein jahrzehntelanger grauer Kranz Waldfläche und einem Landschaftsan- die das Schwergewicht auf die lebende alter Baumleichen in der Zerfallsphase. teil des Waldes von drei Viertel, mit den Natur der Heimat legt.) Ob dem überall und ohne menschliche wilden Baumarten der nacheiszeitlichen Unterstützung die erhofften Jugend- Entwicklung ist der Harz die größte Der Fortschritt in der Entwicklung der phasen natürlicher Verjüngung folgen Konzentration von Waldökosystemen Modellregion und ihrer Teillandschaften werden, ist bei den hohen Stickstoffein­ in Mittel- und Norddeutschland. Hinzu sollte in zweijährigem Abstand in öffent- trägen und den daraus resultierenden kommt die Exponierung als nördlichstes, lichen Landschaftstagen Harz vorgestellt, dichten Grasfloren zu bezweifeln. Wie bei weit in das Tiefland ragende Mittelgebir- kontrolliert und diskutiert werden. der beabsichtigten Erweiterung der „Na- ge und seine vertikale Ausdehnung von So könnte allmählich eine öffentliche turzonen” des Nationalparks Bayrischer der collinen Stufe bis in das Subalpinum. Rechenschaftslegung und Partnergewin- Wald muss das Motto gelten: der Wald Der Harz ist mit seinen 2.400 Quadrat- nung zur weiteren Landschaftsgestaltung muss grün bleiben! ( FAZ, 19.7.2006, kilometer Gesamtfläche ein überragender entstehen, die sich nicht an ordnungspoli- Holz-Zentralblatt, 2006, Nr. 25, Nr. 44). Trittstein des europäischen Biotopver- tische Grenzen, sondern denen der Natur Der Blick abertausender Touristen vom bundes: ein Trittstein mitten in der West- orientiert. Brocken soll über das grüne Waldmeer Ost-Erstreckung des Buchenwaldareals, streifen, freilich auch durchsetzt mit toten ein Trittstein zwischen den Bergwäldern Der Waldschutz der Fichtenwälder und Stämmen, aber nicht beherrscht von der Alpen und dem borealen Wald, ein -forste erfordert hohe Aufmerksamkeit ihnen. Solchem Ziel müssen nachhaltiger Trittstein im Kern der Südost-Nordwest- und besondere Sorgfalt in der forstlichen Naturschutz und nachhaltige Land- Erstreckung der Traubeneichen-Wälder. Arbeit, wie die Waldgeschichte (s. der schaftspflege dienen, um den Zyklus labi- Erhaltung, Bewahrung, Pflege, Schutz Kampf von Uslars, 1752 - 1829, gegen ler Kunstforste zu ersetzen durch kleinflä- und Gestaltung dieser Waldlandschaft „den schwarzen Wurm”) und das aktuelle chig strukturierte Bestockungen aus sta- haben europäischen Rang. Die Hand- Schadgeschehen 2006 zeigen. Der Na- bilen Bäumen. Erst wenn dieses Ziel, wie lungsmaxime Nachhaltigkeit muss alles turschutz und die naturnahe Waldwirt- heute schon im Brockenurwald, erreicht Tun in diesem Raum auf das natürliche schaft haben eine besondere Affinität zu ist, kann man den Wald im Na­tionalpark Maß zurückführen. Man könne – wird Abschöpfungs- und Mortalitätsraten in einer ausschließlich natürlichen Entwick- Novalis im Vorspann zitiert – „nicht labilen Bestockungen. In einem langfristi- lung überlassen. Freilich nur, wenn nicht heimlich genug mit der Natur umgehen, gen Zyklus haben sich über Jahrhunderte Klimawandel, atmosphärische Stoffein- nicht zart genug von ihr reden” , heißt dies hinweg Zusammenbruchsphasen (nach träge und touristischer Druck weitere nicht für uns, Nachhaltigkeit und Schutz Sturmschäden oder Trocknis sowie damit Risiken bringen werden. Man tut sicher der harzer Waldnatur symbiotisch zu ver- verbundener Borkenkäfergradation), gut daran, sich auch im Schutzwald auf knüpfen im Interesse von Gegenwart und großflächige Aufforstungen mit fremdem weitere Gefährdungen und ihre eventuelle Zukunft ? Dieses Anliegen verbindet alle 96 | Kurth, H.: Naturschutz und Nachhaltigkeit

Schutzkategorien des Harzes vom einzel- Literatur George, K. (2004): Wie steht es um das nen Naturschutzgebiet über das Land- A. A. (k. A.): Naturnahe Waldwirtschaft „Biosphärenreservat Karstlandschaft Süd- schaftsschutzgebiet, den Naturpark, das - Eine seit über 100 Jahren geforderte harz“? Der Harz 6: 6. Biosphärenreservat bis zum Nationalpark Bewirtschaftungsform setzt sich durch. und verknüpft alles Tun und Lassen mit Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Hatzfeldt, Graf H. (Hrsg. 1994): der regionalen Gesamtentwicklung des Broschüre, 4 S. Ökologische Waldwirtschaft. C.F. Müller, Kleinods Harz. Dazu muss der Eigensinn Heidelberg, 296 S. und das oft überzogene Eigeninteresse A. A. (2004): Waldwirtschaft als Modell der Orte, Landkreise, Bundesländer, auch für nachhaltige Entwicklung: ein neuer Gregor, K. & Koth, H. (2003): Der der Eigentümer, Nutzer, Bewirtschafter, Schwerpunkt für die nationale Nach- Schwarze Wurm - Geißel der Fichtenwäl- Schützer, selbst der Verantwortlichen haltigkeitsstrategie - Empfehlungen des der - Die Wurmtrocknis im Harz einst für die Schutzkategorien, überwunden Rates für nachhaltige Entwicklung der und jetzt. Forstinfo der LFW Sachsen- werden. Der Harz kann eine lebendige Bundesregierung, texte nr. 10. Anhalt, Dez. 03: 11-14. Schule zukunftsgerechten Umgangs mit der heimischen Natur werden, auch eine A. A. (2006): Das Petersberger Pro- Härdtle, W. ; Ewald, J. & Hölzel, N. Beispielsregion der „Europäischen Charta gramm der Naturpark in Deutschland. (2004): Wälder des Tieflandes und der für nachhaltigen Tourismus in Schutzge- Der Harz, 10: 7. Mittelgebirge. Ulmer, Stuttgart, 252 S. bieten” und des „Petersberger Programms der Naturparke”. Ergreifen wir gemeinsam Albers, U.; Böckmann, T.; Hullen, M. Hardenberg, F. v. – Novalis (1788): die Initiative. & Hooge, H. (2005): Waldentwicklung Die Lehrlinge zu Sais. Der Harz. For- im Nationalpark Harz. Eine Bilanz 10 schungsstätte für Frühromantik und Novalis- Jahre nach der Einrichtung des National- Museum, 1998; bzw. Mitteilung 2006. parks Harz. Forst und Holz, 60 (1): 3 -8. Höltermann, A. & Oesten, G. (2001): Ammer, U.; Micksch, J. & Ploch- Forstliche Nachhaltigkeit. Landeszentrale mann, R. (1989): Naturschutz und für politische Bildung BW, Heft: Der Forstwirtschaft. Forstw. Cbl.108: deutsche Wald: 30-36. 343-349. Karste, G. (2005): Wandern im Harz ge- Bernhardt, A. (1874): Geschichte des nießt oberste Priorität. NWZ 24/25: 29. Waldeigenthums, der Waldwirtschaft und Forstwissenschaft. Band 3. Berlin. Kremser, W. (1990): Niedersächsische Forstgeschichte. Rotenburger Schriften, BMELF (2006): Nationales Waldpro- Sonderband 32, 965 S. gramm (NWP) Deutschland. AG- Entwurf, 18. Runder Tisch, Protokoll, Küster, H. (2004): Kritische Anmer- Kernempfehlungen. kungen zu den Begriffen Kulturland- schaft und Nachhaltigkeit. 5 S. Buff, J. (2006): Das grüne Dach Europas soll grün bleiben. Holz-Zentralblatt 44: Kurth, He. (2007): Wälder des Harzes 1290/1291. – Naturpotential und attraktives Land- schaftselement. AFZ/Der Wald 13, S. Cotta, H. (1825) zitiert bei Eberhardt, 682-685. E. (1999): Johann Georg von Langen und sein Wirken in den harzer Forsten. Wald Kurth, H. (2004): Die Harzer Forst- in Sachsen-Anhalt 03/99, 43 S. wirtschaft im 18. Jahrhundert. In: Schuster, E.: Die Schule der Nachhal- Geibel, E. (1848): Aus dem Walde. tigkeit. Dr. Kessel, Remagen-Oberwinter, Julius-Lieder. S. 31-47. Kurth, H.: Naturschutz und Nachhaltigkeit | 97

