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Band 2, Heft 1: 1-72 Zeitschrift Wiesbaden, Mai 1982 für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen

ISSN 0173-0266

Herausgeber: Der Hessische Minister für Landesentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten, - Oberste Naturschutzbehörde - Herausgeber: Der Hessische Minister für Landesentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten — Oberste Naturschutzbehörde — Redaktion: W. Bauer (Frankfurt am Main); Dr. H.-.I. Bohr (Wiesbaden); K. Fiedler (Offenbach am Main); Dr. W. Keil (Frankfurt am Main); V. Lucan (Wolfhagen) Druck: C. Adelmann, Frankfurt am Main Wiesbaden (1982) Alle Rechte vorbehalten. Für den Inhalt ihrer Beiträge sind die Autoren verantwortlich. 0

Band 2, Heft 1: 1-72 Zeitschrift Wiesbaden, Mai 1982 für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen

ISSN 0173-0266

Herausgeber: Der Hessische Minister für Landesentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten, - Oberste Naturschutzbehörde - Inhaltsverzeichnis Seite

G. MERKEL: Jäger und Flurneuordnung— Praktische Hinweise zur Ausführung der Hegepflicht 3

W. BAUER, W. GRAF, K. GREBE & G. KRAPF: Die Entwicklung des Naturschutzgebietes „Rhäden von Obersuhl" (Landkreis Hersfeld-Rotenburg) 15

J. HOLLAND-LETZ: Eine Überlebensstrategie für die letzten Weißstörche im Auenverband der Schwalm (Nordhessen) 33

H. LINGEMANN & E. THÖRNER: Braunkohlenbergbau und Naturschutz in der Wetterau (Hessen) 43

H.-1. BOHR & C. KRAFT: Hessens neue Naturschutzgebiete (6) 49

Kleine Mitteilungen:

J. C. TAMM: Karmingimpel (Carpodacus erythrinus) übersommerte 1980 und 1981 in Marburg/Lahn 59

J. C. TAMM: Zwergschnäpper (Ficedula parva) bei Marburg/Lahn 61

V. LUCAN & G. SCHUMANN: Zum sichtbaren Wanderzug der Meisen (Blau-, Kohl- und Tannenmeise — Parus caeruleus, P. major, P. ater) im Kreis Kassel 1979-1982 61

Mitteilungen der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen Rheinland-Pfalz und Saarland

R. ROSSBACH: Vogelschutz und Modellflugsport 63

Aus der Hessischen Landesanstalt für Umwelt

H.-J. BOHR: Vogel- und Naturschutz in Recht und Gesetz (6) Regenerationsgebiete 69

Neue Literatur 13 14, 58, 68, 72

2 Zum Deutschen Naturschutztag in Kassel

Aus Anlaß des Deutschen Naturschutztages, der nach 25 Jahren auf Ein- ladung der Hessischen Landesregierung wieder in Kassel durchgeführt wird, finden im nordhessischen Raum Exkursionen zu Naturschutzgebieten und interessanten Biotopen statt, die für die Redaktion der Zeitschrift „Vogel und Umwelt" Anlaß zu entsprechender Berichterstattung sind.

Die deutschen Naturschutztage mit ihrer großen Tradition haben gerade in den letzten Jahren unter Beweis gestellt, daß sich eine immer größere An- zahl von Bürgern für die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege interessiert. Hervorgegangen aus einer sehr aktiven Vogelschutzbewegung der fünfziger und frühen sechziger Jahre hat sich das Umweltbewußtsein heute zu einer umfassenderen Denkweise entwickelt. Damit werden aller- dings die Aufgaben des Vogelschutzes nicht minder wichtig, sind es doch gerade die Vögel, die neben anderen Arten eine überragende Indikator- eigenschaft besitzen. „Vogel und Umwelt" hat diese Fragen auch in der Vergangenheit immer wieder aufgegriffen und deren Bedeutung vertieft und verdeutlicht. Ich hoffe, daß gerade das Forum des Deutschen Natur- schutztages mit seinem auch über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hinausreichenden Echo ein geeigneter Ort für die Diskussion dieser Fragen und der Bedeutung des Vogel- und Naturschutzes ist. Die Teilnehmer des Deutschen Naturschutztages werden auf den vielfältig an- gebotenen Exkursionen mit den Problemen des Naturschutzes in einer Landschaft konfrontiert, die, im Gegensatz zu Südhessen, noch weniger belastet ist.

Dennoch sind auch hier bereits Entwicklungen erkennbar, die zu einem Artenschwund geführt haben. Ich habe auf diese Entwicklung mit großer Besorgnis in meinem vor wenigen Wochen vorgelegten „Umweltbericht 1982" hingewiesen und darauf aufmerksam gemacht, daß es schließlich eine Überlebensfrage nicht nur unserer, sondern auch kommender Genera- tionen ist, die auch heute noch vorhandene Artenfülle als wertvolles gene- tisches Ausgangspotential zu erhalten. Der Naturschutz muß daher ver- suchen, der zwar interessierten, aber häufig nur gering informierten Be- völkerung die weltweite Bedeutung dieser Fragen klarzumachen und an die Verantwortung der heutigen Generation zu erinnern, die für das Über- leben und die Erhaltung der Lebensgrundlagen der Menschen des kom- menden Jahrtausends verantwortlich ist.

Der Bericht an den amerikanischen Präsidenten „Global 2000" hat noch einmal all die Warner der frühen Stunde bestätigt, die als belächelte Na- turapostel oder Vogelschützer in den fünfziger Jahren weitgehend auf ver- lorenem Posten gestanden haben. Die Ausgangssituation ist heute eine andere. Ich hoffe, daß sich die Erkenntnis weitgehend durchsetzen wird, daßTier- und Pflanzenarten ebenso eine Existenzberechtigung auf unserem Planeten haben, wie wir Menschen, die wir ebenfalls nur eine Art in der großen Fülle weltweit vorkommender Arten darstellen. ich möchte daher diese Gelegenheit nutzen, den Organisationen des, Deutschen Naturschutztages 1982, aber auch den vielen freiwilligen Mitar- beitern der Zeitschrift „Vogel und Umwelt" für ihre aufopferungsvolle Mit- arbeit zu danken, weil nur dadurch unser Ziel erreicht werden kann, die gesamte Bevölkerung von der Bedeutung des Naturschutzes zu überzeu- gen. Der Staat kann diese Aufgabe nur zum Teil erfüllen. Er ist dabei auf die Mitarbeit von engagierten Bürgern angewiesen, wie dies in Hessen in einer Weise vorbildlich praktiziert wird, die ich als einmalig bezeichnen möchte. Die in den hessischen Naturschutzorganisationen zusammengeschlossenen etwa 300.000 Bürger haben einen entscheidenden Anteil daran, daß der Stellenwert von Natur und Landschaft in diesem Lande in einem Maße gestiegen ist, wie das vor wenigen Jahren noch undenkbar war.

Der Hessische Minister für Landesentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten

(Karl Schneider) Zeitschrift fürVogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 3-13 (1982)

Jäger und Flurneuordnung - Praktische Hinweise zur Ausführung der Hegepflicht -* von GERHARD MERKEL, Hanau

Jäger und Flurneuordnung scheinen auf den ersten Blick in keinem Zusammenhang zu stehen. Eine Verbindung zwischen diesen beiden Begriffen wird erst deutlich, wenn sie weiter gefaßt werden und durch Naturschutz auf der einen Seite bzw. durch Land- wirtschaft und Landentwicklung auf der anderen Seite ersetzt werden. Damit ergeben sich zwei Positionen, die von den meisten bisher immer als besondere Gegensätze bei der Landnutzung gesehen wurden. In vielen Fällen waren auch in der Vergangenheit Landwirte und Naturschützer Kontra- henten, die jeder.für sich ihre eigenen Standpunkte vertraten und sich viel zu wenig mit den Belangen des Anderen befaßt haben. Durch das neue Bundesjagdgesetz und die Neufassung des Hessischen Ausführungs- gesetzes zum Bundesjagdgesetz ist nun ein Schritt auf dem Weg zum Miteinander von Naturschutz und Landwirtschaft getan worden, denn zur Erfüllung des Gesetzes- auftrages, gerade des jeweiligen Paragraphen 1, ist eine große Kooperationsbereit- schaft notwendig.

Bundesjagdgesetz In § 1 des Bundesjagdgesetzes vom 1. April 1977 wird nämlich mit dem Jagdrecht auch zwingend die Pflicht zur Hege verbunden. Das Ziel dieser Hege ist „die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen ange- paßten artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen ... ".

Hessisches Ausführungsgesetz Diesen Auftrag des Bundesgesetzes hat auch das Hessische Ausführungsgesetz vom 24. Mai 1978 in seinem § 1 zugrunde gelegt, wo es heißt: „In jedem Jagdbezirk sollen ausreichende Flächen für die Anlage von Wildäsungs- flächen bereitgestellt werden. Das Nähere regeln die Durchführungsvorschriften." Dieser gesetzliche Auftrag zur Hegepflicht geht über die bisherige „Hege mit der Büchse" wesentlich hinaus. Mit der „Pflege und Sicherung der Lebensgrundlagen" des Wildes bzw. mit dem Auftrag zur Anlage ausreichender Flächen für die Wildäsung ist hier. der neue Begriff der Biotophege hinzugekommen. Wenn dies auch in Form einer Sollvorschrift gefaßt ist, so heißt dies jedoch nicht, daß der Hegepflichtige sich dieser Forderung nach Belieben entziehen kann. Wird nämlich einem Bürger durch eine Sollvorschrift eine Verpflichtung auferlegt, so bedeutet dies, daß er dieser Verpflichtung im Normalfall nachzukommen hat. Nur in besonders begründeten und überprüften Ausnahmefällen kann diese Verpflich- tung entfallen. Das gesetzlich auferlegte „Sollen" ist also regelmäßig mit einem „Müssen" gleichzusetzen. Die Sollvorschrift gibt auch der überwachenden Behörde kaum die Möglichkeit, von ihrer Vollziehung abzusehen. * Vortrag von Ltd. Regierungsdirektor Gerhard Merkel, Leiter des Amtes für Landwirtschaft und Landentwicklung Hanau, bei den Fortbildungstagungen des Landesjagdverbandes Hessen e. V. am 10., 17. und 24. 3. 1979

3 Mit der Biotophege verlangt der Gesetzgeber die Erhaltung bzw. Gestaltung der Lebensräume des Wildes, d. h. der Nahrungs- und Deckungsflächen, die durch zivili- satorische Eingriffe immer mehr eingeengt werden. Dabei spielt sich die Biotophege in zwei großen Nutzungskomplexen ab: 1. Im Wald und in der Waldgemengelage findet das Wild zu seinem Schutz ausrei- chende Deckungsmöglichkeiten. Im Minimum sind hier Freiflächen, die das Wild für eine artgerechte Äsung braucht. 2. In der Feldlage hingegen sind Äsungsflächen meist ausreichend vorhanden. Hier fehlen aber vorwiegend Deckungsflächen, d. h. Refugien, in die das flüchtende Wild unterschlupfen kann, oder wo es seinen Einstand und seine Kinderstube hat, wenn rundherum eine hochmechanisierte Landwirtschaft betrieben wird.

Der zweite Komplex, nämlich die Schaffung von Feldholzinseln, soll im folgenden näher betrachtet werden, wobei unter Feldholzinseln allgemein Großgrün verstanden wird. Die Biotophege hat in der Praxis einzusetzen, wenn in einer Feldgemarkung Hecken, Bäume, Raine, Brachen oder andere Feldgehölze stark im Minimum sind. Dabei schwanken die Vorstellungen über den anzustrebenden Flächenanteil solcher Feld- holzinseln an der Feldgemarkung noch zwischen 0,5-1,0'90, wobei im folgenden von 0,5 0/0 ausgegangen wird. Man sollte nicht gleich mit maximalen Forderungen an die Grundeigentümer heran- gehen. Es kommt vielmehr darauf an, mit realistischen Vorstellungen das Machbare durchzusetzen, als mit überzogenen Ansprüchen den Trotz der Betroffenen heraus- zufordern und sich in zeitaufwendige Auseinandersetzungen einzulassen. Der neuralgische Punkt der neuen Gesetzesforderung ist die Flächenbeschaffung. Die gesetzliche Bestimmung der Hegepflicht — auch in Form der Biotophege — richtet sich ganz eindeutig an die Jagdrechtsinhaber, d. h. an die Grundstückseigentümer im Jagdbezirk. Das Problem der Flächenbereitstellung wird sich dabei ganz verschieden stellen. In marginalen Bereichen, d.h. in den von der Natur benachteiligten Gebieten des Mittel- gebirgsraumes, dürfte — wenn überhaupt notwendig — die Flächenbereitstellung kaum auf Schwierigkeiten stoßen. Aufgrund der natürlichen Gegebenheiten sind diese Räume durch hohe Waldanteile, kleinräumige Strukturen mit Gemengelagen von Wald und landwirtschaftlichen Nutzflächen und eine vielfältige Gliederung durch Hecken, Gebüsch- oder Baumgruppen gekennzeichnet. In einer solchen Landschaft steht dem Wild bereits ein so großes Potential an Feld- holzinseln und Waldrändern zur Verfügung, daß es in den meisten Fällen ausreichende Deckungsmöglichkeiten findet. Die Schwierigkeiten bei der Flächenbereitstellung für Feldholzinseln wachsen mit der Bodengüte, besonders in den intensiv bewirtschafteten Ackerbaugebieten wie z. B. in der Wetterau, in der Schwalm oder im Hessischen Ried. Die landwirtschaftlichen Nutz- flächen stellen hier nicht nur den Minimumfaktor bei der landwirtschaftlichen Betriebs- organisation dar, sondern werden auch täglich durch außerlandwirtschaftlichen Bedarf wie Straßenbau und Siedlungserweiterungen immer weiter eingeengt. Die Folge ist, daß bei dem großen Landhunger der Landwirte jeder Quadratmeter einer nachhaltigen Bewirtschaftung unterzogen wurde. Diesem ökonomischen Zwang fiel dann oft auch der letzte natürliche Bewuchs in der Feldgemarkung zum Opfer. Das Ergebnis war eine ausgeräumte Landschaft, ein gestörter Lebensraum für das Wild sowie eine Ver- armung der Tier- und Pflanzenarten. Gerade hier, wo es am dringendsten ist, wird aber der gesetzliche Auftrag besonders schwer durchzusetzen sein. Die Biotophege durch Schaffung von Feldholzinseln, die für eine Wiederbesiedlung des Raumes mit wild- lebenden Tieren dringend notwendig ist, steht hier in harter Flächenkonkurrenz mit den Landwirten.

4 Hier können die Flurbereinigungsbehörden wertvolle Hilfe leisten. Mit der Flurneu- ordnung kann in Gemarkungen, in denen der natürliche Bewuchs im Minimum ist, das Vollzugsdefizit von Biotopflächen gegenüber den landwirtschaftlichen Flächen ge- mindert werden. Aber nicht nur die Flurneuordnung kann zur Biotophege beitragen.

Ämter für Landwirtschaft und Landentwicklung

Die Aufgaben der Ämter für Landwirtschaft und Landentwicklung, die im Zuge der Funktionalreform 1978 durch Zusammenlegung der Flurbereinigungsverwaltung und der Landwirtschaftsverwaltung entstanden sind, gehen nämlich weit über die reine Flurneuordnung hinaus. Der Bogen spannt sich von — der Agrarstrukturellen Vorplanung über — die Landschaftspflege und Landschaftsplanung, — die Durchführung des Hessischen Naturschutzgesetzes, — die ländliche Siedlung, — die landwirtschaftliche Förderung und Beratung und — die Dorferneuerung bis hin zu — den Aufgaben als Träger öffentlicher Belange. Alles Bereiche, in denen das Amt für Landwirtschaft und Landentwicklung täglich mit den Problemen der Landschaftspflege und des Naturschutzes befaßt ist und wo auch die Interessen der Biotophege ganz hautnah berührt werden. Aus der Aufzählung ist zu erkennen, daß ein wesentlicher Teil der Aufgaben unserer Behörde der Landwirt- schaft gewidmet ist. Hier ist es das Ziel, das organisch gewachsene System der bäuerlichen Landwirtschaft, d. h. das ausgewogene Nebeneinander von Haupterwerbs- und Nebenerwerbslandwirtschaft zu erhalten. Denn nur so ist es möglich, eine reich gegliederte Landschaft und gesunde Umwelt einigermaßen zu sichern. Wir wenden uns deshalb auch gegen den weiteren Anstieg der industriellen Produktion von Nah- rungsmitteln mit allen ihren negativen Begleiterscheinungen. Durch die ebenfalls zum Amt für Landwirtschaft und Landentwicklung gehörende land- wirtschaftliche Fachschule sowie die landwirtschaftliche Berufsausbildung und Er- wachsenenfortbildung ist es außerdem möglich, die Ziele des Natur- und Landschafts- schutzes und — darin eingeschlossen — auch die Biotophege umzusetzen. Die Aufklärung der Bürger vor Ort über die Ziele der Landschaftspflege und Biotop- hege ist eine wichtige Voraussetzung für die Schaffung von Feldholzinseln, die ja nicht nur dem jagdbaren Wild zugute kommen, sondern auch dem Schutz der vorhandenen Tiere und Pflanzen dienen. Die Schaffung von Feldholzinseln für die Biotophege als eine flächenbeanspruchende Maßnahme wäre verfahrenstechnisch in zwei Arbeitsschritte aufzuteilen:

1. die planerische Vorbereitung, die in der Agrarstrukturellen Vorplanung erfolgen müßte, wo im Zuge der Flächenfunktionsplanung zu untersuchen wäre, — in welchem Umfang bereits Feldholzinseln zur Biotophege vorhanden sind, — wieviele und wo neue geschaffen werden müssen und — ob dies in einem Flurbereinigungsverfahren oder nur außerhalb der Flurneuord- nung erfolgen kann; 2. die praktische Durchführung, die im Flurbereinigungsverfahren erfolgt.

Agrarstrukturelle Vorplanung

Bei der planerischen Vorbereitung hat die Agrarstrukturelle Vorplanung Vorgaben zu leisten. Als überörtliche fachliche Entwicklungsplanung im ländlichen Raun ist sie eine Gemeinschaftsarbeit der Ämter für Landwirtschaft und Landentwicklung, der Forstämter sowie der Wasserwirtschaftsämter.

5 Neben der Erfassung der Planungsabsichten aller Planungsträger im ländlichen Raum werden hier z. B. Aussagen über — die landwirtschaftliche Betriebsentwicklung, — die Nutzungseignung der landwirtschaftlichen Flächen, — die notwendigen Landentwicklungsmaßnahmen, — landschaftspflegerische Entwicklungsmaßnahmen sowie — forstliche und wasserwirtschaftliche Planungen erarbeitet. Aufgrund der neuen Jagdgesetzgebung und der Durchführungsvorschrif- ten ist dann auch die Biotophege in die Flächenfunktionsplanung dieser Agrarstruk- turellen Vorplanung mit aufzunehmen. Denn hier auf Gemeindeebene mit überschau- baren Planungsräumen fallen bereits wichtige Vorentscheidungen für die spätere Flächenwidmung. Unter Abstimmung der Flächenansprüche der verschiedenen Land- nutzer kann beispielsweise hier bereits erörtert werden, ob und gegebenenfalls wie- viele Feldholzinseln in den in der Gemeinde befindlichen Jagdbezirken notwendig werden. Nur wenn alle Landnutzer ihre Vorstellungen und Ziele hier einbringen, kann eine ausgewogene Planungsaussage zustande kommen. Die Menschen gewöhnen sich an neue Dinge nur langsam. Oft kommt dann die Ausrede, man habe nichts ge- wußt, wenn vom eigenen Versagen abgelenkt werden soll. So könnte es auch in Fällen der Biotophege werden. Wenn aber bereits in der Agrarstrukturellen Vor- planung die Ziele der Biotophege klar formuliert und in die Flächenfunktions- planung eingegangen sind, dann ist damit auch sichergestellt, daß sie bei der späte- ren Durchführung berücksichtigt werden können. Diese Durchführung der Biotophege kann dann in der Praxis in Flurbereinigungsver- fahren erfolgen.

Aufgaben der Flurneuordnung

Durch die Flurneuordnung kann das jeweilige Verfahrensgebiet „zur Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft sowie zur Förderung der allgemeinen Landeskultur und der Landentwicklung . . . neugeordnet werden". Bei diesen Maßnahmen im agrarstrukturellen Interesse ist die Flurneuord- nung also gleichzeitig dem Wohl der Allgemeinheit verpflichtet, d. h. sie hat einer Vielzahl öffentlicher Interessen, u. a. auch denen des Jagdwesens, Rechnung zu tragen, wie es in § 37 des novellierten Flurbereinigungsgesetzes verankert ist. In der Flurneuordnung werden deshalb die vielfältigen Aufgaben und Ziele der Land- entwicklung sichtbar. Dabei stehen nicht nur die Beseitigung der Besitzzersplitterung oder der landwirtschaftliche Wegebau im Vordergrund, sondern auch Flächenbereit- stellungen für gemeinschaftliche und öffentliche Interessen. Zu nennen sind hier als Beispiele Flächen für den Straßenbau, die Wasserversorgung und Abwasserbehand- lung, den Naturschutz, die Landschaftsgestaltung oder für Erholungseinrichtungen. Die Flurneuordnung ist deshalb zum wichtigsten Instrument bei der Neuordnung des gesamten ländlichen Raumes geworden. Durch das novellierte Flurbereinigungsgesetz von 1976 wurde die Aufgabenstellung der Flurneuordnung, insbesondere auf dem Gebiet der Landespflege, wesentlich er- weitert. Damit haben sich die Berührungspunkte zwischen Landwirtschaft und Landes- pflege erheblich verstärkt. Dies erfordert aber von beiden Seiten eine erhöhte Koope- rationsbereitschaft und ein vermehrtes Verständnis für die Anliegen des Anderen. Insbesondere diese Kooperationsbereitschaft ist notwendig, wenn Feldholzinseln für die Biotophege in einem Flurbereinigungsverfahren geschaffen werden sollen. Denn hier ist die Jagdgenossenschaft auf die Zusammenarbeit mit der Teilnehmergemein- schaft angewiesen. Vor der Erläuterung der für eine Flächenausweisung relevanten Verfahrensschritte im Flurbereinigungsverfahren ist grundsätzlich noch etwas vorauszuschicken:

6 Was im folgenden zur Schaffung von Feldholzinseln im Flurbereinigungsverfahren ausgeführt wird, geht davon aus, daß der Träger solcher Feldholzinseln nur die Ge- meinschaft der Jagdrechtsinhaber, also die Jagdgenossenschaft, sein kann. Als Genos- senschaft des öffentlichen Rechts kann die Jagdgenossenschaft, die vom Gesetzgeber in die Pflicht genommen wurde, auch grundbuchlich als Eigentümer der Feldholzinseln auftreten.

Einleitung des Flurbereinigungsverfahrens

Die obere Flurbereinigungsbehörde kann auf Vorschlag des örtlich zuständigen Amtes für Landwirtschaft und Landentwicklung ein Flurbereinigungsverfahren in die Wege leiten, wenn sie dies für notwendig und zweckmäßig hält. Dabei kommt es auf das wohlverstandene, auf sachlichen Erwägungen beruhende Interesse an. Dies trifft ins- besondere zu, — wenn zersplitterter oder unwirtschaftlich geformter ländlicher Grundbesitz nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zusammengelegt und gestaltet werden muß, — wenn durch Straßen- oder Wegebau Siedlungen oder Einzelhöfe sowie land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen zu erschließen sind, — wenn punktuell wasserwirtschaftliche Maßnahmen notwendig werden, — wenn Flächen für öffentliche oder gemeinschaftliche Anlagen, wie Straßen, Ver- und Entsorgungseinrichtungen oder sonstige Infrastruktureinrichtungen, bereit- gestellt werden müssen oder — wenn durch Großbaumaßnahmen, wie z. B. Autobahnen, Straßen oder Hochwasser- rückhaltebecken, verursachte Durchschneidungsschäden oder sonstige landeskul- turelle Nachteile zu beseitigen sind. Die Ergebnisse der Agrarstrukturellen Vorplanung werden dabei zugrunde gelegt. Vor der Einleitung eines Flurbereinigungsverfahrens werden die Grundstückseigen- tümer in einer Aufklärungsversammlung über das geplante Neuordnungsverfahren eingehend informiert und über Sinn und Zweck der anstehenden Flurneuordnung, über die ihnen dadurch gebotenen Möglichkeiten sowie den zeitlichen und verfahrenstech- nischen Ablauf aufgeklärt. Gleichzeitig werden den Teilnehmern die voraussichtlich anfallenden Kosten und deren Finanzierung eingehend erläutert.

Anordnung der Flurneuordnung — Flurbereinigungsbeschluß

Danach ordnet die obere Flurbereinigungsbehörde das Verfahren durch den Flurberei- nigungsbeschluß an. Es entsteht damit die Teilnehmergemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Teilnehmer sind alle Eigentümer und Erbbauberechtigte der zum Verfahrensgebiet gehörenden Grundstücke. In der Mehrzahl der Gemarkungen wird dabei die Teilnehmergemeinschaft bei der Flurneuordnung in etwa identisch mit der Jagdgenossenschaft sein. Unterschiede er- geben sich bei Eigentümern von Flächen, die zwar im Flurbereinigungsgebiet liegen, aber nicht zum Jagdbezirk gehören oder umgekehrt. Bei Gemarkungen mit mehreren Jagdbezirken und damit auch mehreren Jagdgenossenschaften wird dann die Summe aller in etwa der Teilnehmergemeinschaft entsprechen. Für ihre Vertretung wählt die Teilnehmergemeinschaft einen Vorstand, dessen Mit- gliederzahl je nach Größe und Struktur des Verfahrensgebietes von der Flurbereini- gungsbehörde bestimmt wird.

§ 38 Flurbereinigungsgesetz (FlurbG)

Nach der Anordnung der Flurneuordnung stellt die Flurbereinigungsbehörde die Ziel- vorgaben zusammen, die mit Hilfe des Flurbereinigungsverfahrens erreicht werden

7 sollen. Dazu ist erforderlich, daß alle Behörden, Organisationen und sonstigen Stellen, deren Interessen durch das Flurbereinigungsverfahren berührtwerden können, von der Flurbereinigungsbehörde aufgefordert werden, ihre Zielvorstellungen für die Neuord- nung des Verfahrensgebietes zu nennen. Die Flurbereinigungsbehörde sammelt diese Angaben und stimmt die Forderungen untereinander ab, wobei die übergebietlichen und grundsätzlichen Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung sowie die Agrarstrukturelle Vorplanung berücksichtigt werden. Eine ständige Beteiligung des Teilnehmervorstandes ist dabei unabdingbar. Die so zusammengestellten Vorgaben und Forderungen für die zweckmäßige Neu- gestaltung des Flurneuordnungsgebietes werden dann in einem gemeinsamen Termin mit allen gehörten Stellen nochmals erörtert und abgestimmt. Dieser in § 38 FlurbG verankerte Verfahrensabschnitt ist deshalb auch für die Jagd- genossenschaft wichtig. Denn hier wird ihr Verlangen auf Feldholzinseln mit den Flächenanforderungen anderer geprüft, gegeneinander abgewogen und miteinander koordiniert. Lage, Form und Größe der erforderlichen Feldholzinseln können hierbei schon in Grundzügen zwischen Flurbereinigungsbehörde, Teilnehmervorstand und Vorstand der Jagdgenossenschaft besprochen werden. Die Flurbereinigungsbehörde kann zu diesen Besprechungen auch den Jagdpächter als Nebenbeteiligten am Ver- fahren hinzuziehen.

Wege- und Gewässerplan mit landschaftspflegerischem Begleitplan Die Ergebnisse dieses Termines nach § 38 FlurbG bilden dann mit die Grundlage für die Aufstellung des Wege- und Gewässerplanes mit landschaftspflegerischem Begleit- plan. Dieser Plan umfaßt alle vorgesehenen Ausbau- und Gestaltungsmaßnahmen von ge- meinschaftlichen und öffentlichen Anlagen. Der landschaftspflegerische Begleitplan, der mit dem Wege- und Gewässerplan eine rechtliche Einheit bildet, enthält beispielsweise Aussagen — über erhaltenswürdige Landschaftsbestandteile und Grünbestände, wie Hecken, Feldholzinseln, Buschgruppen, — über Baum- oder Buschgruppen, die aus technischen Gründen an manchen Stellen entfernt werden müssen und an anderer Stelle wieder neu anzupflanzen sind, — über Neuausweisung von Flächen zur Landschaftspflege wie z. B. Feldholzinseln, — über Verbesserung und Sicherung vorhandener Anlagen durch Erweiterung bzw. zusätzliche Begrünung, — über erforderliche Pflegemaßnahmen an den Beständen sowie — über Planungen zur Förderung der Erholungsfunktion im Flurbereinigungsgebiet. Bei allen diesen Vorhaben ist ein Hauptziel des Wege- und Gewässerplanes, die für diese Pflanzungen notwendigen Flächen so genau festzulegen, daß sie bei den Arbei- ten im Flurbereinigungsverfahren von vornherein berücksichtigt werden können. In den Wege- und Gewässerplan mit landschaftspflegerischem Begleitplan können deshalb die noch erforderlichen Feldholzinseln als Zweckgrundstücke aufgenommen werden. Für den Fall, daß die vorhandenen Feldholzinseln den Anteil von 0,5°/o an der Freifläche nicht erreichen und Flächenbereitstellungen für die Biotophege erforderlich werden, wäre folgendes Vorgehen sinnvoll: 1. Von der freien Feldmark werden zunächst die Unruhebereiche abgezogen, die in einem Mindestabstand von 50 m um Siedlungs- und Verkehrsflächen, Sportanlagen, Parkplätze u. ä. liegen. Diese Unruhezonen sind zur Anlage von Deckungsflächen wenig geeignet. 2. Ebenfalls können die Flächen entfallen, die in einem Bereich bis maximal 250 m vom Waldrand entfernt liegen, da hier das Wild in Fluchtdistanz ausreichend Deckungsmöglichkeiten findet. 8 3. Auf den verbleibenden Flächen ist dann die Anlage von Feldholzinseln vorge- sehen, wobei bei der Festlegung des Gesamtumfanges dieser Flächen der vor- handene Gehölzbestand, der zur Biotophege geeignet ist, abzuziehen wäre. Im weiteren Ablauf des Flurbereinigungsverfahrens wird dann der aufgestellte Wege- und Gewässerplan mit landschaftspflegerischem Begleitplan in Text und Karte an die Träger öffentlicher Belange verschickt.

Anhörungstermin nach § 41 FlurbG und Planfeststellung

In einem Anhörungstermin nach § 41 FlurbG, der vier Wochen später stattfindet, wird dann der Plan mit den Trägern öffentlicher Belange einschließlich der landwirtschaft- lichen Berufsvertretung erörtert. Durch die flächenbezogenen Bestimmungen der neuen Jagdgesetzgebung werden im Flurbereinigungsverfahren die hoheitlichen Aufgaben der unteren Jagdbehörde un- mittelbar berührt. Die untere Jagdbehörde ist deshalb sowohl bei der Aufstellung all- gemeiner Grundsätze für die zweckmäßige Neugestaltung des Flurbereinigungsgebie- tes als auch bei der Feststellung des Planes nach § 41 FlurbG zu beteiligen. Eine wesentliche Aufgabe des Anhörungstermines nach § 41 FlurbG ist die Prüfung der im Flurbereinigungsverfahren vorgesehenen Veränderungen auf ihre Umweltver- träglichkeit. Dabei kommt es ganz besonders darauf an, in der Verhandlung die jewei- ligen Normadressaten, also die Behörden, die Betreiber einer Maßnahme und die be- troffenen Teilnehmer, zu tragfähigen umweltschonenden Kompromissen zu bewegen. Anschließend wird der Plan der oberen Flurbereinigungsbehörde zur Feststellung vor- gelegt.

Vermessung und Ausbau der Anlagen Nach der Planfeststellung kann mit der Vermessung sowie dem Ausbau der vorgese- henen Wege, Gräben und Pflanzungen begonnen werden. Hier wäre auch der Beginn für die Anlage der Feldholzinseln.

Neuzuteilung der Grundstücke Die Neuzuteilung der Flächen des Flurneuordnungsgebietes beginnt mit dem Plan- wunschtermin. Hier werden die Wünsche der Grundeigentümer bezüglich der Lage ihrer künftigen Grundstücke angehört und schriftlich festgehalten. Nach Abschluß des Planwunschtermines wird ein Rahmen für die Neuzuteilung auf-, gestellt, wobei zwischen den vielen oft überlagernden Wünschen ein Ausgleich zu schaffen ist. Dieser Vorschlag des Amtes wird dann nochmals mit jedem Teilnehmer abgestimmt und mit diesem dann eine schriftliche Vereinbarung über die Lage seiner neuen Grundstücke getroffen. Anschließend kann die vorläufige Besitzeinweisung, d.h. die Zuweisung der Grundstücke an die neuen Grundstückseigentümer erfolgen.

Flächenbereitstellung für Biotophege in der Flurneuordnung Die Bereitstellung von Land für Feldholzinseln kann in diesem Verfahrensabschnitt wie folgt geschehen:

1. Flächenbereitstellung nach § 40 FlurbG Wenn Jagdbezirk und Flurneuordnungsgebiet sich decken, sind die Jagdrechts- inhaber zugleich auch Teilnehmer am Flurbereinigungsverfahren. Da die Anlage von Feldholzinseln im öffentlichen Interesse liegt, sind die erforderlichen Flächen von den Teilnehmern nach § 40 FlurbG aufzubringen. Hier ist jedoch zu beachten, daß eine Flächenbereitstellung für Anlagen, die einem öffentlichen Interesse dienen,

9 nur in verhältnismäßig geringem Umfang möglich ist. Es wird deshalb notwendig sein, hier von Fall zu Fall nach Prioritäten zu entscheiden. Ist der Jagdbezirk kleiner als das Flurbereinigungsgebiet, dann dient die Flächen- bereitstellung nicht allein dem wirtschaftlichen Interesse aller Teilnehmer. Die Jagd- genossenschaft hat in diesem Fall für die nach § 40 FlurbG aufgebrachten Flächen der Teilnehmergemeinschaft einen angemessenen Kapitalbetrag zur Verfügung zu stellen. Die Flächen für die Biotophege werden der Jagdgenossenschaft, die als Genossenschaft des öffentlichen Rechts grundbuchfähig ist, zu Eigentum zugeteilt.

2. Ankauf von Flächen nach § 52 FlurbG Die Teilnehmergemeinschaft kann für die Jagdgenossenschaft Flächen zur Schaf- fung von Feldholzinseln ankaufen. Die Möglichkeit dazu gibt § 52 FlurbG, wonach Teilnehmer mit ihrer Zustimmung statt in Land ganz oder teilweise in Geld abgefun- den werden können. Die eventuell erforderlichen Mittel dafür kann die Teilnehmer- gemeinschaft durch Aufnahme eines Darlehens aufbringen, das von der Jagdge- nossenschaft zu übernehmen und innerhalb von 10 Jahren zurückzuzahlen ist. Dafür ist eine bindende Verpflichtungserklärung der Jagdgenossenschaft zur Übernahme der Flächen und Kosten notwendig. Die Jagdgenossenschaft wird dann in die Zweckgrundstücke eingewiesen. Beim Ankauf von Flächen durch die Jagdgenossen- schaft besteht allerdings zur Zeit noch Unsicherheit darüber, ob Grunderwerbsteuer zu zahlen ist. Hier wäre es notwendig, mit der Finanzverwaltung Klärung herbeizu- führen.

3. Die Jagdgenossenschaft oder der Jagdpächter als Eigentümer von Flächen im Verfahrensgebiet Haben die Jagdgenossenschaft oder der Jagdpächter bereits Flächen im Eigentum, dann sind sie Beteiligte des Flurbereinigungsverfahrens und können entsprechend dem Wert des eingebrachten Altbesitzes in die Zweckgrundstücke eingewiesen werden.

Aufstellung des Flurbereinigungsplanes Der endgültige rechtliche Schritt der Neuzuteilung der Grundstücke erfolgt jedoch erst mit dem Flurbereinigungsplan. Er beinhaltet die Festsetzungen des Wege- und Ge- wässerplanes mit landschaftspflegerischem Begleitplan und die Neuzuteilung der Flächen an die Beteiligten. Für Festsetzungen, die im gemeinschaftlichen Interesse der Beteiligten oder im öffentlichen Interesse getroffen werden, hat der Flurberei- nigungsplan die Wirkung einer Gemeindesatzung. Für eine Jagdgenossenschaft, die Grundstücke zur Schaffung von Feldholzinseln zu- gewiesen bekommen hat, würde dies bedeuten, daß im Flurbereinigungsplan auch festgesetzt werden kann, wie diese Feldholzinseln zu bepflanzen und anschließend zu pflegen sind. Der Flurbereinigungsplan ist durch die obere Flurbereinigungsbehörde zu genehmigen. Er wird dann den Beteiligten in einem Termin bekanntgegeben. Widersprüche sind hier oder innerhalb von zwei Wochen schriftlich vorzubringen. Sind die Widersprüche vom Amt nicht auszuräumen, werden diese der Spruchstelle bei der oberen Flurbereinigungsbehörde zur Entscheidung vorgelegt. Gegen deren Entscheidung können die Beteiligten Klage beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof erheben. Soweit zum formellen Ablauf eines Flurbereinigungsverfahrens. Ergänzend soll jetzt noch ausgeführt werden, wie in einem Flurbereinigungsverfahren die landschafts- pflegerischen Vorhaben technisch durchgeführt werden und welche Schwierigkeiten sich dabei — speziell auch bei der Schaffung von Feldholzinseln — ergeben können.

10 Forderungen von Landwirtschaft und Naturschutz als Gegensatz

Eingangs wurde bereits auf die Konfliktlage von Landwirtschaft und Landschaftspflege hingewiesen. Die Landwirtschaft fordert heute von der Flurneuordnung den möglichst größten wirt- schaftlichen Erfolg. Bei der immer weiter fortschreitenden Mechanisierung ist die, Landwirtschaft natürlich für eine möglichst großzügige Planung empfänglich, die in jedem Fall einen einwandfreien großflächigen Maschineneinsatz gewährleisten soll. Auf der anderen Seite verlangt der Naturschutz möglichst wenige Änderungen am Landschaftsbild. Es ist verständlich, daß es hier häufig zu Interessenkonflikten kommen kann. Die Verwirklichung allein der landwirtschaftlichen Vorstellungen und Forderungen würden schmerzliche Eingriffe in den natürlichen Bewuchs der Gemarkungen verur- sachen und ausgeräumte Landschaften hinterlassen. Andererseits würde eine Flur- neuordnung, bei der alles beim alten bleibt, ihrem Auftrag zur Verbesserung der Pro- duktions- und Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft nicht gerecht werden. Ein Kompromiß ist deshalb in jedem Fall notwendig. Die Flurbereinigungsbehörde vermeidet deshalb von vornherein einseitige Positionen und geht bei der Konzeption z. B. des neuen Wegenetzes vom vorhandenen Bewuchs in der Gemarkung aus. Es wird dabei versucht, den topographischen Verhältnissen entsprechend, die neuen Wege entlang von bestehenden Hecken zu legen, um diese Hecken dann mit in öffentlichen Besitz überführen zu können. Damit wird das Neue in das Bestehenbleibende eingegliedert. Aber nicht alle Hecken und Bäume können dabei stehenbleiben. Eine neue Feldeintei- lung bedingt, daß teilweise Eingriffe in den Bewuchs unvermeidbar sind. Solche Maßnahmen erfolgen aber nicht wahllos. Im § 37 FlurbG, der konkret die Neu- gliederung des Flurneuordnungsgebietes regelt, fordert der Gesetzgeber die „Beach- tung der jeweiligen Landschaftsstruktur". Darunter sind im allgemeinen in der Praxis nicht nur die Erhaltung des Erscheinungsbildes eines „Landschaftstypes" sondern auch die Erhaltung der ökologisch notwendigen Substanz und der nutzungsbegleitenden Landschaftselemente zu verstehen.

Bewertung der Landschaftselemente

Es ist deshalb zunächst einmal die vorhandene ökologische und landschaftsgestal- tende Substanz zu erfassen. Dies erfolgt mit einer Aufnahme, bei der Hecken, Gehölz- gruppen, Feldgehölze, Einzelbäume, Baumreihen und Alleen sowie die Waldränder nach objektiven Kriterien untersucht werden. Als Bewertungskriterien werden dabei z. B. herangezogen: — die Größe bzw. Ausdehnung sowie der Zustand der Landschaftselemente, — die Vegetation, insbesondere die Anzahl der Gehölzarten, — spezielle Standorte bzw. Standortbedingungen, — Raumwirksamkeit und landschaftsgestalterischer Wert sowie — nutzungsbegleitende Werte, wie Bodenschutz, Windschutz oder Immissionsschutz.

Die Bewertung dieser verschiedenen Kriterien führt dann zu der Aussage, ob die Landschaftselemente — erhaltenswert, — erhaltenswürdig oder — nicht erhaltensnotwendig sind.

Wenn es also aus technischen Gründen zwingend notwendig wird, den natürlichen Bewuchs einer Gemarkung zu verändern, dann kann bereits bei der Planung entschie- den werden, wo dies am besten möglich ist, ohne den Naturhaushalt und das Land-

11 schaftsbild gefährdend zu beeinträchtigen. Gleichzeitig sind dann Ersatzpflanzungen als Ausgleichsmaßnahmen festzulegen. Denn die unbedingt notwendigen Eingriffe werden zur Erhaltung der ökologischen Substanz sofort wieder durch Neuanpflanzun- gen in der Nachbarschaft geheilt. Es erfolgt hier also lediglich eine Verschiebung des Bewuchses auf engem Raum. Diese „Verschiebung" des Bewuchses darf aber auf gar keinen Fall in der Gemarkung in einem einzigen Jahr erfolgen. Vielmehr ist es notwendig, diese Maßnahmen ab- schnittsweise über mehrere Jahre verteilt vorzunehmen. Nur so ist gewährleistet, daß organische Schäden so gering wie möglich gehalten werden und daß z. B. permanent ein bestimmter Bestand an Bewuchs vorhanden ist. Neben diesen Ersatzpflanzungen und den in der Flurneuordnung geschaffenen Schutz- pflanzungen oder Pflanzungen zur Landschaftsgliederung gibt es auch noch weitere Möglichkeiten für die Schaffung von Feldholzinseln zur Biotophege. Es gibt immer wie- der Grundstücke wie z. B. verlassene Kiesgruben oder Steinbrüche, Wegeböschungen, Wegedreiecke und Felsinseln, die keinem Grundstückseigentümer zugeteilt werden können. Diese Flächen können ebenfalls für die Biotophege ausgewiesen und in den Besitz der Gemeinde oder der Jagdgenossenschaft gegeben werden. Die Flurbereinigungsbehörde ist also bemüht, mit ihren Maßnahmen im Interessen- konflikt zwischen der vorwiegend betriebswirtschaftlich denkenden Landwirtschaft und den ökologischen Flächenfunktionen einen Ausgleich zu finden. Dabei konzentrieren sich die Maßnahmen für Naturschutz und Landschaftspflege nicht auf den reinen Artenschutz, d. h. auf die Sicherung nur einer einzelnen Pflanzen- oder Tierart, sondern haben den Schutz komplexer Lebensgemeinschaften zum Ziel. Die Anlage von Hecken und Feldgehölzen sowie die Anlage von Remisen zur Deckung und Äsung für das Wild überlagern sich mit anderen Nutzungsansprüchen, z. B. auf dem Gebiet des Vogel- und Pflanzenschutzes, und führen zur Bildung weiterer Öko- zellen in der Landschaft. Es werden dadurch Flächen geschaffen, in denen z. B. Vögel, Igel, Eidechsen, Nattern, Kröten, zusammen mit Fasan, Rebhuhn, Hase oder Reh Lebensräume finden, in denen sie sich bergen, ihre Nahrung finden und ihre Kinder- stube einrichten können. Zur Erhaltung und Neubegründung einer solchen Artenviel- falt sind daher grenzlinienreiche Feldholzinseln notwendig. Bei der Ausweisung der Feldholzinseln ist deshalb die Beachtung dieser Randstufen-Wirkung besonders wich- tig. Sie weist außerdem darauf hin, daß mehrere kleine gegliederte Feldholzinseln, die schrotschußartig über die Feldflur verteilt sind, eine bessere Wirkung haben als wenige große Flächen. Bei letzteren kann es zu Wildkonzentration kommen, die dann erhebliche Beeinträchtigungen für die umliegenden landwirtschaftlichen Nutzflächen mit sich bringen und dann wiederum den Widerstand der Landwirte gegen die Feld- holzinseln hervorrufen. Eines ist aber bei diesen Neupflanzungen sicher: Da sie zweckmäßig angelegt sind, haben sie größere Aussichten, bestehen zu bleiben als Bestände, die den Landwirten bei der Bewirtschaftung hinderlich sind und ein rationelles Arbeiten erschweren. Solche Bestände werden immer wieder von einzelnen Bewirtschaftern eigenmächtig entfernt und sind damit für die Zwecke des Biotopschutzes verloren. Deshalb ist der Weg, der heute in der Flurneuordnung beschritten wird, nämlich für Bestände, die aus einem technischen Zwang weichen müssen, im gleichen Zuge Ersatzpflanzungen an benachbarten, die Landwirtschaft nicht behindernden Stellen neu zu pflanzen, der richtige. Die Menschen haben es bisher immer vorzüglich verstanden, für den Schutz ihrer eigenen Interessen zu sorgen und haben sich dafür die verschiedensten rechtlichen Instrumente geschaffen. Anders ist es, wenn es um den Schutz der Lebensinteressen von Tieren und Pflanzen geht, die sich nicht selbst vertreten können. Für diese müssen engagierte Bürger die Interessenvertretung übernehmen.

12 Ein wesentlicher Schritt zu einer rechtlichen Absicherung wurde auch mit der Koppe- lung der gesetzlichen Pflicht der Hege an das Jagdrecht getan. Damit sind die Grund- eigentümer zur Pflege und Sicherung der Lebensgrundlagen des Wildes verpflichtet. Darüber hinaus sollte aber jeder in seinem Bereich dazu beitragen, eine ausgeglichene ;und reichgegliederte Landschaft zu sichern, damit wir nicht eines Tages in einer stummen und ausgebeuteten Natur stehen.

Anschrift des Verfassers: Ltd. Reg.-Dir. GERHARD MERKEL, Amt für Landwirtschaft und Landentwicklung Hanau, Freiheitsplatz 4, 6450 Hanau

Neue Literatur MAURER, W. (1981): Die Pflanzenwelt der Steiermark, 147 Seiten, 41 Farb- und Schwarzweiß-Fotos, sowie 35 Übersichtskarten. Verlag für Sammler, Graz.

Wer hat sich nicht schon an seinem Urlaubsort in einer Buchhandlung nach Büchern über Fauna oder Flora des Urlaubsgebietes umgesehen? In vielen Fällen gab es auf den ersten Blick sogar einen gewissen Erfolg des Bemühens. In allgemeinen Reise- führern fanden sich Kapitel hierzu, wenn es nicht sogar Bücher gab, die, meist mit farbigen Fotos überladen, versprachen, Auskunft über die spezielle Lebewelt der Landschaft zu geben. Aber schon beim Durchblättern stellte man dann fest, daß der Wert solcher Veröffentlichungen sich auf die farbigen Fotos begrenzte; ein drittklas- siger Autor hat mal wieder etwas zusammengestellt, was die Ansprüche eines interes- sierten Laien kaum erfüllen kann. Der Kauf erfolgte dann doch aus Verlegenheit, ein- fach deshalb weil es nichts besseres gibt. Wer als an der Pflanzenwelt Interessierter nun seinen Urlaub in der österreichischen Steiermark verbringen will, findet jetzt ein Buch vor, welches über die steierische Pflanzenwelt in vorbildlicher Weise informiert: W. MAURER: „Die Pflanzenwelt der Steiermark". Der Autor ist als Amateur-Wissenschaftler schon lange weit über sein steierisches Forschungsgebiet in wissenschaftlichen Kreisen bekannt. Nun hat er mit Sachkenntnis zusammengetragen, was über die Pflanzenwelt dieses österreichischen Bundeslandes wissenswert ist. Nach einer Einführung über die naturbedingten Vor- aussetzungen wie Geologie, Klima, Florengeschichte usw. charakterisiert er zunächst die Höhenstufen der Vegetation von der „collinen Stufe" bis hin zur „subnivalen Stufe". Anschließend werden dann „Leitpflanzen" mit Verbreitungsbildern, Text und z. T. mit Fotos ausführlich dargestellt, welche für die Höhenstufen, aber auch für die Florengeschichte dieses Landes besonders charakteristisch sind. Alles, was hier ver- mittelt wird, ist wissenschaftlich exakt und dennoch für jeden Laien lesbar. Wer dieses Buch im Urlaub ersteht, wird sich zunächst Regentage wünschen, um Zeit zu haben, all das hier zusammengestellte zur Pflanzenwelt lesen zu können, und an- schließend wird er die Pflanzenwelt, die ihm begegnet, mit neuen Augen sehen. Wer es schon vorher kauft, wird sicherlich von Neugier und Interesse getrieben werden, seinen nächsten Urlaub in der Steiermark zu buchen. Gegenwärtig ist man im nachbarlichen Österreich dabei, die Natur schnellen Gewinnen durch Massentourismus zu opfern. W. MAURERS Buch zeigt, daß es in Österreich besseres gibt, als überlaufene Ski-Pisten. Mit unserem Urlauber-Verhalten können wir auch dazu beitragen, daß das, was der Autor in seinem Buch darstellt, auch erhalten bleibt. W. SCHNEDLER

13 Neue Literatur WÜST, W.: Avifauna Bavariae — Die Vogelwelt Bayerns im Wandel der Zeit. Band 1 Seetaucher bis Wat-, Möwen- und Alkenvögel (1981). Ornitholog. Gesellschaft in Bayern, München, 727 Seiten

Im September 1981 legte Dr. W. WÜST im Auftrag der Ornitholog. Gesellschaft in Bayern in Zusammenarbeit mit H. BANDORF, F. HEISER, W. KRAUS, G. NITSCHE und mit der Hilfe vieler Autoren und hunderter Feldbeobachter den 1. Band der lange erwarteten bayrischen Avifauna vor. Seit Jahrzehnten erfolgte im größten Bundesland mit über 70 000 km2 Fläche unter W. WÜST eine gründliche Dokumentation der bayrischen Vogelwelt (auf noch bestehende Lücken wird im Text hingewiesen). Als Ergebnis liegt nun ein umfangreicher Band in guter Ausstattung vor, der sich in einen allgemeinen Teil mit 45 Seiten gliedert (mit geographisch-geologischem Überblick, Klima-Übersicht, Vegetation und ausführlicherer Darstellung der Wuchsräume in Bayern mit farbiger Karte, aber ohne direkten Bezug zurVogelwelt und Ökologie derVögel). Eingeblendet ist eine Folge ausgewählter Farb- aufnahmen von Landschaftsteilen, meist Feucht- und Seenbiotope und markanteVogel- arten. Es folgen „Streiflichter zur Geschichte derVogelkunde Bayerns" mitAbbildungen hervorragender Vogelforscher. Der allgemeine Teil schließt mit „Betrachtungen zur Entwicklung der Vogelwelt Bayerns" ab, ergänzt mit Standortaufnahmen und Brutbio- topen in Schwarzweißbildern. Den großenspeziellen Teil leiten wichtige Zahlen und Abkürzungen sowie Häufigkeits- angaben ein. Diese wären sicher besser auffindbar auf dem inneren Buchdeckel oder auf einem freien Lesezeichen (wie in KLAFS & STUBS 1979). In den ausführlichen Artkapiteln des 1. Bandes werden 207 Arten dargestellt, vom Sterntaucher bis zum Papageitaucher, etwa die Hälfte der in Bayern überhaupt zu er- wartenden Vogelarten. Umfang und Gliederung der einzelnen Artkapitel sind auch nicht annähernd gleich gestaltet und gegliedert. So umfassen z. B. die Kapitel von auffälligeren Arten wie Zwergtaucher ca. 16, Weißstorch ca. 13, Turmfalke 2,5, Lach- möwe 14 und Graureiher 27, 5 Seiten. In der Gliederung der Artkapitel wechseln je nach Vogelart und ihrer Erforschung die Schwerpunkte und Kartendarstellungen. So lautet die Gliederung beim Prachttaucher: Namen, Rassen, Status, Häufigkeit, Rastbiotope, Nahrung, Mauser, Phänologie, Literatur, Offene Fragen, Gefährdung, bei anderen Arten heißt die Gliederung: Ver- breitung, Chronik, Biotop, Fortpflanzungsbiologie, Erforschungsgeschichte, Schutz, Prognosen. Dabei sollten die allgemein biologischen Kapitel wie Nahrung, Mauser, Fortpflanzung besser dem „Handbuch der Vögel Mitteleuropas" vorbehalten bleiben. Insgesamt stellt die Bayern-Avifauna eine umfangreiche Chronik der bayrischen Vogel- welt der letzten Jahrzehnte dar, mit sehr vielen Informationen, die sich nichtbayrische Leser noch besser gestrafft und zusammengefaßt und noch anschaulicher dargestellt und gegliedert wünschen. Hoffentlich kann der 2. Band mit den weiter verbreiteten und häufigeren Singvögeln bald folgen, um auch für die terrestrischen Biotope (wie Feld, Hecke, Wald, Trockenrasen) konkrete und moderne Unterlagen für Umwelt-, Natur- und Vogelschutz zu haben. V. LUCAN

14 Zeitschrift fürVogelkunde und Naturschutz in Hessen •Vogel und Umwelt 2: 15-32 (1982)

Die Entwicklung des Naturschutzgebietes „Rhäden von Obersuhl" bei Wildeck-Obersuhl (Landkreis Hersfeld-Rotenburg) von WILLY BAUER, Frankfurt/Main, WALTER GRAF, KURT GREBE, Obersuhl und GÖTZ KRAPF, Meißendorf

Inhaltsübersicht

1. Einführung 2. Lage, Geologie, Klima 3. Zur Geschichte des Gebietes und seiner Nutzung 3.1. vor 1859 3.2. 1859 — 1970 3.3. 1970 —1982 4. Lebensformen im NSG „Rhäden von Obersuhl" — eine Auswahl 4.1. Flora — Höhere Pflanzen 4.1.1. Die Pflanzengesellschaften 4.1.2. Besonders schützenswerte Florenelemente 4.2. Fauna 4.2.1. Fische 4.2.2. Amphibien 4.2.3. Vögel 5. Maßnahmen zur Pflege und Entwicklung des Gebietes 5.1. Beeinflussung des Wasserstandes 5.2. Pflege der vorhandenen Tümpel 5.3. Überschwemmungsbereich des Suhlbaches 5.4. Pflege der Dämme, Kiesbänke und Wege 5.5. Pflege und Gestaltung der Gehölze an der Nordgrenze 5.6. Pflege der Weidenbestände 5.7. Pflege der Naß-, Mäh- und Hutewiesen am Westufer des Oberen Suhlsees 5.8. Pflege der Gräben 5.9. Lenkung der Fischbestände 5.10. Kontrolle des Chemismus der Gewässer 5.11. Wartung der Ein- und Auslaufbauwerke sowie der Windpumpen 5.12. Lenkung des Tourismus 6. Naturschutzplanung im Umfeld des NSG „Rhäden von Obersuhl" 6.1. Die unmittelbare Nachbarschaft 6.1.1. Nordteil der Rhäden — Mulde 6.1.2. Der Bosseröder Rhäden 6.2. Das mittlere Werratal im hessisch-thüringischen Grenzbereich 7. Ausblick 8. Danksagung 9. Literatur

15 1. Einführung

Die Rückführung eines großen Teils der im vorigen Jahrhundert weitgehend trocken- gelegten Rhäden-Senke bei Wildeck-Obersuhl zu einem vielgestaltigen Feuchtbiotop mit Flachwasserzonen, periodisch austrocknenden Teichen und weiten Naßwiesenberei- chen stellte seit 1970 für den hessischen Naturschutz eine der interessantesten Auf- gaben dar, galt es doch für die hessische Mittelgebirgslandschaft in Erfahrung zu bringen, ob durch gezielte Anlage von Feuchtbiotopen einem Großteil der hochbedroh- ten Pflanzen- und Tierarten dieser Landschaftsteile ein angemessener Lebensraum zu sichern ist. Gerade für Hessen ist diese Frage von Bedeutung, sind doch die ursprünglich vorhan- denen artenreichen Feuchtbiotope wie Naßwiesen, Flachmoore, Altarme, Kleingewäs- ser, natürliche Bach- und Flußläufe sowie Überschwemmungsbereiche innerhalb von wenigen Jahrzehnten fast vollständig der Siedlungsausweitung, Industrialisierung, dem Wasserbau und der veränderten Produktionsweise der Landwirtschaft zum Opfer gefallen. Neben dem konsequenten Schutz der verbliebenen Reste von Feuchtbiotopen scheint nur noch die gezielte Gestaltung entsprechender Lebensräume eine weitere Bestandsbedrohung und ein Aussterben bestimmter Arten aufzuhalten. In diesem Zusammenhang muß betont werden, daß die vielerorts in neuerer Zeit ent- standenen Baggerseen ohne gezielte Gestaltungsmaßnahmen und Nutzungseinschrän- kungen die Vernichtung biologisch wertvoller Feuchtflächen bei weitem nicht kompen- sieren. Zum einen werden diese Gewässer in der Regel durch eine intensive Freizeitnutzung (Segeln, Surfen, Angeln etc.) z. B. für die meisten sehr störungsempfindlichen Vögel als Lebensraum entwertet, zum anderen fehlt bei meist steilen Ufern die für sehr viele Lebensformen notwendige periodisch überflutete breite Uferzone. Da seit Beginn der ersten und heute im wesentlichen abgeschlossenen Gestaltungs- maßnahmen im „Rhäden von Obersuhl" nunmehr über zehn Jahre vergangen sind und eine Reihe von Erfahrungen gesammelt werden konnte, erscheint es gerechtfertigt, eine erste Bilanz zu ziehen. Dabei muß betont werden, daß bei der Beurteilung der Maßnahmen bisher nur ausge- gewählte Tiergruppen sowie die höheren Pflanzen als Indikatoren berücksichtigt wer- den konnten. Für eine umfassendere Beurteilung des Projektes wäre es wünschens- wert, wenn z. B. bei zukünftigen Berichten Untersuchungen zur Entomofauna mit herangezogen werden könnten.

2. Lage, Geologie, Klima:

Das Naturschutzgebiet „Rhäden von Obersuhl" liegt im Südwestteil des Gerstunger Beckens etwa 1 km südwestlich von Wildeck-Obersuhl und 1 km nordwestlich des Werraknies bei Dankmarshausen auf einer Höhe von 215 — 222 m über NN und gehört zur naturräumlichen Haupteinheit des Salzunger Werraberglandes (MEYNEN & SCHMITHÜSEN [1953-62]). MB 5026 (vgl. Karte 1 ). Das Gebiet umfaßt mit einer Fläche von 48,8 ha einen wesentlichen Teil der etwa 200 ha großen Rhäden-Mulde. Nach GAHL (1971) und G. A. W. LUDWIG (in HILLESHEIM — KIMMEL et al 1978) wur- den bei der Ausbildung der Rhäden-Mulde tektonisch bedingte Senkungen zusammen mit solchen wirksam, die infolge von Auslaugungserscheinungen des Zechsteinsalz- lagers entstanden. Diese Salzauslaugungen führten nach GAHL (1971) bis in die neuere Zeit zu Austritten salzhaltiger Wässer im Rhäden z. B. 1739. Für die neueste Zeit muß zusätzlich in Rechnung gestellt werden, daß die seit 1925 (FINKENWIRTH 1964) im Werrakaligebiet erfolgenden Versenkungen von Salzablaugen in den Plattendolomit über die Abdrängung von natürlichen salzhaltigen Tiefenwässern den Austritt von Salz- wässern an der Oberfläche bewirken könnten.

16

GERSTUNGEN

OBERSUHL • NSG „Rhäden von Obersuhl" gepl. N SG „Rhäden v Bosserode" •-... -z ._ 1 •-... .....1 c. --. ' • \ ...- • -•. \ 4 ...- L...4 gepl.NSG „Säulingssee vonj ) Kleinensee "A —.3 I ._ % err« ) \ ,',-;*-1 r 4 DDR r...2 •• r • . i titi I DDR •••.. ,... ' / /../

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NSG „Rohrlache L.s, von Heringen" •—•1

„ \‘. HERINGEN ‘2, ®

• Karte 1 Das Werratal zwischen Philippsthal und Gerstungen A: Altarm bzw. Altarmrest PHILIPPSTHAL G: gestalteter Feuchtbiotop K: Kiesbaggersee K•i kleiner Kiesteich N: Naßwiese NoR: Nordteil der Rhädenmulde 0: oft überschwemmte Flutmulde W: Weißstorchhorst -220- 220 m Isohypse (Werra-Aue) '1. --- Staatsgrenze

1 km

17 Nach BÜCKING (1920) ist die Rhäden-Mulde mit alluvialen Sedimenten bedeckt, die nach GAHL (1971) durch die in die Senke fließenden Bäche Suhl, Lambert und Raß- dorfer Bach eingebracht wurden. Erdarbeiten an verschiedenen Stellen des „Rhäden" deckten bei Arbeitstiefen von bis zu 2 m u. a. blaugrauen Ton, Kies, Sand und dezi- meter dicke Torfschichten auf. Soweit sich aus den sporadischen Aufschlüssen ableiten läßt, sind Tiefenlage und Verteilung der einzelnen Komponenten sehr wechselhaft (vgl. EGELING 1860). Klimatisch gehört das Gebiet zum Klimabezirk Unteres Werraland. (Klimaatlas von Hessen 1949/50 Deutscher Wetterdienst Bad Kissingen). Nach DEIST (1938) liegt die mittlere Jahrestemperatur um 8 °C, die durchschnittliche Niederschlagsmenge beträgt etwa 600 mm. Seit 1977 werden direkt am Rande des „Rhäden" Klimabeobachtungen durchgeführt, um die spezifischen Bedingungen genauer zu erfassen. Eine Diskussion dieser Werte zum jetzigen Zeitpunkt erscheint noch verfrüht.

3. Zur Geschichte des Gebietes und seiner Nutzung 3.1. Vor 1859: Im Bereich der Rhäden-Senke sind seit dem Jungtertiär Seebildungen anzunehmen. Aufgrund von zahlreichen z. T. jungsteinzeitlichen Funden muß für die prähistorische Zeit von 3000 — 500 v. Chr. auf die Existenz eines ausgedehnten fischreichen Rhäden- sees geschlossen werden, der sich in verlandenden Resten bis zur großangelegten Trockenlegung des Geländes 1859 (EGELING 1860; GAHL 1971; IDE 1971) erhalten hat. Nach DEIST (1938) wurden schon 1570 erste vergebliche Versuche unternommen, die Rhäden-Mulde zu entwässern. Zur fischereilichen, jagdlichen und landwirtschaftlichen Nutzung als Hutegebiet s. WILDUNGEN (1818), EGELING (1860) und GAHL (1971).

3.2. 1859 — 1970: Nach der Trockenlegung im Jahre 1859 wurde der Rhäden zur extensiven Grünland- wirtschaft genutzt. 1934 erfolgte eine Tieferlegung der Gräben, wodurch die Austrock- nung des Gebietes verstärkt wurde. Im Zuge der Umstellung der landwirtschaftlichen Produktion erlosch seit Beginn der 60er Jahre das Interesse an der Grünlandnutzung; die letzte Heu- und Krummeternte auf größerer Fläche soll 1968 eingebracht worden sein. In der Folgezeit breiteten sich im Rhäden über weite Bereiche Krautfluren aus, die von Rainfarn-Gestrüpp beherrscht wurden. Fischereilich wurden die Suhl sowie die Entwässerungsgräben durch Angeln genutzt. Die Jagd wurde ohne Beschränkung durch einen privaten Pächter ausgeübt. Das Gebiet war nur für wenige Besucher zum Zwecke der Erholung interessant.

3.3. 1970 — 1982: 1970 erfolgte der erste Antrag der DBV-Vogelschutzgruppe Obersuhl beim Gemeinde- vorstand auf Ausweisung eines NSG „Rhäden von Obersuhl". Annähernd gleichzeitig wurden Pläne der Staatsforstverwaltung bekannt, den Rhäden als Lärchenzuchtanlage zu nutzen. Die privaten und amtlichen Naturschutzorgane setzten sich schließlich durch, so daß das Gebiet im Staatsanzeiger Nr. 50 vom 10. 12. 1973 als Naturschutzgebiet ausgewiesen werden konnte. Um den Rhäden in der weiträumigen offenen Landschaft der nahen Werraaue zu einem vielfältigen Feuchtgebiet zu entwickeln, wurden bis zum jetzigen Zeitpunkt in einer Reihe von Bauabschnitten durch Erdausschiebungen und Teichanlagen eine Vielzahl unterschiedlich großer flacher Wasserflächen geschaffen. Folgende Leitgedanken beherrschten die Baumaßnahmen im Rahmen der technischen Möglichkeiten:

18 — Ausbildung flach auslaufender Uferzonen — Ausbildung möglichst langer Uferlinien — Ausbau einer weitgehend kontrollierbaren Wasserführung zur Erleichterung von Pflegemaßnahmen — Schaffung einer günstigen Beobachtungsmöglichkeit für Besucher, um sie von einem Eindringen in die wertvollen Naßzonen abzulenken. Die folgende Chronik vermittelt einen Eindruck vom Fortgang des Projektes. Von Vor- teil war dabei der relativ langsame Ausbau, jede neue Maßnahme konnte auf die Erfah- rungen mit vorangegangenen Arbeiten abgestimmt werden, wobei über die gesamte Bauzeit die Arbeiten in den Händen der Vogelschutzgruppe lagen.

1. Bauabschnitt 1971: Aufschub einer Flachwasserpfanne von etwa 0,5 ha Größe im Südwesten des heutigen „Oberen Suhlsees" (s. Karte 2).

2. Bauabschnitt 1973/1: Bau eines Trenndamms in N-Südstreichung quer durch den Rhäden zur Abschließung der beiden von West nach Ost verlaufenden Hauptentwässerungsgräben. Bei hoher Wasserführung des Suhlbaches werden die flach liegenden Gebietsteile auf einer Fläche von mindestens 3 ha seitdem dauerhaft überschwemmt (=Oberer Suhlsee); die tiefsten Stellen liegen heute bei etwa einem Meter.

3. Bauabschnitt 1973/2: Bau eines Abschlußdamms längs des Südufers des Suhlbaches bis zu einem Punkt 100 m vor der Ostgrenze des NSG. Von da an biegt der Damm zunächst nach Süden, dann nach Westen in Richtung Grenze ab und folgt dieser bis zum Auftreffen auf den Trenndamm des ersten Bauabschnitts. Hierdurch entstand der „Große Suhlsee" mit einer Fläche von ca. 18 ha bei max. Anstau und einer durchschnittlichen Tiefe von ca. 80 cm; max. Tiefe 1,50 m. Gleichzeitig Einbau eines Teichmönchs und Anlage eines Sollüberlaufs.

4. Bauabschnitt 1974: Anlage des Paulsteiches am Nordufer des Suhlbachs einschließlich Einbau eines Mön- ches. Auffahren von kleinen Querdämmen im rechten Winkel zum Suhlbach zur Vorbe- reitung weiterer Teiche.

5. Bauabschnitt 1975/1: Dammverstärkung am Nord- und Ostufer des „Großen Suhlsees".

6. Bauabschnitt 1975/2: Bau einer Betonbrücke über den Suhlbach. Verstärkung des Hauptdamms zur Auftreff- stelle am Trenndamm zwischen Oberem und Großem Suhlsee.

7. Bauabschnitt 1976/1: PVC-Abflußrohre mit Stahlrohrummantelung zum neu angelegten Paulsteich unter dem Suhlbach hindurch verlegt.

8. Bauabschnitt 1976/2: Zur Eindeichung des Suhlbaches wird am Nordufer ein Hochwasserdamm angelegt. Gleichzeitig wird der Paulsteich fertiggestellt. Die Wasserfläche des Paulsteichs umfaßt etwa 3 ha. Im April wird der in Zusammenarbeit mit dem Bundesgrenzschutz errichtete Beobachtungsstand eingeweiht.

19 9. Bauabschnitt 1976/3: Konstruktion und Bau eines Verteilerbauwerkes im Suhlbach, ebenso Errichtung einer Windpumpe nebst Verbindungsgräben zwischen Suhlbach und Oberem Suhlsee. Das Verteilerbauwerk dient zur max. Ausnutzung des Wasserrechts auf Entnahme von, 20 1/sec für den Oberen Suhlsee (15 I) und den Paulsteich (5 I). Ende 1976 wurde unterhalb der Beobachtungsstation längs des Wanderwegs ein Sicht- wall aufgeschoben. Die Erdentnahme wird zum „Froschweiher", der im Frühjahr 1977 endgültig geflutet wurde.

10. Bauabschnitt 197 7 / 1 : Ausbaggerung eines parallel zur Grenze der DDR verlaufenden Umlaufgrabens im Westteil des NSG; damit Reduktion der Gefahr des Eindringens von Hochwasser- spitzen auf das Gebiet der DDR. Verstärkung des Hauptdamms am Großen Suhlsee durch Einbringung von Grobkies und Einbau von Faschinen durch Jugendliche der hiesigen Schule.

11. Bauabschnitt 1977/2: Errichtung einer Klimastation zur täglichen Ablesung nach den Konditionen des Deut- schen Wetteramtes Offenbach.

12. Bauabschnitt 1978: Einbau von zwei Verteilerschächten mit Passavant-Schiebern zwischen Suhlbach und Oberem Suhlsee bzw. zwischen dem Suhlbach und dem Paulsteich.

13. Bauabschnitt 1980/1: Erneute Verstärkung des Hauptdamms nach Osten durch Abflachung des landseitigen Dammfußes. Dabei Anlage des „Großen" und des „Kleinen Seeküppelteiches." Ein- zäunung des Geländes der Klimastation, Errichtung eines Rohrgittermastes für einen Windschreiber. 14. Bauabschnitt 1980/2: Aufbau einer Gerätehalle am Rande des NSG zur Pflege und Wartung unserer Ma- schinen (Moorbagger, Schlepper, Kreiselmäher, Kreiselschwader, Motor-Einachsmäher, Anhänger und Ladewagen [Stand 31.1.1982]).

15. Bauabschnitt 1982: Anlage von „Krötenteich" und „Binsenteich" nahe dem Beobachtungsstand.

Insgesamt wurden durch die Gestaltungsarbeiten die folgenden Hauptsiedlungsräume für Pflanzen und Tiere geschaffen bzw. erhalten:

(1) Gehölze in Form von niedrigen Weiden- und Erlengebüschen bzw. schmalen Baumreihen

(2) relativ trockene Dammkronen mit ruderalem Charakter und Kiesbänke

(3) relativ trockene extensiv durch Beweidung bzw. Heuernte genutzte Wiesen

(4) ehemalige trockene Wiesen, seit Jahren völlig ungenutzt

(5) Uferröhrichte durch Rohrglanzgras bestimmt, vor allem im Überschwemmungs- bereich der Suhl

(6) periodisch überstaute Naßwiesen mit Seggen-, Binsen- und verstreuten Rohr- kolbenbeständen

20 (7) periodisch trockenfallende schlammige Uferzonen

(8) Flachwasserzonen mit Schwimmblattpflanzen

(9) Zonen tieferen Wassers in den Teichen; im allgemeinen durch gründelnde Fische stark getrübt und für submers wachsende Pflanzen lebensfeindlich

(10) Gräben mit stehendem bzw. langsam fließendem klaren Wasser

(11) Gräben mit fließendem meist trüben Wasser

(12) tümpelartige Bereiche

4. Lebensformen im NSG „Rhäden von Obersuhl" — eine Auswahl

4.1. Flora — Höhere Pflanzen 4.1.1. Die Pflanzengesellschaften Da vom Gebiet des Rhäden bis zum Frühjahr 1982 keine aktuellen Kartenwerke existierten, die bei vertretbarem Arbeitsaufwand eine Orientierung in der durch die Überstaumaßnahmen völlig veränderten Landschaft ermöglicht hätten, mußte auf eine umfassende pflanzensoziologische Kartierung verzichtet werden. Um wenigstens für die aus botanischer und faunistischer Sicht wertvollsten Feucht- biotope einen Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen zu schaffen, werden hier stichprobenartig einige Aufnahmen von 1981 angeführt, die große Flächen im periodisch überstauten Gelände repräsentieren (Tabelle 1). In allen Aufnahmen spiegelt das Artenspektrum bereits deutlich die amphibischen Verhältnisse wider. Das gemeinsame Vorkommen von Arten, die einerseits eher an weniger nährstoffreiche Bedingungen angepaßt sind, wie z. B. Hottonia palustris oder Pilularia globulifera mit Arten, die typisch für nährstoffreiche Standorte sind wie z. B. luncus effusus oder Typha latifolia, kennzeichnet die Umbruchsituation in der sich auf weiten Bereichen die Pflanzengesellschaften befinden. Der erst seit 1973 und 1974 erfolgte Überstau weiter Flächen des „Rhäden" sowie fort- laufend durchgeführte Ausbau- und Erweiterungsmaßnahmen haben Flachwasser- flächen und Uferzonen geschaffen, die noch nicht von voll ausgebildeten und für die bestehenden Umweltfaktoren typischen Pflanzengesellschaften besiedelt sind. So findet man dort auf einheitlichen seit ca. zwei Jahren amphibisch überstauten Flächen dicht nebeneinander Pflanzenbestände, die bei einer Ausdehnung von z. T. über 100 m2 jeweils nur aus praktisch einer Art bestehen (z. B. Scirpus silvaticus oder Carex gracilis), wie sie sich aus einer zufälligen Erstbesiedlung ergeben haben. Hier werden sich erst im Verlauf von Jahren, weitgehend konstante Standortbedingungen vorausgesetzt, stabilere und typische Pflanzengesellschaften entwickeln. Grundsätzlich erscheinen für die Zukunft intensivere pflanzensoziologische Unter- suchungen zur Dokumentation der Entwicklung des Gebietes nötig.

4.1.2. Besonders schützenswerte Florenelemente: Vor der das Gebiet tiefgreifend verändernden Trockenlegung im Jahre 1859 wurden von EGELING (1860) folgende Pflanzenarten für den Rhäden aufgeführt: Nymphea alba (Seerose), Nuphar Iutea (Teichrose), Ranunculus aquatilis (Wasser- hahnenfuß), Menyanthes trifoliata (Fieberklee) und Hottonia palustris (Wasserfeder). Bis auf Ranunculus aquatilis und Hottonia palustris konnte keine andere dieser Arten Anfang der 70er Jahre hier vorgefunden werden. Nachstehend werden einige aus heutiger Sicht zumindest für Nordhessen seltenere Arten aufgeführt (GRIMME 1958): Bidens cernuus (Nickender Zweizahn): in bemerkenswerter Menge und Flächen- deckung 21 Tabelle 1: Vegetationsaufnahmen— „Rhäden von Obersuhl"

a b c d e

Alisma plantago-aquatica Bidens cernuus Callitriche palustris-aggr. + + Deschampsia caespitosa + —1 Galium palustre + + Eleocharis acicularis Glyceria fluitans Hottonia palustris Juncus articulatus Juncus effusus 3 3 5 4 Lemna minor + + Lycopus europaeus Lysimachia nummularia Carex vulpina Polygonum amphibium 1 3 5 Scirpus silvaticus 1 Typha latifolia 5 3 Carex gracilis Epilopium spec. Juncus conglomeratus Lythrum salicaria Ricciocarpus natans 4 Stachys palustris Stellaria graminea Alopecurus aequalis 3 Myosotis palustris-aggr. Sparganium erectum 1 Veronica scutellata Rorippa amphibia 5 Phalaris arundinacea 5 2 Polygonum hydropiper + +

Aufnahmeflächen: a = ca. 24 m2, b = ca. 20 m2, c = ca.100 m2, d = ca. 65 m2, e = ca. 100 m2

+ In den Jahren 1978/79 an dieser Stelle auch Pilularia globulifera.

22 Isolepis setacea (Borsten-Moorbinse): sie wächst vorzugsweise an frisch angeschnit- tenen nassen Erdanschnitten Peplis portula (Sumpfquendel): starke Verbreitung auf den im Sommer trockenfal- lenden Ufern Als Arten der „Roten Liste Hessen" kommen vor: Carex vulpina (Fuchsegge) Hottonia palustris (Wasserfeder) Pilularia globulifera (Pillenfarn): diese im Weltmaßstab gefährdete botanische Kostbar- keit (LUCAS & WALTERS 1976) wurde von R. KLEINEBERG entdeckt (HILLESHEIM- KIMMEL 1978) und wächst auf den trockenfallenden Ufern der Teiche. Ranunculus hederaceus (Efeublättriger Hahnenfuß): diese in der Bundesrepublik stark bedrohte Art wurde von LUDWIG (1970) im Rhäden entdeckt, durch die Überstaumaß- nahmen verdrängt und im Jahre 1981 mit Genehmigung der Naturschutzbehörden durch Übertragung von Pflanzen aus dem nahegelegenen Säulingssee (LOBIN et al. 1980) erfolgreich wieder angesiedelt. Ricciocarpus natans (Breites Teichlebermoos): Dieses relativ seltene Lebermoos wird hier im Anschluß an die „Höheren" Pflanzen mitangeführt

4.2. Fauna Leider liegen bisher nur über einige Wirbeltiergruppen genauere Erfassungen vor. Es ist für die Zukunft dringlich, insbesondere niedere Tiere genauer zu erfassen.

4.2.1. Fische: Folgende Fischarten sind ohne Zutun in das NSG eingewandert: Gasterosteus aculea- tus* (Dreistachliger Stichling), Leucaspius delineatus* (Moderlieschen), Anguilla anguilla (Aal), Gobio gobio* (Gründling), Perca fluviatilis* (Flußbarsch). Ausgesetzt wurden: Cyprinus carpio (Zuchtkarpfen; seither nur geringe Fortpflanzung), Tinca tinca* (Schleie), Abramis brama (Brasse), Rutilus rutilus (Plötze), Carassius carassius (Karausche), Scardinius erythrophthalmus* (Rotfeder) und Alburnus alburnus* (Ukelei). Die mit * gekennzeichneten Fische sind Arten der Roten Liste der Wirbeltiere Hessens (1980).

4.2.2. Amphibien Von den Arten der deutschen und hessischen „Roten Listen" wurden bisher im NSG nachgewiesen: a) in Flachwasserzonen, weitgehend fischfreien Kleinteichen und Tümpeln: Grasfrosch, Wasserfrosch, Knoblauchkröte, Kreuzkröte, Erdkröte, Gelbbauchunke und Teichmolch; b) in Weidenbeständen am Oberen Suhlsee sowie im „Froschweiher": Laubfrosch.

4.2.3. Vögel Vor der Trockenlegung von 1859 sind Beobachtungen folgender Vogelarten überliefert: Große Rohrdommel, Bekassine, Silberreiher (wohl als Irrgast) durch WILDUNGEN (1818), Weißstorch, Stockente, Krickente, Kampfläufer (1859 letzter hessischer Brut- nachweis im Rhäden), Rotschenkel, Kiebitz, Bruchwasserläufer, Flußuferläufer, Bekassine, Zwergmöwe, Trauerseeschwalbe (letzter hessischer Brutplatz), Weißbart- seeschwalbe, Tüpfelralle, Schilfrohrsänger, Schafstelze, Rohrammer, durch EGELING (1860). Folgende Arten der deutschen und hessischen „Roten Listen" können heute wieder als gesicherte und regelmäßig auftretende Brutvögel oder Durchzügler angesehen werden (Zahlen in Spalte 2 = Habitat lt. Verzeichnis auf S.20 und 21):

23 Zahl der Habitat-Nr. Arten: Brutpaare Haubentaucher 5- 8 9 Zwergtaucher 5- 15 9, 10, 12 2, 8, 9 Tafelente 3- 4 Reiherente 3- 4 2, 8, 9 Krickente 2- 3 8, 9, 10, 11, 12 Löffelente 2- 3 2, 8, 9 Wasserralle 2- 3 6 Tüpfelralle + 1 6, 7, 12 Kleine Ralle 1- 2 5, 6, 12 Bekassine 20 4, 5, 6, 10, 12 Schafstelze 4- 6 3, 5 Wiesenpieper 5 3, 4 Braunkehlchen 4- 5 4 Schwarzkehlchen 1- 2 1, 4 Nicht alljährlich wurden als Brutvogel nachgewiesen: Rohrweihe 1 6 Uferschnepfe 1 5, 6 Flußregenpfeifer 1- 2 2 Nahrungsgäste aus der Umgebung: Habitat-Nr. Graureiher 1,3,5,6,8,10,11,12 Weißstorch 3, 5, 6, 8, 12 Habicht, Sperber, Rotmilan, Baumfalke Regelmäßige Durchzügler aus den deutschen und Anzahl Habitat-Nr. hessischen „Roten Listen": Kormoran 9 Schwarzstorch 5, 6, 8 Schnatterente 8, 9, 10, 11, 12 Spießente 8, 9 Pfeifente 5, 6, 8, 9 Graugans 5, 6, 8 Fischadler 9 Schwarzmilan 9 Kampfläufer (ehemaliger Brutvogel) 5, 6, 7 Rotschenkel (Brutversuch in der benachbarten Rohrlache von Heringen) 5, 6, 7 Bruchwasserläufer 6, 7, 11, 12 Waldwasserläufer 6, 10, 11, 12 Flußuferläufer 7, 10, 11, 12 Temminckstrandläufer 7, 10, 11 Sichelstrandläufer 7 Zwergstrandläufer 2, 7, 9, 10 Kiebitzregenpfeifer 7 Grünschenkel 7, 12 Dunkler Wasserläufer 7 Zwergschnepfe 5, 6, 12 Großer Brachvogel + 15 Ex. 2, 5, 6, 7 Zwergmöwe 8, 9, 12 Trauerseeschwalbe + 80 Ex. 8, 9, 12 Kranich 25-100 Ex. 5, 6, 8 Eisvogel 10, 11

24 Selten auftretende Durchzügler der deutschen und europäischen „Roten Listen": Rothalstaucher, Schwarzhalstaucher, Rosapelikan, Purpurreiher, Seidenreiher, Nacht- reiher, Große Rohrdommel, Löffler, Singschwan, Saatgans, Brandgans, Schellente, Gänsesäger, Mittelsäger, Seeadler, Wiesenweihe, Kornweihe, Austernfischer, Säbel- schnäbler, Goldregenpfeifer, Teichwasserläufer, Regenbrachvogel, Raubseeschwalbe, Flußseeschwalbe, Weißflügelseeschwalbe, Sumpfohreule.

5. Maßnahmen zur Pflege und Entwicklung des Gebietes Im Vordergrund steht das Bestreben, über die Lenkung des Wasserstands die früher im Rhäden und der Werraaue sehr ausgeprägten natürlichen, von häufigen Über- schwemmungen bestimmten Wasserstandsschwankungen (DEIST 1938, GAHL 1971) zu simulieren, in der Erwartung, daß damit vielen diesen Verhältnissen angepaßten Tieren und Pflanzen ein Überleben gesichert werden kann, die auf Grund stärkster Eingriffe in den Wasserhaushalt der offenen Tallandschaften heute kaum noch Sied- lungsareale in Hessen vorfinden (BAUER 1981). Als Indikatoren für eine in diesem Sinne erfolgreiche Pflege des Rhäden können zur Zeit lediglich die relativ leicht anzu- sprechenden höheren Pflanzen sowie die unter 4.2. aufgeführten Wirbeltiere herange- zogen werden, wobei den Vögeln auf Grund der einfachen Feststellungsmöglichkeit eine besondere Rolle zukommt. Besondere Aufmerksamkeit wird bei den Pflegemaßnahmen dem extrem bestands- gefährdeten Pillenfarn und dem Efeublättrigen Hahnenfuß sowie den Biotopen der Kleinralle geschenkt.

5.1. Beeinflussung des Wasserstandes:

(1) Froschweiher: Abweichend von den übrigen Teichen mit jahreszeitlich schwankenden Wasserständen soll hier die vielfältige Flora und Fauna eines ständig bespannten Weiher-Biotops erhalten werden, um dem Besucher vom nahegelegenen Hochstand aus stets einen Blick „auf Wasser" bieten zu können.

(2) Binsen- und Krötenteich: Absenkung des Wasserstandes ab Anfang Juli zur Ausbildung von größeren Schlamm- flächen (Limikolenzug, Schlammuferfloren) bis zum Trockenfallen. Hierdurch wird die Entwicklung von amphibienfeindlichen Fischpopulationen verhindert. Wiedereinstau ab Anfang November.

(3) Pauls-Teich: Zur Förderung der Schlammuferfloren, die auf Grund der großen Seltenheit ent- sprechender Okosysteme (HEYDEMANN 1981) stark bedroht sind (Pillenfarn!), sowie des Frühjahrs- und Herbstzuges von Limikolen (Trittstein-Funktion), Simulierung eines abziehenden Frühjahrshochwassers und Anpassung an den sinkenden Grundwasser- stand im Verlauf des Sommers.

Im Einzelnen: Absenken des Höchstwasserstandes um ca. 20 cm mit Beginn des April. Absenken um weitere 40-60 cm mit Beginn des Juli, Einstau auf Höchstwasser- stand mit Beginn des November.

(4) Oberer und Großer Suhlsee: Aus obengenannten Gründen grobe Anpassung an die natürlichen Wasserstandsver- änderungen. Absenken um 30 bis 60 cm ab Anfang Juli, Einstau mit Beginn Oktober auf maximalen Wasserstand zur Funktion als Rastplatz für durchziehende Enten bis zum Einsetzen von Frostwetter.

25 (5) Kleiner Seeküppelteich: Weitgehend den Wasserstand den natürlichen Bedingungen überlassen: ab Mai keine Wasserzufuhr. Gelegentliches Austrocknen verhindert eine starke Entwicklung der Fischfauna und schafft ein günstiges Amphibienbiotop.

(6) Großer Seeküppelteich: Bis auf maximalen Einstau im Oktober sich weitgehend selbst überlassen.

(7) Lindenhauptteich: Keine Maßnahmen durchführen.

5.2. Pflege der vorhandenen Tümpel; Anlage weiterer Tümpel:

Pflegemaßnahmen sind nur in Tümpeln mit Beständen der Wasserfeder erforderlich. In diesem muß zur Erhaltung der Wasserfeder evtl. aufkommende bedrängende Vege- tation (z. B. Rohrkolben, Rohrglanzgras) im Hochsommer von Hand entfernt werden. Es ist anläßlich der jährlichen Pflegemaßnahmen anzustreben, weitere Kleintümpel sowohl im Überschwemmungsgebiet der Suhl als auch auf den westlich des Oberen Suhlsees gelegenen Grünflächen anzulegen.

Karte 2 Naturschutzgebiet „Rhäden von Obersuhl" 100m

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- — • Grenze des SISG - • —• Landesgrenze zur D.R Zaun n der 001, Weg arm Gehölze n o säume tz.B.Eden) Beobachtungsturm Darms Graben Lsii-ri""" ElAbleielAk Damm c"'M

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Karte 2: Naturschutzgebiet „Rhäden von Obersuhl", Kr. Hersfeld-Rotenburg

26 5.3. Überschwemmungsbereich Suhlbach:

Es ist darauf zu achten, daß den zuständigen Wasserbehörden bzw. der Gemeinde auf- erlegt wird, bei von der DDR veranlaßten Räumungen des Grabenbettes und der Ufer- zonen zuvor mit der Oberen Naturschutzbehörde Einvernehmen herzustellen. Keines- falls dürfen solche Arbeiten — wie 1976 — während der Brut- und Vegetationszeit ge- schehen. Obwohl aus Sicht der Gewässerpflege ein Erlensaum am Suhlbach erwünscht wäre, sollte man zur Erhaltung des offenen Charakters der Werraaue, zum Schutz der Lebensstätten der Wasserfeder und Erhalt der Beobachtungsmöglichkeiten für das Publikum vom Beobachtungsturm aus, unter Schonung der vorhandenen Erlen hiervon Abstand nehmen (s. Karte 1).

5.4. Pflege der Dämme, Kiesbänke und Wege:

Wegen Schonung der Entenbrutplätze und der Entwicklung der Entomofauna, Mahd erst ab Ende Juli. Ablagerung des Mähguts am landseitigen Böschungsfuß bzw. zum Bett des Suhlbaches hin. Beweidung der Dämme nach der Mahd. Der Damm zwischen dem Oberen und dem Großen Suhlsee sollte im Abschnitt DDR-Grenze — alter Erd- damm am Abzugsgraben 1 nicht gemäht oder beweidet, sondern der natürlichen Suk- zession überlassen werden. Wiederinstandsetzung des Trenndammes zwischen Großem und Oberem Suhlsee mit Einbau eines Mönches. Alljährliche Überprüfung der Dämme auf Spülschäden und Bisambefall; Reparatur durch Faschinenbau und Anklappung von Erde bzw. grobem Kiesschotter. Die Kiesbänke im Binsen- und im Krötenteich sind jährlich von aufkommender Vege- tation zu befreien. Falls überhaupt erforderlich sind nach Möglichkeit die für Damm- und Wegebefesti- gungen benötigten Materialien der gleichen geologischen Formation zu entnehmen. Ein Einbringen von Kalkschotter zur Befestigung würde z. B. zur massiven Veränderung der Nährstoffverhältnisse im Boden führen und könnte den Pillenfarn verdrängen. Bei Erdarbeiten an den Dämmen ist eine Abdeckung mit Mutterboden bzw. eine Ein- grünung bei frischen Erdanschnitten zu unterlassen. Gerade an diesen relativ nähr- stoffarmen Standorten finden schützenswerte Florenelemente wie der Pillenfarn oder die Borsten-Moorbinse ihren Siedlungsraum.

5.5. Pflege und Gestaltung der Gehölze an der Nordgrenze des Gebietes:

Ergänzungsbepflanzung mit Brombeere, Heckenrose u. a. Straucharten auf der Damm- krone und am landseitigen Fuß. Ergänzungsbepflanzungen mit Weiden am wassersei- tigen Fuß. Am Wegrand außerhalb des NSG sollte der stufige Aufbau eines Auewald- mantels versucht werden.

5.6. Pflege der Weidenbestände in den Uferzonen des Großen und Oberen Suhlsees:

Erhaltung des status quo, d. h. Pflege (im Sinne eines gelegentlichen „Auf den Stock- setzen") der vorhandenen Bestände. Das gleiche gilt für die Weideninsel im „Großen Suhlsee".

5.7. Pflege der Naß-, Mäh- und Hutewiesen am Westufer des Oberen Suhlsees: Voraussetzung für die Erhaltung der Lebensstätten von Kiebitz, Uferschnepfe, Brach- vogel, Kranich, Weißstorch, Gänsen, Wiesenpieper und Schafstelze ist das Vorhanden- sein extensiv genutzter Feuchtwiesen, die am Westufer — hier positiv ergänzt durch

27 einige Trockenstandorte — noch in idealer Form existieren. Pflegebedingungen für die Mäh- und Hutewiesen: Einmalige Mahd Ende Juli mit anschließender Schafbeweidung auf der gesamten Fläche.

Im Rahmen eines von Herrn Prof. Dr. H. SCHMEISKY (SCHMEISKY 1981) von der Gesamthoch- schule Kassel durchgeführten mehrjährigen Programms soll Aufschluß über die Pflegeweise erhalten werden, die bei einfacher Handhabung zu einer möglichst großen botanischen Artenfülle führt. Im Einzelnen werden hierzu auf drei abgepflockten Parzellen die folgenden Pflegevarianten durchgeführt: 1. keinerlei Behandlung, d. h. keine Beweidung oder Schnitt 2. Mahd ohne Abtransport des in Schwaden liegenden Mähguts, keine Beweidung 3. Mahd mit Abtransport des Mähgutes, keine Beweidung

Pflege der Naßwiesen mit eingestreuten Rohrkolben-, Binsen- und Seggenbeständen (in der Karte 2 mit der Sumpf-Schraffur gekennzeichnet): Zur dauerhaften Erhaltung dieser Kleinrallen-Biotope wird eine gelegentliche Ein- dämmung der Rohrkolbenentwicklung durch Schnitt mit anschließender Flutung nötig sein. In diesem Fall muß die Wasserstandslenkung abweichend vom Normalfall ge- handhabt werden. Den Rohrkolben-Beständen ist auch durch Ausfrieren der Rhizome der zuvor über Eis gemähten Pflanzen beizukommen.

5.8. Pflege der Gräben:

Zur notwendigen Grabenunterhaltung ist einerseits das Ausmähen der Ufer erforder- lich, andererseits muß in gewissen Abständen die Grabensohle ausgebaggert werden. Zur Erhaltung wertvoller Florenelemente sollte das Ausbaggern überzwei Vegetations- perioden erfolgen. Dabei sind unter Beachtung besonders schützenswerter Pflanzen, immer nur kurze Abschnitte von wenigen Metern zu räumen. Die Pflege der Gräben sollte nicht vor August beginnen. An den Standorten von Ranunculus hederaceus muß konkurrierender Bewuchs per Hand entfernt werden.

5.9. Lenkung der Fischbestände

Keine regelmäßige Bewirtschaftung; Kontrolle des Artenspektrums alle 3 — 4 Jahre durch Ablassen des Oberen und Großen Suhlsees sowie des Paulsteiches. Erste Kontrolle Herbst 1982. Zur Förderung des Lichtgenusses submerser Pflanzen ebenso zugunsten tauchender Wasservögel ist ein Kurzhalten des Karpfen erforderlich. Es bleibt zu untersuchen, inwieweit der Besatz mit ehemals heimischen, bedrohten Fischarten entsprechender Lebensräume zu empfehlen ist. Das ausgedehnte Feucht- biotop des Rhäden könnte auf lange Sicht nach Ausschaltung der Salzbelastung der Werra diesem über weite Strecken fast fischfreiem Fluß (MEIJERING 1977) als Regene- rationszentrum dienen. Ähnliche Überlegungen wären auch für die Mollusken-Fauna anzustellen z. B. für Teich- und Flußmuschel. Entscheidendes Problem wird die Beschaffung von Organismen darstellen, die mit den ursprünglich in der Werra heimischen Populationen identisch bzw. verwandt sind.

5.10. Kontrolle des Chemismus der Gewässer

In vierwöchentlichen Abständen ist der Chloridgehalt zu überprüfen, um im Hinblick auf mögliche Salzaustritte Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Außerdem sind vierteljährlich Kontrollen des Gehaltes an Nitraten und Phosphaten sowie des pH-Wertes an allen Gewässern erforderlich.

28 5.11. Wartung der Ein- und Auslaufbauwerke sowie der Windpumpen Regelmäßige Funktionskontrolle, Ausmähen der Zulaufgräben, Reinigung der Schlammfänge. Anbringung je eines Pegels an allen Ablaufbauwerken sowie an den Einlaufvorrichtungen des Suhlbachs. Führung eines Wasserstandsbuches. Wartung der gleitenden Teile der Windpumpen. Aufbau eines zweiten Windpumpenwerkes (bereits geliefert) im Jahre 1982.

5.12. Lenkung des Tourismus: Instandhaltung und Ergänzung ebenso Organisation der Betreuung der Informations- ausstellung „Naturschutz im Werratal" in der Gesamtschule von Wildeck-Obersuhl. Laufende Erneuerung der Hinweistafeln im NSG, Aufbau von drei Beobachtungspali- sadenwänden längs des Wanderweges zum Beobachtungsstand in einer Länge von 4,50 m. Einbau der ersten Palisadenwand 1982, folgende 1983 und 1984. Unterhaltung der Wanderwege, Organisation von vogelkundlichen Führungen.

6. Naturschutzplanung im Umfeld des NSG „Rhäden von Obersuhl"

6.1. Die unmittelbare Nachbarschaft 6.1.1. Nordteil der Rhäden-Mulde Zur Erhöhung des ökologischen Wertes des Gebietes empfiehlt sich die Einbeziehung der im Norden der Rhäden-Mulde gelegenen und unmittelbar angrenzenden baumbe- standenen Fläche. Planungsziele für diese von der Größe her mit dem NSG vergleich- bare Fläche sind:

a) Einschlag der hiebsreifen Pappeln in den nächsten 10 Jahren. b) Aufforsten dieser Flächen mit Stieleiche, Bergulme, Bergahorn, Esche, Kirsche, und Winterlinde (Hartholzaue). An den feuchtesten Stellen Auspflanzen von Weiden und Förderung der Roterle (Weichholzaue). c) Anlage eines stufig aufgebauten Waldmantels im Norden und Westen. d) Anlage stark vernäßter Bereiche und Tümpel.

6.1.2. Der Bosseröder Rhäden Der unmittelbar angrenzende, etwa 12 ha große Rhäden von Bosserode sollte in das NSG einbezogen werden (vgl. Karte 1). Seine botanische und faunistische Struktur ähnelt der der Feuchtwiesen des Rhäden von Obersuhl.

6.2. Das mittlere Werratal im hessisch-thüringischen Grenzbereich

Trotz einer Fülle von Meliorationsmaßnahmen, Fluß- und Bachbegradigungen (DEIST 1938) sowie der Trockenlegung der Rhäden-Mulde und des Säulingssees im benach- barten Heringen-Kleinensee vor rund einem halben Jahrhundert (GREILING 1977) und zahllosen Drainagen sowie der katastrophalen Werraversalzung und Verschmutzung (MEIJERING 1977) hat sich in der Region noch ein vernetztes System von Feuchtbio- topen erhalten (Karte 1), das z. B. bis heute einem Weißstorchenpaar in Gerstungen (DDR) regelmäßige Bruten ermöglicht und nicht zuletzt das Auftreten der vielen z. T. stark bedrohten Vögel (siehe 4.2.3.) im Rhäden begünstigt. Zu diesen Feuchtbiotopen zählen in der an einigen Stellen oft überschwemmten, sehr breiten, flachen Werraauen eine Reihe von Altarmresten, aktuelle Senkungswannen z. B. im Gebiet des Säulingssees und der Werraaue zwischen Heringen und Heringen- Widdershausen (GREILING 1977, NEUWIRTH 1959), durch Salzquellen verlustig gehende Wiesen (KRAPF 1979), umfangreiche Kiesbaggerseen auf beiden Seiten der

29 Grenze sowie auf Grund der komplizierten Grenzlage nur extensiv bewirtschaftete bzw. brachliegende Wiesenflächen. Seit Beginn der 1970 er Jahre sind in erster Linie die Hessische Gesellschaft für Orni- thologie und Naturschutz und der Deutsche Bund für Vogelschutz bemüht, durch gezielte Gestaltungsmaßnahmen, Ankäufe und Pachten von geeigneten Flächen sowie die Mitarbeit bei der Unterschutzstellung von Naturschutzgebieten dieses Netz von Feuchtbiotopen mit einer Fläche von einigen 100 ha nachhaltig zu sichern und ökolo- gisch zu verbessern. Neben dem „Rhäden von Obersuhl" wurde bisher die nur wenige km entfernte „Rohrlache von Heringen" als Naturschutzgebiet ausgewiesen (KRAPF 1979, SCHMIDT 1981). Um der durch intensive Drainagemaßnahmen der DDR in der letzten Zeit negativ be- einflußte Entwicklung entgegenzuarbeiten und aus naturschützerischer Sicht die Situ- ation sogar zu verbessern, ist neben der an erster Stelle zu fordernden Unterschutz- stellung und Renaturierung des Säulingssees der Ankauf von Flächen im Nordteil der „Rohrlache" notwendig. Darüberhinaus muß sich die Naturschutzarbeit der Behörden und der Verbände auf die Sicherung kleinerer Naßflächen und die Renaturierung von verschütteten Altarmresten im mittleren Werratal von der Unteraue von Obersuhl bis nach Philippsthal richten.

7. Ausblick Insgesamt läßt sich auf Grund der bisher im Rhäden nach der Wiedervernässung fest- gestellten Pflanzen- und Tierarten mit z. T. sehr spezifischen ökologischen Bedürf- nissen ableiten, daß die Gestaltungsmaßnahmen einen für viele bedrohte Arten ange- messenen Lebensraum geschaffen haben. Bei aller Würdigung und prinzipieller Über- einstimmung mit den wesentlichen Argumenten von SCHNEDLER (1981), der grund- sätzlich ein rasches Überstauen von Flächen zum Zwecke des Naturschutzes ablehnt, weil dabei viele Lebensformen, wie die höheren Pflanzen, vernichtet werden und keine Chance haben umzusiedeln, muß für den Rhäden betont werden, daß die Wiederver- nässung des Gebietes nur einen Teil der artenarmen und noch relativ häufig entlang des Grenzstreifens vorkommenden Staudenfluren „ersäufte", jedoch nicht zu einer Auslöschung bestimmter Pflanzengesellschaften führte. Die Vorkommen von Ranuncu- lus hederaceus wären auch ohne Überstau verloren gegangen und zwar endgültig, wären die Pläne für die Lärchenzuchtanlage realisiert worden. Nunmehr konnte sich diese Art wieder neu ansiedeln. Selbstverständlich steht der gestaltende Naturschutz oft vor dem Problem, abzuwägen, ob nicht der geplante Eingriff einen ökologisch geringwertigeren Lebensraum schafft als er vorher bestand. Für den Rhäden ist dies sicher zu verneinen, insbesondere wenn man berücksichtigt, daß der Rhäden als wesentlicher Teil des Feuchtgebietssystems im mittleren Werratal die gesamte Region positiv beeinflussen kann und im Zusammenhang mit gestaltenden Maßnahmen im Umfeld bewirkt, daß—für Hessenselten genug— bedrohte Arten wieder ihre angestammten Siedlungsräume besetzen konnten.

8. Danksagung Besonderer Dank gebührt dem Bundesgrenzschutz (BGS) von der Grenzschutzflieger- staffel Mitte, Fuldatal. Ohne die Hilfe des BGS wäre die Erstellung einer Karte auf der Basis von Luftbildern nicht möglich gewesen. Erwähnt werden muß in diesem Zusam- menhang auch die Unterstützung durch die Bezirksdirektion für Forsten und Natur- schutz Kassel, die bei der Zeichnung der Rhäden-Karte einen wesentlichen Beitrag leistete. Dank gebührt auch den Herren K.-H. CLEVER und G. KORSCHINSKY, die die Karte für die Drucklegung umzeichneten. Wir danken ferner den Herren U. BEILFUSS und J. MEINEN aus Wildeck-Obersuhl für die Bereitstellung ihrer Beobachtungsdaten.

30 9. Literatur

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HESSISCHE LANDESANSTALT FÜR UMWELT: Rote Liste der in Hessen ausgestor- benen, verschollenen und gefährdeten Wirbeltiere; Stand 1980, Wiesbaden 1980.

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Anschrift der Verfasser: WILLY BAUER, Schneckenhofstr. 35, 6000 Frankfurt/Main 70 WALTER GRAF, Eisenacher Str. 121, 6444 Wildeck 1 KURT GREBE, Forsthaus Rassdorf, 6444 Wildeck 3 Dr. GÖTZ KRAPF, DBV-Naturschutzseminar Sunder, 3101 Winsen/Aller-OT Meißendorf

32 Zeitschrift fürVogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 33-42 (1982)

Eine Überlebensstrategie für die letzten Weißstörche im Auenverbund der Schwalm (Nordhessen)

von JÜRGEN HOLLAND-LETZ, Schwalmstadt-Niedergrenzebach

Spätestens Anfang der Siebziger Jahre hatten sich die unzähligen menschlichen Ein- griffe in die Auenlandschaft der Schwalm (Drainage-Maßnahmen, Flußbegradigung, Hochwasserrückhaltebecken) so stark ausgewirkt, daß in dieser Landschaft keine aus- reichende Nahrungsbasis mehr für die traditionelle Schwälmer Weißstorchpopulation bestand. 1969 wurde der Horst in Ascherode aufgegeben, und 1970 war auch der Horst in Salmshausen verwaist, so daß nur noch die drei Brutpaare in Dittershausen, Nieder- grenzebach und Loshausen übrig geblieben waren. Diese Horstpaare mußten zur Deckung ihres Nahrungsbedarfs ihre Nahrungsareale ständig vergrößern und immer wieder auf private Fischteiche zurückgreifen. Eine Chance für die Rettung dieser Rest- population würde sich nur durch eine spürbare Verbesserung der Nahrungsbasis durch Schaffung von Sekundärbiotopen ergeben. Um diese Ideen möglichst schnell in die Tat umsetzen zu können, wurde auf Betreiben der Staatlichen Vogelschutzwarte und der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) von der Hes- sischen Landesanstalt für Umwelt am 14. 11. 1975 ein Ortstermin in Ziegenhain anbe- raumt. An diesem Ortstermin, an dem auch das Landeskulturamt Wiesbaden und das Kulturamt Marburg mitwirkten, wurde beschlossen, vier Nahrungsteiche für die Schwälmer Weißstörche anzulegen. Ausgehend von diesem Beschluß, der speziell auf die Bedürfnisse der Störche eingeht, hat die HGON in Zusammenarbeit mit der Bezirksdirektion für Forsten und Naturschutz in Kassel (BFN-Kassel) ein Gesamtkonzept entwickelt, das eine Koordination von Schutz und Renaturierung der letzten Feuchtgebietsreste der Schwalmniederung im Rahmen eines Auenverbundsystems ermöglicht. Rechtlich kam hierfür nur der NSG- Status in Frage. Zur Verwirklichung dieses Verbundsystems hat die HGON in den letzten Jahren bei der BFN-Kassel Anträge auf Unterschutzstellung als NSG für die folgenden sechs u. E. wertvollsten und entwicklungsfähigsten Feuchtbiotope gestellt, von denen inzwischen zwei rechtskräftig als NSG ausgewiesen sind und ein drittes kurz vor der Ausweisung steht.

Es sind folgende sechs Gebiete:

1. „Wieragrund von Schwalmstadt" 2. __„Storchenteich am Schwertzellsgraben" 3. „In den Erlen von Loshausen" 4. „In der Leist von Schwalmstadt" 5. „Flachsrasen von Deershausen" 6. „Biedenbacher Teiche von Florshain"

1. Der „Wieragrund von Schwalmstadt" umfaßt einen Abschnitt der Wiera mit z. T. naturnahem Bewuchs, an dem sich ein Niedermoor mit einem Rispenseggenried, Feuchtwiesenareale mit eingestreuten Busch- beständen und ein Waldstück anschließen. Das Gebiet umfaßt 75 ha und wurde 1978 als erstes NSG in der Schwalm ausgewiesen.

33 Abb. 1 Lage der letzten Horststandorte der Schwälmer Weißstörche und der 6 aus- gewiesenen bzw. beantragten NSG in der Schwalm: • = Horste, 1 = „Wiera- grund von Schwalmstadt", 2 = "Storchenteich am Schwertzellsgraben", 3 = „In den Erlen von Loshausen", 4 = „In der Leist von Schwalmstadt', 5 = „Flachsrasen von Dittershausen", 6 = „Biedenbacher Teiche von Flors- hain".

34 Als Entwicklungs- bzw. Renaturierungsmaßnahme ist hier die Flutung eines alten Mühl- grabens notwendig, um den zentralen Bereich mit inselartigem Vorkommen von Fieber- klee und Sumpfblutauge stärker vernässen zu können. Die Flutung war bis jetzt noch nicht möglich, da der Mühlgraben kurz nachdem er von der Wiera abzweigt, gebrochen ist und wieder in die Wiera zurückfließt. Diese Bruchstelle müßte dringend repariert werden, was allerdings einigen Aufwand erfordert.

2. „Storchenteich am Schwertzellsgraben"

Der erste in dem o. a. Ortstermin beschlossene Storchenteich wurde in der Schwalm- niederung südlich von Niedergrenzebach am Schwertzellsgraben gebaut, woraus sich auch der Name für das NSG ableitet. Alle Vorarbeiten für den Bau des Storchenteiches wurden von der HGON geleistet, einschließlich des geologischen Gutachtens von R. GREILING und des Bauentwurfs von B. DRESSLER. Finanziert wurde die Baumaßnahme aus Naturschutzmitteln des Landes Hessen sowie durch Eigenleistungen der HGON. Durchgeführt wurde die Bau- maßnahme innerhalb von drei Wochen im Oktober 1976 unter Leitung von Dr. E. SCHNEIDER. Der Teich ist ca. 1,6 ha groß, hat zwei große Halbinseln und dadurch die erwünschte lange Kontaktzone zwischen Land und Wasser. Alle Ufer sind flach gehalten mit Bö- schungswinkeln zwischen 1:4 und 1:10, um das Hineinwaten der Störche, Graureiher und anderer Wasservögel zu ermöglichen. Der Teich ist überall sehr flach mit Aus- nahme einer etwa 10 0/0 der Wasserfläche umfassenden Tiefzone von 3 m Tiefe als Überwinterungsplatz für Fische und vielleicht auch Lurche und in Trockenperioden als Sauerstoffreservoir. Der Teich wird nur von Grundwasser gespeist und hat keine Ver- bindung zum Schwertzellsgraben. Neben dem eigentlichen Teich sind noch fünf Klein- teiche und ein Tümpel ohne direLe Verbindung zum Teich geschaffen worden, um sol- chen Amphibien als Laichplatz zu dienen, die kleinere Wasserflächen bevorzugen und um ihnen eine von Fischen weitgehend ungestörte Metamorphose zu ermöglichen. Der Storchenteich ist eingebettet in ein ca. 35 ha großes Grünlandareal mit einzelnen Ackerflächen in der Schwalmniederung südlich von Schwalmstadt-Niedergrenzebach im Schwalm-Eder-Kreis. Das gesamte Gebiet liegt im Staubereich des Hochwasser- rückhaltebeckens Treysa-Ziegenhain. Rechtlich wurde der „Storchenteich am Schwertzellsgraben" auf Antrag der HGON am 27. 1. 1977 als NSG einstweilig sichergestellt und erst in diesem Jahr 1982 soll die endgültige Ausweisung erfolgen. Der lange Zeitraum, der zwischen Sicherstellung und Ausweisung verstrichen ist, läßt schon erahnen, daß große Schwierigkeiten einer früheren Ausweisung im Wege gestanden haben. In der Tat haben Zielkonflikte mit der Landwirtschaft, die erst in langwierigen Verhandlungen zu einem schmerzlichen Kom- promiß geführt haben, zu der Verzögerung geführt. Ursprünglich sollte versucht wer- den, die gesamte Fläche von 35 ha durch die Unterschutzstellung als Grünland zu erhalten, da seit Fertigstellung des o.a. Hochwasserrückhaltebeckens im Jahre1972 die Schwalmwiesen zunehmend in Ackerland umgewandelt wurden. Der abgesenkte Grundwasserspiegel im Rückhaltebecken hatte dies ermöglicht. Die angestrebte Optimallösung war leider politisch nicht durchsetzbar. Der Kompromiß, den die BFN- Kassel Ende 1979 schließlich ausgehandelt hat und der die Grundlage für die neue NSG-Verordnung sein wird, sieht eine Einteilung des NSG in zwei Zonen vor. Eine Pufferzone von ca.24 ha, in der eine uneingeschränkte landwirtschaftliche Nutzung erlaubt ist, also Einsatz von Mineraldünger und Bioziden einschließlich der Erlaubnis, zu drainieren und Grünland in Ackerland umzuwandeln. Eine Korrektur dieses für ein NSG gelinde gesagt unbefriedigenden Zustandes ist mittelfristig nur über den Erwerb der betroffenen Grundstücke durch das Land Hessen möglich, sobald sich dazu eine Gelegenheit bietet.

35 Die eigentliche Kernzone umfaßt ca. 11 ha, die nur nach ökologischen Gesichtspunkten gepflegt werden soll. Sie setzt sich zusammen aus ca. 6 ha „altem" Domänenland (Hessische Staatsdomäne Schafhof, Ziegenhain), zu dem 1980 ca. 3 ha (Flur 8/Flst 13) hinzugekommen sind, die die BFN-Kassel von einem privaten Landwirt durch Tausch erworben hat, sowie nochmals 3 ha, die sich noch im Besitz zweier privater Landwirte befinden. Im Moment laufen Tauschverhandlungen mit diesen beiden Landwirten, die vermutlich bald zu einem positiven Abschluß gebracht werden können. Die Kernzone liegt zwischen Schwertzellsgraben im Osten und Süden und der Neuen Schwalm (ein im 16. Jahrhundert von der Alten Schwalm abgeleiteter Nebenarm zur Flutung der Ziegenhainer Wasserfestung) im Westen. Der Storchenteich selbst liegt in der SO-Ecke der Kernzone auf Domänenland unmittelbar neben dem Schwertzells- graben. Das gesamte Gebiet des NSG einschließlich der Kernzone ist sehr stark kulti- viert und weist fast keine naturnahen Bereiche mehr auf. Die Schaffung des Storchen- teiches war deshalb eine erste wichtige Renaturierungsmaßnahme. Bis zum Jahre 1980 war nur der direkte Bereich um den Teich, also etwa 2/3 der Teich- parzelle (FI 8/Flst 29) von jeglicher landwirtschaftlicher Nutzung ausgenommen. Erst seit 1981 wurden die Voraussetzungen geschaffen, die geeignet sind, wie in dem o. a. Kompromiß vorgesehen, die Kernzone zu einer ökologischen Vorrangfläche zu ent- wickeln, die u. a. eine ungedüngte Grünlandbrücke zwischen Storchenteich und Neuer Schwalm bildet und vor allen Dingen eine gefahrlose Wanderung der Amphibien zwischen beiden Gewässern gewährleisten soll. Ein großer Fortschritt in dieser Hinsicht war der o. a. Erwerb des 3 ha großen Flurstücks 13, von dem schon etwa 2 ha in Acker- land umgewandelt worden waren. Nachdem es in die Hand des Landes Hessen über- gegangen war, sollte es schon 1981 wieder in Grünland zurückverwandelt werden, was jedoch wegen der Sommerhochwasser nicht möglich war. 1982 wird dies jedoch nach- geholt. Außerdem wurden ebenfalls 1981 die von der Domäne bisher noch bewirtschaf- teten Flächen von ca. 4 ha von jeglicher landwirtschaftlicher Nutzung freigestellt. Wir hoffen, daß in diesem Jahr, 1982, die noch im Privateigentum stehenden o. a. 3 ha in Landeseigentum überführt werden können, so daß dann zumindest in der ganzen Kern- zone ungestörte Entwicklungsmöglichkeiten für die Pflanzen- und Tiergesellschaften bestehen, die einstmals in der Schwalm weitverbreitet waren.

Die Flora im NSG „Storchenteich am Schwertzellsgraben" Das gesamte NSG weist nur einen sehr spärlichen Baum- und Strauchbewuchs auf. Lediglich in der NO-Ecke stockt eine aus alten Eschen (Fraxinus excelsior) bestehende Allee, die eine totgelegte Straßenkurve säumt. An der Neuen Schwalm sind noch einige wenige alte Silberweiden (Salix alba) erhalten, und im übrigen Gebiet kommen verstreut an den Gräben jüngere Saalweiden (Salix caprea) vor. Bedingt durch die intensive landwirtschaftliche Nutzung weist das Grünland, meist zweischürige Mähwiesen, nur eine sehr geringe pflanzliche Artenvielfalt auf. Lediglich das seit Oktober 1976 aus der Nutzung entlassene Gelände um den Storchen- teich hat eine deutlich sichtbare Sukzession durchgemacht. Folgende Pflanzen wurden 1981 von LUTZ JÜNGLING, Steinatal, festgestellt:

Uferbereich: Kräuter: Blutweiderich — Lythrum salicaria Sumpfschafgarbe — Achillea ptarmica Bachnelkenwurz — Geum rivale Gemeiner Froschlöffel — Alisma plantago-aquatica

Gräser: Flatterbinse — Juncus effusus Spitzblütige Binse —Juncus acutiflorus

36 Braunsegge —Carex nigra Schlank-Segge — Carex gracilis Rohrglanzgras — Phalaris arundinacea Wasserschwaden — Glyzeria maxima

Tümpelbereich:

Kräuter: Froschlöffel —Alisma plantago-aquatica Blutweiderich — Lythrum salicaria Wasserknöterich — Polygonium amphibium Brennender Hahnenfuß —Ranunculus flammula Sumpfteichfaden — Zannichella palustris Gemeiner Wasserstern — Callitriche palustris Rohrkolben — Typha latifolia

Gräser: Gewöhnliche Sumpfbinse — Eleocharis palustris Flatterbinse —Juncus effusus Rohrglanzgras —Phalaris arundinacea

Gräben:

Kräuter: Wasserstern — Callitriche palustris

Gräser: Flatterbinse — Juncus effusus Fuchssegge — Carex vulpina Rohrglanzgras — Phalaris arundinacea

Sträucher: Salweide — Salix caprea Alle Pflanzen sind nach Angabe von Herrn JÜNGLING Indikatoren für nährstoffreiche, mäßig saure Gewässser bzw. Böden.

Die Fauna im NSG Storchenteich am Schwertzellsgraben

Kleintiere: Die Kleintierfauna ist kaum erforscht. Da die Wasserqualität des Storchenteiches gut ist und genügend Phytoplankton vorhanden ist, wie eine Wasseruntersuchung der Hes- sischen Landesanstalt für Umwelt — Außenstelle Kassel (Dr. BONESS) am 28. 4. 1979 gezeigt hat, ist mit einer relativ reichen Kleintierfauna auch im Wasser zu rechnen. Dr. BONESS nennt die Larven von Eintagsfliegen, Steinfliegen, Mücken, Libellen und Käfern, die er schon bei seiner einmaligen Untersuchung nachweisen konnte.

Amphibien und Reptilien: Bei einer Bestandsaufnahme 1981, die wiederum von LUTZ JÜNGLING vorgenommen wurde, ergab sich folgendes Bild: Grasfrosch (Rana temporaria) — 1000 adulte Tiere, die sich zur Laichzeit in den Klein- teichen und im Uferbereich eingefunden hatten. Wasserfrosch (Rana esculanta)— 100 adulte Tiere, vornehmlich in den Kleinteichen Erdkröte (Bufo bufo)— 2 adulte Tiere in einem Graben In den Jahren 1978 und 1979 war künstlich Grasfroschlaich in die Kleinteiche und in den Uferbereich des Storchenteiches eingebracht worden. Wenn man berücksichtigt, daß vor der Anlage des Storchenteiches in dieses Gebiet nur vereinzelt Amphibien ange- troffen wurden, zeigt der jetzige beachtliche Bestand, welch große Bedeutung der Schaffung von Sekundärbiotopen gerade auch für die Erhaltung der Amphibien zu- kommt.

37 Bei den Reptilien vermuten wir das Vorkommen der Ringelnatter, nachgewiesen ist sie jedoch noch nicht.

Fische: Zwei Jahre nach Neuanlage des Storchenteiches wurde eine geringe Menge Karau- schen (Carassius carassius) und Schleien (Tinca tinca) künstlich eingebracht. Durch die periodischen Überschwemmungen wurden weitere Fischarten eingeschwemmt. Nach- gewiesen werden konnten bis jetzt nur Hecht (Esox Iucius), der im Frühjahr zur Laichzeit auch im Schwertzellsgraben angetroffen wird.

Säugetiere: Erwähnenswert ist das Vorkommen der Wasserspitzmaus (Neomys fodiens). In den Sommermonaten konnten wiederholt Fledermäuse über dem Teich beobachtet werden, eine Artbestimmung steht noch aus. Ansonsten sind Feldhase, Hermelin, Mauswiesel und Igel zu beobachten.

Vögel: Ganz besonders auffällig ist die positive Auswirkung, die die Schaffung des Storchen- teiches für an Wasser bzw. Feuchtland gebundene Vogelarten gehabt hat. Seit seinem Bestehen übt er eine starke Anziehungskraft auf Durchzügler und Gastvögel aus. Von den Rote-Liste-Arten seien erwähnt: Tafelente, Löffelente, Spießente, Krickente, Knäkente, Pfeifente, Reiherente, Schnatter- ente, Schellente, Brandgans; Dunkler Wasserläufer, Bruchwasserläufer, Waldwasserläufer, Rotschenkel, Flußufer- läufer, Alpenstrandläufer, Kampfläufer (19 Ex. am 4. 4. 1981), Uferschnepfe und in den ersten Jahren, als die Uferzone noch unbewachsen war, Flußregenpfeifer, der zumindest 1977 auch gebrütet hat; Trauerseeschwalbe (bis jetzt jedes Jahr im Mai bis zu 10 Ex.) und Rohrweihe.

Der Storchenteich wird außerdem von Graureihern und den Loshäuser Weißstörchen als Nahrungsareal das ganze Jahr über genutzt. Während die Graureiher regelmäßig anzutreffen sind, erscheinen die Störche nur in unregelmäßigen Abständen. Leider ist der Storchenhorst von Niedergrenzebach seit 1977 verwaist, so daß für die Nieder- grenzebacher Störche der Storchenteich zu spät gekommen ist. Aber auch als Brutgebiet ist der Storchenteich für eine Reihe von Vogelarten interes- sant geworden. So brüten hier z. B. Rebhuhn, Stockente, Bleßralle, Bekassine, die natürlich auch als Durchzügler vorkommt (am 2. 11. 1981 ca. 50 Ex.), Kiebitz, Rohr- ammer und Wiesenpieper. Brutverdacht besteht für Braunkehlchen, Schwarzkehlchen, und Zwergtaucher. Weitere Arten werden sich in Zukunft noch ansiedeln, wenn sich die Vegetation weiterentwickelt hat.

Pflegemaßnahmen: Um die Weiterentwicklung der Vegetation zu fördern, hat das Forstamt Schwalmstadt in Absprache mit dem FABA Kassel und der HGON im November 1981 entlang des asphaltierten Feldweges eine im wesentlichen aus Roterlen (Alnus glutinosa) und Wei- denarten (Salix aurita, S. cinerea, S. alba, S. caprea) bestehende Anpflanzung vorge- nommen. Die Teichparzelle wurde in den vergangenen Jahren teilweise gemäht (Juli/ August) und teilweise von Schafen beweidet. Da nun bald die gesamte Kernzone ge- pflegt werden muß, ist die Erarbeitung eines Pflegeplanes nötig. Dies soll in diesem Jahr in Absprache zwischen der BFN-Kassel, der FABA Kassel, dem Forstamt"Schwalm- stadt und der HGON geschehen. Die Zusammenarbeit zwischen dem Forstamt Schwalmstadt und dem Arbeitskreis Schwalm-Eder der HGON ist ausgezeichnet.

38 In den Pflegeplan sollen auch noch einige gestalterische Maßnahmen aufgenommen werden. Die hohen Niederschlagsmengen der letzten Jahre brachten günstige Grund- wasserbedingungen, die mit Sicherheit nicht von Dauer sein werden und in der Ver- gangenheit auch nicht immer bestanden haben. Wir halten es daher für unmöglich, daß eine Vorrichtung am Schwertzellsgraben vorgesehen wird, die es erlaubt, das Gebiet kontrolliert zu überfluten. Wir schlagen ein Windschöpfrad vor, da eine einfache Stau- stufe zu einem Rückstau auf landwirtschaftlich genutzten Flächen führen würde. Im Zusammenhang mit dieser Baumaßnahme könnten noch einige Gräben und Flachteiche angelegt werden. Den Herren W. MOLLER und H. SCHAUB, von denen ein Großteil der avifaunistischen Angaben stammen, sowie Herrn L. JÜNGLING für die botanischen und herpetologischen Angaben sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

Abb. 2 Naturschutzgebiet „Storchenteich am Schwertzellsgraben" (Luftbild freigegeben vom RP-Kassel unter Nr. 75/82) Foto: G. POSTWEILER (1980)

39 3. „In den Erlen von Loshausen"

Das zweite Teichprojekt wurde auf der 8 ha umfassenden Fläche des 1981 rechtskräf- tig ausgewiesenen NSG „In den Erlen von Loshausen" im Winter 1981/82 geschaffen. Die gesamte Fläche von 8 ha war 1978 im Rahmen der Flurbereinigung vom ALL Mar- burg für Naturschutzzwecke in das Eigentum des Landes Hessen überführt worden. Dafür sei dem damaligen Leiter des ALL, Herrn FIEDLER, und dem jetzigen Leiter, Herrn DAUBERT, herzlich gedankt. Bei den „Erlen von Loshausen" handelt es sich um einen alten Flachmoorrest mit an- schließenden Feuchtwiesen, die durch Drainungen oder Auffüllungen im Laufe von Generationen mehr schlecht als recht landwirtschaftlich nutzbar gemacht worden waren. Außerdem hatten hohe Erdwälle eines unsachgemäß angelegten, ringförmigen Teich- fragments sowie umfangreiche wilde Schuttablagerungen den Wert des Gebietes stark beeinträchtigt, so daß die Loshäuser Weißstörche hier nur sporadisch angetroffen wurden. Um das Gebiet seiner ursprünglichen ökologischen Funktion wieder zuführen zu kön- nen, waren renaturierende Eingriffe unerläßlich. Dies ist nun durch die Anlage eines labyrinthartigen Verbundsystems von Teichen, Tümpeln und Gräben geschehen, das artenreichen an Wasser gebundenen Pflanzen- und Tiergesellschaften neuen, ge- sicherten Lebensraum bieten wird. Den Bauentwurf für diese komplizierte Anlage hat A. BADOUIN, Wasserbau- ingenieur im Amt für Landwirtschaft und Landentwicklung Marburg, in Absprache mit der HGON, Arbeitskreis Schwalm-Eder, gefertigt. Dafür und für die sachkundige Bau- leitung sei ihm an dieser Stelle herzlich gedankt. Es wurden 14 reichgegliederte Teiche unterschiedlicher Größe und Wassertiefe mit vorwiegend flachen Uferzonen angelegt. Über das ganze Gelände verteilt, vor allem in der Nähe der Ufer, wurden Schlickzonen und kleinflächige Vertiefungen geschaffen, die einmal Limikolen dienen sollen, möglicherweise aber auch von Gelbbauchunken als Laichplätze angenommen werden. Sämtliche Erdwälle um das alte Teichfragment wurden abgetragen und gleichzeitig auf den meisten Abtragsflächen das Grundwasser knapp freigelegt. Außerdem wurden die Außenufer dieses Teichfragments abgeflacht und mit zahlreichen kleinen Buchten aus- gestattet. Insgesamt hat die ausführende Firma diese Arbeiten mit äußerster Umsicht ausgeführt, so daß die innerhalb des ringförmigen Teichfragments liegenden Flach- moor-Kernzone weitestgehend geschont werden konnte. Wir hofften auf die Ansiedlung von Wollgras und Sonnentau sowie von Laubfröschen im Bereich des Flachmoores. Um Störungen von außen möglichst gering zu halten, wurde um ca. 70 0/o der neu- geschaffenen Teiche und des ausgebauten alten Teiches herum ein gewundener Außengraben mit vielen Buchten und Seitenarmen angelegt. An zwei Stellen wurden Steilwände für Eisvögel geschaffen und die Stelle, an der Bauschutt lagerte, wurde durch grobe Kiesschrotten abgedeckt, so daß sie Regenpfeifern und möglicherweise Geburtshelferkröten als Lebensraum dienen kann. Das Gebiet hat keinen Zufluß, es wird nur von Grundwasser und einigen Quellen gespeist. Der anfallende Erdaushub von etwa 11.000 cbm wurde an zwei Stellen auf den höher gelegenen Randflächen des NSG abgelagert. Insgesamt wurden durch diese Baumaß- nahme ca. 2 ha Wasserflächen neugeschaffen, die zusammen mit den verlängerten Ufern des alten Teichfragments etwa 5 km der ökologisch äußerst wichtigen Kontakt- zone Land-Wasser aufweisen. Nach unserer Einschätzung ist nun nach Fertigstellung des Teichsystems die Rena- turierung des Gebietes bestmöglich gelungen. Wir glauben insbesondere, daß jetzt optimale Bedingungen zur Begründung einer Amphibienpopulation gegeben sind, die wiederum den Loshäuser Weißstörchen als Nahrungsbasis dienen soll. Die Loshäuser

40 Abb. 3 Naturschutzgebiet „In den Erlen von Loshausen" (Skizze von EICHHORN)

Störche sind das letzte Brutpaar in der Schwalm (auf den übrigen beiden Horsten in Niedergrenzebach und Dittershausen werden nur in den letzten Jahren noch Horst- besuche von Einzelstörchen registriert), das zusammen mit dem Rückinger Brutpaar im Main-Kinzig-Kreis den traurigen Rest der hessischen Weißstorchpopulation im Jahre 1981 bildete.

4. „In der Leist von Schwalmstadt"

Bei dem NSG-Projekt „In der Leist von Schwalmstadt" zwischen Treysa und Rommers- hausen handelt es sich um ein interessantes Feuchtbiotop von ca. 33 ha mit einem Auwaldrest, das Ganze halbinselartig umflossen von einer großen Schwalmschleife. Der BFN-Kassel liegen Verkaufsabsichtserklärungen von zwei Eigentümern ökologisch sehr wertvoller Flächen vor. Eine Einigung scheiterte bis jetzt an den überhöhten For- derungen der Verkäufer. Möglicherweise ist mittelfristig ein Tausch einer größeren landwirtschaftlich genutzten Pachtfläche realisierbar. Falls dies zustande käme, wäre die „Leist" ein idealer Standort für ein ähnliches Teichsystem wie „In den Erlen von Loshausen".

5. „Flachsrasen von Dittershausen"

Das NSG-Projekt „Flachsrasen von Dittershausen" liegt östlich von Dittershausen an die Main-Weser-Bahnlinie angelehnt. Es umfaßt 10 ha Grünland mit von Gräben durch- zogenen Feuchtwiesen, die z. T. ungenutzt sind, einen Rest Erlenbruch und zwei exten- siv genutzte Fischteiche. Eine Fläche von 1,3 ha wurde 1979 vom Land Hessen erwor- ben. Weitere Flächen stehen in absehbarer Zeit hier nicht zum Verkauf, eventuell ist Tausch möglich. Wegen des relativ hohen Anteils an ungenutzten Flächen ist hier mit einer baldigen Ausweisung zu rechnen.

41 Das vierte im o. a. Ortstermin festgelegte Teichprojekt könnte im „Flachsrasen" ver- wirklicht werden, allerdings in recht bescheidenem Rahmen zunächst als Gruppe von kleinen Flachwasserteichen.

6. „Biedenbacher Teiche von Florshain"

Das zukünftige NSG „Biedenbacher Teiche" von Florshain liegt südöstlich von Flors- hain und soll einen etwa 10 ha großen Abschnitt des Silberbaches umfassen, in dessen Uferbereich mehrere Fischteiche existieren. Eine Fläche von 2 ha mit drei Fischteichen hat hier das Land Hessen schon erworben. Weitere Flächen können möglicherweise noch hinzukommen. Wir glauben, daß nach endgültiger Unterschutzstellung aller sechs genannten Gebiete, die innerhalb des Typus Feuchtgebiet sehr verschiedenartige Ökosysteme darstellen, eine Grundausstattung an Naturschutzgebieten in der Schwalm geschaffen ist, die ökologisch und naturhistorisch gleichermaßen bedeutsam ist. In der Zukunft kann diese Grundausstattung weiterentwickelt werden hin zu einem Endzustand, in dem alle dann existierenden Naturschutzgebiete ein miteinander vernetztes System bilden.

7. Literatur:

HOLLAND-LETZ, J. (1978): Schutzmaßnahmen für die Weißstörche in der Schwalm. Natursch. in Hessen, H. 2: 95-100.

Ders. (1982): Schutz der Feuchtgebiete in der Schwalm. Schwälmer Jahrbuch, S. 200-204; Hrsg. Schwälmer Heimatbund e. V., Ziegenhain 1982.

Anschrift des Verfassers:

JURGEN HOLLAND-LETZ, Birkenweg 6, 3578 Schwalmstadt-Niedergrenzebach

42 Zeitschrift fürVogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 43-48 (1982)

Braunkohlenbergbau und Naturschutz in der Wetterau (Hessen) von HELMUT LINGEMANN, Wölfersheim und ERHARD THORNER, Langsdorf

1. Geologische Verhältnisse und Geschichte des Braunkohlenbergbaues

Die Wetterau ist — geologisch gesehen — der südlichste Teil der Hessischen Senke, deren Ursprünge bis ins Jungpaläozoikum vor über 200 Millionen Jahren zurückreichen und die eine nach Norden zum Leinetalgraben gerichtete Fortsetzung der Senkungs- gebiete des Oberrheintalgrabens und des Saar-Nahe-Grabens darstellt. Der nörd- lichste Ausläufer der Wetterau, der von den Basalthöhen des Vorderen Vogelsberges umgebene Horloffgraben ist wahrscheinlich an der Wende Unterpliozän/Oberpliozän zwischen zwei in rheinischer Richtung (Nord — Süd) streichenden Verwerfungen abge- sunken. Im Horloffgraben sind vor ca. 1 bis 1,2 Millionen Jahren die Braunkohlenlager entstanden, die gegenwärtig abgebaut werden. Das Braunkohlenvorkommen erstreckt sich über eine Gesamtlänge von ca. 15 km in nordsüdlicher Richtung und teilt sich in mehrere langgestreckte Lagerzüge auf (Abb.1). Die Mächtigkeit der Kohlenlager beträgt im Durchschnitt 9 m. Das Hangende besteht aus Tonen, die von etwa 5 m mächtigem Lößlehm und Löß überlagert werden, wobei die mittlere Abraummächtigkeit ca. 30 m beträgt (Abb. 2). Das Liegende wird von einem tonähnlichen Basaltersatz gebildet, der in einer Mächtigkeit von 30 bis 40 m über dem festen Basalt ansteht. Seit 1804 werden die Braunkohlenvorkommen der nördlichen Wetterau abgebaut, und zwar bis zum Jahre 1960 überwiegend im Tiefbau. Im 19. Jahrhundert wurde die Braun- kohle vorwiegend als Hausbrand, zum Teil in Form von Preßsteinen verwendet. Im Jahre 1913 erfolgte zum ersten Mal der Einsatz der Wetterauer Braunkohle zur Strom- erzeugung, ab 1927 die Verschwelung in einem neu eingerichteten Schwelkraftwerk. Als in der Nachkriegszeit der Absatz der Schwelprodukte (z. B. Teeröle und Benzin) stockte, wurde das Schwelkraftwerk im Jahre 1954 stillgelegt und statt dessen ein Blockkraftwerk errichtet. Heute wird die Braunkohle ausschließlich in dem Wölfers- heimer Kraftwerk der Preußischen Elektrizitäts-AG (Preußenelektra) zur Elektrizitäts- erzeugung verwendet. Im Zuge der Erweiterung dieses Kraftwerkes auf eine Gesamt- leistung von 124 Megawatt wurden die letzten Tiefbaugruben im Jahre 1962 stillgelegt und der Bergbau restlos auf Tagebaubetrieb umgestellt. Bei der Rekultivierung der ausgekohlten Tagebaue bot es sich an, die durch den Tief- bau zerstörten Flächen mit einem Teil der anfallenden Erdmassen aus den in Betrieb befindlichen Tagebauen aufzufüllen, zu rekultivieren und der Landwirtschaft wieder zuzuführen. Beim weiteren Betrieb der Tagebaue wird der ausgekohlte Raum ebenfalls wieder verfüllt und rekultiviert, denn nur so kann die Forderung der Grundeigentümer nach einer möglichst weitgehenden Wiederherstellung der in Anspruch genommenen landwirtschaftlichen Nutzflächen erfüllt werden. Die Flächen, die wegen des Massen- defizits durch den Kohlenabbau nicht wieder aufgefüllt werden können, verbleiben als Tagebaurestlöcher. Diese Restlöcher füllen sich im Laufe der Zeit durch den Wieder- anstieg des Grundwassers und durch Niederschläge mit Wasser, wobei eine Einbe- ziehung dieser Seen und Teiche in das Landschaftsbild sowohl als Biotopflächen und Ruhezonen als auch als Erholungs- und Freizeitgebiete angestrebt wird. Im Rahmen der Rekultivierungsarbeiten wurden bisher Flächen von rund 600 ha land- wirtschaftlich rekultiviert. In den Restlöchern der ehemaligen Tagebaue sind seither vier etwa gleich große Seen mit einer Wasserfläche von zusammen rund 140 ha ent-

43 Trai s- Horloff fs,Steinheim

Obbornhofen Utphe

UI Wassert lachen zukünftige Wasserflächen

landw. rek. Flächen

1=1 zukünftige Tagebaue 1:50000

Abb. 1 Die Rekultivierungsflächen im Braunkohlengebiet der nördlichen Wetterau — Stand 1982

44 standen, was bei Einbeziehung der bepflanzten Randstreifen und Uferzonen eine Ge- samtfläche von ca. 190 ha bedeutet. In Zukunft werden noch drei größere Seen mit einer Wasserfläche von insgesamt etwa 160 ha entstehen, zusammen mit den Rand- streifen werden diese Flächen etwa 230 ha betragen. Neben den großen Wasserflächen sind sechs kleinere Teiche von jeweils 1 bis 2 ha Größe und geringer Wassertiefe entstanden, von denen aufgrund ihrer Lage und Gestaltung zwei als Naturschutzgebiete NSG geeignet sind (einer, der „Grenzstock von Gettenau", ist bereits als NSG ausgewiesen), einer ausschließlich als Angelteich genutzt wird und drei in die Naherholungsgebiete von Gemeinden einbezogen worden sind. Die Durchführung dieser Maßnahmen hat in den letzten Jahren das Interesse vieler Fachleute von Behörden und Verbänden, aus Industrie und Landwirtschaft gefunden. Im Rahmen des Bundeswettbewerbes 1971 „Industrie in der Landschaft", an dem die Abteilung Wölfersheim der Preußenelektra teilnahm, wurden die durchgeführten Re- kultivierungsmaßnahmen, insbesondere auch die Anlage der Seen und Teiche in den Restlöchern der ehemaligen Tagebaue positiv bewertet. Im Zuge dieses Wettbewerbes wurde die Abteilung Wölfersheim mit einer Bronzeplakette ausgezeichnet. Maßgebend für die gesamte Durchführung der Arbeiten ist neben den technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten die Bereitschaft aller Beteiligten, das erforderliche Verantwortungsbewußtsein gegenüber der Umwelt auch in die Tat umzusetzen und einen Beitrag zum Schutz und zur Pflege der Landschaft im Rahmen einer modernen Raumordnung zu liefern.

Abb. 2 Schaufelradbagger mit Tagesleistungen von 10.000 m3 legen die Kohle frei. Die Abraummassen werden mit Bandanlagen transportiert und in den ausge- kohlten Teil der Tagebaue verstürzt. Foto: PREAG (1978)

45 2. Naturschutz als Folgenutzung — ein Programm

Die infolge des Massendefizits entstehenden wassererfüllten Tagebaurestlöcher könn- ten unter bestimmten Voraussetzungen zu wertvollen Biotopen aus „zweiter Hand" werden, was in dem an Gewässern armen Hessen aus der Sicht des Naturschutzes dringend notwendig ist. Im Gegensatz zu den meisten anderen Industrien mit hoher Flächeninanspruchnahme besitzt also der Bergbau die Chance, nach Abschluß seiner Tätigkeit durch geeignete Renaturierungsverfahren sogar zur ökologischen Bereiche- rung der Landschaft beizutragen. Er könnte gar bei der Milderung der ökologischen Schäden mitwirken, die durch den Verlust an Feuchtland in der Vergangenheit aufgetre- ten sind und die nicht auf die bergbaulichen Eingriffe, sondern auf andere Ursachen zurückzuführen sind. In der Tat sind in den Flußauen der Wetterau allein in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg ganz enorme Einbußen an regelmäßig und längerfristig über- schwemmten Feuchtwiesen zu verzeichnen. Die Gründe sind vorwiegend in Flußbe- gradigungen und im Ausbau von Flüssen, im Bau von Rückhaltebecken und in Grund- wasserabsenkungen zu suchen. Als Folge der „Austrocknung" der Auen setzte ein Umbruch der Wiesen und eine Nutzungsintensivierung des verbliebenen Grünlandes ein. Siedlungen drangen in den einst nassen Auenbereich vor. Straßen und befestigte Wirtschaftswege zerschnei- den in zunehmendem Maße das Gelände und bringen störenden Publikumsverkehr größeren Ausmaßes in die einst ruhigen und nur schwer zugänglichen Niederungen. Im Gefolge dieser Maßnahmen verloren unzählige Tiere, unter anderem Tausende von Enten, Gänsen und Limikolen, ihre traditionellen Rast- und Nahrungsplätze. Auch die mit Röhrichten und Gehölzen umgebenen Feldteiche, die sich im Laufe von Jahrzehnten in den Bruchfeldern der ehemaligen Tiefbaugebiete herausgebildet hatten und die den Söllen des norddeutschen Jungmoränenlandes glichen, sind inzwischen weitgehend verfüllt und landwirtschaftlich rekultiviert worden. Aus diesen Verlusten der Vergangen- heit ergibt sich die dringende Notwendigkeit, die künftig anfallendenTagebaurestlöcher — gewissermaßen als Ausgleich — vornehmlich für Zwecke des Naturschutzes in Form von Regenerationsräumen zu nutzen, wie es das Hessische Naturschutgesetz (HENatG) auch vorsieht.

Tabelle: Nutzung der nicht wieder verfüllten Abbauflächen in ha — Stand 1982

Vorhanden Geplant Wasserfl. bepfl. Summe Wasserfl. bepfl. Summe Randfl. Randfl.

Erholungsflächen intensive und ruhige Erholung 39 10 49 37 14 51 Betriebsflächen betriebliche Wassernutzung und ruhige Erholung 40 13 53 54 Naturschutzflächen 2 3 5 37 17

Zukünftige Regenerationsflächen Betriebsflächen ruhige Erholung Naturschutz 160 70 230

46 Dies steht nicht im Widerspruch zu der Intention, möglichst große Anteile der bergbau- lich in Anspruch genommenen Flächen anschließend zu verfüllen, zu rekultivieren und wieder der landwirtschaftlichen Nutzung zuzuführen. Ganz im Gegenteil — aus der Sicht der Landwirtschaft stellt der Naturschutz an den großen Restlöchern sogar diejenige Nachnutzungsform dar, die mit die geringste Flächeninanspruchnahme zur Folge hat, denn im Gegensatz etwa zur Freizeitnutzung beansprucht der Naturschutz keine An- und Abfahrtswege, Parkplätze, Rundwanderwege, Flächen für Erholungseinrichtungen, Campingplätze oder Wochenendgebiete sowie entsprechende Ver- und Entsorgungs- einrichtungen. Auch entfallen die vielen negativen „Ausstrahlungen" auf das Umland, die ansonsten mit steigendem Intentionsgrad der Freizeitnutzung auch in wachsendem, Maße aufzutreten pflegen. Es erscheint notwendig, auf diese Möglichkeit eines günstigen Nebeneinanders von Landwirtschaft und Naturschutz bei der Folgenutzung der Tagebaurestlöcher gerade auch hier im agrarischen Schwerpunktgebiet Wetterau mit seinen fruchtbaren Lößverwitterungsböden immer wieder hinzuweisen. Für den Naturschutz haben gerade die in der Wetterau neu entstehenden Wasser- flächen aufgrund der besonderen orographischen und klimatischen Gegebenheiten, dieses Gebietes eine herausragende Bedeutung. Die Wetterau stellt nämlich nicht nur in geologischer sondern auch in klimatischer Hinsicht eine Fortsetzung des Oberrhein- tals dar, das innerhalb Deutschlands eine spezielle Gunstposition besitzt. Dies ist selbst für den Nichtfachmann ersichtlich, insbesondere wenn während der Übergangs- jahreszeiten die umgebenden Höhenlagen von Taunus und Vogelsberg von Schnee bedeckt sind, während in den Niederungen der Wetterau noch beziehungsweise schon wieder reges Leben herrscht. So nimmt es auch nicht wunder, daß die Auen und Feucht- gebiete der Wetterau — und hier wieder vor allem der Bereich des Horloffgrabens — auch eine bedeutende Funktion als Brut-, Rast- und Durchzugsgebiet besitzen. Zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit dieser Auen wurde bereits von dem früheren Leiter des Senckenberg Museums in Frankfurt/M., Prof. Dr. SCHÄFER, das Schutz- konzept „Auenverbund Wetterau" entworfen, wonach neben einem allgemeinen Schutz für die Flußniederungen ökologisch besonders wertvolle Bereiche als Schutz- gebiete ausgewiesen werden sollen. Die Tagebauseen stellen für dieses Projekt eine wesentliche Ergänzung und Wertsteigerung dar, so z. B. der „Knappensee von Utphe", der sich an das südöstlich angrenzende, in der Horloffaue vorgesehene, Naturschutz- gebiet „Kuhweide von Widdersheim" anschließt. Die seitherigen Erfahrungen an den bereits vorhandenen Tagebaurestlöchern haben gezeigt, daß diese intensiv von Zugvögeln als Rastplatz angenommen, beziehungs- weise von einigen Arten auch schon bald besiedelt werden, soweit nur die notwendige Störungsfreiheit gegeben ist. So konnten auf dem Wölfersheimer See (35 ha), der von der Preußenelektra als Kühlteich genutzt wird und eisfrei bleibt, im Hochwinter bei völliger Störungsfreiheit zum Beispiel Tageshöchstzahlen von ca. 3000 Stockenten (ca. 15°/o des hessischen Winterbestandes) bis zu 80 Haubentaucher (ca. 50 0/o des hessischen Winterbestandes) und bis zu 80 Graureiher (bedeutendster hessischer Überwinterungsplatz) ermittelt werden. In dem Tagebaurestloch bei Bellersheim (derzeit ca. 30 ha Wasserfläche) wurden 1980 — vier Jahre nach Beendigung des Bergbaubetriebes — drei Reiherentenbruten fest- gestellt (SEUM 1981). Es handelt sich hierbei um den ersten Brutnachweis aus der Wetterau und um den fünften Brutplatz in Hessen. 1981 brüteten an gleicher Stelle 10 Haubentaucherpaare. Das Bellersheimer Restloch ist mittlerweile jedoch als Brutbiotop weitgehend unbrauch- bar geworden, nachdem der steigende Wasserspiegel die vielen Inseln und Halbinseln überflutet hat, die sich kurzfristig bei niedrigerem Wasserstand in der stark reliefierten Vorkippe am „Grunde" des Restloches gebildet hatten. Die einplanierten und von ;Schafen beweideten Böschungen, die jetzt die einzige Uferlinie bilden, sind als Brut- platz ungeeignet.

47 Aufgrund der bisherigen Erfahrungen wären für eine erfolgreiche Naturschutzarbeit aus der Vielzahl der vorhandenen und noch entstehenden größeren Tagebaurestseen einige ausschließlich für Naturschutzzwecke zu nutzen, wobei auf die Anlage von Rundwanderwegen sowie auf jegliche Form der Erschließung und der leichten Zugäng- lichkeit verzichtet werden muß. Dem müßte auch die Bepflanzung des Randstreifens Rechnung tragen. An geeigneter Stelle sollte eine verblendete Beobachtungskanzel errichtet werden, um der Bevölkerung die Möglichkeit zu eröffnen, an dem Geschehen im Naturschutzgebiet teilnehmen zu können, ohne selber in Erscheinung zu treten. Von besonderer Bedeutung ist die Gestaltung der späteren Uferpartie, wobei ein hoher Grenzlinieneffekt und die Anlage flacher Bereiche für künftige Seichtwasser- zonen anzustreben sind. Die Schaffung flacher Böschungen ist hier auch schon aus Sicherheitsgründen notwendig, da der lehmig-schluffige beziehungsweise tonige Unter- grund des Gebietes in erhöhtem Maße zu Hangrutschungen neigt. Die gleichen Ziele verfolgt auch der Naturschutz, damit später ausreichend breite Röhrichtgürtel entstehen können. Aus diesen Gründen wäre — zumindest an Stellen verstärkten Hangwasser- anfalles — die Einbeziehung eines breiteren Randstreifens in die Zone der Gestaltungs- maßnahmen erforderlich. Im übrigen könnte eine Berme quer zur Hangneigung und in Höhe des künftigen Wasserspiegels zusätzlichen Raum für die Entstehung einer Röhrichtzone liefern. Bergbau und Naturschutz aber auch Landwirtschaft und Naturschutz stellen beim Braunkohlenabbau in der Wetterau und bei der Nachnutzung der Tagebaurestlöcher keine unlösbaren Zielkonflikte dar — im Gegenteil. Es ist recht erfreulich, daß sich diese Erkenntnis nicht nur bei den Naturschutzverbänden, sondern auch bei den Land- wirtschaftsbehörden und den landwirtschaftlichen Berufsverbänden, der Bergaufsichts- behörde, dem Bergbauunternehmen und den Naturschutzbehörden allmählich durch- setzt. Somit ist zu erwarten, daß den Intentionen des Hessischen Naturschutzgesetzes, abgebaute Flächen weitgehend den Zwecken des Naturschutzes und der Landschafts- pflege zuzuführen, in Zukunft auch in der Praxis Rechnung getragen wird.

Literatur:

SEUM, U. (1981): Bruten einiger Entenarten in der Wetterau (1976 —1981) — Beitr. Naturk. Wetterau 1: 48 — 55.

Anschrift der Verfasser: Dipl.-Ing. HELMUT LINGEMANN, Heyenheimer Weg 4, 6366 Wölfersheim ERHARD THORNER, Oberstraße 15, 6301 Langsdorf

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Zeitschrift fürVogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 49-57 (1982)

Hessens neue Naturschutzgebiete (6) von HANS-JOACHIM BOHR und CLAUDIA KRAFT, Wiesbaden

NSG „Moor bei Wehrda" (Kreis Hersfeld-Rotenburg) VO vom 19. September 1980 (StAnz. S. 1876); in Kraft getreten: 7. Oktober 1980

Über die Musterverordnung hinaus ist verboten: — Drachen fliegen zu lassen — die Fischerei auszuüben — (auch in der Landwirtschaft) Biozide anzuwenden oder zu düngen — dem Pflegeplan nicht entsprechende forstliche Maßnahmen durchzu- führen — die Jagd auszuüben; Ausnahme: s. unten erlaubt: — die Einzeljagd auf Schalenwild in der Zeit vom 16. Juli bis 31. März jeden Jahres auszuüben — die ordnungsgemäße Landwirtschaft auf einem näher bezeichneten Grundstück ohne die oben genannten Einschränkungen zu betreiben — die Maßnahmen des Bundesgrenzschutzes und des Grenzzolldien- stes durchzuführen — Fernmeldeanlagen der Deutschen Bundespost entlang öffentlicher Wege zu errichten und zu unterhalten.

Das Moor bei Wehrda ist ein von Flachmoorzonen umgebenes Hochmoor und eines der wenigen durch Nutzung kaum beeinträchtigten Moore Hessens. Die Pflanzen- welt weist eine Vielzahl feuchtlandgebundener Arten auf, darunter die gefährdeten Arten Schlammsegge (Carex limosa), Rundblättriger Sonnentau (Drosera rotundi- folia), Schmalblättriges Wollgras (Eriophorum angustifolium), Fieberklee (Menyan- thes trifoliata), Sumpfmiere (Stellaria palustris), Sumpf-Veilchen (Viola palustris), Torfsegge (Carex davalliana), Sumpf-Läusekraut (Pedicularis palustris), Kammfarn (Dryopteris cristata), Sumpf-Haarstrang (Peucedanum palustre), Kleiner Wasser- schlauch (Utricularia minor), Graue Segge (Carex canescens), Rispensegge (Carex paniculata), Schierling (Cicuta virosa), Kriechweide (Salix repens) und von den Orchideen das Breitblättrige Knabenkraut ( majalis). Die Moosflora ist äußerst interessant, aber bisher kaum erforscht. Diesem Arten- reichtum der Flora entspricht eine artenreiche Tierwelt; bisher wurde aber nur die Vogelwelt genauer beobachtet. Von den in Hessen bestandsgefährdeten Vogel- arten wurden hier unter anderem Graureiher, Löffelente, Moorente, Reiherente, Habicht, Wespenbussard, Wasserralle, Kiebitz, Bekassine, Zwergschnepfe, Wald- wasserläufer, Wiedehopf, Rotkopfwürger, Schilfrohrsänger und Blaukehlchen als Brutvögel oder als Durchzug ler festgestellt. Es ist beabsichtigt, den vorhandenen Drainagegraben, der in Richtung Wehrda führt, zu verfüllen und die im Naturschutzgebiet liegenden Pappelgruppen und die Nadelholzkulturen zu entfernen. So kann mit geringem Aufwand ein selten gewor- dener Lebensraum erhalten und gefördert werden.

49 NSG „Steinbacher Teich und Fürstenauer Park" (Odenwaldkreis) VO vom 16. Juli 1981 (StAnz. S. 1652); in Kraft getreten: 25. August 1981

Ober die Musterverordnung hinaus ist verboten: — die Jagd auf Wasserwild und die Durchführung von Gesellschaftsjagden gestattet: — zu düngen — die ordnungsgemäße gärtnerische Bodennutzung im bisherigen Umfang und in der bisherigen Art — die Überwachung, Unterhaltung und Instandsetzung von Ent- und Ver- sorgungsanlagen — die Handlungen der zuständigen Wasserbehörde oder der von dieser beauftragten Dienststellen oder Institutionen im Rahmen der Wasser- aufsicht — Unterhaltungsarbeiten an Gewässern im jeweiligen Einvernehmen mit der oberen Naturschutzbehörde

Mit diesem im Sandsteinodenwald nordwestlich von Michelstadt gelegenen knapp 17 ha großen Feuchtgebiet ist erstmals im Odenwaldkreis ein Naturschutzgebiet aus- gewiesen worden. Der Steinbacher Teich und der angrenzende Fürstenauer Park bilden einen letzten naturnahen Rest der Talaue der Mümling. Der Park hat sich zu einem Landschaftsgarten entwickelt und ist besonders in seiner Wirkung als Altholz- insel mit dem Charakter einer Auenwaldgesellschaft von Bedeutung. Für den dendro- logisch Interessierten besteht hier u. a. die Möglichkeit, in einem von Schalenwild freien Raum die Naturverjüngung von Laubbaumarten in Odenwald-Talauen langfristig zu beobachten. Trotz gewisser Beeinträchtigungen sind in den letzten Jahren u. a. Bleßralle, Teichralle, Stockente, Teich- und Sumpfrohrsänger als Brutvögel festgestellt worden, als Durch- zügler Knäckente, Krickente, Schellente, Fischadler und Flußuferläufer. Somit kann dieses NSG auch als „Trittstein" auf dem Wanderwege ziehender an Feuchtland ge- bundener Vogelarten gewertet werden. Im Fürstenauer Park brüten in hoher Sied- lugsdichte u. a. Grün-, Grau-, Bunt- und Kleinspecht, ebenso Wendehals, Grasmücken- und Laubsängerarten. In diesem englischen Garten des ausgehenden 18. Jahrhunderts hat sich eine Pflanzen- gesellschaft entwickelt, die in hohem Grad schutzwürdig ist. Bei der Unterschutzstel- lung hat aber auch der Gesichtspunkt des Ensembleschutzes im Sinne der Denkmal- pflege für die unmittelbar angrenzend gelegene Einhardsbasilika Berücksichtigung gefunden. Das Gebiet stellt somit botanisch, zoologisch und landschaftshistorisch eine Besonderheit dar.

NSG „Mönchbruch von Mörfelden und Rüsselsheim" (Landkreis Groß-Gerau) VO vom 24. Juli 1981 (StAnz. S. 1873); in Kraft getreten: 29. September 1981

Über die Musterverordnung hinaus ist verboten: — das Gebiet in der Zeit vom 1. März bis zum 1. Juni außerhalb der Wege zu betreten

gestattet: — die landwirtschaftliche Nutzung der Grünlandflächen auf zweierlei in der Verordnung (§ 5) und auf einer Karte näher bestimmte Art und Weise — Maßnahmen zur Erhaltung von Stark- und Altholzbeständen und zur Förderung der Naturverjüngung — Maßnahmen zur Gewährleistung der Flugsicherung im jeweiligen Ein- vernehmen mit der oberen Naturschutzbehörde

50 — die Überwachung, Unterhaltung und Instandsetzung von Ent- und Ver- sorgungsanlagen sowie die Verlegung einer Freileitungstrasse, die das Gebiet berührt — Bau, Betrieb und Unterhaltung eines Hochwasserrückhaltebeckens — die Handlungen der zuständigen Wasserbehörde oder deren Beauftrag- ten und Unterhaltungsarbeiten an Gewässern im jeweiligen Einverneh- men mit der oberen Naturschutzbehörde — das Fahren mit Kraftfahrzeugen im notwendigen Umfange, soweit es land-, forst- und jagdwirtschaftlichen sowie vollzugspolizeilichen Zwecken dient

Dieses etwa 485 ha umfassende Naturschutzgebiet dient dem Schutz und der Pflege eines weitläufigen zusammenhängenden Wiesenareals innerhalb naturnaher Wal- dungen im Naturraum „Untermainebene". Der Wiesenzug des „Mönchbruchs" wird dabei als eine eigene Gliederungseinheit hervorgehoben. Die durch extensive Grün- landnutzung entstandene Kulturlandschaft soll nicht nur aus landschaftshistorischen Gründen erhalten werden, sondern auch wegen der Vielfalt ihrer durch unterschied- liche Standortfeuchtestufen bestimmten Pflanzen- und Tiergemeinschaften, an denen auch eine beachtliche Zahl bestandsgefährdeter Arten teilhat. Die umgebenden Wälder enthalten zahlreiche Restbestände der für diesen Niederungsbereich ehemals kenn- zeichnenden natürlichen Waldgesellschaften. Ferner sind Binnendünen aus eiszeit- lichen Flugsanden miteinbezogen worden. Unter diesen vielfältigen standörtlichen Gegebenheiten treten als- Überbleibsel ehemals autochthoner Laubwälder in den trockeneren, sandigen Bereichen verschiedene Ausprägungen von Hainbuchen-Bu- chen-Stieleichenwäldern (Stellario-Carpinetum) und bodensaurer Eichenmischwald (Fago-Quercetum typicum) auf, an die sich mit zunehmender Bodenfeuchte Erlenbruch (Carici elongatae — Alnetum), nasser Erlen-Eschenwald (Pruno-Fraxinetum) und Eschenauenwald (Carici remotae — Fraxinetum) anschließen, die an den feuchtesten Stellen in gehölzfreie flachmoorartige Naßflächen übergehen können. Eingestreute prachtvolle Alteichen (350— bis 400jährig) sowie alte Buchen, Hainbuchen, Winterlinden, Feldulmen u. a. Baumarten bereichern das Waldbild; das Vorkommen von Flatterulmen und Wildbirnen ist erwähnenswert. Unter den Pflanzen der artenreichen Bodenvegetation im offenen Gelände, im Wald sowie an und in Gewässern wurden rund 20 Arten der hessischen Roten Liste festge- stellt, unter denen Rispensegge (Carex paniculata), Schlanke Segge (Carex strigosa), Brenndolde (Cnidium dubium), Wasserfeder (Hottonia palustris), Froschbiß (Hydro- charus morsus-ranae), Wassernabel (Hydrocotyle vulgaris), Märzenbecher (Leucojum vernum), Bergrispengras (Poa remota) und Sumpffarn (Thelypteris palustris) genannt seien. Von den Vogelarten der Roten Liste Hessens treten als Brutvögel auf: Bekassine und Kiebitz in den Feuchtwiesen, im Wald ein guter Greifvogelbestand mit Schwarzmilan und Baumfalke, ferner Hohl- und Turteltaube, alle in Hessen vorkommenden Specht- arten einschließlich des Wendehalses sowie ganz allgemein eine arten- und individuen- reiche Singvogelwelt. Insbesondere Moorfrosch, aber auch Spring-, Wasser- und Laub- frosch sowie Erdkröte finden im Naturschutzgebiet ihre Laichplätze. In und an Tot- und Faulholz sowie an Baumschwämmen wurde eine Fülle bemerkenswerter Käferarten entdeckt. Auch Libellen, Schmetterlinge und andere Tiergruppen sind reichhaltig ver- treten und lassen noch manchen Neu-Nachweis erwarten.

51 NSG „Kragenhof bei Fuldatal" (Stadt Kassel) VO vom 18. September 1981 (StAnz. S. 1939); in Kraft getreten: 13. Oktober 1981 Über die Musterverordnung hinaus ist verboten: — das Naturschutzgebiet zu betreten — mit Wasserfahrzeugen an dem Ufer der Fulda oder den Inseln anzulegen — Drachen fliegen zu lassen — die Jagd und die Fischerei auszuüben gestattet: — die von der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung für die Wasserstraße zu erfüllenden Hoheitsaufgaben des Bundes durchzuführen

Aus Flachwasserzonen der Fulda, mehreren Inseln und landwirtschaftlich genutzter Fläche des Kasseler Stadtgutes Kragenhof von insgesamt rund 8 ha Größe besteht dieses in der Westhessischen Senke liegende Naturschutzgebiet. Es soll einen gewis- sen Ausgleich für die durch den Fuldaausbau im Bereich der dort neu errichteten Stau- stufe verlorengegangenen Biotope schaffen. Zweck der Unterschutzstellung ist es, eine Brut-, Rast- und Überwinterungsstätte zahlreicher, zum Teil im Bestand gefähr- deter Wasservogelarten zu sichern und durch geeignete Maßnahmen der Biotopgestal- tung weiter zu verbessern. Damit werden für diese Vogelarten die erforderlichen Da- seinsvoraussetzungen einschließlich notwendiger Nahrungs- und Brutgelegenheiten erweitert, auf Dauer erhalten und vor Störungen bewahrt. Als Rastbiotope hat das Ge- biet bereits im ersten Winter 1980/81 seine Schutzwürdigkeit bestätigt: Hauben- und Zwergtaucher, Graureiher, Gänsesäger, Flußregenpfeifer, Waldwasserläufer, Grün- schenkel, Flußuferläufer sowie zahlreiche seltene Entenarten wurden beobachtet.

NSG „Speckswinkler Hutewald" (Kreis Marburg-Biedenkopf) VO vom 18. September 1981 (StAnz. S. 1941); in Kraft getreteten: 13. Oktober 1981

Über die Musterverordnung hinaus ist verboten: — das Gelände zu betreten gestattet: — zu düngen

Im Neustädter Sattel der Oberhessischen Schwelle stockt dieser 2,4 ha große lichte Bestand von etwa 400 bis 500 Jahre alten Buchen und Eichen, dessen Schutzwürdigkeit in seinem hohen Alter sowie seinem ursprünglichen Zustand liegt. Aufgrund des großen „Faulpotentials" (absterbendes und totes Holz) gibt der „Speckswinkler Hute- wald" einer ganzen Reihe von Pflanzen- und Tiergruppen Lebensmöglichkeiten, die auf natürlich alternde und zerfallende Bäume angewiesen sind, vor allem zahlreiche Pilze, Moose und Insekten. Die Ausweisung dieses Gebietes bietet somit eine hervor- ragende Möglichkeit, das Altholzinselprogramm zu ergänzen. Um den wertvollen ehemaligen Hutewald zu sichern und der natürlichen Entwicklung zu überlassen, sind Erhaltungs- und Pflegemaßnahmen notwendig: Die Altholzinsel muß von jeder forst- lichen Nutzung ausgenommen bleiben, ein Baum- und Gebüschgürtel soll den Altholz- bestand vor Windbruch schützen und für ein ausgeglichenes Bestandsklima sorgen.

52 NSG „In den Erlen von Loshausen" (Schwaim-Eder-Kreis) VO vom 18. September 1981 (StAnz. S. 1943); in Kraft getreten: 13. Oktober 1981

Über die Musterverordnung hinaus ist verboten: — das Gelände zu betreten — Drachen fliegen zu lassen — die Jagd auf Wasserwild und die Durchführung von Gesellschaftsjagden

Ursprünglich bestand dieses etwa 8 ha große Gebiet aus Naßwiesen, die zur landwirt- schaftlichen Nutzung trotz Verfüllungs- und Drainagemaßnahmen kaum geeignet waren. Durch Schaffung eines Grabensystems wurde die Wiesenfläche inzwischen künstlich wieder bewässert. So entstand das heutige aus einem von Wiesen und Ackerland umgebenen feuchten Weiden- und Erlengehölz mit offenen Wasserflächen bestehende Naturschutzgebiet. Dieser Feuchtbiotop wurde aus botanischer, ornitho- logischer und herpetologischer Sicht unter Schutz gestellt, um ihn als Standort seltener Pflanzen sowie als Lebensstätte und Nahrungsquelle bestandgefährdeter Vogel- und Lurcharten zu sichern. Floristisch läßt sich das Gebiet in folgende Gesellschaften gliedern: Die Gräben besiedelt Wasserschwadenröhricht (Glycerietum maximae), in der Uferzone findet sich Rohrglanzgrasröhricht (Phalaridetum) und Schnabelseggenried (Caricetum ro- stratae). Außerdem zählen ein Mädesüß-Uferverband (Filipendulion) und ein Spitz- blütenbinsenrasen (luncetum acutiflori) zu diesem Kreis von Feuchtgebietspflanzen- gesellschaften, die für wasserabhängige Lebewesen neuen Lebensraum schaffen. Die Wiesenflächen sind bevorzugtes Nahrungsgebiet für das im nahen Dorfe Loshau- sen brütende Storchenpaar, eines der letzten Hessens. Im Gebiet wurden 28 Brut- vogelarten nachgewiesen, darunter die auf der hessischen Roten Liste stehenden Arten Steinschmätzer, Braunkehlchen, Wiesenpieper, Schafstelze und Grauammer. Auch unter den zahlreichen als Gäste auftretenden Vögeln sind verschiedene Arten, deren Bestandsgefährdung einen besonderen Schutz ihrer Rastplätze erfordert (z. B. Kornweihe, Kampfläufer, Rotschenkel, Waldwasserläufer, Pfeifente). Ein bemerkenswerter Bestand von Erdkröten, Grün- und Grasfröschen sucht die Ge- wässer zum Ablaichen auf und ist für seinen Fortbestand entscheidend auf das Natur- schutzgebiet angewiesen.

NSG „Fuldatal bei Lüdermünd" (Stadt Fulda) VO vom 18. September 1981 (StAnz. S. 1944); in Kraft getreten: 13. Oktober 1981

Über die Musterverordnung hinaus ist verboten: — Drachen fliegen zu lassen

gestattet: — die Ausübung der Jagd in der Zeit vom 16. Juli bis 31.Januar, nicht jedoch auf Wasserwild und ohne die Durchführung von Gesellschaftsjagden — die Beangelung der Fulda vom Westufer aus — Maßnahmen im Rahmen der Gewässerunterhaltungspflicht auf Grund wasserrechtlicher Bestimmungen nach Anhörung der oberen Natur- schutzbehörde durchzuführen — zu düngen

Gut 5 ha staunasse Wiesen mit ganzjährig offenen Blänken und Schilf-Rohrkolben- Großseggen-Beständen (Phragmition, Magnocaricion) bilden dieses Naturschutzgebiet im Fulda-Haune-Tafelland. Auf den naturnahen Feuchtwiesen gibt es wuchskräftige, sich ausbreitende schützenswerte Pflanzengesellschaften, die den notwendigen Lebens- raum für bestandsgefährdete (Rote Liste) Vogel- und Lurcharten bieten. Hier brüten

53 Wasserralle, Tüpfelralle, Kleinralle, Bekassine, Schafstelze und Wiesenpieper. Zu den regelmäßig auftretenden Durchzüglern zählen Zwergdommel, Krickente, Zwerg- schnepfe, Kornweihe, Wiesenweihe, Sumpfohreule, Blaukehlchen, Schwarzkehlchen und Schilfrohrsänger.

NSG „Ochsenkopf" (Landkreis Kassel) VO vom 18. September 1981 (StAnz. S. 1946); in Kraft getreten: 13. Oktober 1981

Über die Musterverordnung hinaus ist verboten: — Drachen fliegen zu lassen gestattet: — die von der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung durchzuführenden Maß- nahmen einschließlich Fährbetrieb — die Ausübung der Fischerei auf der Weser sowie das stille Angeln ent- lang der Weser auf einem 5 m breiten Uferstreifen — das Entfernen einzelner Bäume und Sträucher, soweit dies aus Gründen des Hochwasserschutzes erforderlich ist

Dieses rund 24 ha große Naturschutzgebiet im Weserdurchbruchsland umfaßt zwei durch Kiesabbau entstandene Teiche und einige angrenzende Feuchtbiotope, teilweise mit sich ausbreitenden Gehölzen. Das Feuchtgebiet liegt am Fuße des westlich angren- zenden Naturschutzgebietes „Thoreng rund", das dem Schutze einer Graureiherkolonie dient. Die Gewässer des „Ochsenhofes" sind als Nahrungsquelle der angrenzend nistenden Graureiher von hoher Bedeutung. Der Eisvogel brütet hier, und durch- ziehende nordische Wasservögel finden einen Rastplatz.

NSG „Untere Fasanerie von Klein-Auheim" (Main-Kinzig-Kreis) VO vom 22. September 1981 (StAnz. S. 1985); in Kraft getreten: 20. Oktober 1981

Über die Musterverordnung hinaus ist verboten: — das NSG außerhalb der Zufahrtsstrecke zum Wildpark und des Park- platzes zu betreten oder zu befahren

gestattet: — die Ausübung der Jagd auf Haarwild, Fasan, Ringeltaube und Türken- taube — die Überwachung, Unterhaltung und Instandsetzung von Ent-, Versor- gungs- und Fernmeldeanlagen — die Handlungen der zuständigen Wasserbehörde oder der von dieser beauftragten Dienststellen oder Institutionen im Rahmen der Wasser- aufsicht im Einvernehmen der oberen Naturschutzbehörde — Unterhaltungsarbeiten an Gewässern im jeweiligen Einvernehmen mit der oberen Naturschutzbehörde

Das im Naturraum Untermainebene liegende ca. 40 ha große Feuchtgebiet gilt dort als der einzige Bereich, in dem das Erscheinungsbild der alten Mainlandschaft im wesentlichen erhalten geblieben ist und der noch einen weitgehend naturnahen Charakter aufweist. Bereits 1961 wurde das Gebiet als Landschaftsschutzgebiet mit dem Ziel ausgewiesen, den alten Auwald, die Landschaft „Alter Mainlauf" sowie das erdgeschichtliche Relief zu erhalten und zusätzlich ein Wildschutzgebiet zu schaffen. Die dort künstlich geschaffene Wasserfläche sowie die angrenzenden Wiesen- und Waldflächen werden nunmehr als Lebensraum für bedrohte Pflanzen- und Tiergesell- schaften besonders geschützt.

54 Der Waldbestand am Prallhang der ehemaligen Altmainschleife ist in Südhessen ein- zigartig. Er besteht aus alten Eichen und Wildkirschen, Erlen, Eschen, Birken, Rot- buchen und Hainbuchen. In diesem vielfältigen Waldgebiet der „Unteren Fasanerie von Klein-Auheim" kommen beispielsweise sechs Spechtarten als Brutvögel vor: Schwarz- specht, Grünspecht, Grauspecht, Buntspecht, 'Mittelspecht und Kleinspecht. Neben dem bemerkenswerten Vorkommen von Spechten zeichnet sich der Wald durch seinen Reichtum an Pflanzen- und Tierarten aus, der durch die günstige Struktur und die abwechslungsreiche Zusammensetzung des Laubwaldes einerseits und zum anderen durch eine unmittelbar an den Wald angrenzende Talsohle mit typischer Sumpfflora (Seggen und Schilf) bedingt ist. Eine derartige Feuchtlandschaft weist ein besonders großes und reichhaltiges Nahrungsangebot für Kleinvögel (Weichfresser) auf. Darüber hinaus brüten dort zwei in Hessen bestandsgefährdete Vogelarten: Bekassine und Wasserralle. Auch für nördlich beheimatete Zugvogelarten stellt das Gebiet als Rast- und Überwinterungsbiotop einen „Trittstein" auf dem Wanderwege von hohem Stellen- wert dar.

NSG „Schwalbennest von Neckarsteinach" (Landkreis Bergstraße) VO vom 6. Oktober 1981 (StAnz. S. 1987); in Kraft getreten: 20. Oktober 1981

Über die Musterverordnung hinaus ist verboten: — das Überfliegen mit Drachen — das Betreten außerhalb der Burgruine

gestattet: — zu düngen — das alljährliche Feuerwerk außerhalb der Brutzeit — die Überwachung, Unterhaltung, und Instandsetzung von Ent- und Ver- sorgungsanlagen sowie der Burgruine Schwalbennest im Einvernehmen mit der oberen Naturschutzbehörde

Das 9,3 ha große Naturschutzgebiet besteht aus einem ehemaligen Buntsandstein- bruch am Südabfall des Odenwaldes zum Neckartal hin. Dort hat sich im Laufe der Jahrzehnte eine artenreiche Vegetation eingefunden, die alle besiedelbaren Stellen bedeckt. Die Bedeutung des Steinbruches liegt jedoch in erster Linie darin begründet, daß er einen ehemaligen Brutplatz des Wanderfalken darstellt und nach wie vor als solcher geeignet ist. Der Wanderfalke zählt zu den weltweit am stärksten gefährdeten — ebenfalls im Neckartal — seit Jahren verwaist. Am „Schwalbennest von Neckar- steinach" fanden letztmalig 1953 und 1954 zwei erfolgreiche Bruten und 1955 und 1956 zwei Brutversuche statt. Erst in jüngster Zeit ist es dort wieder zu einem Brutversuch gekommen. So ist es von besonderer Wichtigkeit, diesen möglichen Brutplatz vor einer Gefährdung zu sichern.

NSG „Rote Lache von Wolfgang" (Main-Kinzig-Kreis) VO vom 8. Oktober 1981 (StAnz. S. 2042); in Kraft getreten: 27. Oktober 1981

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: — die Handlungen der zuständigen Wasserbehörde oder deren Beauf- tragte im Rahmen der Wasseraufsicht und Unterhaltungsmaßnahmen an Gewässern im jeweiligen Einvernehmen mit der oberen Naturschutzbe- hörde — die Nutzung von Wiesen und Weiden zu ändern

55 Dieses ca. 65 ha große Wald-Naturschutzgebiet im Naturraum Sachsenhausen-Offen- bacher Rücken läßt sich aufgrund seiner Beschaffenheit und seinen flächenmäßigen Anteilen in einen umgebenden Waldbestand und einen gehölzfreien inneren Bereich gliedern. In erster Linie bietet das Lebensmöglichkeiten für Pflanzen- und Tierarten, die an Feuchtstandorte gebunden sind. Aus pflanzensoziologischer Sicht handelt es sich um eine für Hessen einmalige Abfolge vom Stieleichen-Hainbuchenwald (Querco-Car- pinetum) über Traubenkirschen-Erlen-Eschenbruchwald (Pruno-Fraxinetum) bis hin zu Rispenseggenriedern (Caricetum paniculatae) mit einer Bruchreitgrasgesellschaft (Calamagrostis canescens) als Kernzone. Hier kommen die bestandsgefährdeten Arten Wasserfeder (Hottonia palustris), Sumpffarn (Thelypteris palustris) und Sumpfhaar- strang (Peucedanum palustre) vor. Aus ornithologischer Sicht zeichnet sich das Gebiet als Brutplatz bestandsgefährdeter Vogelarten wie Baumfalke, Waldschnepfe und Tur- teltaube aus.

Nach der Unterschutzstellung ist es von besonderer Wichtigkeit, die Daseinsvoraus- setzungen für die bedrohten Pflanzen- und Tierarten durch Pflegemaßnahmen zu ver- bessern. Für das Fortbestehen der verschiedenen Vegetationstypen, insbesondere der wertvollen offenen Bruchreitgras- und Rispenseggengesellschaften, ist die Steuerung der Pflanzensukzession durch Überstau vorgesehen.

NSG „Stephanskuppe bei Sterbfritz" (Main-Kinzig-Kreis) VO vom 21. Oktober 1981 (StAnz. S. 2121); in Kraft getreten: 10. November 1981

Über die Musterverordnung hinaus ist verboten: — Schafe in der Zeit vom 1. Februar bis 15. August weiden zu lassen

gestattet: — die ordnungsgemäße forstwirtschaftliche Bodennutzung bis zur End- nutzung ohne Wiederbegründung und ohne Waldneuanlage mit Nadel- hölzern — die Ausübung einer Gesellschaftsjagd jährlich — die Instandsetzung der gemeindlichen Wasserleitung sowie des Fern- meldekabels

Die Stephanskuppe bei Sterbfritz baut sich zwischen dem Kinzig- und dem Sinntal aus Gesteinen der Trias-Formationen Oberer Buntsandstein und Unterer Muschelkalk auf. Der markante weithin sichtbare Muschelkalk-Kegel mit seinem Kuppengehölz ist eine typische Kuppe der Rhönlandschaft, die sich ca. 200 m über das Sinntal erhebt. Knapp 10 ha davon sind als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Der Gipfel und die Nordhänge sind teilweise mit Kiefern aufgeforstet, an den unteren Südhängen (aus Röt) befinden sich Großviehweiden. Die steilen mittleren und oberen Süd- sowie Ost- und Nord- hänge sind mit ausgedehnten beweideten Halbtrockenrasen (Gentiano-Koelerietum pyramidatae) bedeckt. Auf dieser extremen kurzrasigen Vegetation sind charakte- ristische Pflanzen wie Enziane (Gentiana ciliata und germanica), Silberdisteln (Carlina acaulis), Trockenrasengräser (Brachypodium pinnatum, Koeleria pyramidata, Carex flacca), Orchideen sowie sonstige Kalkheideflora (z. B. Hauheuchel — Ononis spinosa) zu finden. Die Pflanzengesellschaften bieten Lebensmöglichkeiten für eine typische Tierwelt: So ist dieses Gebiet als Biotop für Heidelerche, Raubwürger, Turmfalke, Mäusebussard, Rotmilan und andere bestandsgefährdete Vogelarten von Bedeutung. Auch das Vorkommen von Arten aus anderen Tiergruppen wie Schnecken und Schmet- terlinge zeugt von der Qualität dieses Lebensraumes.

56 NSG „Gehspitzweiher bei Neu-Isenburg" (Landkreis Offenbach) VO vom 20. November 1981 (StAnz. S. 2289); in Kraft getreten: 8. November 1981

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: — die Benutzung des Rundweges — der jederzeitige Zutritt von Beauftragten der Flughafen AG oder des Deutschen Ausschusses zur Verhütung von Vogelschlägen im Lufver- kehr im Rahmen ihrer Aufgaben auf dem Gebiet der Flugsicherheit — aus Gründen der Flugsicherheit erforderliche Maßnahmen zur Vogel- vergrämung

Nahe der Stadt Neu-Isenburg liegt dieses aus einer ehemaligen Kies- und Sand- grube sowie kleinen umliegenden Waldflächen bestehende Naturschutzgebiet. Das ca. 26 ha große Areal ist geprägt von vielen verschiedenen auf kleiner Fläche mosaikartig verzahnten Pflanzengesellschaften, die auf den grundwassernahen Standorten mitein- ander konkurrieren. Ein besonderer Schutzgrund besteht in der Möglichkeit, in dieser alten Grube die Ansiedlung von Pflanzen und deren Entwicklung einschließlich der wechselseitigen Beeinflussung ohne menschliche Eingriffe zu beobachten bzw. sie durch gezielte Pflegemaßnahmen zu lenken. Trockene Sand- und Kiesflächen bieten den heute extrem stark gefährdeten Nährstoffarmut und saure, austrocknende Böden ertragenden Sandpflanzenbeständen Lebensmöglichkeiten. Wasseransammlungen und Feuchtstandorte, insbesondere im Bereich schwankenden Grundwasserstandes, bieten immer wieder die Bedingungen für eine Neubesiedlung durch die Pflanzenarten der Zweizahn-Gesellschaft (Bidention tripartiti) und des Schilf-Röhrichts (Phragmite- tum). Pflanzen der hessischen Roten Liste sind noch kaum vertreten, werden aber mit weiterer Entwicklung zunehmend erwartet; in den letzten Jahren werden erwähnt: Meer-Binse (Bolboschoenus maritimus), Blasen-Segge (Carex vesicaria) und Sumpf- Weidenröschen (Epilobium palustre). 112 Vogelarten sind bislang beobachtet worden. Von den dazu zählenden 64 als Brut- vögel nachgewiesenen finden sich folgende auf der hessischen Roten Liste: Wespen- bussard, Habicht, Flußregenpfeifer, Turteltaube, Wendehals, Heidelerche, Wiesen- und Brachpieper, Neuntöter. Auf die Gewässer- und Feuchtstandorte angewiesen sind die in bemerkenswerten Beständen vorhandenen durchweg bestandsgefährdeten Lurcharten Kamm- und Teich- molch, Gelbbauchunke, Erd- und Kreuzkröte sowie Grünfrosch.