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Joachim Müller, Magdeburg Angewandte Forschung als Grundlage für nachhaltigen Naturschutz

Erlauben Sie mir, nochmals auf den Anlass (oder Veranlasser) des heutigen Kolloquiums zu sprechen zu kommen. Zunächst wünsche ich Uwe WEGENER zur Vollendung seines 65. Lebensjahres alles Gute, gute Gesundheit und Schaf- fenskraft für den neuen Lebensabschnitt, denn hier endet ja nichts sondern be- ginnt, so bin ich mir sicher, bei Uwe WEGENER kein Ruhestand, sondern ein Lebensabschnitt mit neuer freier Entfaltung seiner vielen (mannigfaltigen) Naturschutz bezogenen Aktivitäten ... Abb. 1

Es erscheint mir typisch für Uwe werden. Ein Schema, das zweifellos auch Bahntrasse sollten aber unbedingt for- WEGENER, wenn er – wie hier im für die zoologische Forschung in ähnli- schungsseitig begleitet werden. Feueröko- NSG „Salzstelle bei Hecklingen“ (s. cher Stufenfolge gültig ist. logische Forschungen sind in Mitteleuro- Abb. 1) – auch mal mit dem Feuer pa selten Gegenstand wissenschaftlicher spielt ...; aber nur scheinbar spielt, denn Ich erlaube mir hier festzustellen, dass Untersuchungen gewesen, entsprechend dahinter verbirgt sich eine ganz konkrete mit dem hauptamtlichen Ausscheiden groß ist der Forschungsbedarf ... Im Zielstellung, Mut zu spezieller Pflege von Uwe Wegener aus dem hiesigen Positionspapier zum Feuereinsatz im Na- und Entwicklung, Willenskraft und ein Nationalpark eine Ära zu Ende geht. Ich turschutz in Mitteleuropa (Goldammer besonderes Engagement. weiß aber die Aufgaben und Leitlinien et al. 1997) wird dazu festgestellt: „Unter bei Hans-Ulrich Kison und den übrigen ausschließlich ökologischen Gesichts- Dabei verliert er bei aller Liebe zum Mitarbeitern im Hause in guten Händen punkten ist Feuer auch im Wald keine Detail allerdings das Große und Gan- und will deshalb mit einigen Gedanken Katastrophe, sondern eine „Störung einer ze (das Ganzheitliche, die ökologische zur Bewertung und zukünftigen For- Entwicklung, die neue Entwicklungsmög- Betrachtungsweise) nie aus dem Auge. schung im Nationalpark in diesem Sinne lichkeiten schafft“ (Buck 1979).“ ... Es Dies widerspiegelt sich auch in seinem fortfahren. sollte weiteren Diskussionen vorbehalten erst kürzlich publizierten „Wissenschafts- bleiben, inwieweit der gezielte Feuer- gebäude“, in dem in logischer, hierarchisch Ich komme zunächst nochmals zum Feu- einsatz für eine zunehmend ökologisch geordneter Folge die grundlegende In- ereinsatz als Naturschutz-Maßnahme: ausgerichtete Waldbewirtschaftung auch ventarisierung, dann die Vegetationskar- Gewiss ist ein Feuermanagement – wie in in Deutschland wieder Bedeutung erlan- tierung sowie die Sukzessionsforschung amerikanischen / kanadischen National- gen kann. und Erfassung der Walddynamik und parks durchaus üblich – im Nationalpark letztendlich die Ökosystemanalyse und Harz nicht prioritär zu betrachten oder Somit ist schutzzielbezogene Forschung das Biomonitoring zur Überwachung der gar zu nutzen; ungewollte entsprechende die Voraussetzung, um im Sinne des Ta- gegenwärtigen Entwicklung dargestellt Vorkommnisse beispielsweise an der gungsthemas „Tun und / oder Lassen im Müller, J.: Angewandte Forschung als Grundlage für nachhaltigen naturschutz | 99