Anschrift der Verfasser:

Dr. H.-J. BOHR und C. KRAFT, Hess. Landesanstalt für Umwelt, Aarstraße 1, 6200 Wiesbaden

57 Neue Literatur

HÖLZINGER, J. & G. SCHMID (1981): Artenschutzsymposium Schwarzspecht.- 123 S., H. 20, Beihefte zu den Veröffentlichungen für Naturschutz und Landschafts- pflege in Baden-Württemberg, Herausgeber: Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg, Institut für Ökologie und Naturschutz, Karlsruhe.

Am 29. und 30. März 1980 veranstaltete der Landesverband Baden-Württemberg/DBV in Freudenstadt ein Artenschutzsymposium über den Schwarzspecht. Das vorliegende Buch beinhaltet alle während dieser Veranstaltung gehaltenen Vorträge. Insgesamt wurden 11 Fachvorträge gehalten und zum Abschluß eine Resolution zum Schutze des Schwarzspechtes verfaßt. Neben der Bedeutung und Erhaltung von Altholzbeständen als Lebensraum dieser Spechtart, wurde auch in mehreren Referaten die Verbreitung und Populationsdynamik behandelt. 1. STEIN berichtete über das hessische Altholz- insel-Programm. Das Buch ist für jeden, der sich mit dem Schutz und der Erhaltung des Schwarzspechtes befaßt eine unentbehrliche Hilfe. Dies gilt insbesondere für die in Hessen mit der Durchführung des Altholzinselprogramms betrauten Behörden und Dienststellen (z. B. Forstämter) ebenso wie für die im Auftrage der Naturschutzver- W. KEIL bände tätigen Mitarbeiter.

SCHMIDT, E. (1981): Die Sperbergrasmücke,— Neue Brehm-Bücherei, Band 542, 80 S., 37 Abb., A. Ziemsen Verlag Wittenberg-Lutherstadt, Vertrieb in der Bundesrepublik: Verlag 1. Neumann-Neudamm, 3508 Melsungen.

Von den 5 in Mitteleuropa brütenden Arten der Gattung Sylvia ist die Sperbergras- mücke die seltenste. Aus Hessen liegen bisher keine sicheren Brutnachweise vor. Daher bedarf diese Art der erhöhten Aufmerksamkeit besonders der südhessischen Feldornithologen. Die vorliegende Monographie beruht im wesentlichen auf Unter- suchungen, die der in Ungarn lebende Autor in seinem Heimatland gemacht hat. Nach dem der Neuen Brehm-Bücherei zu Grunde liegenden Schema wird der Leser u. a. mit Systematik, Feldkennzeichen, Morphologie, Verbreitung, Lebensraum, Ökologie, Fortpflanzungsbiologie, Nahrung, Zugverhalten, Winterquartier, Feinde und Parasiten bekannt gemacht. Selbst ein Kapitel über Fang und Käfighaltung ist vorhanden. Bei letzterem sollte deutlich gemacht werden, daß die Sperbergrasmücke zu den bestands- gefährdeten Vogelarten gehört und ihre Gefangenschaftshaltung nur mit einer behörd- lichen Ausnahmegenehmigung möglich ist. Das Literaturverzeichnis umfaßt 4 und das detaillierte Register 3 Druckseiten. Eine Reihe Schwarz-Weiß-Fotos, Tabellen, Grafiken und Kartenskizzen illustrierten. den Text. Die Lektüre des Buches macht aber auch, deutlich, daß eine weitere Erforschung der Lebensweise dieser Grasmückenart wün- W. KEIL schenswert ist.

WOLTERS, H. E. (1980): Die Vogelarten der Erde.— 6. Lieferung, 505 S., Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin.

Mit der 6. Lieferung liegt die Liste der Vogelarten der Erde vollständig vor. Die noch ausstehenden 3 weiteren Teile sind für das etwa 80.000 Namen umfassendes Register vorgesehen. Wenn auch Wissenschaftler, Zoologische Institute, Bibliotheken und .andere naturwissenschaftliche Einrichtungen in erster Linie angesprochen sind, so dürfte das Werk auch beim Vogelliebhaber und Tierhändler großes Interesse finden, da man sich schnell über die Herkunft der jeweils interessierenden Art unterrichten kann. Auch den mit dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen befaßten Behörden und Dienststellen ist das Buch ein unerläßliches Hilfsmittel bei der Überwachung der W. KEIL Einfuhr geschützter Arten.

58 Kleine Mitteilungen

Karmingimpel (Carpodacus erythrinus) übersommerte 1980 und 1981 in Marburg/Lahn

1. Einleitung

In den letzten Jahren häufen sich die Nachweise des Karmingimpels aus dem Gebiet der BR Deutschland, mehrere hundert Kilometer westlich der Westgrenze des ge- schlossenen Brutareals dieser nordöstlichen Vogelart (z. B. LANG 1981). Diese Ten- denz zur Westausbreitung der Spezies findet erneute Bestätigung im Ubersommern mindestens eines Karmingimpels im Neuen Botanischen Garten der Universität Mar- burg'Lahn während der Jahre 1980 und 1981. Dies sind die ersten, bekanntgewordenen Nachweise eines Karmingimpels in Hessen seit 1953 (siehe GEBHARDT, L. & W. SUNKEL 1954).

2. Beobachtungsgeschichte

Am 5. 6. 1980 wurde von M. KRAFT erstmalig Karmingimpelgesang im Neuen Bota- nischen Garten zu Marburg vernommen und am 12. 6. 1980 von J. TAMM das Tier akustisch und optisch bestätigt. Ankunfts- und Erstnachweisdatum dürften bei der hohen Beobachterdichte vor den Toren des Fachbereiches Biologie sehr nahe zusam- menliegen, zumal die extrem spät aus den indischen Winterquartieren heimkehrende Art auch in Osteuropa selten vor Ende Mai erscheint. In der Folgezeit wurde das männliche, ausgefärbte und unberingte Tier von zahlreichen Ornithologen beobachtet (z. B. REMMERT, H. und H. KLAMBERG). Der auffällige Vogel war fast täglich nach- weisbar. 1980 wurde er am 13. 7. letztmalig von KRAFT gehört. Am 30. 5 1981 (14.00 Uhr) drang lauter Karmingimpelgesang zum Arbeitsplatz von TAMM im Hochhauskomplex des Fachbereiches Biologie vor. Der Verdacht, einem Tonbandscherz zum Opfer zu fallen, verflüchtigte sich bei der anschließenden Ent- deckung des leuchtend roten Vogels auf der Betonbalustrade in 10 m Entfernung vom Fenster des Arbeitsplatzes. Nach dieser kuriosen „Rückmeldung" des Hahnes (es dürfte sich um das Exemplar des Vorjahres gehandelt haben) begann wiederum eine Phase nahezu täglicher Nachweise aus der Umgebung des FB Biologie durch zahl- reiche Ornithologen und Biologiestudenten. Die letzte, bekanntgewordene Beobach- tung des Vogels notierte TAMM am 2. 7. 1981. Spätere Nachsuchen blieben erfolglos.

3. Beobachtungsgelände und Biotopstruktur

Das Aktivitätszentrum des Karmingimpelhahnes lag während beider Jahre im und nahe um den Neuen Botanischen Garten auf dem bewaldeten Bergrücken (350 m NN) der „Lahnberge" östlich von Marburg. Hier werden offene Rasenflächen und Beete locker von Einzelbüschen und Jungbäumen, sowie durch Teiche und einen langsam fließenden Bach durchsetzt. Im Norden wird das Gartengelände vom Gebäude des FB Biologie begrenzt, im Osten und Süden von einem Eichen- und Buchenhochwald, im Westen von einem kleinparzelligen Mosaik aus Straßen, Gebäuden, jungen Gehölz- inseln und älteren Einzelbäumen. Diese großflächig offene, locker und niedrig be- stockte, wasserreiche Landschaft (Heidelerchenbrutbiotop) mit ihren Laub- und Misch- waldbenachbarungen erinnert von der Vegetationsstruktur her an ein in Wald ein- gebettetes Moor und damit an die nordosteuropäischen Heimatbiotope des Karmin- gimpels. Im Jahre 1980 beschränkte sich das Aktivitätsareal des Vogels weitgehend auf den nördlichen Teil des Botanischen Gartens und seiner unmittelbaren Umgebung. Im Jahre

59 1981 wurde das Areal beträchtlich ausgeweitet (wenn man die Anwesenheit mehrerer Karmingimpelhähne ausschließt, wie sämtliche, im Hinblick darauf unternommenen Synchronbeobachtungen nahelegen) und das Zentrum in den südlichen, etwas un- gestörteren Abschnitt des Botanischen Gartens verlagert. Regelmäßig wurde der Vogel nun auch inmitten des Hochhauskomplexes des FB Chemie (ca. 500 m nördlich vom Botanischen Garten) von Dächern und Antennen herab singend angetroffen. Eine Einzelbeobachtung meldete W. NENTWIG aus einem Garten in einer waldnahen Sied- lung von Bauerbach (ca.2 km nordöstlich des Botanischen Gartens).

4. Zum Verhalten Während beider Jahre führte sich der Karmingimpel mit auffallend intensiver Gesangs- aktivität ein, wie sie für partner- und rivalenlose Einzelmännchen charakteristisch ist. Ab der dritten Woche der Sommeraufenthalte war ein merkliches Absinken der Ge- sangshäufigkeit feststellbar. Der bis dahin so auffällige Vogel wurde schließlich ge- radezu heimlich. Der laute Pfeifgesang war nur selten vor 8.00 Uhr vernehmbar. Am intensivsten wurde zwischen 9.00 und 11.00 Uhr sowie zwischen 17.00 und 19.00 Uhr gesungen. Auffällig war, daß dieser kontinentale Vogel auch dann und gerade dann am eifrigsten sang, wenn die heiße Mittagssonne eines klaren Tages die „Sanges- freude" der hiesigen Singvogelarten deutlich dämpfte. Als Singwarten wurden hohe, exponierte Plätze auf aufragenden Bäumen und Gebäudeteilen gewählt. Durch ge- legentliche, weiträumige Wartenwechsel wurde ein beachtliches Areal markiert (ca. 12 ha Kernzone). Künstlicher Karmingimpelgesang vom Tonband im Revierzentrum wurde nach mehrminütigem Schweigen mit Aufsuchen der Schallquelle beantwortet, wenn ein Mensch dieser nicht näher stand als 25 m. Gegengesang — dann allerdings hektischer — erfolgte nur, wenn der Vogel von der Schallquelle vertrieben wurde. Gelegentlich wurde das Anbalzen von Haussperlingen beobachtet, welches auf keiner- lei „Gegenliebe" stieß. Bei der Nahrungsaufnahme wurde der Karmingimpel überwiegend an kahlen oder niedrig bewachsenen Uferstreifen hart am Rande der Gewässer des Gebietes an- getroffen, vereinzelt auch auf kahlen Beeten und im Steingarten. Die Fluchtdistanz des Tieres war ähnlich gering, wie diejenige anderer, heimischer Finkenvögel. Bei aktiver Annäherung des Menschen auf ca. 30 m flog der Vogel ab. Still verharrenden, aber frei stehenden Menschen näherte er sich bisweilen bis auf ca. 7 m

5. Schlußbemerkungen Nicht alleine das bloße Auftreten dieser attraktiven, auch in ihrer nordosteuropäischen Heimat nicht gewöhnlichen Finkenart so weit im Westen verdient die Beachtung der Ornithologen. Bemerkenswert erscheint ebenfalls die Zielsicherheit, mit der der Kar- mingimpel das um Marburg herum einzige Gebiet mit großflächig artgemäßen Lebens- bedingungen (wasserreiche, offene Gebüschlandschaft angrenzend an laubholzreichen Hochwald) gefunden hat. Noch beeindruckender darf die Leistung des Tieres empfun- den werden, diesen Ort fern der Artheimat nach monatelangem Winteraufenthalt in Südasien exakt und unverzüglich wiederzufinden. Auch die bereitwillige Annahme von Betongebäuden, die im Gebiet in gleichem Maße nur von Haussperlingen, Hausrot- schwanz, Amsel, Hänfling und Bachstelze gezeigt wurde, sei hervorgehoben. Wer das Glück hatte, diesen ausgesprochenen Sommer- und Sonnenvogel mit seiner Lebendigkeit, seinem prächtigen Gefieder und seiner weitschallenden, markanten Flötenstrophe im Gelände zu erleben, wird es bedauern, daß dieser „Exote" nicht zur etablierten, hiesigen Vogelwelt gehört. Zumindest auf den Marburger Lahnbergen hofft so mancher gespannt auf die abermalige Wiederkehr des roten Finken, möglichst mit einer grüngefiederten Partnerin.

60 6. Literatur GEBHARDT, L. & W. SUNKEL (1954): Die Vögel Hessens. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt/Main: 532 S. LANG, P. (1981): Der Karmingimpel —eine Singvogelart im Vormarsch. Nationalpark, H. 30: S. 20.

Anschrift der Verfasser: Dr. JOCHEN C. TAMM, In der Badestube 6, 3550 Marburg/Lahn MARTIN KRAFT, Ludwig-Juppe-Weg 5, 3550 Marburg/Lahn

Zwergschnäpper (Ficedula parva) bei Marburg/Lahn

Etwa 1 km nordöstlich Dilschhausen/Kreis Marburg-Biedenkopf (Schnittpunkt der MTB 5117, 5118, 5217 und 5218) wurde am 16. 6. 1979 (15.00 Uhr) vom Verfasser in einem Buchenaltholz intensiver Zwergschnäpper-Gesang vernommen, der ihm aus dem Bayerischen Wald bekannt ist, und das Tier aus 30 m Entfernung gesichtet, als es ein- mal ausnahmsweise aus den Baumkronen in den unteren Stammbereich herabkam. Die weißen Schwanzabzeichen waren deutlich erkennbar. H. KLAMBERG und R. HOL- LÄNDER konnten sich dem Vogel tags darauf (10.00 Uhr) an gleicher Stelle bis auf 5 m nähern und stellten fest, daß es sich um einen nicht vollausgefärbten Hahn (wenig Rot) handelte. Auch zwei Stunden später sowie am 24. 6. 1979 (14.00 Uhr) konnte der unentwegt singende Zwergschnäpper vom Verfasser gleichenorts verhört werden. Die Nachsuche am 1. 7. 1979 blieb erfolglos. Anhaltspunkte für eine Brut fehlten.

Anschrift des Verfassers: Dr. JOCHEN C. TAMM, In der Badestube 6, 3550 Marburg/Lahn

Zum sichtbaren Wanderzug der Meisen (Blau-, Kohl- und Tannen- meise Parus caeruleus, P major, P ater) im Kreis Kassel 1979 -1982.

Ende September 1979 beobachtete G. SCHUMANN auffälligen Blaume isendurch- z u g im Reinhardswald nördlich von Kassel in Nähe der Straße Udenhausen-Reinhards- hagen bei 340 m NN. Der Wanderzug wurde von einem Hochsitz aus vor einer 5 — 6 m hohen Fichtendickung, die vollkommen zu übersehen war, verfolgt, und zwar von etwa 10 Uhr an zogen innerhalb 30 Minuten 42 — 43 Ex. einzeln, zu zweit oder zu dritt von NO nach SW in kurzen Abständen durch. Die Blaumeisen nahmen sich kaum Zeit zu rasten oder nach Nahrung zu suchen. Andere Meisenarten wurden dabei nicht beobachtet.

Auf Heimzug läßt die Beobachtung von über 20 Blaumeisen im Schilf des NSG Kelzer Teiche bei Hofgeismar am 17. 2. 1980 schließen (SCHUMANN). 1980 stellte LUCAN Ende September bei Wolfhagen im oberen Lindengrund bei 260 m NN bei planmäßigen Vogelzugbeobachtungen Blaumeisendurchzug mit über Wo der durch- ziehenden Vögel (11 von 999) in 2,5 Stunden, Kohlmeisendurchzug mit über 2°/o (20 von 999) fest. 1981 wurden am gleichen Ort bei günstigem Zugwetter (leichter Ge- genwind aus SW, Sonne, +10°) am 8. 10. 1981 in gleicher Zeit 1,4% Blaumeisen- durchzug (17 von 1187 Vögeln) und 6 0/0 Kohlmeisendurchzug (72 von 1187) ermittelt. Bei der Zählung am 28. 9. 1980 konnte auch eine Tannenmeise auf dem Zug in einem Maisfeld kurz rastend und futtersuchend beobachtet werden, etwa 1000 m vom nächsten Wald entfernt (LUCAN).

61 EMDE (1981) führt bei seinen umfangreichen Vogelzug-Planbeobachtungen mehrfach Tannenmeisendurchzug bei Bad Wildungen im Nachbarkreis Waldeck-Frankenberg Ende September und im Oktober an. HANDKE (1980) belegt Tannenmeiseneinflug im NSG Lampertheimer Altrhein, JOST (1980) in Osthessen Kohlmeisenzug durch Ring- funde. Nach SCHÜTZ (1972) ist alle 3 — 4 Jahre mit stärkerer Kohl- und Blaumeisen- wanderung zu rechnen. Als Auslöser dafür wird u. a. der „Gedrängefaktor" in den nordöstlichen Brutgebieten angeführt. In extremen Jahren sollte auch auf möglichen Einflug von Weidenmeisen und Schwanzmeisen (s. Finnland und Baltikum) geachtet werden. Auf mögliche Winterflucht von Blaumeise und Kohlmeise deuten folgende Be- obachtungen hin (SCHUMANN): Am 18. Januar 1982 sah SCHUMANN am Ostrand des Reinhardswaldes bei Münden in 125 m NN einen in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Zug von Blaumeisen, vermischt mit einzelnen Kohlmeisen über einer 80 m breiten Freifläche zwischen 13.35 bis 13.50 Uhr. Innerhalb dieser 15 Minuten zählte er 72 — 73 Blaumeisen und mindestens 4 — 5 Kohlmeisen. Wahrscheinlich fand auch schon vor dieser Zeit dort Meisendurchzug statt. Die Meisen flogen einzeln oder in kleinen Trupps von 2 — 3 Stück durch. Dabei war nicht festzustellen, ob die ziehenden Meisen direkt aus dem Reinhardswald oder entlang des Waldrandes kamen, bevor sie über die Freifläche flogen und in ein Gartengelände einfielen. Zur Zeit herrschte eine längere Schnee- und Frostperiode mit Temperaturen unter —5 bis —10°C, die nur am Anfang des Jahres 1982 für einige Tage unterbrochen war. Am 18. 1. 1982 war der Himmel bedeckt, leicht diesig, mit Mittagstemperaturen um —4 °.

Literatur EMDE, F. (1981): Ergebnisse der Vogelplanbeobachtungen Sept./Okt. 1979 (Tabellen); Vogelkundl. Hefte Edertal Nr. 7, S. 156 —158

HANDKE, K. (1980): Gehäuftes Vorkommen der Tannenmeise (Perus ater) im NSG Lampertheimer Altrhein. Vogel und Umwelt 1:39

JOST, 0. (1980): Auch Amsel (Turdus merula) und Kohlmeise (Parus major) können weit ziehen. Beitr. Naturk. in Osthessen H. 16, S. 113 —125

LOHRL, H. (1974): Die Tannenmeise. NBB Nr. 472, Wittenberg-Lutherstadt SCHÜZ, E. (1971): Grundriß der Vogelzugkunde. Berlin

Anschrift der Verfasser:

VOLKER LUCAN, Ahornstr. 36, 3549 Wolfhagen 1 GÜNTHER SCHUMANN, Kalter Hof 7, 3512 Reinhardshagen 2

62 Mitteilungen der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland

Vogelschutz und Modellflugsport von RUDOLF ROSSBACH, Frankfurt/M.

1. Einleitung

Nachdem die Staatliche Vogelschutzwarte in letzter Zeit in zunehmendem Umfang gebeten worden ist, zum Problem der Beeinträchtigung von Natur und Landschaft durch den Modellflugsport Stellung zu nehmen, erscheint es angebracht, einige grund- sätzliche Überlegungen zu diesem Thema einem größeren Personenkreis der im Um- weltschutz ehrenamtlich tätigen Mitarbeiter zugänglich zu machen. Dabei stehen hier weniger die technischen als vielmehr die biologisch-ökologischen Aspekte im Vordergrund, da diese in den Stellungnahmen der Fachinstitutionen an die Naturschutz- bzw. Genehmigungsbehörden vorrangig sind. Auf eine Einzel-Interpreta- tion der zahlreichen Gerichtsurteile, die bislang in diversen Naturschutz- und Jagd- zeitschriften veröffentlicht wurden, muß in diesem allgemeinen Rahmen verzichtet werden.

2. Gesetzliche Grundlagen

Im Bereich des hier zu erörternden Naturschutz- und Jagdrechts bestehen einige Rege- lungen, die die Beeinträchtigung der Landschaft als Lebensraum für nicht jagdbare und jagdbare Vögel tangieren. Es muß daher nachfolgend auf das Bundesnaturschutz- gesetz vom 20.12. 1976, auf die Bundesartenschutzverordnung vom 25. 8. 1980 sowie auf die in den einzelnen Ländern erlassenen Nachfolge-Gesetze hingewiesen werden. In Hessen ist dies das Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Hessisches Naturschutzgesetz) vom 19. 9. 1980. Aus der Sicht der jagdbaren Vogelarten sind das Bundesjagdgesetz in der Fassung vom 1. 4. 1977 und die jeweils für die Länder in Kraft gesetzten Ausführungsbestimmungen zu beachten.

2.1 Naturschutzrecht Die Ausweisung eines Modellfluggeländes muß als Veränderung der Nutzung von Grundflächen und somit als Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne des § 8 des Bun- desnaturschutzgesetzes angesehen werden. Ein Ausgleich für diesen Eingriff nach Absatz 2 dieses Paragraphen entfällt, da z. B. der Verlust eines Brachvogelbrutgebie- tes nicht durch das Aufhängen von Meisennistkästen oder das Anlegen eines Feld- gehölzes zu ersetzen ist. Daher besteht der gesetzliche Zwang (nach Absatz 2 des gleichen Paragraphen), den Eingriff zu untersagen, wenn es sich um Biotope mit bestandsbedrohten Arten handelt, für die ein anderer Lebensraum wegen ihren spezifischen Biotopansprüche nicht „ersatzweise anbietbar" ist. Nach § 22 des Bundesnaturschutzgesetzes ist es verboten, den besonders geschützten Arten nachzustellen (bewußt oder unbewußt) oder ihre Entwicklungsformen (z. B. Eier oder sich drückende Jungvögel) zu zerstören oder zu beschädigen. Ebenso ist es ver- boten, Tiere der vom Aussterben bedrohten Arten an ihren Nist-, Brut-, Wohn- oder Zufluchtstätten durch Aufsuchen (bewußt oder unbewußt) oder ähnliche Handlungen zu stören.

Als besonders geschützt gelten nach § 1 der Bundesartenschutzverordnung und der dazu gehörenden Anlage 1 alle Vögel mit Ausnahme von Haustaube (verwilderte Form), Rabenkrähe, Eichelhäher, Haussperling, Elster, Star und Amsel. Als vom Aussterben

63 bedrohte und hier relevante Arten gelten nach Anlage 1 u. a. Asio flammeus — Sumpfohreule, Ciconia ciconia — Weißstorch, Crex crex — Wachtelkönig, Grus grus — Kranich, Numenius arquata — Großer Brachvogel, Philomachus pugnax — Kampfläufer, Pluvialis apricaria — Goldregenpfeifer, Tringa totanus — Rotschenkel, Upupa epops — Wiedehopf. Die genannten und eine ganze Reihe weiterer Arten (s. u.) sind auf die viel- fach auch für den Modellflugsport ausgesuchten Wiesenflächen als Brut-, Nahrungs- oder Rastplatzareale angewiesen.

Für viele Arten gelten diese aus wirtschaftlicher Sicht oft zweitrangigen und daher günstig zu pachtenden Wiesenflächen als Trittsteine (Rastareale) auf dem Herbst- und Frühjahrszug. Darauf ist u. a. § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Hess. Naturschutzgesetzes im Zu- sammenhang mit der Sicherstellung als Schutzgebiete abgestellt. Ferner wird in § 37 des Bundesnaturschutzgesetzes eine Änderung des Luftverkehrs- gesetzes in der Fassung vom 4. 11. 1968 verfügt. Danach behält § 6 Abs. 2 Satz 1 dieses Gesetzes folgende Fassung: „Vor Erteilung der Genehmigung ist besonders zu prüfen, ob die geplante Maßnahme den Erfordernissen der Raumordnung und Landesplanung entspricht und ob die Erfor- dernisse des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie des Städtebaus und der Schutz vor Fluglärm angemessen berücksichtigt sind". Wie auch KOPP (1978) richtig ausführt, wird diese Regelung, die auf die Genehmigung von Flug- und Lande- plätzen bezogen ist, auch sinngemäß für die Aufstiegsplätze für Flugmodelle (§ 16 Abs. 5 Luft-VO) herangezogen.

2.2 Jagd recht Das Bundesjagdgesetz verbietet im § 19a allgemein das Beunruhigen von Wild, ins- besondere soweit es in seinem Bestand gefährdet oder bedroht ist. Dies gilt für Freunde des Modellflugsports, die nach dem Erwerb eines kleineren Gerätes — ohne Mitgliedschaft in einem Verein — ihr Hobby in der Landschaft ausüben möchten. Aber auch bei der Genehmigung von Landeplätzen ist diese Bestimmung, die eine Störung der Zuflucht-, Nist-, Brut- oder Wohnstätten verbietet, unbedingt zu beachten. Das generelle Jagdverbot an Orten ,an denen die Jagd das Leben von Menschen ge- fährden würde (§ 20 Bundesjagdgesetz), wirkt sich für den Jagdausübungsberechtigten im Bereich von Modellflugplätzen insofern erschwerend aus, als hiermit ein zusätz- liches Auftreten von Menschen verbunden ist, auf das er sich bei der Jagdausübung einzustellen hat. Zu der Beurteilung, inwieweit der Betrieb von Flugmodellen auf einem Modellflugplatz eine Veränderung der Landschaft darstellt, wird in der neuen (4.) Auflage des „Kom- mentars zum Bundesjagdgesetz (MITZSCHKE & SCHÄFER, 1982) wie folgt klar Stel- lung genommen: . Das Verbot einer „Veränderung" der Landschaft in Vorschriften zum Schutz der Landschaft und vor Schädigung des Naturhaushalts in den Vorschriften zum Schutz der Natur richtet sich auch gegen den Betrieb von Segelflug- und Motorflugmodellen auf einem Modellflugplatz, da der dabei entstehende erhebliche Lärm geeignet ist, Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum zu stören." An dieser Stelle ist auch auf weitere Zitate über veröffentlichte Gerichtsentscheidungen hingewiesen. Da das Verbot der Veränderung der Landschaft Bestandteil aller Verordnungen von Landschafts- und Naturschutzgebieten sowie auch von Naturparken ist, wird hier einmal mehr die über- wiegende Auffassung bestätigt, daß Modellflugplätze in diesen Schutzgebiets-Typen unter keinen Umständen genehmigt werden dürfen.

64 3. Biologisch-ökologische Gesichtspunkte

Die Ungefährlichkeit des Modellflugsports für die Vogelwelt wird meist damit begrün- det, daß trotz des Betriebes von Flugzeugmodellen weiterhin Vögel zu beobachten sind und daß selbst neben den Landebahnen großer Verkehrsflughäfen Vögel brüten. Daraus wird geschlossen: Vögel sind gegen Lärm und Flugzeuge grundsätzlich un- empfindlich.

Hierzu ist jedoch eine differenziertere Beurteilung erforderlich, wobei folgende Ge- sichtspunkte zu berücksichtigen sind:

3.1 Die Behauptung, die Vögel würden sich an Lärm jeder Art gewöhnen, stimmt nur insoweit, als es sich um regelmäßig und gleichförmig auftretenden Lärm handelt (z. B. Straßen- und Eisenbahnstrecken, Verkehrsflughäfen). Nur darauf kann sich auch die Wertung in bagatellisierenden Gutachten beziehen.

3.2 Im Gegensatz dazu jedoch konzentriert sich der Flugbetrieb eines Modellflug- platzes — abgesehen von kurzfristiger Benutzung in den Abendstunden einiger Werktage — vor allem auf die Wochenenden. Hierdurch tritt jeweils nach längeren Ruhe-Intervallen eine besonders intensive und anhaltende Störungsphase ein, auf die die Vögel sehr empfindlich reagieren.

3.3 Während der verhältnismäßig störungsfreien Werktage wird zu Beginn der Brut- zeit das Wiesengelände von den dort brütenden Vögeln untereinander in Brut- reviere aufgeteilt. An den Wochenenden dann wird durch die starke Beeinträch- tigung des Flugbetriebes diese Revieraufteilung völlig über den Haufen geworfen, bereits vorhandene Gelege werden verlassen, erkalten oder werden — nach dem Abflug der Altvögel —von lauernden Krähenvögeln oder Kleinsäugern ausgeraubt. Ab Montag werden die Reviere erneut besetzt, die erkalteten Gelege vergebens weiterbebrütet oder Nachgelege getätigt, die dann am folgenden Wochenende erneut gefährdet sind. Zwar können die Altvögel immer noch beobachtet werden, aber der Bruterfolg ist bei vielen Arten dann gleich null. Die immer noch zu be- obachtenden Altvögel suggerieren jedoch den Eindruck, daß noch alles in Ord- nung sei.

3.4 Hinzu kommt noch, daß die Flugmodelle im Gegensatz zu den Verkehrsmaschinen in etwa die Größe von Greifvögeln haben und somit dem angeborenen Feind- schema der Wiesenvögel entsprechen, zumal sie auch mit der gleichen Winkel- geschwindigkeit fliegen.

3.5 Ebenfalls im Gegensatz zu den Verkehrsflugzeugen steht der Flugzeugführer bei den Modellen oft mitten im Revier der Vögel. Auch die Flugbahn ist nicht auf kon- stante Routen festgelegt, sondern beliebig und für den Vogel unberechenbar. Dies alles führt zu zusätzlichen Streßsituationen und dadurch letztlich zur Ab- wanderung bzw. zum Meiden des betreffenden Wiesengeländes in der folgenden Brutperiode.

3.6 Diese negative Ausstrahlung — insbesondere im Hinblick auf das unter Punkt 3.4 dargestellte Feindschema — wirkt sich auch auf die in der Nachbarschaft der Modellflugflächen gelegenen schützenswerten Objekte aus, wie z. 13. Feucht- gebiete, Nahrungsareale, Nester oder Horste bedrohter Arten. Die Erfahrung hat ferner gezeigt, daß es auch in der Umgebung von Modellflugplätzen durch außer Kontrolle geratenes Fluggerät und entsprechende Nachsuche immer wieder zu

65 unnötigen Störungen kommen kann. Auch ist nicht auszuschließen, daß durch Zuschauer von Flugveranstaltungen, durch abgestellte Fahrzeuge, durch mitge- brachte Hunde, durch das Hantieren mit Treibstoffen usw. die Gesamtbiozönose negativ beeinflußt wird.

3.7 Letztlich muß darauf hingewiesen werden, daß durch Motor-Flugmodelle auch der Erholungswert einer Landschaft gemindert wird. Der Betrieb von Flugmodellen mit Verbrennungsmotoren ist sowohl optisch als auch insbesondere akustisch als Eindringen der Technik in die Naturlandschaft überdeutlich wahrzunehmen und muß somit auch ganz real als Beeinträchtigung des Naturgenusses beurteilt wer- den. Die Allgemeinheit wird gezwungen, diese Belastung mitzutragen, damit einige wenige (die Mitgliederzahlen sind im Gegensatz zu den anderen Sportvereinen sehr gering) ihrem privaten Hobby nachgehen können.

4. Resolution der Deutschen Sektion des Internationalen Rates für Vogelschutz (DS/IRV)

Es ist eine Tatsache, daß insbesondere feuchtland- und wiesengebundene Vogelarten auf den Roten Listen der bestandsbedrohten Arten zu finden sind. Die Deutsche Sek- tion des Internationalen Rates für Vogelschutz hat daher bereits im Jahre 1974 eine Resolution zum Schutz von Grünlandflächen und zur Erhaltung der o. a. Wiesenvogel- fauna vorgelegt, die folgenden Wortlaut hat:

Unterschutzstellung von Grünlandgebieten für den Vogelschutz

1. Die DS/IRV stellt fest, daß durch Umbruch,Trockenlegung, Aufforstung, Flurberei- nigung, intensivere Bewirtschaftungsweisen und andere Maßnahmen oder Eingriffe die verschiedenartigsten Natur- und Kunstwiesen als Lebensstätten für die Vogel- welt verändert werden und in zunehmendem Maße verloren gehen. Typische „Wiesenvögel", die besonders dazu beitragen, solchen Gebieten ihr Ge- präge zu geben, werden als Brutvögel vielerorts immer seltener. Dazu gehören z. B. Bekassine, Großer Brachvogel, Rotschenkel, Uferschnepfe, Sumpfohreule, Knäkente, Löffelente, Wachtelkönig, Schafstelze, Wiesenpieper, Schwarzkehlchen und Braunkehlchen. Andere Vogelarten wie Weißstorch, Kranich, Sing- und Zwerg- schwan, Wildgänse usw. verlieren ihre Nahrungsgründe oder Raststätten. — Diese Vogelarten sind hier stellvertretend für die Reichhaltigkeit von Wiesen- und Weiden- gebieten an Lebensformen genannt.

2. Die DS/IRV anerkennt, daß bereits einige Grünlandgebiete unter Naturschutz ge- stellt wurden und dadurch sowohl zu Zufluchts- wie zu Wiederausbreitungszentren für gefährdete „Wiesenvögel" — als Brut- oder als Aufenthaltsstätten — geworden sind.

3. Die DS/IRV bittet die für den Naturschutz zuständigen Behörden, mehr noch als bisher und insbesondere auch im Binnenland Wiesen- und Weidegebiete für den Vogelschutz als Naturschutzgebiete sicherzustellen, nötigenfalls anzukaufen oder — falls ausreichend — nur bestimmte Dienstbarkeiten abzulösen und gegebenenfalls für eine entsprechende Pflege (Bewässerung, zeitweilige Beweidung, Mahd, Be- wachung zur Brutzeit o. ä.) zu sorgen. Den größten Vorrang muß dabei die Sicher- stellung von Fe u ch tw i esen erhalten, deren Melioration im Zuge von Flur- bereinigungsverfahren nicht mehr vertretbar ist, zumal diese Gebiete zu einem großen Teil als Ausweichlebensräume für die bereits zahlreich zerstörten Moore dienen. Die DS/IRV und ihre Mitgliedsorganisationen bieten den zuständigen Stellen jede mögliche Unterstützung und Hilfe bei der Auswahl, Pflege und Gestaltung solcher

66 Schutzgebiete — ggf. auch bei der Wiedereinbürgerung und Förderung bestimmter Vogelarten — an und verweisen dabei auf das in der DS/IRV vorhandene Fachwissen und die Erfahrungen aus ihrer über 50-jährigen Tätigkeit.

5. Vorschläge für Alternativlösungen

In den weiteren Punkten sollen mögliche Alternativlösungen angesprochen werden: 5.1 Soweit bereits Modellflugplätze behördlich genehmigt sind, sollten diese nicht nur von einer Ortsgruppe, sondern von mehreren benachbarten Gruppen gemeinsam benutzt werden. Da die Anfahrt zu den Plätzen in der Regel mit dem Auto erfolgt, dürfte dabei eine Anfahrt von 15-20 km durchaus noch im Bereich des Zumut- baren liegen.

5.2 Bei der Ausweisung von neuen Flächen sollten die Vertreter des Natur- und Vogel- schutzes von Anfang an beteiligt werden, damit sichergestellt ist, daß nur die Areale in die engere Wahl gezogen werden, die für die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes von untergeordneter Bedeutung sind. 5.3 Von seiten der Modellflieger-Organisationen sollte ein Gesamtkonzept erarbeitet werden, aus dem klar ersichtlich ist, welche Anforderungen von dorther erhoben werden, mit welcher Entwicklung man für die Zukunft rechnet, wie man sich die Befriedigung der Ansprüche vorstellt. Es sollte ferner eine Karte vorgelegt wer- den, in die die derzeit zugelassenen Modellflugplätze eingetragen sind. Dazu wären Erläuterungen darüber notwendig, wie stark diese Plätze z. Z. ausgelastet sind und bis zu welcher Größenordnung von aktiven Mitgliedern die Kapazität dieser Plätze abgegrenzt werden kann.

5.4 Zur Klärung dieser Fragen sollten die entsprechenden Organisationen um Stel- lungnahme gebeten werden.

5.5 Beim Kauf von Modellflugzeugen wird der Käufer vom Händler nicht immer dar- über informiert, daß es nicht gestattet ist, derartiges Fluggerät einfach in der freien Landschaft fliegen zu lassen. Hier muß eine Regelung gefunden werden, die diesen Mißstand beseitigt.

Letztlich vertritt die Staatliche Vogelschutzwarte die Auffassung, daß in Verbindung mit den Modellflugverbänden nach Lösungen gesucht werden muß, die eine Beeinträch- tigung unserer bestandsgefährdeten Tier- und Pflanzenwelt durch diese Freizeit- beschäftigung ausschließen.

Literatur:

KOPP, F. (1978): Fehlende Paragraphen für Flugmodelle. DJV-Nachrichten (Deutscher Jagdschutz-Verband e. V.) Nr. 1 (1978): 12-13. MITZSCHKE G. & K. SCHÄFER (1982): BJG, Kommentar zum Bundesjagdgesetz, 4. Auflage 1982, S. 318.

DEUTSCHE SEKTION DES INTERNATIONALEN RATS FÜR VOGELSCHUTZ (1974): Resolution: Unterschutzstellung von Grünlandgebieten für den Vogelschutz. Berichte der DS/IRV Nr. 14 (1974): 32-33.

67 Nachfolgend noch die Zitate einiger Gerichtsentscheidungen und Stellungnahmen:

BOSS, W.: Zur Erlaubnis und Untersagung von Modellflugsport. Natur und Recht, Heft 1 (1980): 12-14

FROHN, H.: Störung der Jagd durch Modellflugzeuge. DJV- Nachrichten (Deutscher Jagdschutzverband e.V.) Nr. 6 (1981): 4-5

OTTO, F.: Störung des Naturgenusses durch Modellflugbetrieb. Natur und Landschaft 53 (1978): 208

PRUTZEL, H.: Modellflugplatz im Landschaftsschutzgebiet. Niedersächs. Jäger 23 (1978): 970

SCHEUER, F.: Verbot der Errichtung eines Start- und Landeplatzes für Segel-, Motor- und Fesselflugmodelle in einem Landschaftsschutzgebiet. Natur und Landschaft 56 (1981): 221

Die luftrechtlichen Bestimmungen sind der folgenden Schrift zu entnehmen:

PETERSEN, B.: Luftrecht für Modellflieger. Verlag J. Graupner, 7312 Kirchheim -Teck (1980).

Anschrift des Verfassers: Dr. RUDOLF ROSSBACH, Staatliche Vogelschutzwarte, Steinauer Str. 44, 6000 Frankfurt am Main 61

Neue Literatur

KAHL, M. P. (1981): Welt der Störche. —96 S., 70 Abb., Verlag Paul Parey Hamburg.

Der Weißstorch gehört zu den Vogelarten, deren Rückgang in der Bundesrepublik be- sonders sichtbar ist. So dezimierte sich der hessische Bestand von 143 Paaren im Jahre 1948 auf 3 Paare im Jahre 1980. Als Ursachen für diesen erschreckenden Rück- gang sind vor allem direkte (z. B. Jagd in Afrika) und indirekte (Biotopveränderungen, Landschaftsverdrahtung, Umweltgifte u. ä.) menschliche Eingriffe verantwortlich zu machen. Jedoch laufen an verschiedenen Stellen Programme, die dem Ziel dienen, Restpopulationen zu erhalten und zu fördern sowie eine Wiederansiedlung zu errei- chen. Das von dem Amerikaner KAHL verfaßte Buch gibt einen Überblick über Aus- sehen, Vorkommen, Verhalten, Wanderungen, Brut- und Ernährungsbiologie der auf der Erde lebenden 19 Storchenarten. Der Übersetzer, E. SCHÜZ, hat dem Buch ein spezielles Kapitel über den Weißstorch angehängt, wobei sehr eingehend die an- stehende Problematik behandelt wird. Leider bleiben im Abschnitt Größe der Brut- dichten die hessischen Zahlen unverständlicherweise unberücksichtigt. Das Literatur- verzeichnis beschränkt sich auf die wesentlichen Veröffentlichungen. Ein Sachregister schließt den Band ab. Es ist bedauerlich, daß nur Schwarzweiß-Fotos ausgewählt wur- den. Hier hätte sich der Verlag wenigstens zu einigen Farbfotos entschließen sollen. Dieser Umstand beeinträchtigt jedoch weder den guten Gesamteindruck noch das in komprimierter Form wiedergegebene Wissen. W. KEIL 68 Aus der Hessischen Landesanstalt für Umwelt

Vogel- und Naturschutz in Recht und Gesetz (6)

Regenerationsgebiete

Bei dem Bemühen des Naturschutzes um vielfältige Lebensstätten für eine artenreiche Pflanzen- und Tierwelt gewinnt in den letzten Jahren die Neuschaffung oder Gestaltung von Sekundärbiotopen zunehmend an Bedeutung. Gemeint sind damit insbesondere Flächen, auf denen eine Bodennutzung nicht oder nicht mehr stattfindet oder auf denen die Gewinnung von Bodenbestandteilen, wie Steine und Erden, beendet ist und die sich die Natur „zurückerobern" kann. Dies läuft immer wieder auch ohne menschliches Zutun ab. Jedem Naturschützer sind solche „Paradiese aus zweiter Hand" bekannt. Es gibt inzwischen daneben eine ganze Anzahl Beispiele, wo das dabei von der Natur Erlernte zielstrebig angewandt und eine solche Entwicklung durch steuernde Eingriffe in das natürliche Geschehen planvoll herbeigeführt worden ist. Die Möglichkeiten einer Gestaltung ausgebeuteter Kies- oder Sandgruben mit Grundwasseraufschluß zu viel- fältigen Feucht- und Gewässerbiotopen sind außerordentlich mannigfaltig und erfolg- versprechend, aber bislang noch wenig genutzt. Der Naturschutz, wenngleich öffent- liche Aufgabe, stößt dabei auf vielerlei Schwierigkeiten.

So kommt es, daß in Hessen von den rund 300 wasserführenden Restflächen von Ent- nahmestellen (ca. 2.000 ha nach Erhebungen aus dem Jahre 1973) erst ein geringer Teil für den Naturschutz zur Verfügung steht, obwohl dort mit relativ geringem Aufwand verbundene Naturschutz-Maßnahmen eine besonders wirkungsvolle Entwicklung zu vielfältigen, naturnahen Lebensräumen einzuleiten vermögen. Im Hinblick auf diesen Mangel hat die Hessische Landesregierung in ihrer Antwort auf eine Große Anfrage im Landtag mitgeteilt, daß auf Landesebene die Zielsetzung bei einer Berücksichtigung von 20 °/0, in der hessischen Oberrheinebene von 10%, naß aufgeschlossener Gruben für Zwecke des Naturschutzes liegt (Drucksache 8/3788 vom 4. 2. 1977). Dies entspricht annähernd der in einer Resolution vom 14. 11. 1972 aufgestellten 20 0/0-Forderung des Internationalen Rates für Vogelschutz — Deutsche Sektion (IRV-DS).

Während über die fachlich-technischen Voraussetzungen zur Schaffung schutzwürdiger Biotope des vorstehend skizziertenTyps eine ganze Reihe von Gestaltungsvorschlägen und Bauanleitungen, Erkenntnissen und Erfahrungsberichten vorliegt, bereitete die rechtlich-administrative Seite immer wieder Schwierigkeiten. Denn die Erklärung zum Naturschutzgebiet setzte voraus, daß das betreffende Gebiet bereits zum Zeitpunkt der Ausweisung den im Gesetz geforderten Voraussetzungen entsprach; für ein erst zu entwickelndes Naturschutzgebiet bestand kein rechtlicher Raum. Nur für ein tatbe- standsmäßiges Naturschutzgebiet konnte das Naturschutzrecht angewendet und konnten öffentliche Haushaltsmittel für Schutz und Pflege verausgabt werden.

Daher wurde im neuen Hessischen Naturschutzgesetz (HENatG) vom 19. September 1980 (GVBI. I S. 309) erstmals versucht, eine rechtliche Grundlage für die Durch- setzung, Sicherung, Finanzierung und Ausführung solcher gestaltender Naturschutz- Maßnahmen zu formulieren. Als Sonderform der einstweiligen Sicherstellung (§ 18 Abs. 1 und 2 HENatG) für „Teile von Natur und Landschaft, deren Schutz beabsichtigt ist", — in der Regel anzuwenden bei Gefahr im Verzuge für ein zur Ausweisung an- stehendes schutzwürdiges und schutzbedürftiges Objekt- eröffnet § 18 Abs. 3 und 4 HENatG die Möglichkeit, „Gebiete, insbesondere Abbauflächen, die geeignet sind, sich durch planvolle Maßnahmen zu Naturschutzgebieten zu entwickeln", einstweilig sicher- zustellen. Das Gesetz führt für solche Areale die Kurzbezeichnung Regenerations- gebiete ein. Neben Abbauflächen werden auch „ehemalige Gewässer sowie Feucht-

69 gebiete und Altwasser", deren Biotopeigenschaften durch Gestaltungsmaßnahmen verbesert werden können, in den sachlichen Geltungsbereich einbezogen. Zur Klar- stellung betont der Gesetzestext, daß sich die einstweilige Sicherstellung in der Regel auf „Flächen beschränken (soll), deren Ertrag gering oder deren Nutzung aufgegeben ist". Während im Normalfall die Dauer einer einstweiligen Sicherstellung wegen ihrer Eigenschaft als Vorkehrung zur akuten Gefahrenabwehr auf drei Jahre (mit Ver- längerungsmöglichkeit um höchstens zwei Jahre) beschränkt ist, darf dieser Zeit- raum für die Gestaltung von Regenerationsgebieten auf fünf, in besonderen Fällen auf zehn Jahre ausgedehnt werden. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, daß es um das Ziel geht, einen nach § 12 Abs. 1 HENatG schutzwürdigen Zustand, der nämlich die Ausweisung eines Naturschutzgebietes rechtfertigt, zu erreichen. Und dies be- deutet, der Natur Zeit zur Entfaltung zu lassen.

Zum Zeitpunkt der einstweiligen Sicherstellung muß als Unterlage zur Einleitung und Verwirklichung gestaltender Naturschutz-Maßnahmen ein Regenerationsplan vorliegen. Dieser muß folgende Dinge darstellen: — die Gründe, die das Gebiet zur Schaffung eines Naturschutzgebietes geeignet er- scheinen lassen; — eine Beschreibung des Anfangszustandes; — eine Beschreibung des Zustandes, der erreicht werden soll; — die dazu notwendigen Maßnahmen.

Es darf davon ausgegangen werden, daß dieser Plan in Form eines landschaftspflege- rischen Objektplanes Darstellungen und Erläuterungen in Text und Zeichnung aufweisen soll. Dabei istetwa auf folgende Punkte einzugehen: günstige großräumige Lage der Aus- gangsfläche sowie Vorzüge der standörtlichen Voraussetzungen, ferner auf gestal- terische Gesichtspunkte wie geschwungene Uferlinienführung, Flach- und Steilufer, Sumpf-, Flach- und Tiefwasserzonen, Inseln, verschiedenartige Pflanzenbestände und bewuchsfreie Bereiche, abwechslungsreicher Unterwasserboden u. ä.

Wer den Antrag zur einstweiligen Sicherstellung zu stellen hat, läßt das Gesetz offen; ebenso, wer den Regenerationsplan erarbeitet. So dürften hier dieselben weiten Mög- lichkeiten für die Naturschutzverbände offenstehen wie bei der Beantragung und Vor- bereitung der Ausweisung von Naturschutzgebieten.

Handelt es sich bei dem zu gestaltenden Objekt um ein Abbauvorhaben, so ist eine Verbindung aller für die Genehmigung erforderlichen Verfahren unerläßlich. Dabei können nach § 6 Abs. 4 bis 9 HENatG die gegenüber dem Unternehmer zulässigen Auf- lagen für die Gestaltung des Regenerationsgebietes nutzbar gemacht werden, z. B. daß vor dem Eingriff in eine weitere Teilfläche die vorher beanspruchte Fläche plangemäß gestaltet sein muß, daß eine Sicherheitsleistung in Höhe der voraussichtlichen Herrich- tungskosten zu leisten ist, daß auch beim Wechsel von Eigentümern oder Nutzungs- berechtigten durch die Rechtsnachfolger Maßnahmen des Naturschutzes auszuführen sind.

Bisher ist zwar von der rechtlichen Möglichkeit des § 18 Abs. 3 und 4 HENatG zum gestaltenden Naturschutz noch nicht Gebrauch gemacht worden, so daß über prak- tische Erfahrungen hier nicht berichtet werden kann. Es sind jedoch Überlegungen darüber angestellt worden, ob auch bei größeren Projekten der zulässige Sicher- stellungszeitraum von bis zu zehn Jahren für einen erfolgreichen Abschluß ausreicht. Eine hierzu entwickelte Modellvorstellung wird nachstehend wiedergegeben. Sie geht davon aus, daß jeweils ein in zehn Jahren zum Abbau anstehender Teilbereich als Regenerationsgebiet ausgewiesen und so gestaltet wird, daß er nach Ablauf dieser zehn Jahre zum Naturschutzgebiet erklärt werden kann und daß anschließend der

70

nächste Zehnjahreszeitraum in Angriff genommen wird usw. Auf diese Weise dürften auch größerflächige und über längere Zeiträume sich erstreckende Vorhaben zu ver- wirklichen sein.

...... • ...... ,.. .•% 4 44 raa,...."... 4...... «..4444 a. 1 , t, % 31-40 ...I ( 31 — a o ___ __ 4 I 31-40 -- -- I \ % ------ I 1 1 ..„, ------%, r - %)L / 21-30 -- ,... _...--. .1, ri 21-30

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Abb.: Schematische Darstellung des zeitlichen Fortschritts naturschutzrechtlicher Schutzmaßnahmen in einem größeren zur Renaturierung vorgesehenen Abbaugebiet (Abbau in vier Teilabschnitten zu je zehn Jahren, in der Skizze mit 1-10, 11-20, 21-30 und 31-40 bezeichnet)

r — — geplante Abbaugrenze Grenze der im Abbau sich befindenden } = gesamte zum Abbau oder bereits abgebauten Fläche vorgesehene Fläche

als „Regenerationsgebiet" (§ 18 Abs. 3 und 4 HENatG) einstweilig sichergestellte Fläche

renaturierte und als Naturschutzgebiet (§ 12 HENatG) ausgewiesene Fläche Zeichnung: STOCKMANN

Bezüglich des Zusammenwirkens der verschiedenen an einem Regenerationsgebiet beteiligten Interessenten sind gewiß Einzelheiten noch zu klären, in der Praxis zu ent- wickeln und zu erproben. Doch wird erwartet, daß die Abfassung von Abbau- und Re- kultivierungsplänen, die Zahlung von Herrichtungskosten oder Abgaben durch Unter- nehmer und Übernahme zusätzlicher Kosten durch die Naturschutzbehörden sowie ein abschnittweises Vorgehen im Hinblick auf die Zehnjahresfrist im Laufe der Zeit sich einspielen werden.

Anschrift des Verfasers:

Dr. H.-.I. BOHR, Hessische Landesanstalt für Umwelt, Aarstraße 1, 6200 Wiesbaden

71 Neue Literatur HUTH, Th. (1981): Leitfaden zur Pflanzenbestimmung. Hochrhein-Verlag Hermann Stratz, Bad Säckingen; 176 S., 245 Abb.

Der Bedarf an „einfachen Pflanzenbestimmungsbüchern" ist groß. Auf dieser Markt- welle reitet der Verfasser, ohne das Versprochene im mindesten zu erfüllen. Die Begriffserklärung ist unzureichend, viele Pflanzenfotos sind völlig unscharf oder „Suchbilder", auf denen nur der Fachmann erkennen kann, welche Pflanze gemeint ist. Es ist mit Fachausdrücken gespickt, die nirgends ausreichend erklärt werden und die dem Verfasser wohl ebenfalls kaum geläufig sind, anders lassen sich die Fehlbezeich- nungen kaum deuten. Jedes der viel benutzten Pflanzenbestimmungsbücher, zu deren Umgang dieses Buch vorgibt, erst hinführenzuwollen, gibt im Einleitungsteil mehr und ausführlichere Er- läuterungen zur Benutzung. Dazu ist das Buch mit 62,— DM Subskriptionspreis, bzw. 68,— DM Endpreis auch noch ausgesprochen teuer. Wer Pflanzenarten und Pflan- zenbestimmung kennen lernen will, tut besser daran, für weniger Geld einen ent- sprechenden Volkshochschulkurs zu belegen. W. SCHNEDLER

DIF, G. & Y. VALLIER: Meeresvögel. Merkmale, Ernährung, Fortpflanzung, Wanderung und Verbreitung der wichtigsten Arten aus aller Welt. Aus dem Französischen von M. ESSER; Belser Verlag Stuttgart und Zürich (1981). 124 Seiten, 84 Farbfotos, 3 Karten, Pappband.

In der handlichen Reihe „Natur in der Tasche" des Belser Verlages erschien 1981 der Band „Meeresvögel" (nach „Zimmerpflanzen", „Bäumen" und „Mittelmeerflora"). Die Autoren DIF und VALLIER berichten im einleitenden Kapitel über das Leben der Meeresvögel, deren Beobachtung und deren akute Bedrohung. Im Hauptteil des Buches steht jeder Meeresvogelfamilie ein inhaltsreicher Familiensteckbrief voran. Dann werden die 33 wichtigsten Meeresvogel-Arten aus aller Welt vom Königspinguin bis zum Papageitaucher in systematischer Folge vorgestellt. Jede Art wird auf ein bis zwei Seiten interessant beschrieben und mit typischen Farbfotos vorgestellt, davon falsch beschriftet S. 59: Der „Kormoran" stellt eine Krähenscharbe, S. 106: Die „Rüpell-Seeschwalbe" eine Brandseeschwalbe dar. Im Text findet man viele Angaben und Hinweise zu Kennzeichen und Merkmalen (einschließlich Ökologie und Verhalten), weiter zur Ernährung, Fortpflanzung, zu Wanderungen und zur Verbreitung. Der Band schließt mit Namensregister und Bildnachweis. Leider fehlen Hinweise auf weiter- führende Literatur wie W. B. ALEXANDER oder G. S. TUCK und H. HEINZEL. Auch sollten der deutschen Ausgabe einige Angaben zu Vogelschutzmaßnahmen und deren Erfolgen an den deutschen Küsten angefügt werden, ebenso wie Hinweise auf Institute und Organisationen der Vogelkunde und des Vogelschutzes. Trotz dieser Anmerkungen sind die „Meeresvögel" ein empfehlenswertes, praktisches und preiswertes Buch in vorbildlicher Ausstattung für alle Vogelfreunde und Urlauber am Meer! V. LUCAN

72 Band 2, Heft 2: 73-132 Zeitschrift Wiesbaden, September 1982 für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen

ISSN 0173-0266

Herausgeber: Der Hessische Minister für Landesentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten, - Oberste Naturschutzbehörde - Inhaltsverzeichnis Seite

HANDKE, K. und U.: Ergebnisse sechsjähriger Brutvogelbestandsaufnahmen im NSG „Lampertheimer Altrhein", Kr. Bergstraße (1974-1979) . . . 75-124

Neue Literatur 125-132

74 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 75-124 (1982)

Ergebnisse sechsjähriger Brutvogel-Bestandsaufnahmen im NSG „Lampertheimer Altrhein", Kr. Bergstraße (1974-1979) von KLAUS und UWE HANDKE, Mannheim

Gliederung Seite

1. Einleitung 75 2. Das Untersuchungsgebiet 76 2.1 Lage, Abgrenzung, Klima und Entstehung 76 2.2 Nutzungen 78 2.3 Wasserstände und Wasserstandsregulierung 79 3. Material und Methodik 80 4. Ergebnisse 84 4.1 Arteninventar und Bestand 84 4.2 Qualitative und quantitative Veränderung der Brutvogelavizönose 88 4.3 Die Avizönosen der Altrheinlebensräume 88 4.3.1 Allgemeiner Überblick 88 4.3.2 Siedlungsdichteergebnisse in 18 Probeflächen mit Beschreibung 94 der Untersuchungsflächen Eichen/Ulmen-Hartholzaue (Probefläche 1 — 4) Silberweidengürtel (Probefläche 5 — 8) Kopfweidenbestand (Probefläche 9) Hybridpappel-Anpflanzungen (Probefläche 10 und 11) Weißdornbestand (Probefläche 12) Obstbaumbestand (Probefläche 13) Schilfzonen (Probefläche 14 — 16) Mähwiesen (Probefläche 17) Ackerland (Probefläche 18) 5. Diskussion 112 5.1 Die ornithologische Bedeutung des Naturschutzgebietes 112 5.2 Vergleich der Ergebnisse mit Untersuchungen aus anderen Auengebieten 113 5.3 Diskussion der Bestandsveränderungen mit besonderer Berücksichtigung der Wasserstandsverhältnisse 115 5.4 Folgerungen für den Naturschutz 117 6. Zusammenfassung 118 7. Literaturverzeichnis 119

1. Einleitung

Das NSG „Lampertheimer Altrhein" gehört mit seinen Altwässern, Röhrichtbeständen und Auwaldresten neben dem NSG „Kühkopf-Knoblochsaue" zu den wertvollsten Au- waldgebieten der Oberrheinebene. Mit einer Fläche von ca. 530 ha ist dieses Gebiet das derzeit drittgrößte hessische Naturschutzgebiet. Gegenwärtig gilt das Altrheingebiet als bedeutendstes hessisches Brutgebiet be- standsgefährdeter Vogelarten (HANDKE 1976 und 1978) und als einer der wichtig- sten hessischen Wasservogelrastplätze (BAUER & SCHAAK 1970, HANDKE 1977, HANDKE & SIEGEL 1978).

75 In den letzten Jahren arbeiteten hier Wissenschaftler verschiedener biologischer Dis- ziplinen an der Bestandsaufnahme von Flora und Fauna der NSG „Lampertheimer Alt- rhein" und „Kühkopf-Knoblochsaue" (DISTER 1980, FRITZ 1978, HEIMER 1979 und SCHRIMPF 1979). Diese Untersuchungen sollen die Grundlage für mittel- und lang- fristige Pflegepläne sowie für eingehende ökologische Forschungen bilden. Diesem Ziel dienten auch die mehrjährigen ornithologischen Bestandsaufnahmen, deren Er- gebnisse und Auswertungen mit dieser Arbeit vorgelegt werden. 1974 begann der ornithologische Arbeitskreis „Lampertheimer Altrhein" (H. BEHRENS, C. HAASS, K. & U. HANDKE, W. NEUDECKER, H. SIEGEL und K. VOWINKEL) mit systematischen Untersuchungen der Brutvogelfauna dieses Altrheingebietes mittels Rasterkartierungen, Bestandsaufnahmen und Siedlungsdichteuntersuchungen. Um die Kenntnis der Brutvogelwelt des hessischen Rheinabschnittes zu vervollstän- digen, führte K. HANDKE in der Brutzeit 1979 ähnliche Untersuchungen im derzeit größten hessischen NSG „Kühkopf-Knoblochsaue" durch (K. HANDKE in lit.). Damit liegen jetzt erstmalig für Hessen aus zwei großen Naturschutzgebieten, die 1979 einen Anteil von 35,5°/o an der gesamten hessischen NSG-Fläche hatten, Bestands- angaben und Verbreitungskarten von fast allen Brutvogelarten vor. Zusätzlich sind in allen Lebensräumen Siedlungsdichte-Untersuchungen durchgeführt worden. Wir danken unseren Freunden aus dem ornithologischen Arbeitskreis „Lampertheimer Altrhein", den Herren BEHRENS, HAASS, NEUDECKER, SIEGEL und VOWINKEL für ihre unermüdliche Mitarbeit bei den zeitaufwendigen Untersuchungen. Insbesondere Herrn SIEGEL verdanken wir viele kritische und konstruktive Anregungen. Herr DISTER war uns dankenswerterweise bei der Beschreibung der Probeflächen behilflich. Herrn, DRESSLER danken wir für die Anfertigung der Abb. 6.

Abb. 1: NSG „Lampertheimer Altrhein" (Kr. Bergstraße) — Rallengraben: Schmalblättriger Rohrkolben, Seekanne und Sumpfschwertlilie (Foto: W. NEUDECKER)

76 Abb. 2: NSG „Lampertheimer Altrhein" —Welsches Loch (Foto: W. NEUDECKER)

2. Das Untersuchungsgebiet 2.1 Lage, Abgrenzung, Klima und Entstehung Das NSG „Lampertheimer Altrhein" hat eine Fläche von ca. 530 ha und liegt 87 bis 91 m über dem Meeresspiegel. Es ist eine Altrheinschlinge innerhalb derholozänen Aue des Rheins, die im Bereich von Lampertheim an die Niederterrasse angrenzt. Das Altrheingebiet liegt unmittelbar westlich von Lampertheim (Kreis Bergstraße/Hes- sen) und ca. 10 km nördlich von Mannheim an der hessisch-baden-württembergischen Grenze. Es wird im Westen vom Rheinstrom, im Norden, Osten und Südosten durch eine Altrheinschlinge und im Süden durch Hochwasserdämme begrenzt. Im Norden und Süden schließen sich an das Naturschutzgebiet ausgedehnte Ackerflächen und schmale Auwaldstreifen entlang des Rheins an. Im Nordosten liegen mehrere Kiesgruben mit einer Gesamtfläche von ca. 50 ha. Im Osten grenzt die Stadt Lampertheim an und weiter östlich stehen ausgedehnte Kiefernwälder. Bis zum Jahr 1801 umfloß der Rhein in einem großen Bogen die damalige Halbinsel Biedensand. Bei einer Hochwasserkatastrophe im Winter 1801/02 durchbrach der Rhein diese Schlinge und verkürzte damit seinen Lauf um 6 km. Dabei wurde ein großes seen- artiges Strudelbecken, das Welsche Loch, geschaffen. Im Rahmen der Rheinkorrektur wurde 1878 ein neuer Durchstich angelegt und somit der Stromlauf nochmals verkürzt (LEPPER 1936). Seit 1937 steht das Altrheingebiet unter Naturschutz. Das Klima (Bezugsstation Worms) ist gekennzeichnet durch hohe Temperaturen (0 9,4 °C) und geringe Niederschläge (0 538 mm). Das NSG weist folgende Lebensräume auf (siehe auch Abb. 1): Mähwiesen (ca. 130 ha), Ackerflächen (ca. 130 ha), Schilf und andere Röhrichte (ca. 60 ha), offene Wasserflächen (ca. 60 ha), Silberweidenwald (26 ha), Hybridpappelbestände (23 ha), Eichen/Ulmen- Hartholzaue (18 ha), Obstbaumkulturen (11,5 ha), Weißdorngebüsch (ca. 8 ha), Brenn- nesselbestände (ca. 20 ha) und Kopfweidenbestände (7,5 ha).

77 Abb. 3: Die Lebensräume im NSG „Lampertheimer Altrhein"

Eichen/Ulmen-Hartholzaue Röhrichtbestände Silberweidenwald Brennesselbestände x x Kopfweidenbestände Mähwiesen Hybridpappelkulturen Ackerflächen Apfelbaumkultur Wasserflächen Weißdorngebüsch

2.2 Nutzungen Die Mähwiesen der „Bonaue" und die Ackerflächen auf dem „Biedensand" (zusammen ca. 260 ha) werden noch regelmäßig bewirtschaftet. Außerdem beweidet eine Schaf- herde im Winter alle Wiesen und Pappelkulturen 1), 2). Eine forstwirtschaftliche Nutzung der Waldbestände wird nicht mehr durchgeführt. Lediglich die Kopfweiden werden im Abstand von 5-7 Jahren regelmäßig „geköpft", um sie zu erhalten. Die Kulturpappeln werden nach und nach abgetrieben und durch stand- ortgerechte Baum- und Straucharten ersetzt. Die Dämme werden regelmäßig durch das Wasserwirtschaftsamt von aufkommenden Sträuchern „geputzt". Mit Ausnahme der Wasservogeljagd im NSG und der Jagd im Naturreservat ist im übrigen Altrheingebiet die Jagd gestattet (Reh, Kaninchen, Hase, Fasan, Fuchs und Bisamratte).

1) Seit 1982 ist die Weidefläche im Sommer auf 80 ha beschränkt. 2) 1980 wurden auf den Biedensandfeldern zwei kleine Feldgehölze angepflanzt. 78 Seit 1978 ist die Sportfischerei nur noch an den äußeren Altrheinufern gestattet. Die Berufsfischerei wurde bereits 1976 eingestellt. Die Kiesbaggerei im Norden des Alt- rheingebietes ist 1976 beendet worden. An Wochenenden und Feiertagen wird das NSG von zahlreichen Besuchern aus dem Ballungsraum Mannheim/Ludwigshafen besucht. Maximal wurden hier 2500 Spaziergänger an einem Tag registriert.

2.3 Wasserstände und Wasserstandsregulierung Um ein Austrocknen des Altrheins als Folge niedriger Rheinwasserstände zu unter- binden (1971 und 1972 trocknete das Welsche Loch in der Brutzeit fast völlig aus), wird seit 1974 das „Innere Altwassersystem" (Kleines und Welches Loch, „Rallengraben" und Heegwasser) mit einer Wasserfläche von ca. 40 ha durch zwei Dämme und Spindel- schieber bis zu einem Wormser Rheinpegel von 3,12 m aufgestaut (siehe auch Abb. 4). Die 1974 und 1977 eingebauten Spindelschieber ermöglichen ein Absenken des Was- serspiegels. Zusätzlich werden seit 1976 zwei verlandete Altarme an der „Reiherinsel" und am „Schleienloch" mit ca. 5 ha Wasserfläche während der Brutzeit durch zwei Dämme aufgestaut.

Kies grub

Reiherinsel

Welsches Kleines Loch Loch

Biedensand

Altrhein Bonaue

Rallengraben Rhein

Zeitwald

Heegwasser

Schleien loch

Abb. 4: Ortsbezeichnungen und wasserbauliche Maßnahmen im NSG „Lampert- heimer Altrhein". Staubauwerke, die das „Innere Altwassersystem" (Wel- sches und Kleines Loch, Heegwasser und Rallengraben) und zwei kleine Alt- wasserflächen aufstauen:

: Spindelschieber : Dämme

79 Trotz der Staumaßnahmen kam es von 1974 bis 1979 während der Brutzeiten noch zu erheblichen Wasserstandsschwankungen innerhalb des „Inneren Altwassersystems". Dies lag zum Teil an schadhaften Dämmen, am unterschiedlichen Verlauf der jährlichen Rheinhochwässer und an hohen Verdunstungswerten in Hitzeperioden. Abb. 5 und 6 geben einen Überblick über die Wasserstände im Untersuchungszeitraum von März bis August und die Wasserfläche des NSG bei unterschiedlichen Wasserständen. Um den Wasserstand im „Inneren Altwassersystem" zu messen, wurde am Welschen Loch eine Meßlatte angebracht, die regelmäßig abgelesen wurde. Bei voll aufgestau- tem Altwassersystem mit einem Wormser Rheinpegel von 3,12 m liegt der Pegel an dieser Meßlatte bei 1,4 m. Alle nachfolgenden Wasserstandswerte beziehen sich auf diese Meßlatte. In den Jahren 1975, 1977, 1978 und 1979 verlief die Uferlinie während der Brutzeit in der Schilf- und Weidenzone (niedrigster Pegelstand 0,84, 0,94, 1,09 und 0,52 m). Da- gegen lag die Uferlinie 1976 weit davor. Naturreservat, „Rallengraben" und Kleines Loch trockneten vollständig aus, da das Altwassersystem im Frühjahr nicht durch ein Rheinhochwasser aufgefüllt wurde. 1974 ergab sich ein mittlerer Wasserstand (nied- rigster Pegelwert: 0,12 m), wobei Teilbereiche der Ufervegetation des Rallengrabens mit Binsen- und Seggenbeständen noch unter Wasser standen. Naturreservat und Kleines Loch trockneten wie im Jahr 1976 vollständig aus. Das „Schleienloch" stand seit dem Aufstau 1976 in der Brutzeit regelmäßig unter Wasser. In dem Altwasser an der „Reiherinsel", das auch ab 1976 aufgestaut wird, sank der Wasserstand in den Brutzeiten sehr stark ab. Ab Juli/August war das Gebiet oft ausgetrocknet.

3. Material und Methodik

Die Grundlage für diese Arbeit bilden ca. 430 Exkursionen, die 1974 bis 1979 im Zeit- raum Februar bis August von dem ornithologischen Arbeitskreis „Lampertheimer Alt- rhein" (H. BEHRENS, C. HAASS, K. & U. HANDKE, W. NEUDECKER, H. SIEGEL und K. VOWINKEL) in dem Altrheingebiet durchgeführt worden sind. 3) Für Vergleiche mit den Ergebnissen von Bestandsuntersuchungen aus früheren Jahren standen uns dankenswerter Weise die Beobachtungen von W. BAUER, H. BEHRENS, K. DECK und H. SIEGEL zur Verfügung. Diese Ornithologen beobachten teilweise schon seit den 40er Jahren im NSG „Lampertheimer Altrhein". Seit 1974 zählten wir die Brutbestände von 30 — 40 Vogelarten (insbesondere „Rote- Liste-Arten" und Wasservögel), um deren Bestandsentwicklung verfolgen zu können. 1975, 1976 und 1977 wurde die Zahl der zu erfassenden Arten erhöht, um einen Über- blick über die Bestandsgröße aller Brutvogelarten zu erhalten. Die Methodik der Bestandserhebungen blieb in den sechs Jahren konstant. Alljährlich wurde das Naturschutzgebiet in mehrere Teilflächen aufgeteilt, die während der Brut- zeit von jeweils einem Beobachter bearbeitet wurden. Alle Teilgebiete wurden min- destens alle drei Wochen einmal kontrolliert. Das bedeutet, soweit das Betreten der Flächen nicht durch Hochwasser unmöglich war, für jede Teilfläche mindestens 10 Kon- trollgänge im Zeitraum Februar bis August. Schwerpunktmäßig lagen die Kontrollgänge in den frühen Morgenstunden. Speziell zur Erfassung der Rallen- und Eulenbestände wurden alljährlich mehrere „Nachtexkursionen" unternommen, bei denen mit Klang- attrappen (Kasettenrecorder) gearbeitet wurde. Zur Fixierung der Brutpaare bzw. Neststandorte wurde ein Koordinatennetz aus 1-Hek- tar-Planquadraten, die sich noch genauer in 9 jeweils 33,3 x 33,3 m große Parzellen ein- teilen lassen, erstellt. Während der Exkursionen wurden die Koordinaten der singenden

3) In den Brutzeiten 1980 und 1981 sind die Untersuchungen auf weiteren 125 Exkursionen fort- geführt worden. Über die Ergebnisse wird in einem „Nachtrag" zu dieser Arbeit in absehbarer Zeit ausführlich berichtet. 80 -1 1_1

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1974 bis 1979. Die Höhe der Absperrbauwerke liegt bei einem Wasserstand von 1,4 m, was einem Wormser Rheinpegel von 3,1 m entspricht. Bei einem Wasserstand von ca. 0,55 m liegt die Uferlinie unmittelbar vor dem Weidengürtel des

Welschen Loches.

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Abb. 5: Die Wasserstände an einer Meßplatte im „inneren Altwassersystem" des NSG „Lampertheimer Altrhein" in der Brutzeit Abb. 6: Die Wasserflächen im „Inneren Altwassersystem" des NSG „Lampertheimer Altrhein" bei unterschiedlichen Wasserständen. Die Wasserstände wurden an einer Meßlatte im „Inneren Altwassersystem" abgelesen.

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Männchen bzw. der Brutnachweise in „Exkursionsberichte" übertragen. Für jede Art wurde eine Verbreitungskarte angelegt, in der alle Brutzeitbeobachtungen eingetragen wurden. Als Brutpaar werteten wir das mindestens dreimalige Antreffen eines singen- den oder balzenden Männchens und andere brutanzeigende Merkmale bei Zwerg- dommel, Turmfalke, Rebhuhn, Teich- und Wasserralle, Kuckuck, allen Tauben- 4) und Spechtarten und fast allen Singvogelarten. Die Registrierung erfolgte jeweils am selben Ort und im zeitlichen Abstand von mindestens einer Woche. Bei dieser Methode wur- den also neben den Brutpaaren auch gleichzeitig die unverpaarten Männchen miterfaßt, die bei einigen Arten einen hohen Anteil an der Sommerpopulation haben können (BERTHOLD 1976).

4) Da die Turteltaube keine Reviere besitzen soll und stellenweise kolonieartiges Brüten vor- kommt (BAUER & GLUTZ 1980), muß bei einer Bestandserfassung aufgrund rufender Ex. mit einer erheblichen Fehlergröße gerechnet werden. 82 Bei Hauben- und Zwergtaucher, Grau-, Purpur- und Nachtreiher, Höckerschwan, Stock-, Schnatter- und Knäkente, Mäusebussard, Schwarzmilan, Rohrweihe, Bleßralle, Kiebitz, Elster und Rabenkrähe sind von uns nur Brutnachweise gewertet worden, weil diese Arten teilweise in größerer Zahl im NSG übersommern bzw. regelmäßig aus benach- barten Gebieten zur Nahrungsaufnahme das Altrheingebiet aufsuchen. Aus Zeitgründen erwies sich die Erfassung der Feldlerchen-, Sumpf- und Teichrohr- sänger-, Feldsperling- und Starenbestände als sehr schwierig. 5) Diese Arten konnten wir nur auf ein- bzw. zweimaligen Zählungen in den einzelnen Teilgebieten oder auf Probeflächen registrieren. Für die vergleichenden Untersuchungen der Avizönosen in den einzelnen Lebensräu- men des Naturschutzgebietes wurden in den Jahren 1975 bis 1978 verschiedene Sied- lungsdichteuntersuchungen durchgeführt. Es war unsere Absicht, alle Lebensräume, insbesondere die Waldformationen, die zum Teil erheblich anthropogen beeinflußt worden sind, zu untersuchen. Wegen der relativ geringen Größe einzelner Lebensräume mußte darauf verzichtet werden, gleichgroße Probeflächen zu wählen. Die von ERZ et al. (1968) geforderte Mindestgröße von 10 ha bei stark strukturierten Probeflächen konnte aus dem gleichen Grund nicht eingehalten werden. Von 1975 bis 1978 wurden Siedlungsdichte-Untersuchungen in folgenden Probeflächen durchgeführt:

Formation Zahl der Probeflächen untersuchte Fläche

Eichen/Ulmen-Hartholzaue 4 20,5 ha Silberweidenwald 4 11,6 ha Kopfweidenbestand 1 5,0 ha Hybridpappelbestände 2 22,3 ha Weißdorngebüsch 1 2,6 ha Obstbaumkultur 1 11,0 ha Schilfröhricht 3 6,6 ha Mähwiesen 1 50,0 ha Ackerland 1 100,0 ha

44 Vo der NSG-Fläche = 229,3 ha

Abb. 7 gibt einen Überblick über die Lage und Größe der 18 Probeflächen im NSG „Lampertheimer Altrhein". Die Untersuchungsflächen wurden von folgenden Beobachtern bearbeitet: H. BEHRENS (Probefläche 2 (1975) und Probefläche 17), C. HAASS (Probefläche 8), K. HANDKE (Probefläche 1, 2 (1975), 10, 11 (1975), 12 (1975) und 13), U. HANDKE (Probefläche 3, 4, 5, 7, 9 (1978), 11 (1976), 12 1976), 14, 15 und 18), H. SIEGEL (Probefläche 9 (1976) und K. VOWINKEL (Probefläche 6 und 16). Methodisch wurde weitgend nach ERZ et al. (1968) verfahren. In der Regel wurden alle Probeflächen mind. zehnmal in einer Brutsaison kontrolliert. Die drei Schilfflächen sind nur viermal kontrolliert worden. Die Bestände von Feldsperling und Star sind aus Zeitgründen jeweils auf ein bis zwei Exkursionen gezählt worden (meistens mit Brut- nachweisen). Aufgrund der Bestandserhebungen wurden von uns nach der Brutsaison 1979 von allen Vogelarten (Brutvogel-) Rasterkarten auf der Basis von 4 ha-Rastern angelegt und die

5) Da Sumpf- und Teichrohrsänger teilweise als Koloniebrüter (ohne Reviere) auftreten können, muß bei diesen Arten mit erheblichen Fehlerquellen bei der Bestandserfassung gerechnet werden.

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Abb. 7: Lage der Probeflächen 1-18 im NSG „Lampertheimer Altrhein" 1 — 4 Eichen/Ulmen-Hartholzaue 13 Apfelbaumbestand 5— 8 Silberweidenwald 14 — 16 Schilfröhricht 9 Kopfweidenbestand 17 Mähwiesen 10— 11 Hybridpappelbestände 18 Ackerflächen 12 Weißdorngebüsch

Rasterfrequenzen berechnet. Die Rasterfrequenz bezeichnet den prozentualen Anteil einer Untersuchungsfläche, der von einer Vogelart besiedelt wird. Mit 144 Rasterein- heiten sind nach BEZZEL & UTSCHICK (1979) die Voraussetzungen für Vergleiche mit anderen Untersuchungen gegeben.

4. Ergebnisse

4.1. Arteninventar und Bestand Im Untersuchungszeitraum 1974 bis 1979 stellten wir 89 Vogelarten als Brutvögel (incl. Brutversuche) fest. 6) 65 Arten (=75,6°/o) brüteten alljährlich im NSG „Lampertheimer Altrhein" (siehe auch Tabelle 1).

6) 1980 brütete zum dritten Mal das Braunkehlchen, 1981 erstmalig der Waldbaumläufer im Untersuchungsgebiet. Damit erhöht sich die Zahl der seit 1974 nachgewiesenen Brutvogelarten auf 91. Ab 1940 wurden insgesamt 99 Arten als Brutvögel registriert. 84 Tabelle 1: Ergebnisse sechsjähriger Brutvogelbestandsaufnahmen im NSG „ Lampe* heimer Altrhein"

Nr. Art 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1. Haubentaucher 65P1531. 40P185.1. 4P. (BV) 70P/1321. 60P/111J. 45P/84J. 2. Zwergtaucher 1 (BV) ca. 5 0 ca. 4 ca. 5 2 3. Graureiher 0 1 1 (BV) 3 23 27 4. Purpurreiher 0 3 0 1- 2(?) 1 (BV) 0 5. Nachtreiher 0 1 0 1 - 3 (?) 0 2 - 3 6. Zwergdommel 2 3 0 3 2 - 3 3 7. Höckerschwan 2 (BV) 3 (BV) 0 0 1 (BV) 1 8. Schnatterente 0 0 0 0 1 0 9. Stockente (8) 24 16 20 20 31 10. Knäkente 0 0 0 0 0 1 11. Mäusebussard 3 3 2 4 3 3 12. Schwarzmilan 2 3 4 5 3 5 13. Rohrweihe 0 1 (BV) 0 1 (BV) 0 0 14. Turmfalke 3 - 4 4 3 -- 5 5 15. Rebhuhn -- 5 4 3 -- -- 16. Fasan ------17. Wasserralle ca. 5 ca. 5 0 ca. 5 8 - 9 6 18. Kleinralle 0 1- 2 0 1- 2 0 0 19. Wachtelkönig 0 1(?) 0 0 1- 2(?) 0 20. Bleßralle ca.20 ca. 70 2 106 ca. 100 -- 21. Teichralle ca.10 ca. 40 2 ca. 60 ca. 60 15 22. Kiebitz 3 0 2 0 0 1 23. Flußregenpfeifer 0 0 1 (?) 1 (BV) 0 0 24. Ringeltaube -- 39 39 ------25. Turteltaube (14) 29 40 (22) -- 40 - 45 26. Türkentaube 1 1 1 1 1 2 27. Kuckuck -- ca. 15 ca 15 ------28. Steinkauz (4 - 5) 9 9 8 8 8 29. Waldkauz 2 3 (1 -2) 3 4 4 30. Waldohreule (4) (5) (3) (5) -- -- 31. Eisvogel 0 0 0 0 1 (BV) -- 32. Grünspecht 3 3 5 5 -- -- 33. Grauspecht 2 5 4 3 -- 34. Schwarzspecht 1- 2 2 1 1 1 35. Buntspecht 10 10 10 ------36. Mittelspecht 1 1 1 2 2 2 37. Kleinspecht 6 4 4 3 4 6- 7 38. Feldlerche ------38 -- 39. Schafstelze 0 2 - 4 1 2 1 7 40. Bachstelze -- 6 6 ------41. Baumpieper 12 12 11 12 42. Zaunkönig (53) 64 75 -- 43. Heckenbraunelle (28) 46 50 51 -- -- 44. Rohrschwirl 2- 5 0 0 0 1 0 45. Schlagschwirl 0 0 0 2 0 0 46. Feldschwirl 8 1 4 1 13 -15 2 47. Schilfrohrsänger 1 (?) 1 1 2 5 1 -2 48. Sumpfrohrsänger -- (75) 110 (75) -- -- 49. Teichrohrsänger - - - ca. 400 - - - 50. Drosselrohrsänger 8 12 11 5 9 5 51. Gelbspötter (4) 8 8 8 -- 52. Gartengrasmücke (30) 35 30 51 53. Mönchsgrasmücke (65) (61) 95 120 -- -- 54. Zaungrasmücke 2 0 0 0 0 2 55, Dorngrasmücke 8 1 13 14 22 17 56. Zilpzalp (50) 65 75 ------57. Fitis 35. 24 30 39 -- 58. Waldlaubsänger 0 1 (?) 0 1 0 2 59. Grauschnäpper 1 -2 3 6 4 (2) 11 -13 60. Trauerschnäpper 0 0 0 0 0 1

85 Nr. Art 1974 1975 1976 1977 1978 1979 61. Gartenrotschwanz 8 6 8- 10 24 (18) 23- 24 62. Nachtigall 55 58 58 66 -- -- 63. Blaukehlchen (4) 12 14 24 31 22 64. Rotkehlchen 35 37 31 28 -- -- 65. Wacholderdrossel 20 40 19 17 27 - 31 29 66. Singdrossel -- 39 25 23 -- -- 67. Amsel -- ca 130 ca. 130 -- 68. Schwanzmeise 6 9 9 14 69. Weidenmeise 7 8 11 -14 7 - 8 70. Blaumeise -- (47) (55) 70 71. Kohlmeise (42) (60) 90 72. Kleiber 6 9 - 12 8 - 9 73. Gartenbaumläufer 31 35 -- 74. Grauammer 1 2 2 1 0 1 75. Goldammer (10) 15 14 16 -- 76. Rohrammer --- ca. 250 - - - 77. Buchfink 48 55 -- 78. Grünfink 24 27 19 79. Stieglitz 20 16 (8) -- -- 80. Hänfling 1 3 3 3 2 - 3 81. Kernbeißer 1 2 1 1(?) 2 82. Haussperling 0 0 0 1 0 2 83. Feldsperling -- - ca. 350 - - - 84. Star -- - ca. 220 - - - 85. Pirol -- 20 15 14 86. Eichelhäher 4 - 5 4 4 - 5 -- -- 87. Elster 1 4 5 3 2 88. Dohle 1 1 1 -- 89. Rabenkrähe -- (9) 14 19 -- -- Arten 72 - 73 77 - 79 69 - 70 75 - 77 73 - 75 78

Legende zu Tabelle 1:

P. = Brutpaar 1. =Juv. BV = Brutversuch ( ) = Nicht vollständiger Bestand, da die Art in dem betreffenden Jahr nur auf Probeflächen erfaßt worden ist. (7) = Brutverdacht -- = Der Brutbestand wurde in dem betreffenden Jahr nicht erfaßt. Die Bestandsangaben bei Teichrohrsänger, Rohrammer, Feldsperling und Star setzen sich aus den Ergebnissen verschiedener Probeflächenunter- suchungen zusammen, die in den Jahren 1975 bis 1979 durchgeführt wurden.

Außerdem bestand Brutverdacht bei folgenden 13 Arten, die in wenigstens einer Brutperiode mehrfach im NSG beobachtet worden sind: Schwarzhalstaucher (1975 max. drei Ex. balzend bis zum 1. 5., ein juv. Ex. am 9.8.; 1979 zwei bzw. vier Ex. im Prachtkleid am 9. und 22. 6.); Wespen bussard (je ein balzendes Paar im Juni/Juli 1974, 1975 und 1979); Habicht (rufende Ex. im April, Mai und Juni 1978 und 1980); Tüpfelralle (rufende Ex. im Mai 1977, Juni 1978 und 1979); Bekassine (ein balzendes Paar im Mai/Juni 1975); Hohltaube (ein Ex. am 3. 7. und ein rufendes Ex. am 18. 8. 1975); Wiedehopf (rufende Ex. April/Mai 1974 und Mai/Juni 1975); Wendehals (rufende Ex. im Mai 1976 und August 1978); So m- m e rg oldhähnch en (vier Ex. im Juli 1975); Hausrotschwanz (singende Ex. im Mai 1974 und Juni 1975); Misteldrossel (singende Ex. im April 1975 und 1979); Bartmeise (mehrere zusammenhaltende Paare im März/April 1975) und Girlitz (regelmäßig singende Ex.). Als Sommer- bzw. Nahrungsgäste wurden regelmäßig Kormoran, Krick-, Löffel-, Tafel- und Reiherente, Rotmilan, Sperber, Baumfalke, Schleiereule, Mauer-

86 seg ler, Rauch-, Mehl- und Uferschwalbe angetroffen. Die in Sperrdruck auf- geführten Arten brüten in der Umgebung des Naturschutzgebietes. In den sechs Untersuchungsjahren brüteten im NSG ca. 55 0/0 aller in Hessen im glei- chen Zeitraum registrierten Brutvogelarten. Die Anzahl der Brutpaare bzw. der singen- den Männchen wird von uns auf jährlich 2700 bis 3000 geschätzt. Das entspricht einer Siedlungsdichte von 50,9 bis 56,6 Paaren/10 ha für das Gesamtgebiet. 26 Brutvogelarten mit einem Bestand von ca. 200 Paaren stehen auf der „Roten Liste der in Hessen gefährdeten Vogelarten" (Stand 1980). Die häufigsten und verbreitetsten „Rote-Liste-Arten" sind Turteltaube, Haubentaucher und Blaukehlchen. In Tabelle 2 sind die Rasterfrequenzen von 60 Brutvogelarten auf der Basis von 4 ha- Rastern dargestellt. Nur vier Arten (Feldsperling, Sumpfrohrsänger, Star und Amsel) kommen auf über 50% der NSG-Fläche vor. Bei den Non-Passeres erreichen nur Tu rte I - und Ringeltaube Rasterfrequenzen über 25°/o. Außerdem dürfte der Fasan , der in Tabelle 2 nicht aufgeführt ist, auf über 50% der NSG-Fläche als Brutvogel vorkommen. 7)

Tabelle 2: Rasterfrequenzen der Brutvögel im NSG „Lampertheimer Altrhein" (530 ha) im Zeitraum 1975-1979 auf der Basis von 4 ha-Rastern. Nicht aufgeführt: Reiher, Enten, Greifvögel, Rebhuhn, Fasan, Kuckuck, Grün-, Grau-, Schwarz- und Buntspecht, Eichelhäher und alle Arten mit Rasterfrequenzen unter 2,0. Feldsperling 73,2 Goldammer 19,6 Sumpfrohrsänger 56,3 Haubentaucher 15,5 Star 55,8 Drosselrohrsänger 15,5 Amsel 52,4 Rabenkrähe 15,5 Mönchsgrasmücke 47,6 Stieglitz 14,9 Zilpzalp 41,1 Feldschwirl 13,5 Zaunkönig 40,9 Grauschnäpper 13,5 Kohlmeise 40,6 Weidenmeise 13,5 Heckenbraunelle 39,6 Steinkauz 12,8 Blaumeise 36,9 Baumpieper 12,8 Nachtigall 35,8 Schwanzmeise 12,8 Singdrossel 35,8 Gelbspötter 10,1 Turteltaube 34,5 Wasserralle 9,5 Gartengrasmücke 34,5 Waldohreule 8,8 Ringeltaube 33,8 Kleiber 8,1 Rohrammer 33,8 Zwergtaucher 7,4 Teichrohrsänger 31,8 Hänfling 7,4 Buchfink 31,1 Kleinspecht 6,8 Fitis 25,7 Bachstelze 6,8 Dorngrasmücke 25,7 Schafstelze 6,1 Rotkehlchen 25,7 Schilfrohrsänger 6,1 Gartenrotschwanz 25,0 Elster 6,1 Bleßralle 25,0 Waldkauz 4,1 Grünling 24,3 Höckerschwan 3,4 Feldlerche 22,3 Kiebitz 3,4 Gartenbaumläufer 22,3 Zaungrasmücke 2,7 Pirol 22,3 Türkentaube 2,0 Wacholderdrossel 21,6 Mittelspecht 2,0 Teichralle 20,2 Waldlaubsänger 2,0 Blaukehlchen 19,6 Kernbeißer 2,0

7) 1981 stellten wir bei einer Bestandsaufnahme am Fasan 60 Hähne und 180 Hennen im NSG fest.

87 4.2. Qualitative und quantitative Veränderungen der Brutvogelfauna Seit 1946 wird das NSG regelmäßig von Ornithologen besucht. Bis 1973 wurden über- wiegend nur qualitative Brutangaben gesammelt. Bestandsuntersuchungen liegen nur aus wenigen Jahren vor. Von 1968 bis 1970 zählten jeweils an einem Tag im Mai BAUER, BEHRENS, DECK und SIEGEL alle Brutvögel des Altrheingebietes. Die Bestandsuntersuchungen im Zeitraum 1974 bis 1979 weichen methodisch sehr von diesen Zählungen ab und lassen nur bei wenigen Arten Vergleiche zu. Wir wollen uns deshalb hier vor allem auf qualitative Veränderungen der Avizönose beschränken und nur in fünf Fällen Bestandsveränderungen darstellen. Seit Mitte der 60er Jahre sind 16 neue Brutvögel für das Untersuchungsgebiet nachge- wiesen worden: Höckerschwan (ab 1968), Knäkente (1968 und 1979), Wacholder- drossel (seit Ende der 60er Jahre SIEGEL mdl.), Schnatterente (1970 und 1978), Nachtreiher (ab 1969 in mind. sechs Jahren Brutvorkommen), Zwe rg ta ucher (ab 1973), Türkentaube (ab 1974), Graureiher (ab 1975), Purpurreiher (1975, 1977 und 1978), Bluthänfling (ab 1975), Kernbeißer (ab 1975), Schlagschwirl (1977), Eisvogel (1978 und 1981), Haussperling (ab 1978),Trauerschnäpper(ab 1979) und Waldbaumläufer (1981). Die in Sperrdruck aufgeführten Arten brüten inzwischen mehr oder weniger regelmäßig im NSG. Verschwundene Arten sind Hohltaube (Brutvogel bis 1958), Wiedehopf (bis 1963), Neuntöter (50er Jahre), Raubwürger (1968), Rotkopfwürger (bis 1960) und Saatkrähe (bis 1965). Von den in Sperrdruck genannten Arten liegen in den letzten Jahren überhaupt keine Brutzeitbeobachtungen mehr vor. Deutliche Bestandsveränderungen gegenüber früheren Untersuchungen (bis 1973) waren bei fünf Singvogelarten zu verzeichnen. Heckenbraunelle und Sumpfrohrsänger haben ihre Bestände um ein Mehrfaches erhöht. Die Zaungrasmücke hat sehr stark abgenommen. Gartenrotschwanz und Dorngrasmücke weisen große Bestandsschwan- kungen auf. Nach einem Bestandstief im Zeitraum 1974 — 1976 bzw. 1977 beginnen die Brutbestände dieser zwei Arten sich wieder zu erholen. Innerhalb unseres Untersuchungszeitraumes konnten wir darüberhinaus Bestands- schwankungen insbesondere bei Brutvögeln der Wasserflächen und Uferbereiche fest- stellen (siehe Tabelle 3). Eindeutig zugenommen haben Graureiher, Schwarzmilan und Schafstelze seit Beginn unserer Untersuchungen. Der Drosselrohrsängerbestand hin- gegen nimmt deutlich ab. 4.3 Die Avizönosen der Altrheinlebensräume 4.3.1 Allgemeiner Überblick Rasterkartierungen und Siedlungsdichte-Untersuchungen zeigen in den verschiedenen Lebensräumen des NSG deutliche quantitative und qualitative Unterschiede der Avi- zönose auf. Auch innerhalb der einzelnen Lebensräume ergeben sich durch unter- schiedliche Wasserstandsverhältnisse und Strukturen erhebliche Differenzierungen. Tabelle 4 soll einen Überblick über die Ergebnisse der Siedlungsdichte-Untersuchungen in neun verschiedenen Landschaftstypen des Altrheingebietes geben. Die Brennessel- bestände und die offenen Wasserflächen wurden hier nicht mit einbezogen. Abb. 6 und 7 zeigen die absoluten Artenzahlen und die Verteilung der „Rote-Liste- Arten" auf die 4 ha-Raster des Untersuchungsgebietes. Auf Abb. 7 ist deutlich erkenn- bar, daß sich die gefährdeten Vogelarten auf wenige Bereiche des NSG konzentrieren: 1. Die Röhrichtzonen von Naturreservat, „Rallengraben", „Reiherinsel" und dem süd- lichen Teil des Welschen Lochs (Vorkommen von Zwergdommel, Wasserralle, Klein- ralle, Drosselrohrsänger, Schilfrohrsänger, Rohrschwirl und Blaukehlchen). 2. Der Silberweidengürtel von Welschem und Kleinem Loch (Zwergdommel, Grau- Purpur- und Nachtreiher). Bei hohen Wasserständen brütet hier auch ein Teil der Haubentaucherpopulation.

88 3. Die Restbestände der Hartholzaue mit Brutvorkommen von Schwarzmilan, Turtel- taube und Mittelspecht. 4. Die freien Wasserflächen von „Rallengraben", Welschem und Kleinem Loch (Hau- bentaucher). Die höchsten absoluten Artenzahlen mit über 25 Arten pro Raster fanden wir in den Planquadraten mit den Biotopelementen Röhricht, Wasser und Wald. Maximal stellten wir auf einer solchen Fläche 34 Arten fest. Gebiete mit hohen Artenzahlen finden sich im Bereich von „Rallengraben", „Reiher- insel", Welschem und Kleinem Loch. Insbesondere in den Waldgebieten werden hohe Artenzahlen vorgefunden, jedoch mit relativ wenig Rote-Liste-Arten. Übereinstimmend niedrige Werte finden sich in den landwirtschaftlich genutzten Flächen von Bonaue und Biedensand.

Tabelle 3: Die Brutbestände von Vogelarten der Weiden- und Röhrichtzone im NSG „Lampertheimer Altrhein" bei unterschiedlichen Wasserständen (1974-1979) Arten Niedriger Mittlerer Hoher Wasserstand Wasser- Wasser- stand stand 1976 1974 1975 1977 1978 1979 Haubentaucher 4 (BV) 65 40 70 60 45 53 juv. 85 juv. 132 juv. 111 juv. 84 juv. Zwergtaucher 0 1 (BV) 5 4 5 2 Graureiher 1 (BV) 0 1 3 23 27 Purpurreiher 0 0 3 1-2 (?) 1 (BV) 0 Nachtreiher 0 0 1 1-3 (?) 0 2-3 Zwergdommel 0 2 3 3 2-3 3 Höckerschwan 0 2 (BV) 3 (BV) 0 1 (BV) 1 Stockente 16 8 24 20 20 31 Schnatterente 0 0 0 0 1 0 Knäkente 0 0 0 0 0 1 Wasserralle 0 5 5 5 8-9 6 Kleinralle 0 0 1-2 (?) 1-2 0 0 Teichralle 2 10 40 60 60 15 Bleßralle 2 20 70 106 100 ? Drosselrohrsänger 11 8 12 5 9 5 Blaukehlchen 14 4 12 24 31 22 Arten 7 10 14 13 13 13 Paare 50 125 218-220 304-308 321-323 mind. 200

89 Tabelle 4: Ergebnisse der Siedlungsdichte-Untersuchungen in den Lebensräumen

des NSG „Lampertheimer Altrhein"

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1) Eichen/Ulmen- 4 20,5 48 238,0-296,0 Schwarzmilan Amsel Hartholzaue Turteltaube Feldsperling 21 ha Mittelspecht Star Kleinspecht

2a)Silberweiden- 2 7,7 43 190,0-288,9 Schwarzmilan Zaunkönig bestände, die Turteltaube Feldsperling sehr selten überflutet werden 8 ha 2b)Silberweiden- 2 3,9 35 75,0-130,4 Haubentaucher Zilpzalp bestände, die Graureiher Fitis regelmäßig Purpurreiher Amsel überschwemmt Nachtreiher Buchfink werden Zwergdommel Feldsperling 17 ha Schwarzmilan Turteltaube Steinkauz

3) Kopfweiden- 1 5,0 33 298,0 Turteltaube Sumpfrohr- bestände Steinkauz sänger 10 ha Mönchsgras- mücke Amsel Feldsperling

4) Hybridpappel- 2 23,0 33 46,3— 87,0 Turteltaube Zaunkönig Kulturen Mönchsgras- 23 ha mücke Amsel Buchfink

5) Weißdorn- 1 2,3 29 261,5 Turteltaube Mönchsgras- Gebüsch mücke 5 ha Amsel Kohlmeise Feldsperling Star

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6) Apfelbaum- 1 11,5 5 7,2 Baumpieper Kulturen Kohlmeise 12 ha Blaumeise Feldsperling Star 7) Schilf- 3 6,6 18 123,3-212,2 Haubentaucher Teichrohr- röhricht Zwergtaucher sänger ca. 60 ha Purpurreiher Sumpfrohr- Zwergdommel Sänger Rohrweihe Rohrammer Wasserralle Kleinralle Drosselrohr- sänger Schilfrohr- sänger Blaukehlchen 8) Mähwiesen 1 50 29 11,2 Wachtelkönig Ringeltaube ca. 130 ha Turteltaube Steinkauz Steinkauz Gartenbaum- Grauammer läufer Feldsperling Rabenkrähe 9) Ackerfläche 1 100 15 4,8 Steinkauz Feldlerche ca. 120 ha Schafstelze Sumpfrohr- sänger

Beim Biedensand handelt es sich um eine einförmige Ackerfläche, bei der sich die meisten Arten auf die verbliebenen zwei Baumgruppen, eine Gebüschzeile und einen sehr kleinen Schilfbestand konzentrieren. In dem anderen Ackergebiet des NSG mit einer Fläche von ca. 30 ha am südlichen Rand der Bonaue brüten nur Fasan und Feld- lerche. Auf der gesamten Ackerfläche des Gebietes konnte auch nur noch ein Paar Rebhühner nachgewiesen werden. Als noch artenärmer erwies sich die Obstbaumkultur auf der „Zeilwiese". In diesem gleichaltrigen Bestand wurde in allen sechs Untersuchungsjahren nur der Baumpieper als regelmäßiger Brutvogel nachgewiesen. Feldsperling, Star, Blau- und Kohlmeise brüteten nur unregelmäßig. Eine zukünftige Besiedlung von Vogelarten der Streuobst- bestände, wie Würger, Wiedehopf und Wendehals, ist wohl aufgrund der geringen Fläche und der ungünstigen Lage — der Bestand ist auf allen Seiten von Hartholzaue umgeben — auszuschließen.

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Abb. 8: Summendarstellung der Brutverbreitung aller Vogelarten im NSG „Lampe* heimer Altrhein" (1975-1979). Summe der Arten auf 4 ha-Raster. • : 0-5; • : 6-11; • : 12-17; • : 18-23; • : > 23 Arten

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Abb. 9: Summendarstellung der Brutverbreitung der Vogelarten der „Roten Liste Hessens" im NSG „Lampertheimer Altrhein" (1975-1979). Summe der Brutpaare auf 4 ha-Rastern. • : 1-3 BP • : 4-6 BP • : 7-10 BP • : > 10 BP

92 Durch wesentlich höhere absolute Arten- und Siedlungsdichtezahlen werden die Wie- senflächen der Bonaue gekennzeichnet. Als eigentliche „Wiesenvögel" kommen nur das Rebhuhn und unregelmäßig der Wachtelkönig vor; andere Arten, wie Schafstelze, Braunkehlchen und Kiebitz fehlen. Die Höhlenbrüter Feldsperling, Steinkauz und Gar- tenbaumläufer sowie die Baumfreibrüter Ringeltaube und Rabenkrähe dominieren. Ihr Brutvorkommen (27 der 28 nachgewiesenen Vogelarten) ist an Kopfweiden, Hybrid- pappeln und die einzelnen Eichen und Schwarzpappeln, die die Wiesenflächen durchziehen, gebunden. In den Hybridpappelreihen, die nach den Pflegeplanungen in den nächsten Jahren gefällt werden sollen, brüten nur Wacholderdrossel, Pirol und Rabenkrähe. Die Untersuchungen der Schilfröhrichte, die mit ca. 60 ha Fläche den viertgrößten Lebensraum des Altrheingebietes ausmachen, ergaben im Vergleich zu den übrigen Probeflächen, sieht man von den Obstbaumkulturen ab, die absolut niedrigsten Arten- zahlen. Gerade in den Schilfkomplexen kommen jedoch eine Reihe seltener und sehr bedroh- ter Vogelarten vor, wie Purpurreiher, Zwergdommel, Wasserralle, Kleinralle, Blau- kehlchen und Schilfrohrsänger. Der Drosselrohrsänger brütet hier regelmäßig auch in völlig trockenen Schilfbereichen. Die Untersuchung von drei verschiedenen, für das NSG typischen Schilfflächen ergab erhebliche Unterschiede in der Zusammensetzung der Avizönosen. Der Sumpfrohrsänger dominiert nur in den dünnen Schilfstreifen mit Grenzlinien zu Wiesen und Weidengehölz. In den großen geschlossenen Schilfflächen fehlt diese Art. Mit den Wasserstandsverhältnissen verändern sich auch die absolute Artenzahl und die Siedlungsdichte in den Röhrichten. In Bereichen, in denen bei völliger Trockenheit nur Teich-, Sumpf- und Drosselrohrsänger, Blaukehlchen und Rohrammer siedelten, brüteten bei Hochwasser auch Hauben- und Zwergtaucher, Zwergdommel, Wasser- ralle, Bleß- und Teichralle. In den Brennesselbeständen ist das unregelmäßige Brutvorkommendes Schlagschwirls bemerkenswert. Bisher konnte diese Art nur in diesem Lebensraum des Naturschutz- gebietes als Brutvogel nachgewiesen werden. Die durchschnittliche Artenzahl in „Brennessel-Rastern" liegt bei sechs bis zehn Arten. U. a. brüten hier noch Sumpfrohrsänger, Heckenbraunelle und Zaunkönig. Däs Brut- vorkommen weiterer Arten ist an das Vorkommen von einzelnen Bäumen und Sträu- chern innerhalb der Brennessel-Bestände gebunden (z. B. Amsel und Ringeltaube). Der kleine Weißdornbestand (2,6 ha) mit einzelnen alten Stieleichen und Schwarzpap- peln, Überresten ehemaliger Mittelwaldwirtschaft, weist eine hohe Siedlungsdichte und Artenzahl der Vögel auf. Dieses „parkartige" Gelände ist der einzige regelmäßige Brutplatz der Türkentaube im NSG. Als einziger häufiger Waldvogel fehlt hier der Zaunkönig. Kennzeichnend für die Hybridpappel-Bestände sind geringe Siedlungsdichten, da hier insbesondere die Höhlenbrüter weitgehend fehlen. Dichter Brennesselbewuchs und verschiedenaltrige Weißdornbüsche begünstigen die dominierenden Strauchbrüter (Heckenbraunelle, Mönchsgrasmücke, Nachtigall). Ein Vergleich der Probeflächen 10 und 11 zeigt deutlich, daß Siedlungsdichte und Arten- zahl in der zwar größeren, aber überwiegend strauchlosen Probefläche 11 niedriger liegen. Auf den Hybridpappeln brüten Ringeltaube, Wacholderdrossel, Buchfink, Pirol und Rabenkrähe. Das Vorkommen von Baumpieper und Goldammer beschränkt sich auf die Lichtungen. Überraschende Unterschiede in der Besiedlung ergaben sich bei der Untersuchung der Silberweidenwälder. Im Weidengürtel am Welschen Loch fehlen auch bei Niedrig- wasser Boden- und Strauchbrüter fast ausnahmslos. In diesem Bereich dominieren die Höhlenbrüter Feldsperling und Star und der Baumfreibrüter Buchfink. Gerade dieser Weidengürtel ist ornithologisch besonders wertvoll, weil hier vier Reiherarten und der 93 Schwarzmilan brüten. Die anderen Weidenbestände, die etwas höher liegen und nicht mehr alljährlich überschwemmt werden, weisen erheblich höhere Siedlungsdichte- und Artenzahlen auf. Eine gut entwickelte Krautschicht, Sträucher und hohe Silberweiden bieten sehr vielen Arten Brutmöglichkeiten. Der 4 ha große Bestand auf der „Reiher- insel" ist mit 38 Spezies die artenreichste Probefläche des Naturschutzgebietes. Der einzige größere Kopfweidenbestand des Altrheingebietes unterscheidet sich von anderen Waldformationen durch seine dichte Kraut- und Strauchschicht bei gleichzei- tigem Fehlen hoher Bäume. Kennzeichnend für die dichten Strukturen im Unterwuchs sind die hohen Siedlungsdichten des Sumpfrohrsängers (24 P./10 ha). Baumfreibrüter, wie Buchfink und Rabenkrähe fehlen in dem Kopfweidenbestand. In den Kopfweiden findet man sehr viele Höhlen. Steinkauz und Gartenrotschwanz haben innerhalb des Altrheingebietes ihren Verbreitungsschwerpunkt in den Kopfweiden. In isolierten Kopfweiden brüten ausschließlich Steinkauz, Blau- und Kohlmeise, Amsel, Feldsperling und Star. Die Eichen/Ulmen-Hartholzaue weist die höchsten Siedlungsdichten und neben der „Reiherinsel" auch die höchsten Artenzahlen von allen untersuchten Lebensräumen auf. Bei einem Anteil von nur 4°/o an der Gesamtfläche des NSG brüten hier 25°/o des Vogelbestandes bzw. 49 (,50%) der nachgewiesenen Arten. Mit einem Anteil von 55°/o der Brutpaare dominieren die Höhlenbrüter, die in 14 Arten (darunter 6 Specht- arten) vorkommen. Alle vier untersuchten Hartholzauenbestände zeigen trotz unterschiedlicher Größe übereinstimmende Werte. Nur Probefläche 4 weichtdeutlich ab. Hieristdie Hartholzaue nur noch in Restbeständen vorhanden. Zwischen den aufgelockerten Baumgruppen findet man größere Gebüschgruppen. Folglich ist in dieser Probefläche auch der Strauchbrüteranteil höher.

4.3.2 Siedlungsdichteergebnisse in den 18 Probeflächen mit Beschreibung der Unter- suchungsflächen Probefläche Nr. 1: 8,4 ha großer Eichen/Ulmen-Hartholzauenbestand (Tabelle 5) Beschreibung: Dieser geschlossene Waldbestand stellt eine Übergangsform von der Eichen/Ulmen-Hartholzaue zum Eichen-Hainbuchenwald dar. Er hat die Form eines Vierecks, an das sich Feuchtwiesen, eine Obstbaum- und eine Hybridpappelkultur an- schließen. Die Baumschicht deckt 50-75°/o der Probefläche; sie besteht überwiegend aus Berg- ahorn (Acer pseudoplatanus), Esche (Fraxinus excelsior), Feldulme (Ulmus minor), Stieleiche (Quercus robur) und einzelnen Schwarz- (Populus nigra) und Silberpappeln (Populus alba). Insbesondere die Eichen weisen zahlreiche Spechthöhlen auf. Eichen und Pappeln erreichen Höhen von 25 —30 m und Durchmesser von über einem Meter. In der Strauchschicht (Deckung 25 — 50°/0) dominieren Bergahorn (Acer pseudopla- tanus), Holunder (Sambucus nigra), Hartriegel (Cornus sanguinea), Hasel (Corylus avellana), Weißdorn (Crataegus monogyna) und Pfaffenhütchen (Euonymus europaea). In der sehr üppig entwickelten Krautschicht, die über 75°/o der Fläche einnimmt, wachsen Moschuskraut (Adoxa moschatellina), Haselwurz (Asarum europaeum), Aron- stab (Arum maculatum), Blaustern (Scilla bifolia), Buschwindröschen (Anemone nemo- rosa), Scharbockskraut (Ranunculus ficaria), Einbeere (Paris quadrifolia), Waldveilchen (Viola reichenbachiana), Gundermann (Glechoma hederacea), Kleinblütiges Spring- kraut (Impatiens parviflora), Gemeines Hexenkraut (Circaea lutetiana) und Vielblütige Weißwurz (Polygonatum multiflorum). Außerdem kommt stellenweise häufig Jung- wuchs von Feldulme (Ulmus minor) und Silberpappel (Populus alba) vor. Das Bodenrelief ist unausgeglichen; auf dem Boden liegt sehr viel Totholz. Der Waldbestand wird nur noch von „Spitzenhochwässern" (Rheinpegel Worms über 6 m) überflutet und blieb in den Untersuchungsjahren 1975 und 1976 ganzjährig trocken.

94 Tabelle 5: Siedlungsdichte der Brutvögel in einem 8,4 ha großen Eichen/Ulmen-Hart- holzauenbestand (1975/1976)

Abundanz Vogelart Brutpaare Dominanz P/10 ha 1975 1976 Vo (1976) 1975 1976 Feldsperling 50 20,9 59,5 Star 40 16,7 47,6 Amsel 20 8,4 23,8 Mönchsgrasmücke 17 7,1 20,2 Kohlmeise 14 5,9 16,7 Blaumeise 12 5,0 14,3 Zaunkönig 7 9 3,8 8,3 10,7 Ringeltaube 6 7 2,9 7,1 8,3 Rotkehlchen 4 7 2,9 4,8 8,3 Nachtigall 6 6 2,5 7,1 7,1 Singdrossel 6 6 2,5 7,1 7,1 Gartenbaumläufer 5 6 2,5 6,0 7,1 Buchfink 6 6 2,5 7,1 7,1 Turteltaube 3 5 2,1 3,6 6,0 Zilpzalp 6 4 1,7 7,1 4,8 Heckenbraunelle 4 3 1,3 4,8 3,6 Fitis 0 3 1,3 0,0 3,6 Kleiber 1 3 1,3 1,2 3,6 Grünfink 1 3 1,3 1,2 3,6 Buntspecht 3 2 0,8 3,6 2,4 Gartengrasmücke 1 2 0,8 1,2 2,4 Schwanzmeise 2 0 0,0 2,4 0,0 Weidenmeise 2 2 0,8 2,4 2,4 Kuckuck 0 1 (T) 0,4 0,0 1,2 Grünspecht 1 1 0,4 1,2 1,2 Grauspecht 1 1 0,4 1,2 1,2 Mittelspecht 1 1 0,4 1,2 1,2 Kleinspecht 1 0 0,0 1,2 0,0 Waldkauz 0 1 0,4 0,0 1,2 Grauschnäpper 0 1 0,4 0,0 1,2 Gartenrotschwanz 1 0 0,0 1,2 0,0 Stieglitz 1 1 0,4 1,2 1,2 Kernbeißer 1 1 0,4 1,2 1,2 Pirol 1 0 0,0 1,2 0,0 Eichelhäher 0 1 0,4 0,0 1,2 Dohle 1 1 0,4 1,2 1,2 36 Arten 237 284,4

T = Teilsiedler

Als 37. Brutvogelart wurde 1977 der Schwarzspecht in der Probefläche nachgewiesen.

95 Tabelle 6: Siedlungsdichte der Brutvögel in 5,7 ha Eichen/Ulmen-Hartholzaue (1975 /76)

Vogelart Brutpaare Dominanz Abundanz 0/0 P/10 ha

1975 1976 1975 1976 1975 1976

Star 23 25 16,0 18,4 40,4 43,8 Feldsperling 22 25 15,3 18,4 38,6 43,8 Amsel 8 15 5,5 11,6 14,0 26,3 Blaumeise 8 9 5,5 6,6 14,0 15,8 Rotkehlchen 9 6 6,2 4,4 15,8 10,5 Kohlmeise 5 10 3,4 7,4 8,8 17,5 Zaunkönig 7 4 4,8 2,9 12,3 7,0 Zilpzalp 7 3 4,8 2,2 12,3 5,3 Nachtigall 5 5 2,9 3,7 8,8 8,8 Ringeltaube 5 4 3,4 2,9 8,8 7,0 Mönchsgrasmücke 4 5 2,3 3,7 7,0 8,8 Buchfink 6 2 4,1 1,5 10,5 3,5 Turteltaube 4 3 2,7 2,2 7,0 5,3 Kleiber 4 3 2,7 2,2 7,0 5,3 Gartenbaumläufer 4 2 2,7 1,5 7,0 3,5 Heckenbraunelle 3 2 2,0 1,5 5,3 3,5 Singdrossel 3 1 2,0 0,7 5,3 1,8 Buntspecht 1 2 0,6 1,5 1,8 3,5 Grünfink 2 1 1,3 0,7 3,5 1,8 Gartengrasmücke 3 0 2,0 0,0 5,3 0,0 Mäusebussard 1 1 0,6 0,7 1,8 1,8 Weidenmeise 1 1 0,6 0,7 1,8 1,8 Pirol 1 1 0,6 0,7 1,8 1,8 Eichelhäher 1 1 0,6 0,7 1,8 1,8 Kleinspecht 2 0 1,3 0,0 3,5 0,0 Fitis 0 2 0,0 1,5 0,0 3,5 Schwarzmilan 1 0 0,6 0,0 1,8 0,0 Waldkauz 1 0 0,6 0,0 1,8 0,0 Waldohreule 1 0 0,6 0,0 1,8 0,0 Grauspecht 0 1 0,0 0,7 0,0 1,8 Grünspecht 0 1 0,0 0,7 0,0 1,8 Schwanzmeise 1 0 0,6 0,0 1,8 0,0 32 Arten 143 136 250,8 238,0

Anmerkung: Jeweils einmal in der Brutzeit wurden Goldammer und Mittelspecht mit Balzverhalten festgestellt. 1977 und 1978 brütete als 33. Vogelart der Gartenrotschwanz in ein bzw. zwei Paaren in der Probefläche (1,7 bzw. 3,5 P./10 ha).

96 Probefläche Nr. 2: 5,7 ha großer Eichen/Ulmen-Hartholzbestand (Tabelle 6)

Beschreibung: Ebenfalls ein geschlossener Eichen/Ulmen-Hartholzbestand im Über- gang zu einem Eichen-Hainbuchenwald. Die Probefläche hat die Form eines schmalen, auf einer Seite leicht zugespitzten Rechtecks. Sie wird von Obstbäumen, Hartholzaue und Schilfröhricht begrenzt. In der Baumschicht, die ca. 50 bis 75°/o der Fläche bedeckt, dominieren Esche (Fraxinus excelsior) und Bergahorn (Acer pseudoplatanus), die eine Höhe von 25 bis 30 m errei- chen. Im nördlichen Teil der Probefläche steht ein 1 ha großer Bestand Schwarznüsse (fugtans nigra). Daneben sind vereinzelt Stieleiche (Quercus robur), Feldulme (Ulmus minor), Winterlinde (Tilia cordata), Schwarz- und Silberpappel (Populus nigra und P. alba) anzutreffen. Auf 25 bis 50 0/o der untersuchten Fläche ist eine Strauchschicht ausgebildet. Ein sehr dichtes Saumgebüsch wächst an beiden Längsseiten des Waldbestandes. Die wichtig- sten Arten der Strauchschicht sind Bergahorn (Acer pseudoplatanus), Weißdorn (Cra- taegus monogyna), Hartriegel (Cornus sanguinea), Holunder (Sambucus nigra), Li- guster (Ligustrum vulgare) und Pfaffenhütchen (Euonymus europaea). Die Krautschicht deckt 25 bis 5090. Es dominieren Kratzbeere (Rubus caesius), Klein- blütiges Springkraut (Impatiens parviflora), Gemeines Hexenkraut (Circaea lutetiana) und Gundermann (Glechoma hederacea). Auf der Probefläche liegen abgestorbene Bäume und mehrere Reisighaufen. Das Bo- denrelief ist unausgeglichen (Altwasserrinnen). Das Gebiet wird nur noch bei extremen Hochwässern überschwemmt.

Probefläche Nr. 3: 3 ha großer Eichen/Ulmen-Hartholzauenbestand (Tabelle 7)

Beschreibung: Geschlossener Waldbestand in der Form eines Dreiecks, der auf zwei Seiten von Wegen und auf einer Seite durch eine kleine Aufforstungsfläche begrenzt wird. An die Probefläche schließen sich Ackerflächen, Hybridpappelbestände und Wiesen mit vereinzelten Bäumen an. Der Deckungsgrad der Baumschicht liegt zwischen 50 und 75%. Die Höhe der Bäume beträgt 25 bis 30 m. Es dominieren Stieleiche (Quercus robur) mit Durchmessern von über 70 cm, Feldulme (Ulmus minor) und Weißdorn (Crataegus monogyna). Daneben kommen vereinzelt noch Schwarz- und Silberpappel (Populus nigra und P. alba) vor. Die Sträucher, vor allem Holunder (Sambucus nigra) und Weißdorn (Crataegus mono- gyna) bilden teilweise geschlossene Bestände und bedecken über 75% der Probe- fläche. Die Krautschicht, bestehend aus Jungwuchs der Gehölze(Sambucusnigra, Ulmus minor und Cornus sanguinea) und Kleinblütigem Springkraut (Impatiens parviflora), Großer Brennessel (Urtica dioica), Veilchen (Viola spec.) und Gundermann (Glechoma hede- racea), nimmt über 75°/o der Fläche ein. Das Relief der Untersuchungsfläche ist unausgeglichen und weist einen ca. ein Meter tiefen Graben auf. Der Waldbestand wird nur noch bei „Spitzenhochwässern" (Rhein- pegel Worms über 6 m) überschwemmt. Durch das Gebiet verläuft ein viel benutzter Spazierweg.

97 Tabelle 7: Siedlungsdichte der Brutvögel in einem 3 ha großen Eichen/Ulmen-Hart- holzauenbestand (1976)

Vogelart Brutpaare Dominanz Abundanz P/10 ha

Feldsperling 14 15,7 46,7 Star 12 13,5 40,0 Mönchsgrasmücke 7 7,9 23,3 Amsel 7 7,9 23,3 Gartengrasmücke 4 4,5 13,3 Zilpzalp 4 4,5 13,3 Nachtigall 4 4,5 13,3 Kohlmeise 4 4,5 13,3 Blaumeise 4 4,5 13,3 Zaunkönig 3 3,4 10,0 Heckenbraunelle 3 3,4 10,0 Fitis 3 3,4 10,0 Turteltaube 2 2,3 6,7 Ringeltaube 2 2,3 6,7 Rotkehlchen 2 2,3 6,7 Singdrossel 2 2,3 6,7 Grünfink 2 2,3 6,7 Grünspecht 1 1,1 3,3 Grauspecht 1 (T) 1,1 3,3 Buntspecht 1 (T) 1,1 3,3 Schwanzmeise 1 1,1 3,3 Weidenmeise 1 1,1 3,3 Kleiber 1 1,1 3,3 Goldammer 1 1,1 3,3 Buchfink 1 1,1 3,3 Hänfling 1 1,1 3,3 Eichelhäher 1 1,1 3,3 27 Arten 89 296,0

Anmerkung: In den fünf Untersuchungsjahren brüteten noch fünf weitere Vogelarten auf der Probefläche: Waldkauz (1P. 1975, 1977 und 1978), Kleinspecht (1P. 1977 und 1978), Grauschnäpper (1P. 1978), Gartenrotschwanz (1P. 1977 und 1978) und Garten- baumläufer (1 P. 1975).

Probefläche Nr. 4: 3,4 ha großer Eichen/Ulmen-Hartholzauenbestand (Tabelle 8)

Beschreibung: Dieser stark gestörte und aufgelockerte Hartholzauenbestand verschie- dener Altersklassen wird in der Form eines Dreiecks durch einen Sommerdamm mit anschließendem Ackerland, eine Aufforstungsfläche und einen häufig begangenen Spazierweg mit einer Hybridpappelreihe begrenzt. In der Baumschicht dominieren Stieleiche (Quercus robur), Feldulme (Ulmus minor) und Weißdorn (Crataegus monogyna). Außerdem kommen vereinzelt Schwarzpappel (Populus nigra) und Holzbirne (Pyrus pyraster) vor. Baumhöhe: 25 bis 30 m, Deckung der Baumschicht: 25 bis 50°/o.

98 Tabelle 8: Siedlungsdichte der Brutvögel in einem 3,4 ha großen Eichen/Ulmen-Hart- holzbestand (1976)

Vogelart Brutpaare Dominanz Abundanz 0/0 P/10 ha Feldsperling 19 18,8 55,1 Star 16 15,8 46,4 Amsel 7 6,9 20,3 Mönchsgrasmücke 7 6,9 20,3 Zaunkönig 5 (3 T) 5 0 14,5 Heckenbraunelle 5 (3 T) 5,0 14,5 Nachtigall 5 (1 T) 5,0 14,5 Kohlmeise 5 5,0 14,5 Zilpzalp 4 4,0 11,6 Rotkehlchen 4 4,0 11,6 Blaumeise 4 4,0 11,6 Gartengrasmücke 3 3,0 8,7 Ringeltaube 2 2,0 5,8 Turteltaube 2 2,0 5,8 Buchfink 2 2,0 5,8 Kuckuck 1 1,0 2,9 Grünspecht 1 (T) 1,0 2,9 Buntspecht 1 1,0 2,9 Kleinspecht 1 1,0 2,9 Fitis 1 1,0 2,9 Grauschnäpper 1 1,0 2,9 Singdrossel 1 1,0 2,9 Weidenmeise 1 1,0 2,9 Kleiber 1 1,0 2,9 Gartenbaumläufer 'I 1,0 2,9 Grünfink 1 1,0 2,9 26 Arten 101 292,9

Anmerkung: In den anderen Untersuchungsjahren brüteten auf der Probefläche weitere vier Arten - 1975 Waldohreule (1P.), Pirol (1 P.) und Rabenkrähe (1 P.), 1977 und 1978 der Gartenrotschwanz (jeweils 1 P.).

Die Sträucher, vor allem Weißdorn (Crataegus monogyna), Holunder (Sambucus nigra) und Feldulme (Ulmus minor), bilden stellenweise geschlossene Bestände und decken 50 bis 75°/o der Untersuchungsfläche. Daneben kommen vereinzelt Schlehe (Prunus spinosa), Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus), Hartriegel (Corpus sanguinea) und Hopfen (Humulus lupulus) vor. Zum Sommerdamm hin ist ein sehr dichtes, bis vier Meter hohes Saumgebüsch ausgebildet. Die Krautschicht ist ungleichmäßig über die Probefläche verteilt (Deckung: 50 bis 75°/o) und besteht aus mittelhohen Gräsern, niedrigen Kräutern, wie Veilchen (Viola reichen- bachiana), Gundermann (Glechoma hederacea) und Kratzbeere (Rubus caesius), der Großen Brennessel (Urtica dioica) und Jungwuchs von Feldulme (Ulmus minor), Hart- riegel (Cornus sanguinea) und Weißdorn (Crataegus monogyna). Das Bodenrelief ist unausgeglichen.

99 Tabelle 9: Siedlungsdichte der Brutvögel in einem 4 ha großen Silberweidenbestand (1976)

Vogelart Brutpaare Dominanz Abundanz P/10 ha

Feldsperling 12 15,8 30,0 Star 7 9,2 17,5 Amsel 6 7,9 15,0 Mönchsgrasmücke 5 6,6 12,5 Zaunkönig 4 5,3 10,0 Kohlmeise 4 5,3 10,0 Stockente 3 4,0 7,5 Ringeltaube 3 4,0 7,5 Zilpzalp 3 4,0 7,5 Blaumeise 3 4,0 7,5 Turteltaube 2 2,6 5,0 Heckenbraunelle 2 2,6 5,0 Nachtigall 2 2,6 5,0 Schwarzmilan 1 1,3 2,5 Teichralle 1 1,3 2,5 Bleßralle 1 1,3 2,5 Kuckuck 1 1,3 2,5 Waldohreule 1 1,3 2,5 Grauspecht 1 (T) 1,3 2,5 Buntspecht 1 (T) 1,3 2,5 Bachstelze 1 1,3 2,5 Sumpfrohrsänger 1 1,3 2,5 Gartengrasmücke 1 1,3 2,5 Fitis 1 1,3 2,5 Gartenrotschwanz 1 1,3 2,5 Rotkehlchen 1 1,3 2,5 Wacholderdrossel 1 1,3 2,5 Singdrossel 1 1,3 2,5 Kleiber 1 1,3 2,5 Gartenbaumläufer 1 1,3 2,5 Buchfink 1 1,3 2,5 Elster 1 1,3 2,5 Rabenkrähe 1 1,3 2,5 33 Arten 76 190,0

Anmerkung: 1975 brütete im Untersuchungsgebiet der Turmfalke (1 P.), 1977 Schwanz- meise (1 P.), Grünfink (1 P.), Stieglitz (1 P.) und Pirol (1 P.). Damit erhöht sich die Zahl der nachgewiesenen Brutvögel auf 38 Arten. Abweichende Siedlungsdichtewerte: 1977 2 P. Rotkehlchen und 2 P. Rabenkrähen und 1978 2 Paar Wacholderdrosseln (jeweils 2,0 P./10 ha).

100 Probefläche Nr. 5: 4 ha großer Silberweidenbestand (Tabelle 9)

Beschreibung: Der Silberweidenbestand wird durch Wasserflächen mit Ufervegetation (Schilf- und Rohrglanzgras-Röhricht und Wasserkressenfluren) auf allen Seiten be- grenzt. Da die Untersuchungsfläche auf einer kleinen Anhöhe liegt, wird das Gebiet nur bei extremen Hochwässern überschwemmt. 20 bis 25 m hohe Silberweiden (Salix alba) bedecken ca. 50 bis 75°/o der Probefläche. Eingestreut sind einzelne Hybridpappeln. Der Durchmesser der Weiden schwankt zwischen 20 und 40 cm. Die wenigen Holunderbüsche decken weniger als 25% des Waldbestandes. Ein Saum- gebüsch fehlt. Mehr als 75°/o des Bodens werden von der Krautschicht, in der die Große Brennessel (Urtica dioica) dominiert, eingenommen. In der Krautschicht liegt sehr viel Totholz. Das Relief der Probefläche ist unausgeglichen.

Probefläche Nr. 6: 3,7 ha großer Silberweidenbestand (Tabelle 10)

Beschreibung: Dieser Silberweidenwald im Naturreservat wird von zwei Altrheinarmen und Schilfbeständen begrenzt. Innerhalb der Probefläche befinden sich mehrere kleine Schilfhorste und ein kleiner Tümpel. Ein Teil der Silberweiden wurde früher als Kopf- weiden genutzt. Die 20 bis 25 m hohen Silberweiden (Salix alba) bedecken ca. 25°/o der Untersuchungs- fläche. Daneben wachsen noch einzelne über 25 m hohe Schwarzpappeln (Populus nigra). Der Baumdurchmesser liegt teilweise über 70 cm. Ein Teil der Kopfweiden ist bereits auseinandergebrochen. Strauchschicht und Saumgebüsch fehlen. Eine dichte und bis 2,5 m hohe Krautschicht aus Großer Brennessel (Urtica dioica) und Schilf (Phragmites australis) bedeckt 75 bis 100°/o der untersuchten Fläche. Stellen- weise bildet das Schilf auch kleinere Bestände. Ein kleiner Tümpel, der immer mit Wasser gefüllt ist, hat eine Wasserfläche von ca. 50 m2. Auf der Probefläche liegt sehr viel Totholz. Das Relief ist unausgeglichen. Im Untersuchungsjahr 1978 standen die Silberweiden von Ende Mai bis Anfang Juni unter Wasser.

Probefläche Nr. 7 und Nr. 8: 2,3 bzw. 1,6 ha große Ausschnitte des Silberweidengürtels am Welschen Loch (Tabellen 11 und 12)

Beschreibung: Bei den untersuchten Probeflächen handelt es sich um zwei 20 bis 35 bzw. 20 bis 25 m breite Ausschnitte des Silberweidengürtels am Welschen Loch (2,3 bzw. 1,6 ha Fläche), an die sich Röhrichtbestände anschließen. Die 15 bis 20 m hohen und ca. 40 Jahre alten Silberweiden (Salix alba) decken 50 bis 75°/o der Untersuchungsfläche. Strauchschicht und Saumgebüsch fehlen. Da sich die Wasserstandsverhältnisse auf den Probeflächen von Brutzeit zu Brutzeit sehr ändern können, stellt sich auf der Bodenschicht auch eine sehr unterschiedliche Vegetation ein. In Niedrigwasserjahren wächst auf den freigelegten Schlickflächen eine Wasserpfeffer-Uferampferflur, die 75 bis 100°/o der Probefläche bedeckt. In Jahren mit hohem Wasserstand, wie im Untersuchungsjahr 1978, steht die Weidenzone in der Brutzeit oft mehrere Wochen lang unter Wasser, und es stelfen sich an lichten Stellen Seekannenbestände (Nuphar lutea) ein. 1978 war das Gebiet ab 25. Mai in der Brutzeit überschwemmt.

101 Tabelle 10: Siedlungsdichte der Brutvögel in einem 3,7 ha großen Silberweidenbestand mit einzelnen Kopfweiden und Schilfhorsten (1978)

Vogelart Brutpaare Dominanz Abundanz P/10 ha

Feldsperling 35 32,7 94,6 Zilpzalp 7 6,5 18,9 Heckenbraunelle 6 5,6 16,2 Zaunkönig 6 5,6 16,2 Star 5 4,7 13,5 Kohlmeise 5 4,7 13,5 Mönchsgrasmücke 5 4,7 13,5 Gartengrasmücke 4 3,7 10,8 Fitis 4 3,7 10,8 Sumpfrohrsänger 3 2,8 8,1 Nachtigall 3 2,8 8,1 Blaumeise 3 2,8 8,1 Teichrohrsänger 2 1,9 5,4 Gartenrotschwanz 2 1,9 5,4 Rotkehlchen 2 1,9 5,4 Amsel 2 1,9 5,4 Gartenbaumläufer 2 1,9 5,4 Turmfalke 1 0,9 2,7 Ringeltaube 1 0,9 2,7 Steinkauz 1 0,9 2,7 Waldkauz 1 0,9 2,7 Grauspecht 1 0,9 2,7 Buntspecht 1 0,9 2,7 Blaukehlchen 1 0,9 2,7 Wacholderdrossel 1 0,9 2,7 Schwanzmeise 1 0,9 2,7 Buchfink 1 0,9 2,7 Rabenkrähe 1 0,9 2,7 28 Arten 107 288,9

Anmerkung: 1975 bzw. 1977 wurden auf der Probefläche noch vier weitere Arten als Brutvögel angetroffen: Turteltaube (1 P.), Gelbspötter (1 P.), Singdrossel (1 P.) und Pirol (1 P.).

102 Tabelle 11: Siedlungsdichte der Brutvögel in einem 2,3 ha großen Abschnitt des Wei- dengürtels am „Welschen Loch" - (1978) durchschnittliche Breite 20-35 m

Vogelart Brutpaare Dominanz Abundanz /0 P/10 ha Feldsperling 6 20,0 26,1 Star 3 10,0 13,0 Amsel 3 10,0 13,0 Mönchsgrasmücke 2 6,7 8,7 Zilpzalp 2 6,7 8,7 Fitis 2 6,7 8,7 Singdrossel 2 6,7 8,7 Blaumeise 2 6,7 8,7 Kohlmeise 2 6,7 8,7 Buchfink 2 6,7 8,7 Ringeltaube 1 3,3 4,4 Turteltaube 1 3,3 4,4 Gartenrotschwanz 1 3,3 4,4 Pirol 1 3,3 4,4 14 Arten 30 130,4

Anmerkung: 1975 bzw. 1976 brüteten drei weitere Arten auf der Probefläche (je 1 Paar Zaunkönig, Gartenbaumläufer und Schwanzmeise). 1975 ergaben sich abweichende Siedlungsdichten bei Turtel- und Ringeltaube (jeweils 8,7 P.110 ha).

Tabelle 12: Siedlungsdichte der Brutvögel in einem 20-25 m breiten und ca. 700 m langen Abschnitt des Weidengürtels am „Welschen Loch" mit einer Fläche von 1,6 ha (1978)

Vogelart Brutpaare Dominanz Abundanz P/10 ha Fitis 3 25 18,8 Zilpzalp 2 16,6 12,5 Amsel 2 16,6 12,5 Feldsperling 2 16,6 12,5 Ringeltaube 1 8,3 6,3 Kohlmeise 1 8,3 6,3 Buchfink 1 8,3 6,3 7 Arten 12 75,0

Anmerkung: Als weitere Brutvögel wurden 1975 und 1977 Turteltaube (1 P.), Steinkauz (1 P.), Garten- und Mönchsgrasmücke (je 1 P.), Wacholderdrossel (1 P.), Singdrossel (1 P.), Blaumeise (2 P.), Weidenmeise (1 P.), Rotkehlchen (1 P.) und Rabenkrähe (1 P.) festgestellt. Damit erhöht sich die Brutvogelartenzahl der Probefläche auf 17. 1976 brüteten im Weidenausschnitt 2 P. Buchfinken (12,5 P./10 ha).

103 Tabelle 13: Siedlungsdichte der Brutvögel in einem 5 ha großen Kopfweidenbestand (1976/78)

Vogelart Brutpaare Dominanz Abundanz 90 (1978) P/10 ha 1976 1978 1976 1978 Feldsperling 44 29,5 88,0 Sumpfrohrsänger 12 14 9,4 24,0 28,0 Mönchsgrasmücke 10 10 6,7 20,0 20,0 Amsel 10 6,7 20,0 Zaunkönig 6 7 4,7 12,0 14,0 Gartenrotschwanz 1 7 4,7 2,0 14,0 Star 6 7 4,7 12,0 14,0 Heckenbraunelle 4 5 3,3 8,0 10,0 Blaumeise 5 3,3 10,0 Kohlmeise 5 3,3 10,0 Gartengrasmücke 4 4 2,6 8,0 8,0 Zilpzalp 4 4 2,6 8,0 8,0 Nachtigall 2 4 2,6 4,0 8,0 Singdrossel 4 2,6 8,0 Dorngrasmücke 1 3 2,0 2,0 6,0 Fitis 2 3 2,0 4,0 6,0 Rotkehlchen 3 2,0 6,0 Gelbspötter 1 2 1,3 2,0 4,0 Buchfink 2 1,3 4,0 Steinkauz 1 1 0,6 2,0 2,0 Ringeltaube 1 1 0,6 2,0 2,0 Turteltaube 0 1 0,6 0,0 2,0 Buntspecht 1 (T) 0 2,0 0,0 Schwanzmeise 0 1 0,6 0,0 2,0 Weidenmeise 0 1 0,6 0,0 2,0 Gartenbaumläufer 0 1 0,6 0,0 2,0 Pirol 1 (T) 0 2,0 0,0 Eichelhäher 1 (T) 0 2,0 0,0 28 Arten 149 298,0

Anmerkung: Als 29. und 30. Brutvogelart registrierten wir auf dieser Probefläche 1975 Waldohreule (1 Paar) und Grauschnäpper (1 Paar). 1977 brüteten hier 2 Paare Stein- käuze (4,0 P./10 ha).

Probefläche Nr. 9: 5 ha großer Kopfweidenbestand (Tabelle 13)

Beschreibung: Geschlossener Kopfweidenbestand (Salix alba), der von Brennessel- beständen, Schilfröhricht und Wiesen begrenzt wird. Die 15 bis 20 m hohen Kopfweiden (Durchmesser über 70 cm) decken 25 bis 50 0/o der Fläche und sind gleichmäßig über das Untersuchungsgebiet verteilt. Saumgebüsch und Strauchschicht fehlen. Der Boden wird von einer dichten bis 2 m hohen Krautschicht, in der die Große Brennessel (Urtica

104 dioica) dominiert, fast vollständig bedeckt. Außerdem sind sehr viel Totholz, abgestor- benes Schilf und Abfälle durch Hochwasserwellen abgelagert worden. Das Bodenrelief ist unausgeglichen. Das Gebiet wird fast alljährlich vollständig überschwemmt. In einer langgestreckten Flutmulde, die die Probefläche in Nord-Süd-Richtung durchzieht, steht oft mehrere Wochen lang das Wasser. Während die Probefläche in der Brutzeit 1976 völlig trocken lag, wurde sie vom 25. 5. 1978 bis Mitte Juni überflutet. Alljährlich werden im Rahmen der forstlichen Pflegemaßnahmen Teile des Bestandes „geköpft", um sie vor dem Zusammenbrechen zu bewahren.

Probefläche Nr. 10: 8,7 ha großer Hybridpappelbestand (Tabelle 14)

Beschreibung: Ein rechteckiger (435 x 200 m) Waldbestand, an den sich der Lampert- heimer Altrhein, eine Wiese, ein geschlossener Hartholzauenbestand und ein stark frequentierter Wanderweg anschließen. Innerhalb der Probefläche sind seit 1975 fünf Aufforstungsflächen (ca. 1 ha Gesamtfläche; Baumarten s. u.) angelegt worden. Einzige dominierende Baumart ist die Hybridpappel (Populus x canadensis) mit einer Deckung von 25 bis 50°/0; die Bäume sind in Reihen gepflanzt worden; Baumhöhe: 25 bis 30 m. Als einziger Vertreter der Strauchschicht deckt der Weißdorn (Crataegus monogyna) 25 bis 50°/o der Probefläche. Die Sträucher bilden teilweise geschlossene Bestände; ein Saumgebüsch ist nur zur angrenzenden Hartholzaue hin ausgebildet. Auf mehr als drei Vierteln der Untersuchungsfläche kommen ausgedehnte Bestände der Großen Brennessel (Urtica dioica) vor. In den fünf eingezäunten Aufforstungsflächen wachsen neben einer üppig entwickelten Krautschicht zwei- bis fünfjährige Stieleichen (Quercus robur), Feldulmen (Ulmus minor), Schwarzerlen (Alnus glutinosa), Feldahorn (Acer campestre), Hasel (Corylus avellana) und Pfaffenhütchen (Euonymus europaea). 1975 stand der untersuchte Waldbestand mehrfach in einigen Teilbereichen für wenige Tage unter Wasser. Menschliche Beeinflussung: Zwei häufig frequentierte Wanderwege durchziehen den Bestand, eine Schafherde weidet ab Juni die Krautschicht fast vollständig ab.

Probefläche Nr. 11: 13,6 ha großer Hybridpappelbestand (Tabelle 15)

Beschreibung: Rechteckige Hybridpappelbestände, die durch den Lampertheimer Alt- rhein, Wiesen und Brennesselbestände begrenzt werden. Innerhalb der Probefläche wurden 1975 fünf Aufforstungsflächen (Gesamtfläche 1,6 ha) angelegt. Auch hier ist die Hybridpappel (Populus x canadensis) die dominante Baumart (Deckung 25 bis 50%). Daneben stehen auf der Probefläche noch fünf Silberweiden. Die Bäume sind in Reihen gepflanzt worden und 25 bis 30 m hoch. Die Strauchschicht, die nur aus Weißdornbüschen (Crataegus monogyna) besteht, be- deckt weniger als 1090 der Gesamtfläche. Ein Saumgebüsch fehlt. Die Sträucher sind sehr ungleichmäßig über die Fläche verteilt. In der Krautschicht dominiert die Große Brennessel (Urtica dioica), die mehr als 75°/o des Bodens bedeckt. Auf den fünf eingezäunten Aufforstungsflächen wachsen in einer dichten Krautschicht 2- bis 5-jährige Stieleichen, Silberpappeln, Feldulmen, Feldahorn, Pfaffenhütchen und Schwarzerlen. 1975 standen Teilbereiche der Probefläche in der Brutzeit für wenige Tage unter Wasser. Menschliche Beeinflussung: Zwei Spazierwege und Beweidung der Krautschicht durch eine Schafherde ab Mai.

105 Tabelle 14: Siedlungsdichte der Brutvögel in einem 8,7 ha großen Hybridpappelbe- stand (1975/76)

Vogelart Brutpaare Dominanz Abundanz P/10 ha

1975 1976 1975 1976 1975 1976

Amsel 9 10 12,0 14,3 10,3 11,5 Mönchsgrasmücke 5 8 6,6 11,4 5,8 9,2 Zilpzalp 5 6 6,6 8,6 5,8 6,9 Zaunkönig 5 4 6,6 5,7 5,8 4,6 Buchfink 4 5 5,3 7,1 4,6 5,8 Gelbspötter 4 4 5,3 5,7 4,6 4,6 Nachtigall 5 3 6,6 4,3 5,8 3,4 Heckenbraunelle 3 4 3,9 5,7 3,4 4,6 Wacholderdrossel 3 3 3,9 4,3 3,4 3,4 Gartengrasmücke 3 2 3,9 2,9 3,4 2,9 Fitis 3 2 3,9 2,9 3,4 2,9 Star 3 2 3,9 2,9 3,4 2,9 Pirol 3 2 3,9 2,9 3,4 2,9 Baumpieper 2 2 2,6 2,9 2,3 2,3 Grünfink 2 2 2,6 2,9 2,3 2,3 Stockente 3 1 3,9 1,4 3,4 1,2 Turteltaube 1 2 1,3 2,9 1,2 2,3 Goldammer 1 2 1,3 2,9 1,2 2,3 Stieglitz 2 1 2,6 1,4 2,3 1,2 Feldsperling 2 1 2,6 1,4 2,3 1,2 Rotkehlchen 2 0 2,6 0,0 2,3 0,0 Singdrossel 2 0 2,6 0,0 2,3 0,0 Gartenbaumläufer 2 0 2,6 0,0 2,3 0,0 Rabenkrähe 0 2 0,0 2,9 0,0 2,3 Waldohreule 1 0 1,3 0,0 1,2 0,0 Blaumeise 0 1 0,0 1,4 0,0 1,2 Kohlmeise 0 1 0,0 1,4 0,0 1,2 27 Arten 75 70 87,0 80,5

Anmerkung: Als einmalige Gäste traten in mindestens einer Brutzeit Ringeltaube, Schwanzmeise und Girlitz auf. Bunt-, Grau- und Grünspecht werden regelmäßig als Nahrungsgäste angetroffen. 1977 wurden bei folgenden Brutvogelarten abweichende Ergebnisse festgestellt: Heckenbraunelle ( 6 Bp = 6,9 P./10 ha), Nachtigall (7 Bp = 8,2 P./10 ha), Gartengrasmücke (5 Bp 5,8 P./10 ha), Pirol (1 Bp = 1,2 P./10 ha) und Grünfink (3 Bp 3,4 P./10 ha). Als 28. Art brütete 1978 der Feldschwirl auf der Probefläche.

106 Tabelle 15: Siedlungsdichte der Brutvögel in einem 13,6 ha großen Hybridpappel- bestand (1975/76)

Vogelart Brutpaare Dominanz Abundanz P/10 ha 1975 1976 1975 1976 1975 1976 Amsel 12 12 18,8 18,5 8,8 8,8 Buchfink 7 7 10,9 10,8 5,1 5,1 Zaunkönig 5 6 (3T) 7,8 9,2 3,6 4,4 Wacholderdrossel 5 3 7,8 4,6 3,6 2,5 Mönchsgrasmücke 2 6 3,1 9,2 1,4 5,0 Baumpieper 3 3 4,7 4,6 2,2 2,2 Heckenbraunelle 2 4 (3T) 3,1 6,2 1,4 3,3 Zilpzalp 2 4 3,1 6,2 1,4 3,3 Pirol 3 3 4,7 4,6 2,2 2,2 Singdrossel 3 2 4,7 3,1 2,2 1,4 Gartenbaumläufer 2 3 3,1 4,6 1,4 2,2 Rabenkrähe 3 2 4,7 3,1 2,2 1,4 Stockente 2 2 3,1 3,1 1,4 1,4 Ringeltaube 2 2 3,1 3,1 1,4 1,4 Gelbspötter 1 2 1,5 3,1 0,7 1,4 Star 3 0 4,7 0,0 2,2 0,0 Kuckuck 1 1 (T) 1,5 1,5 0,7 0,7 Gartengrasmücke 1 1 1,5 1,5 0,7 0,7 Feldsperling 2 0 3,1 0,0 1,4 0,0 Fitis 1 0 1,5 0,0 0,7 0,0 Nachtigall 0 1 0,0 1,5 0,0 0,7 Rotkehlchen 1 0 1,5 0,0 0,7 0,0 Grünfink 0 1 0,0 1,5 0,0 0,7 23 Arten 63 65 46,3 47,7

Anmerkung: 1977 wurden auf der Probefläche zwei weitere Brutvogelarten, Waldohr- eule (1 P. _4 0,7 P./10 ha) und Sumpf rohrsänger (2 P. 1,4 P./10 ha) nachgewiesen. Abweichende Siedlungsdichten ergaben sich bei Gartengrasmücke (2 P. 1,4 P./10 ha), Fitis (2 P. _4 1,4 P./10 ha) und Nachtigall (4 P. _4 3,3 P./10 ha).

107 Probefläche Nr. 12: 2,6 ha großer Weißdornbestand mit Einzelbäumen (Tabelle 16) Beschreibung: Hier wachsen bis 5 m hohe Weißdorn- (Crataegus monogyna) und Holunderbüsche (Sambucus nigra), die ca. 25 0/o der Untersuchungsfläche bedecken und sehr ungleichmäßig über die Fläche verteilt sind. Teilweise bilden die Sträucher geschlossene Bestände. Außerdem stehen in dem untersuchten Gebiet mehrere über 25 m hohe Stieleichen (Quercus robur) und Schwarzpappeln (Populus nigra). An die Probefläche schließen sich Wiesen, ein vielbegangener Sommerdamm und eine Auf- forstungsfläche an. Ein sehr dichtes bis 5 m hohes Saumgebüsch ist am Sommerdamm vorhanden. Die Krautschicht, in der mittelhohe Gräser dominieren, bedeckt über 75°/o des Bodens. Daneben kommt stellenweise Weißdornjungwuchs vor. Das Gebiet wird noch von mittelhohem Hochwasser überschwemmt (Rheinpegel Worms über 5,50 m). Ein häufig frequentierter Wanderweg durchzieht den Weißdornbestand.

Tabelle 16: Siedlungsdichte der Brutvögel in einem 2,6 ha großen Weißdornbestand mit Einzelbäumen (1975/76)

Vogelart Brutpaare Dominanz Abundanz 0/0 P/10 ha 1975 1976 1976 1975 1976 Feldsperling 8 11,8 30,8 Mönchsgrasmücke 7 10,3 26,9 Amsel 6 6 8,8 23,1 23,1 Star 6 8,8 23,1 Kohlmeise 3 4 5,9 11,5 15,4 Gartengrasmücke 3 3 4,4 11,5 11,5 Fitis 3 3 4,4 11,5 11,5 Nachtigall 3 3 4,4 11,5 11,5 Grünfink 2 4 5,9 7,7 15,4 Blaumeise 2 3 4,4 7,7 11,5 Goldammer 3 2 2,9 11,5 7,7 Ringeltaube 2 2 2,9 7,7 7,7 Turteltaube 2 2 2,9 7,7 7,7 Zilpzalp 1 3 4,4 3,8 11,5 Rotkehlchen 1 3 4,4 3,8 11,5 Singdrossel 2 2 2,9 7,7 7,7 Heckenbraunelle 1 2 2,9 3,8 7,7 Türkentaube 1 1 1,5 3,8 3,8 Buntspecht 1 1 1,5 3,8 3,8 Waldohreule 1 0 0,0 3,8 0,0 Schwanzmeise 1 0 0,0 3,8 0,0 Gartenbaumläufer 0 1 1,5 0,0 3,8 Buchfink 0 1 1,5 0,0 3,8 Stieglitz 0 1 1,5 0,0 3,8 24 Arten 68 261,5

Anmerkung: Als 25. Brutvogelart wurde 1977 der Sumpfrohrsänger registriert (1 P. = 3,8 P./10 ha). 108 Probefläche Nr. 13: 11 ha großer Apfelbaum-Bestand (Tabelle 17) Beschreibung: Dieser Apfelbaumbestand bildet die Form eines Dreiecks, an das sich an allen drei Seiten Eichen/Ulmen-Hartholzaue anschließt. Am Nordrand steht eine Reihe 10 bis 15 m hoher Walnußbäume. Der Deckungsgrad der 5 bis 10 m hohen Apfel- bäume liegt unter 1090; die gesamte Probefläche wird von trespenreichen Glatthafer- wiesen eingenommen. Der Obstbaumbestand wird nur noch bei sehr extremen Hochwässern überflutet. Menschliche Einflüsse: Pflege der Obstbäume, Wiesenmahd, Spaziergänger.

Tabelle 17: Siedlungsdichte der Brutvögel in einem 11 ha großen Apfelbaumbestand (1976)

Vogelart Brutpaare Dominanz Abundanz /0 P/10 ha Baumpieper 3 37,5 2,7 Feldsperling 2 25,0 1,8 Kohlmeise 1 12,5 0,9 Blaumeise 1 12,5 0,9 Star 1 12,5 0,9 5 Arten 8 7,2

Probefläche Nr. 14: 3 ha großer Schilfbestand (Tabelle 18) Beschreibung: Dieses Schilfröhricht zieht sich in unterschiedlicher Breite (15 bis 80 m) an einer aufgestauten Altwasserfläche hin. An die Probefläche schließen sich Wasser- pfeffer-Uferampferfluren, Mähwiesen und ein Silberweidenbestand an. Drei Schneisen durchziehen die gesamte Schilffläche. Im Untersuchungsjahr 1976 blieb das Gebiet in der ganzen Brutzeit trocken. In Jahren mit hohen Wasserständen (z. B. 1977 und 1978) steht die Schilffläche oft für einige Wochen unter Wasser.

Tabelle 18: Siedlungsdichte der Brutvögel in einem 3 ha großen Schilfbestand (1976)

Vogelart Brutpaare Dominanz Abundanz °/o P/10 ha Teichrohrsänger 18 48,7 60,0 Rohrammer 13 35,1 43,3 Sumpfrohrsänger 6 16,2 20,0 3 Arten 37 123,3

Anmerkung: Als weitere Brutvögel wurden in den Jahren 1975, 1977 und 1978 folgende Arten angetroffen: Drosselrohrsänger (1975, 1977 und 1978 je 1 P. 4'. 3,3 P./10 ha), Wasserralle (1977 und 1978 je 1 P. = 3,3 P./10 ha), Teichralle (1977 1 P. = 3,3 P./10 ha, 1978 3 P. = 10,0 P./10 ha), Bleßralle (1977 3 P. = 10,0 P./10 ha, 1978 5 P. 16,7 P./ 10 ha), Blaukehlchen (1977 1 P. _=1 3,3 P./10 ha, 1978 2 P. = 6,7 P./10 ha) und Schilf- rohrsänger (1978 1 P. = 3,3 P./10 ha). Damit erhöht sich die Zahl der auf dieser Fläche nachgewiesenen Brutvogelarten auf 9.

109 Probefläche Nr. 15: 2 ha großer Schilfbestand (Tabelle 19) Beschreibung: Ein Schilfröhricht im Naturreservat, das auf zwei Seiten durch Schneisen und auf je einer Seite von einer Feuchtwiese und einem Seggenbestand begrenzt wird. Eine Schneise teilt die Probefläche in zwei Hälften. Im Untersuchungsjahr 1978 stand das Schilfgebiet ab 25. Mai unter Wasser.

Tabelle 19: Siedlungsdichte der Brutvögel in einem 2 ha großen Schilfbestand (1978)

Vogelart Brutpaare Dominanz Abundanz P/10 ha

Teichrohrsänger 17 50,0 85,0 Rohrammer 13 38,2 65,0 Sumpfrohrsänger 2 5,9 10,0 Blaukehlchen 2 5,9 10,0 4 Arten 34 170,0

Anmerkung: 1975 brütete die Wasserralle als 5. Art auf der Probefläche (1 P. = 5,0 P./10 ha).

Probefläche Nr. 16: 1,6 ha großer Schilfbestand (Tabelle 20) Beschreibung: Schilfröhricht in der Form eines Rechtecks, das auf einer Seite durch eine Schneise, auf zwei Seiten durch Fuchsschwanzwiesen und auf einer Seite durch einen Seggenbestand (Carex gracilis und C. versicaria) begrenzt wird. Zwei Schneisen durchziehen die Probefläche. Das Gebiet wird gewöhnlich alljährlich mehrfach über- flutet. Im Untersuchungsjahr 1978 war das Schilfröhricht bis Ende Mai trocken, ab die- sem Zeitpunkt stand es bis zu den Schilfspitzen unter Wasser.

Tabelle 20: Siedlungsdichte der Brutvögel in einem 1,6 ha großen Schilfbestand (1978)

Vogelart Brutpaare Dominanz Abundanz 90 P/10 ha

Teichrohrsänger 13 38,3 81,2 Rohrammer 8 23,5 50,0 Blaukehlchen 4 11,7 25,0 Wasserralle 2 5,8 12,5 Feldschwirl 2 5,8 12,5 Teichralle 2 5,8 12,5 Sumpfrohrsänger 2 5,8 12,5 Schilfrohrsänger 1 2,9 6,3 8 Arten 34 212,4

Anmerkung: Abweichende Siedlungsdichten ergaben sich 1975 beim Blaukehlchen (1 P. = 6,3 P./10 ha) und 1977 bei der Wasserralle (1 P. = 6,3 P./10 ha). 110 Probefläche Nr. 17: 50 ha große Mähwiesenfläche (Tabelle 21) Beschreibung: Ausschnitt einer ca. 130 ha großen Mähwiesenfläche mit sieben Hybrid- pappelreihen und einzelnen Kopfweiden, Stieleichen, und Schwarzpappeln. Die Probe- fläche wird von einem Winterdamm, Schilfröhrichtbeständen und zwei Pappelreihen begrenzt. Die Mähwiesen umfassen Sumpfrispen-Kriechhahnenfuß-Wiesen, Fuchs- schwanzwiesen und gewöhnliche Salbei- und Trespen-Glatthaferwiesen. Die Probe- fläche ist standörtlich und vegetationskundlich sehr heterogen. Während die tiefer gelegenen Teile am Rand der Röhrichtzone regelmäßig überschwemmt werden, werden die Glatthaferwiesen nur noch bei „Spitzenhochwässern" überflutet (Rheinpegel Worms über 6 m). Menschliche Beeinflussung: Landwirtschaftliche Nutzung mit zwei jährlichen Mahden und Spaziergänger.

Tabelle 21: Siedlungsdichte der Brutvögel auf 50 ha Mähwiesen (1976)

Vogelart Brutpaare Dominanz Abundanz P/10 ha Feldsperling 10 17,9 2,0 Steinkauz 5 8,9 1,0 Gartenbaumläufer 4 7,1 0,8 Rabenkrähe 4 7,1 0,8 Ringeltaube 3 5,4 0,6 Turmfalke 2 3,6 0,4 Rebhuhn 2 3,6 0,4 Kuckuck 2 3,6 0,4 Baumpieper 2 3,6 0,4 Dorngrasmücke 2 3,6 0,4 Amsel 2 3,6 0,4 Grauammer 2 3,6 0,4 Goldammer 2 3,6 0,4 Pirol 2 3,6 0,4 Mäusebussard 1 1,8 0,2 Wachtelkönig 1 1,8 0,2 Waldohreule 1 1,8 0,2 Grünspecht 1 1,8 0,2 Grauspecht 1 1,8 0,2 Zilpzalp 1 1,8 0,2 Wacholderdrossel 1 1,8 0,2 Blaumeise 1 1,8 0,2 Stieglitz 1 1,8 0,2 23 Arten 53 11,2

Anmerkung: 1975, 1977 und 1978 wurden folgende Brutvogelarten zusätzlich auf dieser Probefläche angetroffen: Grünfink (1975 1 P. = 0,2 P./10 ha), Fitis (1977 1 P. 4 0,2 P./ 10 ha), Gartenrotschwanz (1977 und 1978 1 P. 4 0,2 P./10 ha), Feldschwirl (1978 1 P. 0,2 P./10 ha) und Heckenbraunelle (1977 1 P. 4 0,2 P./10 ha). Abweichende Siedlungsdichten ergaben sich bei Kuckuck (1975 4 P. _"4 0,8 P./10 ha) und Wacholderdrossel (1975 6 P. 4 1,2 P.110 ha).

111 Probefläche Nr. 18: 100 ha Ackerland (Tabelle 22) Beschreibung: Ackerland auf dem „Biedensand", das von Sommerdämmen umschlos- sen wird. In dieser einförmigen Ackerlandschaft existieren noch eine ca. 250 m lange Weißdorn-Hecke (Crataegus monogyna) und zwei Baumgruppen (Fläche unter 0,5 ha) mit Schwarzpappeln (Populus nigra) und dichtem Unterwuchs aus Weißdorn (Crataegus monogyna) und Holunder (Sambucus nigra). In einer kleinen Mulde steht noch ein wenige m2 umfassender Bestand von Schilf (Phragmites australis) und Rohrglanzgras (Phalaris arundinacea). Die Probefläche wird nur noch bei „Spitzenhochwässern" über- flutet. Menschliche Beeinflussung: Intensive landwirtschaftliche Nutzung mit Insektizid- und Düngemittelanwendung, gut ausgebautes Wegenetz, Spaziergänger und Jagd.

Tabelle 22: Siedlungsdichte der Brutvögel auf 100 ha Ackerland (1976)

Vogelart Brutpaare Dominanz Abundanz 1)/c P/10 ha Feldlerche 31 64,6 3,1 Sumpfrohrsänger 4 8,3 0,4 Dorngrasmücke 2 4,2 0,2 Mönchsgrasmücke 2 4,2 0,2 Rebhuhn 1 2,1 0,1 Kiebitz 1 2,1 0,1 Teichrohrsänger 1 2,1 0,1 Blaumeise 1 2,1 0,1 Kohlmeise 1 2,1 0,1 Rohrammer 1 2,1 0,1 Hänfling 1 2,1 0,1 Grünfink 1 2,1 0,1 Elster 1 2,1 0,1 13 Arten 48 4,8

Anmerkung: Als 14. Art wurde 1978 der Feldschwirl als Brutvogel auf der Probefläche registriert (1 0,1 P./10 ha). Abweichende Siedlungsdichten ergaben sich 1977 bei. Sumpfrohrsänger (7 P. = 0,7 P./10 ha) und Dorngrasmücke (3 P. = 0,3 P./10 ha).

5. Diskussion 5.1 Die ornithologische Bedeutung des Naturschutzgebietes Nach den Bewertungskriterien von BERNDT, HECKENROTH und WINKEL (1978) ist das NSG mit mind. 24 „Punkten" zur Zeit als „national bedeutendes Vogelbrutgebiet" einzustufen. Seit 1974 konnten hier auf nur 530 ha Fläche 91 Brutvogelarten, darunter 26 Arten der „Roten Liste bestandsgefährdeter Brutvögel in Hessen" (Stand 1980) nachgewiesen werden. Vier Arten (Blaukehlchen, Drossel roh rsän g e r, Zwe rg dommel und Wachtelkönig) gelten in der Bundesrepublik als „vorn Aussterben bedroht".

112 Vier Brutvogelarten (Nacht- und Purpurreiher, Sch natter ente und Sch I ag- sc hwi rl) wurden in diesem NSG erstmalig für Hessen nachgewiesen und erreichen hier zum Teil auch ihre Verbreitungsgrenze in der Bundesrepublik. Damit dürfte dieses Altrheingebiet gegenwärtig das bedeutendste hessische Vogel- brutgebiet sein. Das mit 2360 ha größte hessische NSG „Kühkopf-Knoblochsaue" ist zur Zeit aus ornithologischer Sicht aufgrund der zahlreichen anthropogenen Störungen nur als „regional bedeutend" einzustufen (HANDKE 1979 und HANDKE im Druck). Da gegenwärtig in ganz Hessen Brutvogelbestandsaufnahmen durchgeführt werden, läßt sich die ornithologische Bedeutung des NSG für einzelne Arten recht genau be- legen. Zur Zeit ist der „Lampertheimer Altrhein" einziger hessischer Brutplatz für folgende drei (unregelmäßige) Brutvogelarten: Purpurreiher, Nachtreiher und Schlagschwirl. Kleinralle, Schilfrohrsänger und Rohrsch wirl wurden bisher nur an we- nigen Stellen in Hessen nachgewiesen. Bisher bestand für die Bartmeise nur in diesem NSG Brutverdacht für Hessen. Von folgenden bestandsgefährdeten Vogelarten brütet ein erheblicher Anteil des hessischen Gesamtbestandes im NSG: Haubentaucher: über 50% Graureiher 8): ca. 15 °/o Zwergdommel: über 25°/o Drosselrohrsänger: über 40% Blaukehlchen: 30 bis 40 0/0 Außerdem kommen hier noch relativ stabile Brutbestände von Schwarzmilan (max. 5 Paare), Wasserralle (max. 9 Paare), Turteltaube (max. 45 Paare), Steinkauz (max. 9 Paare) und Klein- und Mittelspecht (max. 6 bzw. 2 Paare) vor.

5.2 Vergleich unserer Ergebnisse mit Untersuchungen aus anderen Auengebieten Kombinierte avizönotische Untersuchungen aus Bestandserhebungen, Rasterkartie- rungen und Siedlungsdichte-Untersuchungen wurden bisher in süddeutschen Auen- gebieten mit Ausnahme des NSG „Kühkopf-Knoblochsaue" (HANDKE im Druck) noch nicht durchgeführt. ZENKER (1980) gibt eine ausführliche Übersicht über deutsche Auwald-Siedlungs- dichteuntersuchungen. In dieser Zusammenstellung fehlen aber noch die Arbeiten von FROEHLICH (1977), VIDAL (1978) und KLEIN (1979). Großflächige Rasterkartierungen wurden im Inntal (REICHHOLF 1978) und im Donautal zwischen Straubing und Vils- hofen (OAG OSTBAYERN 1978) durchgeführt. Aus diesen Gebieten liegen allerdings nur wenige quantitative Angaben vor. Für einen Vergleich mit anderen oberrheinischen Gebieten konnten wir Unter- suchungen aus dem NSG „Rußheimer Altrhein" (S. & U. MAHLER 1978), dem NSG „Taubergießen" (WESTERMANN & SAUMER 1974), dem NSG „Hördter Rheinaue" (FROEHLICH 1978) und dem NSG „Kühkopf-Knoblochsaue" (HANDKE 1979 und HANDKE im Druck) auswerten. Übereinstimmend zeigen alle Untersuchungen eine relativ hohe Artenzahl und hohe Siedlungsdichtewerte. Auf 80 ha Wald stellten wir im NSG „Lampertheimer Altrhein" 61 Brutvogelarten fest, 49 Arten davon allein in 20,5 ha Hartholzaue. BLANA führt für 57 ha Auwald 48 (BLANA 1978), MULSOW für 165 ha (7 Probeflächen) 60 (MULSOW 1977), KLEIN für 25 ha 48 (KLEIN 1979) und VIDAL für 10 ha 37 Arten an (VIDAL 1975). Nach BEZZEL (1974) sind bis zu 70 Arten in Auwäldern zu erwarten. Mit Siedlungsdichtewerten von 102,7 bis 140 P./10 ha (FROEHLICH 1977), 146,0 P./10 ha (ZENKER 1980) und 152,0 P./10 ha, die ZENKER (1980) als Durchschnittvon 9 deutschen

8) Inzwischen ist die Brutkolonie (1981) auf über 90 Paare (= ca. 30°/o des hessischen Gesamt- bestandes) angestiegen. 113 Auwald-Siedlungsdichte-Untersuchungen berechnet hat, gehören Auwälder nach einer Übersicht in REMMERT (1978) zu den Gebieten in Mitteleuropa, die eine hohe Brut- vogeldichte aufweisen (zusammen mit alten Eichen-Hainbuchenwäldern, Friedhöfen, Tiergärten und Gehöft-Gartenkomplexen). Die Lampertheimer Untersuchungsergeb- nisse liegen mit bis zu 300 P./10 ha noch erheblich über diesen Vergleichszahlen. Solche hohen Werte sind in Mitteleuropa bisher nur ausnahmsweise festgestellt wor- den. Eine der Ursachen für diese hohen Dichten könnte in der geringen Größe der Probeflächen — verbunden mit einem hohen Randlinieneffekt — liegen. 14 der 15 häufigsten „Auwaldarten" nach ZENKER (1980) haben in unseren Probe- flächen deutlich höhere Dichten. Nur der Buchfink ist bei uns spärlicher vertreten. Ins- besondere liegen die Bestandsdichten der Höhlenbrüter Star, Feldsperling, Blau- und Kohlmeise mehr als 100% über den bei ZENKER genannten Zahlen. Ein weiterer Grund für unsere hohen Zahlen scheint uns im Alter der Baumbestände zu liegen. Offensichtlich sind die Waldbestände in den anderen Untersuchungsgebieten erheblich jünger. Zumindest aus den Beschreibungen von KLEIN, FROEHLICH und VIDAL geht das eindeutig hervor. In unseren Probeflächen stehen hingegen noch viele alte, teil- weise abgestorbene Bäume mit bis zu 6 Höhlen pro Baum. Außerdem sind die Wald- bestände durch das Alter der Bäume erheblich aufgelichtet, was eine dichte Strauch- und Krautschicht zur Folge hat. Möglicherweise wirkt sich bei unseren Ergebnissen auch ein gewisser „Konzentrations- effekt" mit aus. In einer ausgeräumten Agrarlandschaft mit wenigen Hecken und „Pap- pelplantagen" stellt das NSG die einzige größere Waldfläche dar. Großflächige Be- standsaufnahmen in der Umgebung zeigten, daß sich z. B. auch sehr viele Greifvogel- bruten hier konzentrieren (HAAS, K. & U. HANDKE & VOWINKEL in Vorbereitung). Bei einem Vergleich mit den Rasterergebnissen von REICHHOLF (1978) und der OAG OSTBAYERN (1978) für das Inn- bzw. das Donautal fällt auf, daß typische „Wiesen- vögel" wie Kiebitz, Rebhuhn, Feldlerche, Schafstelze, Braunkehlchen und Grauammer in unseren Wiesenflächen ganz fehlen (z. B. Feldlerche und Schafstelze) oder nur in sehr kleinen Populationen brüten, obwohl die Wiesen einen Anteil von 20 0/0 an der NSG-Fläche haben. Diese Ergebnisse stimmen sehr gut mit Befunden aus dem NSG ,,Rußheimer Altrhein" (S. & U. MAHLER 1978), „Ketscher Altrhein" (eigene Beobach- tungen), „Hördter Altrhein" (FROEHLICH 1978) und „Kühkopf-Knoblochsaue" (HAND- KE 1979) überein. Der Hauptgrund für das Fehlen dieser Arten in den Rheinwiesen sind wahrscheinlich die häufigen Überflutungen, die fast alljährlich auch während der Brut- zeit auftreten. Auch der frühe Beginn der Wiesenmahd (Ende Mai) dürfte sich negativ auswirken. Weiterhin fällt auf, daß im Gegensatz zu Inn- und Donauauen die Anatiden mit Aus- nahme der Stockente im Gebiet nur äußerst selten brüten, obwohl in einigen Jahren in der Brutzeit über Wochen hinweg konstante Wasserstände gegeben waren und einige Arten regelmäßig am „Lampertheimer Altrhein" übersommern. Auch diese Befunde stimmen gut mit Beobachtungen aus anderen oberrheinischen Altrheingebieten über- ein. Die Ursache hierfür ist noch völlig unklar, da bis zu sieben Entenarten regelmäßig nur wenige Dutzend Kilometer südlich in den Klärbecken der Zuckerfabrik Waghäusel (Baden-Württemberg) brüten. Die unterschiedliche geographische Lage von Inn-, Donau- und Oberrheinauen scheidet also als Erklärungsmöglichkeit aus. Neben den oben angeführten Charakteristika (Fehlen von Wiesenvögeln und zahlrei- chen Anatidenarten) zeigen sich bei unseren Ergebnissen sehr gute Übereinstim- mungen mit den Untersuchungen von K. HANDKE im NSG „Kühkopf-Knoblochsaue". Da dieser Komplex in einer weiteren Arbeit ausführlich dargestellt werden soll (HANDKE in Vorber.), seien hier nur einige Gemeinsamkeiten kurz angedeutet: In beiden Gebieten fehlen bis auf geringe Paarzahlen die Waldvögel Trauerschnäpper, Waldbaumläufer und Sumpfmeise. Hohltaube, Wiedehopf, Rotkopf- und Raubwürger

114 und Saatkrähe sind in den letzten zwei Jahrzehnten verschwunden. Graureiher, Knäk- ente und Wacholderdrossel haben sich neu bzw. wieder (Graureiher) angesiedelt. Der Schlagschwirl trat auch im NSG „Kühkopf-Knoblochsaue" mehrfach in der Brutzeit auf. In beiden Gebieten sind in den alten Hartholzauenbeständen Feldsperling und Star die häufigsten Vogelarten. Nur bei wenigen Arten zeigen sich deutliche Unterschiede. Rotmilan, Sperber, Habicht und Wespenbussard sind noch nicht in den Waldresten des Lampertheimer Altrheins als Brutvögel nachgewiesen worden — brüten aber regelmäßig im NSG „Kühkopf-Knob- lochsaue". 1979 besiedelte der Girlitz erstmalig in großem Umfang das NSG „Küh- kopf-Knoblochsaue". In ähnlichen Biotopen des NSG „Lampertheimer Altrhein" (z. B. Kopfweidenbestände) fehlt diese Art.

5.3 Diskussion der Bestandsveränderungen mit besonderer Berücksichtigung der Wasserstandsverhältnisse Eine ausführliche Erörterung der Bestandsveränderungen innerhalb der untersuchten Altrhein-Avizönose würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und ist auch nur für einige Arten möglich. Sicherlich sind einige „neue" Brutvögel auf überregionale Areal- erweiterungen zurückzuführen. U. a. wurden solche Arealprogressionen für die Schnatterente (BAUER & GLUTZ 1968), für den Schlagschwirl (KASPAREK 1975) und für die Wacholderdrossel (KEIL 1966) diskutiert. Möglicherweise führte auch die ge- steigerte ornithologische Aktivität ab 1974 (die jährliche Exkursionszahl hat sich seit diesem Jahr verdreifacht!) zur Entdeckung einiger früher übersehener Arten, wie zum Beispiel Kernbeißer, Bluthänfling und Haussperling. Ein Teil der „ehemaligen" Brutvögel des NSG „Lampertheimer Altrhein" gilt bereits als bundesweit gefährdet. U. a. werden hier von verschiedenen Autoren Klimaver- schlechterungen, Lebensraumzerstörung und Verfolgung in den Winterquartieren als überregionale Ursachen angeführt. Erhebliche Bestandsabnahmen wurden zum Bei- spiel bei der Hohltaube (BERG-SCHLOSSER 1968), beim Wiedehopf (BERG-SCHLOS- SER 1968), bei allen drei Würgerarten (POLTZ 1977) und bei der Saatkrähe registriert (BERG-SCHLOSSER 1968). Jährlich sehr stark schwankende Fänglingszahlen bei Gartenrotschwanz, Zaun- und Dorngrasmücke machten sich auch beim Fangprogramm der Vogelwarte Radolfzell bemerkbar (BERTHOLD 1977). Im Altrheingebiet selbst kommen als mögliche Ursachen für Bestandsveränderungen folgende Landschaftsveränderungen in Frage: Die Brennesselbestände haben sich nach den Aussagen von W. BAUER und H. SIEGEL in den letzten zehn Jahren durch Aufgabe von Mähwiesenflächen erheblich ausgedehnt. Obstbäume, Sträucher und ganze Hecken sind in den letzten Jahren auf den landwirt- schaftlichen Nutzflächen und auf den Dämmen erheblich reduziert worden. Innerhalb der Hybridpappel-Bestände wurden Bäume gefällt und Aufforstungsflächen mit natur- nahen Baum- und Straucharten angelegt (ca. 3 ha). Die Röhrichtbestände haben sich zu Lasten der feuchten Auenwiesen erweitert. Die Störungen durch Jagd, Angler, Berufsfischer, Bootsfahrer, Reiter, Fotografen, Spaziergänger etc. haben sich deutlich verringert. Staumaßnahmen und überdurch- schnittlich hohe sommerliche Rheinwasserführung bewirkten, daß der Wasserstand in den Brutzeiten 1975,1977,1978, und 1979 deutlich über dem langjährigen Mittel (Steg- pegel: 0,63 m = 2,36 m Pegel Worms) lag. Die Frage, ob die sich seit 1974/75 eingeleiteten Staumaßnahmen und die damit erhöh- ten Wasserstände positiv oder negativ auf die Entwicklung des Altrheingebietes aus- wirken, ist zur Zeit noch umstritten. Während sich die Ornithologen aufgrund der größeren Wasserfläche und eingeschränkter Störungsmöglichkeiten (die Uferbereiche sind nicht mehr begehbar) erhöhte Arten- und Bestandszahlen versprechen, befürchten

115 Geobotaniker und Entomologen eine negative Veränderung der typischen (an Wasser- standsschwankungen angepaßten) oberrheinischen Fauna und Flora (DISTER, HEI- MER & FRITZ 1980). Da diese Untersuchungen teilweise auf nur wenige Jahre begrenzt waren und sich trotz der Staumaßnahmen in den Untersuchungsjahren aufgrund undichter Dämme und hoher Rheinhochwässer (seit 1975 ist eine gegenüber den Vorjahren überdurchschnitt- liche Hochwasserzahl zu verzeichnen) im NSG noch erhebliche Wasserstandsschwan- kungen bemerkbar machten (siehe auch Kap. 2.3), ist eine endgültige Bewertung der Staumaßnahmen wohl noch schwierig. Hinzu kommt, daß uns aus einigen wichtigen Bereichen (z. B. Gewässerchemismus und -produktion, Wassermollusken) überhaupt keine Untersuchungen vorliegen. Es ist auch noch nicht geklärt, ob das seit 1974 ge- änderte Durchzugsvorkommen einiger Wasservogelarten (z. B. Löffelente und Bleß- ralle) auf veränderte Wasserstandsverhältnisse zurückzuführen ist. Nachfolgend wollen wir untersuchen, in welchem Umfang wechselnde Wasserstände Arten- und Bestandszahlen der brütenden Wasservögel im „Lampertheimer Altrhein" beeinflussen können. Zwei „Wasser-Faktoren" haben sich gegenüber Ende der 60er/ Anfang der 70er Jahre im Gebiet deutlich geändert: Hochwasserwellen traten häufiger auf und Hochwasserwellen wurden durch Staubauwerke länger im Gebiet „konser- viert". Eine unmittelbare Folge von Wasserstandsveränderungen ist fast alljährlich zu beo- bachten. Nach Hochwasserwellen zu Beginn der Brutzeit brüten zahlreiche Wasser- vögel (z. B. Haubentaucher und Bleßralle) im Silberweiden- und Schilfröhrichtgürtel. Diese Nester fallen nach Ablaufen der Hochwasserwellen (bei „Normalwasserstand") trocken und werden aufgegeben. Hochwässer in der Brutzeit (z. B. 1978) vernichten (fast) alle Nester der Schilf- und Wasservögel (Taucher, Rallen, Rohrsänger). Auch die Reviere verändern sich erheblich. Blaukehlchen und Drosselrohrsänger sangen mehr- fach viele Meter vom Schilfrand entfernt in der Hartholzaue. Wir konnten mehrmals feststellen, daß Reviere nach den Hochwasserwellen verlassen oder verlegt wurden. In welchem Umfang dies bei den einzelnen Arten geschieht, ist noch nicht untersucht worden. Abgesehen von diesen plötzlichen Hochwässern ergeben sich bei durchschnittlich nied- rigen, mittleren und hohen Wasserständen im aufgestauten Altwassersystem jahres- weise erhebliche Unterschiede bei Artenzahlen und Brutbeständen (siehe auch Tabelle 3). In den sechs Untersuchungsjahren lagen in den Brutzeiten viermal hohe Wasserstände (Uferlinie in der Schilfzone) und je einmal mittlere (Uferlinie in der Weidenzone) und niedrige Wasserstände (Uferlinie vor der Weidenzone) vor. Nur bei hohem Wasserstand (1975, 1977, 1978 und 1979) brüteten Purpur- und Nacht- reiher, Schnatterente, Knäkente und Kleinralle — allerdings nur unregelmäßig. Bei den regelmäßigen Brutvögeln erreichten Hauben- und Zwergtaucher, Bleß- und Teichralle bei hoher Wasserführung ihren größten Brutbestand und -erfolg. Bei mittlerem Wasser- stand können diese vier Arten in geringerer Zahl in der Schwimmblattzone aus See- kanne (Nymphoides peltata) und Wassernuß (Trapa natans) noch brüten. Bei Niedrig- wasser nisten diese vier Arten, sowie Wasserralle und Zwergdommel, überhaupt nicht mehr. Bei Arten- und Bestandszahl ist also ein eindeutiges Absinken der Werte zu verzeichnen. Offensichtlich keine Auswirkungen auf den Brutbestand zeigen veränderte Wasser- standsverhältnisse bei Höckerschwan, Stockente, Drosselrohrsänger und Blaukehl- chen. Beim Graureiher läßt sich die Ansiedlung und die danach erfolgte Zunahme wohl eindeutig auf überregionale Ursachen zurückführen (KEIL & ROSSBACH 1980), da diese Art auch im NSG „Kühkopf-Knoblochsaue" bei deutlich niedrigeren Wasser- ständen ihren Bestand erhöht hat.

116 Es bleibt also festzuhalten, daß von 16 untersuchten Arten sechs Arten erst bei einem „mittleren Wasserstand" regelmäßig im NSG brüten. Bei hohem Wasserstand ist mit Bruten von weiteren fünf Arten zu rechnen. Die Staumaßnahmen wirken sich also auf den Brutbestand durchaus positiv aus. Insbesondere erhält man dadurch einen großen Teil der hessischen Haubentaucherpopulation. Ein Dauerstau mit der möglichen Folge des Absterbens des Weidengürtels würde jedoch die Graureiherkolonie und weitere Brutvögel dieses Weidengürtels gefährden.

5.4 Folgerungen für den Naturschutz In den letzten Jahrzehnten wurde das Naturschutzgebiet durch menschliche Störungen erheblich beeinträchtigt bzw. Teilbereiche ganz zerstört. So kam es u. a. zur Anlage einer Kiesgrube, militärischen Übungen, Abholzen von alten Obstbäumen und Aus- lichtung der Hartholzaue. Auch Röhrichtflächen wurden gemäht. Besonders schwerwie- gend waren die Störungen durch Spaziergänger, Fotografen, „Hobbyornithologen", Badegäste und Reiter in der Brutzeit. Erst seit Mitte der 70er Jahre hat sich die Situation durch den Einsatz des privaten Naturschutzes erheblich verbessert. Seit diesem Zeitpunkt wird das Gebiet auch regel- mäßig von Angestellten und Beamten des Forstamtes Lampertheim beaufsichtigt. Diese Überwachung, sowie Stechmücken und hohe Wasserstände haben die menschlichen Störungen erheblich eingeschränkt. Die Wiesenflächen wurden zu Gunsten der Röh- richtzone reduziert. Außerdem begannen in kleinem Umfang Neu- bzw. Wiederauf- forstungen. Trotzdem stellt sich die Gesamtsituation aus unserer Sicht noch nicht zufriedenstellend dar. Folgende Probleme müssen dringend in nächster Zeit gelöst werden: Regulierung der Wasserstände, Verbesserung des Uferprofils der Kiesgrube, Erweiterung der Hartholzaue und Umwandlung der intensiv genutzten Ackerflächen. Die wichtigsten Punkte, die in dem zu erstellenden Pflegeplan aufzunehmen sind, führen wir hier kurz auf:

Regulierung der Wasserstände: Da seit 1973 die Möglichkeit besteht, das Altrheingebiet aufzustauen, wurden bis 1980 in der Brutzeit die Schleusen geschlossen. 1981 blieben die Staubauwerke offen, um den Wissenschaftlern noch Untersuchungen bei „natürlichen Verhältnissen" zu ermög- lichen. Außerdem wurden alljährlich die Schleusen am Ende der Brutzeit geöffnet, damit das „Innere Altwassersystem" mit dem Rhein in Verbindung stehen konnte. Da die Bewertung von Staumaßnahmen unter Entomologen, Botanikern und Ornitholo- gen unterschiedlich ist (siehe auch 5.3) und uns außerdem noch Untersuchungen über wichtige Teilbereiche des Altrheinökosystems fehlen (z. B. Sedimentation, Wasser. chemismus), läßt sich zur Zeit noch kein langfristiges „Wassermanagement" für das Naturschutzgebiet formulieren. Im Bereich des Oberrheins gibt es nach der Rheinbegradigung nur noch wenige Alt- rheine, in denen sich die natürlichen Rheinwasserstandsschwankungen auswirken können. Daher möchten wir auf keinen Fall für einen Dauerstau, der den Auencharakter des „Lampertheimer Altrheins" nachhaltig verändern könnte, plädieren. Wir schlagen der Naturschutzbehörde deshalb vor, zunächst in jedem zweiten Jahr die Stauanlagen offen zu halten, um das Gebiet den Rheinwasserstandsschwankungen voll auszu- setzen. Auf jeden Fall sollten die Stauwerke nach der Brutzeit geöffnet werden. Ab- weichungen von dieser Regelung bei extremen Wasserverhältnissen oder speziellen botanischen bzw. ornithologischen Gegebenheiten müssen kurzfristig möglich sein.