Naturschutz“ fachlich richtig entscheiden Besonderheiten ist deshalb sowohl von Forschungsschwerpunkte im National- zu können. regionalem als auch von überregionalem park Harz bzw. im Hochharz verstärkt grundlegendem Interesse. bei den Endemiten, den vom Aussterben Die auf diesem Verständnis aufgebaute bedrohten und stark gefährdeten Arten Forschung im (bisherigen) Nationalpark Die auf die Schutzziele bezogene natur- und insbesondere in folgenden Lebens- Hochharz ist beispielgebend für die Na- wissenschaftliche Forschung im National- raumtypen sowie bei folgenden Arten turschutzforschung in Sachsen-Anhalt. park Hochharz ist somit in erster Linie liegen und auf deren Erhaltungsziele nach Die Arbeiten sollten deshalb unbedingt in angewandte Forschung, da sie auf die Anlage 3 des neuen Nationalparkgesetzes einer Publikationsliste, evtl. mit Zusam- typischen, standortspezifischen Requi- ausgerichtet werden: menfassungen versehen, der Öffentlich- siten und Arten gerichtet ist, die hier in keit zur Verfügung gestellt werden. Lo- ihren ökologischen Beziehungsgefügen - Lebende und noch renaturierungsfähige bend hervorzuheben ist dabei die führen- einmalig sind. degradierte Hochmoore, de Rolle der hauseigenen Wissenschaftler, - Übergangs- und Schwingrasenmoore, die ihre eigene Forschungsstrategie in Die entsprechenden Forschungsergeb- - Schlucht- und Hangmischwälder, vorbildlicher Art und Weise organisieren nisse dienen der Pflege und Entwicklung - Moorwälder, und selbst mit verwirklichen helfen ... dieses einmaligen Ökosystems, das durch - verschiedene Buchenwaldtypen und die besonderen Verhältnisse des Bodens Auwaldreste, • Bitte erlauben Sie mir bei dieser Ge- und des Klimas in seiner besonderen - Kieselhaltige Schutthalden, legenheit, den hier beteiligten Wis- geographischen Lage in der kontinentalen - Silikatfelsen mit Felsspaltenvegetation senschaftlern (incl. Diplomanden und biogeographischen Region unmittelbar und ehrenamtliche Spezialisten) und Prakti- am Rande der atlantischen biogeographi- - Silikatfelskuppen mit ihrer Pionierve- kanten für ihre Arbeiten und besonde- schen Region und damit seines atlantisch getation, res Engagement herzlich zu danken. geprägten Einflusses gekennzeichnet ist. - trockene Heideflächen, - Schwermetallrasen, Betrachtet man die an den Forschungen Derartige Forschung in einem Natio- - Borstgrasrasen und Berg-Mähwiesen beteiligten Dritten, so fällt die traditi- nalpark, der sich insbesondere auch mit sowie bei onsreiche Bearbeitung durch die Uni- anthropogen wenig beeinflussten Le- - der Groppe Cottus gobio, versitäten Halle und Göttingen und die bensraumtypen (Kernzonen) befasst, ist - dem Großen Mausohr und Bearbeitung durch ehrenamtliche und zugleich aber auch Grundlagenforschung - dem Auerhuhn, Rauhfuß- und Sper- hauptamtliche Spezialisten (zufrieden- für die gegenwärtigen ökologischen (und lingskauz, Schwarz- und Grauspecht, stellend / angenehm) auf, während andere gesellschaftlichen) Verhältnisse. Dabei ist Wanderfalke, Schwarzstorch, Tannen- relevante (regionale) wissenschaftliche die geobotanische Forschung zweifellos häher, Neuntöter, Fichtenkreuzschna- Institutionen mit ihrem (studentischen) die wichtigste Grundlage. bel, Gebirgsstelze und (last but not Forschungspotential (Diplomarbeiten, least) Dissertationen) leider (noch) unterreprä- Die Nutzung derartiger Forschungen - der (Alpen-)Ringdrossel, der Cha- sentiert sind (FH Anhalt ...). Hier wäre dient der gezielten standortspezifischen rakterart unseres Brockens, die in eine bessere Nutzung des landeseigenen Pflege und Entwicklung der zu schützen- den Anfangsjahren unseres Natio- Forschungspersonals zur Lösung natur- den Lebensraumtypen, für die der Nati- nalparks beinahe das Markenzeichen schutzbezogener Fragestellungen wün- onalpark und das Land Sachsen-Anhalt des Schutzgebietes geworden wäre (s. schenswert. Entsprechende Themenvor- eine besondere Verantwortung tragen. Abb. 2: Erstes Plakat-Logo Anfang schläge zu den Forschungsschwerpunkten Dies gilt insbesondere für glücklicherwei- der 1990er Jahre), inzwischen ist das könnten dabei gewiss hilfreich sein. se noch vorhandene Reliktvorkommen aber (leider) nur auf einen m. E. nichts endemischer Arten und die Lebensraum- sagenden Punkt reduziert ... Das Besondere im Nationalpark (Hoch-) typen und Arten, die nach der FFH- Harz und VSch-RL von gemeinschaftlichem Die bisherige umfangreiche Forschung Der Harz ist bekanntlich das am wei- Interesse sind. (1990-2006) im NLP Hochharz wider- testen nach Norden ins Norddeutsche spiegelt die noch relativ große Vielfalt der Tiefland vorgeschobene Mittelgebirge Nach einer dringend notwendigen, Naturraumausstattung, sie umfasst mit subalpiner Region und ist deshalb möglichst umfassenden Inventarisierung - 38 Arbeiten zur Botanik (insbes. Geo- von zahlreichen natürlichen Besonder- und einem ständigen Biomonitoring zur botanik), heiten geprägt. Die Erforschung dieser Überwachung sollten die zukünftigen - 53 ökologische Untersuchungen (incl. 100 | Müller, J.: Angewandte Forschung als Grundlage für nachhaltigen naturschutz

die richtigen ökologischen Zusammen- hänge verdeutlichen helfen.

So sollte damit auch sinnvoll demons- triert werden, dass die Nutzung der Ressourcen auf Dauer nicht größer sein darf als die Anpassungsfähigkeit des Ökosystems, denn die Naturgüter dürfen dauerhaft nur im Rahmen ihrer Regene- rationsfähigkeit genutzt werden, andern- falls gingen sie zukünftigen Generationen verloren. Dies sollte das (nachhaltige) Leitmotiv im Nationalpark Harz bleiben.