117 Rekultivierung der Kiesgrube: Durch Absperrmaßnahmen mittels einer Bojenkette und intensive Beaufsichtigung haben sich die menschlichen Störungen erheblich verringert. Trotzdem hat dieser Be- reich nur im Winter als Rastplatz ornithologische Bedeutung (wenn das Welsche Loch zufriert). Spärliche Ufervegetation und steile Ufer verhindern die Besiedlung durch Wasservogelarten. Daher ist anzustreben, daß zumindest in Teilbereichen der Kies- grube Flachufer angelegt werden.

Abtrieb der Obstbaumbestände: Auf der sogenannten „Zeilwiese", einem ehemaligen Hartholzauestandort, stehen Obst- bäume. Dieser Bestand wird von allen Seiten durch schmale Hartholzauebestände be- grenzt. Ältere Bäume sind nicht mehr vorhanden. Ornithologisch sind diese Obstbäume bedeutungslos. Auch botanisch lassen sich hier nur Glatthaferwiesen feststellen (DISTER 1980). Deshalb sollte auch auf dieser Fläche eine Umwandlung in Hartholzaue angestrebt werden. Damit könnte man den geschlossenen Hartholzauenbestand („Zeil- wald") um ca. 40 °A auf ca. 30 ha erweitern.

Gestaltung der Biedensand-Ackerflächen Unsere langjährigen ornithologischen Untersuchungen haben eindeutig ergeben, daß die „Biedensand"-Felder qualitativ und quantitativ völlig wertlos sind. Auch gefährdete Vogelarten brüten dort nicht. Lediglich als Rastplatz kommt diesem Bereich im Herbst eine geringe Bedeutung zu. Langfristig ist hier eine völlige Herausnahme der verpachteten Äcker aus der Bewirt- schaftung anzustreben. Diese Ackerflächen sollten möglichst mit Baum- und Strauch- arten der Eichen/Ulmen-Hartholzaue und des Eichen-Hainbuchenwaldes wieder aufge- forstet werden. Die Hartholzaue ist der ornithologisch am „dichtesten" besiedelte Lebensraum des Naturschutzgebietes mit einer Reihe seltener Brutvogelarten (z. B. Mittelspecht). Diese Waldform ist nicht nur im NSG „Lampertheimer Altrhein", sondern auch im gesamten Oberrheingebiet weitgehend zerstört worden. Deshalb sollte man hier die Chance wahrnehmen, diesen wertvollen Wald wieder neu zu begründen bzw. durch Eichen-Hainbuchenwald zu vergrößern. Sollte die Wiederbewaldung aus Kostengründen nur in Teilflächen durchgeführt wer- den können, könnte man auf den verbliebenen Flächen Grünland mit Hecken, Strauch- und Baumgruppen einrichten. Durch Offnen der Sommerdämme wäre auch hier — ähn- lich wie jetzt auf dem „Kühkopf" vorgesehen — das natürliche Regime des Rheins wie- derherzustellen.

6. Zusammenfassung

Von 1974 bis 1979 wurden im NSG „Lampertheimer Altrhein" (Kreis Bergstraße/Hes- sen) auf 430 Exkursionen die Brutvögel mit absoluten Bestandsaufnahmen, Siedlungs- dichte-Untersuchungen auf 18 Probeflächen und einer Rasterkartierung erfaßt. Ziel dieser Arbeit war es, einen möglichst umfassenden Überblick über die quantitative und qualitative Zusammensetzung des Brutbestandes in einem Altrheingebiet zu be- kommen. Außerdem sollten Anregungen für die zukünftige Naturschutzarbeit in diesem Gebiet gegeben werden. Das 530 ha große Untersuchungsgebiet wird landschaftlich durch einen 25 ha großen Flachwassersee, Altrheinarme, eine Kiesgrube, Röhrichte, Mähwiesen, Restbestände der Weich- und Hartholzaue, sowie aus ornithologischer Sicht wertlosen 130 ha Acker- land geprägt. In den sechs Untersuchungsjahren konnten wir 89 Brutvogelarten (65 alljährlich) nach- weisen. Für weitere 13 Arten bestand in mindestens einem Jahr Brutverdacht. Die

118 häufigsten und verbreitetsten Vogelarten sind Feldsperling, Star, Amsel, Rohrammer, Teich- und Sumpfrohrsänger. Der Gesamtbrutbestand wird von uns auf jährlich 2700 bis 3000 Reviere geschätzt. Dies entspricht einer Siedlungsdichte von 51 bis 57 Revie- ren/10 ha. Allein 26 Arten mit einem Bestand von ca. 200 Revieren stehen auf der „Roten Liste" der bestandsgefährdeten Vögel in Hessen. Damit ist das NSG das derzeit ornithologisch wichtigste hessische Naturschutzgebiet. Haubentaucher, Grau-, Purpur- und Nacht- reiher, Zwergdommel, Kleinralle, Schlagschwirl, Drosselrohrsänger und Blaukehlchen haben hier ihr wichtigstes bzw. eines der bedeutendsten Brutvorkommen in Hessen. Weitere „Rote-Liste"-Arten sind u. a. Wasserralle, Knäk- und Schnatterente, Schwarz- milan, Steinkauz, Eisvogel, Klein- und Mittelspecht, Rohrschwirl und Schilfrohrsänger. Die in Bezug auf Artenzahl und Siedlungsdichte reichhaltigsten Lebensräume des Alt- rheingebietes sind die Hartholzaue und die nicht häufig überschwemmten Silberwei- denbestände. Hier werden Siedlungsdichtewerte von maximal 296 bzw. 289 Paare/10 ha erreicht. Weitere ornithologisch bedeutsame Lebensräume sind die Röhrichtbestände und der Silberweidengürtel, der häufig überschwemmt wird. In den letzten dreißig Jahren sind Hohltaube, Wiedehopf, Neuntöter, Raub- und Rot- kopfwürger und Saatkrähe als Brutvogel verschwunden. Die Bestände von Zaungras- mücke und Drosselrohrsänger nehmen stark ab. Seit Mitte der 60er Jahre sind Zwerg- taucher, Grau-, Purpur- und Nachtreiher, Höckerschwan, Türkentaube, Eisvogel, Rohr- und Schlagschwirl, Trauerschnäpper, Wacholderdrossel, Waldbaumläufer, Kernbeißer, Hänfling und Haussperling als Brutvögel neu nachgewiesen worden. Die Bestände von Graureiher, Schwarzmilan und Schafstelze nehmen zu. Das Vorkommen der meisten Brutvögel in den Uferbereichen ließ eine starke Ab- hängigkeit vom Wasserstand erkennen. Von 16 untersuchten Arten brüten sechs Arten erst bei einem mittleren Wasserstand. Bei hohem Wasserstand ist mit Bruten von wei- teren fünf Arten zu rechnen. Für die zukünftige Naturschutzarbeit machen wir Vorschläge zur Regulierung der Was- serstände, zur weiteren Rekultivierung der Kiesgrube und zur Gestaltung der landwirt- schaftlich genutzten Gebiete.

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SCHERNER, E. R. (1977): Struktur und Dynamik der Avifauna des Sollings. Verh. Ges. Ökol. Göttingen 1976; S 145-160. SCHREINER, J. (1977): Die Avifauna der Donauaue zwischen Regensburg und Straubing und ihre Gefährdung durch die geplanten Großprojekte in diesem Raum. (unveröffentlicht). 123 SCHRIMPF, A. (1979): Untersuchung des Crustaceenplanktons in den hessischen Naturschutzgebieten „Lampertheimer Altrhein" und „Kühkopf-Knoblochsaue". Unveröffenentl. Diplomarbeit, Darmstadt. STAATLICHE VOGELSCHUTZWARTE FÜR HESSEN, RHEINLAND-PFALZ, UND SAARLAND (1980): Rote Liste der bestandsgefährdeten Vögel Hessens.

UTSCHICK, H. (1978): Zur ökologischen Einnischung von 4 Laubsängerarten im Murnauer Moos, Oberbayern. Anz. orn. Ges. Bayern 17: 209-224.

VIDAL, A. (1975): Okologisch-faunistische Untersuchungen der Vogelwelt einiger Waldflächen im Raum Regensburg. Anz. orn. Ges. Bayern 14: 181-195.

WESTERMANN, K. & F. SAUMER (1974): Die Vögel des Landschaftsschutzgebietes „Taubergießen" und einiger angrenzender Gebiete. In: Das Taubergießengebiet, eine Rheinauenlandschaft. Natur- und Landschaftsschutzgebiete Baden-Württemberg 7: 591-628.

WINK, M. (1974): Veränderungen des Brutvogelbestandes der Siegniederung bei Bonn in den vergangenen 14 Jahren (1960 —1973). Die Vogelwelt 95: 121-137.

WINK, M. (1980): Aussagemöglichkeiten der Rasterkartierung für langfristige und großflächige Brutvogelbestandsveränderungen: Ergebnisse im Großraum Bonn 1974-1978. J. Orn. 121: 245-256.

ZENKER, W. (1980): Untersuchungen zur Siedlungsdichte der Vögel in einem naturnahen Eichen-Ulmen-Auenwald im Erfttal. Beitr. z. Avif. d. Rheinl. 13.

Anschrift der Verfasser: KLAUS und UWE HANDKE, Herzogenriedstraße 38 6800 Mannheim

124 Neue Literatur

Berichte der Deutschen Sektion des Internationalen Rates für Vogelschutz (DS/IRV), Bericht Nr. 20 (1980): 155 S., Kilda-Verlag, Münster Straße 71, 4402 Greven.

Seit nunmehr 20 Jahren gibt die DS/IRV jährlich einen eigenen Bericht heraus. Er in- formiert über aktuelle Vogelschutzthemen in der Bundesrepublik. Der vorliegende 20. Bericht enthält alleine 5 Aufsätze zum Thema Greifvögel. Ferner wird z. B. über den Donauausbau, über den Brutbestand von Küsten- und Seevögeln im deutschen Nord- seeraum, das Europa-Reservat „Rieselfelder von Münster" und über den rechtlichen Schutz des Weißstorches in Afrika berichtet. Im 2. Teil des Berichtes werden Kurz- informationen über anstehende Vogelschutzprobleme gegeben. Ferner wird neuere vogelschutzrelevante Literatur kritisch besprochen. Die Berichte der DS/IRV sind nicht nur für die im Vogelschutz Tätigen eine wichtige Informationsquelle, sie sollten auch bei Fachbehörden und Fachdienststellen gelesen und beachtet werden. W. KEIL

SCHNEDLER, W. & K. WOLFSTETTER (1982): Gefährdete und geschützte Pflanzen. — 160 S., Falken-Verlag, Niedernhausen.

Naturzerstörung und Naturschutz sind heute allgegenwärtige Themen. Dennoch stößt man in der Bevölkerung und selbst in den Reihen derer, die dieser Problematik auf- geschlossen und kritisch gegenüberstehen, allzuoft auf völlige Unkenntnis grund- legendster ökologischer Zusammenhänge und auf weitgehend verschwommene Vor- stellungen vom Naturschutz. Dieses Informationsdefizit abzubauen, ist eine lang- fristige Aufgabe zu der kleine allgemeinverständliche und dabei sachlich fundierte Publikationen — wie das vorliegende Büchlein — in wertvoller Weise beitragen können. Das vordergründige Ziel des Buches ist es, dem Laien zu ermöglichen, eine Auswahl gefährdeter Pflanzen mit Hilfe farbiger fotografischer Abbildungen anzusprechen. Da- bei erfährt er aus den Beschreibungen zu den einzelnen Arten ihre Standortsansprüche und Gefährdungsursachen. In einleitenden Kapiteln werden die wichtigsten Gründe des Artenrückgangs knapp und präzise dargestellt und die gesetzlichen Möglichkeiten zum Schutz der Pflanzen erwähnt, was zusammen mit den Bemerkungen zu den einzel- nen Arten einen guten Überblick über die wichtigsten Gefährdungsursachen der Pflanzen in Zusammenhang mit der Störung und Zerstörung ihrer verschiedenen Lebensräume ergibt. Erfreulich ist, daß bei der Zusammenstellung auch jene Mehrzahl der bedrohten Arten berücksichtigt wurde, die nicht unter Naturschutz steht und dar- unter viele, die — weil unscheinbar oder wenig fotogen — sonst kaum Beachtung finden. Die einzelnen Pflanzenarten sind nach ihren Lebensräumen angeordnet; das Büchlein umfaßt als Gebiet Deutschland, Österreich und die Schweiz, ein weiter geographischer Rahmen, den man sich zugunsten weiterer wenig attraktiver und bekannter Arten etwas enger vorstellen könnte. B. NOWAK

BECHTEL, H. (1982): INSEKTEN MITTELEUROPAS — erkennen und benennen. Falken-Verlag, 6272 Niedernhausen/Ts., Bd. 0588, 144 Seiten, 128 Farbfotos.

H. BECHTEL hat in dem vorliegenden Bändchen Vertreter von 4 Insektenordnungen (in unserem Raum gibt es 27 Ordnungen) in oft sehr schönen Makro-Fotos vorgestellt. Dabei wurden meist Tiere bevorzugt, die der Beobachter wegen ihrer Größe und des häufigen Vorkommens leicht im Felde erkennen kann. Allerdings wird hier vom Stan- dard anderer Insekten-Fotobände abgewichen, denn BECHTEL legt den Schwerpunkt auf unbekannte Gruppen, wie z. B. Wanzen, Fliegen, Hautflügler.

125 Gerade für den Einsteiger in die Entomologie bietet deshalb das Büchlein eine wert- volle Hilfe, denn es ermöglicht, Feldbeobachtungen systematisch einzuordnen und gibt zu jedem abgebildeten Tier eine knappe Beschreibung mit interessanten Details zur Biologie der Art. Leider fehlt ein Verzeichnis zur weiterführenden Literatur. Das Buch ist eine gute Anregung, mit der Beobachtung von Insekten „vor der Haustür" anzufangen und eröffnet die Faszination dieses Gebietes. M. SCHROTH

NOWAK, E. (1981): Die Säugetiere der Länder der Europäischen Gemeinschaft. Kilda-Verlag, Greven; 112 Seiten. Dieser Band ist dem 1979 herausgegebenen Werk „Die Vögel der Länder der Euro- päischen Gemeinschaft" gefolgt und etwa gleichzeitig mit „Die Lurche und Kriechtiere der Länder der Europäischen Gemeinschaft" erschienen. Damit hat NOWAK bis auf die Fische alle Wirbeltierklassen abgehandelt. Wie in den beiden anderen Büchern bietet der Autor als Kernstück eine gestraffte, je- doch wohlbegründete und dennoch vielseitige Unterrichtung über die einzelnen Arten — diesmal der Säugetiere — in Tabellenform („Spezieller Teil": 65 Seiten). Die darin verwendeten Kürzel für eine Fülle von Tatsachen werden mit klaren Worten erläutert und abgegrenzt, so daß bei aller Knappheit die Darstellung durchschaubar bleibt. Die Säuger werden aufgeteilt in die drei Gruppen: (A) Einheimische Arten (155; da- neben: 6 verwilderte), (B) Gastarten (20) und (C) Fremde Arten (19). Neben der wis- senschaftlichen Bezeichnung ist — außer auf Griechisch — jeder Tiername in der Lan- desprache der inzwischen zehn EG-Länder angegeben und die „Gesamtverbreitung" kurz charakterisiert. Mittels gut durchdachter Symbole erfährt der Leser arten- und länderweise Näheres über (1) Vorkommen im Vermehrungsareal, (2) Arealstruktur, (3) Bestand, (4) Wanderung, (5) Nutzung bzw. anderwärtige direkte Beeinträchtigung der Population sowie (6) Schutzstatus. Daneben enthält der Abschnitt „Allgemeiner Teil" (66 Seiten) in einer für die Gesichts- punkte des Naturschutzes zweckmäßigen Auswahl insbesondere Hinweise zur öko- logischen Landeskunde, zu Systematik, Vorkommen, Bestandsentwicklung und Lebens- weise der behandelten Arten und Unterarten, zu den gesetzlichen Schutzvorschriften in den einzelnen Ländern sowie zu den Problemen und Aufgaben des Säugetier- schutzes. Wer den Dingen im einzelnen nachgehen will, findet reichlich Schrifttum ver- zeichnet. Zunächst meint man zwar, die Länder der Europäischen Gemeinschaft stellten — vor allem biologisch gesehen — keine sinnvolle Abgrenzung für eine Behandlung der Tierwelt und deren Schutz dar. Die Notwendigkeit jedoch, zur Verwirklichung des Naturschutzes auf allen Ebenen staatlicher und überstaatlicher Legislative und Exe- kutive mit verläßlichem Grundlagenmaterial zur Stelle zu sein, läßt diese sorgfältige Zusammenstellung NOWAKS hochwillkommen sein. Denn nicht zuletzt von der Euro- päischen Gemeinschaft wird künftig erwartet, daß der „Richtlinie über die Erhaltung der Vögel" weitere ähnliche Regelungen folgen und daß schließlich die zur Ausfüh- rung erforderlichen Geldmittel zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus ist die Broschüre beinahe als kurzgefaßtes Handbuch der europäischen Säugetiere zu be- trachten, behandelt es doch 162 der 175 dort vertretenen landbewohnenden Arten sowie sämtliche Walarten. Welche Schwierigkeiten der Autor zu bewältigen hatte, etwa bei der Erkundung der Rechtslage in den verschiedenen Ländern, erahnt der Rezensent am Beispiel des ihm vertrauten Griechenland, dessen Verhältnisse trotz Befragung fachkundiger Personen, da schwer durchschaubar, nur unvollkommen wiedergegeben werden konnten. Für den europaweit interessierten und tätigen Naturschutz-Praktiker erbringen die vermittelten Kenntnisse förderliche Anregung, darüber hinaus bereiten der lebendige sowie die sparsamen, aber treffenden Säugetier-Vignetten von H. DESSELBERGER (Warschau) viel Freude. H.-.I. BOHR

126 DINGENTHAL, F. J., P. JURGING, G. KAULE & W. WEINZIERL (1981): Kiesgrube und Landschaft. — 227 S., 177 Abb., Verlag Paul Parey Hamburg.

Kiesgruben sind, besonders nach Beendigung der Rohstoffausbeute, Anziehungs- punkte für eine Vielzahl von Pflanzen- und Tierarten. Dies gilt vor allem dann, wenn die Gruben wassergefüllt sind. Neben Flora und Fauna ist aber auch der Mensch an der Nutzung solcher Gewässer als Erholungsfaktor interessiert, so daß sich oft ein Zielkonflikt gegenüber den Interessen des Natur- und Vogelschutzes ergibt. Hinzu kommt, daß die der kiesabbauenden Firma auferlegten Rekultivierungsmaßnahmen oft nur mangelhaft oder unzulänglich durchgeführt werden. Die mit der Materie gut vertrauten Autoren (und die von diesen für besondere Arbeitsgebiete hinzugezogenen Spezialisten) geben nicht nur einen Überblick über den Fragenkomplex „Kiesgrube und Landschaft", sondern beleuchten unter den verschiedensten Gesichtspunkten die anstehende Problematik und bieten Lösungsmöglichkeiten an. Die einzelnen Kapitel befassen sich mit folgenden Themen: Sand und Kies als Baustoff, Geologie und Geo- morphologie, Betriebsplanung, Gewässerpflege, geologische und prähistorische Funde, Abbaugenehmigung, Rechts- und Verwaltungsvorschriften in der Bundes- republik und Österreich, Geschichte und Ausblick. Ein nach Sachgebieten gegliedertes Literaturverzeichnis schließt das Buch ab. Eine aus Farbfotos, Grafiken Planungs- skizzen und Tabellen bestehende Bebilderung ergänzt den Text. Der Abschnitt „Natur- schutz" wurde von H. RANFTL abgehandelt, wobei den vogelkundlichen Problemen ein besonders breiter Raum zugestanden wird. Das Buch bietet all jenen, die sich mit diesem sehr aktuellen Thema auseinanderzusetzen haben, vielseitige Anregungen, so daß kies- und sandabbauenden Unternehmern, Planern, Naturschützern, Behörden, Dienststellen und Hochschulen das Studium vorliegender Publikation sehr empfohlen werden kann. W. KEIL

REDDIG, E. (1981): Die Bekassine. — Neue Brehm-Bücherei Nr. 533, 135 S., 55 Abb., A. Ziemsen-Verlag Wittenberg-Lutherstadt. Vertrieb in der Bundesrepublik, in Österreich und der Schweiz: Verlag J. Neumann-Neudamm, 3508 Melsungen.

Die Bekassine gehört zu jenen feuchtlandgebundenen Vogelarten, deren Bestand durch anthropogene Eingriffe (z. B. Trockenlegung und Umwandlung von Feuchtwiesen in Ackerland, Straßenbau, Industrieanlagen u. ä.) als bedroht bezeichnet werden muß. Wenn auch zwischenzeitlich die Bejagung in einigen europäischen Ländern (Bundes- republik seit 1. 4. 1977) eingestellt wurde, so ist diese Vogelart durch die Jagd in den noch verbliebenen Ländern zusätzlich gefährdet. Im Frühjahr macht sich dieser Vogel nach Rückkehr aus dem Winterquartier durch seinen Balzflug („ Meckerflug") bemerk- bar. Die vorliegende Monographie vermittelt einen guten Überblick über alle Lebens- äußerungen und Lebensansprüche der Bekassine. So wird in den einzelnen Kapiteln über Artzugehörigkeit (einschließlich der Subspezies), Morphologie, Zug, Biotop, Nahrung, Brutbiologie, Verhalten, Mauser und mögliche Schutzmaßnahmen berichtet. Fast 7 Seiten umfaßt das Literaturverzeichnis. Da heute der Schutz und die Erhaltung von Feuchtbiotopen eine der vordringlichsten Aufgaben des Natur- und Vogelschutzes ist, stellt die vorliegende Monographie eine unentbehrliche Hilfe dar. W. KEIL

127 CREUTZ, G. (1981): Der Graureiher. — Neue Brehm-Bücherei Band 530, 195 S., 82 Abb., 33 Tab., A. Ziemsen-Verlag Wittenberg-Lutherstadt. — Vertrieb in der Bundes- republik, in Österreich und der Schweiz: Verlag J. Neumann-Neudamm, Postfach 320, 3508 Melsungen.

Der Graureiher gehört zu den wenigen Großvogelarten, die noch in Mitteleuropa brü- ten. Dank vielfältiger Schutzmaßnahmen (z. B. Unterschutzstellung der Kolonien, ganzjähriges Jagdverbot, Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensmöglichkeiten) konnte der in den 50er und 60er Jahren erfolgte Bestandsrückgang (1973: 74-76 Brutpaare in Hessen) nicht nur aufgehalten, sondern die Graureiherpopulation wieder stabilisiert werden (1980: 216-231 Brutpaare in Hessen). Die im Ziemsen-Verlag erschienene Monographie gibt einen Überblick über das Leben dieser Reiherart. Der Autor hat viele Jahre dem Studium des Graureihers gewidmet. Die einzelnen Kapitel des vorliegenden Buches befassen sich mit Systematik und Morphologie, Verhaltens- weisen, Ernährung, Fortpflanzung, Populationsdynamik, Verbreitung, Wanderbewe- gungen, Verhältnis Mensch und Reiher sowie mögliche Schutzmaßnahmen zur Be- standserhaltung. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis (9 1/2 Druckseiten) und ein Register beschließen diesen Band der Neuen Brehm-Bücherei. Zahlreiche Schwarz- weiß-Fotos, Darstellungen von Verhaltensweisen, Grafiken, Karten und Tabellen er- gänzen den Text. Das Studium dieses Buches kann nicht nur dem Ornithologen und dem Vogelschützer empfohlen werden. Auch dem Sportfischer und dem Teichwirt- schaftbetreibenden dürfte dieser Band viel Wissenswertes über diese Vogelart ver- mitteln. Das Buch kann nach Auffassung des Rezensenten dazu beitragen, das Span- nungsverhältnis Fischerei/Graureiher abbauen zu helfen. W. KEIL

FISCHER, W., (1980): Die Habichte. — Neue Brehm-Bücherei Band 158, 188 S., 84 Abb., 2 Farbtafeln, A. Ziemsen-Verlag Wittenberg-Lutherstadt. — Vertrieb in der Bundes- republik, in Österreich und der Schweiz: Verlag J. Neumann-Neudamm, Postfach 320, 3508 Melsungen.

Es gibt bei uns kaum eine andere Greifvogelart, über die so kontrovers diskutiert wird, wie über den Habicht. Seit dem Inkrafttreten des Bundesjagdgesetzes im Jahre 1976 ist auch dieser Greifvogel in der Bundesrepublik (und vielen anderen europäischen Ländern!) ganzjährig von der Jagd zu verschonen. Die Habicht-Monographie erscheint 'daher im rechten Augenblick. Wenn auch der vorliegende Band den Titel „Die Habichte" trägt, so steht doch Accipter gentilis mit seinen zahlreichen Unterarten im Vordergrund der Betrachtung. Der Autor behandelt in den einzelnen Kapiteln u. a. Morphologie, Lebensraum, Bestandsentwicklung, Siedlungsdichte, Brutbiologie, Nah- rung, Beuteerwerb und das Verhältnis zu anderen Vogelarten. Dem Schrifttum sind 9 Seiten gewidmet. 2 Farbtafeln, 54 Schwarzweiß-Fotos, Grafiken, Tabellen, Karten und Zeichnungen ergänzen die Darlegungen. Das in erster Linie auf eine vogelkund- lich interessierte Leserschaft zugeschnittene Buch ist auch für den Jäger eine gute In- formationsquelle. Gerade bei diesem Personenkreis besteht ein sehr großer „Nachhol- bedarf" im Hinblick auf die biologisch-ökologische Stellung dieser Vogelart im Rahmen der Gesamtbiozönose. W. KEIL

128 JOREK, N.: Leben im Naturgarten. Falken-Verlag, Niedernhausen/Ts. (1982). 128 Seiten, 15 Fabtafeln, 77 Abbildungen.

Das Thema „Naturgarten" geht zur Zeit wie ein Lauffeuer durch unser Land. Man wird deshalb Bücher mit Skepsis betrachten, denn der Markt ist da, so daß sich auch schlechtes und unqualifiziertes verkaufen läßt. Bei der kritischen Durchsicht stellt man aber fest, daß man mit „Leben im Naturgarten" keinen Fehlgriff gemacht hat. Hier schreibt jemand, der die hierfür notwendige Sach- kenntnis besitzt und diese auch engagiert vertritt. Durch einen verständlich geschrie- benen Text wird der Leser ermutigt, die hier gemachten Vorschläge in die Tat umzu- setzen. Es wird aufgezeigt, welche Fülle von Pflanzen- und Tierarten sich in einem Gar- ten einstellen kann, wenn man nicht mehr in blinder Wut „Ordnung schafft", sondern Lebens- und Wohnmöglichkeiten anbietet. Der Naturgärtner verbannt Pestizide, Mineraldünger und Torf aus seinem Garten. Die Nährstoffversorgung der Pflanzen geschieht über den Humus, den die vielfältige Lebewelt aus Küchen- und Gartenab- fällen aber auch aus Stallmist produziert. Bemerkenswert ist, daß der Verfasser nicht jene „Bio-Zaubermittel" anpreist, auf die jene schwören, die aus der Naturgärtnerei gleich eine Ideologie machen wollen. Das Buch ist für jene gedacht, die ihren herkömmlich bewirtschafteten Garten in einen Naturgarten umwandeln wollen. Für diese gibt es zahlreich Hinweise und Anregungen, etwa welche Pflanzen besonders gut nebeneinanderwachsen, wie man Nist- und Unter- schlupfmöglichkeiten bietet, wie ein Hügelbeet angelegt wird usw. Der Verfasser macht aber auch darauf aufmerksam, daß die Umwandlung eines Gartens nicht von heute auf morgen geschehen kann. Der Schweiß, den man in dieser Übergangsphase investiert, wird später durch Gemüseernten mit hoher Gesundheits- und Nahrungsqualität honoriert. Wer einen Naturgarten anlegen will oder sich aus anderen Gründen für dieses Thema interessiert, wird durch den Kauf dieses Buches gut beraten werden. W. SCHNEDLER

Schützen und leben lassen! — Die in Bayern geschützten Tiere — 236 S., 262 Farbfotos, Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen, 3. Auflage, 1981

In Bayern leben derzeit noch rund 360 Wirbeltierarten (70 Säuger, 200 Brutvogelarten, 10 Kriechtier-, 18 Lurch- und knapp 60 Fischarten) und über 30 000 Nichtwirbeltierarten (davon 17 000 bis 18000 Insektenarten). Das nunmehr in der 3. Auflage vorliegende Büchlein will den Leser über die heimische Fauna informieren und letzlich dazu bei- tragen, der Tierwelt ihre Lebensräume zu erhalten. Nicht wenige Arten sind in Bayern (und den anderen Bundesländern) in erheblichem Maße in ihrem Bestand bedroht, was dazu geführt hat, deren Lebensräume und Lebensstätten auf der Grundlage gesetz- licher Bestimmungen zu schützen. Maßnahmen, die leider nicht immer auf das Ver- ständnis bestimmter Interessengruppen stoßen. Die reich bebilderte Broschüre wird sicher zum besseren Verständnis für die bedrohte Tierwelt beitragen. Wie groß das Interesse an einer solchen Broschüre ist, beweist die Herausgabe von 3 Auflagen innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne. Das gleiche Ministerium hat ebenfalls eine Fibel über die in Bayern geschützten Pflan- zen herausgegeben (Titel: Schützen und blühen lassen!), welche reich mit farbigen Abbildungen versehen, über die Flora unterrichtet. Auch dieses Buch liegt in der 3. Auf- lage vor. W. KEIL

129 KLEMP, H. (1981): Mehr Natur in Dorf und Stadt. 139 S., 47 Abb., Verlag Günter Hartmann, Kronshagen, zu beziehen bei H. Klemp, 2333 Damendorf.

Überkommt uns nicht alle immer mehr darüber das Unbehagen, wie steril und trost- los unsere Siedlungen geworden sind? Hier macht der Verfasser deutlich, was alles in den letzten Jahrzehnten durch Unüberlegtheit, Bequemlichkeit und Übereifer verloren gegangen ist. Dazu gibt er zahlreiche Anregungen, wie wir die Natur wieder in unsere Dörfer und Städte einziehen lassen können. Etwa durch Anlage von Nutzgärten, Natur- gärten, Anpflanzungen naturnaher Hecken, Rückgewinnung natürlicher Gewässerufer, Neuanlage von Tümpeln und Teichen, Belassung der Wildkräuter am Straßenrand, in Pflasterfugen, in den „wilden Ecken" usw. Er macht darauf aufmerksam, daß auch' Brennesselbestände der Ortschaft einen „heimeligen" Charakter geben können und weist mit Recht darauf hin, daß es nicht ausreicht, bedrohten Tierarten Nisthilfen an- zubieten, sondern daß es notwendig ist, einen ganzen Naturkomplex zu regenerieren, der mit einer artenreichen Pflanzendecke beginnt. Auch der „fortgeschrittene Umweltschützer" findet in dem Buch zahlreiche Hinweise und Anregungen. Naturschutz kann nicht nur auf seltene Objekte fernab der Wohnung gerichtet sein, sondern beginnt bereits vor der eigenen Haustür, ja sogar am und im Haus selbst. Das Buch ist flüssig geschrieben und liebevoll mit Schwarzweiß-Zeichnungen illu- striert. Es gibt allerdings keine Patentrezepte, was aber bei der Vielfalt, mit der uns die Natur entgegenkommt, auch schädlich wäre. Es ist die Begleitschrift zu einer gleich- namigen Kampagne, welche vom Bund Umwelt- und Naturschutz Deutschland in Schleswig-Holstein durchgeführt wird und die auch in allen anderen Bundesländern möglichst bald Fuß fassen sollte. W. SCHNEDLER

FRIEDRICH, U. & W. VOLLAND: Futtertierzucht — Lebendfutter für Vivarientiere 168 S., 56 Abb., Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, 1981.

Die Haltung vieler Pfleglinge, z. B. Amphibien, Reptilien, Vögel, Kleinsäuger, Fische oder Insekten, ist oft von der Verabreichung von Lebendfutter abhängig. Das im Fach- handel angebotene Sortiment an Trockenfutter, welches an Hand beigefügter Ge- brauchsanweisung verabreicht wird, kann meist nur als kurzfristige Lösung angesehen werden. Die Einrichtung einer eigenen Futtertierzucht behebt diesen Mangel weit- gehend. Das vorliegende Buch versucht, Hinweise und Anregungen zur Anlage und zum Aufbau von Zuchten zu geben. Nach einem sehr ausführlichen Kapitel über Grund- satzfragen, werden die Futtertiere und ihre Zucht vorgestellt. Die Palette reicht vom Plankton über verschiedene Wurm- und Schneckenarten zum Wasserfloh, den Scha- ben, Grillen, Heuschrecken, Käfer, Fliegen, Schmetterlinge bis zur Hausmaus und Wanderratte. Von jeder vorgestellten Tierart werden u. a. folgende Punkte behandelt: Tierbeschreibung, Entwicklungszeiten, Zuchtbedingungen, Ernährung, Zuchtbehälter, mögliche Schädlinge und Krankheiten, Verfütterung sowie Vor- und Nachteile der jeweiligen Zucht. Für den Vogelpfleger dürfte z. B. die Käfer- („Mehlwurm"), Heu- schrecken-, Fliegen-, Schmetterlings-, Hausmaus- und Rattenzucht von besonderem Interesse sein. .Neben dem privaten Pfleger sollten auch Tierheime, Vogelauffang- und Pflegestationen das im Eugen Ulmer Verlag erschienene Buch ihrer Aufmerksamkeit widmen. Die bei- den Autoren schließen eine Marktlücke. W. KEIL

130 BUZHKO, S. 1. (1980): Der Karmingimpel. — Neue Brehm-Bücherei Band 529, 124 S., 44 Abb., A. Ziemsen-Verlag Wittenberg-Lutherstadt. — Vertrieb in der Bundes- republik, in Österreich und der Schweiz: Verlag J. Neumann-Neudamm, Postfach 320, 3508 Melsungen

Der Karmingimpel, ursprünglich in Asien und im europäischen Rußland beheimatet, zeigt in den letzten Jahrzehnten Ausbreitungstendenzen nach Fennoskandien und Mitteleuropa. In Polen, der DDR, in der Tschechoslowakei und in Österreich tritt er vermehrt als Brutvogel auf. In der Bundesrepublik konnten Karmingimpel während der Brutzeit im südlichen Bayern beobachtet werden. Die russische Autorin hat sich im Raume Leningrad 5 Jahre lang eingehend mit dieser Vogelart befaßt. Im Mittelpunkt des Bandes steht die Geschichte der Arealveränderungen des Karmingimpels in den letzten 200 Jahren. Sehr ausführlich werden dabei auch die Ausbreitungstendenzen in Mitteleuropa behandelt. Daneben wird u. a. über Feldkennzeichen und Gesang, Lebensraum, Populationsdynamik, Zugverhalten, Brutbiologie, Ernährung sowie Mauser und Gefangenschaftshaltung berichtet. Die Autorin macht jedoch im Vorwort zur Mono- graphie darauf aufmerksam, daß es z. B. notwendig ist, weitere Untersuchungen über Biologie, Populationsdynamik und Ausbreitung anzustellen. Das 8-seitige Literatur- verzeichnis ist dabei sicher ebenfalls eine gute Hilfe. Der vorliegende Band der Brehm- Bücherei ist eine gute Grundlage für die weitere Arbeit an dieser Finkenart. W. KEIL

KRÄGENOW, R. (1981): Der Buchfink. — Neue Brehm-Bücherei Band 527, 104 S., 37 Abb., A. Ziemsen-Verlag Wittenberg-Lutherstadt. —Vertrieb in der Bundes- republik, in Österreich und der Schweiz: Verlag J. Neumann-Neudamm, Postfach 320, 3508 Melsungen

Zu den häufigsten Vogelarten Mitteleuropas gehört der Buchfink. Aufgrund von Sied- lungsdichteuntersuchungen wird die Zahl der in der DDR brütenden Paare auf 1,3 Millionen geschätzt. Der Autor der Monographie, der selbst mehrjährige Sied- lungsdichteuntersuchungen in unterschiedlichsten Lebensräumen durchgeführt hat, widmet ein wesentliches Kapitel dieser Problematik. Daneben kommen aber die Ab- schnitte über Morphologie, Verbreitung, Lebensraum, Stimme, Brutbiologie, Nahrung, Zugverhalten, Parasiten und Krankheiten nicht zu kurz. Besonders hervorgehoben sei, daß der Haltung der Buchfinken und der besonders im Harz weitverbreiteten Finken- liebhaberei weiter Raum gewidmet wird. Eingehend wurden z. B. die Finkenschläge des Harzes behandelt. Trotz des umfangreichen Literaturverzeichnisses (9 Druck- seiten) wird beim Studium der Monographie deutlich, daß noch eine Reihe offener Fragen zu klären und weitere Untersuchungen notwendig sind, das Bild über den Buchfink abzurunden. Die vorliegende Monographie ist lesenswert und kann als Arbeitsgrundlage sehr empfohlen werden. W. KEIL

131 PETERSON, R., MOUNTFORT & P. A. D. HOLLOM (1981): Die Vögel Europas. — 12. Auflage, 452 S., 68 Vogel- und 8 Eiertafeln, Verbreitungskarten, 6seitige ausklappbare Vogelstimmen-Bestimmungsschlüssel, Verlag Paul Parey Hamburg.

Die im Jahre 1979 vorgestellte 12. Auflage des „Peterson" wurde jetzt durch einen 6seitigen aufklappbaren Vogelstimmen-Bestimmungsschlüssel erweitert. Seine Be- arbeitung erfolgte durch R. LILLE, G. REHFELD und G. RÜPPEL vom Zoologischen Institut der Technischen Universität Braunschweig. Der Schlüssel soll insbesondere dem Anfänger helfen, Rufe und Gesänge der häufigsten Vogelarten zu identifizieren. Durch diese zusätzliche Informationsquelle hat der Verlag den „Peterson" noch attrak- tiver gemacht. Jedoch ist die 12. Auflage auch ohne den neuartigen Bestimmungs- schlüssel zum Preis von DM 32,— zu haben. Dem Anfänger sei aber geraten, sich diese Auflage plus Vogelstimmen-Bestimmungsschlüssel zu kaufen. W. KEIL

BUB, H. (1981): Lerchen und Schwalben. — Neue Brehm-Bücherei Band 540, 122 S., 55 Abb., A. Ziemsen-Verlag Wittenberg-Lutherstadt. — Vertrieb in der Bundes- republik, in Österreich und der Schweiz: Verlag J. Neumann-Neudamm, Postfach 320, 3508 Melsungen

Der vorliegende Band der Neuen Brehm-Bücherei gilt als 1. Teil einer Reihe von Ver- öffentlichungen, die sich mit Kennzeichen und Mauser europäischer Singvögel be- fassen soll. Besonders für die wissenschaftliche Vogelberingung ist die Geschlechts- und Altersbestimmung eine wesentliche Voraussetzung. Dies gilt aber auch für andere vogelkundliche Forschungsbereiche. Unter Mitarbeit einer Reihe von Fachkollegen und gestützt auf die von Prof. Dr. R. DROST erstellten Grundlagen, werden 11 Ler- chen- und 5 Schwalbenarten behandelt. Die Artbearbeitung erfolgt nach einem festen Schema. So werden Hinweise zu folgenden Punkten gegeben: Geographische Varia- tion der jeweiligen Art, Art- und Unterartkennzeichen, Schwanz-Flügel-Index, Flügel- länge, Gewicht, Brutbiologie, Mauser, Geschlecht und Alter. Letztlich ist ein Absatz „Bemerkungen und Fragen" sowie ein Quellen- und Literaturhinweis vorhanden. Grafiken, Skizzen, Tabellen und Schwarzweiß-Fotos vertiefen den Text. Ein 81/2-seitiges Literaturverzeichnis beschließt den Band. Nach Meinung des Rezensenten ist es dem Autor gelungen, in konzentrierter Form ein Höchstmaß an Information zu vermitteln. Es dürfte allen gestellten Anforderungen genügen und wird vielen auf dem Sektor Ornithologie Arbeitenden eine unerläßliche Hilfe darstellen. Zu hoffen ist, daß der Verlag die angekündigten weiteren Teile bald folgen läßt. W. KEIL

132 Band 2, Heft 3: 133-188 Zeitschrift Wiesbaden, Dezember 1982 für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen

ISSN 0173-0266

Herausgeber: Der Hessische Minister für Landesentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten, - Oberste Naturschutzbehörde - Inhaltsverzeichnis Seite BRAUNEIS, W., W. HAMMER & C. SAAR: Zucht und Auswilderung junger Wanderfalken in Hessen 135

GROSSE-BRAUCKMANN, G.: Naturschutz und Schutzgebiete in Südhessen — botanisch gesehen 147

VOWINKEL, K.: Ergebnisse einer vierjährigen Bestandserfassung des Blaukehlchens (Luscinia svecica cyanecula) am Lampertheinner Altrhein, Kreis Bergstraße (1977-1980) 155

KEIL, W.: Ursachen von Vogelansammlungen auf Mülldeponien und ihre Auswirkungen 159

BOHR, H.-1. & C. KRAFT: Hessens neue Naturschutzgebiete (7) 163

Kleine Mitteilungen

HUTTIG, F.-K.: Eistaucher (Gavia immer) erstmals in der Fuldaaue Kassel . 177

NEITZSCH, G.: Eindrucksvoller Herbstdurchzug des Rotmilans (Milvus milvus) 1981 im Altkreis Wetzlar 179

BACHMANN, H.: Erster Nachweis der Ohrenlerche (Eremophila alpestris) im Kreis Fulda 180

HEIDER, E.: Brutvorkommen des Birkenzeisigs (Acanthis flammea) in Fulda . . 181

Mitteilungen der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland

HARBODT, A.: Biotopschutzprogramm: „Streuobstwiesen" 183

Neue Zeitschriften 187

Neue Literatur 146, 154, 157-158, 188

134 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 135-145 (1982)

Zucht und Auswilderung junger Wanderfalken in Hessen von WOLFRAM BRAUNEIS, Eschwege, WILHELM HAMMER, Kassel und CHRISTIAN SAAR, Berlin

Der Wanderfalke ist nahezu weltweit verbreitet; er ist aber auch seit 15-20 Jahren ebenso weltweit gefährdet. Die Bestände sind in vielen Gebieten (z. B. in der DDR) völlig zusammengebrochen oder auf eine Restpopulation geschrumpft, so daß eine Uberlebenschance zumindest zweifelhaft ist. In der Bundesrepublik Deutschland exi- stieren südlich der Main-Linie noch etwa 40 bis 50 Brutpaare. Nur ein Paar hat sein Brutrevier in Hessen, jedoch mit von Jahr zu Jahr unterschiedlichem Bruterfolg. Die Ursache für diesen weltweiten Rückgang liegt in erster Linie in dem Einsatz von polychlorierten Kohlenwasserstoffen (z. B. PCB), wie inzwischen durch zahlreiche wis- senschaftliche Arbeiten eindeutig bewiesen ist (CONRAD 1977). In dieser Situation haben dann zusätzliche menschliche Eingriffe und natürliche Ereignisse eine verhee- rende Folge. Dagegen scheinen Biotopverschlechterungen — wenn überhaupt — keinen entscheidenden negativen Einfluß zu haben. Nachdem die Hauptgefährdungsursache, der Einsatz der polychlorierten Kohlen- waserstoffe durch gesetzgeberische Maßnahmen seit 1971 weitgehend eingeschränkt oder gar verboten ist, erscheinen Rettungsmaßnahmen nicht nur sinnvoll sondern sogar dringend notwendig. Die natürlichen Restbestände sind zwar erfreulicherweise im Begriff, sich in dieser Situation wieder zu festigen und hoffentlich auch wieder aus- zubreiten, übrigens ein weiterer, jetzt positiv wirkender Beweis der Ursächlichkeit der Pestizide. Eine natürliche Wiederbesiedlung der weiten Gebiete ohne Wanderfalken erscheint für die überschaubare Zukunft jedoch nicht möglich. Deshalb ist auf die Zucht und Auswilderung junger Wanderfalken zurückgegriffen worden. Da zunächst nur in Hessen eine Zusammenarbeit aller staatlichen und privaten Einrichtungen des Natur- schutzes möglich war, wurden die Auswilderungsmaßnahmen hier konzentriert. Der Hessische Minister für Landesentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten er- teilte gern. § 30 Abs. 1 LJG nach Anhören der Staatlichen Vogelschutzwarte jeweils Genehmigungen, wonach Vögel der Nominatform Falco peregrinus peregrinus an be- stimmten Orten des Landes ausgewildert werden dürfen. Sämtliche in unseren Aktio- nen ausgesetzten Vögel sind — mit einer Ausnahme — von dem Mitverfasser C. SAAR und von G. TROMMER zur Verfügung gestellt worden. An zwei Fels-Auswilderungs- plätzen war eine Dauerbewachung notwendig, die einen nicht unerheblichen Aufwand erforderte. Den zahlreichen Helfern und Bewachern soll auch an dieser Stelle aus- drücklich gedankt werden, ebenso der Landesregierung und der Staatlichen Vogel- schutzwarte für ihre verständnisvolle Unterstützung. Hier soll ein Bericht über die Zucht und die verschiedenen Auswilderungsmaßnahmen gegeben werden.

1. Die Zucht 1.1 Die Zucht von Wildtieren ist voller Probleme. Mangelnde Erfahrung der Züchter, fehlende freie Bewegungsmöglichkeit. Fehlprägung auf den Betreuer, nicht artgemäße Ernährung und unzählige weitere Schwierigkeiten galt es zu überwinden. Bei Greif- vögeln fehlte fast jegliche Erfahrung, weil sie jahrhundertelang verfolgt wurden und deshalb kein Interesse an der Zucht bestand. Selbst die Freunde der Greifvögel, die früher ohnehin nur ein kleines Häuflein waren, hatten die Zucht noch nicht betrieben.

135 Nur RENZ WALLER hat in den 40er Jahren einen erfolgreichen Zuchtversuch mit Wanderfalken unternommen. So konnten anfängliche Fehlschläge nicht vermieden wer- den. Als Beispiel mag angeführt werden, daß man am Anfang möglichst „schöne", naturgetreue Zuchtvolieren baute, was, wie wir bei heutiger nüchterner Betrachtungs- weise wissen, nahezu unerheblich ist. 1.2 Der Bestand an zuchtfähigen Wanderfalken war äußerst gering. Durch die seitens der Behörden und der Deutschen Sektion im internationalen Rat für Vogelschutz ge- forderten Beschränkung auf die Nominatform schieden obendrein die aus Südeuropa stammenden Wanderfalken (Falco p. brockeii) für dieses Programm aus. Ebenso war eine Entnahme von Zuchttieren aus der Natur indiskutabel. So mußten die letzten in Menschenhand befindlichen mitteleuropäischen Wanderfalken mühsam bei koopera- tionsbereiten Haltern zusammengesucht werden, bis überhaupt mit der Zucht begon- nen werden konnte. 1.3 Ein besonderes Problem lag in der bereits erwähnten Fehlprägung fast aller noch vorhandenen Wanderfalken. Diese balzten — wenn überhaupt — in der Regel ihren Be- treuer an, nicht aber den ihnen zugesellten Artgenossen. Bei diesen Vögeln konnte es daher nicht zur Kopulation und Ablage befruchteter Eier kommen. In manchen Fällen führte die Fehlprägung sogar dazu, daß die zusammengestellten Vögel sich gegen- seitig töteten oder zumindest bekämpften und verletzten. Auch sie mußten aus dem Zuchtprogramm herausgenommen werden und verringerten dadurch wiederum das ohnehin kleine Zuchtpotential. 1.4 In dieser Situation wurde auf die künstliche Besamung zurückgegriffen. Ein Unter- fangen, das nahezu utopisch erschien, wenn man berücksichtigt, daß die künstliche Besamung selbst bei manchen Haustierarten trotz intensivster und jahrzehntelanger Bemühungen bis zum heutigen Tage problematisch geblieben ist. Schon die dazu- gehörigen Manipulationen waren ein Streß für die Tiere und die Menschen, zumal die Vögel selbst bei größter Vertrautheit sich in der Regel nicht greifen lassen und das in sehr wehrhafter und für den Menschen sehr schmerzhafter Weise zu unterbinden ver- suchen. Entscheidend war es aber, überhaupt erst die richtigen Methoden zu ent- wickeln, um das befruchtungsfähige Sperma zu entnehmen und zeitgerecht in den Eileiter einzuführen. Auch diese Schwierigkeiten wurden in relativ kurzer Zeit über- wunden, und die Methoden der künstlichen Besamung wurden laufend verbessert und verfeinert. 1.5 So gelangen SAAR (1974) und TROMMER (1977) die ersten Zuchterfolge beim Wanderfalken (SAAR & WEINHEIMER 1974). Die gezüchteten Jungvögel wurden dazu verwendet, zunächst den minimalen Zuchtbestand zu vergrößern. Um dann möglichst viele Vögel für die Auswilderung zur Verfügung zu haben, wurde nach Wegen ge- sucht, die Nachwuchsrate zu erhöhen. Es zeigte sich bald, daß durch die Wegnahme des Erstgeleges ein Zweit- und sogar ein Drittgelege erreicht werden konnte. Auf die laufende, sofortige Wegnahme der Eier reagierten die Zuchtpaare durch das ebenso kontinuierliche Nachlegen von Eiern. Als Höchstzahl konnten in einer Brutsaison von einem weiblichen Tier 16 Eier erzielt werden, aus denen 12 Jungvögel schlüpften. 1.6 Die Wegnahme der Eier und weitere zusätzliche Gesichtspunkte waren Veranlas- sung, die Eier in der Regel nicht natürlich, sondern in der Brutmaschine erbrüten zu lassen. Auch hier mußten Erfahrungen über die Luftfeuchtigkeit, die Bruttemperatur, den Rhythmus des Eierwendens und viele andere Faktoren gesammelt werden, weil es auch solche Daten nicht gab. Selbst die wirklich exakte Brutdauer und insbesondere die Länge des Schlupfvorganges waren nicht bekannt. So hat z. B. C. SAAR den ersten Zuchterfolg im Jahre 1969 dadurch selbst vereitelt, daß er vorzeitig ein Ei öffnete in der verkehrten Annahme, der sei abgestorben. Zwischenzeitlich gehören menschliche Hilfestellungen, wie z. B. die Reparatur leicht beschädigter Eier usw., zu den selbstständlichen Maßnahmen.

136 1.7 Die Aufzucht der Jungfalken war eine große Belastung. Dies um so mehr, je mehr unser Wunsch, möglichst viele Falken zu bekommen, in Erfüllung ging. Dabei ist die Beschaffung ausreichender Nahrung noch das geringste Problem. Vielmehr mußte das mehrmalige Füttern als solches bewältigt werden. Es stellte sich heraus, daß sich einzelne Altfalken vorzüglich als Ammen eigneten und Jungfalken aller Altersklassen in großer Zahl versorgten. So konnten einem Altfalken bis zu 11 Jungvögel gleichzeitig zugeordnet werden. Aber auch die Aufzucht durch Menschenhand war in bestimmten Situationen zweckmäßig. In den ersten Tagen mußten die Betreuer mit größter Ge- duld den jungen Nestlingen kleine Futterbrocken mit Hilfe einer Pinzette in den Schna- bel transportieren. Später wurde der Futterbrei in Plastiktüten gedrückt und über die aufgeschnitte Spitze der Tüte den Jungvögeln in den Hals gespritzt, was zu einer wesentlichen Vereinfachung führte. Zusammenfassend ist festzustellen, daß die von dritter Seite sehr unterschiedlich motivierten pessimistischen und auch veröffentlichten Kritiken gegen die Zucht, die teilweise leider bis zur Verleumdung reichten, in erstaunlich kurzer Zeit völlig ent- kräftet werden konnten. SAAR und TROMMER haben jedenfalls bis zum Abschluß der Zuchtsaison 1982 innerhalb von nur 9 Jahren insgesamt 260 Wanderfalken gezüchtet, die für den Aufbau des Zuchtstammes und zur Auswilderung verwendet wurden. Einige Tiere anderer Rassenwurden als Beizvögel eingesetzt. Dabei konnten sie anfänglich auf Erfahrungen in den Vereinigten Staaten zurückgreifen, wo ein mit großem Aufwand errichtetes spezielles Institut zur Zucht von Falken an der Cornell-Universität von 'Ithaca errichtet worden war. In der Bundesrepublik Deutschland waren die beiden Züchter dagegen weitgehend auf sich allein gestellt. Von amtlicher Seite wurden ihnen bislang nur vom Land Hessen Auslagen im Zusammenhang mit der Auswilderung er- stattet.

2. Auswilderung Nachdem der Zuchtstamm zwar noch nicht ausreichend, aber immerhin doch fühlbar erhöht worden war, konnte man bereits im Jahre 1977 die ersten Auswilderungen der gezüchteten Wanderfalken riskieren. Auch hier gab es Probleme. Bei der Adoptionsmethode werden die von Vögeln in Menschenhand erzeugten Jung- tiere als „Nestlinge" wildlebenden, brütenden Altvögeln unterschoben. Diese Methode birgt also gegenüber der natürlichen Jungenaufzucht relativ wenig Unterschiede. Da es jedoch in Hessen — wie gesagt— nur noch ein wildlebendes Falkenpaar gibt, ließ dieses Verfahren nur geringe Erfolge erwarten. TROMMER konnte hier zusammen mit der Aktion Wanderfalken- und Uhuschutz 1977 und 1979 insgesamt drei Jungfalken auf diese Weise auswildern. Wir mußten also die Auswilderung ohne Elterntiere aus- schließlich nach der Kunsthorstmethode praktizieren, ein Verfahren, das wiederum zusätzliche Schwierigkeiten machte. Dabei konnte auf Erfahrungen zurückgegriffen werden, die Falkner in früheren Jahren bei der sogenannten Wildflugmethode sammel- ten. Hier wurden junge Greifvögel an einen bestimmten Platz in der Natur gewöhnt und freigelassen, wo sie dann regelmäßig ihr Futter abholten. Diese Versorgung durch den Menschen wurde so lange fortgesetzt, bis die in völligem Freiflug gehaltenen Greifvögel ihre erste Beute selbst geschlagen hatten. Dann wurden sie, um eine Ver- wilderung zu vermeiden, eingefangen und als Beizvögel eingesetzt. Diese Methode galt es, wenn auch in abgewandelter Form, nunmehr für die Auswilderung zu verwen- den. Wir wollten auf diese Weise insbesondere die Fehler vermeiden, die dadurch ent- stehen können, daß auszuwildernde Greifvögel das Beuteschlagen nur in der Voliere lernen (wo die Beutetiere gar nicht entkommen können) und dann in freier Natur doch nicht überlebensfähig sind. Wir mußten daher eine relativ lange Fütterungsperiode in Kauf nehmen, die allerdings bei den einzelnen Tieren erstaunlich breit variierte.

137 Um es vorweg zu sagen: Auch diese Methode hat sich voll bewährt. Im einzelnen haben wir folgende Erfahrungen gesammelt: 2.1 Der Kunsthorst1), der den Vögeln in der ersten Zeit als Unterkunft diente, wurde handwerklich zusammengezimmert und an einem Felsen oder Gebäude (außerhalb Hessens auch auf einem Baum) fest verankert. Die Vögel sollten ein möglichst großes Umfeld einsehen können, um sich ihre Umwelt einzuprägen. Die Fütterung erfolgte durch Plastikrohre, so daß der Mensch als Futterspender von den Vögeln möglichst nicht erkannt werden konnte, um eine Prägung auf den Menschen soweit wie möglich zu vermeiden. Die Kunsthorste wurden relativ massiv und dicht verschlossen. Da- durch wurden nicht nur menschliche Diebe, sondern auch natürlche Feinde (z. B. Mar- der und Habicht) absolut sicher ferngehalten. Insoweit waren die in einem Kunsthorst befindlichen Nestlinge sicherer untergebracht als diejenigen in manchem Naturhorst. 2.2 Alle ausgewilderten Jungvögel wurden mit einem relativ breiten Kennring ver- sehen, der eine weiße Farbe und eine senkrecht stehende schwarze Beschriftung hat. Diese Beschriftung besteht aus einer Ziffer und zwei großen Buchstaben, die sich in senkrechter Stellung rings um den Ring herum wiederholt. Diese Ringe können mit einem guten Spektiv auch auf große Entfernung abgelesen werden, wenn sie nicht allzu sehr verschmutzt sind. Außerdem erhielten die Vögel Ringe der Vogelwarten, die, soweit sie von der Vogelwarte Helgoland stammen, seit 1981 rot eloxiert sind. Soweit die Vogelwartenringe nicht eloxiert waren, sind in der Regel zusätzlich rote Farbringe verwendet worden, die jedoch oft verloren gingen. Teilweise sind die geschlossenen DFO-Zuchtringe, deren Farbe in jedem Zuchtjahr wechselt, zusätzlich neben den Vogeiwartenringen belassen worden. 2.3 Das Offnen des Kunsthorstes brachte anfänglich Probleme: Die scheuen Jung- vögel standen urplötzlich unter dem Eindruck eines unmittelbar vor ihnen hantierenden Menschen. Wenn in dieser Situation der ganze Vorbau des Kunsthorstes entfernt wurde, bestand die Gefahr einer panikartigen Flucht. Diese ist auch bei unserem ersten Versuch erfolgt; jedoch ist der betreffende Vogel trotzdem nach kurzer Zeit wieder zurückgekehrt. Wir haben dann nur kleine Offnungsklappen — teilweise mit Fernbedienung — angebracht, die von den Vögeln nicht sofort entdeckt und dann erst angenommen wurden, als die betreffenden Menschen sich wieder entfernt hatten. 2.4 Die ersten Flugversuche junger Greifvögel sind erstaunlich ungeschickt, vor allem das Landen macht erhebliche Schwierigkeiten. Bei Gebäudeauswilderungen haben wir es erlebt, daß die Vögel die als Zielpunkt gewählten Häuser zu niedrig anflogen und dann an der Hauswand hinunterrutschten. Um hier Verluste zu vermeiden, haben wir die Offnungsphase zwei Tage lang von früh bis spät ununterbrochen beobachtet, um die Tiere nach solchen „Bauchlandungen" so schnell wie möglich wieder einzusam- meln. Diese Phase der Unsicherheit ist aber nach den ersten Flügen in kürzester Zeit überwunden. 2.5 Hieran schließt sich die Fütterungs- und Bewachungsphase an, die — wie bereits gesagt — sehr unterschiedlich lang sein kann. Für die Bewacher und Betreuer ergibt diese Zeit jedoch Erlebnisse und Beobachtungen, die hervorragende Erkenntnisse ver- mitteln.

') Die Aktion Wanderfalken- und Uhuschutz hat 1978 in Hessen sechs junge Wanderfalken ohne Kunsthorst sondern von Blöcken aus, an denen sie zunächst angebunden waren, ausgewildert.

138 Es soll nun über die vier von uns betreuten hessischen Auswilderungsplätze jeweils ein kurzer Bericht gegeben werden.

Auswilderungsplatz A An einer Felswand (60 m hoch, ca. 500 m N.N.) lag einer der letzten Horstplätze in diesem Raum, der bis 1961 besetzt war. Noch einige Jahre war die landschaftsdomi- nierende Wand regelmäßig beflogen, jedoch konnte kein Jungfalke mehr festgestellt werden. Seit 1964 galt in diesem Gebiet der Wanderfalke als endgültig verschwunden.

1978 Nach entsprechender Vorbereitung wurden am 24. 7. 1978 erstmals drei junge, in Gefangenschaft gezüchtete Wanderfalken in den künstlichen Horst eingesetzt. Nach 12 Tagen Verweildauer im Kunsthorst und Prägung auf die Landschaft wurde am 6. Juli das Drahtgitter entfernt. Die Auswilderung verlief problemlos. Nach dem Pilot- projekt Berlin-Tempelhof war das erste Projekt dieser Art in der Bundesrepublik Deutschland erfolgreich abgeschlossen worden; das Auswildern gezüchteter Wander- falken war geglückt. Noch bis in den September hinein konnten wir die Falken teil- weise weit weg vom Auswilderungsbiotop beobachten. Auch aus der DDR erreichten bns einige Meldungen, daß ein junger Terzel mit auffallender Beringung dort nach Beute jage. Diese Beobachtungen wurden in ungefähr 60 km Luftlinie entfernt von unserem Auswilderungsplatz gemacht. Die Wahrscheinlichkeit war sehr groß, daß es sich um einen unserer Vögel gehandelt hat.

1979 Wieder kamen — diesmal am 11. Juni — drei gezüchtete Wanderfalken ins Auswilde- rungsgebiet (1 Weibchen und 2 Männchen). Nach ausreichender Zeit der Prägung auf Standort und Umgebung öffneten wir am 23. Juni den Kunsthorst. Auch diese Auswilde- rung verlief ohne Probleme. Die Wanderfalken behaupteten ihr Revier und vertrie- ben andere Greifvögel (Mäusebussarde, Turmfalken, Rotmilane), die offenbar als „Eindringlinge" angesehen wurden, gemeinsam aus ihrem Revier. Den Höhepunkt unserer Beobachtungen brachte die Feststellung eines wilden Wander- falken (Altvogel). Stets nur kurz stellte er sich in die Wand und unterschied sich über- haupt sehr in seinem Verhalten von den noch im Stadium der Auswilderung befind- lichen Vögel. War es der Terzel der vorjährigen Auswilderung? Eine definitive Aussage nach Ringbestimmung war nicht möglich. Ein junger Terzel schloß sich dem Wildling spontan an, und beide flogen aus dem Horstbereich in östlicher Richtung. Noch mehrere Male wurden beide Wanderfalken (Alt- und Jungvogel) hoch über dem Horst- bereich gesehen, jedoch landete keiner in der Wand. Vom Tage des Zusammenseins mit dem Wildfalken hat der junge Terzel des Jahrgangs 1979 keine von den Betreuern ausgelegte Nahrung mehr angenommen. Wir folgerten daraus, daß er sich entweder am Jagderfolg seines Artgenossen als bettelnder „Mitesser" beteiligte, oder mit ihm in Kooperation aktiv die Beute schlug. Auch nach dieser Aktion konnten wir die aus- gewilderten Wanderfalken bis in den Frühherbst durch Beobachtungen bestätigen. Sichtmeldungen von zwei Vögeln waren dabei keine Seltenheit.

1980 Eine Reihe von absolut zuverlässigen Beobachtungen von Wanderfalken erreichte uns im Frühjahr 1980 .So konnten Wanderfalken in den Monaten Februar bis April in der Nähe des Auswilderungsbiotops festgestellt werden. Auch von befreundeten Orni- thologen aus der DDR wurden uns erneut Sichtbeobachtungen von Wanderfalken schriftlich gemeldet. Ebenso wie bei uns dürfte es sich auch dort mit höchster Wahr-

139 scheinlichkeit um Vögel der hessischen Auswilderungshorste gehandelt haben. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, daß jenseits der Landesgrenze das Landschaftsbild durch Felsstürze und Abrißwände ebenso geprägt wird wie im dies- seitigen Gebiet der Bundesrepublik. Im Mai 1980 setzten wir drei Wanderfalken — zwei Weibchen und einen Terzel — in den Kunsthorst ein. 15 Tage wiederum verweilten die Vögel dort, bis wir sie flugtüchtig in die Freiheit entließen. Überraschend schnell wurde in diesem Jahr von zwei Falken (y, und C) die Fertigkeit des Beuteschlagens erlernt. Durch Sichtbeobachtungen konn- ten die Wanderfalken noch bis Ende September im weiteren Umfeld des Auswilde- rungsgebietes bestätigt werden.

1981 Diesmal waren es sechs Exemplare (2 yy, und 4 CC), die in den Horstkasten am 17. Mai eingesetzt wurden. Auch diese Aktion verlief kontinuierlich und unproble- matisch. Der Übergang der sogenannten Prägungsphase zum freien Fliegen (Offnen des Kunsthorstes) war fast als harmonisch zu bezeichnen. Die Falken entwickelten sich gut. Auch diesmal konnten Altfalken wiederholt im Auswilderungsbereich festge- stellt werden. Die letzte definitive Feststellung aller sechs Falken stammte vom 23. Juni. Um so erstaunlicher war es, daß bereits am 29. Juni einer der Terzel bei Metz in Frankreich tödlich verunglückte. Er flog, der Beute nachstoßend, gegen einen Kraft- wagen. Ein französischer Ornithologe verständigte anhand der Beringung die zustän- digen Vogelwarten. Der gezüchtete Vogel hatte also auch die für junge Wanderfalken typische Süd-Westrichtung eingeschlagen. Letzte Bestätigung von Wanderfalken im Bereich des Auswilderungsbiotops: 21. September 1981.

1982 Vier Wanderfalken wurden in den Kunsthorst eingesetzt, ein Weibchen und drei männliche Vögel. Am Anfang machte die Hitze im noch geschlossenen Horstkasten den Wanderfalken schwer zu schaffen. Die nach Südwest exponierte Wand stand bei fast wolkenlosem Himmel unter starker Sonneneinstrahlung. Die von der Felswand aus durchgeführten Messungen ergaben mitunter 49 °C. Wir entschlossen uns, eine Wassersprenganlage — mit der gebotenen Vorsicht und ohne Störungen — einzubauen. Die Anlage war nur manchmal in der Zeit größter Hitze in Betrieb, und das Wasser besprengte mehr den mittelbaren Bereich des Kunsthorstes als den Kasten selbst. Natürlich war das den Falken angenehm, und oft standen sie im vorderen Bereich des Kunsthorstes und ließen sich „beregnen".

Der Tag des Offnens verlief zunächst ohne besondere Vorkommnisse. Die Terzel flogen zuerst — nicht ungeschickt — und landeten nach ein paar zaghaften Runden wieder im Felsen. Erst nach Stunden wagte sich auch das Weibchen auf die Schwingen, flog westwärts ins Tal und verschwand zwischen den Baumkronen. Der Falke kehrte nicht mehr zum Felsen zurück. Wir haben tagelang nach dem Weibchen gesucht mit der Befürchtung, irgendetwas zu finden, was auf den Verlust des Wanderfalkens hin- wies, jedoch ohne Ergebnisse. Bis heute wissen wir nichts über die Umstände des Verschwindens. Die drei Terzel entwickelten sich wieder zu flug- und jagdtüchtigen Vögeln, wobei auch Kiebitze und Mauersegler zur Beute zählten.

Auswilderungsplatz B Es handel sich um eine Basaltwand, die bis in die 60er Jahre einen besetzten Wander- falkenhorst beheimatete. Seitdem kamen immer wieder vereinzelte Meldungen von Wanderfalken, die sich jedoch in allen Fällen nicht bestätigen ließen, weil Verwechs- lungen mit Turmfalken nicht auszuschließen waren; tatsächlich war die Wand zeitweise von fünf Turmfalkenpaaren gleichzeitig besetzt.

140 1979 Am 24. 6. wurden je zwei weibliche und zwei männliche Wanderfalken ausgewildert. Am 30. 6. erfolgt die Öffnung des Kunsthorstes. Die Aktion lief — abgesehen von an- fänglichen massiven Attacken der Turmfalken — zunächst problemlos. Nach 13 Tagen wurde jedoch der Angriff eines weiblichen Althabichts beobachtet, dem es gelang, einen Wanderfalkenterzel zu schlagen. Auch der zweite Wanderfalkenterzel wurde eine Beute des Habichts. Die Rupfungen beider Terzel konnten an zahlreichen einzel- nen Rupfstellen gefunden werden, ebenso wie eine Schwanz- und Brustfeder des Alt- habichts. Seit dem gleichen Zeitraum sind die beiden Wanderfalken-Weibchen ver- schollen, ohne daß wir je etwas über ihr Schicksal erfahren konnten. Nach eingehender Beratung wurde beschlossen, die Aktion ohne etwas gegen das Habicht-Brutpaar zu unternehmen, im nächsten Jahr fortzusetzen. Auch wir konnten und wollten uns den natürlichen Regulierungsmechanismen nicht widersetzen. Ledig- lich eine Ablenkungsfütterung für den Habicht wurde erwogen.

1980 Am 1. Juni 1980 wurden zunächst zwei weibliche und zwei männliche Wanderfalken in den Kunsthorst eingesetzt. Am 7. Juni wurde ein fünfter Vogel, ein Terzel, hinzu- gegeben. Bereits am 8. Juni, also einen Tag nach dem Einsetzen des letzten Vogels, wurde der Kunsthorst geöffnet. Abgesehen von den üblichen Turmfalken-Angriffen waren keine besonderen Vorkommnisse zu vermerken, insbesondere war ein Habicht auch bei vorherigen Kontrollen nicht festzustellen. Bewachungen und Beobachtungen wurden bis in den August hinein fortgesetzt. Am 28. August wurde ein Terzel schwer verletzt von einer Straßenbaustelle (5 km vom Auswilderungsplatz entfernt) gemeldet. Er war bei einem Jagdtiefflug mit einem in 30 cm Höhe gespannten Drahtseil kollidiert und hatte sich die rechte Schwinge abgetrennt.

Abb. 1 Drei ausgewilderte Wanderfalken an dem von den Bewachern angelegten Futterplatz; Auswilderungsplatz B 1980. (Foto: H. ANHÄUSER)

141 1981 Bei der vorsorglichen Kontrolle wurde in 300 m Entfernung von der Horstwand ein besetzter Habichtshorst entdeckt. Die eingeleitete Diskussion über sinnvolle Schutz- maßnahmen erledigte sich von selbst, weil der Horst aufgegeben wurde. Wir wähnten uns in Sicherheit. Am 20. 6. wurden drei weibliche und ein männlicher Vogel eingesetzt. Am 26. 6., zwei Tage vor der geplanten Öffnung des Kunsthorstes, erschien ein Althabicht und schlug in der Horstwand einen jungen Turmfalken. Die Aktion wurde trotzdem fortgesetzt, wobei vorsorglich Greifvogelabwehrkugeln trotz erheblicher Be- denken kurzfristig beschafft und aufgestellt wurden. Die Aktion verlief problemlos. AtIch in diesem Jahr endeten Bewachung und systematische Beobachtungen im Laufe des August.

1982 Nach dem Einsetzen von vier Jungvögeln am 12. Juni wurden bereits drei Tage nach dem Öffnen des Kunsthorstes gezielte Jagdflüge beobachtet. Jedoch wurde ein junger Wanderfalke unter den Augen der Bewacher vom Habicht geschlagen. Die restlichen Falken wurden recht früh selbständig.

Auswilderungsplatz Es handelt sich um eine Gebäudeauswilderung nach dem Muster Berlin-Tempelhof. Der Kunsthorst befindet sich auf dem Dach eines vielstöckigen Gebäudes, das am Rande des Zentrums einer Stadt liegt. Der Kunsthorst hat auf einer Seite völlig freien Ausblick in einen optimalen Biotop mit reichem Beuteangebot. Am Kunsthorst ist eine Fernsehkamera installiert, die es ermöglicht, alle Vorgänge ununterbrochen zu ver- folgen, weil sonst eine Beobachtung der Vorgänge auf dem Dach fast unmöglich ist.

1980 Am 7. 6. wurden drei männliche Wanderfalken in den Kunsthorst eingesetzt, der am 21. Juni geöffnet wurde. Die Aktion verlief abgesehen von anfänglichen, letztlich aber unbedeutenden Angriffen benachbarter Turmfalken, problemlos. Letzte Beobachtun- gen waren auch hier im Monat August zu verzeichnen. Darüber hinaus waren Einzel- beobachtungen während des ganzen Winters 1980/81 zu vermelden. Zumindest ein Vogel muß in der Stadt geblieben sein.

1981 Am 30. 5. wurden zwei weibliche und ein männlicher Wanderfalke in den Kunsthorst eingesetzt. Nachdem dieser am 13. Juni geöffnet wurde, hatten wir ganz erhebliche Schwierigkeiten mit Krähen, die offenbar in unmittelbarer Nähe gebrütet haben muß- ten. Die Wanderfalken wurden vorbehaltlos attackiert und blieben längere Zeit ohne Nahrung, weil die Krähen sie bei jedem Anflug zum Atzplatz vertrieben. Wir befürch- ten, daß der Terzel bereits in dieser Zeit verlorengegangen ist, zumal wir ihn danach nicht mehr mit Sicherheit bestätigen konnten. Die Falken hielten sich entgegen ihren Gepflogenheiten mitten in der Stadt oder in den Bäumen unterhalb des Auswilderungs- gebäudes auf, wohl um den Krähen auszuweichen. Ein Falke wurde nachts auf der Lichtreklame einer Großbank gesichtet. Aber auch in diesem Fall setzten sich die Fal- ken gegenüber den Krähen allmählich durch. Am 9. Juli wurde erstmalig ein vorjäh- riger Terzel erkannt und auch eindeutig identifiziert; er vergesellschaftete sich mit den beiden weiblichen Jungfalken. Am 24. Juli wurden nochmals zwei Terzel in den Kunsthorst gesetzt. Nach dem Öffnen des Kunsthorstes am 8. August erschien der Altterzel und attackiert die beiden Jung- terzel, jedoch ohne nachhaltige Wirkung. Fütterung und Beobachtungen wurden bis Ende September fortgesetzt. Im Herbst 1981 wurde einer der beiden weiblichen Vögel

142 tot und schon stark verwest in einer Entfernung von 20 km gefunden; die Todesursache war nicht mehr feststellbar.

1982 Am 12. Juni wurden zwei weibliche und ein männlicher Vogel in den Kunsthorst gesetzt. Nach dem Offnen am 26. Juni verlief die Auswilderungsaktion zunächst völlig problem- los. Alle drei Vögel waren ungewöhnlich fest auf das Auswilderungsgebäude geprägt. Am 2. 8. konnte ein Weibchen stark abgemagert, aber lebend aus einem tiefen Kamin geborgen werden. Es blieb wegen der fortgeschrittenen Jahreszeit in unserer Obhut und wird für die Zucht verwendet. Die beiden anderen Vögel verwilderten problemlos.

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Abb. 2 Auswilderungsplatz C; ein ausgewilderter Wanderfalke im Flug „vor der Kulisse" einer hessischen Stadt. (Foto: G. OTTO)

Auswilderungsplatz D

1982 In einer weiteren hessischen Stadt wurde seit einiger Zeit regelmäßig ein vagabun- dierendes Wanderfalken-Weibchen festgestellt. Ihm sollten deshalb drei Jungterzel zu- gesellt werden. Am 20. Juni wurden die Vögel in den Kunsthorst eingesetzt, der am 3. Juli geöffnet wurde. Abgesehen von zwei „Bauchlandungen", die sofort behoben werden konnten, verlief auch diese Aktion programmgemäß. Störungen durch die zahlreich vorhandenen Turmfalken erfolgten nicht.

143 Auswilderungsplatz E (außerhalb Hessens) 1982 In der Nähe der hessischen Auswilderungsplätze A, B und C wurden 1982 fünf Falken ausgewildert. Der Platz befindet sich zwar außerhalb Hessens, soll aber wegen der räumlichen Nähe und der dadurch bedingten Kontaktmöglichkeiten der Vollständigkeit halber erwähnt werden.

3. Zusammenfassung und Ergebnisse Es ist festzustellen, daß die Zucht und die Auswilderung junger Wanderfalken möglich ist und bei sachgerechter Durchführung Erfolg verspricht. Obwohl bisher nur geringe Erfahrungen vorlagen, haben sich unsere Methoden bewährt; sie bedurften nur der Verfeinerung in einzelnen Details. Bei der Kunsthorstmethode kann der Mensch die Lehr-, Warn- und Schutzfunktion der Elterntiere naturgemäß nicht ersetzen. Dafür sind der Kunsthorst und die Ernährungsgrundlage absolut sicher. Die Gebäudeauswilde- rung ist wesentlich problemloser als die Felsauswilderung. Zunächst entfällt die Be- wachung, vorausgesetzt, daß die Eingänge zum Gebäude unter Kontrolle sind. Außer- dem fehlt es innerhalb des Stadtgebietes in der Regel an natürlichen Feinden; die Krähen waren wohl eine einmalige Ausnahme. Wegen der größeren Landeprobleme im bebauten Gebiet wurden jedoch die Vögel immer zwei Wochen im Kunsthorst be- lassen, um eine ausreichende Fluggewandtheit sicherzustellen. „Bauchlandungen" mitten im dicht bevölkerten Gebiet wären jedenfalls unerwünscht. Für die Felsauswil- derung spricht einfach die natürliche Umgebung; deswegen wollen wir nicht auf sie verzichten. Übrigens waren die Terzel fast immer früher selbständig als die weiblichen Vögel. Vögel kennen keine Landesgrenzen. Deshalb sind hier noch kurz einige Zahlen über unsere in der ganzen Bundesrepublik gelaufenen Aktivitäten zu geben. Es wurden in 32 Auswilderungsaktionen an 17 verschiedenen Auswilderungsplätzen während sechs Jahren insgesamt 101 gezüchtete junge Wanderfalken ausgewildert, davon fast 50 0/0 in Hessen; die übrigen Vögel verteilen sich auf Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Berlin. 78 Vögel wurden nach der Kunsthorst- und 22 nach der Adoptionsmethode in die Natur entlassen. Nach unserer Information sind in den Jahren 1978/79 14 weitere Wanderfalken in Hessen, Niedersachsen und Luxemburg von anderer Seite ausgewildert worden. Über die Ergebnisse sind wir nur teilweise infor- miert, und über die angewendeten Methoden kann man in manchen Fällen zumindest geteilter Meinung sein. In den anschließenden Jahren sind diese Aktivitäten offenbar zum Erliegen gekommen. Eine spektakuläre arterhaltende Effizienz ist zwar nach den wenigen Jahren noch nicht zu erwarten, zumal die Zahl der ausgewilderten Falken noch vergrößert werden muß, um die bei Greifvögeln bekannten hohen natürlichen Verluste auszugleichen; hinzu kommt die späte Geschlechtsreife der Wanderfalken. Trotzdem kann schon über einige höchst erfreuliche Ergebnisse berichtet werden, die über die bereits erwähnten Wiederbeobachtungen hinausgehen und deshalb letztlich auch Anlaß zu diesem Beitrag waren. Der überzeugendste Erfolg wird aus der DDR berichtet, wo ein von uns gezüchtetes und ausgewildertes Wanderfalkenpaar erstmalig ein Gelege mit zwei Eiern tätigte, aus denen zwei Jungvögel geschlüpft sind, die auch ausgeflogen sind. Dieses Paar hatte sich bereits im Frühjahr 1981 im Nordharz an- gesiedelt. Zu einer Brut kam es jedoch noch nicht, zumal der Terzel noch das Jugend- kleid trug. Im Jahr 1982 kehrten die beiden Vögel in die Horstnische zurück und schrit- ten, wie bereits geschildert, zur Fortpflanzung. Damit hat sich unser Konzept endgültig als richtig erwiesen, wonach in Menschenhand gezüchtete Wanderfalken nicht minder- wertige „Züchtlinge" oder gar „Verhaltenskrüppel" sind, sondern in ihrer Lebens- tüchtigkeit den Wildfalken nicht nachstehen.

144 Darüberhinaus hat sich ein von uns ebenfalls gezüchteter und ausgewilderter Wander- falkenterzel in Norddeutschland mit einem an seinen Geschühresten erkenntlichen entflogenen Beizfalken zu einem Paar zusammengetan; hierüber soll aus Gründen der Priorität später an anderer Stelle berichtet werden. Wir beschränken uns auf den, Hinweis, daß dieses Paar seinerseits bereits 1982 zur Adoption von gezüchteten Jung- falken erfolgreich eingesetzt worden ist. Schließlich haben wir noch zwei weitere Ansiedlungen, jedoch ohne Brutversuche, fest- stellen können, von denen eine wiederum in der DDR und eine erfreulicherweise in Hessen liegt. Insgesamt sind also vier Wanderfalkenpaare bekannt, die neue Horstgebiete besetzt haben und die ganz oder teilweise aus unseren Auswilderungsaktionen stammen. Es wäre eine besondere Freude, wenn wir im Jahre 1983 über die erste erfolgreiche Brut gezüchteter Wanderfalken in Hessen berichten dürften.

Tabelle: Übersicht über die gezüchteten und von 1978 bis 1982 in Hessen ausgewilder- ten Wanderfalken Jahr Ort Wanderfalken Summe Summe Cj 9 insgesamt 1978 A 1 2 3 3 1979 A 2 1 3 B 2 2 4 7 1980 A 1 2 3 B 3 2 5 C 3 3 11 1981 A 4 2 6 B 1 3 4 C l 1 2 3 C II 2 — 2 15 1982 A 3 1 4 B 2 2 4 C 1 2 3 D 3 — 3 14 Insgesamt von 1978 bis 1982 29 21 50

4. Literaturverzeichnis BAUM, F. & B. CONRAD (1978): Greifvögel als Indikatoren für die Veränderungen der Umweltbelastung durch chlorierte Kohlenwasserstoffe. Tierärztl. Umschau Nr. 12: 1-19. CONRAD, B. (1977): Die Giftbelastung der Vogelwelt Deutschlands. Vogelk. Biblio- thek Bd. 5, Kilda-Verlag, Greven. HUSSONG, H. (1978): Der zweite Schritt in eine bessere Zeit? — Die Ausbürgerung gezüchteter Wanderfalken durch Adoption. Jb. Deutscher Falkenorden, S. 15-18. SAAR, C. & R. WEINHEIMER (1974): Wanderfalken-Zucht in Berlin 1974. Jb. Deutscher Falkenorden, S. 19-22.

Anschrift der Verfasser: WOLFRAM BRAUNEIS, Brückenstraße 21/23, 3440 Eschwege Dr. WILHELM HAMMER, Ahnatalstraße 103 A, 3500 Kassel Prof. Dr. CHRISTIAN SAAR, Baseler Straße 79, 1000 Berlin 45

145 Neue Literatur

CURRY — LINDAHL, K. (1982): Das Große Buch vom Vogelzug. — 208 S., 40 Farbtafeln, 57 Zeichnungen, 19 Tab., Paul Parey-Verlag Hamburg-Berlin. Die Erforschung der Geheimnisse des Vogelzuges hat besonders im letzten Jahrzehnt große Fortschritte gemacht. Das jetzt im Paul Parey Verlag erschienene Buch des schwedischen Autors gibt hierüber einen ausgezeichneten Überblick. Die deutschen Übersetzer und Bearbeiter haben sich der mühevollen Arbeit unter- zogen, das Buch durch Hinzufügen weiterer Literatur und unter besonderer Berück- sichtigung der mitteleuropäischen Verhältnisse dem deutschsprachigen Benutzer noch attraktiver zu machen. Hinzu kommt, daß der Text so gestaltet wurde, daß es auch für den „Nicht-Wissenschaftler" gut verständlich wird, ohne an Niveau einzubüßen. Ins- gesamt umfaßt das Buch 34 Kapitel, die u. a. über die Geschichte des Vogelzugs in Legende und Überlieferung, Entstehung des Vogelzugs, Vogelzug in Zeit und Raum, Vogelzug in der alten Welt (das weitaus umfangreichste Kapitel), Vogelzug über den Weltmeeren, über Konzentrationspunkte des Vogelzugs, Orientierung und Navigation, Zugablauf, Vogelzug und Wetter sowie über Gefahren des Vogelzuges informiert. Ein umfangreiches Literatur- (8 1/4 Seiten!), Arten- und Sachverzeichnis beschließen den Inhalt. Erwähnenswert sind auch die ausgezeichneten Farbfotos, deren drucktechnische Wiedergabe besticht. Instruktive Zeichnungen und Tabellen runden das Bild ab. Der neue Band über den Vogelzug ist eine Bereicherung des ornithologischen Bücher- marktes. W. KEIL

BEHNKE, H. (1981): Jagd und Fang des Raubwildes. — 12. Auflage, 106 S., 73 Abb., Paul Parey Verlag Hamburg-Berlin. Die Reduzierung des Raubwildes spielt im Jagdjahr eine bedeutende Rolle. Die meisten Jäger stehen auf dem Standpunkt, den auch der Buchautor offenbar als Richtschnur ausgibt, Raubwild wird waidgerecht bejagt und Raubzeug auf keinen Fall geduldet. Die einzelnen Kapitel des Buches behandeln die Möglichkeiten der Verminderung durch Waffe und Falle. Man spricht von jagdlicher „Einregulierung", ohne daß, nach Ansicht des Rezensenten, dieser Begriff näher definiert wird und vermutlich von der Jäger- schaft auch gar nicht präzisiert werden kann. Was wissen die meisten Jäger über die Populationsdichte der Kleinraubsäuger, wie etwa die Marder- oder Wieselarten. Dessen ungeachtet wird diesen und anderen Tierarten mit Hilfe von Fallen (meist so- genannte „Totschlagfallen") nachgestellt. Ob die Totschlagfallen wirklich sofort töten und so den Grundprinzipien des Tierschutzes entsprechen, sei dahingestellt. Leider wird dieser Problematik kein Kapitel gewidmet. Der Verlag sollte sich überlegen, ob man heute noch ein derartiges Buch herausbringen kann, ohne auf die hier angeschnit- tenen Fragen Auskunft zu geben. W. KEIL

ZINK, G. (1981): Der Zug europäischer Singvögel. — Ein Atlas der Wiederfunde bering- ter Vögel. — 3. Lieferung, herausgegeben von der Vogelwarte Radolfzell, Vogel- zug-Verlag Möggingen. Die vorliegende 3. Lieferung dieses Nachschlagewerkes beinhaltet die Ringfundaus- wertung von 25 Vogelarten. Insgesamt wurden 7579 Funde berücksichtigt. Die Darstel- lung jeder abgehandelten Art ist wie folgt gegliedert: Zug und Überwinterung, Erläute- rungen, Material, Auswertung von Literatur, weiterführende Literatur. Daneben geben Kartenskizzen Auskunft über Beringungsort und Wiederfundstelle, z. T. geordnet nach räumlicher und zeitlicher Gliederung wie unter Berücksichtigung des Jungvogelzugs. Zwei weitere Lieferungen werden noch notwendig sein, um das Gesamtwerk zu ver- vollständigen. Der Band ist ein unentbehrlicher Helfer für alle, die sich mit unseren heimischen Singvogelarten beschäftigen. W. KEIL

146 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 147 — 153 (1982)

Naturschutz und Naturschutzgebiete in Südhessen - botanisch gesehen von GISBERT GROSSE-BRAUCKMANN, Darmstadt (Botanisches Institut der Technischen Hochschule Darmstadt)

Ein Beitrag von W. BAUER in dieser Zeitschrift (Vogel und Umwelt 1: 261-262) gibt dem Verfasser den Anstoß, aus seiner botanischen Sicht einige Tatsachen und Ge- danken über hessische Naturschutzgebiete zusammenzustellen. Das Gebiet südlich des Mains, hauptsächliches wenn auch nicht einziges') Arbeitsgebiet des Verfassers und seiner Schüler seit fünfzehn Jahren, sei dabei in den Mittelpunkt gestellt, zumal hier, im Rahmen einer engen Kooperation mit der Oberen Naturschutzbehörde, in den letzten fünf Jahren allerlei Befunde über geplante oder schon ausgewiesene Natur- schutzgebiete zusammengekommen sind. Es sind 22 Gebiete (darunter 14 bis zum 31. 12. 1981 ausgewiesene und 3 demnächst auszuweisende NSG) mit einer Fläche von rund 1700 ha (hierin allerdings zwei Gebiete mit zusammen bereits ca. 1000 ha), zu denen Naturschutzgutachten des Verfassers im Umfang von zusammen rund 800 Seiten vorgelegt wurden; 15 dieser Gebiete wurden außerdem im Rahmen von 14 Examensarbeiten (mit jeweils gegen 100 Seiten Umfang) sehr ausführlich botanisch, j✓egetationskundlich und oft auch entwicklungsgeschichtlich beschrieben 2). Im Hin- blick auf etwaige spätere Vergleichsuntersuchungen ist vielleicht eine Dokumentation der genannten Gutachten und Arbeiten von Interesse. Die auf der Seite 153 wieder- gegebene Zusammenstellung gibt unter diesem Gesichtspunkt eine Übersicht über die 22 Gebiete, deren Untersuchung bereits abgeschlossen wurde (acht weitere Ge- biete befinden sich zur Zeit in Bearbeitung)3).

Das hessische Gebiet südlich des Mains, über dessen sämtliche Teillandschaften die genannten (abgeschlossenen und noch laufenden) Untersuchungen verteilt sind, steht — gemessen an anderen Gebieten unseres Landes — hinsichtlich der Zahl und Fläche seiner heute vorhandenen und der bereits im Endstadium der Ausweisungsvorberei- tung befindlichen Naturschutzgebiete verhältnismäßig günstig da. So liegt die Frage

1) Von Arbeitsgebieten in anderen Teilen Hessens seien hier lediglich das Wiesbüttmoor im Spessart (GROSSE-BRAUCKMANN & STREITZ 1977) sowie die Moore bei Wehrda und Großenmoor in Osthessen (B. STREITZ 1980, noch unveröffentlichte Dissertation) erwähnt; alle drei Moore sind heute Naturschutzgebiete.

2) Drei weitere Arbeiten haben bislang keinen Niederschlag in Gutachten gefunden: diejenigen von J. HESCH (Trockenrasen an der Bergstraße, 1974), von H. BIERMANN (Sozialbrachen an der Bergstraße, 1974) und von U. LAUE (Rotböhl bei Gräfenhausen, 1980).