„Die Umsetzung des Leitbildes der nach- haltigen Entwicklung fordert das aktive Handeln der gesamten Gesellschaft“ (Merkel 1998, Geleitwort zum Leitbild für nachhaltige Entwicklung). Abb. 2 Im Nationalpark sind wir m. E. bereits auf diesem rechten Wege – ich wünsche Moorkunde u. Waldökologie u. a.), gezielt in die Aufgaben der Nationalpark- Ihnen dafür alles Gute und ziehe mich - 31 ornithologische und säugetierkund- Forschung einbinden (Aufgabenkatalog deshalb – wenigstens in dieser Hinsicht liche Arbeiten sowie für universitäre Institutionen, Fachhoch- beruhigt – zurück. - 1 ichthyologische Studie und schulen). Die spezifische Arten-For- - 45 Untersuchungen zur Arthropoden- schung sollte im Nationalpark verstärkt in Fauna (incl. andere Wirbellose). die Sukzessionsforschungen gelenkt wer- Literatur den und die botanischen Fragestellungen Buck, C.-H. (1997): Auswirkungen eines Die zoologische Forschung (~75 Arbei- z.B. bei der Umwandlung in Naturwälder Waldbrandes auf Tiere und Pflanzen ten seit 1991) betraf lediglich sinnvoll begleiten. unter besonderer Berücksichtigung der - 5 Schwerpunkt-Arten (der VSch-RL: Mäuse und Arthropoden. Drosera 1979 Auerhuhn, Sperlingskauz, Spechte, Zur notwendigen und sinnvollen Nati- (2): 63-80. Neuntöter und Ringdrossel – ohne onalpark-Forschung gehört schließlich Inventarisierung von Artengruppen auch die schutzzielbezogene Tourismus- Goldammer, J. G.; Page, H. & Prüter, in einzelnen Lebensraumtypen) von forschung (zur Akzeptanzbildung und J. (1997): Feuereinsatz im Naturschutz gemeinschaftlichem Interesse. störungsarmen Besucherlenkung und in Mitteleuropa – Ein Positionspapier. Umweltbildung). NNA-Berichte 10 (5): 2-17 Hier sollte ein Leitarten-Konzept die zukünftige Forschungsstrategie ergänzen Der Nationalpark Harz liefert durch . und zielgerichteter mitbestimmen. In seine Ergebnisse angewandter und eigener Sache (ich bitte um Verständnis) Grundlagen-Forschung wertvolle Beiträge plädiere ich beispielsweise (u. a.) auf zur nachhaltigen Pflege und Entwicklung solche Arten wie die Alpensmaragdlibelle (gelenkte Sukzession oder Eigendyna- Somatochlora alpestris, einer Charakterart mik?) spezifischer Naturausstattungen der spezifischen hochmontanen bis subal- und somit zur Sicherung der indigenen pinen Hochmoorschlenken. Biodiversität im Land Sachsen-Anhalt. Hierbei sollten die Leitarten die besonde- Dabei sollte die Forschungsstrategie ren Aspekte – öffentlich attraktiv wirk- Anschrift des Autors: durchaus flexibel für die universitäre sam gemacht – des Nationalparks Harz Dr. Joachim Müller Forschung und auch offen für ehrenamtli- bzw. seines Hochharzes sowohl einerseits Frankefelde 3 che Spezialisten bleiben, aber sollte diese einzeln hervorheben, als auch andererseits D-39116 Magdeburg Wegener, U.: 12 Thesen zum Tun und Lassen im naturschutz | 101

Uwe Wegener, Wernigerode 12 Thesen zum Tun und Lassen im Naturschutz

1. Naturschutz und Philosophie 2. Naturschutz und Geschichte wir ergreifen müssen, um ein Ziel zu - Was ist Natur? Naturschutz entwickelte sich in Deutsch- erreichen. • Sie ist einmal eine materielle Kate- land in einzelnen Schüben, • Zurzeit scheinen alle großen Natur- gorie, daher die anorganische und - vom Schutz der Landschaftsbilder über schutz-Zeitfenster geschlossen zu organische Welt (Landschaft, Flora, den Artenschutz zum Biotopschutz, sein, und wir befinden uns in einer Fauna, Mensch), über das Naturschutzmanagement zum Periode, in der die Naturschützer • sie ist eine kulturell geprägte Katego- Wildnisgedanken. Holz und Kraft sammeln für den rie (z.B. Kulturlandschaft, Geschichte - Heute ist der Fächer der Naturschutz- Leiterbau, um kraftvoll das nächste des Naturschutzes), aufgaben ziemlich weit und reicht vom Fenster in die Zukunft zu öffnen. • Natur ist eine mythologische und Artenschutz bis zur natürlichen Dyna- Umschlag von vielen, kleinen Quanti- philosophische Kategorie, mik. täten in eine neue Qualität! • Natur ist eine emotionale Kategorie - Der Naturschutz in Deutschland Alte Verbündete sollten wir nicht (z.B. Romantik, Wilderness-Ethik). nutzte bzw. musste immer günstige verprellen, aber neue Allianzen - Stetiger Wandel ist ein Charakteristi- Zeitfenster nutzen: schmieden. Da bleibt in Gegenwart kum der Natur aber auch der kulturel- • Hugo Conwentz und die Naturdenk- und Zukunft viel zu tun! len Evolution. malpflege, - Es scheint vielfach in Vergessenheit • das Reichsnaturschutzgesetz von 3. Naturschutz und Gesellschaft geraten zu sein, dass die Natur die 1935 mit seinen Auswirkungen bis in - Eine intakte Natur mit Wildnisbe- Existenzgrundlage der menschlichen die 1970er Jahre, sowohl in der BRD reichen und Bereichen nachhaltiger Gesellschaft ist. als auch in der DDR, Nutzung spricht für eine intakte Ge- - Die modernen Gesellschaften befinden • Verstärkung der wissenschaftlichen sellschaft! sich eher im kalten Krieg gegen Vielfalt Grundlagen für den Naturschutz - Der Naturschutz ist weniger für die und Wandel, gegen Differenzierung in den 1960er und 1970er Jahren Natur selbst erforderlich, als vielmehr und Integration, gegen offene Entfal- (Hermann Meusel, Alexis Scamoni, für die Überlebenssicherung der tung und Ausgleichsbewegungen – im Conrad Buchwald, Wolfgang Engel- menschlichen Gesellschaft. Grunde gegen alles, was die lebendige hardt, Norbert Wieśniewski u. a.), - Anthropozentrisches Nutzensdenken Evolution in der Natur hervorbringt • Nationalparkprogramm (Michael und mangelnde Verantwortung gegen- (Dürr, Dahm & zur Lippe 2005). Succow, Hans-Dieter Knapp, Leb- über der Natur gefährden diese Lebens- - Um diese Situation gegen die Natur zu recht Jeschke, Hans Bibelriether u. a. grundlagen. ändern ist ein neues Gesellschaftsmo- (Bibelriether 1991, 1999; Suc- - Das heißt: der Mensch muss erkennen, dell erforderlich, welches sich gegen die cow 2000). Thomas Neiss (Neiss dass er Teil der Natur ist! durch Ersatzbefriedigung verursachte 2002) sieht für den Naturschutz und - Die Leugnung vom Eigenwert der Zerstörung der Natur, auch unserer seine Teilaufgaben wiederholt solche Natur oder eine so genannte „wertfreie eigenen, inneren Natur wendet (in An- günstigen Zeitfenster. Sie standen Betrachtung der Natur“ führen zum lehnung an Bahro 1995). Hier bleibt bereits in der griechischen Antike im Nihilismus. folglich viel zu tun. Zeichen von Kairos, dem jüngsten - Noch heute wird Natur vielfach allein Sohn des Zeus und gelten als der als unbegrenzte Ressource angesehen. zufällige, günstige Augenblick, den - Der Naturschutz wird nicht nur in 102 | Wegener, U.: 12 Thesen zum Tun und Lassen im naturschutz