3) Die hier wiedergegebenen Fakten und Zahlen dürften erkennen lassen, daß diese Bearbeitun- gen keineswegs, wie von BAUER in dem gannten Artikel vermutet wird, lediglich auf der Basis flüchtiger botanischer Durchgänge zustandegekommen sind. Insofern — und auch im Hinblick auf einige andere Passagen, die hier nicht im einzelnen zitiert zu werden brauchen — müssen die Ausführungen jenes Artikels über die aus hessischen Hochschulen stammenden bota- nischen Beiträge zu unseren Naturschutzgebieten entschieden zurückgewiesen werden.

147 nahe, wie weit sich dieses Mosaik von Naturschutzgebieten, das beträchtlichem orni- thologischem Engagement und laufend verstärkten behördlichen Aktivitäten seine Existenz verdankt, bereits einem Idealzustand nähert. Die Antwort kann sicher nicht durch einen bloßen, pauschalen Flächenvergleich zwischen NSG- und Gesamtfläche gegeben werden (dieser Quotient liegt in Südhessen südlich des Mains bereits bei mehr als 1,6 0/o und ist damit spürbar höher als für Hessen insgesamt mit seinen rund 0,5 0/o NSG-Fläche). Vielmehr ist eine differenziertere Betrachtung notwendig, bei der vor allem die für unser Gebiet charakteristischen Biotoptypen einzeln berücksichtigt werden, und zwar nicht nur die selten. gewordenen sondern auch die noch ziemlich weit verbreiteten. Aus der botanischen Sicht des Verfassers, der sowohl allgemein mit den Vegetationsverhältnissen des Gebietes südlich des Mains einigermaßen ver- traut ist als auch mit seinen Naturschutzgebieten, lassen sich hierzu die folgenden Feststellungen treffen:

Unter den Wäldern sind gerade die ursprünglich so weit verbreiteten Hainsimsen- Buchenwälder, die für den Hinteren (= Sandstein-) Odenwald großflächig die poten- tielle natürliche Vegetation darstellen, in Naturschutzgebieten bislang noch nicht ver- treten. Das ist auch insofern zu bedauern, als gut entwickelte reale Reste darartiger Wälder durch die forstliche Begünstigung von Kiefern- und Fichtenforsten heute keineswegs mehr sehr verbreitet sind. Ebenfalls fehlen unter den Naturschutzgebieten des Hinteren Odenwaldes die durch die extensive Wirtschaftsweise des Eichen-Schäl- oder Hackwaldbetriebs extrem veränderten, fast schon zu Eichen-Birkenwäldern degradierten Ausbildungen der Hainsimsen-Buchenwälder, obwohl diese, als durch- wachsende Bestände, noch hier und da in größeren Flächen (auch forstfiskalischen!) vertreten sind und bei uns auch geradezu Kulturdenkmale einer vergangenen Zeit und Wirtschaftsform darstellen. Auch die Waldmeister-Buchenwälder, in reicheren oder mehr oder weniger verarmten Ausbildungen Charaktergesellschaften des Vorderen (= Granit-) Odenwaldes, sind in Naturschutzgebieten nur mangelhaft vertreten (nämlich auf dem anthropogen stark beeinflußten Felsberg und sehr kleinflächig im Schannenbacher Moor); gemessen an ihrer Bedeutung sind sie also keineswegs ausreichend und in gut entwickelten Bei- spielen in unseren Naturschutzgebieten repräsentiert. Was schließlich Waldgesellschaften von selteneren Sonderstandorten — außerhalb des später noch zu behandelnden nassen Standortbereiches — betrifft, so sind von diesen die Blockhalden- und Schluchtwälder, wie sie etwa im Krehberggebiet vor- kommen, und auch die Wälder trocken-warmer Standorte des Bergstraßenrandes bis- lang überhaupt nicht in Naturschutzgebieten vertreten. Anders als im Odenwald sehen die Verhältnisse hinsichtlich der Wälder in den Nie- derungsgebieten aus. So sind die für diese kennzeichnenden buchenreichen und typischen Eichen-Hajnbuchenwälder wenigstens im Norden der Oberrheinebene (unter Einschluß der Untermainebene) in schöner Ausbildung Teile von Naturschutzgebieten (vor allem im Mönchbruch, kleinflächig auch im NSG Torfkaute-Bannholz, die Bestände des Sauergrundes sind durch verschiedene Einflüsse allerdings stark verändert). Im Süden (vor allem im Jägersburger Wald) gibt es jedoch noch keine unter Naturschutz stehenden Bestände. Bodensaure Wälder finden sich auch in den Niederungen; extreme Ausbildungen von ihnen, den Eichen-Birkenwäldern nahestehend oder diesen bereits einzuordnen, sind dabei besonders für die Untermainebene kennzeichnend. In der Regel sind hier die ursprünglichen Laubwälder allerdings in Kiefernforsten umgewandelt oder zumindest durch Kiefernbeimischung stark verändert. Beispiele derartiger Bestände (jedoch kaum reiner Laubholzbestände) gibt es im Mönchbruch sowie kleinflächig auch im Hochbruch von Hausen.

148 Natürliche Kiefernwälder oder diesen nahestehende Kiefernforsten, Charakterbe- stände der dem Bergstraßenrand vorgelagerten Flugsandflächen, sind bislang noch nicht Teil von Naturschutzgebieten (abgesehen von minimalen Teilflächen der Gries- heimer Düne), jedoch steht nunmehr die Ausweisung des „Bergsträßer Kiefernwaldes" zwischen Darmstadt-Eberstadt und Seeheim als NSG beträchtlicher Flächenausdeh- nung wohl kurz bevor. Verhältnismäßig reichlich sind feuchte bis nasse Wälder (und Gebüsche) unter unseren Naturschutzgebieten vertreten, also vor allem die Erlen-Bruchwälder und die (aus ihnen nach einer gewissen Entwässerung u. U. hervorgehenden) Erlen-Auenwälder. Sie sind in z. T. schöner Ausbildung und noch einigermaßen großflächig im Hochbruch und Mönchbruch sowie im NSG Torfkaute-Bannholz vertreten, ferner auch im Silz- wiesengebiet sowie in geringem Umfang im Bruch von Bad König und bei Dorndiel; kleinflächig finden sich verwandte bachbegleitende (ebenfalls erlenreiche) Bestände auch im Odenwald und zwar im Schannenbacher Moor, im Roten Wasser sowie im Finkenbachtal. Andere unter Naturschutz stehende Erlen- und Grauweidenbestände sind dagegen oder waren (vor dem Wirksamwerden von Pflege- und Stützungsmaß- nahmen) stark von Grundwasserabsenkungen in Mitleidenschaft gezogen (z. B. das Rallbruch und der Hengster, auch die kleinen Gehölzbestände des Pfungstädter Moores), und bei wieder anderen handelt es sich um rein anthropogen entstandene Biotope, vor allem um frühere Abgrabungen oder Ausbaggerungen oder Teile von solchen, in denen nach Abschluß der Eingriffe dann eine (sehr langsame) natürliche Sukzession abgelaufen ist oder noch abläuft. In allen Fällen ist es noch nicht wieder zur Ausbildung eines stabilen bzw. eines pflanzensoziologisch einigermaßen definier- baren Vegetationszustandes gekommen. Der vegetationskundliche Wert ist hier des- wegen (noch) nicht so groß wie derjenige der zu Anfang genannten, stabilen Feucht- gebiete. Als Wälder zeitweilig überfluteter Standorte seien schließlich noch die Auenwälder des Rheins genannt, von denen bei Lampertheim und an Kühkopf und Knoblochsaue großflächig verschiedenartige Hartholz-Auenwälder sowie einige naturnahe Weiden- auenwald-Bestände unter Naturschutz stehen. Aus dem bisher Gesagten ergeben sich zwei Folgerungen: 1. Von den Waldgesellschaften der Niederung, vor allem von denjenigen auf Feucht- standorten, ist erfreulicherweise schon vieles Wesentliche in Naturschutzgebieten ver- treten, mögen dabei auch manche Wünsche, vor allem im Süden des Hessischen Rieds (im Jägersburger Wald, auch Steiner Wald), bislang noch offen sein. Dem- gegenüber ist im Odenwald die Naturschutzgebiets-Entwicklung noch außerordentlich weit zurück und zwar gerade im Hinblick auf Wälder. 2. Die besonders charakteristischen und auch überregional bedeutenden Waldgesell- schaften unseres Gebietes, die Rhein-Auenwälder und die Bergsträßer Kalksand- Kiefernwälder, sind (schon jetzt oder in naher Zukunft) erfreulicherweise mit den besten noch vorhandenen Beispielen großflächig in Naturschutzgebieten vertreten. Demgegenüber sind jedoch naturnahe Beispiele von weiter verbreiteten Wäldern „mittlerer" Standorte noch in völlig unzureichendem Maße unter unseren Naturschutz- gebieten repräsentiert. Und wie sieht es mit wald- und gehölzfreien Pflanzengesellschaften im Hinblick auf ihre Erhaltung in Naturschutzgebieten aus? Hier ist ein pauschaler Überblick sehr viel rascher zu gewinnen, da die „mittleren" Standorte sich bei uns ja in der Regel in intensiver landwirtschaftlicher Nutzung befinden (Ausnahme: die sogenannten Sozial- brachen) und daher unter Naturschutz-Gesichtspunkten kaum mehr von Interesse sind. Da ferner Reste bodensaurer Magerrasen und Heiden, die in manchen Gebirgen als Objekte für Naturschutzbemühungen eine große Rolle spielen, in der Oberrheinebene naturgemäß völlig fehlen und im Odenwald höchstens noch ganz kleinflächig vorkom-

149 men, können auch sie hier (leider) außer Betracht bleiben. Insofern sind es in unserem Gebiet praktisch nur die (aus landwirtschaftlicher Sicht) „zu nassen" oder „zu trocke- nen" Standorte und Pflanzengesellschaften, deren Erhaltung in Naturschutzgebieten von Bedeutung ist. Im Hinblick auf den Schutz der mehr oder weniger gehölzfreien Vegetationseinheiten von Trockenstandorten steht es nun bei uns nicht zum besten, obwohl sich derartige Pflanzenbestände immer noch hier und da an der Bergstraße und in dem vorgelagerten Flugsandgebiet erhalten haben. Die Sandtrockenrasen sind nämlich bislang nur durch ein einziges Naturschutzgebiet (Griesheimer Düne) vertreten. Daneben gibt es aller- dings noch ein paar flächenhafte Naturdenkmale, die jedoch den verschiedensten Gefährdungen ausgesetzt sind. Und noch schlechter steht es mit den Halbtrocken- rasen auf flachgründigen Verwitterungsböden; immerhin soll mit der Ausweisung des Hemsberges als NSG in dieser Hinsicht demnächst ein Anfang gemacht werden. Wesentlich günstiger sieht es mit unter Schutz stehenden Feuchtgebieten aus, denn in ihnen ist das Spektrum der in Frage kommenden Vegetationseinheiten immerhin einigermaßen repräsentiert: von den Pflanzengesellschaften des offenen Wassers (hierbei allerdings die ornithologische Bedeutung oft weit größer als die botanische) über Röhrichte und Seggenrieder bis hin zu (häufig) brachgefallenen oder (seltener) noch extensiv genutzten Feuchtwiesen. Entsprechende Pflanzenbestände besitzen immerhin — in größerer oder kleinerer Ausdehnung — gut anderthalb Dutzend unserer Naturschutzgebiete. Allerdings ist nur etwa ein Viertel von ihnen im Odenwald ge- legen. Einige der unter Naturschutz stehenden Feuchtgebiete besitzen Seggen- bestände oder Röhrichte und Feuchtwiesen nebeneinander, bei anderen kommt nicht das gesamte Spektrum dieser Vegetationseinheiten vor, jedoch sind diese, aufs ganze gesehen, in etwa gleichem Umfang repräsentiert. Dagegen sind gut ausgebildete Pflanzengesellschaften des stehenden Wassers sowie therophytische Schlammfluren wesentlich weniger vertreten. Nach der Naturausstattung unseres Gebietes ist für sie allerdings auch nur eine geringe Verbreitung zu erwarten. Nachdem in einigen unserer Feuchtgebiete in der letzten Zeit künstlich offene Wasserflächen angelegt worden sind, werden hier im übrigen — geeignete Pflegebedingungen vorausgesetzt — Stillwasser- und Schlamm-Pflanzengesellschaften in Zukunft vielleicht sogar eine verstärkte Rolle spielen. Zusammenfassend folgt hieraus für den Naturschutz gehölzfreier, offener Pflanzen- gesellschaften in mancher Hinsicht ähnliches wie für die Wälder: Der Odenwald ist, verglichen mit den Niederungsgebieten, auch in dieser Hinsicht noch recht unzurei- chend vertreten. Das gilt einerseits für die Trockenrasen an seinem (Bergstraßen-) Rand, zum andern für die Feuchtstandorte in seiner gesamten Fläche. Für diese sollte im übrigen nicht unerwähnt bleiben, daß ihnen auch eine beträchtliche landschafts- prägende Bedeutung zukommen kann. Das gilt vor allem für die schmalen, lang- gestreckten Täler, die lange Zeit als feuchtes, „natürliches" Mähgrünland bewirt- schaftet worden sind (oft als Bewässerungswiesen) und die ja wesentlich zum Land- schaftsbild des Gebietes mit beitragen. Auch insofern scheint es dringend geboten, die wenigen noch von Bebauung sowie von Fischteichanlagen und Aufforstungen frei ge- bliebenen, noch einigermaßen erhaltenen Talstücke mit ihren Feuchtwiesen (samt zu- gehörigen Brachen) durch Unterschutzstellung vor weiteren Zerstörungen zu bewah- ren, wofür mit dem Finkenbachtal jetzt ein erster Anfang gemacht worden ist. Wie steht es nach allem aus botanischer Sicht um die Naturschutzgebiete im hessi- schen Rhein-Main-Gebiet und Odenwald? Eine Antwort läßt sich nicht gut pauschal geben, sondern nur mit der in dem eingangs genannten Artikel von BAUER vorgeschla- genen Differenzierung zwischen komplexen Naturschutzgebieten und solchen mit Vorrangpositionen der einen oder anderen Disziplin.

150 Was den Typus von wirklich komplexen Gebieten betrifft, in denen also zoologische (vor allem ornithologische und herpetologische) Aspekte gleichrangig neben botani- schen (oder anderen, z. B. geologischen) stehen, so gibt es dafür in der Tat vorzüg- liche südhessische Beispiele, vor allem mit dem NSG Kühkopf-Knoblochsaue, aber auch mit dem Mönchbruch, dem Lampertheimer Altrhein und anderen.4) Schon durch eine Größe, wie sie diese Gebiete besitzen, ist eine wesentliche Voraussetzung für ein langfristig stabiles Gleichgewicht aller Strukturelemente solcher Ökosysteme — der „Produzenten" ebenso wie der „Konsumenten" — gegeben. Der komplexe Cha- rakter derartiger großer Gebiete, der im übrigen auch die Raumstruktur und damit die Zusammensetzung aus verschiedenartigen, mehr oder weniger naturnahen Teilöko- systemen betrifft ,ist hier also ein entscheidendes Element ihres Wertes, der auch aus botanischer Sicht nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Was den zweiten genannten NSG-Typus betrifft, so können als Gebiete mit vorrangig (oder ausschließlich) floristisch-vegetationskundlicher Bedeutung nur ein rundes hal- bes Dutzend angesprochen werden; als bemerkenswerteste und dabei relativ große seien hier lediglich Hochbruch von Hausen und Torfkaute-Bannholz genannt. Unter den verbleibenden Gebieten, die insgesamt mehr als die Hälfte der (am 31. 12. 1981: dreißig) südhessischen Naturschutzgebiete ausmachen, wird die überwiegende Zahl als vorrangig von ornithologischer Bedeutung einzustufen sein. Floristisch-vegetations- kundlich geben alle diese Gebiete nicht viel her, da sie in der Regel eine triviale Flora beherbergen; teilweise sind sie außerdem — aus den verschiedensten Gründen — mehr oder weniger gestört und damit einerseits pflanzensoziologisch „untypisch", anderer- seits instabil. Bei dieser Bewertung wird allerdings von der gegenwärtigen Pflanzen- decke ausgegangen und von einer Berücksichtigung des möglicherweise später irgend- wann einmal zu realisierenden botanischen „Potentials" abgesehen. Bereits aus diesen Zahlenangaben wird deutlich, daß in Südhessen aus botanischer Sicht noch zahlreiche Wünsche offen sind. Es liegt auf der Hand, daß für die übrigen hessischen Landesteile, die nach Zahl und Fläche ihrer Naturschutzgebiete wesentlich ungünstiger dastehen, noch viel mehr zu wünschen übrig bleibt. Oben wurde bereits ausgeführt — und das gilt wiederum für ganz Hessen —, daß wesentliche Wünsche aus botanischer Sicht nicht zuletzt auch der Ausweisung groß- flächiger Wald-Naturschutzgebiete gelten, und zwar auch solcher mit typischen Aus- bildungen von relativ weit verbreiteten Waldgesellschaften. Gerade in Hessen, wo ein Programm von speziellen Naturwaldreservaten im Gegensatz zur Mehrzahl der übrigen Bundesländer (TRAUTMANN 1976, 1980) bislang nicht zustandegekommen ist, gibt es insofern einen deutlichen Nachholbedarf (das Altholzinsel-Programm ist ja sowohl von der Flächenauswahl als auch von ihrer Größe her nichts Vergleichbares). Der Verfasser ist jedoch zuversichtlich, daß auch aus botanischer Sicht die Entwicklung der Natur- schutzgebiets-Ausweisungen weiterhin einen positiven Verlauf nimmt und daß bei uns — nicht nur im südhessischen Ballungsraum sondern in ganz Hessen — die Zahl der großen, vielfältigen und stabilen Naturschutzgebiete weiter stetig zunimmt, was außer für Gebiete mit komplexem Schutzzweck hoffentlich auch für solche mit botanischem Schwerpunkt gilt. Mit dem Blick auf dieses Ziel hoffen die am Naturschutz interessier- ten Botaniker, die sich in der Botanischen Vereinigung für Naturschutz in Hessen zu- sammengeschlossen haben, auch auf eine der Sache des Naturschutzes dienende, weiterhin enge Kooperation mit allen anderen für den Naturschutz aktiven Kräften unseres Landes — insofern kann Naturschutz im übrigen ja immer nur ein „komplexes" Anliegen sein, zu dem sich alle wirklich für den Naturschutz Engagierten aufgerufen fühlen, ohne über irgendwelche Vorrangpositionen nachzudenken.

4) Von den weniger großen Gebieten können zu diesem komplexen und dabei auch botanisch bemerkenswerten Typus noch das „Finkenbachtal" und die „Bruderlöcher' sowie wohl auch der „Reinheimer Teich" gerechnet werden.

151 Literatur

BAUER, W. (1981): Zu „Wiedergewinnung von Feucht- und Naßgebieten aus bota- nischer Sicht". — Vogel und Umwelt 1: 261-262.

GROSSE-BRAUCKMANN, G., W. HAUSSNER & K. MOHR (1973): Über eine kleine Vermoorung im Odenwald, ihre Ablagerungen und ihre Entwicklung — auch im Zu- sammenhang mit der Entwicklung der umgebenden Kulturlandschaft. — Zeitschr. f. Kulturtechnik u. Flurbereinigung 14: 132-143.

GROSSE-BRAUCKMANN, G. & B. STREITZ (1977): Das Wiesbüttmoor: Über die Pflan- zendecke eines kleinen Naturschutzgebietes im Spessart. — Natur u. Museum 107: 103-108, 141-148.

TRAUTMANN, W. (1976): Stand der Auswahl und Einrichtung von Naturwaldreservaten in der Bundesrepublik Deutschland. — Natur und Landschaft 51: 67-72.

TRAUTMANN, W. u. a. (1980): Naturwaldreservate in der Bundesrepublik Deutschland. — Natur und Landschaft 55: 131-161.

Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. GISBERT GROSSE-BRAUCKMANN, Botanisches Institut der Technischen Hochschule, Schnittspahnstraße 3-5, 6100 Darmstadt

152

Im Hinblick auf die Ausweisung und Pflege von Naturschutzgebieten während der Jahre zwischen 1977 und 1981 vom Botanischen Institut der TH Darmstadt aus bearbeitete südhessische Gebiete

Bezeichnung der Gebiete als NSG ungef. Bearb.- Gut- Examensarbeit? (z. T. verkürzt) und ihre ausge- Größe d. zeit: achten: Kreiszugehörigkeit') wiesen? Untersu- wann? wann? Verfasser Jahr (seit?) chungs- 3) 4) d. Ab- i gebiets sch).

Gebiete in Rheinniederung und Rheinebene, vor allem im Verlauf des Altneckars: HP Steiner Wald 150 ha 79/80 81 J. Winkler 80 HP Bensh.-Hepp. Tongruben NSG 77 72 ha 77/79 77/80 DA Hainlache Bickenbach, NSG 78 DA Bickenbacher Altneckar- E.E Mally- 40 ha 77/78 79 78 schlingen Schilling DA Pfungstädter Moor NSG 55 35 ha 77/78 77/79 GG Crumstädter Gern.-Wald — 45 ha 80 81 G. Häuser 80 GG Wolfsangel, Stadtpfad — 30 ha 80 81 G. Arndt 81 GG Rallbruch NSG 79 40 ha 79/80 81 C. Hänsl 80 R. Hofmann 80 GG Torfkaute/Bannholz NSG 79 55 ha 79/80 81 C. Hänsl 80 GG Riedloch b. Trebur (NSG) 6 ha 81 82 5)

Gebiete in Mainniederung und Mainebene GG Sauergrund NSG 54 31 ha 80 81 G. Häuser 80 GG Mönchbruch NSG 81 500 ha 79/80 80 H. Peter 79 OF Gehspitzweiher NSG 81 25 ha 79 80 HU Hochbruch v. Hausen NSG 78 90 ha 78 79 M. Pieke 78 OF Schwarzbruch bei S. Hodvina 80 OF 35 ha 79/80 81 Seligenstadt J. Bachmann 81

Gebiete in Odenwald und Dieburger Bucht sowie im Darmstädter Flugsand- und Dünengebiet HP Finkenbachtal NSG 81 26 ha 80/81 82 M. Walouch 81 ERB ERB Rotes Wasser v. Olfen NSG 80 12 ha 79/80 80/81 G. Ader 80 ERB Bruch v. Bad König NSG 80 22 ha 81 82 5) HP Hemsberg v. Bensheim (NSG) 20 ha 81 82 5) HP Schannenbacher Moor NSG 75 15 ha 78 79 HP Beedenkirchener Moor 15 ha 79 80 6) G. Polzer 79 DA Reinheimer Teich NSG 76 78 ha 78/79 80 F. Lehmkuh) 79 DA Bergsträßer Kiefernwald (NSG) 500 ha 81 82 K. Böger 82 ') Kreiszugehörigkeit durch vorangestellte Kraftfahrzeug-Kennzeichen angegeben. 2) Jahr des Inkrafttretens der Schutzverordnung; die Angabe (NSG) wurde für Gebiete ein- gesetzt, deren Ausweisung bald zu erwarten ist. 3) Die Angabe soll einen Hinweis darauf liefern, auf welches Jahr die Dokumentation des floristi- schen und Vegetationszustandes sich bezieht. 4) Einige der Arbeiten behandeln zwei Gebiete, in anderen Fällen war ein einziges Gebiet Gegen- stand von zwei getrennten Arbeiten. 5) Bearbeitung durch C. Hänsl und S. Hodvina, jedoch nicht im Rahmen von Examensarbeiten. 6) Siehe hierzu auch die Veröffentlichung von GROSSE-BRAUCKMANN, HAUSSNER & MOHR, 1973.

153 Neue Literatur

GARVE, E. (1977): Die Vögel der Südheide und der Allerniederung. 1. Teil Non-Passeri- formes. Celler Ber. Vogelkunde H. 3, 336 S. (zu beziehen beim Verf.: Gänseplan 7, 3400 Göttingen)

Neben verschiedenen, ausführlichen Regional- und Kreisavifaunen NW-Deutschlands, wie zum Beispiel über den Kreis Höxter (K. PREYWISCH 1962), Kreis Paderborn (R. WEIMANN 1965), Peine (H. OELKE 1963), Kreis Münden (W. SCHELPER 1966), Kreis Lüchow-Dannenberg (W. MEIER 1969), Salzgitter (K. JUNG 1971), Kreis Kassel (LUCAN, NITSCHE & SCHUMANN 1974), Siegerland (FRANZ & SATOR 1978), Solling (E. SCHERNER 1980) u. a., erschien schon 1977 für den Raum Südheide der 1. Teil einer Avifauna als 2. Ausgabe der Non-Passeriformes. Seit 1964 sammelt dort die Arbeitsgruppe Südheide e. V. vogelkundliche Daten aus den Kreisen Fallingbostel, Celle und Gifhorn, einschließlich des Stadtkreises Wolfs- burg. Der Verfasser verarbeitete in diesem Band ein sehr umfangreiches Datenmate- rial zur Brutverbreitung, zu Bestandsverhältnissen, zum Zugverhalten und zum Arten- und Biotopschutz. Jede Art wird ausführlich auf ein bis drei Seiten (Kranich auf fast 13 Seiten) dargestellt. Das Werk zeigt damit anschaulich einen noch naturnahen und artenreichen Raum des mittleren Norddeutschland. Gespannt warten die Vogelkundler Niedersachsens und seiner Nachbarländer auf den zweiten Teil mit den Passeriformes. V. LUCAN

SCHIFFERLI, A., P. GROUDET, R. WINKLER (1980): Verbreitungsatlas der Brutvögel der Schweiz. Sempach, 462 S.

Als Grundlage für das zukünftige europäische Atlasprojekt für 1985 legte die Schwei- zer Vogelwarte Sempach ihren Verbreitungsatlas der Schweizer Brutvögel in 10 x 10 km-Rastern vor. Bisher veröffentlichten Dänemark (1976), Frankreich (1976), Groß- britannien (1976) und in der ersten Ausgabe die Bundesrepublik Deutschland ihre Atlanten. Das Schweizer Werk basiert auf fünf Brutperioden (1972-1976) und auf 40 000 Daten (Computerauswertung), verteilt auf 468 Quadranten. Sicher hätte den starken Reliefunterschieden in der Schweiz ein 5 x 5 km-Raster noch besser ent- sprochen. Es werden 188 Brutvogelarten je auf einer Doppelseite mit großer, klarer Verbrei- tungskarte, im Text zweispaltig und zweisprachig in deutsch und französisch dar- gestellt. Dabei erfolgen, von 65 Artbearbeitern geschrieben, möglichst genaue An- gaben zur Verbreitung, Höhenverbreitung, zu Biotopen, zur Siedlungsdichte, zur Zug- phänologie und zu jüngsten Bestandsschwankungen jeder Vogelart. Für Schlangenadler, Mornellregenpfeifer und Blaukehlchen konnten in den fünf Brut- perioden keine Brutnachweise erbracht werden. Mit diesem modernen Schweizer Atlaswerk liegt nach dem schon klassischen Handbuch von GLUTZ (1962) „Die Brut- vögel der Schweiz" ein Vogelverbreitungsbuch in bester Ausstattung vor, das auch die Singvögel Mitteleuropas erfaßt und beste vogelkundliche Hinweise für das be- nachbarte Südwestdeutschland und die Bundesrepublik Deutschland gibt. V. LUCAN

154 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 155-157 (1982)

Ergebnisse einer vierjährigen Bestandserfassung des Blaukehlchens (Luscinia svecica cyanecula) am Lampertheimer Altrhein, Kreis Bergstraße (1977 -1980) von KLAUS VOWINKEL, Göttingen

Das Untersuchungsgebiet, das in dem Buch „Die Naturschutzgebiete in Hessen" von U. HILLESHEIM-KIMMEL et al. (1978) ausführlich beschrieben ist, liegt unmittel- bar westlich von Lampertheim zwischen 87 und 91 m über NN. Die dem Blaukehlchen als Bruthabitat dienenden Schilfbestände weisen eine Gesamtfläche von 55 ha auf und liegen über dem Mittelwasserstand. Der feuchteste Teil (40 ha) läßt sich noch gut der Subassoziation Rohrglanzgras-Gesellschaften — Phalaris arundinacea — zuordnen, der trockene Teil vermittelt zu den reinen Brennessel-Fluren bzw. zu den Seiden-Winden- Gesellschaften — Cuscuto-Convolvuletum — (DISTER 1980). Die Röhrichte sind durch eine jahrweise wechselnd große Anzahl von Schneisen aufgelockert. Angaben zum Brutvorkommen des Blaukehlchens liegen seit 1949 vor, jedoch werden nur die Kontrollen mit vergleichbarem Zählmaterial (n = 109) aus den Jahren 1977 bis 1980 für die Auswertung herangezogen. Über die Verteilung des Beobachtungsmaterials auf die einzelnen Jahre und Monate informiert Tabelle 1.

Tabelle 1: Verteilung des Beobachtungsmaterials (E = Anzahl der Exkursionen mit einer Feststellung, B = Anzahl der Beobachtungen) Jahr März April Mai Juni Juli Summe E B E B E B E B E B E B 1977 4 12 15 133 10 99 5 11 5 6 39 261 1978 6 12 7 76 7 102 3 6 3 4 26 200 1979 1 8 8 48 5 26 4 12 0 0 18 94 1980 2 13 8 58 9 70 7 10 0 0 26 151 Summe: 13 45 38 315 31 297 19 39 8 10 109 706

Für die Überlassung von Beobachtungsdaten bin ich den Herren H. BEHRENS, C. HAAS, K. & U. HANDKE und H. SIEGEL zu Dank verpflichtet.

Bei den fast ausschließlich in den Morgenstunden von 6 bis 9 Uhr durchgeführten Exkursionen wurden alle potentiellen Bruthabitate des Blaukehlchens aufgesucht und die singenden Männchen kartiert. Dies geschah in den ersten beiden Untersuchungs- jahren unter Zuhilfenahme einer Klangattrappe von März bis Juli. Mit zunehmender Kenntnis der Revierverteilung wurde diese Methode nur noch bei fortgeschrittener Brutperiode zur Abklärung strittiger Revierfragen heranzogen. Zur Festlegung eines besetzten Revieres mußten mindest drei revieranzeigende Merk- male im Abstand von mindest einer Woche vorliegen. Eine Nestersuche unterblieb aus Schutzgründen. Mit dieser Erfassungsmethode fanden auch reviertreue, unver- paarte Männchen Berücksichtigung, die Bestandteil der Population sind. Es ist deshalb von besetzten Revieren und nicht von Brutpaaren auszugehen. In einem besonders intensiv kontrollierten Schilfbereich von 21 ha wurde der zeitliche Verlauf der Revierbesetzung ermittelt. Einbezogen sind nur Angaben von Revier-

155 Inhabern, die den eingangs erwähnten Kriterien entsprechen. Durchzügler konnten so weitgehend eliminiert werden. Die Besetzung der Reviere erfolgte 1977 und 1978 innerhalb von vier Wochen. 1977 ging die Entwicklung trotz einer von Mitte bis Ende März andauernden Hochwasser- welle ohne erkennbare Umsiedlungen weiter. Für die übrigen Untersuchungsjahre ist eine derartige Darstellung infolge hochwasserbedingter Unbegehbarkeit (1979) bzw. mangelnder Kontrolltätigkeit (1980) nicht möglich. Eine Habitatpräferenz für eine der beiden oben genannten Röhricht-Gesellschaften konnte nicht festgestellt werden, so daß die Gesamtfläche von 55 ha bei einer nahezu gleichmäßigen Verteilung als Bezugsgröße zur Abundanzermittlung diente (siehe Tabelle 2).

Tabelle 2: Abundanzen (Reviere/10 ha) des Blaukehlchens am Lampertheimer Altrhein Jahr Anzahl der Reviere Reviere/10 ha 1977 24 4,3 1978 31 5,6 1979 22 4,0 1980 27 4,9 Im Durchschnitt 26 4,7

Die Zunahme der Blaukehlchen-Population gegenüber 1976 von 14 auf 24 singende Männchen (1977) ist nur teilweise mit der gesteigerten Beobachtertätigkeit zu erklären, da einzelne in den Vorjahren regelmäßig kontrollierte Randbereiche 1977 erstmals besiedelt wurden.

Der Vergleich mit anderen Untersuchungsergebnissen (BLASZYK 1963, MAHLER 1979, RETTIG 1974, SCHMIDT 1974, SCHMIDT-KOENIG 1956, THEISS 1973 und ZACH 1979) ergibt eine hohe Abundanz für das untersuchte Gebiet. Entgegen den Befunden von SCHMIDT-KOENIG (1956) konnte ich über die April- mitte hinaus keine ankommenden Männchen feststellen, die ein Revier bezogen. Es empfiehlt sich daher bei der Bestandserfassung, schon die ersten singenden Männ- chen zu notieren. Die eigenen Angaben über die Zeitspanne bis zur Vollbesetzung der Teilpopulation decken sich recht gut mit denen aus dem Rötelseeweihergebiet in der Oberpfalz. ZACH (1979) notierte die Besetzung der Brutreviere bis zur dritten April- dekade bei einer mittleren Ankunftszeit am 31. 3. (n = 8). Der Lampertheimer Altrhein ist neben dem NSG Kühkopf-Knoblochsaue der bedeu- tendste Blaukehlchen-Brutplatz Hessens. Der Bruterfolg wird aber durch die fast all- jährlich während der Brutperiode auftretenden Hochwasserwellen des Rheins be- einträchtigt.

Literaturverzeichnis BLASZYK, P. (1963): Das Weißsternige Blaukehlchen (Luscinia svecica cyanecula), als Kulturfolger in der gebüschlosen Ackermarsch. 1. Orn. 104: 168-181. DISTER, E. (1980): Geobotanische Untersuchungen in der hessischen Rheinaue als Grundlage für den Naturschutz. Dissertation, Göttingen. HILLESHEIM-KIMMEL, U., H. KARAFIAT, K. LEWEJOHANN & W. LOBIN (1978): Die Naturschutzgebiete in Hessen; 2. Aufl., Inst. für Naturschutz, Darmstadt, S. 27-38 MAHLER, U. (1979): Zur Okologie der Vögel im geplanten Naturschutzgebiet „Wag- ' bachniederung". Dipl.-Arbeit am Zoolog. Inst. der Universität Heidelberg. RETTIG, K. (1974) Über den Rückgang des Weißsternigen Blaukehlchens (Luscinia svecica cyanecula) in der Ackermarsch bei Emden. Orn. Mitt. 26: 25-26.

156 SCHMIDT, E. (1974): Das Blaukehlchen. Die Neue Brehm-Bücherei, Bd. 426, Witten- berg-Lutherstadt. SCHMIDT-KOENIG, K. (1956): Über Rückkehr, Revierbesetzung und Durchzug des Weißsternigen Blaukehlchens (Luscinia svecica cyanecula) im Frühjahr. — Die Vogelwarte 18: 185-197. THEISS, N. (1973): Brutbiologische Beobachtungen an einer isolierten Population des Blaukehlchens (Luscinia cvecica cyanecula) in Oberfranken. Orn. Mitt 25: 231 bis 240. ZACH, P. (1979): Zum Vorkommen des Blaukehlchens im Rötelseeweihergebiet mit Notizen zur Fortpflanzungsbiologie. Jber. der Orn. Arb.gem. Ostbayern 6: 77-87.

Anschrift des Verfassers: KLAUS VOWINKEL, Arndstraße 10, 3400 Göttingen

Neue Literatur

BERGMANN, H.-H. & H.-W. HELB (1982): Stimmen der Vögel Europas. Gesänge und Rufe von über 400 Vogelarten in mehr als 2000 Sonagrammen. BLV München, Wien, Zürich, 416 S.

Nach A. VOIGTS klassischem „Exkursionsbuch zum Studium der Vogelstimmen" von 1894 liegt nun seit Sommer 1982 ein ganz neuartiger Vogelstimmenführer vor. Dieser enthält erstmals die Gesänge und Rufe der europäischen Vogelarten in einem hand- lichen Band, dargestellt mit der objektiven Methode des Klangspektrogramms. Fast alle auffälligen Rufe und Gesänge werden in klaren Sonagrammen schwarz auf weiß übersichtlich abgebildet. Daraus lassen sich exakt Tonhöhe, Klangreinheit, Tempo und Melodie, sowie einzelne Elemente, Silben, Phrasen und Motive des Gesangs ablesen, gewissermaßen eine Sichtbarmachung von Tonbandaufnahmen. Dieser inhaltsreiche Führer bietet eine gründliche und instruktive Einführung auf 37 Seiten, dann im Hauptteil auf 363 Seiten über 400 Artbeschreibungen mit etwa je 4-6 Sonagrammen, jeweils 1-2 Vogelarten auf einer Seite, systematisch geordnet. Besonders hervorzuheben sind die 12 vergleichenden Sonagrammtafeln verwandter Arten, wie Rallen, Eulen, Spechte, Rohrsänger, Grasmücken, Laubsänger u. a., die einen guten Überblick und Vergleich der Stimmen ermöglichen. Ergänzt wird diese optisch-akustische Art der Vogelbestimmung durch Hinweise und Informationen zu 1) Kennzeichen der Art (mit Gewichten!), 2) Verbreitung und Lebensraum und 3) Gesang/Rufe und Stimme (mit herkömmlicher Beschreibung), dazu neu in deutschen Bestimmungswerken 4) Instrumentallaute, wie Trommeln, Flügelklatschen, Schnabel- knappen, soweit bekannt. Diese Angaben konnten sicher aus Platzgründen nur kurz und knapp ausfallen, dabei sind Häufigkeits- und Größenangaben, z. B. wie beim Turmfalken „sehr häufiger, kleiner rotbrauner Falke ..." bestimmt sehr relativ und nicht überall zutreffend. Die Artbeschreibungen werden bereichert durch Federzeichnungen von F. MÜLLER, Gersfeld, die typische Gesangs- und Rufposen vieler Arten sehr anschaulich zeigen. Ein tieferes Eindringen in das interessante Gebiet des Gesangsverhaltens und der Bio- akustik ermöglicht ein umfangreiches Literaturverzeichnis von ca. 400 Quellenangaben. Zusammen mit einem guten Feldführer (und einem tragbaren Tonbandgerät mit Richt- mikrophon) ist der Vogelbeobachter mit diesem neuen Vogelstimmenführer bestens ausgerüstet. V. LUCAN

157 HEYNITZ, K. v. & G. MERCKENS (1982): Das biologische Gartenbuch. — 3. Auflage, 288 S., 67 Farb-, 33 Schwarzweiß-Fotos, 150 Zeichnungen, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart. Es ist leider eine Tatsache, daß Pflanzenbehandlungsmittel im Haus- und Kleingarten mit am häufigsten zur Anwendung kommen. Dies ist um so unverständlicher, als es gerade im eigenen Garten möglich sein sollte, auf diese Mittel weitgehend zu verzich- ten. Wesentliche Gründe für diesen bedauerlichen Umstand sind vermutlich die Be- quemlichkeit der Gartenbesitzer und der mit der Anwendung dieser Stoffe verbundene geringe Arbeitsaufwand. Jedoch scheint sich in den letzten Jahren auf diesem Gebiet ein Wandel zu vollziehen. Immer mehr Menschen gehen dazu über, eine „naturgemäße" Gartenbewirtschaftung durchzuführen. Nicht selten steht der Hobby-Gärtner vor der Frage, woher er fachmännische Ratschläge für eine solche Bearbeitungsform bekom- men kann. Das vorliegende Buch versucht, auf alle anfallenden Fragen eine Antwort zu geben und gleichzeitig Vorschläge für die Gartenbewirtschaftung zu machen. Die Autoren berichten über die Planung und Einrichtung eines Gartens ebenso wie über den Umgang mit dem Boden, dem Düngen, der Gartenarbeit, der Gartenpflege, dem Gemüsegarten, dem Obstgarten sowie dem Wohn- und Ziergarten. Ein Abschnitt wird auch den im Garten lebenden Tieren gewidmet. So werden Hinweise zur Anbringung von künstlichen Nisthöhlen und zur Herrichtung von Nestunterlagen für freibrütende Vogelarten gegeben. Auch über Bienenhaltung und Gartenbewohner wie z. B. Igel und Eidechsen wird berichtet. Eine gute Bebilderung untermauert den Text. Das Buch ist ein unentbehrlicher Ratgeber für jeden Gartenbesitzer, der seinen Garten nach biologischen Grundsätzen bewirtschaften will. W. KEIL

LOOFT, V & G. BUSCHE (1981): Vogelwelt Schleswig-Holsteins. — Band 2: Greif- vögel. — 199 S., 91 Kartenskizzen und Grafiken, 76 Fotos, Karl Wachholtz Verlag, Neumünster. Der 2. Band der Avifauna Schleswig-Holsteins ist den Greifvogelarten gewidmet. Den Ornithologen dieses Bundeslandes geht es nicht nur darum, eine Darstellung der Ent- wicklung und heutigen Verbreitung dieser Vogelarten zu geben, es ist Ihnen ebenso ein Anliegen, die Aspekte der Lebensraumerhaltung und -gestaltung aufzuzeigen wie auf die vielseitige Bedrohung dieser Vögel durch biotische und abiotische Faktoren auf- merksam zu machen. Letztlich sei auf die sehr unterschiedliche Auffassung über Be- deutung und Einfluß der Greifvögel von Biologen einerseits sowie von Jägern und Kleintierhaltern andererseits hingewiesen. Es mehren sich die Anläufe, das seit 1977 bundesweit geltende ganzjährige Jagdverbot auf einige Greifvogelarten (besonders Habicht) wieder aufzuheben. Die Autoren machen deutlich, wie sich die Situation am Beispiel von Schleswig-Holstein zuspitzt. Abgehandelt werden 30 Greifvogelarten, die entweder als Brutvögel (auch ehemalige Brutvogelarten werden vorgestellt) oder als Durchzügler in Schleswig-Holstein festgestellt werden konnten. Umfangreiche jahre- lange Erhebungen waren notwendig, um entsprechend aussagekräftiges Material zusammenzubringen. Zu jeder Art werden Angaben über Brutvorkommen, Wande- rungen, Bestandsentwicklung, Verfolgung, Nahrung, Lebensraum und Schutzmaßnah- men gemacht. Ein Anhang bringt u. a. Tabellen über den Greifvogelabschuß bzw. -fang, über Jagdstrecken von Greifvögeln und Angaben über Brutreviere verschiedener Arten. Das Schriftenverzeichnis umfaßt 7 1/2 Druckseiten. Insgesamt gesehen ein ge- lungenes Werk, das auch für die Verhältnisse in anderen Bundesländern als Ver- gleichsmaterial herangezogen werden kann. Eine Diskussion darüber, ob eine Avi- fauna „so" oder „so" darzustellen ist, erscheint dem Rezensenten müßig. Hierüber sollten die im jeweiligen Bundesland arbeitenden Ornithologen selbst befinden und diejenige Form wählen, die ihnen am geeignetsten erscheint. W. KEIL

158 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 159-162 (1982)

Ursachen von Vogelansammlungen auf Mülldeponien und ihre Auswirkungen

von WERNER KEIL, Frankfurt a. M.

Mülldeponien bieten einer ganzen Reihe von Vogelarten vielfältigste Nahrungsmög- lichkeiten, wenn Hausmüll, Gartenabfälle, Stallmist, Trester und ähnliche Stoffe dort abgelagert werden. Hinzu kommt, daß z. B. auf Deponien anzutreffende Insekten und Kleinsäuger eine zusätzliche Attraktion für Vögel darstellen. Während früher jede Ge- meinde ihre örtliche Deponie betrieb, wurden im letzten Jahrzehnt, meist auf Kreis- ebene, zentrale Anlagen eingerichtet und gleichzeitig die lokalen geschlossen. Dies hatte zur Folge, daß sich auch die betreffenden Vogelarten auf die relativ wenigen Plätze konzentrieren mußten. Die Zentralisierung gibt die Möglichkeit, die auf Depo- nien vorhandenen Vogelschwärme besser zu überwachen und zu kontrollieren. Bisher konnten folgende Vogelarten mehr oder weniger häufig auf Mülldeponien be- obachtet werden: — Möwen (Silber-, Sturm-, Mantel- und Lachmöwe) — Krähen (Raben- und Saatkrähe) — Elster — Eichelhäher — Tauben (Ringel-, Türken- und verwilderte Haustaube) — Greifvögel (Mäusebussard, Turmfalke) — Star — Sperlingsvögel (z. B. Haussperling, Buch- und Grünfink) Die Liste macht deutlich, daß es sich von den Greifvogelarten abgesehen, um Vogel- arten handelt, die besonders außerhalb der Brutzeit in größeren Schwärmen vorkom- men. Die Größenordnung, in der die einzelnen Arten auftreten, ist vor allem vom Nah- rungsspektrum, dessen Angebot sowie von den lokalen und jahreszeitlichen Gegeben- heiten abhängig. Während z. B. an der Küste die Silbermöwe im allgmeinen als häu- figste Vogelart auf Mülldeponien anzutreffen ist, liegt das Schwergewicht im Binnen- land bei Lachmöwe, Saatkrähe, Ringeltaube und Star. Betrachtet man die zeitliche Verteilung so werden im Winterhalbjahr weit höhere Arten- und Individuenzahlen fest- gestellt als beispielsweise während der Brutzeit. Ab den Monaten September/Oktober ist ein deutlicher zahlenmäßiger Anstieg der einzelnen Arten zu erkennen. Dieses Anwachsen beruht sowohl auf dem Hinzukommen der Jungvögel wie auch auf dem Zuzug aus Nord- und Osteuropa im Herbst. Mülldeponien stellen für die aufgeführten Vogelarten eine wesentliche Ernährungsgrundlage im Winterhalbjahr dar. Dies gilt im Binnenland besonders für Lachmöwe, Saatkrähe und Star. Meist kommen die Schwärme dieser Vogelarten morgens von den Schlafplätzen zur Deponie, nehmen Nahrung auf und halten sich im Deponiebereich oder dessen Umgebung bis zum Ein- bruch der Dämmerung auf. Abends geht dann der Flug zurück zu den Schlafplätzen. So kann davon ausgegangen werden, daß z. B. die in den letzten 30 Jahren stark an- gewachsene! Zahl von im unteren Maintal (Hanau im Osten, Wiesbaden im Westen) überwinternden Staren auf diesen Umstand zurückzuführen ist. Gleiches gilt für Lach- möwe und Saatkrähe. Insbesondere während längerer Frostperioden oder bei ge- schlossener Schneelage wird dieser Umstand deutlich. In welchen Größenordnungen die genannten Vogelarten auftreten können, mag am Beispiel zweier Deponien im Main-Taunus-Kreis (Flörsheim/Wicker und Weilbach)

159

veranschaulicht werden. Die Vogelbeobachtungen fanden in den Monaten November/ Dezember 1978 statt.

Deponie Flörsheim/Wicker: Der Hausmüllanteil am Gesamtaufkommen der Deponie beläuft sich auf 33°/o. Ins- gesamt wurden während der Beobachtungszeit 14 verschiedene Vogelarten festge- stellt. Im einzelnen konnten folgende Zahlen für die verschiedenen Vogelarten er- mittelt werden:

Lachmöwe 120 — 800 Exemplare Star 100 — 5000 " Rabenkrähe 10 — 30 11 Saatkrähe 70 — 300 11 Haustaube 8 — 10 11 Elster 5— 15 19 Feldlerche 6 — 8 51 Buchfink 10 — 20 5/ Hänfling 15 — 25 11 Haussperling 50— 80 1/ Mäusebussard 2 11 Rotmilan 1 /1 Turmfalke 2 15 Fasan 1 11

Von den beobachteten Vogelarten sind von den Individualzahlen gesehen Lachmöwe, Star, Saatkrähe und Haussperling von Bedeutung. Bei den drei Greifvogelarten und dem Fasan handelt es sich um gelegentliche Besuche von in der Umgebung lebenden Individuen. Buchfink und Hänfling dürften auf dem Zug die Deponie aufgesucht haben. Sie konzentrierten sich dort, wo samentragende Ruderalpflanzen wuchsen. Haustaube und Haussperling suchen, von den benachbarten Gemeinden kommend, die Deponie in unregelmäßigen Zeitabständen und in stark schwankender Zahl auf. Bei Lachmöwe und Saatkrähe handelt es sich um Zugvögel, die den Winter im unteren Maintal verbringen (Ankunft: Oktober; Rückkehr in die Brutheimat: März). Die Staren- trupps setzen sich sowohl aus Tieren zusammen, die als Zuzügler im Bereich der Main- spitze den Winter verbringen, als Durchzügler kurze Zeit verweilen und weiter nach Westen ziehen sowie letztlich um Standvögel. Die Lachmöwen-, Saatkrähen- und Starenschwärme halten sich den ganzen Tag im Deponiebereich oder deren unmittelbaren Umgebung auf. Der Abflug zu den jeweiligen Schlafplätzen erfolgt mit dem Einsetzen der Dämmerung. Morgens sind die Vögel etwa eine halbe Stunde nach dem Hellwerden im Deponiebereich.

Deponie Weilbach: Nach meiner Kenntnis wird in der Deponie Weilbach ausschließlich Hausmüll abge- lagert. Insgesamt werden dort neun Vogelarten (Lachmöwe, Star, Saatkrähe, Raben- krähe, Mäusebussard, Turmfalke, Türkentaube, Haustaube, Buchfink) festgestellt. Je- doch konnten lediglich bei drei Arten (Lachmöwe, Star, Saatkrähe) größere Schwärme beobachtet werden.

Lachmöwe 350 — 1000 Exemplare Star 300 — 3000 " Saatkrähe 50 — 150 /1

160 Da die Deponien Weilbach und Flörsheim/Wicker nur rund 5,5 km voneinander ent- fernt liegen, konnten Pendelbewegungen zwischen beiden Plätzen an jedem Beobach- tungstag festgestellt werden. Neben den hier genannten Deponien wurden zwei weitere Anlagen im unteren Maintal untersucht (Buchschlag und Mörfelden/Walldorf) und ähnliche Verhältnisse wie oben beschrieben vorgefunden. Die stärkste Vogelmassierung im Bereich von Mülldeponien ist in der Zeit von Oktober bis März zu beobachten. Der Kulminationspunkt ist der November. Da zu dieser Zeit Durchzügler, Überwinterer und Standvögel gleichermaßen anzutreffen sind. Die im Deponiebreich und dessen Umgebung auftretende Vogelkonzentrierung kann auf die Umgebung erhebliche negative Einflüsse haben. So bestehen berechtigte Be- denken gegen die Einrichtung und den Betrieb von Müllkippen auf und in der Nähe von Flughäfen (Vogelschlagrisiko). Ferner klagen Landwirte darüber, daß sie durch Saatkrähen besonders gravierende Schäden an auflaufendem Getreide haben, wenn sich diese Felder in der Nähe von Deponien befinden. Am 13. Februar 1974 veröffentlichte das Bundesministerium für Verkehr Richtlinien zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr, die vom Deutschen Ausschuß zur Ver- hütung von Vogelschäden im Luftverkehr erarbeitet wurden und sich u. a. auch mit der Problematik von Müllablagerungen befassen. In diesen Richtlinien wird deutlich ge- macht, daß auf den Flughäfen selbst keine Plätze geduldet werden können, auf denen Müll oder Kompost gelagert wird, da sie in erheblichem Maße Vögel anziehen. Ferner wird angestrebt, daß auf dem Gelände unterhalb der inneren und der äußeren Hinder- nisbegrenzungsfläche sowie der um 5 km verlängerten An- und Abflugareale vorhan- dene Mülldeponien beseitigt und Neuanlagen nicht genehmigt werden sollen, soweit sie aufgrund ihrer Zusammensetzung eine Attraktion für Vögel bilden. In der Bundes- republik gibt es keinen Flughafen mehr, auf dessen Gelände Müllablagerungen — selbst in geringem Umfang — geduldet werden. Im Bereich der Hindernisbegrenzungsflächen sowie der Anflugsektoren müssen die Flughäfen im Rahmen der Planfeststellungsver- fahren bei Neuanlagen oder Erweiterung von Mülldeponien gehört werden. Die je- weilige Vogelsituation wird an Hand eines Gutachtens überprüft und aufgrund der Analyse der erarbeiteten Unterlagen dem Deponiebetreiber eine entsprechende Auf- lage gemacht. Als besonders gefährlich für den Luftverkehr sind die täglichen Flüge der im Deponiebereich beobachteten soziallebenden Vogelarten (z. B. Lachmöwe, Star, Saatkrähe) zwischen Schlafplatz und Müllkippe als Fraßplatz, wenn dabei die Routen der an- oder abfliegenden Flugzeuge gekreuzt werden. Während der Beobachtungs- zeiten konnten Flughöhen an -oder abfliegender Vogelschwärme von bis zu 250 mi über Grund gemessen werden, wobei zu bemerken ist, daß diese Werte bei geschlosse- ner Wolkendecke ermittelt wurden. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, daß bei anderen Wetterlagen Flughöhen von 300-400 m bei diesen Pendelbewegungen nicht überschritten werden dürften. Nach den Angaben betroffener Landwirte, erfolgt der Schaden auf neu ausgesäten Getreidefeldern durch Saatkrähenschwärme in einem Umkreis von ca. 1000 m um den Deponiebereich. Es sei jedoch angemerkt, daß es für den Landwirt sehr schwierig sein dürfte, einen Schadensnachweis und dessen Höhe zu ermitteln. Zur Erlangung exakter Unterlagen bedarf es sehr genauer Erhebungen. Auch muß m. E. die Frage geprüft werden, ob es sich um einen für den evtl. betroffenen Landwirt wirtschaftlich nicht mehr tragbaren Schaden handelt oder ob ein Bagatellfall vorliegt. Den Deponiebetreibern kann angeraten werden, die hier nur angedeuteten Fragenkomplexe sehr sorgfältig zu prüfen bevor ein Schadensersatzanspruch anerkannt wird. Verschiedentlich wird auch argumentiert, daß durch Lachmöwenschwärme der Regenwurmbestand eines Ackers stark geschädigt werden könnte. Neuere Untersuchungen in der Schweiz haben gezeigt, daß Lachmöwen im Laufe eines Winters weniger als 5 0/0 des vorhandenen

161 Regenwurmbesatzes vertilgen. Dagegen wurde ermittelt, daß z. B. durch Pflügen, Eggen und das Ausbringen von Gülle jeder Art mindestens 10 0/0 der Regenwurm- population getötet wird. Auch die Gefahr der Übertragung von Krankheitserregern (z. B. Colibakterien oder Salmonellen) durch Lachmöwen ist aufgrund vor Ergebnis- sen veterinärmedizinischer Untersuchungen weit geringer als zunächst prognostiziert.

Eine wirksame und länger anhaltende Reduzierung der Vogelschwärme im Bereich der Mülldeponien ist äußerst schwierig. So haben sich alle bekannten visuellen und aku- stischen Abwehrmethoden (einschließlich dem Einsatz von Ultraschallgeräten) als längerfristige Maßnahmen für unwirksam erwiesen. Es bleibt daher lediglich eine sorg- fältige Abdeckung des angelieferten Mülls durch eine Erdschicht (Dicke ca. 15— 20 cm) als wirkungsvolle Maßnahme übrig. Weiter muß die Zone, in die der tägliche Hausmüll angeliefert wird, möglichst klein gehalten werden, da sich im Deponiebereich aufhal- tende Vögel recht schnell an den Betrieb gewöhnen und die normale Fluchtdistanz weit unterschreiten. Oft nähern sich die Vogeltrupps den gerade entladenen Fahrzeugen auf wenige Meter um nach Eßbarem zu suchen. Insbesondere muß nach Beendigung des täglichen Müllbetriebs der abgelagerte Abfall sorgfältig abgedeckt werden. Dies gilt in verstärktem Maße für die Zeit des Wochenendes. Die von der Staatlichen Vogel- schutzwarte Frankfurt durchgeführten Untersuchungsreihen auf mehreren Mülldepo- nien haben dies deutlich gemacht. Sowohl die Anzahl der Vogelarten wie auch die Individuenzahlen gingen schlagartig zurück, wenn diese Abdeckungsarbeiten mit ent- sprechender Sorgfalt durchgeführt werden. Da die Beschaffung von einer genügend großen Menge geeigneten Abdeckungsmate- rials nicht immer gewährleistet ist, versucht die Industrie auf Chemiebasis gleichwerti- ges anzubieten. So wird ein Verfahren angeboten, welches mittels einer aufgeschäum- ten weißen porösen Masse eine Abdeckung des Mülls ermöglicht. Nach Angaben des Herstellers erfüllt dieser Schaumstoff eine Reihe wichtiger Kriterien, die von seiten der Deponiebetreiber gefordert werden. Ob und inwieweit solche Verfahren einen voll- wertigen (oder besseren) Ersatz für eine Erdabdeckung sein können, muß sorgfältig geprüft werden. Letztlich lehren meine bisherigen Erfahrungen, daß eine Abwehrmaßnahme, wie immer sie auch geartet sein mag, nur wirksam sein kann, wenn das damit hantierende Per- sonal über Sinn und Zweck informiert und die Maßnahme selbst stets sorgfältig und gewissenhaft durchgeführt sowie eine entsprechende Überwachung sichergestellt ist. Im inneren und äußeren Hindernisbereich (und der um 5 km verlängerten An- und Ab- flugzonen) von Flughäfen ist die Ablagerung von Hausmüll, Gartenabfällen, Stallmist u. a. Stoffen zu unterlassen, wenn tägliche Pendelbewegungen von Vogelschwärmen die An- und Abflugrouten der Flugzeug tangieren, da dann das Risiko eines Vogel- schlages, d. h. eines folgenschweren Zusammenstoßes zwischen Vogel und Flugzeug, nicht ausgeschlossen werden kann. Mögliche Schäden im landwirtschaftlichen und hygienischen Bereich bedürfen einer sehr sorgfältigen Prüfung und Analysierung, bevor diese vom Deponiebetreiber anerkannt und Ersatzleistungen vorgenommen werden.

Anschrift des Verfassers: Reg.-Dir. Dr. WERNER KEIL, Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, Steinauer Straße 44, 6000 Frankfurt/M. 61

162 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 163-176 (1982)

Hessens neue Naturschutzgebiete (7) von HANS-JOACHIM BOHR und CLAUDIA KRAFT, Wiesbaden

NSG „Finkenbachtal bei Finkenbach" (Landkreis Bergstraße und Odenwaldkreis)

VO vom 24. November 1981 (StAnz. S. 2339); in Kraft getreten: 15. Dezember 1981

Über die Musterverordnung hinaus ist verboten: — Vieh weiden zu lassen — die Jagd auf Stockenten und Waldschnepfen sowie in Form der Gesell- schaftsjagd auszuüben gestattet: — die Handlungen der zuständigen Wasserbehörde oder deren Beauf- tragter und Unterhaltungsarbeiten an Gewässern, der Bau und Betrieb eines Hochwasserrückhaltebeckens sowie die Verlegung einer Ab- wasserleitung im jeweiligen Einvernehmen mit der oberen Naturschutz- behörde

Dieses im Sandsteinodenwald liegende knapp 30 ha große Naturschutzgebiet zählt zu den Odenwaldtälern, die noch einen nicht ausgebauten Bachlauf aufweisen und dar- über hinaus industriell wenig belastetes Wasser führen. Bedingt durch eine nicht mehr intensiv betriebene Landwirtschaft im Finkenbachtal haben sich zahlreiche Brachflächen mit einer zeitlich abgestuften Pflanzensukzession entwickelt. Die so entstandenen Feuchtwiesen stellen Lebensstätten für bestandsbedrohte Tier- und Pflanzenarten dar. Die bachbegleitende Ufervegtation besteht aus Resten eines Erlen-Auenwaldes bzw. Bach-Eschen-Erlenwaldes mit Schwarzerle (Alnus glutinosa) und Hainmiere (Ste!laria nemorum) sowie mehreren Weidenarten (Salix aurita, cinerea, viminalis sowie alba ssp. alba und alba ssp. vitellina). Die Anzahl nach der Roten Liste bestandsgefährdeter Blütenpflanzenarten ist zwar nicht besonders groß, doch sind alle Arten kennzeich- nend für feuchte bis nasse Standorte und zeigen somit ein bemerkenswertes Feucht- gebiet an: Grau-, Schnabel- und Blasen-Segge (Carex canescens, rostrata und vesi- caria), Su mpf-Weidenröschen (Epilobium palustre), Schmalblatt-Wollgras (Eriophorum angustifolium), Wassernabel (Hydrocotyle vulgaris), Fieberklee (Menyanthes trifoliata), Stattliches Knabenkraut (), Wasser-Greiskraut (Senecio aquaticus), Sumpf-Veilchen (Viola palustris). Das Wald- und Waldsaumgebiet an der östlichen Grenze zeigt die pflanzensoziologische Artenzusammensetzung eines bodensauren Buchen-Eichen-Hainbuchen-Mischwaldes mittlerer Lagen, wie auch gewisse Merk- male des Bergbuchen-Waldes auf Buntsandstein in höheren Lagen des Odenwaldes. In der näheren Umgebung des Naturschutzgebietes ist die typische Vogelwelt hes- sischer Mittelgebirge zu finden. Der Talgrund und die bewaldeten Hänge bilden das Brutgebiet folgender Rote-Liste-Arten: Waldschnepfe, Habicht, Sperber, Rauhfußkauz, Hohltaube, Gebirgsstelze, Graureiher, Eisvogel und Wasseramsel. Bei einer ungestör- ten Weiterentwicklung des Tales ist damit zu rechnen, daß das Finkenbachtal als „Tritt- stein" durchziehender Vögel wie Bekassine, Braunkehlchen und Krickente Bedeutung gewinnt. Aus anderen Tiergruppen steht auch das Auftreten von Laubfrosch, Gelb- bauchunke, Moorfrosch, Kammolch, Geburtshelferkröte und Wasserspitzmaus zu er- warten.

163 NSG „Winkeler Aue" (Rheingau-Taunus-Kreis)

VO vom 24. November 1981 (StAnz. S. 2341); in Kraft getreten: 15. Dezember 1981

Über die Musterverordnung hinaus ist verboten: — in die sich entwickelnden Pflanzengesellschaften einzugreifen — an der Insel, an ihren Auflandungen sowie an den Leitwerken anzu- landen oder diese zu betreten — das Gebiet in irgendeiner Art zu nutzen — die Jagd auszuüben gestattet: — die Tätigkeiten und Maßnahmen der Behörde der Wasser- und Schiff- fahrtsverwaltung für die Unterhaltung der Bundeswasserstraße und die Wahrung ihrer sonstigen Belange im jeweiligen Einvernehmen mit der oberen Naturschutzbehörde — das Anlanden durch Wassersportler auf der eingezäunten Fläche an der Südwestspitze der Insel vom 1. April bis 30. September.

Bei der ca. 6 ha großen Winkeler Aue handelt es sich um eine sehr junge, erst etwa 40 Jahre alte naturnahe Rheininsel. Schutzzweck ist es, die Weiterentwicklung der seit Ende 1930 durch Auflandung entstandenen Insel zu sichern. Das Naturschutzgebiet zählt zu den letzten derartigen Bildungen, die für die Rheinstromlandschaft ehemals typisch waren. Die ablaufenden erdgeschichtlichen Vorgänge sowie die allmähliche Besiedlung durch die Pflanzen- und Tierwelt in ihren verschiedenen Entwicklungs- stufen, einschließlich des Übergangs einer Weichholzaue in eine Hartholzaue, sind auch künftig von besonderem wissenschaftlichen Interesse. Als Rast- und Überwinte- rungsstätte verschiedener, darunter bestandsgefährdeter, Wasservogelarten ergänzt das Gebiet das nahegelegene Europa-Reservat und Feuchtgebiet internationaler Be- deutung „Rhein zwischen Eltville und Bingen".

NSG „Heftricher Moor" (Rheingau-Taunus-Kreis)

VO vom 30. November 1981 (StAnz. S. 2380); in Kraft getreten: 22. Dezember 1981

Über die Musterverordnung hinaus ist verboten: — Grabenvertiefungen durchzuführen — auf den Flurstücken 5-7, 11-14 und 38 zu düngen — die Flurstücke 4-7 und 38 in irgendeiner Art zu nutzen — die Wiesenflurstücke 6, 11-14 zu beweiden und auf dem Flurstück 10 Pferde weiden zu lassen — Freileitungen oder sonstige Versorgungsanlagen zu errichten oder zu verändern — die Jagd auf Federwild in der Zeit vom 1. März bis 1. Oktober auszu- üben

Im Naturraum Östlicher Hintertaunus liegt das knapp 9 ha große Heftricher Moor, das zu den wenigen noch erhaltenen moorigen Feuchtwiesen zählt, die im hessischen Mittelgebirge ehedem weit verbreitet waren. Als Quellsumpf wird es aus basenarmen Sickerquellen gespeist.

164 An Pflanzengesellschaften haben sich dort ein Schnabelseggenried (Caricetum rostratae), ein Schilfröhricht (Phragmitetum communis) sowie eine Hochstaudenflur mit Mädesüß (Filipendula ulmaria) angesiedelt. Das Schnabelseggenried bildet, obwohl es nicht besonders artenreich ist, den wertvollsten Kernbereich. Der größte Teil der moorigen und anmoorigen Böden ist mit Schilf bestanden, das sich erst nach Ein- stellung der in der Vergangenheit intensiveren Nutzung der Flächen ausgebreitet hat. Die höhergelegenen Bereiche innerhalb des Schilfgürtels werden teilweise von sich ansamenden Gehölzen erobert. An bestandsgefährdeten Arten seien die bülten- bildende Grau-Segge (Carex canescens), auf kleinen Wasserflächen dazwischen die Wasserlinse (Lemna minor) sowie das Sumpfveilchen (Viola palustris) genannt. Das Vogelleben ist, gemessen an der Artenarmut des ackerbaulich genutzten Um- landes, reichhaltig zu nennen. Insbesondere Sumpfrohrsänger, Feldschwirl, Bekassine und Waldschnepfe werden regelmäßig angetroffen. Die Artenliste der Amphibien- fauna umfaßt Erdkröte, Grasfrosch, Kreuzkröte und Feuersalamander. An Reptilien- arten kommen Schling- und Ringelnatter vor, und in der unmittelbaren Umgebung wurde mehrfach die Askulapnatter gesehen. Im Heftricher Moor ist ferner eine reich- haltige Insektenwelt, die speziell an solche Lebensstätten gebunden ist, zu vermuten. Bisher nachgewiesen wurde die wasserbewohnende Stabwanze (Ranatra linearis), deren nah verwandte Arten vornehmlich in den Tropen verbreitet sind.

NSG „Alte Fulda bei Blankenheim" (Landkreis Hersfeld-Rotenburg)

VO vom 7. Dezember 1981 (StAnz. S. 2382); in Kraft getreten: 22. Dezember 1981

Über die Musterverordnung hinaus ist

verboten: — Drachen fliegen zu lassen — in der Schutzzone I (Kernbereich) das Gelände zu betreten, zu düngen und Pflanzenbehandlungsmittel anzuwenden — die Jagd auf Wasserwild — die Durchführung von Gesellschaftsjagden

gestattet: — die üblichen wasserbaulichen Unterhaltungsarbeiten im Einvernehmen mit der oberen Naturschutzbehörde sowie notwendige strom- und schiffahrtspolizeiliche Maßnahmen — die Anlage von Wasserflächen durch Kies- oder Sandabbau, soweit er im übrigen öffentlich-rechtlich genehmigt ist — die Entfernung einzelner Bäume und Sträucher nach Anhörung der oberen Naturschutzbehörde, soweit dies aus Gründen des Hoch- wasserschutzes erforderlich ist — die ordnungsgemäße Landwirtschaft nur in der (erweiterten) Schutz- zone II, jedoch ohne Nutzungsänderung von Wiesen und Weiden

Das ca. 22 ha große Naturschutzgebiet im Fulda-Werra-Bergland ist ein typischer Altwasserbiotop der Fuldaniederung mit entsprechend reichhaltiger Flora und Fauna. Da die Flußaue der Fulda im Bebraer Becken durch Straßen-, Leitungs- und Bahntras- sen, Auskiesungen, Verfüllung von Altarmen sowie intensive landwirtschaftliche Nut- zung bereits eine starke Belastung aufweist, ist es von besonderer Wichtigkeit, dieses Feuchtgebiet als Okozelle zu erhalten. Als örtlich bedeutsame Lebensstätte brütender und „Trittstein" für durchziehende Vogelarten, so z.B. Graureiher, Bekassine, Zwergschnepfe, Bruchwasserläufer, Wald- wasserläufer, Kornweihe, Sumpfohreule, Tüpfelralle, Wasserralle und Eisvogel, ist

165 dieses Naturschutzgebiet von hoher ornithologischer Bedeutung. Das Auftreten dieser Vogelarten weist auf einen naturnahen Feuchtbiotop, u. a. mit entsprechenden Beständen an Wasserinsekten, Fischen, Amphibien und Reptilien, hin. Die Pflanzenwelt des Gebietes ist reichhaltig. Hochwasserüberflutungen haben nach zeitweiligem Austrocknen immer wieder zu einer Regeneration der Pflanzengesell- schaften in und am stehenden Gewässer geführt. Die Artenliste nennt vorwiegend Wasserpflanzen. Größere Vorkommen der Schwanenblume (Butomus umbellatus) und der Gelben Teichrose (Nuphar luteum) sind besonders bemerkenswert.

NSG „Ederauen von Obermöllrich und Cappel" (Schwalm-Eder-Kreis)

VO vom 7. Dezember 1981 (StAnz. S. 2384); in Kraft getreten: 22. Dezember 1981

Über die Musterverordnung hinaus ist verboten: — in den stehenden Gewässern zu baden und zu schwimmen — Jagdgebrauchshunde auszubilden — landwirtschaftlich genutztes Grünland in eine andere Nutzungsart um- zuwandeln oder vor dem 15. Juli zu beweiden

gestattet: — die ordnungsgemäße landwirtschaftliche Bodennutzung mit gewissen sachlichen und örtlichen Einschränkungen — forstliche Pflegemaßnahmen, die der Erhaltung und Förderung einer naturnahen Dauerbestockung dienen ohne Waldneuanlage im Sinne des § 12 des Hessischen Forstgesetzes — die Ausübung der Fischerei, nicht jedoch an den in der veröffentlichten Karte im Maßstab 1 : 10 000 gekennzeichneten Teichen Nr. 2, 15, 16, 17 und 18, an der Eder vom Nordufer aus in der Gemarkung Obermöll- rich von der Südostspitze des Teiches Nr. 6 in südöstlicher Richtung bis zur Gemarkungsgrenze Cappel sowie in der Gemarkung Cappel am Teich Nr. 6 im Bereich des Nord- und Ostufers sowie an neu ent- stehenden Wasserflächen — die Durchführung von Fischbesatzmaßnahmen in den für die Fischerei freigegebenen Teichen — das Einsetzen von Fischbrut in den Teich Nr. 2 und die Entnahme von Satzfischen aus diesem Teich — die Pflege der Grasflächen und die Instandhaltung der Dämme an den beangelten Uferzonen — die Pflege der Büsche und Sträucher an den beangelten Uferzonen in der Zeit vom 1. September bis Ende Februar, soweit sie zeitlich und räumlich so vorgenommen wird, daß der Lebensraum in seiner Funk- tion erhalten bleibt — die vorübergehende Einleitung von Abwässern in die Teiche Nr.2, 10 und 12, soweit dies im übrigen öffentlich-rechtlich genehmigt ist — die Benutzung der von der oberen Naturschutzbehörde zugelassenen Erholungseinrichtungen und die erforderlichen Maßnahmen zu ihrer Erhaltung — die Kiesausbeutung, soweit sie nach Herstellung des Einvernehmens mit der oberen Naturschutzbehörde im übrigen öffentlich-rechtlich ge- nehmigt ist

166 — Maßnahmen im Rahmen der Gewässerunterhaltungspflicht auf Grund wasserrechtlicher Bestimmungen nach Anhörung der oberen Natur- schutzbehörde — das Freischneiden der Stromfreileitungen in der Zeit vom 1. Septem- ber bis Ende Februar und die Durchführung von Unterhaltungsarbeiten an diesen Leitungen — die angeordneten Überwachungs-, Schutz-, Pflege- und Gestaltungs- maßnahmen

Die Ederauen zwischen Obermöllrich und Cappel bestehen aus dem größten Weich- und Hartholzauenrest im Flußgebiet der Eder, aus offenen, vorwiegend als Wiesen genutzten Flächen sowie aus 21 Kiesteichen, die sich im Zuge der natürlichen Pflanzen- sukzession zu ökologisch wertvollen Biotopen entwickelt haben. Weiterhin zählen ein verlandetes Altwasser und einige staunasse Flächen am Fuß des südlichen Talrandes zu dem ca. 70 ha großen Auen-Schutzgebiet in der Westhessischen-Senke. Neben den bestandsbildenden Weiden (Salix spec.) und Pappeln (Populus nigra) wachsen im Auenwald Stieleichen (Quercus robur), Schwarzerlen (Alnus glutinosa), Wildkirschen (Prunus avium) und Linden (Tilia spec.). Ein nahezu undurchdringliches Dickicht bilden Weißdorn (Crataegus spec.), Schwarzdorn (Prunus spinosa), Hecken- rose (Rosa canina), Holunder (Sambucus nigra), Brombeere (Rubus fruticosus) und Hopfen (Humulus lupulus). Leider liegen über dieses Gebiet noch keine pflanzen- soziologischen Untersuchungen vor; die Liste der bisher festgestellten Arten zeigt jedoch ein vielfältiges Bild. Eine Bestandsaufnahme an einem der Kiesteiche hat einen Artenreichtum an Wasserorganismen ergeben, der ein biologisch intaktes Gewässer anzeigt. Neben einer reichhaltigen Amphibienfauna ist das Naturschutzgebiet beson- ders aus ornithologischer Sicht bemerkenswert. In den Jahren 1968 bis 1978 wurden 16 Brutvogelarten der Roten Liste registriert: Haubentaucher, Zwergtaucher, Krick- ente, Reiherente, Schwarzmilan, Wasserralle, Flußuferläufer, Flußregenpfeifer, Turtel- taube, Eisvogel, Kleinspecht, Wendehals, Uferschwalbe, Braunkehlollen, Schafstelze und Grauammer. Weiterhin zählen auch etliche von den im Teich- und Auwaldgebiet beobachteten Gastvögeln zu den bestandsgefährdeten Vogelarten, so z. B. Rothals- taucher, Kormoran, Schellente, Fischadler und Waldwasserläufer.

NSG „Struth von Altengronau" (Main-Kinzig-Kreis)

VO vom 10. Dezember 1981 (StAnz. 1982, S. 46); in Kraft getreten: 12. Januar 1982

Über die Musterverordnung hinaus ist verboten: — das Naturschutzgebiet zu betreten — das Gebiet in irgendeiner Art zu nutzen

Das knapp 9 ha große Naturschutzgebiet liegt im Nördlichen Sandstein-Spessart an dem Flüßchen Schmale Sinn. Die Kernzone dieses Feuchtgebietes besteht aus einem Hochmoor, das von einem Niedermoor und von einer mit Hecken bewachsenen Hang- fläche umgeben wird. Hier bietet sich die Gelegenheit, die Entwicklung eines Moores mit typischer Moorwiesenvegetation zu beobachten. Der Flurname Struth bezeichnet ein Gebiet, das zu früheren Zeiten so ausgesehen hat und genutzt war: ein feuchtes Buschgelände, das nur der Heu- und Streunutzung dienen konnte. Auch nach der Er- richtung eines Entwässerungssystems brachte es kaum mehr als Riedgräser und Naß- wiesenpflanzen hervor. Mit der Aufgabe des häufigen Mähens und der Wasserabfüh-

167 rung gewann rasch die Entwicklungstendenz zur Feuchtwiese und zum Niederungs- moor die Oberhand. Zweck der Unterschutzstellung ist es, diesen artenreichen Feuchtbiotop als Lebens- istätte zahlreicher bestandsgefährdeter Pflanzen- und Tierarten zu schützen und zu fördern. Aus botanischer Sicht ist der in der Bundesrepublik einmalige Wuchsort der Schachblume (Fritillaria meleagris) besonders erwähnenswert. Auch Märzenbecher (Leucojum vernum), Fieberklee (Menyanthes trifoliata), Trollblume (Trollius europaeus), Bachnelkenwurz (Geum rivale) sowie drei Knabenkrautarten (Orchis spec.) zählen zu den Rote-Liste-Arten des Schutzgebietes. Im Sommer zeigt die Hauptfläche dichte Bestände des durch Duft und Farbe weithin auffallenden Mädesüß (Filipendula ulmaria). Je nach Grundwasserstand und Wasserzügigkeit greifen verschiedene Pflan- zengesellschaften ineinander: Neben Wiesenseggen stehen Großseggenbestände, unter denen die bestandsgefährdete Rispensegge (Carex paniculata) mit ihren großen Blüten auffällt. Die Struth dient auch gefährdeten Vogelarten als Lebensstätte: Braunkehlchen, Schwarzkehlchen, Wiesenpieper, Wasseramsel, Wachtelkönig und Bekassine wurden beobachtet. Und nicht zuletzt für Amphibien und feuchtlandgebundene Insektenarten ist das Naturschutzgebiet als ökologische Zelle von hoher Bedeutung.

NSG „Nidderauen von Stockheim" (Wetteraukreis)

VO vorn 14. Dezember 1981 (StAnz. 1982, S. 48); in Kraft getreten: 12. Januar 1982

Über die Musterverordnung hinaus ist verboten: — Brachland umzubrechen — auf Grünland sowie in oder an Gewässerflächen Biozide anzuwenden — Freileitungen oder sonstige Versorgungsanlagen zu errichten oder zu verändern

gestattet: — Unterhaltungsmaßnahmen an der Nidder, an vorhandenen Gräben und Dränagen in der Zeit vom 15. Juli bis 15. Februar durchzuführen — die Handlungen der zuständigen Wasserbehörde oder deren Beauf- tragter im Rahmen der Wasseraufsicht und Unterhaltungsmaßnahmen an Gewässern sowie der Bau und Betrieb eines Hochwasserrückhalte- beckens gemäß wasserwirtschaftlichem Rahmenplan Nidder-Seemen- bach im jeweiligen Einvernehmen mit der oberen Naturschutzbehörde — die Überwachung, Unterhaltung und Instandsetzung von Ent- und Ver- sorgungsanlagen sowie die Verlegung einer Abwasserleitung zur ge- planten Kläranlage im vorherigen Einvernehmen mit der oberen Natur- schutzbehörde — die Ausübung der Fischerei in der Nidder, nicht jedoch in Flur 16 der Gemarkung Stockheim von der rechten und in Flur 4 der Gemarkung Stockheim westlich der Straße Stockheim-Effolderbach von der linken Seite der Nidder aus

Im Grenzbereich vom Büdinger Wald und Büdingen-Meerholzer-Hügelland erstrecken sich auf 51 ha die Nidderauen von Stockheim. Aus dem östlich gelegenen Vogelsberg führen zahlreiche Wasserläufe genügend Wasser herbei, um die Wiesen dieses Ge- bietes zu einem wertvollen Feuchtbiotop werden zu lassen. Weiterhin bietet die von Entwässerungsmaßnahmen noch unberührte nördlich der Wiesen verlaufende Nidder Gewähr für einen in diesem Bereich verhältnismäßig hohen Grundwasserstand.

168 Ziel der Unterschutzstellung ist die Sicherung der Feuchtwiesen, Röhrichtbestände, Hochstaudenfluren und extensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen im Niddertal als Heimat und Lebensraum insbesondere für zahlreiche Feuchtland-Pflanzenarten und eine Fülle wirbelloser Tiere. Besondere Bedeutung ist diesem Naturschutzgebiet als Brut-, Rast- und Nahrungs- biotop aus ornithologischer Sicht beizumessen. Die staunassen und z. T. verschilften Wiesen der Nidderaue stellen den Brutplatz von Wasserralle, Wachtelkönig und der Bekassine dar. Auch als Nahrungsbiotop für Weißstorch und Graureiher ist das Feucht- biotop unentbehrlich.

NSG „Auloch von Dutenhofen und Sändchen von Atzbach" (Lahn-Dill-Kreis)

VO vom 10. Dezember 1981 (StAnz. 1982, S. 110); in Kraft getreten: 19. Januar 1982

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: — die Düngung landwirtschaftlicher Nutzflächen sowie Grabenräumung ohne Sohlenvertiefung — Unterhaltungsmaßnahmen an der Bundeswasserstraße Lahn im je- weiligen Einvernehmen mit der oberen Naturschutzbehörde — die Ausübung von jährlich einer Gesellschaftsjagd in jedem Jagdbezirk — die Ausübung der Fischerei in der Lahn, nicht jedoch vom linken Lahn- ufer aus von Fluß-km 3,2 bis 3,55 und vom rechten Lahnufer aus von Fluß-km 3,55 bis 3,9 sowie in den Stillwasserzonen

Inmitten des weiten Lahnbeckens im Naturraum Gießener Lahntal heben sich die 16,4 ha großen naturnahen Flächen dieses Naturschutzgebietes von der Umgebung ab. Das Auloch besteht aus den teilweise verlandeten Resten eines Lahn-Altarms, der ganzjährig Wasser führt und mehrmals im Jahr vom Hochwasser der Lahn überflutet wird. Ein breiter Schilfgürtel, verschiedene Groß-Seggenrieder und Schwimmpflanzen- gesellschaften auf offenen Wasserflächen lassen die Vielgestaltigkeit des Gebietes erkennen. Auf der gegenüberliegenden Seite an der Lahn liegt das Teilgebiet „Im Sändchen", wo sich etwa die gleichen Vegetationseinheiten wie im „Auloch" finden. Die Lahn selbst weist hier einen weitgehend naturnahen Uferbereich auf: Schilfsaum sowie Weiden- und Erlengebüsch. Dieses Naturschutzgebiet zählt zu den Resten der ehemals im Lahntal vorhandenen Feuchtgebiete und stellt somit für zahlreiche, bestandsgefährdete Vogelarten ein wert- volles Rückzugsgebiet dar. Es bildet die Lebensstätte folgender in der Roten Liste verzeichneten Vogelarten: Zwergtaucher, Knäckente, Bekassine, Wasserralle, Teich- rohrsänger, Schafstelze, Braunkehlchen und Grauammer. In seiner biologischen Funktion als Nahrungs- und Rastplatz stellt das Feuchtgebiet einen willkommenen „Trittstein" für Zugvögel dar.

169 NSG „Talauen von Nidder und Hillersbach bei Gedern und Burkhards" (Wetteraukreis und Vogelsbergkreis)

VO vom 15. Januar 1982 (StAnz. S. 235); in Kraft getreten: 2 Februar 1982

Über die Musterverordnung hinaus ist verboten: — auf Grünland Pflanzenbehandlungsmittel anzuwenden — mit Schafen die Uferzone des Spießweihers zu beweiden — die Sportfischerei am Spießweiher oder an anderen Gewässern aus- zuüben — in den Fließgewässern Vorrichtungen anzubringen, die den Wechsel der Fische verhindern — die Jagdhunde auszubilden gestattet: — die Ausübung der Jagd — die Holzlagerung im Spießweiher sowie die Wasserentnahme aus diesem Teich zur Berieselung von Stammholz nach einem Katastro- phenfall — die Überwachung, Unterhaltung und Instandsetzung von Ent- und Ver- sorgungsanlagen — die Handlungen der zuständigen Wasserbehörde oder deren Beauf- tragter im Rahmen der Wasseraufsicht sowie Unterhaltungsmaßnah- men an Gewässern im jeweiligen Einvernehmen mit der Naturschutz- behörde

Etwa 1470-1480 wurde der Spießweiher zum Waschen des damals im heutigen Natur- schutzgebiet abgebauten Erzes angelegt. Nach Aufgabe dieser mühseligen Erzgewin- nung kam das Gebiet in forst- und landwirtschaftliche Nutzung. Es entstand die heute noch erkennbare typische Vogelsberg-Kulturlandschaft, in der sich infolge der Ab- geschiedenheit des Gebietes und dessen Bewahrung vor Besiedlung, Verdrahtung und Wegeerschließung eine Flora und Fauna mit einem Artenreichtum und einer Siedlungs- dichte erhalten konnte, wie sie kein anderer Bereich des Naturraumes Unterer Vogels- berg mehr aufweist. Zu den typischen Lebensräumen des 279 ha großen Gebietes zäh- len die weitgehend unbelasteten Bachläufe mit den begleitenden Wiesentälern sowie artenreiche, naturnahe Wälder unterschiedlicher Artenzusammensetzung und Alters- klassen. Hier wachsen gefährdete, seltene, aber auch wegen ihrer Schönheit bemer- kenswerte Pflanzen: Christophskraut (Actaea spicata), Hunds-Straußgras (Agrostis canina), Tausendgüldenkraut (Centaurium umbellatum), Schwertblättriges Waldvöglein (Cephalanthera longifolia), Geflecktes Knabenkraut (), Seidelbast (Daphne mezereum), Blaugrüner Schwaden (Glyceria declinata), Schönes Johanniskraut (Hypericum pulchrum), Pfeifengras (Molinia coerulea), Einbeere (Paris quadrifolia), Kleines Laichkraut (Potamogeton berchtoldii), Schlüsselblumen (Primula elatior und veris), Teichsimse (Schoenoplectus lacustris) und Gold-Klee (Trifolium aureum). Ein bemerkenswertes Studienobjekt für den Fachmann ist ein für das Vogelsberg- Gebiet ungewöhnlicher Reichtum an verschiedenen Brombeerarten: Rubus bellardii, nessensis, rudis, macrophyllos, thyrsanthus, candicans sowie radula. Diese weisen auf eine Vielfalt standörtlicher Bedingungen hin, was auch durch das Vorkommen der nahe verwandten Steinbeere (Rubus saxatilis) unterstrichen wird. Die Ufervegetation des im südlichen Teil des Naturschutzgebietes gelegenen Spieß- weihers besteht hauptsächlich aus Spitzseggen-Ried (Caricetum gracilis), stellenweise wird es von Glanzgrasröhricht (Phalaridetum arundinaceae) abgelöst. Die Schwimm- blattgesellschaften setzen sich aus der Graslaichkraut-Gesellschaft (Potametum gra-

170 minei) und zum anderen aus der Wasserknöterich-Gesellschaft (Polygonum amphi- bium var. natans) zusammen. Die überwiegende Fläche des Gebietes ist mit Buchen- waldgesellschaften (Fagetum) ergänzt durch die natürliche Bachauengesellschaften bestanden. Eine Umwandlung anders bestockter Teilflächen in standortgerechte Fage- ten ist erstrebenswert. Die reichhaltige Pflanzenwelt läßt auf eine ebenso vielseitige Tierwelt schließen: So wurde bisher beispielsweise die für diese Mittelgebirgslage ungewöhnlich hohe Anzahl von 84 Brutvogelarten festgestellt, darunter auch Arten der Roten Liste, wie Bekassine, Waldschnepfe, Sperber, Habicht, Hohltaube, Raubwürger, Rotrückenwürger, Wendehals, Wiesenpieper. Ein ebenfalls reiches Artenspektrum weisen die Lurche und Kriechtiere auf: Teichmolch, Bergmolch, Erdkröte, Kreuzkröte, Wasserfrosch, Grasfrosch, Laubfrosch und Feuersalamander sowie Ringelnatter, Blind- schleiche, Zaun- und Bergeidechse. Besonders an warmen Sommertagen treten große Zahlen von Schmetterlingen auf, unter denen Seltenheiten wie Großer Schillerfalter (Apatura iris), Großer Eisvogel (Limenitis populi), Kaisermantel (Argynnis paphia) zu bewundern sind. Bei der Unterschutzstellung hat schließlich die Tatsache eine Rolle gespielt, daß hier eine der am weitesten nach Westen vorgeschobenen Missionsstationen des Bistums Fulda unter Bonifatius bestanden hat. Das Gebiet stellt somit botanisch, zoologisch sowie landschaftshistorisch eine Besonderheit dar.

NSG „Osterkopf bei Usseln" (Landkreis Waldeck-Frankenberg)

VO vom 7. Januar 1982 (StAnz. S. 237); in Kraft getreten: 2. Februar 1982

Über die Musterverordnung hinaus ist

gestattet: — die Ausübung der Jagd — die Benutzung der Erholungseinrichtungen und die erforderlichen Maß- nahmen zu ihrer Erhaltung — zu düngen

Dieses etwa 30 ha große Naturschutzgebiet im Naturraum Hochsauerland (Rothaar- gebirge) dient dem Schutz und der Erhaltung einer seltenen Hochheidefläche und deren Pflanzengesellschaften. Der Bestand dieser intakten Bergheide ist im wesentlichen auf die exponierte Lage (Nordwesthang), montanes und windreiches Klima, auf die Bodenverhältnisse sowie auf die heideerhaltende Plaggenwirtschaft und Beweidung zu- rückzuführen. Der Wind hat in erster Linie dazu beigetragen, diese isolierte Kuppe waldfrei zu halten, die Heidebestände kurz zu scheren und damit die Humusbildung zu verhindern. So wurden jene grusigen Stellen geschaffen, die allein Lebensraum für den in Deutschland sehr selten vorkommenden Alpen-Bärlapp und den nahverwandten Issler'schen Bärlapp (Diphasium alpinum und issleri) bieten. Auf diesen offenen Flä- chen siedelt ferner eine sehr gut entwickelte artenreiche Flechten- und Moosflora. Der Nordwesthang ist durch eine kurzwüchsige und gesunde Zwergstrauchheide aus Besenheide (Calluna vulgaris) und Heidelbeere (Vaccinium myrtillus) charakterisiert. Weiterhin sind folgende Pflanzenarten als typisch zu erwähnen: Krähenbeere (Empe- trum nigrum ssp. hermaphroditum und ssp. nigrum) sowie Rauschbeere (Vaccinium uliginosum).

171 NSG „Buschwiesen von Höchst" (Wetteraukreis und Main-Kinzig-Kreis)

VO vom 25. Januar 1982 (StAnz. S. 397); in Kraft getreten: 22. Februar 1982

Über die Musterverordnung hinaus ist verboten: — Gräben in der Zeit vom 1. Februar bis 31. August zu räumen — auf Grünland und im Wald Pflanzenbehandlungsmittel anzuwenden — Wiesen vor dem 10. Juni zu mähen — die Hunde auszubilden und zu prüfen

gestattet: — die im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes und des Hessischen Naturschutzgesetzes forstwirtschaftliche Bodennutzung mit dem lang- fristigen Ziel, eine Auwaldbestockung herbeizuführen — das Betreten des Flurstücks 6 in Flur 5 der Gemarkung Höchst — die Maßnahmen der zuständigen Wasserbehörden im Rahmen der Wasseraufsicht sowie Unterhaltungsmaßnahmen an Gewässern im je- weiligen Einvernehmen mit der oberen Naturschutzbehörde.