- Eine wissenschaftliche Aufbereitung von Naturschutzthemen ist die eine Seite – entscheidender für die heimi- sche Bevölkerung und die Gäste in Schutzgebieten ist die emotionale Seite. So können Naturereignisse mit Erfolg, mit Faszination, Leidenschaft, Genuss und Musikalität medial inszeniert werden (Meier, Erdmann & Emde 2005). - Im Grunde ist die große Mehrheit der Bevölkerung für den Naturschutz, aller- dings nach dem St. Floriansprinzip. - Wenn wir die nicht selten „verbissenen Abb. 1: Die Fächerung des Artenschutzes im deutschen Naturschutz, wie sie zumindest nach den gesetzli- Reaktionen“ erleben, so sollten wir uns chen Bestimmungen versucht wird durchzusetzen (Wegener 2002) auch immer wieder klarmachen, dass Naturschutz nicht nur Profession, son- dern ein lebenserfüllendes Hobby sein Entwicklungsländern von Wirtschafts- Das würde allerdings dem derzeitigen kann. interessen überlagert und unterlaufen. facettenreichen deutschen Naturschutz - Die Imagekrise des Naturschutzes ist genauso widersprechen, wie den euro- 5. Naturschutz und Umweltschutz bedingt durch diese dominierenden päischen Naturschutzgrundsätzen von - Naturschutz und Umweltschutz Wirtschaftsinteressen (Arbeitsplätze der Erhaltung der Biodiversität (Pi- bedingen einander, ohne nachhaltigen statt Naturschutz), und sie wird ver- echocki 2002, Succow 2002). Umweltschutz gelingt auch der Natur- stärkt durch Bürokratie, Verbote, Ver- - Es ist entscheidend, an sich selbst und schutz auf Dauer nicht. zicht, unklare Ziele, Meinungsvielfalt an die Gesellschaft hohe Anforderun- - Eine Gesellschaft, die bei der Ressour- am falschen Platz u. a. m. (vgl. Meier, gen zu stellen, um das „Machbare“ im censituation der Erde auf ständiges Erdmann & Emde 2005). Naturschutz zu erreichen. Hierbei ist Wirtschaftswachstum setzt, ist nicht - Die Imagekrise des Naturschutzes ver- bisher noch nicht entschieden, ob wir überlebensfähig. kennt aber die großen Möglichkeiten, mehr tun oder mehr lassen sollten. - Der zunehmend schnellere Klima- die intakte Natur bietet. wandel rüttelt an den Grundfesten des - Naturschutz sollte in ein gesellschaft- 4. Naturschutz und Mensch heutigen Naturschutzes und wird zu liches Gesamtkonzept des Umwelt- - Naturschutz ist Menschenschutz. einem beschleunigten Artensterben schutzes, des Tourismus und der - Lebende Organismen und natürliche führen sowie Pflanzen- und Tierwan- Bildung integriert werden, was sich der Prozesse können immer wieder Erstau- derungen (Menschenwanderungen!!) zunehmenden Ressourcenvernutzung nen, Bewunderung, Respekt, aber auch unbekannten Ausmaßes auslösen. Neue entgegenstellt. Mitgefühl und Barmherzigkeit auslö- Schutzstrategien, die diesen Wandel - Wenn die Gesellschaft nicht mehr sen. berücksichtigen, sind dringlich. gewillt ist die Aufwendungen für eine - Naturschutz sollte sich nicht vom - Umweltschutz bedeutet auch strenges gewachsene, artenreiche aber über weite Menschen entfernen; wir sollten nicht Haushalten mit Rohstoffen, Energie, Strecken auch museale Kulturland- ausschließlich Misserfolge beklagen, Boden, sauberem Wasser und Luft. schaft zu zahlen, sollte sich der Natur- sondern auch die guten Ergebnisse in All das hilft der Natur und schafft die schutz aus dem Schutz dieser musealen der Öffentlichkeit darstellen. Grundlage für ihren Schutz. Hier ste- Landschaft zurückziehen, Landschafts- - Es ist wichtig eine nachvollziehbare, hen wir erst am Anfang einer nachhalti- schutz und Kulturschutz können nicht glaubwürdige Grundlinie zu sichern. gen Entwicklung. seine wichtigsten Aufgaben sein. - Akzeptanzgewinn in der Bevölkerung - Im Umkehrschluss bedeutet das Rück- ist bedeutsam, aber es ist nicht alles. Bei 6. Naturschutz und Wissenschaft zug des Naturschutzes aus der Fläche einer glaubwürdigen Grundlinie lassen - Der Naturschutz findet eine seiner und die Konzentration auf große, sich im Naturschutz – Nationalparke Wurzeln in der Romantik. zusammenhängende Schutzgebiete mit eingeschlossen – auch „manche Dinge - Mit dem Arten- und Biotopschutz und ohne Naturschutzmanagement. aussitzen“. nahm die rationale Seite des Natur- Wegener, U.: 12 Thesen zum Tun und Lassen im naturschutz | 103