In der Heldenberger Wetterau bilden Feuchtwiesen der Nidderaue und einer kleineren Waldfläche mit Auwaldbestockung dieses 58,7 ha große Naturschutzgebiet. Die Busch- wiesen von Höchst sind ein Schutzgebiet mit ornithologischem Schwerpunkt, das all- jährlich und besonders während der Vogelzugzeiten von der Nidder überflutet wird. Für die auf dem Zug die Hessische Senke überfliegenden zahlreichen Wat- und Schwimmvögel stellt das Areal einen wichtigen Rast- und Nahrungsbiotop dar: Fluß- regenpfeifer, Goldregenpfeifer, Uferschnepfe, Waldwasserläufer, Bruchwasserläufer, Flußuferläufer, Rotschenkel, Kampfläufer und Krickente wurden bisher angetroffen. Bekassine, Großer Brachvogel, Rohrammer, Sumpfrohrsänger, Feldschwirl und Schaf- stelze finden hier ihren Brutplatz.

NSG „An der Jossoler bei Hattenrod" (Landkreis Gießen)

VO vom 25. Januar 1982 (StAnz. S. 399); in Kraft getreten: 23. Februar 1982

Über die Musterverordnung hinaus ist

gestattet: — die mechanische Räumung der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Gräben sowie der lossoller ohne Sohlenvertiefung in der Zeit vom 1. September bis 28. Februar — das Befahren des Flurstücks 49, Flur 6, Gemarkung Harbach sowie der Flurstücke 92, 98 und 103, Flur 2, Gemarkung Hattenrod, mit landwirt- schaftlichen Nutzfahrzeugen — die Ausübung der Jagd auf Haarwild, die Fallenjagd (nur Lebendfallen) außerhalb der jagdrechtlichen Brut- und Setzzeit, nicht jedoch die Durchführung von Gesellschaftsjagden — die Ausübung der Fischerei durch max. 6 Personen bis zum Ablauf des am Tage des Inkraftretens dieser Verordnung rechtswirksam ab- geschlossenen Pachtvertrages — Maßnahmen der zuständigen Wasserbehörde oder deren Beauftragter im Rahmen der Wasseraufsicht sowie Unterhaltungsarbeiten an Ge- wässern im jeweiligen Einvernehmen mit der Oberen Naturschutz- behörde — Unterhaltungsarbeiten an vorhandenen Ent- und Versorgungsanlagen

172 Aus landschaftsökologischer Sicht war im Raum Hattenrod und Reiskirchen des Lau- bacher Hügellandes im Vorderen Vogelsberg die Sicherung dieses 12,5 ha großen Feuchtbiotops als Naturschutzgebiet für bestimmte den Naturhaushalt nachhaltig sichernde Lebensgemeinschaften dringend erforderlich. Bei der gegenwärtigen Vegetationsdecke handelt es sich um Sukzessionsstadien brachgefallenen Naßgrünlandes, die sich zum Teil dem Verband der Streuwiesen und zum Teil der Klasse der Röhricht-Gesellschaften zuordnen lassen. An Arten der Roten Liste konnte das Breitblättrige Knabenkraut (Dactylorhiza majalis) in einigen Exem- plaren nachgewiesen werden und als weitere bemerkenswerte Pflanzenart hat die Verlängerte Segge (Carex elongata) hier einen Standort. Trotz schwerwiegender Ein- griffe in das Gebiet ist der Wasserhaushalt weitgehend unbeeinflußt, was das Vor- kommen von Teufelsabbiß (Succisia pratensis), Kümmel-Silge (Selinum carvifolia), Sumpf-Baldrian (Valeriana dioica) und im östlichen Teil des Schilfes (Phragmites com- munis) zeigen. Auch aus ornithologischer Sicht besitzt dieses Feucht- und Brachland Bedeutung: In den Jahren 1962-1976 wurden aufgrund regelmäßiger Beobachtungen als bestands- gefährdete Brutvogelarten festgestellt: Bekassine, Braunkelchen, Wiesenpieper, Schafstelze sowie darüber hinaus u. a. Kiebitz und Grauammer. Ferner hat sich gezeigt, daß folgende Arten dieses Gebiet als Rastplatz benutzen: Rohrammer, Rauch- schwalbe, Zwergammer, Blaukehlchen und Englische Schafstelze. Auch Eisvogel, Fischadler, Graureiher, Zwergschnepfe und Bruchwasserläufer konnten dort beob- achtet werden. Da im Umkreis von 10 km kein entsprechendes Gebiet existiert, steht die hohe Be- deutung dieses Feuchtbiotops außer Zweifel.

NSG „Salzwiesen von Wisselsheim" (Wetteraukreis)

VO vom 1. Februar 1982 (StAnz. S. 400); in Kraft getreten: 23. Februar 1982

Über die Musterverordnung hinaus ist

verboten: — auf dem Grün- und Brachland sowie auf den Flurstücken Nr. 3 und 4/1, Flur 7, Pflanzenbehandlungsmittel anzuwenden — das Grün- und Brachland der Flur 7, Nr. 2, 3, 4/1, 4/2, 5, 6, 7, 11, 12 und Flur 8, Nr. 6, 18-24 zu düngen — Dränagen zu verändern oder Grabenvertiefungen durchzuführen — die Jagdhunde auszubilden und zu prüfen gestattet: — die horstweise Bekämpfung nicht nutzbarer Wildkräuter auf den Grün- landflächen im jeweiligen Einvernehmen mit der oberen Naturschutz- behörde — die Ausübung der Fischerei vom linken Ufer der Flußparzelle 160 aus und vom rechten Ufer ab dem Flußpunkt 317 flußaufwärts — die Ausübung der Jagd — die Unterhaltung und Instandsetzung vorhandener Ver- und Entsor- gungsanlagen, Maßnahmen der zuständigen Wasserbehörde oder deren Beauftragter im Rahmen der Wasseraufsicht sowie Unterhal- tungsarbeiten an Gewässern sowie der Bau und Betrieb eines Hoch- wasserrückhaltebeckens im jeweiligen Einvernehmen mit der oberen Naturschutzbehörde

173 In der Wetterau zwischen Steinfurth und Wisselsheim erstreckt sich das aus sumpfigen Wiesen und großflächigen Röhrichten bestehende knapp 24 ha große Naturschutz- gebiet. Die Wetter schlängelt sich malerisch durch diese Talaue, in welcher wirtschaft- lich nicht genutzte Mineralquellen zutage treten, deren salzhaltige Wasser in den um- liegenden Wiesen versickert und so einer typischen Halophytenvegetation (Salzflora) Lebensvoraussetzungen bietet: In großer Zahl kommen Stranddreizack (Triglochin maritimum), Salzbinse (luncus gerardii), Salzmilchkraut (Glaux maritima) und Strand- wegerich (Plantago maritima) vor; eingestreut sind Gemeiner Salzschwaden (Pucci- nellia distans) und Spießblättrige Salzmelde (Atriplex hastata var. salina). Stellen- weise ist Röhricht der Gemeinen Strandsimse (Scirpus maritimus) zu finden. Weitere salzertragende Arten sind Roggengerste (Hordeum nodosum), Erdbeerklee (Trifolium fragiferum), Hainsegge (Carex otrubae) sowie Unterarten des Großwegerichs (Plan- tago major ssp. winteri) und des Gewöhnlichen Hornklees (Lotus corniculatus ssp. tenuifolius). Seit Beginn der 60er Jahre ist die Salzflora erheblich zurückgegangen, was im wesent- lichen auf die landwirtschaftliche Nutzung einerseits und auf das Brachfallen wichtiger Teile andererseits zurückzuführen ist. Zur Regeneration dieser besonders schützens- werten Vegetation sind Pflegemaßnahmen dringend erforderlich. Dazu zählt das Ent- fernen von Dränagen, die das Solwasser unterirdisch ableiten, ohne daß es für die halophilen Pflanzen zur Verfügung steht. Auch auf die angrenzende Trockenvegetation soll hingewiesen werden. Allgemein lassen sich die hier vorzufindenden Halbtrockenrasen trennen in solche auf saurem und in solche auf kalkhaltigen Grundgestein. Floristisch von besonderer Bedeutung sind dort das Weiße Fingerkraut (Potentilla alba), verschiedene Wildrosen-Arten (z. B. Rosa agrestis, nitidula und vosagiaca), eine in Hessen sehr seltene Brombeerart, die Rauhe Brombeere (Rubus melanoxylon), eine erst jüngst neubeschriebene Weißdorn- art (Crataegus alemanniensis) sowie die Grasarten Trespenähnlicher Fuchsschwingel (Vulpia bromoides) und Nelken-Schmielenhafer (Airs caryophyllea). Zweck der Unterschutzstellung ist es auch, einen Brut- und Rastplatz für zahlreiche bestandsbedrohte Vogelarten zu sichern: Bekassine, Schafstelze, Sumpf- und Teich- rohrsänger, Feldschwirl und Braunkehlchen finden in den Wiesen ihren Brutplatz. Zur Zugzeit können regelmäßig Wiesenweihe, Graureiher, Wiedehopf, Eisvogel, Wiesen- pieper, Knäk- und Krickente beobachtet werden. Zwergschnepfe sowie Kornweihe be- vorzugen dieses Gebiet zum Überwintern.

NSG „Graf-Dietrichs-Weiher bei Fischborn" (Main-Kinzig-Kreis)

VO vom 1. Februar 1982 (StAnz. S. 470); in Kraft getreten: 2. März 1982

Über die Musterverordnung hinaus ist

gestattet: — die Ausübung der Jagd, außer auf Federwild — die ordnungsgemäße teichwirtschaftliche Nutzung des Hauptteiches einschließlich der Unterhaltung der Dämme, nicht jedoch das Ablassen des Hauptteiches in der Zeit vom 1. Januar bis 15. September — die Ausübung der Angelfischerei im Vorteich, Flur 2, Flurstück Nr. 5/1 — die Handlungen der zuständigen Wasserbehörde oder deren Beauf- tragter im Rahmen der Wasseraufsicht und Maßnahmen zur Gewässer- unterhaltung im jeweiligen Einvernehmen mit der oberen Naturschutz- behörde — die Errichtung und Erhaltung von zwei Klärteichen mit einer Fläche von 1200 qm auf Flur 2, Flurstück 15

174 Das im Naturraum Unterer Vogelsberg gelegene Naturschutzgebiet umfaßt in einer Größe von 20 ha den Graf-Dietrichs-Weiher und dessen Verlandungszone, vernäßte Bereiche mit kleinen Teichen unterhalb des Weihers, ein Erlenwäldchen sowie eine Grünlandfläche. In erster Linie bietet der Weiher mit seiner Verlandungszone Lebens- möglichkeiten für an Feuchtland gebundene Tiere und Pflanzen. Der Bereich ist Brut- gebiet für Vogelarten der Roten Liste wie Haubentaucher, Bekassine, Wachtel, Wasser- ralle, Reiherente und Eisvogel. Für durchziehende Vögel stellt das Gebiet einen wert- vollen Rastplatz dar. Aus botanischer Sicht kommt dem Naturschutzgebiet Bedeutung zu: Dort wächst u. a. die Kriechweide (Salix repens), die im Vogelsberg nur noch einen weiteren Standort besitzt, ferner der Rundblättrige Sonnentau (Drosera rotundifolia) sowie mehrere Orchideenarten (alle Rote Liste).

NSG „Tongrube von Meerholz" (Main-Kinzig-Kreis)

VO vom 25. Mai 1982 (StAnz. S. 1093); in Kraft getreten: 15. Juni 1982

Über die Musterverordnung hinaus ist

verboten: — auf dem Brachland zu düngen und Pflanzenbehandlungsmittel anzu- wenden

gestattet: — die Ausübung der Jagd, nicht jedoch die Fallenjagd

Die aufgelassene Tongrube von Meerholz liegt im Übergang vom Hügelland des Meer- holzer Feldes zum waldbedeckten Hang des Niedermittlauer Heiligenkopfes. Diese Fläche von gut 5 ha konnte die Natur seit Jahrzehnten fast ungestört „zurückerobern". Zu der zu beobachtenden Vielfalt trug die günstige Randzonen-Lage zwischen offener Feldmark und Wald bei. Nach Auffüllung des Abbaugeländes der ehemals großflächigen Tongrube war etwa ein Drittel des ursprünglichen Areals erhalten geblieben. Erfreu- licherweise konnte die wertvolle Kernzone, eine teich- bis tümpelförmige Wasserfläche, als wertvolle Lebensstätte für die Tier- und Pflanzenwelt sichergestellt werden. Auch bei einer längeren Trockenperiode verfügt dieses Gebiet über ein ausreichendes Wasser- vorkommen. Für zahlreiche Amphibienarten, wie Kammolch, Bergmolch, Teichmolch, Gelbbauchunke, Kreuz- und Erdkröte sowie Gras- und Laubfrosch, dient die Tongrube als Laichplatz und Aufenthaltsort. Insbesondere für die Vogelwelt in Wald und Feld ist die Bedeutung dieses Areals offenkundig. Dort finden u. a. Wendehals, Dorngras- mücke, Neuntöter, Fitis, Waldlaubsänger und Nachtigall einen hervorragenden Brut- und Nahrungsbiotop. Wiederholt wurden auch Steinkauz, Raubwürger, Habicht und Heidelerche gesichtet. Als Pufferzone gegen die allmählich heranrückenden Siedlungen sowie die benach- barte intensiv genutzte Acker-, Wiesen- und Waldlandschaft wirkt eine reiche Strauch- und Staudenvegetation, die den Tongrubenrest vor Schadeinflüssen schützt. Die Roh- böden der Abbauflächen, Tone, Sande und Sandsteingehängeschutt, durchsetzt mit abgerutschten kleinen Hangpartien aus Zechsteinletten und Bröckelschiefer haben zu einem durch Heideflächen und Pioniergehölze bestimmten Vegetationsbild geführt. Die Pflanzenwelt besteht weiterhin aus schützenswerten Schilf- und Seggenbeständen sowie aus einer Reihe von Moosarten. Die vom zeitigen Frühjahr bis in den Herbst hinein reichlich blühenden Kräuterarten sind Nahrungsspender für Bienen und viele andere Insektenarten und sollen deshalb nicht unerwähnt bleiben.

175 NSG „Am Wallenberg bei Villingen" (Landkreis Gießen)

VO vom 28. Mai 1982 (StAnz. S. 1154); in Kraft getreten: 22. Juni 1982

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: — die Ausübung der Jagd — die Ausübung der teichwirtschaftlichen Nutzung im bisherigen Umfang und in der bisherigen Art — die Handlungen der zuständigen Wasserbehörde oder deren Beauf- tragter im Rahmen der Wasseraufsicht sowie Unterhaltunsgarbeiten an Gewässern im jeweiligen Einvernehmen mit der oberen Natur- schutzbehörde

Durch die Ausweisung zum Naturschutzgebiet wurde ein im Naturraum Hungener Höhen bemerkenswerter mit Gehölzen bestandener Magerrasen sowie eine an- grenzende Teilfläche als Lebensstätte für seltene, bestandsgefährdete feuchtland- gebundene Pflanzen- und Tierarten sichergestellt. Das 7,66 ha große Gebiet besteht aus einem nach Norden hin flach auslaufenden Berg- rücken und einem am Fuß des steileren Südwesthanges gelegenen Teich. Die Hang- flächen und der Bergrücken waren ursprünglich von einer typischen Trockenvegetation bedeckt. Sie wurden jedoch vor etwa 40 Jahren zum größten Teil mit Kiefern aufge- forstet. Nach einem Schneebruch im Jahre 1979 mußte das Kiefern-Stangenholz auf dem Bergrücken größtenteils geräumt werden. Danach sind einzelne Laubbaumkul- turen aus Traubeneiche (Quercus petraea), Winterlinde (Tilia cordata), Elsbeere (Sor- bus torminalis) und Wildkirsche (Prunus avium) an dessen Stelle getreten. Auf den verbliebenen Freiflächen haben sich Pflanzenarten der Magerrasen gehalten bzw. wieder angesiedelt. Das Gewässer wird durch einen kleinen Damm im Osten abgegrenzt. In den flachen Uferzonen stehen Breitblättriger Rohrkolben (Typha latifolia) und Aufrechter Igelkolben (Sparganium erectum), während die Wasserfläche teilweise mit schwimmendem Laich- kraut (Potamogeton natans) bedeckt ist. Bisher liegen noch keine eingehenden Unter- suchungen über die Tierwelt vor, beobachtet wurden bisher Zwergtaucher und Blau- kehlchen als Durchzügler.

Anschrift der Verfasser: Dr. H.-1. BOHR und C. Kraft, Hessische Landesanstalt für Umwelt, Aarstraße 1, 6200 Wiesbaden

176 Kleine Mitteilungen

Eistaucher (Gavia immer) erstmals in der Fuldaaue Kassel

Während Prachttaucher gelegentlich im Kasseler Raum im Frühjahr und Herbst auf dem Zug festgestellt werden, hatte man hier noch nie einen Eistaucher beobachtet. 1969 wurde im Amöneburger Becken, Kr. Marburg-Biedenkopf, vom 23. 11. — 5. 12. ein Eistaucher auf einem Kiesbaggerteich gesichtet (BODE, KLIEBE & WEISS 1970). War der große Seetaucher gegen Ende des Jahres 1981 (7. 11. —8. 12. 81) wirklich ein Eistaucher im Winterkleid, so handelte es sich um einen Erstnachweis, allemal eine auf- regende Angelegenheit für engagierte Vogelkundler. Da könnte manchmal der Wunsch das Urteil beeinflussen. Gerade im Winterkleid sehen sich der immature Prachttaucher und der Eistaucher zum Verwechseln ähnlich. Die gebräuchlichen Bestimmungsbücher geben an, daß der Prachttaucher kleiner sei als der Eistaucher. Da britische Ornitho- logen in jedem Winter beide Seetaucherarten regelmäßig beobachten können, zog ich das „Handbook of British Birds" von WITHERBY et al. (1943-44) zu Rate. Es enthält umfangreiche Ausführungen zur Unterscheidung beider Arten:

1. Zur Länge: Danach gibt es ein Überlappen in der Größe: Prachttaucher zwischen 58 und 69 cm Länge, Eistaucher zwischen 69 und 81 cm. Es sei kaum möglich, im Winter auf offenem Wasser große Prachttaucher von kleinen Eistauchern zu unterscheiden. Die Längen- schätzung des Kasseler Seetauchers gingen auch auseinander, z. B. 70 cm durch Ver- gleich mit Stockente (HÜTTIG) und länger als 70 cm (KURDZEL).

2. Zur Schnabelform: Nach WITHERBY sind die Schnäbel beider Arten nicht immer unterschiedlich, wie es in PETERSON (1954) beschrieben wird. Das ergaben auch Vergleiche an Präparaten von Eis- und Prachttaucher im Naturkundemuseum Kassel (HUTTIG).

3. Zum dunklen Halsband: PETERSON nennt beim Eistaucher die Andeutung eines dunklen Halsbandes an der Halswurzel, WITHERBY zeigt den Ansatz eines „Kragens" im Bild (vorne offen). Der Kasseler Seetaucher hatte nach übereinstimmenden Angaben der Kasseler Beobach- ter BOGON, BOLLER, GREBE, HUTTIG, KURDZELL, LEITZ und SCHUMANN dieses Band. Um Klarheit zu gewinnen, fragte ich bei einem bekannten britischen Vogelkund- ler, Michael R. CHANDLER an, der schon in Kassel einen Vortrag über englische See- vogelschutzgebiete hielt. Seine Antwort lautetet, jener „Halbkragen" sei nicht immer vorhanden, bei Vorhandensein wäre es immer ein Eistaucher. CHANDLER äußerte sich dabei kritisch zur Qualität der Abbildungen der Seetaucher in PETERSON et al. (1954) und in HEINZEL et al. (1972).

4. Zum Augenring: Um das Auge beobachtete SCHUMANN einen fast vollkommen geschlossenen Augen- ring, wie es die Abbildung in BRUUN, SINGER & KÖNIG (1971) zeigt. Ein anderer Beobachter äußerte, er habe eine waagerechte Teilung des Augenrings gesehen. Dazu CHANDLER: Es gibt eine horizontale Linie hinter dem Auge, die aber nur wahrnehm- bar ist, wenn man den Vogel in der Hand hält. Aus dem zuvor Geschilderten ergibt sich, daß in schwierigen Fällen unsere üblichen Bestimmungsbücher nicht ausreichen für eine sichere Artbestimmung. Auch BAUER & GLUTZ (1966) geben an, daß die Unterscheidung beider Arten im Schlichtkleid 177 schwierig ist. Hätte der Kasseler Eistaucher die „Kragenzeichnung" nicht gehabt, wäre eine annähernd zuverlässige Bestimmung vielleicht durch Beachtung seines im folgenden beschriebenen Verhaltens noch möglich gewesen.

5. Zum Verhalten: So wirkte der Taucher beim Startversuch sehr schwerfällig, dabei war das Starten mit sehr kräftigen Flügelschlägen und erheblicher Wasserbewegung verbunden. Häufig richtete er den Schnabel beim Schwimmen senkrecht nach oben. Von anderen Wasser- vögeln hielt er sich fern. Eine sich nähernde Blel3ralle vertrieb er durch einen raschen Angriff. WITHERBY erwähnt diese Verhaltensweise als arttypisch. Die dem Eis- taucher zugeschriebene „Neugier" kann ich bestätigen. So stand ich manchmal ohne Deckung in Ufernähe und hantierte auffällig mit dem Spektiv. Das vertrieb ihn keines- wegs. Er hielt sich dann konstant zwischen 50 und 80 m auf. Einmal verhielt ich mich besonders auffällig, nach dem ich bei WITHERBY über seine Eigenarten nachgelesen hatte, indem ich den Mantel in den Händen schwenkte. Der Eistaucher kam darauf über die Seebreite des Fuldaaue-Sees unter Wasser, aber mehrfach auftauchend, direkt auf mich zu. Als er dann ca. 20 m vor mir auftauchte, verharrte er einige Sekunden, um danach in Ruhe sein Tauchen nahe der Vogelinsel fortzusetzen. Beim siebten Auf- tauchen hielt er einen kräftigen Fisch im Schnabel, legte ihn sich zurecht und ver- schlang ihn. Am gleichen Ort fielen SCHUMANN lange Tauchzeiten, durchschnittlich von 1-1,5 Minuten auf, dazu ungewöhnlich lange Tauchstrecken.

6. Zur Beschreibung und zum Aussehen: Der Kasseler Eistaucher wirkte nach SCHUMANN gänsegroß, im Vergleich zur Bleß- retie. Es fielen auf: Gerader, kräftiger Schnabel (Keilform), eckige Kopfkonturen, ab- geplatteter Oberkopf, dunkle Kopfplatte, Rückengefieder erscheint bei schräg auf- fallendem Licht gebändert (kreuzstreifig). Wegen ihrer guten Illustrationen von Tauchern empfiehlt M. R. CHANDLER ein schwe- disches Buch. LARS JONSSON: "F6glar i Naturen: Hay Och Kust" und ein englisches Werk: P. HAYMAN & P. BURTON: "Birds of Britain and Europe".

Literatur BRUUN, B., A. SINGER & C. KÖNIG (1971): Der Kosmos-Vogelführer. Stuttgart. BAUER, K. M. & U. GLUTZ VON BLOTZHEIM (1966): Handbuch der Vögel Mitteleuro- pas. Frankfurt/M. — Bd. 1. BODE, H., K. KLIEBE & J. WEISS (1970): Ein Eistaucher — Gavia immer — im Amöne- burger Becken, Landkreis Marburg/Lahn. Luscinia 41: 35 —37. HEINZEL, H., FITTER, R. FARSLOW, J. (1972): Pareys Vogelbuch. — Hamburg. PETERSON, R., G. MOUNTFORT, P. HOLLOM (1954): Die Vögel Europas. — Hamburg. WITHERBY, H. F., JOURDAIN, TICEHURST, TUCKER (1938-41): The Handbook of British Birds. (With corr. a.add. 1943-44.) — Oxford.

Anschrift des Verfassers: F.-K. HUTTIG, Oberbringe 21, 3500 Kassel

178 Eindrucksvoller Herbstdurchzug des Rotmilans (Milvus milvus) 1981 im Altkreis Wetzlar Der Herbstzug des Rotmilans verläuft im Altkreis Wetzlar (Südteil des Lahn-Dill-Krei- ses) regelmäßig wenig auffallend. Registriert wurden von mir seit etwa 1965 meist nur Einzelvögel, maximal 3-5 Ex., wobei außerdem eine Unterscheidung zwischen Durchzüglern und umherstreifenden Vögeln der heimischen Brutpopulation nicht immer sicher zu treffen war. Obwohl Beobachtungen von vielen Stellen des Kreisgebietes vorliegen, scheint ein wesentlicher Teil des Durchzuges sich dabei im von NO nach SW verlaufenden Lahntal zu konzentrieren. Auch im Februar werden regelmäßig dort die ersten durchziehenden Rotmilane festgestellt, meist in recht geringer Höhe der Leitlinie des Flusses folgend. Im Oktober 1981 war dagegen ein beeindruckender Durchzug des Rotmilans im ge- samten südlichen Kreisgebiet zu beobachten, wobei besonders zusammenhaltende Trupps von mehrmals 40 bis über 60 Ex. auffielen. Für Hessen ist mir nur eine Angabe über Zuggemeinschaften des Rotmilans in dieser Stärke bekannt (THIENHAUS in FIEDLER 1980). Auch das Handbuch der Vögel Mittel- europas weist Verbände von über 30 Ex. auf dem Zug als selten aus. Die in der Lite- ratur geschilderten kopfstarken Versammlungen nach der Brutzeit im Sommer und Frühherbst dürften hier sowohl jahreszeitlich als auch insbesondere auf Grund der konstanten Zugrichtung der Zugtrupps nach SW ausscheiden, sie sind auch aus dem Wetzlarer Raum bisher nicht bekannt. Im folgenden habe ich die mir vorliegenden Beobachtungen vom Herbstzug 1981 zusammengestellt. Den Gewährsleuten danke ich für die Überlassung ihrer Daten.

1. 10. 1981: Um 12.30 Uhr überfliegen 63 Ex. kreisend das Stadtgebiet von Wetzlar in SW Richtung. Um 14.20 Uhr überfliegen 24 Ex. das Stadtgebiet von Wetzlar in Richtung SW (lockerer Verband). 5. 10. 1981: Um 11.30 Uhr überfliegen 6 Ex. die „Leitzwerke" in Wetzlar. (E. REHORN). 6. 10. 1981: 17.30 Uhr, ca. 40 Ex. niedrig über Kleinrechtenbach Altkr. Wetzlar flie- gend. Schlafplatz suchend? (K. EULER) 8. 10. 1981: 17 Ex. ziehen über Oberqembach Altkr. Wetzlar in SW Richtung, (E. REHORN) 9. 10. 1981: Ca. 16.00 Uhr überfliegen 6 Ex., Oberqembach Altkr. Wetzlar (E. REHORN) 16. 10. 1981: Gegen 17.00 Uhr ziehen 62 Ex. im lockeren Verband über Oberqembach in SW Richtung (E. REHORN) 26. 10. 1981: Um 15.30 Uhr 13 Ex. bei Oberbiel Altkr. Wetzlar in SW Richtung ziehend. (J. NEITZSCH) 14. 11. 1981: 6 Ex. überfliegen das NSG „Dutenhofener See" im Altkr. Wetzlar in SW Richtung. (R. FIPPL& E. METZ) 16. 11. 1981: Um 13.15 Uhr überfliegen 3 Ex. Wetzlar in Richtung SW. 19. 12. 1981: 3 Ex. nahrungssuchend bei Schwalbach Altkr. Wetzlar ca. 16.00 Uhr. (E. REHORN) Beobachtungen aus den anschließenden Wintermonaten fehlen, wie überhaupt der Rotmilan im Altkreis Wetzlar bisher nicht als Überwinterer bestätigt werden konnte. Literatur: GEBHARDT, L. & W. SUNKEL (1954): Die Vögel Hessens. Frankfurt a. M., S. 326. GLUTZ, U. N., K. BAUER & E. BEZZEL (1971): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. - Wiesbaden; Bd. 4: 151, 158-159. 179 THIENHAUS, R. in FIEDLER, K. (1980): Avifaunistische Kurzmitteilungen aus Hessen (2). - Vogel und Umwelt 1: 169.

Anschrift des Verfassers: GERHARD NEITZSCH, Burgweg 3, 6336 Solms-Oberbiel

Erster Nachweis der Ohrenlerche (Eremophila alpestris) im Kreis Fulda

Durch das gelbe Gesicht mit schwarzem Wangenfleck, schwarzem Kropfband und beim schwarzes Querband auf dem Scheitel mit kleinen, schwarzen „Federhörnchen" am Hinterkopf, unterscheidet sich die Ohrenlerche leicht von den anderen Lerchen die in unserer Heimat vorkommen. In Europa brütete die Ohrenlerche über der Baumgrenze in den Südkarpaten, der Balkanhalbinsel und in den steinigen, trockenen Tundren Nordeuropas. Als einzige Lerche hat sie den Weg nach Amerika gefunden. Die Ohrenlerche überwintert in Deutschland an der Nord- und Ostseeküste, gelegent- lich wird sie auch in Salzsümpfen und auf Stoppelfeldern im Binnenland festgestellt. In Hessen ist die Ohrenlerche ein seltener Gast. GEBHARDT & SUNKEL (1954) berich- ten in ihrem Buch „Die Vögel Hessens" von nur fünf Beobachtungen in der Zeit von 1784 bis 1954. 1967 wurden in Hessen Ohrenlerchen an drei verschiedenen Orten beobachtet. W. WISSNER (1967), Marburg, berichtet in der vogelkundlichen Zeitschrift „Luscinia" von Ohrenlerchen-Beobachtungen im Ohmbecken, Kreis Marburg-Biedenkopf, in der Zeit vom 7. 1. bis 12. 1. 1967. P. JONCK (1968), Griesheim, beobachtete vom 8. 1. bis 21. 1. 1967 diese Art südlich von Griesheim bei Darmstadt. R. LANDZETTEL erwähnt, daß er am 8. 1. 1967 bei Roßdorf (Kreis Darmstadt), Ohrenlerchen gesehen hat. F. J. NEUERBURG (1968), Bad Homburg, berichtet, daß er am 18. 2. und 25. 2. 1968 im Kreis Friedberg Ohrenlerchen beobachten konnte. Er schreibt weiter, daß auch K.-H. BERCK, Bad Homburg, am 25. 2. 1968 Ohrenlerchen in dieser Gegend sah. E. SCHOOF (1969), Bad Wildungen, teilt mit, daß er am 18. 2. 1969 bei Bad Wildungen Ohrenlerchen gesehen hat. Aus dem Jahr 1970 liegen zwei Beobachtungen vor. P. JONCK (1970) sah am 11. 1. und 17. 1. 1970 Ohrenlerchen im Griesheimer Sand (Kreis Darmstadt). Herr E. HEIDER, Fulda, teilte mir mündlich mit, daß G. BERG- SCHLOSSER und G. DIPPEL, im Dezember 1978 Ohrenlerchen bei Zell (Vogelsberg- kreis) mehrmals gesehen haben. Meine Ohrenlerchen-Beobachtungen für den Kreis Fulda stammen aus der Nähe von Fulda-Rodges. Die erste Bekanntschaft mit diesen Vögeln hatte ich am 24. 1. 1979: Auf einem mit Jauche frisch gedüngten Acker sah ich 18 Ohrenlerchen. Da es am Tag zuvor geregnet hatte, ragten überall in dieser Gegend grobe Ackerschollen, Stoppel- 'felder und samentragende Pflanzen aus dem Schnee. Am 25. 1. 1979 konnte ich ca. 15 Ohrenlerchen beobachten. 31 Ohrenlerchen zählte ich am 29.1.1979. 0.10ST, Fulda, und ich beobachteten am 31. 1. 1979 ca. 40 Vögel. 0.10ST stellte fest, daß die Lerchen Springschwänze (Collembola) aufpickten. Diese kleinen Urinsekten stellten wir zu Tausenden auf der Schneefläche fest. E. HEIDER und der Verfasser sahen am 31. 1. 1979 ca. 65 Ohrenlerchen in dieser Gegend. Am 2. 2. 1979 regnete es im ganzen Bundesgebiet. Bei diesem Wetter setzte bei einem Teil dieser Vögel der Rückflug in ihre eigentliche Überwinterungsgebiete ein. Ich sah nur noch 21 Lerchen. Am 3. 2. 1979 stellte ich keine Ohrenlerchen fest. Ca. 15 Ohrenlerchen beobachtete ich am 4. 2. 1979. Trotz intensiver Suche sah ich in der Zeit vom 5. 2. bis 7. 2. 1979 keine Ohrenlerchen mehr. Doch am 8. 2. 1979 waren die Lerchen wieder da, ca. 50 Exemplare konnte ich

180 beobachten. Hatte der Kälteeinbruch in Norddeutschland die Ohrenlerchen zu einer Rückkehr veranlaßt? Sechs Lerchen sah ich am 9. 2. 1979. Je ca. 55 Ohrenlerchen zählte ich am 10. und 12. 2. 1979. Am 13. 2. 1979 regnete es, ich stellte ca. 200 Feld- lerchen fest. Ohrenlerchen sah ich nirgends mehr. Auch am 15., 18. und 19. 2. 1979 konnte ich keine Ohrenlerchen mehr feststellen. Alle Beobachtungen wurden in einem Gebiet von ca. 600 m x 400 m gemacht. Die Fluchtdistanz betrug ca. 20 Meter. Bemerkenswert ist, daß sich die Vögel mit Vor- liebe auf Stoppelfeldern, welche mit Jauche gedüngt waren, aufhielten. Hier stellte ich auch die meisten Springschwänze (Collembola) fest. 'Die Ohrenlerchen konnten vermutlich nur deshalb so zahlreich in unserer Gegend beobachtet werden, weil in ihrem eigentlichen Überwinterungsgebiet, an der Nord- und Ostseeküste, ein extrem kalter und schneereicher Winter herrschte. Deshalb besteht die Möglichkeit, daß auch in anderen Gebieten des osthessischen Raumes Ohren- lerchen überwinterten.

Literatur

PETERSON, R., G. MOUNTFORT & P. A. D. HOLLOM (1965): Die Vögel Europas, 7. Auflage. GEBHARDT, L. & W. SUNKEL (1954): Die Vögel Hessens, Frankfurt (Main), S. 184. WISSNER, W. (1967): Ohrenlerchen (Eremophila alpestris) im Ohmbecken, Kreis Marburg, Luscinia 40: 54-56. JONCK, P. (1968): Ohrenlerchen (Eremophila alpestris) im Januar 1967 bei Darmstadt, Luscinia 40: 118-119. JONCK, P. (1970): Ohrenlerche (Eremophila alpestris), Luscinia 41: 102. LANDZETTEL, R. (1968): Weitere Beobachtungen von Ohrenlerchen (Eremophila alpestris) in Hessen Luscinia 40: 119. NEUERBURG, F. J. (1968): Weitere Beobachtungen von Ohrenlerchen (Eromophila alpestris) in Hessen, Luscinia 40: 119. SCHOOF, E. (1969): Ohrenlerche (Eremophila alpestris), Luscinia 40: 273.

Anschrift des Verfassers: HORST BACHMANN, Moldaustraße 6, 6400 Fulda-Maberzell

Brutvorkommen des Birkenzeisigs (Acanthis flammea) in Fulda

Im Jahr 1980 glückte uns im Bereich der Stadt Fulda und seinerzeit erstmals in Hessen der Brutnachweis des Birkenzeisigs. Im vergangenen Jahr gab es nur zwei Sichtbeob- achtungen und zwar am 28. 4. und am 5. 7. 1981. Trotz aller Bemühungen konnte ein Brutplatz nicht gefunden werden. Am 26. 4. 1982 sah ich am Ende des Schulgeländes im Stadtteil Nord drei Birken- zeisige bei der Futtersuche an Kiefernzapfen. Es waren wohl diese drei Vögel, denen ich wenige Stunden später innerhalb des Schulgeländes wieder begegnete. Zwei da- von machten sich am Boden zu schaffen, offenbar haben sie Nistmaterial gesucht, denn unweit davon entdeckte ich im Grüngürtel des Sportplatzes am 3. 5. ein fertiges Nest in ca. 2 m Höhe. Der Biotop setzt sich aus Sträuchern und Erlen, Feldahorn und Hart- riegel zusammen, also solche Pflanzen, die zur Eingrünung in Anlagen verwendet werden. Unmittelbar am Brutplatz stehen hohe Weiden mit eingestreuten Birken, deren Alter ich auf ca. 20 Jahre schätze. 181 Am 10. 5. saß das Weibchen auf dem Nest. Gleichzeitig entdeckte ich ein weiteres Nest etwa 30 m von dem ersten entfernt in ca. 8 m Höhe auf einem der Weidenbäume. Das noch bauende Weibchen wurde von einem Männchen bei der Suche nach Nistmaterial begleitet. Am 20. 5. waren die Jungen aus dem Nest Nr. 1 — vermutlich fünf — zu sehen. Sie waren bereits so weit flügge, daß mit ihrem Ausfliegen in wenigen Tagen zu rechnen war. Auf dem Nest Nr. 2 brütete zugleich das Weibchen. In meiner Abwesenheit von Fulda, vom 23. 5. bis 4. 6., sind die Jungen aus dem Nest Nr. 1 ausgeflogen. Auf dem Nest Nr. 2 bewegten sich am 6. 6. von unten erkennbar die Jungvögel. Sie wurden nach meinen Beobachtungen nur von dem Weibchen gefüttert. Am 9. 6. waren die Jungen im Begriff, das Nest zu verlassen. Vier saßen bereits in den nahen Ästen, ein Junges noch im Nest. Etwa in 4 m Entfernung vom Nest Nr. 2 in ca. 5 m Höhe war ein Weibchen dabei, ein weiteres Nest zu bauen. Auch das begleitende Männchen schlüpfte zuweilen in das Nest und ordnete das Nistmaterial. Am 15. 6. saß das Weibchen auf dem Nest und brütete offenbar. Vom 17. — 28. 6. war ich nicht in Fulda. Bei meiner Rückkehr fütterte das Weibchen seine Jungen. Nach jeder Fütterung wurden die Jungen erst eine gewisse Zeit gehudert. Am 5. 7. waren die Jungvögel von unten deutlich zu erkennen; sie sind am 10. 7. ausgeflogen. Als ich mit meinem Dackelhund vorbeikam, warnte das Weibchen vor dem vermeind- lichen Feind und entgegen meiner Annahme, die anderen Artgenossen hätten sich aus dem Gebiet entfernt, kamen plötzlich aufgrund der Warnrufe 4 oder gar 5 Birken- zeisige und beteiligten sich an dem Warnen. Zusammenfassend glaube ich sagen zu können, daß es sich nach meinem Dafürhalten um ein Männchen und zwei Weibchen gehandelt hat. Es waren in der gesamten Brutzeit kaum und wenn ja, nur kurze Balzflüge zu beobachten. Das mag damit zusammen- hängen, daß das Männchen keine Revierkonkurrenz hatte. Hätte ich mir das Auge in meiner langjährigen Beobachtungszeit nicht auch auf das Brutverhalten der Vögef geschärft, wäre das Vorkommen evtl. unbeobachtet geblieben. Die Zeisignester stan- den neben einer Wacholderdrosselkolonie, die in den letzten zwei Jahren von drei auf zehn Brutpaare angewachsen ist. In das Brutgebiet eindringende Elstern, die auch, den Zeisignestern hätten gefährlich werden können, wurden von den Drosseln so massiv bekämpft, daß sie die Flucht ergriffen. Man kann wohl davon ausgehen, daß die drei erfolgreichen Bruten auf diese Schutzmacht zurückzuführen sind.

Literatur HEIDER, E. & 0. JOST (1981): Erster Brutnachweis des Birkenzeisigs (Acanthis flam- mea) in Hessen. Vogel u. Umwelt 1: 179-182.

Anschrift des Verfassers: ERICH HEIDER, Petersberger Straße 82, 6400 Fulda.

182 Mitteilungen der Staatlichen Vogelschuzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland

Biotopschutzprogramm: „Streuobstwiesen" von ALBERT HARBODT, Frankfurt am Main

1. Einleitung In den letzten Jahren bemühte sich die Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rhein- land-Pfalz und Saarland vorrangig um den Schutz feuchtlandgebundener Vogelarten. Gleichzeitig dazu wurde das hessische „Altholzinsel-Programm" zur Förderung der Großhöhlenbrüter entwickelt. Nachdem mit beiden Schutzkonzeptionen Fortschritte er- zielt werden konnten, wurde es im Sinne der Erhaltung einer vielfältigen Vogelwelt dringend erforderlich, den stark gefährdeten Biotoptyp „Streuobstwiese" in das Be- wußtsein der Bevölkerung zu rücken. Den aktuellen Bezug soll eine kurze Zeitungsnotiz belegen. Stellungnahmen zum Be- bauungsplan einer südhessischen Gemeinde: „. . Die Obstbäume in der Gemarkung sollen bei der Bebauung des Geländes möglichst erhalten bleiben, fordert die (Natur- schutz-) Behörde. Die Gemeinde dagegen ist der Meinung, daß die Streuobstanla- gen . . . bei einer wirtschaftlichen Erschließung des Geländes nicht verschont und er- halten bleiben können . .", (Darmstädter Echo, 30. 10. 1982). Lebensraumveränderung und Lebensraumzerstörung sind die Hauptgefährdungsur- sachen für den Rückgang der Bestände zahlreicher Vogelarten. In den folgenden Ausführungen wird das Biotopschutzprogramm „Streuobstwiesen" der Staatlichen Vogelschutzwarte erläutert, das anläßlich der Tagung der Kreisbeauf- tragten für Vogelschutz am 27. 03. 1982 in Frankfurt mit den Teilnehmern diskutiert und als Arbeitsschwerpunkt der Beauftragten für die Jahre 1983/84 beschlossen wurde.

2. Definition und Begründung 2.1 Streuobstwiesen im Sinne dieses Programms sind Anpflanzungen (einzeln, in Reihen, Gruppen oder in unregelmäßigem Verband) von hochstämmigen Obstbäumen (Kern-, Stein- und Schalenobst) im Grünland (Wiese, Weide). Weiteres Kennzeichen der Streuobstwiese ist die extensive Nutzung und Pflege durch Verzicht auf Düngungs-, Kronenschnitt- und Pflanzenschutzmaßnahmen. Darüber hinaus sollen alle Flächen wie Obstgärten, Obsthaine, Obstwiesen, Streuobstbestände, Obstwiesengürtel um Dörfer durch das Schutzprogramm erfaßt werden. 2.2 Die Hochstamm-Obstbäume gehörten früher als selbstverständliche Landschafts- elemente zu jedem Bauernhof und zu jeder Feldgemarkung. Sie waren aber nicht nur belebende, gliedernde, natürliche, die Harmonie der Landschaft bildende Elemente, sondern sie waren auch wichtige und bedeutsame Lebensräume für eine ganze Reihe sehr spezialisierter Vogelarten" (Aus: DIEHL, Rundschreiben 1/1982). Ausschlaggebend für die Verluste an Streuobstflächen sind im wesentlichen Maßnah- men durch: — Obstbaumrodungen (z. B. EWG-Rodungsaktion) — Flurbereinigung — Baulanderschließung — Ausbau der Verkehrswege Der Rückgang an Streuobstwiesen und die Aufgabe dieser alten extensiven Nutzungs- form hatte und hat auch jetzt noch schwerwiegende Folgen für zahlreiche bestands- bedrohte Brutvögel in Hessen. Von den bestandsgefährdeten Vögeln in Hessen (Rote Liste, 6. Fassung, 1980) sind besonders folgende Arten durch den Verlust oder durch die Minderung ihres Lebens-

183 raumes betroffen: Schwarzstirnwürger (ausgerottet seit 1966), Steinkauz, Wendehals, Wiedehopf, Neuntöter, Raubwürger, Rotkopfwürger, Braunkehlchen. Weitere bedeutende Tierarten der Lebensgemeinschaft „Streuobstwiese" sind Grau- specht, Grünspecht, Baumpieper, Gartenrotschwanz, Rebhuhn, Kohlmeise, Blaumeise, Sumpfmeise, Gartenbaumläufer, Rotkehlchen, Gelbspötter, Grauschnäpper, Bach- stelze, Star, Stieglitz, Hänfling, Girlitz, Buchfink, Goldammer, Feldsperling, Garten- grasmücke, Zaunkönig. Andere Tierarten: Igel, Spitzmäuse, Fledermäuse, Bilche (oder Schläfer), Hamster, ferner Schmetterlinge und Käfer.

3. Organisation und Durchführung In Zusammenarbeit mit dem Landesverband Hessen im Deutschen Bund für Vogel- schutz und der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz soll das Biotopschutzprogramm „Streuobstwiesen" durch die Staatliche Vogelschutzwarte und ihre Beauftragten in den Jahren 1983 und 1984 in vier Stufen durchgeführt werden: - Zustandserfassung - Zustandsbewertung - Festlegung der Entwicklungsziele - Maßnahmen.

3.1 Koordinierungsstellen Koordinierungsstelle auf Landesebene ist die Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland in Frankfurt/Main. Sie sorgt für die notwendige Abstim- mung mit der Obersten und Oberen Naturschutzbehörde, dem Hessischen Landes- amt für Ernährung, Landwirtschaft und Landentwicklung und den Landesvorständen der Naturschutzverbände. Auf Kreisebene halten die Kreisbeauftragten für Vogelschutz die notwendigen Kon- takte mit den Unteren Naturschutzbehörden, den Ämtern für Landwirtschaft und Land- entwicklung (ALL) und den Kreis- und Ortsgruppen der Naturschutzorganisationen.

4. Zustandserfassung Im Laufe des Jahres 1983 wird durch die Ortsbeauftragten für Vogelschutz eine flä- chendeckende Kartierung der noch vorhandenen „Streuobstwiesen" anhand der in Anhang 1 angeführten Kartieranleitung durchgeführt. Die Ortsbeauftragten sollten sich dazu in den Großgemeinden zu Arbeitsgruppen zusammenschließen, um ein hohes Maß an Abstimmung zu erzielen.

5. Bewertung, Ziele, Maßnahmen Im Frühjahr 1984 werden die Ergebnisse der Kartierung durch die Staatliche Vogel- schutzwarte ausgewertet. Nach Festlegung der Entwicklungsziele aufgrund der Zu- .standsbewertung sollen den Beauftragten für Vogelschutz und den Mitgliedern der Naturschutzverbände konkrete Hinweise auf rechtliche, praktische und organisato- rische Maßnahmen zur Erhaltung des Ökosystems „Streuobstwiese" gegeben werden.

6. Hinweise zu Schutzmaßnahmen für akut gefährdete „Streuobstflächen" Schon jetzt gibt es einige gesetzliche Möglichkeiten, den weiteren Verlust an Streu- obstflächen aufzuhalten oder zu verhindern: - Berücksichtigung der gefährdeten Flächen in den Landschaftsplänen der Gemeinden nach § 4 (1) Hessisches Naturschutzgesetz (HENatG); - Ausweisung als geschützte Landschaftsbestandteile nach § 15 (1) HENatG; - Schutz durch das Verbot des § 23 Abs. 1 Nr. 3 und Anordnungen nach § 25 Abs. 5 HENatG

184 Schutz von Brut- und Wohnstätten geschützter Arten (Vogel und Umwelt 1: 291, 1981); — Erlaß des Hessischen Ministers für Landesentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten vom 2. 03. 82 — Az: HB 7-LK 24.0-931/82 — Betreff: Berücksichtigung von Streuobstbeständen in Flurbereinigungsverfahren, Anhang 2.

7. Empfehlenswerte und im Text verwendete Literatur — ALMON, G., H. GÖRTZ, W. KEIL & R. SCHWARZ (1981): Arbeitsanleitung für die Anlage von Feldgehölzen, Streuobstflächen, Gras- und Krautflächen, Feuchtflächen. Schriftenreihe Landwirtschaft und Landentwicklung in Hessen. Herausgeber: Hes- sischer Minister für Landesentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten, Abt. Landwirtschaft und Landentwicklung. — BAUER & THIELCKE (1982): Gefährdete Brutvogelarten in der Bundesrepublik Deutschland und im Land Berlin: Bestandsentwicklung, Gefährdungsursachen und Schutzmaßnahmen. — Die Vogelwarte 31: 183-391. — BUCHWALD & ENGELHARDT (1968): Handbuch für Landschaftspflege und Natur- schutz; Band 2, Pflege der freien Landschaft: 220-229. — CLEVER, K.-H., H. SCHWARZ & U. SEUM (1981): Maßnahmen zur Erhaltung des Steinkauzes (Athene noctua) in Hessen — Vogel und Umwelt 1: 302-306. — ULLRICH, B. (1975): Bestandsgefährdung im Ökosystem „Streuobstwiese" unter besonderer Berücksichtigung von Steinkauz (Athene noctua) und den einheimischen Würgerarten der Gattung Lanius. Beih. Veröff. N.U.L. Baden-Württemberg 7: 90-110. — WILDERMUTH, H. (1980): Natur als Aufgabe — S. 213-215; Schweizerischer Bund für Naturschutz (SBN).

Anschrift des Verfassers: ALBERT HARBODT, Dipl.-Forstwirt, Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, 6000 Frankfurt/M. 61, Steinauer Straße 44

Anhang 1 Kartieranleitung „Streuobstwiese" in Abstimmung mit 0. DIEHL, KBV, Rundschrei- ben 2/1982 Name des Beauftragten: Gemeinde: Kreis: Topographische Karte 1 : 25 000 Blattzeichnung: Als Grundlage für die Kartierung dienen Katasterkarten 1 :2000, die von der Ge- meindeverwaltung zu erhalten sind. Es werden nur Karten der Gemarkungsteile be- nötigt, wo sich noch Hochstamm-Obstbaumbestände befinden.

Bei der Begehung werden die Bäume mit folgenden Kennzeichen einzeln eingetragen:

Hochstamm-Apfelbäume = grüner Kreis Hochstamm-Birnbäume = gelber Kreis Hochstamm-Steinobst = roter Kreis (z. B. Kirsche) Neupflanzungen und junge Hochstamm-Obstbäume (bis ca. 10 Jahre) = Kreis-Kreuz 9, in der Farbe der entsprechenden Baumart

185 Alle niedrigen Obstbäume, gleich welcher Sorte und welchen Alters, werden mit einem blauen Kreis markiert. Bei den einzelnen Grundstücken ist außerdem die Bodennutzung wie folgt zu ver- merken: 1 = Brache 2 = Wiese 3 = Weide 4 = Acker Grundstücke, die dem Bund, dem Land oder der Gemeinde gehören, sollen mit einer roten Umrandung besonders gekennzeichnet werden. Untergrenzen der Kartierung stellen Gruppen von ca. 15 Hochstammobstbäumen oder isolierte Streuobstflächen von ca. 1200 m2 dar. Falls Katasterkarten nicht zur Verfügung stehen, werden die Kartierungsergebnisse für zusammenhängende Gebiete unter Verwendung vereinfachter Signaturen in eine Topographische Karte 1 : 25 000 übertragen.

Anhang 2 Erlaß des Hesssichen Minsters für Landesentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten vom 2. 03. 1982, Az: II B 7 — LK 24.0 —931/82 —

Betr.: Berücksichtigung von Streuobst-Beständen in Flurbereinigungsverfahren Bezug: Anleitung zur Erstellung des landschaftspflegerischen Teiles zum Plan nach § 41 FlurbG vom 30. 07. 1980 — II C 7 — LK 24.0 — 5220/80 —

Der Erhaltung alter Obstbaumbestände, insbesondere am Ortsrand und in der freien Feldmark, kommt aus einer Vielzahl landespflegerischer Gründe eine besondere Be- deutung zu. Dieser Erkenntnis tragen auch die in meiner Anweisung zur Erstellung des landschaftspflegerischen Teiles zum Plan nach § 41 FlurbG getroffenen Bestimmungen in Anlage 4, Seite 2 Abs. 2 und Anlage 5 Rechnung. Sie sollen eine Planung gewähr- leisten, welche die Erhaltung sichert und damit den Bestimmungen des § 37 (2) 'FlurbG, nach denen den Interessen des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Rechnung zu tragen ist, insoweit entspricht. Erfahrungsgemäß reicht diese planerische Sicherstellung selbst dann nicht aus, wenn die Baumreihen exakt parallel zur Hauptbearbeitungsrichtung stehen, weil die privaten 'Grundstückseigentümer nach der Neuzuteilung die Bäume unter Verkennung ihrer ökologischen Bedeutung oftmals roden. Die Bestimmungen des § 34 FlurbG bieten keine ausreichende Handhabe zur dauerhaften Verhinderung solcher Eingriffe, weil sie nämlich spätestens mit der Unanfechtbarkeit des Flurbereinigungsplanes nicht mehr anwendbar sind, sie können jedoch im Zeitraum der Neugestaltung selbst den Bestand weitgehend sichern. Die Flurbereinigungsbehörden werden deshalb nochmals angewiesen, die Möglichkeit des § 34 FlurbG voll auszuschöpfen. In der Flurbereinigung sollte deshalb angestrebt werden, Grundstücke mit ökologisch wertvollen Obstbaumbeständen in das Eigentum geeigneter Träger zu bringen, die langfristig die Erhaltung der Bestände gerantieren. Hierzu kommen u. a. folgende Maßnahmen in Frage: 1. Zusammenfassung mit sonstigen Flächen für gemeinschaftliche und öffentliche An- lagen wie Wege, Gräben, Pflanzungen, Feldgehölze usw. 2. Zuteilung an örtliche Naturschutz- und Vogelschutzvereine e.V. 3. Zuteilung an die Gemeinde 4. Zuteilung an das Land Hessen (Domänenverwaltung). Bei der Aufstellung des Planes nach § 41 FlurbG sind die in Frage kommenden Flächen zu ermitteln. Im Anschluß daran sind Verhandlungen mit den vorgesehenen zukünftigen

186 Eigentümern so rechtzeitig aufzunehmen, damit bei Beginn der allgemeinen Neuzutei- lung die Frage der Erhaltung von Flächen mit ökologisch wertvollen Obstbaumbestän- den abschließend geklärt ist. Die Zuteilung muß ggf. im Rahmen des § 40 FlurbG als Mehrempfang erfolgen. Aus den genannten Gründen ist eine Zuteilung von Flächen mit ökologisch wertvollen Obstbaum-Beständen an solche Träger anzustreben, die die Gewähr dafür bieten, daß diese Bestände dauerhaft in ihrer Funktion erhalten bleiben. Wo dies nicht möglich ist, sind diese Bestände durch folgende Bestimmung im Flurbereinigungsplan zu sichern, auf die nur dann verzichtet werden soll, wenn die Flurbereinigungsbehörde dies aus besonderen, näher darzulegenden Gründen des Einzelfalles für erforderlich hält: „Auf den Grundstücken Gemarkung ... Flur ... Flurstücke ... befinden sich ökologisch wertvolle Obstbaumbestände, deren Erhaltung aus Gründender Landschaftspflege und des Naturschutzes notwendig ist. Die Beseitigung dieser Bestände ist unzulässig." Die Festsetzungen der Flurbereinigungsbehörde sind Verwaltungsakte und können als solche nach § 137 FlurbG mit Zwangsmittel durchgesetzt werden. Die §§ 6 bis 18 VwVG gelten entsprechend. Ferner handelt nach § 154 FlurbG ordnungswidrig, wer § 34 Abs. 1 Nr. 3 FlurbG zu- widerhandelt. Dies kann mit einer Geldbuße geahndet werden.

In Vertretung

(Jordan)

Neue Zeitschriften

An dieser Stelle soll vorzugsweise über neue Zeitschriften aus Hessen berichtet wer- den, die schwerpunktmäßig die Bereiche Biologie, Ornithologie und Naturschutz be- handeln. Neben den bereits „etablierten", regionalen Zeitschriften wie z. B. „Beitr. zur Naturk. in Osthessen" (seit 1870), „Naturschutz in Nordhessen" (seit 1977), Vogel- kundl. Hefte Edertal" (seit 1975) oder „Vogelkundl. Mitt. aus dem Kasseler Raum" (seit 1978) sind zwei weitere regionale Schriften erschienen, die m. E. jeder hessische Orni- thologe beziehen sollte. Es sind dies: 1. „Beiträge zur Naturkunde der Wetterau" (seit 1981), herausgegeben vom Arbeits- kreis „Wetterau" der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V. (HGON). Bezugsadresse: H. J. RÜBLINGER, Taunusstr. 30, 6352 Ober-Mörlen 1' (Preis DM 5,—/Heft, im Abonnement DM 4,50/Heft). 2. „Vogelkundlicher Jahresbericht für das mittlere Fuldatal" (seit 1979), herausgege- ben von der Bebraer Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V. einer Toch- tergesellschaft der HGON. Bezugsadresse: H. EHLE, Über Land 9, 6440 Bebra- Blankenheim (Preis DM 4,—/ Heft, zuzüglich Versandkosten). Beide Publikationsorgane enthalten eine Reihe von ornithologischen Berichten, an denen ein hessischer Ornithologe" nicht vorübergehen kann". K. FIEDLER

187 Neue Literatur

KNIERRIEM, ROLF W. (1981): Vogelleben rund um Gedern — 30 Jahre vogelkundliche Beobachtungen. 55 Seiten, 7 SW-Fotos und 1 Kartenskizze; im Selbstverlag (Bezug über den Verfasser, Anschrift: Schloßberg 15, 6473 Gedern).

Aus Hessen gibt es nur wenige Lokalavifaunen, deshalb mag die Freude des Rezen- senten verständlich sein, dieses Büchlein vorstellen zu können. Rechtzeitig zum 1200- jährigen Bestehen der Stadt Gedern (1981) hat der Verfasser eine Zusammenfassung aller „um Gedern" nachgewiesenen Vogelarten (149) vorgelegt, die in erster Linie die einheimischen Bürger, die Schulen, aber auch die Urlauber und Besucher des Vogels- bergs ansprechen soll. In verständlicher und einfacher Sprache wird eine Einführung über die Landschaft des südlichen Vogelsbergs und das Klima gegeben. Es folgen in systematischer Reihenfolge die einzelnen Arten mit Angaben über Status, soweit be- kannt Häufigkeit und Bestandszahlen sowie Gefährdungs- und Schutzprobleme. Rezen- sent, der bei einer Neuauflage die Aufnahme eines Registers und Literaturverzeich- nisses sowie bessere Fotos empfiehlt, kann diese Broschüre allen an der Vogelwelt des Vogelsbergs Interessierten sehr empfehlen. K. FIEDLER

FRANKENBERG, 0. von (1981): Aktion zur Wiedereinbürgerung des Uhu (AZWU), Jahresber. 1981, 40 Seiten, viele SW- und einige Farbfotos und Skizzen. (Bezug gegen eine Schutzgebühr beim Verfasser; Anschrift: Hertzweg 13, 5650 Solingen)

Der Jahresbericht 1981, der primär als Rundschreiben (Nr. 11) für die Mitarbeiter der AZWU gedacht ist, umfaßt die Aktivitäten der AZWU in der ganzen Bundesrepublik Deutschland — von Schleswig-Holstein bis Bayern. Berichterstattung und Aufmachung dieser DIN A 4-großen Broschüre haben den Charakter einer Zeitung. Die vielen Einzelartikel bestehen nicht nur aus Originalbeiträgen, sondern auch aus Auszügen (Sonderdrucke) aus Fachzeitschriften wie „Natur und Landschaft" oder „Natur und Umwelt". Der Leser erfährt eine Fülle von Informationen, die sich der Rezensent je- doch der besseren Übersicht in einem Inhaltsverzeichnis oder Sachregister des Heftes zusammengestellt wünscht. Wer an dem Stand der Wiedereinbürgerung unserer größ- ten Eule in der Bundesrepublik interessiert ist, dem kann dieses Heft empfohlen wer- den. K. FIEDLER

WOLTERS, H. E. (1982): Die Vogelarten der Erde. — 7. Lieferung, S. 453-747, Verlag Paul Parey Hamburg-Berlin. Nunmehr wird mit der 7. Lieferung das umfangreiche Werk über die Vogelarten der Erde abgeschlossen. Dieser letzte Teil beinhaltet das Autorenverzeichnis, die Liste der wissenschaftlichen, deutschen und englischen Namen sowie die Titelseiten und das Inhaltsverzeichnis. Eine Einbanddecke für den Band ist für DM 12,80 zu haben. Wenn auch bereits verschiedentlich in „Vogel und Umwelt" bei der Vorstellung von Einzel- lieferungen des Werks auf dessen Bedeutung hingewiesen wurde, so kann ab- schließend noch einmal betont werden, daß der Band durch die weltweite Erfas- sung und Auswertung der einschlägigen Literatur ein Nachschlagwerk darstellt, das seinesgleichen suchen muß. Neben dem wissenschaftlichen Gebrauch an Instituten ist es sowohl dem Armateur-Ornithologen wie Diensstellen und Behörden, die sich z. B. mit dem Handel und der Haltung von Vögeln befassen müssen, als Informationsquelle ein überaus nützlicher Helfer. Mit dem Buch wird eine große Lücke in der ornitho- logischen Literatur geschlossen. Autor und Verlag kann man zu diesem Werk gleicher- maßen beglückwünschen. W. KEIL

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Band 2, Heft 4: 189-236 Zeitschrift Wiesbaden, Mai 1983 für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen

ISSN 0173-0266

Herausgeber: Der Hessische Minister für Landesentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten, — Oberste Naturschutzbehörde — Inhaltsverzeichnis Seite

BERCK, K.-H.: Untersuchungen zum Herbstvorkommen einiger Vogelarten 191 in der Ackerlandschaft der Wetterau (Hessen) — Ergänzungen

DIEHL, 0.: Artenschutzmaßnahmen und Umweltprobleme am Beispiel 199 der Schleiereule (Tyto alba)

HAAS, C., K. und U. HANDKE & K. VOWINKEL: Ergebnisse zweijähriger Sommer- und Winterbestandsaufnahmen an Greifvögeln im Bereich 209 von Lampertheim, Kreis Bergstraße (1978/79) 215 NOWAK, B.: Bemerkungen zum Grünlandschutz 221 BOHR, H.-J. & C. KRAFT: Hessens neue Naturschutzgebiete (8) 227 BOHR, H.-J.: Die hessischen „Oko-Erlasse" zur Flurbereinigung

Mitteilungen der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland ciconia — ROSSBACH, R.: Zur Auswilderung von Zoo-Störchen — Ciconia 231 in Hessen 235 ESSER, T.: Zum Futterbedarf von jungen Weißstörchen (Ciconia ciconia) . . .

198, 214, 226, 230, 236 Neue Literatur• 229 Julius Sturm: Der Bauer und sein Sohn Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 191-197 (1983)

Untersuchungen zum Herbstvorkommen einiger Vogelarten in der Ackerlandschaft der Wetterau (Hessen) - Ergänzungen von KARL-HEINZ BERCK, Gießen

Vor längerer Zeit (BERCK 1974) wurden die Ergebnisse einer Untersuchung zum Herbstvorkommen von elf Vogelarten in einem Acker-Grünlandgelände der Wetterau dargelegt. Bisher wurde m. W. die damit gegebene Anregung nicht aufgegriffen; jeden- falls liegen offenbar Publikationen zu diesem Thema für Hessen nicht vor. Ebenso hat die nur geringe Zahl an Individuen, die mit dieser Untersuchung im Vergleich mit ande- ren erfaßt wurde, nicht zur Kritik geführt. Deshalb erscheint es gerechtfertigt, die noch vorhandenen Daten für weitere acht Vogelarten nachzutragen. Zugleich soll ein Über- blick über die Artenpräsenz im Beobachtungsgebiet im Herbst („Herbst-Avifauna") gegeben werden. Da nicht jeder Leser die o. a. Arbeit zu Hand haben dürfte, sollen die Angaben über Untersuchungsgebiet und Methode mit der gebotenen Kürze wiederholt werden. Das Untersuchungsgebiet (Mittelpunkt etwa H 5566, R 3475,5 im Gauß-Krüger-Gitter- netz) liegt westlich von Bad Homburg etwa 2 km von bewaldeten Ausläuferbergen des Taunus am Rand der Wetterau. Seine Fläche beträgt etwa 30 ha. Es besitzt zwei Hecken von 2-3 m Breite und etwa 100 bzw. 70 m Länge. Sonst ist es baumlos (Obst- bäume befinden sich nicht weit von zwei Ecken des Gebietes entfernt). Eine Hoch- spannungsleitung verläuft durch das Gelände. Von zwei Seiten fällt es leicht zu einem Streifen Dauergrünland ab (knapp 1/3 der Fläche), das von einem schmalen, gelegent- lichi wasserführenden Graben durchzogen wird. Das restliche Gelände ist in jährlich wechselndem Ausmaß mit Getreide, Rüben, Kartoffeln und Mais bestellt. Methode: Das Gebiet wurde 8 Jahre lang (1966-1972, 1974) vom 15. August bis 15. November wöchentlich mindestens einmal 2 Stunden lang begangen. Die Begehungsroute blieb in allen Jahren in bezug auf die Umgehung des Dauer- grünlandes und der Hecken konstant. Im übrigen mußte sie je nach den Anbauverhält- nissen verändert werden, da z. B. die Umgehung von Rüben- und Maisfeldern in jedem Fall in die Route aufgenommen wurde. Auch kurzfristige Änderungen (z. B. Störungen durch landwirtschaftliche Arbeiten) waren erforderlich. in den Tabellen werden (wenn nicht anders angegeben) die Höchstwerte der in einer Dekade beobachteten Individuen angegeben.

1. Bachstelze — Motacilla alba „Doch sind wir über den Beginn der eigentlichen Abwanderung" der Bachstelze in Hessen „nicht genau unterrichtet" (GEBHARDT & SUNKEL 1954). Auch Angaben zum Zugverlauf werden. von diesen Autoren nicht gemacht. „Einige Beobachtungen deuten darauf hin, daß „im Siegerland zumindest Ende August bereits Durchzug einsetzt. Der Hauptzug erfolgt in der Zeit von der 3. September- bis zur 2. Oktoberdekade" (FRANZ & SARTOR 1979). Im Kasseler Raum „fällt stärkerer Durchzug um Mitte Oktober . . . auf" (LUCAN u. a. 1974). Es ist bemerkenswert, daß für eine so häufige Art offenbar kein umfangreiches (publiziertes) Material über den Zugverlauf in Hessen vorliegt. — Aus Baden-Württemberg wird von starkem Durchzug vor allem in der 1. und 2. Okto- berdekade berichtet (HOLZINGER u. a. 1970). Mehr als bei anderen Arten ist das Auftreten von Bachstelzen im Beobachtungsgebiet vom Wetter abhängig: Bei und nach Regen tritt die Bachstelze regelmäßig auf, nach

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längerer Trockenzeit fehlt sie. Der Aussagewert von Tabelle 1 ist dadurch einge- schränkt. Es ergibt sich kein klares Bild über den Durchzug. Immerhin sollten folgende sich daraus ergebende Tendenzen weiter geprüft werden: 1. Möglicherweise setzt der Zug (s. auch FRANZ & SARTOR 1979) schon deutlich Ende August ein. Allerdings, könnte es sich bei den in diesem Zeitraum zu beobachtenden Trupps auch um umher- streifende Brutvögel handeln. 2. Der Höhepunkt des Durchzugs liegt offenbar (über- einstimmend mit den Aussagen verschiedener Autoren) in der 1. und 2. Oktober- dekade. 3. Der Zug klingt Anfang November schnell ab.

Tabelle 1: Bachstelze S Jahr 2/8 3/8 1/9 2/9 3/9 1/10 2/10 3/10 1/11 1 2 25 1966 1 5 2 2 6 3 3 3 - 33 1967 3 4 - 5 6 7 5 1 - 21 1968 - - 5 1 - 7 7 1969 - 25 3 5 4 3 3 - - 43 1 36 1970 7 2 3 3 3 2 15 - - - 33 1971 4 3 2 9 3 5 7 3 - 21 1972 3 1 - 2 7 5 - 6 1 55 1974 3 24 7 2 - 4 8 21 64 22 29 29 36 48 14 4 n = 267

2. Brachpieper - Anthus campestris Insgesamt liegen aus dem Beobachtungsgebiet 16 Feststellungen mit 61 Individuen vor, und zwar mit folgenden Daten: 10. 9. 67 1 Ex. 17. 8. 74 1 Ex. 1.9. 68 11 Ex. 10. 9. 68 2 Ex. 26. 8. 74 3 Ex. 1.9. 74 2 Ex. 10. 9. 74 3 Ex. 27. 8. 67 5 Ex. 3. 9. 67 7 Ex. 17. 9. 67 1 Ex. 28. 8. 69 1 Ex. 3. 9. 69 1 Ex. 30. 8. 68 15 Ex. 3.9. 71 1 Ex. 30. 8. 72 2 Ex. 3. 9. 72 5 Ex.

Diese Beobachtungen bestätigen frühere Angaben (BERCK 1970), wonach im Herbst zwischen dem 26. August und 7. September 8090 aller Tiere durchziehen. In diesem Fall sind es im gleichen Zeitraum sogar 87°/o. - Im Siegerland (FRANZ & SARTOR 1979) liegt der höchste Durchzugswert allerdings erst in der 2. Septemberdekade. Die Angaben zeigen, daß auf einem „normalen" Acker-Grüngelände offenbar mit einem beachtlichen Durchzug gerechnet werden kann.

3. Wiesenpieper - Anthus pratensis In Hessen ist nach GEBHARDT & SUNKEL (1954) manchmal schon ab Mitte August Zug erkennbar; „die Hauptzugmonate sind September und Oktober". - Für Baden- Württemberg wird die Hauptdurchzugszeit auf Anfang bis Mitte Oktober eingegrenzt (HOLZINGER u. a. 1970). Fast gleichlautend geben FRANZ & SARTOR (1979) Anfang bis Ende Oktober als Hauptdurchzugszeit an. In Sachsen setzt der Durchzug „erst nach Mitte September ein, um bis gegen Ende Oktober anzuhalten" (HEYDER 1952). Das geringe hier vorgelegte Datenmaterial stimmt gut mit den Angaben in der Lite- ratur überein. In den ersten beiden Oktoberdekaden zogen 800/o der festgestellten Wiesenpieper durch. Es bedarf weiterer Untersuchungen, ob man danach diesen Zeit- raum als Hauptdurchzugszeit in Hessen bezeichnen kann. Damit könnte die mehr globale Aussage bei GEBHARDT & SUNKEL eingegrenzt werden. Das Ende des Durch- zugs ist noch weithin unklar. 192 Tabelle 2: Wiesenpieper

Jahr 3/8 1/9 2/9 3/9 1/10 2/10 3/10 1/11 S 1966 — 1 2 3 64 30 15 — 115 1967 — — — 15 — 7 — — 22 1968 — 1 — — 54 42 7 1 105 1969 — — 3 3 — 47 — — 53 1970 — — 2 27 1 12 — 5 47 1971 — — — — 14 2 — 2 18 1972 — — — 8 25 50 1 — 84 1974 — — — — 59 5 5 2 71 2 7 56 217 195 28 10 n = 515

4. Heckenbraunelle — Prunella modularis Die Masse der Heckenbraunellen verläßt uns „im September/Oktober" (GEBHARDT & SUNKEL 1954). Im Siegerland beginnt der Zug Anfang September, erreicht seinen Höhepunkt um den 10. Oktober und endet Anfang November (FRANZ & SARTOR 1979). In der Schwäbischen Alb werden Heckenbraunellen ab Anfang August an Stellen be- obachtet, an denen sie nicht brüten; erste Zugbewegungen setzen zwischen dem 12. und 18. August ein; der Hauptzug findet zwischen dem 12. September und 12. Oktober statt; Medianwert: 28. September (GATTER & MATTES 1973). Alle Beobachtungen aus dem Untersuchungsgebiet sind in Tabelle 3 zusammengestellt. Es handelt sich um bescheidene Daten. Dennoch stimmen sie recht gut mit den an großem Material von GATTER & MATTES gewonnenen Angaben überein. So wird deutlich, daß sich der Durchzug über einen längeren Zeitraum erstreckt und der Höhe- punkt im September (besonders in der 2. Dekade) liegt. Weniger gut entsprechen die Daten den Beobachtungen von FRANZ & SARTOR. Es lohnt sich demnach, dem Durchzug dieser Art Aufmerksamkeit zu widmen.

Tabelle 3: Heckenbraunelle — alle Beobachtungsdaten (auf Dekaden bezogen) 1966-72 1974 2/8 3/8 1/9 2/9 3/9 1/10 2/10 3/10 1/11 3 4 9 17 11 4 3 2 n = 53

5. Hausrotschwanz — Phoenicurus ochruros Das Beobachtungsgelände erscheint wenig geeignet als Durchzugsgebiet für diese Art. Insgesamt wurden nur 58 Individuen festgestellt (Tabelle 4). GEBHARDT & SUNKEL (1954) stellen fest, daß der Wegzug der alten Vögel nur lang- sam vor sich geht; „Ende Oktober/Anfang November verlassen uns die letzten" — BIBER (nach MENZEL 1976) gibt für den Herbstzug des Hausrotschwanzes in den Schweizer Alpen drei Phasen an: Juli/August, vorwiegend Jungvögel; Mitte August bis Mitte September wenige Tiere; Ende September starker Anstieg des Zuges, der um den 10. Oktober seinen Höhepunkt erreicht und nach dem 20. Oktober rasch abklingt. „Im Reinhardswald beobachtete SCHUMANN regelmäßig starken Durchzug Ende Sep- tember" (LUCAN u. a. 1974). Diese Feststellung deckt sich mit den Werten der Tabelle. Sie stimmen auch (zumal wenn man die zeitliche Verzögerung berücksichtigt) mit den Angaben von DORKAS (1966) für den Bretolet-Paß überein. Dort liegen die höchsten Werte Ende September und Anfang Oktober. FRANZ & SARTOR (1979) geben da- gegen als Höhepunkt des Durchzugs im Siegerland die 1. und 2. Oktoberdekade an.

193

Tabelle 4: Hausrotschwanz—alle Beobachtungsdaten (auf Dekaden bezogen) 1966-72 1974 2/8 3/8 1/9 2/9 3/9 1/10 2/10 3/10 1/11 9 3 3 11 15 2 6 — 1 n = 50

6. Rohrammer — Emberiza schoeniclus Die wenigen Vorkommen der Rohrammer im Beobachtungsgebiet sind in Tabelle 5 zusammengefaßt. Obwohl Rohrammern in Hessen zahlreich zur Beringung gefangen werden, konnten GEBHARDT & SUNKEL (1954) offenbar keine genauen Angaben zum Herbstzug dieser Art machen. Im Siegerland sind Septemberbeobachtungen selten; als Hauptzugzeit wurde die 1. Oktoberdekade bis 1. Novemberdekade ermittelt — also ein weiter zeit- licher Bereich. Ähnlich geben HOLZINGER u. a. (1970) als Hauptzugzeit für Baden- Württemberg Ende September bis Anfang November an. Die Daten aus dem Be- obachtungsgebiet fügen sich diesen. Feststellungen, ein. Sie belegen zudem, wie auch LUCAN u. a. (1974) bemerken, daß die Art zur Zugzeit „auf der freien Feldmark" vor- kommt und damit im Herbst ein Mitglied der Avifauna der Ackerlandschaft ist.

Tabelle 5: Rohrammer—alle Beobachtungsdaten (auf Dekaden bezogen) 1966-72 1974 2/9 3/9 1/10 2/10 3/10 1/11 3 13 5 17 3 n = 41

7. Grünfink — Chloris chioris „Im großen ganzen ist das Verhältnis zwischen ziehenden, umherschweifenden und am Brutort ausharrenden Vögeln noch verschleiert". Diese Aussage (GEBHARDT & SUNKEL 1954) ist offenbar auch heute für Hessen noch gültig. — HEYDER (1952) macht genauere Angaben: Der Herbstzug beginnt in Sachsen. Mitte September bis Anfang Oktober und endet Ende Oktober, Anfang November. Eine ähnliche Aussage liegt für Baden-Württemberg vor (HOLZINGER u. a. 1970). Eine größere Anzahl von Grünfinken erreicht die englische Ostküste nach WITHERBY u. a. (1958) in der zweiten Oktober- woche bis Mitte November. Lokale Ansammlungen an geeigneten Nahrungsplätzen (besonders 1969 an einem nicht abgeernteten Rapsfeld; alle Angaben über 50 Ex. sind naturgemäß Schätzungen) lassen sich auch im Beobachtungsgebiet nicht von den eigentlichen Zugbewegungen trennen. So ist Tabelle 6 ein Beispiel dafür, daß sich aus diesen, Werten kaum Aussagen über

Tabelle 6: Grünfink Jahr 2/8 3/8 1/9 2/9 3/9 1/10 2/10 3/10 1/11 S 1966 3 1 6 1 10 32 5 5 4 67 1967 — 4 1 28 70 120 10 — 2 235 1968 3 3 4 18 20 45 5 30 — 128 1969 5 250 310 120 140 5 — 1 — 831 1970 3 1 2 3 15 18 9 — 2 53 1971 24 120 45 15 5 55 3 — 3 270 1972 2 3 3 4 2 2 4 5 — 25 1974 2 12 5 14 1 3 3 — 1 41 S 42 394 376 203 263 280 39 41 12 n = 1634

194 den Herbstzug und seinen Verlauf ergeben. Nur eines wird deutlich: Ab Ende Oktober, Anfang November nimmt die Zahl der beobachteten Tiere stark ab, so daß mit dem Ende des Herbstzuges gerechnet werden muß. Dieser Zeitraum deckt sich zudem mit der Ankunft zahlreicher Grünfinken an der englischen Ostküste.

8. Bluthänfling — Acanthis cannabina Die Angaben zum Zugverhalten der Art in Hessen bei GEBHARDT & SUNKEL (1954) beschränken sich auf folgende Aussagen: „Die meisten Hänflinge sind wohl Strich- vögel, die vom Zufall der sich bietenden Nahrungsquellen gelenkt werden. Schon im Hochsommer sammeln sich ganze Populationen einer Gegend auf den reifenden Raps- und Rübenfeldern". Für das Siegerland führen FRANZ & SARTOR (1979) aus: „Schon Anfang Juli treten in der offenen Landschaft an geeigneten Nahrungsplätzen größere Trupps auf" (ähnliche Angaben finden sich vielfach in der Literatur); gerichteter Zug von der 2. Septemberdekade bis Anfang November. Ansammlungen an geeigneten Nahrungsplätzen und Zug überlagern sich demnach und verwirren das Bild. So stellt auch PEITZMEIER (1969) für Westfalen fest: „Über den Fortzug liegen keine exakten Daten vor". In diesem Zusammenhang ist die Feststellung von WITHERBY u. a. (1958) nützlich, daß große Mengen an Bluthänflingen die englische Ostküste Mitte September bis Ende Oktober erreichen. Der in Tabelle 7 für die 2. und 3. Septemberdekade 1969 angegebene Trupp hielt sich ebenfalls auf einem Rapsfeld auf. Zieht man ihn von den übrigen Werten. ab, so ergibt sich ein deutlicher Höhepunkt des Vorkommens von Bluthänflingen in der 1. und 2. Oktoberdekade. Ebenso wird deutlich, daß Ende Oktober, Anfang November ihre Zahl stark abnimmt. — Wegen der geringen Zahl der beobachteten Tiere muß man jedoch mit Schlußfolgerungen vorsichtig sein.

Tabelle 7: Bluthänfling

Jahr 2/8 3/8 1/9 2/9 3/9 1/10 2/10 3/10 1/11 S 1966 5 1 1 8 5 4 3 — — 27 1967 2 3 — 1 11 31 1 2 2 53 1968 3 1 2 2 1 — — — 2 11 1969 4 45 50 11 5 — — 2 — 117 1970 5 — 2 — 3 75 12 — 8 105 1971 — — — 2 3 8 4 — — 17 1972 — 2 28 1 5 19 23 8 — 86 1974 — 3 2 — 1 80 29 1 2 118 19 55 85 25 34 217 72 13 14 n = 534

9. Artenpräsenz In Tabelle 8 wird die Präsenz der Arten innerhalb des Beobachtungszeitraumes von 8 Jahren für jede Dekade angegeben. Maximal kann eine Art demnach in (9 Dekaden x 8 Jahren =) 72 Dekaden anwesend sein. Die Arten werden in der Tabelle nach der Höhe ihrer Präsenz im ganzen Beobachtungszeitraum geordnet. Die Tabelle soll einen Überblick ermöglichen über die Arten, die in jeder Dekade auf- treten; also eine Vorstellung von der Avifauna des Beobachtungsgebietes in den ein- zelnen Zeitabschnitten von der 2. August- bis zur 1. Novemberdekade vermitteln. Es muß betont werden, daß dabei die Individuenzahlen unberücksichtigt bleiben, also ausschließlich das reine Artenspektrum dargestellt wird! Manche Arten sind nur schwer zu zählen (z. B. Feldlerche, Haus- und Feldsperlingstrupps, Grasmücken und Sumpfrohrsänger in Rübenfeldern), zumal da das Gelände wegen der landwirtschaft- lichen Nutzung nicht überall betreten werden konnte. Zahlenangaben für diese Arten

195 Tabelle 8: Präsenz der Arten in den einzelnen Dekaden der acht Beobachtungsjahre — ohne Berücksichtigung der Individuenzahl

1966 — 72 2/8 3/8 1/9 2/9 3/9 1/10 2/10 3/10 1/11 Dekadenpräsenz 1974 Summe in 8 Jahren

c

CO o 8 8 72 Feldlerche CO 8 8 8 8 8 co 8 7 71 Turmfalke 8 8 8 8 8

coLn N Amsel 6 8 8 7 8 8 8 68

C O 8 8 66 Feldsperling CO 6 8 7 8 8 7 8 65 Mäusebussard 8 7 6 7 7 V 63 Haussperling co 7 8 7 7 7 8 8 Grünfink 8 8 8 8 7 4 5 63

c

c

.o o 62 Ringeltaube 8 7 8 8 6 7 4

r Star - 8 8 8 7 6 5 4 57

r

(0 Bachstelze - 6 8 6 8 7 5 3 56

r

e Rabenkrähe - 7 7 7 4 6 6 5 53

O

Lt"

) 4 51 4 Bluthänfling CV 6 6 8 6 6 LO CO 0 48 Singdrossel rs 8 8 8 8 8 1

- CO 40 Schafstelze CO CV 6 6 5 6 2 0 0 2 4 33 Elster CV 4 4 4 5 4 33 5 Goldammer 0 1 3 4 4 6 6 0 CO 4 32 Wiesenpieper CO 2 3 5 6 8 4 31

N Braunkehlchen 7 6 5 1 0 0 0

r)

- 27 Baumpieper CO 4 7 3 3 0 0 0 CO 26

0 Stieglitz 3 2 3 3 2 1

C Heckenbraunelle C1 O 3 6 5 4 2 1 0 24 Grauammer 1 1 0 1 5 4 1 23 CV 22

Kohlmeise CO 4 4 5 2 5 0 0

r-

- CO 0 20 Turteltaube s 5 0 0 0 0 0

e 0 20

O Steinschmätzer 0 5 4 2 1 1 0 3 20 C 3 Buchfink s 0 0 1 7 6

— V 0 1 18 Hausrotschwanz 3 3 3 2 3

1

s

.0 — 13

CD Brachpieper 0 6 1 0 0 0 0 0 1 13

0 3 Rohrammer 0 0 0 3 4 2 1 11

Blaumeise 4 1 2 1 1 1

Arten-Präsenz in mehr als 50% der Dekaden 16 17 18 17 18 16 19 11 9

Arten-Präsenz in 1 — 50% der Dekaden 10 8 10 10 9 12 8 11 11

Arten — keine Präsenz 4 5 2 3 3 2 3 8 10

196 müßten deshalb so ungenau bleiben, daß sie besser völlig unterbleiben. Die Indivi- duenzahl relativ genau zählbarer Arten geht zudem aus den übrigen Tabellen hervor. Unberücksichtigt blieben in Tabelle 8: 1. Arten, die nicht mit Sicherheit zu bestimmen waren; z. B. Grasmücken, Laubsänger, Rohrsänger. — 2. Arten, die während des ganzen Beobachtungszeitraums weniger als neunmal (also weniger als etwa 100/o der maximalen Dekadensumme) vorkamen; z. B. Rotkehlchen, Girlitz, Tannenmeise, Sperber. — 3. Arten, die ausschließlich den Luft- raum ausnutzen und damit nur schwer dem Beobachtungsraum zuzuordnen waren; z. B. Mauersegler, Rauch. und Mehlschwalben, vorbeiziehende Rotmilane.

Aus der Tabelle läßt sich u. a. entnehmen: 1. Insgesamt kamen im Beobachtungszeitraum 30 Arten in mindestens 9 der maximal möglichen 72 Dekaden vor. 2. Fünf Arten haben eine Präsenz von > 9090: Feldlerche, Turmfalke, Amsel, Feld- sperling und Mäusebussard. 3. Weitere fünf Arten weisen eine Präsenz von > 800/o auf: Haussperling, Grünfink, Ringeltaube, Star und Bachstelze. 4. Etwa die Hälfte der 30 Arten hat immerhin einen Präsenzwert von > 509 0; d. h., sie tritt relativ regelmäßig und konstant auf. 5. Bis auf die Rohrammer kommt jede der 30 Arten mindestens in einer Dekade mit einer Präsenz von mehr als 50% vor; d. h., sie tritt in diesem Zeitraum regelmäßig auf. 6. Die Zahl der Arten mit einer mehr als 50prozentigen Präsenz bleibt von der 2. Augustdekade bis zur 2. Oktoberdekade bemerkenswert konstant und fällt erst mit der 3. Oktoberdekade ab. Besonders interessant würden solche Befunde allerdings erst, wenn man sie mit An- gaben aus ähnlichen Gebieten vergleichen könnte.

Literatur: BERCK, K.-H. (1970): Hinweise zum Durchzug des Brachpiepers in Hessen. — Luscinia 41: 37-40. BERCK, K.-H. (1974): Untersuchungen zum Herbstvorkommen einiger Vogelarten in der Ackerlandschaft (Hessen). — Luscinia 42: 97-107. DORKA, W. (1966): Das jahres- und tageszeitliche Zugmuster von Kurz- und Lang- streckenziehern auf den Alpenpässen Cou-Bretolet. — Ornith. Beob. 63: 165-223. FRANZ, A. & J. SARTOR (1979): Die Vögel des Siegerlandes. — Siegen. GATTER, W. & H. MATTES (1973): Der Wegzug der Heckenbraunelle am Randecker Maar, Schwäbische Alb. —Anz. Ornith. Ges. Bayern 12: 256-262. GEBHARDT, L. & W. SUNKEL (1954): Die Vögel Hessene. — Frankfurt a. M. HEYDER, R. (1952): Die Vögel des Landes Sachsen. — Leipzig. HÖLZINGER, J., G. KNÖTZSCH, B. KROYMANN & K. WESTERMANN (1970): Die Vögel Baden-Württembergs — eine Übersicht. — Anz. Ornith. Ges. Bayern 9: Sonderheft. LUCAN, V., L. NITSCHE & G. SCHUMANN (1974): Vogelwelt des Land- und Stadt- kreises Kassel. — Kassel. MENZEL, H. (1976): Der Hausrotschwanz. — Wittenberg. PEITZMEIER, J. (1969): Avifauna von Westfalen. — Münster. WITHERBY, H. F., F. C. JOURDAIN, N. F. TICEHURST & B. W. TUCKER (1958): The Handbook of British Birds. Vol. . —London. Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. K.-H. BERCK, Institut für Biologiedidaktik Universität Gießen, Karl Glöckner-Straße 21 C, 6300 Gießen

197 Neue Literatur

HARRIS, T. (1982): Pareys Mittelmeerführer, Pflanzen- und Tierwelt der Mittelmeer- Region. — 224 S., 945 Abb., Verlag Paul Parey Hamburg und Berlin.

Der Mittelmeerraum ist für viele das Ziel des jährlichen Urlaubs. Dem naturverbun- denen Besucher wird die Fremdartigkeit der dortigen Lebewelt schnell bewußt. Der Mittelmeerführer des Parey-Verlags macht mit Flora und Fauna dieser Region bekannt. Das Buch behandelt im ersten Teil die verschiedenen Lebensräume, wie die Küsten- gebiete mit Macchie und Garrigue, die Sandstrände, die Flußmündungen (Carmargue, Ebrodelta usw.) und das offene Meer mit seiner vielfältigen Lebewelt. Der umfang- reichere zweite Teil stellt in einer repräsentativen Auswahl mehr als 1000 Pflanzen und Tiere vor. Dabei kommt die Vogelwelt nicht zu kurz. Jede Vogelart, wie auch jede andere behandelte Tier- und Pflanzenart, ist farbig abgebildet. Im beigefügten Text werden im Telegrammstil für die aufgeführten Vogelarten Angaben über Körpergröße, Gefieder, Lebensraum, Rufe bzw. Gesang und Nahrung gemacht. Hinweise über weiter- führende Literatur und ein Register schließen den sehr informativen Mittelmeerführer ab. Der Band kann jedem Naturfreund als eine gute Einführung in die Fauna und Flora dieser Region empfohlen werden. W. KEIL

IMMELMANN, K., (1982): Wörterbuch der Verhaltensforschung. — 317 S., 123 Abb., Verlag Paul Parey Hamburg und Berlin.

Die Verhaltensforschung (Ethologie) ist ein noch relativ junger Zweig biologischer For- schung. Verbunden mit der sehr schnellen Entwicklung dieses Wissenschaftsbereiches war die Entstehung eines besonderen Vokabulars. Hierbei gab es erhebliche „Sprach- schwierigkeiten", da nicht selten der gleiche Begriff für unterschiedliche Erscheinungen verwendet wurde. Dies führte in der einschlägigen Literatur zu erheblichen Verwir- rungen. Auch wurden z. B. bestimmte Standardausdrücke aus dem Englischen ins Deutsche übernommen und umgekehrt. Nicht selten hatte die deutsche Bezeichnung ins Englische übersetzt eine andere Bedeutung als in der Ursprungssprache. Erst in den letzten 10 Jahren wurde nach einer einheitlichen international gebräuchlichen Definition gesucht und entsprechende Übereinkommen erzielt. Es ist daher sehr zu begrüßen, daß sich der Autor der Mühe unterzieht, in vorliegendem Buch die Be- griffe und Fachausdrücke alphabetisch geordnet vorzustellen und zu erläutern. Nun- mehr ist es auch dem Nicht-Ethologen möglich, die besondere Fachsprache dieses Wissensgebietes zu verstehen und zu begreifen. Besonders wertvoll ist, daß die ent- sprechenden englischen Ausdrücke hinzugefügt sind. Die Begriffserklärungen werden zudem verschiedentlich durch gute Illustrationen ergänzt. Hervorgehoben sei ferner die sehr umfangreiche Schriftenschau und das Verzeichnis der englischen Fach- begriffe. Das Buch schließt eine große Lücke. Es kann dem Studenten ebenso emp- W. KEIL fohlen werden wie dem Feldornithologen.