schutzes zu. Hier ist jedoch auch die Frage zu stellen, ob die länger werdenden „Roten Listen“ von Pflanzen- und Tierar- ten nicht auch in eine Sackgasse des Naturschutzes geführt haben. Sind wir mit unserem „Artenvielfaltsdenken“ am Ende oder wird mit der Zielsetzung der Sicherung der Biodiversität erst wieder ein neues Tor geöffnet? - Die Großschutzgebiete versuchen heute mit ihren Umweltbildungsprogram- men, der Wilderness-Ethik aber auch den wissenschaftlichen Programmen zu einem Brückenschlag zwischen den Abb. 2: Arbeitspause während eines Pflegeeinsatzes im NSG Ziegenberg bei Heimburg, 1983. Im Bild rationalen Naturschutzbegründungen rechts Siegfried Siegel (damals ELMO-Werk Wernigerode), Bildmitte Andreas Keßling (STFB Wernigerode). und der Gefühlsebene zu kommen. - Speziell in den Nationalparken geht es darum, die Erforschung der natür- te Landschaften sind zu einem knappen schaft in den neuen Bundesländern in lichen Dynamik von Lebensabläufen und kostbaren Gut geworden. In Mit- prosperierende Ballungsräume und sich zu fördern, ohne dass die Substanz teleuropa existieren sie praktisch nicht entleerende Landschaften mit ihren des Gebietes leidet. Forschungen in mehr. Großräumige Wald-, Seen- oder kommunalen Problemen ist von der den Kernzonen der Schutzgebiete, aus Grünlandgebiete können hier noch eine Politik zwar nicht erwünscht, bietet denen sich der wirtschaftende Mensch relativ große Naturnähe aufweisen. jedoch auch Chancen für den Natur- zurückgezogen hat, sind unverzichtbar. - Der Schutz von Kulturlandschaften schutz. Sie erschließen uns neue Welten, da setzt immer Zielvorgaben voraus. Was - In einer globalisierten Welt ist ein es unbewirtschaftete Gebiete bisher in will ich an welcher Stelle mit welchen Heimatbezug der Menschen besonders Deutschland kaum gab. Mitteln schützen? wichtig. - Notwendig ist eine gute fachliche und - Hauptaufgabe des Naturschutzes war - Nur wer seine Umgebung, seine „Hei- gesellschaftliche Diskussion, wie Natur über mehr als 70 Jahre der Schutz der mat“ bewusster wahrnimmt, ist bereit, funktioniert und wie Natur und Kultur Kulturlandschaft mit ihren Artefakten. sich für den Schutz einzusetzen, bzw. verantwortungsbewusst zu schützen Eine Wende auf kleiner Fläche symbo- auch dafür zu zahlen. sind. lisierte die Einrichtung von Naturwald- - Immer weniger Menschen sind jedoch - Um Naturschutz nachvollziehen und reservaten ab 1934. Ein bedeutender direkt in der Natur tätig (gegenwärtig praktizieren zu können, ist ein solides Schritt war die Einrichtung des ersten etwa 2,2 %, gegenüber etwa 50 % um Wissen erforderlich. Der Naturschutz deutschen Nationalparks im Bayeri- 1960). Das erschwert die Ausprägung bemüht sich dabei um einen ganzheit- schen Wald. eines Landschafts- und Heimatbezuges. lichen Ansatz des Wissens. Dieses - Gewachsene historische Prozesse in der - Es kommt darauf an, neben den wissen- Wissen ist aber ohne Probleme erlern- Landschaft sind zukünftig nur begrenzt schaftlichen Argumenten zur Heimat bar und erfahrbar. Es kann sehr breit steuerbar, d. h., es wird keine großräu- und zum Naturschutz mehr emotio- gefächert sein, es kann sich aber auch mige Kulturlandschaft des 19. Jahrhun- nale Argumente zu verwenden (Land- auf wenige Pflanzen- oder Tierarten derts erhalten bleiben. schaftswerteübermittlung verbessern!). oder unbelebte Gegenstände der Natur - Landschaft verhält sich wie ein Or- beschränken. Die Erfahrungen der ganismus, abhängig von der Umwelt 8. Naturschutz und Management letzten 100 Jahre haben gezeigt, dass und den Anforderungen der Gesell- - Der Schutz von Halbkulturformatio- jeder der Willens ist, häufig unabhängig schaft. Die Landschaft ist im ständigen nen, auch von artenreichen Waldnut- von seiner Profession im Naturschutz Wandel begriffen und wird von nach- zungsformen (z.B. Niederwald oder willkommen ist. folgenden Generationen mit Sicherheit Mittelwald) ist ohne Bewirtschaftung, anders bewertet und genutzt werden als pflegliche Nutzung oder Pflege im 7. Naturschutz, Landschaft und Heimat von uns heute. Sinne des Schutzzieles nicht denkbar. - Weite, unberührte oder wenig besiedel- - Die heutige Differenzierung der Land- - Beim Schutz dieser Halbkulturformati- 104 | Wegener, U.: 12 Thesen zum Tun und Lassen im naturschutz

- Aus dem Prozessschutz kann sich Wildnis entwickeln, wenn wir akzeptie- ren: • dass aus evolutionsbiologischer Sicht der Zeitpfeil nicht umgedreht werden kann – wir können keinen Urwald entwickeln, • die Rückführung zu ursprünglichen Verhältnissen allein durch Manage- mentmaßnahmen nicht möglich ist, • Prozessschutz als ganzheitlicher Ab- lauf aufgefasst wird (Scherzinger 1990, 2004). - Prozessschutz gilt als „Evolutions- schutz“ = Freiräume für die natürliche Evolution (Piechocki, Eisel, Haber & Ott 2004). - Im menschlichen Denken ist der Pro- zessschutz der Ausdruck von Freiheit und eine Sehnsucht nach Wildnis (Trommer 1999). - Wildnis ist der Kontrast zur Zivilisa- tion, der Kontrast ist aber erforderlich, um beides zu erfahren und werten zu Abb. 3: Durch Bewirtschaftung unbeeinflusste Kernzonen - Voraussetzung für jeden Nationalpark. Hier können. Bergfichtenwald am Königsberg (Harz), ca. 930 m ü NN, 1993. (Foto: U. Wegener) - Wildnis muss erlebbar sein, sie darf sich nicht auf eine „Wildnis im Kopf “ beschränken. onen in der Kulturlandschaft muss der schutzverwaltung und Organisation. - Für die Wildnis ist das „Lassen“ von Naturschutz aktiver eingreifen, er darf - Eine sinnvolle, aufwandarme Pflege Eingriffen und das Zulassen von langen nicht zum selbstgefälligen Betrachter lässt eine begrenzte Eigendynamik zu Zeiträumen erforderlich. der Entwicklung werden, wenn er diese (Pflegerotationen). Lebensräume und ihre Biodiversität - Auch hier bleibt das „Tun“ wesentlichs- 10. Naturschutz und Nationalpark erhalten will. tes Element des Schutzes. - Der Nationalpark ist in Deutschland - Schutz ist möglich: eine relativ neue, wenig vertraute • durch Beibehaltung extensiver Be- 9. Naturschutz und Wildnis Schutzgebietskategorie. Ihm fehlt in wirtschaftungsweisen, - Wildnis ist eine wissenschaftliche und Deutschland nicht nur die Geschichte, • durch angepasste, aufwandarme Pfle- emotionale Kategorie. sondern auch die nationale Komponen- geverfahren oder - Wildnis bedeutet erkennbar freie te, das erschwert die Nationalparkent- • durch ein kombiniertes Pflegekon- Entfaltung von Natur, die Abwesenheit wicklung und ihre Akzeptanz in der zept. von Zivilisation, bedeutet Stille und Bevölkerung. - Die Eingriffsstärke bei Pflegeverfahren Einsamkeit (vgl. Trommer 1992, 1993, - Der Begriff „Entwicklungsnationalpark“ auf Heiden, Trockenrasen, Hutungen 1997). ist janusköpfig. Er impliziert, dass wir sollte möglichst großflächig, rigoros - Das Zulassen von eigendynamischen nach einer tausendjährigen Kultur- und nachhaltig erfolgen, um nicht zu Prozessen führt zu einer neuen Quali- geschichte der Landschaft natürliche einer jährlichen Dauerpflege übergehen tät im Naturschutz. Entwicklungen erst einmal anstoßen zu müssen. Ausnahmen stellen u. U. - Die Schaffung von bewirtschaftungs- müssen. Er kann forstlich jedoch auch gebüschreiche Übergangsformationen freien Räumen, insbesondere in Nati- zum Anlass für ein viele Jahrzehnte mit Orchideen dar. onalparken und Biosphärenreservaten, währendes Management genommen - Das Naturschutzmanagement stellt ist mehr als nur „Natur - Natur sein werden, wo eine Entlassung aus der Be- neue Anforderungen an die Natur- lassen“. wirtschaftung sinnvoller wäre. Bewährt Wegener, U.: 12 Thesen zum Tun und Lassen im naturschutz | 105

hat sich ein Nutzungsverzicht in Teilen der natürlichen Lebensgrundlagen für gen in der Land- und Forstwirtschaft, der Entwicklungszone, um die wach- unsere Gesellschaft … sein“ (Merkel im Tourismus sowie im Gesundheits- sende Naturnähe langfristig beobachten 2006). wesen können zu einem Umdenken im zu können, aber bei Insektenkala- - Häufig ist der Einfluss einzelner politi- Umwelt- und Naturschutz beitragen. mitäten noch steuernd eingreifen zu scher Persönlichkeiten entscheidender - Eine globalisierte Weltwirtschaft können. als der Parteieneinfluss. Es bedarf daher verlangt zwingend auch eine gestärkte - „Naturnähe“ in den Managementzonen einer stärkeren politischen Lobbyarbeit Weltnaturschutzorganisation (IUCN). entwickelt sich nur langsam, dynami- in allen politischen Parteien. sche Prozesse benötigen Raum und Zeit. Ein zeitlich genau gestaffeltes Ma- 12. Naturschutz weltweit nagementkonzept ist daher der Natio- - Naturschutz und die Befriedigung von nalparkentwicklung eher abträglich; es Lebensbedürfnissen der Bevölkerung spricht jedoch nichts gegen langfristige sind nicht voneinander zu trennen. Entwicklungslinien. - Wir können in der dritten Welt keinen - Der Prozessschutz rückt im National- perfekten Naturschutz fordern und aus park an die erste Stelle und löst den touristischen Gründen durchsetzen speziellen Artenschutz ab. wollen, wenn einfache Lebensgrund- - FFH-Kriterien sind in Nationalparken lagen der einheimischen Bevölkerung nur bedingt erfüllbar. Sie bauen auf nicht gewährleistet sind. Erhaltung und Konstanz der Lebens- - Die umfassendste Nationalparkidee räume, was einer dynamischen Ent- ist menschenverachtend, wenn vor der wicklung entgegen steht. Einrichtung die indigene Bevölkerung - Nationalparke in der Kulturlandschaft ausgesiedelt wird. bedingen folglich ein zeitweiliges „Tun“ - Naturschutz und der Schutz der in der Entwicklungszone und auf Dau- indigenen Völkerschaften bedingen er ein immer stärkeres „Loslassen“. einander (vgl. in diesem Sinne das Le- benswerk von Hannelore und Reimar 11. Naturschutz und Politik Gilsenbach (Gilsenbach 2004). - Das Grundgesetz Artikel 20 a hebt den - Naturschutz international sollten wir Natur- und Umweltschutz seit 1994 nicht mit der mitteleuropäischen Elle zum zweiten Mal in der deutschen Ge- messen: schichte in den Rang eines Staatsziels. • Der Artenschutz ist sicher bedeut- Damit wird der Natur ein Eigenwert sam, aber entscheidender ist die zuerkannt, und der Staat bekennt sich Funktionsfähigkeit der wichtigsten zu seiner Verantwortung gegenüber Ökosysteme unserer Erde (vgl. Suc- zukünftigen Generationen. Dieser hohe cow, 2006). gesellschaftliche Rang wurde während • Die Funktionsfähigkeit der Ökosys- des 28. Deutschen Naturschutztages teme ist nicht nur durch direkte Ein- 2006 in Bonn von der Bundeskanzlerin griffe des wirtschaftenden Menschen Angela Merkel gewürdigt. und Raubbau bedroht, sondern vor - In der politischen Praxis ist der Na- allem durch den schnellen Klimawan- turschutz aber oft ein Feigenblatt, um del. wirtschaftliche Interessen zu verdecken. • Man kann mit 100.000-en Hektar - Naturschutz darf nicht viel kosten, was Holzplantagen leben, wenn es gleich- auch historisch bedingt ist, und er wird zeitig gelingt, die Naturwälder dieser als ein gewisser Luxus betrachtet. Aller- Länder zu sichern. dings wendet sich die Bundeskanzlerin - Globalisierung und Klimaveränderun- in der oben zitierten Rede gegen diese gen stellen bisher bewährte Theorien Betrachtungsweise: „Naturschutz ist des Schutzes heimischer Arten in Fra- kein Luxus, sondern Naturschutz muss ge. Die allmählich drastischer wirken- zentraler Bestandteil der Erhaltung den Klimaveränderungen mit ihren Fol- 106 | Wegener, U.: 12 Thesen zum Tun und Lassen im naturschutz

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Publikationsübersicht Dr. Uwe Wegener

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Böhlmann, N.; Bernsdorf, S.; Meis- Wegener, U. (2006e): Die Perspektiven sner, R.; Wegener, U. & Succow, M. ehrenamtlicher Naturschutzbeauftragter. (2005c): N-Haushalt eines soligenen Lexikon der Naturschutzbeauftragten Hangmoores (Ilsemoor) im Nationalpark Band 2 Sachsen-Anhalt, Steffen-Verlag: Harz unter Einfluß atmosphärischer 121-129. N-Einträge. Archiv für Naturschutz und Landschaftsforschung 44 (2005) 2: Lüderitz, V. ; Langheinrich, U; 25-92. Kunz, C. & Wegener, U. (2006f ): Die Ecker-Referenzgewässer für den grob- Wegener, U. (2005d): Zur historischen, materialreichen, silikatischen Mittelge- aktuellen und zukünftigen Bedeutung birgsbach. Abh. Ber. Mus. Heineanum 7 des Ehrenamtes am Beispiel der Natur- (2006): 95-112. schutzbeauftragten und –beiräte im Land Sachsen-Anhalt. Zukunft des Ehren- Hilbig, W. & Wegener, U. (2007a): amtes im Natur- und Umweltschutz. Die Entwicklung des Naturschutzes in Umweltgeschichte und Umweltzukunft Sachsen-Anhalt. Naturschutz im Land Bd. XIII (2005): 51-61. VWF Verlag für Sachsen-Anhalt 44 (2007) 1: 3-57. Wissenschaft und Forschung (Hrsg.) H. Behrens.

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Hilbig, W. ; Wegener, U. & Beh- rens, H. (2006d): Die Entwicklung des Naturschutzes und des Naturschutz- 116 | Dank

Dank

Am Ende eines 40-jährigen Arbeitslebens anderen, die das Experiment „Natur- dem neuen Leiter Andreas Pusch und sollen einige Sätze des Dankes verbun- schutzwart“ förderten und nicht scheitern eine intensivere Zusammenarbeit mit den mit einer Erinnerung an Freunde, ließen, zu Dank verpflichtet. Horst Hooge und den niedersächsischen Kolleginnen und Kollegen stehen, die mit Revierleitern. mir gemeinsam eine Wegstrecke gegan- Für die ab Herbst 1989 folgende Zeit gen sind, ohne die wichtige Wegemarken hatte die Arbeit im StFB Wernigerode Mit der Sächsischen Akademie der Wis- der Naturschutzarbeit gar nicht möglich eine gute Ausgangsposition geschaffen. senschaften – zwei Vertreter sind anwe- gewesen wären und die zum Teil auch auf Für die Ausweisung eines funktionsfä- send – schließt sich der Kreis sowohl zur unserer Tagung anwesend sind. higen Nationalparks war jedoch mehr Universität in Halle als auch zu meinem erforderlich. Arbeitsfeld im früheren Institut für Land- Meine erste Stelle nach dem Studium in Hier danke ich zunächst einmal meinen schaftsforschung und Naturschutz. Hier Halle war die Außenstelle Harz des Freunden im Nationalparkkomitee, in der danke ich insbesondere Prof. Dr. Günter Institutes für Grünland und Meliora- FÖNAD und später bei EUROPARC, Haase, Dr. Luise Grundmann und Prof. tionswesen. Hier danke ich besonders insbesondere Prof. Dr. Michael Succow, Dr. Günther Schönfelder. Prof. Dr. Klaus Dörter, Dr. Wolfgang Dr. Hans-Dieter Knapp, Dr. Hans Leipnitz, Dr. Gunter Nitzsche, Dr. Bibelriether, Eva Pongratz, Dr. Eberhard Sehr wichtig waren mir auch immer die Sabine Bernsdorf und Erika Angerstein Henne, Ulrich Messner, Dr. Jürgen Stein Kollegen und Freunde im ehrenamtlichen für die gemeinsame Forschungszeit. Im u. a. Die längste Zeit meines Arbeitsle- und hauptamtlichen Naturschutzbereich, Institut für Landschaftsforschung und bens widmete ich der Nationalparkver- die Kreisbeauftragten, Naturschutzsta- Naturschutz der neuen Dienststelle ab waltung. Hier gilt mein besonderer Dank tionen und andere Einrichtungen, ohne 1972 verband mich eine schöpferische Hubertus Hlawatsch und den engeren die so mancher Erfolg gar nicht möglich Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Hugo Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Dr. gewesen wäre. Die Mitarbeiter der staat- Weinitschke, Dr. Karl-Heinz Großer, Gunter Karste, Dr. Hans-Ulrich Kison, lichen Verwaltungen mögen mir meine Dr. Peter Hentschel (), Dr. Lebrecht Andreas Keßling, Andreas Rommerskir- gelegentliche Ungeduld und in diesem Jeschke, Martin Görner, Dr. Eberhard chen, Dr. Peter Sacher, Irmtraud Theel, Zusammenhang nicht immer gerechte Niemann (), Dr. Lutz Reichhoff, Dr. Käthe Engeleiter, Erika Gurschke, Pit Einschätzung der Sachlage verzeihen. Die Gerhard Stöcker () und vielen anderen. Stagge, Fritz Ruhberg, stellvertretend für Aufzählung nur der wichtigsten Namen Im Kulturbund der DDR in Berlin danke die Kolleginnen der Verwaltung Angeli- würde jedoch diesen Rahmen sprengen. ich den ehemaligen Bundesfreunden ka Meurer und Sylke Möser sowie allen Achim Berger, Siegfried Hamsch und Revierleitern. Abschließend sei aber meiner Familie später Hermann Behrens für das fördern- In der Vorbereitungsphase des Nieder- gedankt, nicht nur, dass sie mich zu vielen de Zusammenwirken. sächsischen Nationalparks arbeitete ich ehrenamtlichen Aktionen „freistellten“, sie eng mit Meike Hullen, Friedhart Knolle gestalteten Arbeitseinsätze, Exkursionen Wald und Naturschutz beschäftigten und Dr. Andrea Kirzinger zusammen, und Veranstaltungen auch aktiv mit. mich seit 1981 in Wernigerode. Hier bin immer unter dem Gesichtswinkel eines ich insbesondere meinen Kollegen Heinz einheitlichen Parks. Uwe Wegener Quitt, Hans Epperlein, Kurt Dilg, Achim Nach der Fusion entwickelte sich eine Bauling, Jochen Wernecke und vielen vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Bilder der Tagung | 117

Dr. Uwe Wegener mit Frau Prof. em. Dr. Michael Succow mit Frau

Dr. Uwe Wegener Veranstaltungssaal im Haus der Vereine in Ilsenburg

Dr. Hans-Ulrich Kison Prof. em. Dr. Michael Succow 118 | Bilder der Tagung

Andreas Pusch Dr. Dietrich Hertel

Dr. Michael Petrak Prof. em. Dr. Hans-Jürgen Beug

Dr. Sabine Bernsdorf Dr. Kathrin Baumann Bilder der Tagung | 119

Dr. Gunter Karste Dr. Peter Sacher

Dr. Bernd Nicolai Prof. em. Dr. Dr. h. c. Horst Kurth

Dr. Joachim Müller und Dr. Uwe Wegener (v.l.) Wir bedanken uns beim Fotografen der Bilder - Dr. Joachim Müller. Bisher erschienen:

Kison, H.-U. & Wernecke J. (2004): Die Farn- und Blütenpflanzen des Nationalparks Hochharz. Forschungsbericht. Wernigerode, 184 S.

Karste, G.; Schubert, R.; Kison, H.-U. & Wegener, U. (2006): Die Pflanzengesellschaften des Nationalparks Harz (Sachsen-Anhalt). Eine kommentierte Vegetationskarte. Wernigerode, 59 S.

Nationalparkverwaltung Harz (2007) (Hrsg.): Walddynamik und Waldumbau in den Entwicklungszonen von Nationalparks. Tagungsbericht zum Wald-Workshop des Nationalparks Harz. Schriftenreihe aus dem Nationalpark Harz, Band 1. 73 S. Impressum Schriftenreihe Aus dem Nationalpark Harz - Band 2 Nationalpark Harz, Lindenallee 35, 38855 Wernigerode Tel. 0 39 43 / 55 02 - 0, Fax 0 39 43 / 55 02 - 37 www.nationalpark-harz.de TUN und LASSEN im Naturschutz

Titelbild: D. Hoffmeister Druck: GCC Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co KG, Calbe 2008