198 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 199 — 208 (1983)

Artenschutzmaßnahmen und Umweltprobleme am Beispiel der Schleiereule (Tyto alba) von OTTO DIEHL, Babenhausen-Langstadt

Die Schleiereule hat ein gefährdetes und meist nur sehr kurzes Leben. Die Belastung durch schädliche Umwelteinflüsse, die ungünstige Veränderung des Lebensraumes, die Vertreibung von den Brutplätzen, die zum Teil katastrophalen Auswirkungen schneereicher Winter, die starke Abhängigkeit dieses spezialisierten Mäusejägers vom jeweiligen Nahrungsangebot, führen zu erheblichen Bestandsschwankungen, die überdies seit etwa 1945 von einer ständigen rückläufigen Entwicklung gekennzeichnet waren. Die Schleiereule mußte deshalb von Anfang an in die Rote Liste der bestands- bedrohten Vogelarten aufgenommen und in die Gefährdungskategorie A 3 eingestuft werden. Die intensiveren Schutzbemühungen ab etwa 1970, die seit Mitte der siebziger Jahre auf eine breitere Grundlage gestellt werden konnten, haben gewisse Aufwärtsentwick- lungen gebracht. Durch Sicherung, Verbesserung sowie Neuschaffung von Brutplätzen wurden teilweise phantastische Brutergebnisse erzielt. Aber die Freude war bisher nicht von langer Dauer, weil sich anschließend die Totfundmeldungen häuften und in den regelmäßig folgenden, sowohl durch Wintereinwirkung als auch durch reduziertes Feldmausvorkommen mitbedingten schlechten Jahren, nur geringe Nachwuchsraten registriert werden konnten. Fördern wir demnach also den Schleiereulen-Zuwachs für die nächste Kalamität, für den Tod auf der Landstraße, fürs schnelle Ende in einem Stacheldraht? Auf diesen Gedanken könnte man — etwas oberflächlich betrachtet — kommen. Tatsächlich liegen die Dinge doch etwas anders, denn ohne unsere Bemühungen wäre die Schleiereule in weiten Bereichen wohl überhaupt nicht mehr vertreten, sie wäre regional unmittelbar vom Aussterben bedroht, weil den Nachwuchsraten die notwendigen Höhepunkte für die immerhin noch erreichte Bestandserhaltung gefehlt hätten, weil andererseits nun doch nach und nach auf die sparsamere Anwendung von chemischen Mitteln und damit auf eine geringere Belastung, auf ein gesünderes und längeres Leben der Schleier- eulen gehofft werden darf. Die Entwicklung der Brutergebnisse im Altkreis Dieburg zwischen 1971 und 1982, also über einen Zeitraum von 12 Jahren hinweg, wird in der nachstehenden Übersicht ver- anschaulicht: Diese Tabelle zeigt die erheblichen Schwankungen, die Höhen und Tiefen, denen der Schleiereulen-Bestand in diesen 12 Jahren unterworfen war. Hervorstechend, unter Bewertung der Brutzahl und der ausgeflogenen Jungen, sind die Jahre 1974, 1977, 1978 und 1981. Besonders betrüblich ist jedoch, daß nach dem einmalig guten Jahr 1981, mit der Rekordzahl von 28 Bruten und 143 ausgeflogenen Jungen, in 1982 nur 9 Bruten mit 19 ausgeflogenen Jungen festgestellt werden konnten. Mit durchschnittlich 2,1 Jun- gen pro Brut ist es aus dieser Sicht das schlechteste Resultat im gesamten Zeitraum. Weiterhin soll hier noch das Jahr 1975 mit 13 Bruten und 2,61 Jungen pro Brut heraus- gegriffen werden, um die Entwicklung in diesem Jahr beispielhaft deutlich zu machen: 13ei den Erstkontrollen wurden seinerzeit 13 Bruten mit 55 geschlüpften Jungen und 9 Eiern — also insgesamt ein möglicher Nachwuchs von 64 Jungeulen festgestellt. Aus- Diesem Manuskript liegt ein Vortrag zugrunde, den der Verfasser bei der Fachtagung des Landes- verbandes Hessen im Deutschen Bund für Vogelschutz am 24. 10. 1982 in Dieburg gehalten hat.

199 Bruten aus- Durch- Erst- Zweit- ins- geflogene schnitt pro Brut Jahr bruten bruten gesamt Junge 2,57 1971 7 — 7 18 3,37 1972 8 — 8 27 2,86 1973 7 — 7 20 6,42 1974 6 6 12 77 2,61 1975 13 — 13 34 4,0 1976 4 — 4 16 6,57 1977 8 5 13 85 3,5 1978 17 3 20 70 2,8 1979 9 — 9 26 3,75 1980 11 1 12 45 5,1 1981 20 8 28 143 2,1 1982 9 — 9 19 4,08 zus.: 119 23 142 580 geflogen sind jedoch nur 34, weil zwei Bruten mit insgesamt 11 Jungen, trotz unserer Hinweise, durch Reparaturarbeiten in Kirchen gestört, 4 Eier nicht ausgebrütet, 4 Junge tot gefunden und 11 Junge während der Aufzuchtszeit verschwunden sind. (Bei Nah- rungsmangel, beispielsweise bedingt durch Schlechtwetterperioden, kommt es vor, daß Nestgeschwister— meist jüngere oder zurückgebliebene — verzehrt werden —, eine auch bei anderen Eulen und Greifvögeln beobachtete Reaktion, die der Arterhaltung dient.) Dieses Beispiel zeigt, wie groß die Verluste bis zum Ausfliegen sein können; der Rückgang von 64 auf 34 beträgt immerhin 42,290. Das Leben und Sterben der Schleiereulen hängt von verschiedenen Faktoren ab. Der von den Vogelschützern direkt und unmittelbar beeinflußbare Bereich läßt sich folgen- dermaßen umreißen: — Durchführung von allgemeinen flächendeckenden Bestandserfassungen oder ge- zielten Erfassungen auf abgegrenzten Probeflächen, die möglichst nur von zwei Leuten betreut werden sollten, als Grundlage für alle weiteren Aktionen; — Sicherung der Brutplätze durch Gespräche mit Kirchenverwaltungen, Pfarrern, Kir- chenvorständen, Gemeinden, Privatbesitzern; — Verbesserung der Brutplatzsituation durch Entrümpeln von Nischen. Oft sind die schönsten Brutnischen mit Abfällen von früheren Reparaturarbeiten verstopft und nur deshalb für die Schleiereule unbrauchbar. Soweit notwendig: Herstellung von Nischen, partielle Verdunkelung und Abschirmung durch das Anbringen von Zwi- schenwänden, Herrichtung von Brutplattformen etwa ab 80 x 60 cm mit umlaufen- der Bordkante von ca. 40 cm Höhe, Einbringung von Zwischenböden, z. B. in Kirchtürmen oberhalb des Glockenstuhls, mit einer Durchstiegsluke für die Nach- suche, die mit einem Schloß gesichert werden sollte. Damit entstehen im oberen Bereich des Turmes geräumige und weitestgehend ungestörte Aufenthalts- und Brutplätze für die Schleiereule. Anbringung von Sitzstangen, wo kein Gebälk vor- handen ist, Herstellung von Einschlupfluken; — Anbringung von geschlossenen Brutkisten zum direkten Anschluß an ein Einflug- loch. Diese Brutkisten sollen grundsätzlich nur dort angewendet werden, wo der Besitzer nicht zuläßt, daß sich die Schleiereule frei im Gebäude bewegt. Anderer- seits haben diese Brutkisten bei mardersicherer Plazierung des Einschlupfloches eine hervorragende Bedeutung für die Ansiedlung von Schleiereulen in Scheunen und Feldscheunen. Empfehlungen über Größe, Material und Anbringung laut An- hang;

200 — Abwendung von Störungen an den Tageseinständen und Brutplätzen; — Durchführung von Maßnahmen zur Abwehr des Steinmarders, z. B. durch das Ver- schließen von Luken, die vom Steinmarder erreicht werden können; — Bewerkstelligung von Säuberungsaktionen, wenn die Verschmutzung durch Ge- wölle und Geschmeiß zu arg wird und beim Gebäudeeigentümer Anstoß erregt. Von Vorteil ist jedoch, wenn nicht alle Gewölle entfernt werden, zumindest an zwei oder drei für die Schleiereule günstigen Brutplätzen sollten die Gewölle bleiben. Ersatzweise kann auch andere trockene Einstreu (Torfmull oder Sägemehl) ver- wendet werden; es istnur soviel erforderlich, daß der Boden gut gepolstert ist. Da- durch wird die Ansiedlung der Schleiereule begünstigt, weil sie kein Nistmaterial einträgt; — Beseitigung der verwilderten Haustauben, die erhebliche Probleme aufwerfen; sie verursachen weitaus schlimmere Verschmutzungen als die Schleiereulen. Die Ver- gitterung von Kirchtürmen und die damit verbundene Aussperrung der Schleier- eulen wird vorwiegend durch die verwilderten Haustauben ausgelöst. Diese Haus- tauben, die meist in größerer Zahl auftreten, verursachen eine ständige Unruhe im Brutgebäude, die den Schleiereulen nicht sonderlich behagt. Weit schlimmer ist jedoch die Übertragung von Krankheiten, die nicht nur für die Schleiereulen, son- dern auch für den Menschen gefährlich sind. Bei der Bekämpfung der verwilderten Haustauben gibt es Verbündete von verschiedenen Seiten: Pfarrer und Kirchen- vorstände, Gemeindevertreter und Stadtväter, Biologen und Ärzte sind für die Be- kämpfung, wenn auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schleiereulenschutzes. Die erheblichen Verschmutzungen an Gebäuden, innen und außen; Schäden an Bauwerken und Kunstdenkmälern durch Verätzungen mit Taubenkot und die Über- tragung von Krankheiten sind die Beweggründe — z. B. Salmonellose, Papageien- krankheit, Geflügelpest, fieberhafte Angina und Pilzkrankheiten; — ein weiterer Punkt im Hilfsprogramm für die Schleiereule sind Versuche zur Winter- fütterung. Es ist bekannt, daß die Schleiereulen unter allen Eulen am kälteempfind- lichsten sind und am anfälligsten bei Nahrungsmangel, denn ihre Fähigkeit, Fett- reserven zu bilden, ist gering. Kalte Winter mit anhaltender Schneelage haben verheerende Auswirkungen auf den Schleiereulenbestand. Hier muß aber gleich gesagt werden, daß die Winterfütterung der Schleiereule außerordentlich schwierig ist. Am günstigsten ist das Offenhalten von Scheunen und Schuppen, eventuell mit dem Anködern von Mäusen. Das Anbieten von lebenden Mäusen in großen Wannen hat bisher bei der Schleiereule keine wesentlichen Ergebnisse gebracht. Erfolg- versprechender ist das Auslegen von toten Mäusen in die Einflugstutzen von Brut- kisten, die von der Schleiereule besetzt sind. Man beobachtet das Ausflugloch der Brutkiste und sobald die Schleiereule abgeflogen ist, legt man die Mäuse in den Einflugstutzen; — schließlich gehört die Durchführung von Planberingungen auf Probeflächen dazu: zur weiteren Ergründung der Zugbewegungen, des Lebensalters und möglichst auch der Todesursachen. Die Lebenserwartung der Schleiereulen ist gering. Das Durchschnittsalter dürfte heute bei 2 bis 2,5 Jahren liegen. Im ersten Lebensjahr ist die Todesrate außerordentlich hoch. Bei einer Teilauswertung von Ringfundmeldun- gen von im Jahr 1961 im Altkreis Dieburg nestjung beringten Schleiereulen, waren unter 20 Wiederfunden 14 Tote mit insgesamt 151 Lebensmonaten, was eine durchschnittliche Lebensdauer von 10,9 Monaten ergibt. Ein anderes Beispiel: von 70 beringtenJungeulen des Jahres 1974 wurden bis August 1975 bereits 20 zurückgemeldet, davon waren 15 Eulen tot. Das sind 21,4°/o von 70 Beringten. Diese 15 Totfunde waren zusammen 62 Monate alt geworden, das durchschnittliche Lebensalter betrug hierbei nur 4 Monate. (Eine Arbeit mit weite- ren Auswertungen ist geplant.);

201 — der letzte Punkt schließlich ist die Erfassung der Totfunde und die Ergründung der Todesursachen — fürwahr ein trauriges Kapitel. Seit Jahren werden im Altkreis Die- burg alle Totfunde von Greifvögeln und Eulen erfaßt; es sind ca. 100 Vögel pro. Jahr, und die Schleiereulen sind jeweils mit etwa 15 Exemplaren beteiligt. Fundort, äußere Verletzungen und sonstige Auffälligkeiten werden registriert, frischtote Funde werden gewogen. Die Gewichte. schwankten zwischen 180 und 370 g. Das Normalgewicht der Schleiereule wird mit etwa 300 bis 360 g angegeben. Von 55 Gewichtsfeststellungen lagen 19 in dieser Norm, 2 waren geringfügig schwerer und 34 waren zum Teil erheblich leichter. Die Minimalgewichte sind nur in geringem Um- fang winterbedingte Hungergewichte, sie wurden vielmehr vorwiegend vom Früh- jahr bis Herbst festgestellt und sind offensichtlich auf akute Erkrankungen zurück- zuführen. Bei einem Totfund mit 215 g wurde z. B. sehr starker Coccidienbefall fest- gestellt. Diese Coccidien sind Endoparasiten, die im Darm der Eule leben und bei sehr starker Vermehrung die totale Entkräftung verursachen. Unter den annähernd 350 Untersuchungen ist die Schleiereule mit etwa 70 Exem- plaren vertreten. Was bei den Untersuchungen herauskam, übertraf alle Befürch- tungen. Die untersuchten Vögel hatten fast ausnahmslos schwerwiegende innere Erkrankungen oder krankhafte Organveränderungen, die zum vorzeitigen Tod führ- ten. Es wurde zum Beispiel festgestellt: Entartung des Herzmuskels, Lungenent- zündung, Lungenblutung, Lungengeschwüre, Nierenentzündung, Magenschleim- hautentzündung, Dünndarmkatarrh, Infektionen verschiedenster Art, Salmonellose, atypische Geflügelpest und eine erschreckende Vielzahl an Lebererkrankungen: parenchymatöse Leberdegeneration, Nekroseherde in der Leber, Leberentzün- dung, Leberinfarkt, Leberhyperämie. Die Leber ist das wichtigste Zentralorgan für den Stoffwechsel im tierischen Organismus, sie führt auch die chemische Um- wandlung von Eiweißstoffen, Fetten und Kohlehydraten aus. Zudem wirkt sie als Entgiftungsorgan. Und gerade hier, bei den zahlreichen Lebererkrankungen, wer- den allein durch die pathologisch-anatomischen Diagnosen, auch ohne spezielle Rückstandsanalysen, die bedingt durch die hohen Kosten und wegen der begrenz- ten Untersuchungsmöglichkeiten nur in geringem Umfang vorliegen, offensichtlich die Auswirkungen der chemischen Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungs- mittel sichtbar. Hier ist ein Punkt erreicht, an dem wir recht hilflos dastehen: zu vielfältig sind die Erkrankungen und die Ursachen, die dazu führen. Zu gering sind unsere Möglichkeiten, die für die Eulen so ungünstigen Verhältnisse zu verbessern. Wirkliche Erfolge sind nur mit der laufenden Reduzierung der Giftanwendungen, mit der Entwicklung von Mitteln mit weniger schädlichen Auswirkungen und mit dem ver- stärkten Übergang auf die biologische Schädlingsbekämpfung zu erreichen. Dies wird jedoch, trotz spektakulärer „Gift-Unfälle", ein langer und beschwerlicher Weg sein. Immerhin gibt es bisher mehr als 63 000 vom Menschen geschaffene Chemikalien und jährlich kommen allein in der Bundesrepublik Deutschland etwa 500 neue hinzu (HOLZINGER in STÜRMER 1981). Zur Problematik der massiven chemischen Beriese- lung der Umwelt sagte Professor SCHUPHAN: „Absolute Behauptungen, wie: Dieser oder jener Pestizidrückstand ist in der vorge- schriebenen Menge garantiert unschädlich, können und sollten wir nicht aufstellen. Wir wissen heute, daß wenn zwei bestimmte Pestizide zusammenkommen, sich die Wirkung vervielfachen kann! Außerdem ist bekannt, daß nach neuen Erkenntnissen nicht selten korrigiert werden mußte, weil sich erwies, daß die Stoffwechselprodukte von Pflanzenschutzmitteln viel giftiger waren, als die Pflanzenschutzmittel selbst. Ein Beispiel von vielen: Zur Bekämpfung der Kirschfrucht- und Möhrenfliege wurde noch 1964 Dimethoat wegen seines raschen Abbaues der Rückstände empfohlen. Fünf Jahre später warnte man davor! Untersuchungen hatten inzwischen ergeben, daß mit

202

Abb. 1 Junge Schleiereulen in einer Brutkiste. Aufnahme 1954. (Foto: 0. DIEHL)

Abb. 2 Schleiereule mit Beute bei der Uhr in den Kirchturm einschlüpfend. Ein Bei- spiel dafür, daß auch kleine und ungünstige Einschlüpfe genutzt werden. Auf- nahme 1955. (Foto: 0. DIEHL)

203 dem Abbau des Dimethoats gleichzeitig Umsetzungsprodukte von zehnfach höherer Giftigkeit entstehen, und es kommen dauernd neue Präparate auf den. Markt! Niemand kann mit Sicherheit sagen, wie die Reaktionen verlaufen werden. Wir können immer nur nach dem augenblicklichen Wissensstand urteilen. Was heute gilt, kann morgen schon wieder völlig überholt sein." Über die Auswirkungen der Chemikalien in der Umwelt kann man fast täglich in der Zeitung lesen, oft mit sehr gegensätzlichen Darstellungen. Aber auch dann, wenn man den Mittelweg sucht zwischen einer möglicherweise drastischen. Übertreibung und den beschwichtigenden Beschönigungen, so bleibt meist genug fürs Gruseln. Einmal ist es 2,4,5-T, ein Trichlorphenoxy-Essigsäure-Derivat, das für Schlagzeilen sorgt und dessen Verbot die englischen Landarbeiter mit einem Bericht gefordert haben, den sie mit dem Satz überschrieben „Bete, bevor du sprühst". Oder es geht um Endrin, ein chlorierter Kohlenwasserstoff, chemisch verwandt mit dem bei uns längst verbotenen DDT und ebenfalls hochgiftig, der im März-April 1982 ein großes Vogelsterben am Bodensee verursacht hat. Die Schleiereule ist aufgrund ihrer Nahrungs-Spezialisierung auf Kleinsäuger beson- ders von den Rotendiziden betroffen. Das sind Mittel, die gezielt gegen Nagetiere ein- gesetzt werden und die in der Nahrungskette, sowohl durch ihre Zusammensetzung als auch durch die Art der Ausbringung, bei weitem nicht so harmlos sind, wie es im allgemeinen dargestellt wird. Auch nach der „Verordnung über Anwendungsverbote und -beschränkungen für Pflan- zenbehandlungsmittel (Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung) vom 19. Dezember 1980" sind z. B. noch folgende Chemikalien für die Mäuse- und Rattenbekämpfung zu- gelassen: — Thalliumsulfat — Thalliumpräparate werden sehr gut angenommen (GRATZ 1966) und wirken relativ langsam. Bei Hausratten muß relativ hoch dosiert werden (HEINZ 1951). Thallium wird im Körper kumuliert und führt zu Sekundärvergiftun- gen. Man sollte es daher nicht im Freiland einsetzen (STEINIGER 1952); — Zinkphosphid wird wegen seines niedrigen Preises häufig angewendet. Sein knob- lauchartiger Geruch schreckt Mensch und Haustier in gewissem Umfang ab. Ratten hingegen nehmen Zinkphosphidköder recht gut an. Nachteilig ist die hohe Vogel- toxizität (SASSENHOFF 1939; STEINIGER 1952) und die Tatsache, daß auch Sekun- där-Vergiftungen vorkommen, weil der Wirkstoff im Magen-Darmtrakt vergifteter Nager relativ lange aktiv bleibt (ANONYM 1967); — Crimidin wird vorwiegend zur Mäusevertilgung eingesetzt. Sekundär-Vergiftungen sollen nicht vorkommen, weil der Wirkstoff im Körper sehr rasch abgebaut werde. Bei Vögeln mit gut ausgebildetem Kropf verhindere dieser rasche Abbau auch bei direkter Aufnahme von Crimidinkörnern eine Vergiftung (RIECK 1952). GYLS- TORFF (1962) stellte fest, daß Tauben gefährdet sind. 1977 wurden von den Land- wirten in Weser-Ems, angesichts einer sich abzeichnenden Massenvermehrung der Feldmäuse, 70 000 kg „Castrix-Pellets" mit dem Wirkstoff Crimidin ausgebracht. Ende Juli 1977 wurden dem Pflanzenschutzamt Oldenburg Todesfälle von Weiß- störchen gemeldet, bei denen begründeter Verdacht auf Sekundär-Vergiftungen durch Crimidin bestand, was sich bei mindestens 3 von 9 verendet aufgefundenen Störchen bestätigte (LAUENSTEIN); — Endrin, ein noch nicht endgültig verbotenes gefährliches Mittel, wird gegen die Wühl- oder Schermaus angewendet. Durch Endrin wurde das große Vogelsterben am Bodensee und andere kleineren Umfangs in verschiedenen Gegenden der Bun- desrepublik verursacht. Die Gefährlichkeit von Endrin wird schon durch die An- wendungsbestimmungen erkennbar. Dort heißt es, daß der Anbau von Wurzel- gemüse frühestens drei Jahre, von anderem Gemüse frühestens zwei Jahre nach der Behandlung zulässig ist;

204 — schließlich sind noch die Cumarin-Derivate zu erwähnen. Das sind sogenannte Blutgerinnungshemmer, die bewirken, daß das Tier — nämlich die Ratte, die damit getroffen werden soll — innerlich verblutet. Cumarin wird als sehr erfolgreich gegen Ratten und als harmlos gegenüber anderen Tieren angesehen und es heißt u. a.: „Sekundärschäden bei Nutztieren oder bei Haar- und Federwild sind nach Auf- nahme antikoagulans-vergifteter Nagetiere niemals beobachtet worden" (HER- MANN 1969). Andererseits wird aus England berichtet, daß in Antikoagulantien „eine tatsächliche Gefahr für Hunde bestehe". Aus Finnland wird gemeldet, daß von 1964 bis 1966 folgende Cumarinvergiftungen behandelt worden sind: „245 Hunde, 36 Katzen und zwei Hausschweine" — also nur Haustiere. Was wohl sonst noch in der freien Natur passiert ist, bleibt unbekannt. — In einem Untersuchungs- bericht über einen Mäusebussard heißt es: „... die umfangreichen Blutungen wei- sen auf eine Vergiftung (Cumarin) als Todesursache hin."

Zusammenfassung Durch intensive Schutzmaßnahmen ist die Schleiereule an vielen Plätzen wieder an- gesiedelt worden. Die seit eh und je bekannten starken Schwankungen des Bruterfol- ges werden nicht nur von der zyklischen Massenvermehrung der Feldmaus oder von winterbedingten Todesfällen beeinflußt, sondern auch von anderen Faktoren; offen- sichtlich nicht unerheblich durch die Anwendung chemischer Mittel in Feld und Flur. Die Auswirkungen der Pestizide in der Nahrungskette auf die Schleiereule werden durch die Untersuchungsbefunde sichtbar. Auch nach der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung vom 19. 12. 1980 besteht die Gefährdung der Schleiereule u. a. durch die Anwendung der zugelassenen Rodentizide weiter fort. Ausreichende Untersuchungen über Sekundärvergiftungen durch diese Mittel scheinen nicht vorzuliegen; die Anwendungsvorschriften (z. B. Köder nicht offen auslegen) werden in der Praxis augenscheinlich nur bedingt eingehalten. Eine Verbesserung der Situation für die Schleiereule — und ganz generell für Mensch und Tier — ist vor allem durch die Reduzierung der Schadstoffanwendungen und Über- gang zu biologischen Methoden erreichbar. Es fehlt eine zentrale Stelle, die systematisch Untersuchungen von Totfunden wild- lebender Tiere kostenlos durchführt und auswertet.

Literatur ANONYM (1967), GRATZ (1966), GYLSTORFF (1962) in HERMANN, G. (1969): Die gebräuchlichen Rodentizide und ihre Anwendung in einigen Ländern Ost- und Westeuropas. — Schr.reihe des Ver. f. Wasser-, Boden- u. Lufthygiene H. 32: 179-196. HERMANN, G. (1969): s. o. .HOLZINGER, 1 in STÜRMER, H.-D. (1981): Chemikalien in der Umwelt. — DBV aktuell 1.— BUND-Verlag, Freiburg. LINN, H. (1981): Verordnung überAnwendungsverbote und -beschränkungen für Pflan- zenbehandlungsmittel (Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung). — Gesunde Pflanzen 1: 1-9. RIECK (1952), SASSENHOFF (1939) und STEINIGER (1952) in HERMANN, G. (1981): s. o. STÜRMER, H.-D. (1981): Chemikalien in der Umwelt. DBV aktuell 1; BUND-Verlag, Freiburg.

Anschrift des Verfassers: 0. DIEHL, Dr. Diehl-Straße 9, 6113 Babenhausen-Langstadt

205 Anhang: Beschreibung der Schleiereulen-Brutkiste mit Einschlupfstutzen

Diese Brutkiste ist anzuwenden, wenn das Gebäude sonst eulendicht ist und wenn die Schleiereulen — aus welchem Grund auch immer — nicht in das Innere des Bauwerkes gelangen sollen; sie ist außerdem sehr gut geeignet für die Ansiedlung von Schleier- eulen in Scheunen und Feldscheunen, wegen der von der Eule bevorzugten „abge- schirmten Nischenwirkung" und wegen der Mardersicherheit, die auch in einer Scheune durch entsprechende Plazierung der Einschlupfluke erreicht wird.

Maße und Ausstattung: Länge 120 cm, Breite 80 cm, Höhe 70 cm — oder größer. Einschlupfstutzen 30 x 30 cm im rechten oder stumpfen Winkel angeordnet, damit das Tageslicht nicht direkt in den Kasten fällt. Außerdem ersetzt der Einschlupfstutzen gewissermaßen den ansonsten gewohnten Einschlupf- bzw. Einflugweg und gibt der Schleiereule möglicherweise das Gefühl des geborgenen und versteckten Platzes. Der Einschlupfstutzen ist mit 30 x 30 cm deshalb so groß gewählt, damit die Schleiereule schnell und bequem hindurchlau- fen kann. Der Anschluß nach außen, z. B. an einen Schall-Laden, an eine Turmluke oder an ein spezielles „Eulenloch", muß dagegen nicht 30 x 30 cm groß sein. Für diesen äußeren Einschlupf genügen die üblichen Maße mit etwa 15 cm Breite und 20 cm Höhe.

(Skizze: 0. DIEHL) Abb. 3 Schleiereulen-Brutkiste mit Einschlupfstutzen.

206 Die Brutkiste hat ein Revisions- und Reinigungstürchen mit der Mindestgröße von etwa 60 x 60 cm. Einschlupfstutzen und Revisionstürchen werden je nach den örtlichen Gegebenheiten an der günstigsten Stelle angebracht. Anstatt des Türchens erfüllt eine Klappe auf dem Deckel den gleichen Zweck — vorausgesetzt, daß nach oben hin aus- reichend Platz vorhanden ist. Türchen oder Klappe sollen immer nahe bei dem Ein- schlupfstutzen sitzen. Der Einschlupfstutzen, im Winkel angeordnet, macht zusätzliche Zwischenwände überflüssig. Zwischenwände engen den Freiraum für die zunehmende Bewegungsaktivität der jungen Schleiereulen ein und sollten deshalb nur bei großen Brutkisten eingezogen werden. Sitzstangen haben Vorteile und Nachteile. Ein gewich- tiger Nachteil besteht darin, daß die am Kastenboden befindlichen Nestgeschwister vom Kotstrahl der Obensitzenden getroffen werden können.

Material und Bauweise: Tischlerplatten oder Bretter (Fichte, Kiefer, Lärche), Dicke ca. 2,0 bis 2,5 cm, unge- hobelt und nicht mit Holzschutzmitteln behandelt. Spanplatten sind, obwohl es weit- gehend feuchtigkeitsunempfindliche Ausführungen gibt, insgesamt weniger geeignet. Wird die Kiste aus Brettern hergestellt, so ist im allgemeinen ein Abdichten der Fugen durch außen aufgenagelte Leisten notwendig. Dadurch wird Lichteinfall und Zugluft durch die Bretter-Ritzen verhindert. Bezüglich der Zugluft bzw. Belüftung gibt es auch gegenteilige Meinungen, die teilweise soweit gehen, daß mit Absicht Schlitze gelassen werden. Wenn man jedoch bedenkt, wie stark die Zugluft durch solche Ritzen bläst und weiterhin die Spätbruten und die gelegentlich bis in den Dezember hinein vor- kommenden Zweitbruten berücksichtigt sowie die Wärmebedürftigkeit der jungen Schleiereulen, so dürfte klar sein, daß in Brutkisten keine Zugluft herrschen soll. In Brutkisten mit der Mindestgröße 120 x 80 x 70 cm, mit Einschlupfstutzen 30 x 30 cm, findet ein ausreichender Luftaustausch statt. Vor dem Bau der Brutkiste örtliche Situation überprüfen: Maße, Ausführung des Ein- schlupfstutzens, Plazierung des Türchens, Art der Befestigung ermitteln. Einschlupf- stutzen in der Werkstatt fertigstellen, übrige Kastenteile genau vorrichten. Zusammen- bau erst an Ort und Stelle, oben im Gebäude (Kirchturm, Kirchenboden, alter Wehr- turm, Scheune, ungestörter Hausboden), weil der fertige Kasten zu groß ist für enge Treppen und schmale Durchlässe. Einschlupfstutzen an vorhande Luke z. B. Aus- sparung im Schall-Laden anpassen oder neuen Einflug herstellen. Im Bereich der Ziegelfläche ist dies Dachdeckerarbeit, die im allgemeinen nur bei anstehenden Reno- vierungen mit Gerüst durchgeführt werden kann und selbstverständlich die Erlaubnis des Eigentümers voraussetzt. Der Einschlupf, möglichst an der wetterabgewandten Seite, soll so gestaltet sein, daß kein Regen in das Gebäude gelangt. Besondere An- flughilfen von außen sind nicht erforderlich; die Schleiereule ist sehr geschickt, auch im Anfliegen sehr viel „unbequemerer" Einschlupfmöglichkeiten.

Befestigung: Kasten auf vorhandenes Gebälk aufsetzen bzw. an die Decke hängen z. B. mit Latten oder gelochten Metallbändern — oder neue Unterlage schaffen. Auf stabile Befesti- gung ist zu achten. Möglichst unauffällig und nicht leicht erreichbar anbringen.

Sonstiges: Trockene Einstreu (Torfmull, Sägemehl bzw. feine Hobelspäne) ist zweckmäßig. Dabei muß nicht der ganze Kastenboden bedeckt sein. Es ist richtig, daß die Schleiereule — wenn die Brutkiste erst einmal angenommen ist — durch ihre Gewölle nach einer ge- wissen Zeit die Unterlage für ihr Gelege gewissermaßen selbst produziert, und es trifft zu, daß sie sich fürs erste auch mit weniger „Nistmaterial" zufriedengibt. Insge- samt gesehen, ist die Einstreu von Vorteil.

207 Für die Reinigung der Brutkisten gibt es keine feste Regel; es kommt etwas auf die Häufigkeit der Bruten an und auf die eventuell durchgehende Benutzung als Tages- einstand. Die Reinigung wird im Winter durchgeführt; sie kann jährlich erfolgen, aber auch in viel längeren Abständen. Wenn jedoch die Bodenschicht eine Dicke von etwa 10 cm erreicht hat, so ist nichts mehr aufzuschieben. Günstig ist die Anbringung von zwei Brutkisten, eventuell beide an einem Einflug- stutzen angeschlossen. Bei einer Brut in einem Kasten ist sodann in unmittelbarer Nähe ein günstiger Tageseinstand für das Eulenmännchen und später, wenn die Jungen herangewachsen sind, auch für das Weibchen vorhanden. Darüberhinaus haben die Jungen in ihrer „Astlingszeit" einen größeren Bewegungsraum, indem sie vom einen in den anderen Kasten wechseln können. Mit einer zweiten Brutkiste kann auch die gelegentliche Nistplatzkonkurrenz mit Turmfalken im allgemeinen ausgeschaltet wer- den. Die erfolgreiche Besiedlung der Brutkisten durch die Schleiereulen hängt sehr stark von der weitestgehenden Ungestörtheit ab. Kontrollen erst nach Einbruch der Däm- merung mit der gebotenen Vorsicht durchführen. Zwei Nachschauen etwa Ende Mai und Anfang September genügen im großen und ganzen.

208 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 209-213 (1983)

Ergebnisse zweijähriger Sommer- und Winterbestandsaufnah- men an Greifvögeln im Bereich von Lampertheim, Kreis Berg- straße (1978/79)

von CHRISTIAN HAASS, Mannheim, KLAUS & UWE HANDKE, Mannheim und KLAUS VOWINKEL, Göttingen

1. Einleitung Während wir über die Abundanzdynamik der Greifvögel im NSG „Lampertheimer Alt- rhein" (530 ha) aufgrund langjähriger Zählungen der Sommer- und Winterbestände recht gut informiert sind, fehlen bisher vergleichende Angaben aus der Agrarlandschaft im Bereich der hessischen Oberrheinebene. Ziel dieser Untersuchung war es deshalb, einen Überblick über den Brut- und Winterbestand der Greifvögel in einem 45 km2 großen Kontrollgebiet bei Lampertheim zu erhalten.

2. Untersuchungsgebiet Das 45 km2 große Untersuchungsgebiet liegt in der nördlichen Oberrheinebene und wird im Norden durch die B 47 und im Osten durch die Orte Bürstadt, Lampertheim und Mannheim-Blumenau begrenzt. Im Süden erstreckt sich das Gebiet bis zur Autobahn Mannheim-Saarbrücken. Die westliche Grenze bildet der Rhein. Etwa 75°/o der Fläche sind Ackerland, auf dem vor allem Mais und Zuckerrüben angebaut werden. Weitere 5°/o der Probefläche sind Grünland. Die 3°/o Waldfläche beschränken sich überwiegend auf das NSG „Lampertheimer Altrhein". Sie besteht aus Eichen-Ulmen- Hartholzaue, Silberweidenbeständen und Hybridpappel-Anpflanzungen. Innerhalb der flurbereinigten Agrarlandschaft gibt es nur wenige Hecken, Baumreihen und Einzel- bäume. Der restliche Teil der Probefläche besteht aus Gebäuden, Straßen, Altrhein- armen und Kiesgruben. Das Gebiet liegt 87 bis 93 m über dem Meeresspiegel und ist durch ein warmes und trockenes Klima gekennzeichnet (mittlere Jahresdurchschnittstemperatur: 9,5 °C und mittlerer Jahresdurchschnittsniederschlag: 568 mm jeweils Bezugsstation Worms).

3. Methodik Brutbestandsaufnahmen: Für die Bestandserhebung wurde die Acker- fläche in drei Teilgebiete aufgeteilt, die von jedem Beobachter dreimal im Zeitraum April/Mai mit einem durchschnittlichen Zeitaufwand von 1,2 Stunden/km2/Jahr nach Horsten abgesucht worden ist. Beim Turmfalken wurde auch das mehrfache Antreffen balzender Paare als Brutpaar gewertet. Im NSG „Lampertheimer Altrhein" werden bereits seit 1974 alle Greifvögel aufgrund von Horstfunden bei ornithologischen Bestandsaufnahmen (über 100 Exkursionen/Jahr) erfaßt (HANDKE, K. & U. 1982).

Winterbestandsaufnahmen: Bei den winterlichen Zählungen kartierten wir zu Fuß gleichzeitig vormittags im NSG „Lampertheimer Altrhein" und auf zwei Acker-Teilflächen alle anwesenden Greifvögel. Gerade in den frühen Morgenstunden wurden fast alle Greifvögel ruhend angetroffen. Bei fliegenden Tieren notierten wir Uhrzeit und Flugrichtung, um Doppelzählungen weitgehend auszuschließen.

209 4. Ergebnisse

B r u t b e s t a nd: 1978 und 1979 wurden von uns jeweils 31 Paare der drei Greif- vogelarten Mäusebussard, Schwarzmilan und Turmfalke nachgewiesen (siehe auch Tabelle 1). Dies entspricht einer Siedlungsdichte von 6,9 P.110 km2. Häufigste Art war in beiden Jahren der Turmfalke mit 17 bzw. 14 Paaren. Allein 12 (1978) bzw. 13 (1979) Paare besiedeln das nur 5,3 km2 große NSG „Lampe* heimer Altrhein" (= 22,6 bzw. 24,5 P./10 km2). Als Nahrungsgäste traten Habicht, Sperber, Rotmilan und Wespenbussard auf der Probefläche auf. Außerhalb unseres Untersuchungszeitraums wurden gelegentlich Rohrweihe und Wespenbussard als Brutvögel auf der Probefläche nachgewiesen.

W i n t e r b e s t a n d: Bei den fünf Zählungen registrierten wir sechs Greifvogelarten mit Siedlungsdichten zwischen 10,8 und 17,2 Ex./km2 (siehe Tabelle 2). Regelmäßig kamen nur Mäusebussard, Sperber und Turmfalke vor. Bei allen Zählungen war der Mäusebussard mit Dichten zwischen 6,4 und 11,3 Ex./10 km2 die häufigste Greifvogel- art. Auf diese Vogelart entfielen 212, (= 62°/o) auf Mäusebussard und Turmfalke 288 (= 95%) der 304 festgestellten Greifvogelindividuen. Unregelmäßig traten Habicht, Wanderfalke und Merlin auf.') Zu auffälligen Schwankungen kommt es bei den Turmfalken-Beständen (1,1 Ex. bis 5,3 Ex./10 km2).

Tabelle 1: Ergebnisse der Brutbestandsaufnahmen an Greifvögeln im Raum Lampert- heim (45 km2)

Art 1978 1979 BP BP/10 km2 BP BP/10 km2 Mäusebussard 10 2,2 11 2,4 Schwarzmilan 4 0,9 6 1,3 Turmfalke 17 3,8 14 3,1 insgesamt 31 6,9 31 6,8

1) Im NSG „Lampertheimer Altrhein" (530 ha), das innerhalb der Probefläche liegt, wurden von 1974 bis 1981 (von November bis Februar) außerhalb der Zähltage 147 Sperber, 79 Habichte, 18 Kornweihen, 8 Merline und 6 Wanderfalken auf 246 Exkursionen festgestellt. 210 Tabelle 2: Ergebnisse der Winterbestandserhebungen an Greifvögeln im Raum Lampertheim (45 km2)

1978 1978/79 Termin 15.1. 19. 2. 22. 11. 14.1. 24. 2. Temperatur -1 °C bis -5 °C bis +2 °C bis -7 °C bis -0 °C bis +4 °C -1 °C +8 °C -0 °C +5 °C Schneedecke - 12 cm - 10 cm 1 cm Art Ex. Ex./ Ex. Ex./ Ex. Ex./ Ex. Ex./ Ex. Ex./ 10 km2 10 km2 10 km2 10 km2 10 km2 Mäusebussard 51 11,3 29 6,4 46 10,2 48 10,7 38 8,4 Habicht 1 0,2 1 0,2 3 0,7 - - - - Sperber 1 0,2 2 0,4 2 0,4 2 0,4 2 0,4 Wanderfalke ------ 1 0,2 - - Merlin 1 0,2 ------Turmfalke 24 5,3 20 4,4 18 4,0 5 1,1 9 2,0 Summe 78 17,2 52 11,4 69 15,3 56 12,4 49 10,8

5. Diskussion Mit einer Mäusebussard-Siedlungsdichte von maximal 2,4 Brutpaaren/10 km2 ent- sprechen unsere Ergebnisse weitgehend den Untersuchungen auf anderen Probe- flächen (z. B. FIEDLER 1972, LOOFT & BUSCHE 1981). Auch GLUTZ et al. (1971) geben für Mitteleuropa Mäusebussard-Siedlungsdichten von maximal 2,5-3,3 P./10 km2 an. Da auf den Feldflächen geeignete Horstbäume selten sind, konzentrieren sich die Mäusebussardbruten unserer Probeflächen auf die geringen Waldbestände des NSG „Lampertheimer Altrhein" (dort max. 5 Horste auf 530 ha). Dies trifft auch für den Schwarzmilan (max. 5 Horste auf 530 ha) und den Turmfalken (max. 5 Horste auf 530 ha) zu. Alle drei Greifvogelarten können hier Siedlungsdichten von bis zu 9,4 P.110 km2 erreichen. Im Gegensatz zu einigen anderen mitteleuropäischen Untersuchungsgebieten (LOOFT & BUSCHE 1981, SCHUSTER & WERNER 1977, FIEDLER 1972) ist der Turmfalke bei uns mit Dichten von 3,1 bis 3,8 P./10 km2 die häufigste Greifvogelart. Dies dürfte nach langjährigen eigenen Untersuchungen auch für die gesamte oberrheinische Agrarland- schaft in Südhessen zutreffen. In großen zusammenhängenden Auwaldgebieten, wie z. B. im NSG „Kühkopf-Knoblochsaue" dominiert der Schwarzmilan (MEYBURG 1969) und in den geschlossenen Kiefernwäldern (z. B. Lampertheimer und Viernheimer Wald) der Mäusebussard (eigene Untersuchungen). Daß unsere Siedlungsdichten des Turm- falken für Agrarlandschaften nicht ungewöhnlich hoch- sind, zeigen u. a. die Unter- suchungen von HOSER (1969) mit 2,96 bis 3,07 P./10 km2, ROCKENBAUCH (1968) mit max. 10,4 P./10 km2 und FIEDLER (1972) mit 1,85 bis 3,04 P./10 km2. Über den Winterbestand von Greifvögeln liegen unseres Wissens aus Hessen noch keine Veröffentlichungen vor. Für die Oberrheinebene geben GLUTZ et al. (1971) Mäusebussard-Dichten von 20 Ex./10 km2 an, das sind doppelt so hohe Werte, wie sie bei uns erreicht werden (6,4 bis 11,3 Ex./10 km2). Die Ergebnisse verschiedener Mäuse- bussard-Wintererhebungen aus der Bundesrepublik weisen außerordentlich hohe Unterschiede auf. So führen z. B. GLUTZ et al. (1971) Werte zwischen 1,7 bis 52 Ex./ 10 km2 an. BUSCHE (1977) gibt für Schleswig-Holstein Dichten von 2 bis 15,2 Ex./ 10 km2 an. In Baden-Württemberg wurden auf einer Zählung auf 840 km2 9,0 Ex./ 10 km2 registriert (HOLZINGER et al. 1970). In Nordbayern ermittelte MAUERN (1979) 2,4 bis 5,7 Ex./10 km2. Es bleibt jedenfalls festzuhalten, daß trotz der milden Winter in unserem Bereich die Mäusebussard-Bestände nicht ungewöhnlich hoch sind.

211 Im Gegensatz dazu liegen unsere Turmfalken-Bestände zumindest an einigen Zähl- tagen mit maximal 5,3 Ex./10 km2 deutlich über den Werten vieler anderer Bestands- erhebungen. So geben u. a. LOOFT & BUSCHE (1981) für die Sorge-Niederung 2,4 und für Dithmarschen 2,2 Ex./10 km2 an. MATTERN (1979) zählte in Nordbayern 0,4 bis 1,6 Ex./10 km2. Für 30 Probeflächen in Baden-Württemberg führen HOLZINGER et al. (1970) für 1969 eine Dichte von 3,1 Ex./10 km2 an. Während in dem relativ kurzen Zeitraum von zwei Jahren der Brutbestand kaum Ver- änderungen aufwies, kam es bei den Wintererhebungen zu beträchtlichen Unterschie- den bei Turmfalke und Mäusebussard und beim Verhältnis der beiden Arten zuein- ander. Im Gegensatz zu den Ausführungen von GLUTZ et al. (1971), die schreiben, daß der Turmfalken-Bestand im Verlauf eines Winters weniger stark schwankt als der Mäuse- bussard-Bestand, kam es bei uns nicht nur von Jahr zu Jahr, sondern auch im Verlauf eines Winters zu erheblichen Bestandsveränderungen (von 4 Ex. im November zu 1,1 Ex./10 km2 im Januar). Der wesentliche Grund für diese Schwankungen ist die Witterung. Bei der November- zählung und bei den Erfassungen im Januar und Februar 1978 herrschte in unserem Gebiet milde Witterung mit Temperaturen über dem Gefrierpunkt vor. Viele Gewässer waren zumindest teilweise eisfrei. Im Januar und Februar 1979 hingegen fielen die Tem- peraturen bis unter —12 °C, alle Gewässer waren zugefroren. Bei Kälteeinbrüchen ver- bunden mit Schneefällen verlassen offenbar viele Turmfalken das Untersuchungs- gebiet. Während das Verhältnis von Turmfalke zu Mäusebussard im Januar/Februar 1978 und November 1978 zwischen 1 : 1,5 bis 1 :2,6 lag, fiel der Wert 1979 bei ungün- stigerer Wetterlage auf 1 : 4,2 bis 1 :9,6. Abschließend bleibt festzuhalten, daß die Zählungen für diesen kurzen Zeitraum nur einen ersten Überblick über die Greifvogelbestände in unserem Raum geben können. Erst langfristige Zählungen, möglichst verbunden mit Untersuchungen der Feldmaus- Populationen, erlaubten abschließende Aussagen über die Abundanzdynamik der Greifvögel in unserem Untersuchungsgebiet.

6. Zusammenfassung 1978 und 1979 wurde auf einer 45 km2 großen Probefläche im Bereich von Lampertheim (Kreis Bergstraße) mit einem flächenmäßigen Anteil von 75°/o Ackerland der Sommer- und Winterbestand der Greifvögel erfaßt. In den beiden Jahren wiesen wir jeweils 31 Brutpaare (= 6,9 P./10 km2) nach. Häufig- ster Brutvogel war der Turmfalke mit 14 bis 17 Paaren, gefolgt vom Mäusebussard mit 10-11 Paaren. Außerdem brütete der Schwarzmilan auf der Probefläche mit 4-6 Paa- ren. Als Sommergäste traten Sperber, Habicht und Rohrweihe auf. Bei den Wintererhebungen registrierten wir im Zeitraum Ende November bis Ende Februar sechs Arten (Mäusebussard, Sperber, Habicht, Turmfalke, Merlin und Wander- falke) mit 10,8 bis 17,2 Ex./10 km2. Häufigste Greifvogelart mit bis zu 11,3 Ex./10 km2 war der Mäusebussard.

Bei den Winterbeständen traten die größten Schwankungen beim Turmfalken auf (5 bis 24 Ex. pro Zählung). Die Ergebnisse werden mit anderen Greifvogeluntersuchungen verglichen. Als Ur- sache für die unterschiedlich hohen Turmfalken-Bestände im Winter werden Kälte- einbrüche vermutet.

212 7. Literaturverzeichnis BUSCHE, G. (1974): Mehrjährige Bestandsaufnahmen bei Mäusebussard und Habicht. Hamb. Avif. Beitr. 12: 27-36. BUSCHE, G. (1977): Zum Wintervorkommen von Greifvögeln im Westen Schleswig- Holsteins. Die Vogelwelt 98: 141-155. CHRISTMANN, K.-H. (1976): Untersuchungen zum Winterbestand einiger Corviden- und Greifvogelarten in der Vordereifel. Beitr. Landespflege Rhld.-Pfalz 4: 11-16. FIEDLER, K. (1972): Bestandserhebung an Greifvögeln in den Landschaften Rodgau und Dreieich (Südhessen). Luscinia 41: 257-271. GLUTZ von BLOTZHEIM, U., K. BAUER & E. BEZZEL (1971): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Band 4, Frankfurt/Main. HANDKE, K. & U. (1982): Ergebnisse sechsjähriger Brutvogel-Bestandsaufnahmen im NSG „Lampertheimer Altrhein", Kreis Bergstraße (1974-79). Vogel & Umwelt 2: 75-124. HOLZINGER, J., G. KNOTZSCH, B. KROYMANN & K. WESTERMANN (1970): Die Vögel Baden-Württembergs — eine Übersicht. Anz. orn. Ges. Bayern, Sonderheft. HOSER, N. (1969): Brutbestand 1967/68 und Populationsdynamik 1928-1968 der Greif- vögel im thüringisch-sächsischen Grenzgebiet. Abh. u. Ber. Naturkundl. Mus. "i tiritianum" Altenburg, S. 163-186. LOOFT, V. & G. BUSCHE (1981): Vogelwelt Schleswig-Holsteins, Band 2, Greifvögel.

MATTERN, U. (1979): Greifvogel-Winterbestandsaufnahmen in Nordbayern in den Jahren 1977/78 und 1978/79. Garm. Vogelkdl. Ber. 5: 48-54. MEYBURG, B.-U. (1969): Die Besiedlung des NSG „Kühkopf-Knoblochsaue" mit Greif- vögeln. Orn. Mitt. 11: 239. MÜLLER, K., SCHUSTER, S. & F. SPITTLER (1979): Zehn Jahre Greifvogel-Winterzäh- lungen auf Probeflächen im Bodenseegebiet. J. Orn. 120: 174-187. ROCKENBAUCH, D. (1968): Siedlungsdichte und Brutergebnis bei Turmfalken (Falco tinnunculus) und Waldohreulen (Asio otus) in den Extremjahren 1965-1967 auf der Schwäbischen Alb. Die Vogelwelt 89: 168-174. ROCKENBAUCH, D. (1976): Die Netzstreckenzählung zum Ermitteln des Greifvogel- Winterbestandes. Die Vogelwelt 97: 25-28. SCHUSTER, S. & H. WERNER (1977): Der Greifvogelbestand des Bodanrücks (Boden- see) 1974 und 1975. Anz. orn. Ges. Bayern 16: 10 —17. STAUDE, J. (1978): Untersuchungen über den Brutbestand verschiedener Greifvogel- arten im Westerwald nach Feststellungen in den Jahren 1967-1974. Die Vogel- welt 99: 54-65.

Anschrift der Verfasser: CHRISTIAN HAASS, Belchenstraße 17, 6800 Mannheim 1 KLAUS & UWE HANDKE, Herzogenriedstraße 38, 6800 Mannheim KLAUS VOWINKEL, Arndtstraße 10, 3400 Göttingen

213 Neue Literatur

KURT, F, (1982): Naturschutz — Illusion und Wirklichkeit. — 216 S., 70 Abb., Paul-Parey- Verlag Hamburg-Berlin.

Im Untertitel nennt sich das Buch „Zur Ökologie bedrohter Arten und Lebensgemein- schaften". Hier wird deutlich gemacht, daß sich der Autor nicht mit Umweltpolemik auseinandersetzt, sondern daß es um die derzeitige Situation bedrohter Arten und Lebensgemeinschaften geht. Gleichzeitig wird versucht, Lösungsmöglichkeiten vor- zustellen, die aus der Misere herausführen können. An Hand einer Reihe gut ausge- wählter Beispiele wird gezeigt, daß es—von Ausnahmen abgesehen — nicht sinnvoll ist, den Schutz einzelner Arten zu betreiben, sondern daß nur der Schutz ganzer Lebens- gemeinschaften auf die Dauer von Bestand sein kann. Der Schweizer Autor des Buches kann aus einem reichen eigenen Erfahrungsschatz schöpfen, da er selbst weltweit bei der wissenschaftlichen Vorbereitung und Durchführung von Schutzprogrammen mit- gearbeitet hat. Die gut ausgewählte Illustration unterstreicht den Text. Dies gilt be- sonders für die Schemata, die ökologische Zusammenhänge sehr deutlich vor Augen führen. Das vorliegende Buch ist nicht nur für den Biologen und die auf dem Sektor Naturschutz arbeitenden Verbände, sondern auch für die bei Behörden und Dienst- stellen tätigen Mitarbeiter von Bedeutung. Der vorliegenden Neuerscheinung des W. KEIL Paul-Parey-Verlages ist eine weite Verbreitung zu wünschen.

ARNOLD, E. N. & J. A. BURTON (1979): Parey's Reptilien- und Amphibienführer Europas. — 270 S., 40 Farbtafeln, Paul-Parey-Verlag Hamburg-Berlin.

Mit dem im Parey-Verlag veröffentlichten Bestimmungsbuch über die Reptilien- und Amphibienarten Europas wird die noch vorhandene Lücke im Bereich der Wirbeltier- klassen geschlossen. Der aus dem Englischen übersetzte Band gibt einen Überblick über alle in Europa vorhandenen Lurche und Kriechtiere. Insgesamt werden 45 Amphi- bien-, 84 landbewohnende Reptilien- und 5 Meeresschildkrötenarten behandelt. Das Buch vermittelt einen ausgezeichneten Einblick in diese Wirbeltierklasse. Im Einfüh- rungskapitel wird über die Biologie, die Beziehung zum Menschen, die Behandlung von Schlangenbissen und einiges zum Artenschutz gesagt. Es folgen die Artbeschrei- bungen (mit einem Bestimmungsschlüssel), die Auskunft über Artverbreitung, Kenn- zeichen, Lebensweise, Variabilität von Körperform und Farbe und geben Hinweise auf Verwechslungsmöglichkeiten mit anderen Arten. Für die Benutzung im Ausland sind die englischen, französischen, italienischen und spanischen Artnamen wichtig. An Hand einer Vielzahl von Schwarzweiß-Skizzen wird auf spezielle Artmerkmale hin- gewiesen. Die eingestreuten Farbtafeln lassen in vielen Fällen bereits eine Artbestim- mung zu. So ist von den Lurchen meist auch eine Abbildung der Bauchseite vorhanden, deren Zeichnung in erheblichem Maße zur Bestimmung beitragen kann. Hervorgehoben sei, daß sich je ein besonderes Kapitel mit der Bestimmung von Lurcheiern und -larven befaßt. Die Zahl der abgebildeten Verbreitungskarten beläuft sich auf 126. Ein Literatur- verzeichnis und ein Register beschließen das Buch. Viele der in Europa lebenden Lurche und Kriechtiere sind in ihrem Bestand z. T. erheblich bedroht. Bei einer Neu- auflage solle zur Vervollständigung die „Rote Liste" der bestandsgefährdeten Arten in den allgemeinen Teil aufgenommen werden. Für den Ornithologen ist das neue Be- stimmungsbuch aus vielerlei Gesichtspunkten von Bedeutung. So kann es z. B. bei der Beutebestimmung von Vögeln ebenso zu Rate gezogen werden wie bei der Beurteilung schützenswerter Lebensräume. Der neue Reptilien- und Amphibienführer aus dem Parey-Verlag ist eine Bereicherung des einschlägigen Bücherangebots und wird sein W. KEIL Käuferpotential finden.

214 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 215-220 (1983)

Bemerkungen zum Grünlandschutz

von BERND NOWAK, Gießen

Grünlandzönosen') gehören zu den artenreichsten Lebensgemeinschaften unserer Landschaft. Entstanden durch die menschliche Tätigkeit, steht ihre Pflanzenwelt in einem empfindlichen Gleichgewicht mit den natürlichen Standortverhältnissen und anthropogenen Einflüssen, wie Mahd, Beweidung, Düngung usw. Ändert sich einer dieser Faktoren, reagiert die Grünlandzönose mit qualitativen und quantitativen Ver- änderungen ihrer Artengarnitur, um ein neues ökologisches Gleichgewicht unter den veränderten Verhältnissen anzustreben. Dieser dynamische Prozeß vollzieht sich zu- nächst in der Vegetation; der Wandel im Artenbestand und in der Struktur der Pflan- zenwelt wirkt sich in der Folge in vergleichbarem Umfang auf die Tiere aus, die hier ihren Lebensraum finden. Noch bis vor wenigen Jahrzehnten war der Landwirt gezwungen, auf die häufig klein- flächig wechselnden Standortverhältnisse seiner Nutzflächen mit einer Vielzahl von verschiedenen Bewirtschaftungsmethoden zu reagieren; seine Möglichkeiten, die naturräumlichen Gegebenheiten zu beeinflussen oder gar zu steuern, waren eng be- grenzt. So verfügte er insbesondere für sein Grünland über eine große Palette ver- schiedener Nutzformen, die den jeweiligen natürlichen Verhältnissen angepaßt waren. Die guten Standorte wurden als mehrschürige Wiesen zur Heugewinnung bewirt- schaftet, flachgründige trockene oder magere Böden wurden bevorzugt mit Rindern oder Schafen behutet, nasses Land mit einem großen Anteil vom Vieh gemiedener Pflanzenarten schnitt man einmal jährlich im Herbt zur Streugewinnung usw. Zu diesem Spektrum an Nutzungsformen kam ein Gefälle in der Nutzungsintensität mit zuneh- mender Entfernung vom Hof hinzu, so daß gleichartige Standorte in der Regel in Hof- nähe intensiver bewirtschaftet wurden als weiter entfernt liegende. Die Vielfalt der landwirtschaftlichen Tätigkeiten spiegelte sich in einer großen bio- logischen Diversität und Reichhaltigkeit der Nutzflächen. Jeder Standort wird unter verschiedenen Wirtschaftsmethoden und -intensitäten von jeweils speziellen Bio- zönosen besiedelt, mit jeweils unterschiedlicher Artenausstattung. So kann sich das Grünland, wie nur wenige andere Formationen, aus einem kleinflächig überaus reich gegliederten Mosaik verschiedener Pflanzen- und Tiergesellschaften zusammensetzen. Aus botanischer Sicht sind wenig intensiv genutzte Grünlandpflanzengesellschaften ausgesprochen artenreich. So läßt sich z. B. für ungedüngte gemähte oder behutete Kalktrockenrasen auf 6 m2 eine mittlere Zahl von 35 Pflanzenarten feststellen; Silikat- trockenrasen kommen dem oft sehr nahe. Gut gepflegte Heuwiesen weisen bis 40 Arten auf 20 m2 auf, Feuchtwiesen und Streuwiesen sind — wenn nicht oder wenig ge- düngt — auf gleicher Fläche mit durchschnittlich 30 Pflanzenarten bewachsen. Im Ver- gleich dazu haben z. B. Wälder auf einer Fläche von 300 m2 oft weniger als 20 höhere Pflanzenarten. Für die Landwirtschaft ist der Artenreichtum einer Fläche jedoch uninteressant. Im Vordergrund steht hier allein die Produktion von Bio mass e. Die Entwicklung neuer technischer Möglichkeiten und der Agrarchemie ermöglichte es dem Bauer in jüngerer Zeit in zunehmendem Maße, die natürlichen Standortverhältnisse seiner Nutzflächen zwecks Steigerung der Pflanzenproduktion zu manipulieren. So sind heute vor allem

') Der Begriff Grünland wird hier in seinem weiteren Sinne verwendet und bezeichnet jene Flä- chen, deren Pflanzendecke regelmäßig oder unregelmäßig gemäht oder beweidet wird.

215 der Wasser- und Nährstoffhaushalt, sowie die physikalischen Verhältnisse der Böden in weitem Rahmen steuerbar. Diese modernen landwirtschaftlichen Techniken haben sich tiefgreifend auf die Grün- land-Lebensgemeinschaften ausgewirkt. Zum einen sind die verschiedenen Standort- qualitäten durch Meliorationsmaßnahmen einander angeglichen worden. Diese Nivel- lierung der Bodenverhältnisse in Richtung einer aus bäuerlicher Sicht optimalen Was- ser- und Nährstoffversorgung wurde am häufigsten durch Drainage und Düngung er- reicht. Die Folge ist, daß magere feuchte und nasse Wiesen oder Weiden weitgehend aus der Landschaft verschwunden sind. An ihrer Stelle findet sich heute „fettes" Grün- land, welches zuvor auf die von Natur aus besonders begünstigten Standorte be- schränkt war. Derartige Fettwiesen und -weiden haben vielfach unter den natürlichen Bodenverhältnissen in ganzen Naturräumen so gut wie völlig gefehlt, sind dort heute aber die absolut dominierenden Grünlandschaften (z. B. Weidelgras-Intensivweiden — Cynosurion — im Hohen Vogelsberg). Die Angleichung der bewirtschafteten Grünlandstandorte aneinander bewirkte einen drastischen Rückgang der Zahl an verschiedenen Lebensgemeinschaften, die ja auf jeweils verschiedene Lebensräume spezialisiert sind, sowie das Aussterben von Pflan- zen- und Tierarten, die ihrerseits wiederum auf eben diese Biozönosen angewiesen sind. Nochmals erheblich gesteigert wurde der Verlust an Biotopvielfalt durch die Rationalisierung — sprich Mechanisierung — der Bewirtschaftung. Um Arbeitszeit zu sparen, wurde es erforderlich, die Nutzflächen maschinengerecht herzurichten; wo dies nicht mit angemessenem Aufwand gelingt, werden entsprechende Parzellen von der Landwirtschaft aufgegeben, fallen brach oder werden (meist mit Fichten) aufge- forstet. Die aneinander angeglichenen Standortverhältnisse des bewirtschafteten Grünlands ermöglichen es heute, alle diese Flächen auf annähernd gleiche Weise maschinell zu bearbeiten. Die große Palette unterschiedlicher Nutzungsformen, die sich über Jahrhunderte entwickelt haben, ist überflüssig geworden: Eine Nivellierung der Bewirtschaftungsmethoden, mit den gleichen ökologischen Folgen wie die Nivel- lierung der Standortverhältnisse. Das Ausmaß des Verlustes verschiedener Lebensgemeinschaften ist bisher kaum er- kannt, da die Biozönosen nur schwer faßbar und somit quantifizierbar sind. Bedient man sich der Pflanzensoziologie und betrachtet die Pflanzengesellschaften als bota- nischen Teil der Lebensgemeinschaften, ergibt sich ein erschreckendes Bild. Der Prozentsatz vom Aussterben bedrohter oder ausgestorbener Pflanzengesellschaften an ihrer Gesamtzahl dürfte erheblich höher liegen, als der Anteil gefährdeter Pflanzen- arten an der Gesamtartenzahl. Dies besagt einiges über die Perspektiven, denn die Pflanzenarten sind in ihrem Vorkommen auf jeweils bestimmte Gesellschaften be- schränkt. Jede aussterbende Pflanzengesellschaft bedeutet gleichzeitig das Verschwin- den von meist mehreren Arten aus der Landschaft, was allerdings mit einer gewissen Verzögerung geschieht, da Biozönosen. schneller sterben als eine Art mit all ihren Individuen. Exakte quantitative Aussagen über die Zahl aussterbender oder bereits verschwun- dener Grünland-Pflanzengesellschaften und über ihren prozentualen Anteil an der Gesamtzahl dieser Vegetationseinheiten können z. Z. nicht gemacht werden; größen- ordnungsmäßig sind jedoch etwa 70'0/0 dieser Gesellschaften als gefährdet anzuneh- men. Die in einigen Bundesländern (Niedersachsen, Schleswig-Holstein) in Ausarbei- tung befindlichen „Roten Listen" der Pflanzengesellschaften werden hierzu erstmals fundierte Daten ergeben. Für Hessen bietet sich eine vorsichtige Auswertung der „Roten Liste der in Hessen ausgestorbenen, verschollenen und gefährdeten Farn- und Blütenpflanzen" (KAHLHEBER, A. u. a. 1980) vorerst als einzige Möglichkeit, zu quantitativen Angaben zu kommen, an.

216 So läßt sich feststellen, daß etwas über 4090 der in dieser Liste aufgeführten Arten 2) ausschließlich oder vorwiegend in beweideten oder gemähten Grünlandschaften auf- treten. Verfolgt man die Verteilung dieser Arten auf die einzelnen Grünlandtypen, so ergeben sich Hinweise auf besonders gefährdete Gesellschaftsgruppen, die allerdings in vielfacher Hinsicht einzuschränken sind. Insbesondere ist zu beachten, daß auf von Natur aus artenreiche Gesellschaften und auf Gesellschaftsgruppen, die an Assoziatio- nen (Gesellschaftseinheiten) besonders reich sind, selbstverständlich mehr Rote- Liste-Arten entfallen, als auf artenarme bei gleicher Gefährdung. Die mit Abstand an gefährdeten Arten reichsten Gesellschaften des Grünlandes um- faßt die Gruppe der Kalktrockenrasen (Festuco-Brometea), die einst als extensive Weide genutzt oder — zu einem kleineren Teil — gelegentlich gemäht wurden und heute in ihrer großen Mehrzahl, der Sukzession überlassen, verbuschen. Etwa 15% der in der Roten Liste genannten Pflanzen sind schwerpunktmäßig diesen Gesellschaften zuzuordnen. In Feuchtwiesen (Molinietalia) wachsen knapp 100/o der Rote-Liste-Arten; dies sind vorwiegend Mähwiesen, die in erster Linie durch Entwässerung, Düngung und Bodenverdichtung in großem Umfang zerstört wurden. Aus dieser Gruppe heben sich mit besonders vielen gefährdeten und ausgestorbenen Arten die zur Streu- gewinnung einmal jährlich oder nur unregelmäßig geschnittenen Moorwiesen (Streu- wiesen; Molinion) von sehr nährstoffarmen nassen Standorten heraus, die durch die Aufgabe dieser heute historischen Bewirtsachftungsform so gut wie ausgestorben sind. In Niedermoorrasen (Caricetalia nigrae) von nassen saueren und schwach be- weideten (Hutung) oder gelegentlich gemähten Flächen, sowie in Borstgras-Heide- rasen (Nardetalia), den typischen Pflanzengesellschaften der Hutungen der höheren Mittelgebirgslagen (z. T. auch extensiv als Wiese genutzt), wachsen jeweils ca. 5°/0 der bestandsbedrohten Arten. Die nur gelegentlich genutzten Silikattrockenrasen (Sedo-Scleranhtetea) sind ebenfalls der Lebensraum zahlreicher gefährdeter Pflanzen. In der Roten Liste nur schwach vertreten sind Pflanzenarten aus Grünlandgesellschaf- ten „mittlerer" (aus landwirtschaftlicher Sicht guter) Standorte, insbesondere der Gruppe der Fettwiesen (Arrhenatheretalia). Dies besagt jedoch nicht, daß derartige Pflanzengesellschaften noch in gutem Zustand häufig anzutreffen sind. Im Gegenteil sind gerade für diese Vegetationseinheiten, besonders in jüngerer Zeit, negative Ent- wicklungen zu verzeichnen, ohne daß allerdings eine größere Zahl ihrer Arten akut vom Aussterben bedroht sind. Die objektiv feststellbare Gefährdung verschiedener Fettwiesen kommt deshalb in der Roten Liste nicht zum Ausdruck; dagegen setzte die Zerstörung der zuvor genannten Grünlandgesellschaften in der Regel schon viel früher und z. T. rigoroser ein, so daß von deren Arten heute tatsächlich und unüberseh- bar eine große Zahl aus der Landschaft verschwunden ist (Phänomen der zeitlichen Verzögerung des Aussterbens der Art gegenüber dem Aussterben ihrer Lebens- gemeinschaft). Neben den quantitativen Verlusten an verschiedenen Grünlandlebensgemeinschaften, die sicherlich im zoologischen Bereich ebenso deutlich werden wie aus botanischer Sicht, steht — ebenfalls hervorgerufen durch die moderne Landwirtschaft — ein drasti- scher qualitativer Verlust in Ausstattung, Struktur, Dynamik und Stabilität der ver- bliebenen Biozönosen des bewirtschafteten Grünlands. Ziel bzw. Konsequenz der heutigen Grünlandwirtschaft ist es, die Pflanzenarten einer Wiese oder Weide auf eine kleine Zahl hoch-produktiver Spezies zu reduzieren. Wird durch die Düngung der Zuwachs an Biomasse im Grünland erhöht, ist die Wirkung weniger eine Erhöhung der Leistung aller auftretenden Arten, sondern es erfolgt die Förderung einer kleinen Zahl konkurrenzstarker — und dies sind gleichzeitig die schnellwüchsigsten und pro- duktivsten — Gräser und Kräuter gegenüber den schwachen und meist kleinwüchsigen

2) Alle in diesem Zusammenhang folgenden Angaben beziehen sich auf die „Rote Liste Farn- und Blütenpflanzen Hessen".

217 Arten. Letztere werden verdrängt, die Pflanzengesellschaft wird artenärmer und in- stabiler. So haben etwa verschiedene Fettwiesen und -weiden in den letzten Jahren auf Kosten des mageren Grünlandes erheblich zugenommen, in ihrer Artenausstattung sind sie jedoch fast überall stark verarmt. Intensive Bewirtschaftung, Befahren der Flächen mit schweren Maschinen und Redu- zierung der botanischen Artenvielfalt innerhalb der Lebensgemeinschaften wirken sich natürlich ebenso schwerwiegend auf ihre tierischen Bewohner aus, indem etwa spe- zielle Nahrungspflanzen ausfallen, Strukturveränderungen im Vegetationsaufbau ein- treten, Eiablagen (etwa von Insekten bei erhöhter Schnittfrequenz) regelmäßig zer- stört werden usw. Als jüngste Entwicklung macht sich eine zunehmende Angleichung in der Artenaus- stattung von Wiesen und Weiden bemerkbar. Häufiges Befahren der Wiesen mit immer schwereren Maschinen und die damit verbundene Bodenverdichtung, stark erhöhte Schnittfrequenz zur Grünfutter- und Silageerzeugung, sowie die fortschrei- tende Reduzierung des Bewuchses auf wenige produktive Arten, hat in einigen Gegenden schon fast zur völligen Identität von Weiden und Wiesen geführt. Für die Zukunft erscheint ein Einheitsgrünland aus 10 bis 15 Arten mit geringeren regionalen Schwankungen im Artenbestand für unsere Landschaft recht wahrscheinlich. Auf die z. T. volkswirtschaftliche Problematik einer solchen Entwicklung, die etwa zu Ernäh- r ungs-, Gesundheits- und Vererbungsstörungen der Nutztiere führen kann (siehe z. B. SCHILLER 1967), sowie eine stets abnehmende Qualität der landwirtschaftlichen Er- zeugnisse bedingt, soll hier nur hingewiesen werden. In landwirtschaftlichen Intensivgebieten mit hochwertigsten Böden, z. B. der Rhein- aue, verschwindet das genutzte Grünland zur Zeit völlig aus der Landschaft. Vieh- zucht wird hier nur noch in reiner Stallviehhaltung durchgeführt, als Futter wird vor allem Mais angebaut und im Silo gelagert. Doch auch andernorts geht insbesondere die Wiesennutzung stark zurück. Das Heumachen zur Winterfütterung wird in abseh- barer Zeit in die Gruppe der historischen Bewirtschaftungsformen einzuordnen sein. Von Seiten des Naturschutzes ist auf diese Entwicklungen noch kaum reagiert worden. Zwar bemüht man sich, z. B. im Rahmen des Feuchtbiotopschutzes, auch Feuchtwiesen in Naturschutzgebiete einzubeziehen. Die Erfolge sind jedoch noch recht bescheiden, was nicht zuletzt daran liegt, daß geschütztes Grünland allzuoft nicht genügend ge- pflegt wird oder sich gar in brachem Zustand befindet. Neben den Feuchtwiesen sind vor allem Kalktrockenrasen mit Blick auf ihren Orchideenreichtum unter Naturschutz gestellt worden, von denen sich viele ebenfalls in traurigem Zustand befinden. An- gesichts der Bedrohung sämtlicher Grünlandtypen, von Trockenrasen über Fettwiesen bis zu Naßwiesen können sich die Schutzbemühungen allerdings nicht mehr auf be- sonders seltene Wiesen und Weiden meist auf Sonderstandorten mit einzelnen spek- takulären Arten beschränken. Man muß gerade hier den Blick von einzelnen Spezies, seien es Pflanzen- oder Tierarten, lösen und auf die Gesamtlebensräume und -gemein- schaften richten, will man vermeiden, daß dem Naturschutz die Entwicklung völlig da- vonläuft. Nun stellen sich besonders dem Schutz des Grünlandes größere Hindernisse ent- gegen. Einmal handelt es sich hier in der Mehrzahl um landwirtschaftlich genutzte Flächen, auf deren Bewirtschaftung Einfluß zu nehmen nicht zuletzt wegen unglück- licher Naturschutzgesetze ausgesprochen schwierig ist. In diesen Fällen müssen Lösungen in erster Linie im Einvernehmen mit dem Landwirt gefunden werden. Zum anderen ist die notwendige differenzierte Pflege geschützter Wiesen und Weiden sehr aufwendig. Es ist z. B. nicht ausreichend, einmal im Herbst die Naturschutzgebiete mit einem Mähfahrzeug abzumähen. Erschwerend kommt hinzu, daß viele Grünland- zönosen unter heute nicht mehr praktizierten Bewirtschaftungsmethoden entstanden sind und nur durch eine entsprechende Pflege erhalten werden können. Dies gilt

218 besonders für aussterbende Heide-, Borstgras- und andere Magerrasen ehemaliger Allmendflächen, die mit Schafen oder Rindern behutet wurden und für die schon fast völlig verschwundenen Streuwiesen, die manuell gemäht werden müssen. Derartige z. T. landschaftsbestimmende Lebensgemeinschaften (Westerwald, Vogelsberg, Rhön u. a.) können z. T. nur mit großem finanziellen Aufwand gesichert werden. In den meisten Fällen wird man auf eine Zusammenarbeit mit Landwirten angewiesen sein, indem man z. B. einen Bauer beauftragt, bestimmte Pflegemaßnahmen in Natur- schutzgebieten durchzuführen, oder ihn für Nutzungseinschränkungen auf seinem eige- nen Land entschädigt. Jm Land Nordrhein-Westfalen sind zu diesem Zweck Muster- verträge ausgearbeitet worden, die bei Vorgabe bestimmte Nutzungsarten und -ein- schränkungen, auch außerhalb von Naturschutzgebieten, gegen einen finanziellen isnleich, die Bewirtschaftung auf schützenswerten Flächen regeln (BAUER 1982). Wichtig ist, daß hierbei durch klare Vertragsvereinbarungen eine rechtlich eindeutige Situauun gegeben ist, die beide Vertragspartner zur Einhaltung der Vereinbarungen zwingt. Besonders naheliegend ist der Grünlandschutz auf Flächen der öffentlichen Hand. Allerdings ist auch hier zunächst ein weitgehendes Umdenken. bei den betreffenden Behörden und Ämtern erforderlich. So steht das Prinzip der Produktionsmaximierung etwa bei der staatlichen Forstwirtschaft ebenso wie in der privaten Landwirtschaft obenan. So werden z. B. Waldwiesen zur Wild-Futterproduktion durch den Forst hoch intensiv bewirtschaftet, oder sogar zur Anlage von Wildäckern mit exotischen Pflanzen- arten umgepflügt. Besonders beklagenswert ist auch die Aufforstung ehemaligen Grünlandes in abgelegenen Gebieten und auf leistungsschwachen Standorten. Letzte- res geschieht vorwiegend auf staatlichen und gemeindeeigenen Flächen. Äußerst negativ muß weiterhin bemerkt werden, daß von den Behörden unter dem Druck der Landwirte selbst für die Schutzverordnungen der Naturschutzgebiete in den selten- sten Fällen Düngeverbote für die Grünlandflächen durchgesetzt werden. Ziel des Grünlandschutzes sollte es sein, größere Flächen mit reicher Standortdiffe- renzierung sicherzustellen und die Diversität der Biozönosen zudem durch relativ kleinflächig wechselnde verschiedenartige Nutzungsformen und damit ihre Pflege zu erhöhen. Als Regel kann gelten, daß eine Düngung auf geschützten Flächen vollständig zu vermeiden ist, zumal eine gelegentlich denkbare, schwache Düngung nicht über- prüfbar ist. Auf den Einsatz von Maschinen muß auf verschiedenen Sonderstandorten verzichtet werden und an Stelle dessen z. B. mit der Sense gearbeitet werden (was in der Forstwirtschaft auch heute noch durchaus üblich ist, etwa um Fichtenschonungen auszumähen). Zudem müssen Zeitpunkt und Frequenz von Beweidung und Mahd den spezifischen Anforderungen der verschiedenen Biozönosen entsprechend exakt fest- gelegt und eingehalten werden. Unabdingbar sind im Rahmen eines ernsthaften Grünlandschutzes wissenschaftliche Begleituntersuchungen. Erst die Kenntnis über Vorkommen., Ökologie und Dynamik der Lebensgemeinschaften erlauben eine gezielte Pflege. So existiert z. B. noch keine ausführliche Übersicht der Pflanzengesellschaften Hessens, so daß über Vorkommen, Häufigkeit und Zustand der Grünlandgesellschaften dieses Landes weitgehend Unklar- heit besteht. Tiersoziologische oder gar biozönotische Untersuchungen liegen prak- tisch noch gar nicht vor. Es steht zu befürchten, daß der größte Teil der Lebensgemein- schaften des Grünlands bereits ausgestorben sein wird, ehe er überhaupt seitens des Naturschutzes und der Forschung zur Kenntnis genommen wurde. Arten- und Lebensraumschutz muß sich heute nahezu auf das gesamte Spektrum der verschiedenen Biotope erstrecken. Die Sicherstellung besonders gefährdeter Lebens- räume kann zwar vorrangig sein, darf aber nicht allein stehen, da sonst die Zahl extrem bedrohter Biozönosen schneller zunimmt, als ihr Schutz zu verwirklichen ist. Ange- sichts bescheidener finanzieller und personeller Möglichkeiten des Naturschutzes scheint dies freilich kaum zu bewältigen zu sein. 219 Um zumindest einen Teil der Vielfalt an verschiedenen Biozönosen des Grünlandes gezielt zu erhalten, ist höchste Eile geboten. Vieles einst weit Verbreitete findet sich nur noch in Fragmenten und Resten und läßt sich nur durch schnelles Handeln regene- rieren und sichern. Angesichts des botanischen und zoologischen Artenreichtums der verschiedenen Wiesen und Weiden ist ihre Schutzwürdigkeit in besonderem Maße ge- geben. Nicht zuletzt allerdings sind reiche und differenzierte Grünflächen wesentliche Bestandteile im Bild unserer Kulturlandschaft und viele davon inzwischen Zeugen tradioneller und inzwischen aufgegebener Bewirtschaftungsmethoden von kulturhisto- rischer Bedeutung.

Literatur

BAUER, E. (1982): Musterverträge regeln jetzt Interessenausgleich. Neues privatrecht- liches Instrument für Naturschutz. — Mitteilungen der LOLF 7 (4): 14 —16. Reck- linghausen. HABER, W. (1971): Landschaftspflege durch differenzierte Bodennutzung . — Bayer. Landwirtsch. Jb. 48 (1): 19 —35. HUNDT, R. (1963): Die Entwicklung der Grünlandwirtschaft und der Naturschutz. — Arch. Natursch. u. Landschaftsforsch. 3 (1): 37-53. Berlin. KAHLHEBER, H. u. a. (1980): Rote Liste der in Hessen ausgestorbenen, verschollenen und gefährdeten Farn- und Blütenpflanzen. — 2. Fassung, 46 S., Wiesbaden. MEISEL, K. (1977): Auswirkungen landwirtschaftlicher Intensivierungsmaßnahmen auf die Acker- und Grünlandvegetation und die Bedeutung landwirtschaftlicher Pro- blemgebiete für den Arten- und Biotopschutz. — Jb. Natursch. Landschaftspfl. 27: 63-74. SCHILLER, H. (1967): Fruchtbarkeitsstörungen bei Rindern in Zusammenhang mit Düngung, Flora und Mineralstoffgehalt des Wiesenfutters. — Veröff. Landw.-chem. Bundesversuchsanstalt Linz 7. Linz/Donau. SCHWABE-BRAUN, A. (1980): Eine pflanzensoziologische Modelluntersuchung als Grundlage für Naturschutz und Planung. Weidfeldvegetation im Schwarzwald. — Urbs et Regio 18, 212 S., Kassel. SUKOPP, H. (1980): Arten- und Biotopschutz in Agrarlandschaften. — Daten und Dokum. z. Umweltschutz 30: 23 —42. Stuttgart. SUKOPP, H., TRAUTMANN, W. & KORNECK, D. (1978): Auswertung der Roten Liste gefährdeter Farn- und Blütenpflanzen in der Bundesrepublik Deutschland für den Arten- und Biotopschutz. — Schriftenr. f. Vegetationsk. 12, 138 S., Bonn-Bad Godesberg. ZIMMERMANN, P. & WOIKE, M. (1982): Das Schaf in der Landschaftspflege. — Mitt. der LOLF 7 (2): 1-13. Recklinghausen.

Anschrift des Verfassers: BERND NOWAK, Wolfstraße 27, 6300 Gießen.

220 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 221-226 (1983)

Hessens neue Naturschutzgebiete (7)

von H.-1. BOHR & C. KRAFT, Wiesbaden

NSG „Krebsbachaue von Oberissigheim" (Main-Kinzig-Kreis)

VO vom 28. Mai 1982 (StAnz. S. 1155); in Kraft getreten: 22. Juni 1982

Über die Musterverordnung hinaus ist

verboten: — in der Schilfzone und in dem Weichholzbestand zu düngen sowie im gesamten Naturschutzgebiet Pflanzenbehandlungsmittel anzuwenden.

gestattet: — im Rahmen der durch das vorstehende Verbot eingeschränkten ord- nungsgemäßen landwirtschaftlichen Bodennutzung die mechanische Grabenräumung ohne Sohlenvertiefung — die Handlungen der zuständigen Wasserbehörde oder deren Beauf- tragter im Rahmen der Wasseraufsicht sowie Unterhaltungsarbeiten an Gewässern im jeweiligen Einvernehmen mit der oberen Naturschutz- behörde — die Ausübung der Jagd und der Fischerei

Im Grenzbereich der Naturräume „Untermainebene", „Büdingen-Meerholzer-Hügel- land" und „Wetterau" liegt die knapp 16 ha große „Krebsbachaue von Oberissigheim". Diese aus Schilfflächen, Weichholzbeständen und einem Großseggenried mit angren- zenden Sauer- und Süßgrasgesellschaften ausgestattete Talaue zeichnet sich als viel- fältiger Lebensraum für feuchtlandgebundene Tierarten aus. Besonders für eine große Zahl bestandsgefährdeter Vogelarten ist dieses Gebiet als Brut-, Rast- und Nahrungsbiotop von Bedeutung. Im Bereich des Schilfgebietes konn- ten folgende Vogelarten der „Roten Liste Hessen" beobachtet werden: Wachtel, Schaf- stelze und Braunkehlchen. Im angrenzenden Pappelwäldchen kommen folgende Arten vor: Turteltaube, Wendehals und Grauammer. Weitere bestandsgefährdete Vogel- arten, die in dem betreffenden Gebiet rasten oder Nahrung suchen, sind Schwarzmilan, Weißstorch, Graureiher, Steinkauz, Schleiereule, Saatkrähe und Sperber. Auf die Feuchtstandorte ist ebenfalls ein bemerkenswerter Bestand an Amphibien an- gewiesen; die folgenden Arten wurden bisher festgestellt: Grünfrosch, Laubfrosch, Erdkröte und Teichmolch. Auch das Vorkommen besonderer Arten aus weiteren Tier- gruppen, wie Kriechtieren (Blindschleiche, Ringelnatter) und Schnecken zeigen die Qualität des Lebensraumes an.

221 NSG „Unteres Ranselbachtal bei Lorch" (Rheingau-Taunus-Kreis)

VO vom 28. Mai 1982 (StAnz. S. 1157); in Kraft getreten: 22. Juni 1982

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: — die ordnungsgemäße forstwirtschaftliche Bodennutzung in Form einer Edellaubholzwirtschaft, nicht jedoch in der Felsenschlucht im Süd- westen des Gebietes — die Ausübung der Jagd — das Fahren mit Kraftfahrzeugen im notwendigen Umfange, soweit es forstwirtschaftlichen Zwecken dient

Bei dem unteren Ranselbachtal handelt es sich um ein knapp 12 ha großes Wald-Bach- tal an einem kleinen Nebenfluß des Rheins, das wegen seiner großen Zahl seltener und z. T. bedrohter Pflanzenarten unter Naturschutz gestellt worden ist. Insbesondere der naturnahe Waldaufbau mit artenreicher Bodenflora ist von Bedeu- tung: Am Nordhang des Hohen Kadrich (330 m über NN) stockt ein lindenreicher Eichen-Hainbuchenwald mit Übergang in schluchtwaldartige Partien zum Ranselbach hin. Das Vorkommen von Gelapptem Schildfarn (Polystichum lobatum), Hirschzunge (Phyllitis scolopendrium),Wildem Silberblatt(Lunaria rediviva), Christophskraut (Actaea spicata), Alpen-Johannisbeere (Ribes alpinum), Großem Springkraut (Impatiens noli- tangere) sowie Eichenfarn (Gymnocarpium dryopteris) weisen auf den gut wasserver- sorgten und nährstoffreichen Standort dieser Vegetationseinheit hin. Der Randbereich des lindenreichen Eichen-Hainbuchenwaldes mit seinen zum einen Teil trockenen, zum anderen aber auch frischen Standortverhältnissen ist mit einer artenreichen, bemerkenswerten Vegetation bestanden: Auf dem trockenen Standort am Saum über der Wisperstraße konnten 42 Pflanzenarten festgestellt werden, dar- unter ein größeres Vorkommen der Ebensträußigen Margerite (Tanacetum corym- bosum) und des Verschiedenblättrigen Schwingels (Festuca heterophylla). Die flo- ristische Aufnahme am Waldweg des Hohe-Kadrich-Nordhanges zeigt eine feuchtig- keitsliebende Vegetation. Unter den 90 dort festgestellten Pflanzenarten gelten fol- gende als besonders bemerkenswert: Echtes Tausendgüldenkraut (Centaurium minus), Gemeine Akelei (Aquilegia vulgaris), Steife Wolfsmilch (Euphorbia stricta), Schwarze Platterbse (Lathyrus niger), Gemeiner Seidelbast (Daphne mezereum) und Echtes Lungenkraut (Pulmonaria officinalis).

Zu den Standorten, die wegen ihres Pflanzenkleides besonders hervorzuheben sind, gehören schließlich der untere Teil des Ranselbachufers und zwei kleinere Bereiche des natürlich erhalten gebliebenen Bachbettes. Dort wo der Ranselbach in die Wisper einfließt, hat sich eine kleine Schwemmlandfläche gebildet, auf der mehrere ältere Kul- turpappeln wachsen. Die Krautflora dieser feuchten Zone besteht u. a. aus folgenden bemerkenswerten Arten: Hohler Lerchensporn (Corydalis cava), Finger-Lerchensporn (Corydalis solida), Gegenblättriges Milzkraut (Chrysosplenium oppositifolium), Be- haarte Schuppenkarde (Dipsacus pilosus). Die Ufer des nicht begradigten Bachbettes sind mit älteren Kulturpappeln, Schwarzerlen und Haselnuß bestanden. Am berg- seitigen Ufer befindet sich ein Bestand des Gelappten Schildfarn und in dessen Nach- barschaft des Wald-Schwingels (Festuca altissima).

222 NSG „Wacholderheiden bei Niederlemp" (Lahn-Dill-Kreis)

VO vom 28. Mai 1982 (StAnz. S. 1158); in Kraft getreten: 22. Juni 1982

Über die Musterverordnung hinaus ist

verboten: — Brachflächen umzubrechen

gestattet: — die Ausübung der Jagd — der Bau und die Unterhaltung einer 380-kV-Freileitung sowie die Unter- haltung der bestehenden 110-kV-Freileitung

Das Naturschutzgebiet umfaßt auf einer Fläche von knapp 20 ha zwei der letzten für das Lemptal ehemals charakteristischen Wacholderheiden mit ihrer seltenen Trocken- rasenvegetation. Der geologische Untergrund der extensiv beweideten Hutungs- und Heideflächen besteht aus Tonschiefer, auf dem nur eine sehr schwache Bodenbildung stattfindet und dem nur eine wenige Zentimeter starke Humusschicht aufliegt. Da das Gestein nährstoffarm ist und die schwache Humusauflage nur wenig Wasser speichern kann, ist die spärliche Vegetationsdecke auf direkte Niederschläge angewiesen. Die Flora setzt sich aus verschiedenen ineinander verschachtelten Vegetationseinheiten zusammen: insbesondere aus der Felsgrus-Gesellschaft (Sedo-Scleranthion), der Nelkenhaferflur (Airo caryophylleae-Festucetum ovinae), der Kreuzblumen-Borstgras- Gesellschaft (Polygalo-Nardetum), dem Schafschwingel-Rasen (Thymo-Festucetum) sowie der Heidekraut-Heide (Genisto pilosae-Callunetum). Innerhalb dieser Pflanzen- gesellschaften haben folgende gefährdete Arten der Roten Liste ihren Standort: Weiß- miere (Moenchia erecta), Salep-Knabenkraut (Orchis morio), Fünfmänniger Spark (Spergula pentandra), Rotfrüchtiger Löwenzahn (Taraxacum laevigatum) und Bauern- senf (Teesdalia nudicaulis). Diese seltenen und gefährdeten Pflanzengesellschaften bzw. Pflanzenarten lassen auf das Vorkommen rarer und bedrohter Tierarten schließen. Besonders ornithologisch kommt dem Gebiet hohe Bedeutung zu: Mehrere Brutvogelarten der Roten Liste wie Wachtel, Wendehals, Heidelerche und Raubwürger finden hier eine zusagende Lebens- stätte.

NSG „Tongrube von Haller" (Main-Kinzig-Kreis)

VO vom 18. Juni 1982 (StAnz. S. 1254); in Kraft getreten: 6. Juli 1982

Über die Musterverordnung hinaus ist

verboten: — das Ausbilden und Prüfen von Hunden

gestattet: — die Ausübung der Jagd, jedoch nicht mit Fallen — Maßnahmen der zuständigen Wasserbehörde oder deren Beauftragter im Rahmen der Wasseraufsicht sowie Unterhaltungsarbeiten im je- weiligen Einvernehmen mit der oberen Naturschutzbehörde

Das ca. 16 ha große Naturschutzgebiet im Büdingen-Meerholzer Hügelland besteht aus zwei alten, gut bewachsenen Tongruben. Inmitten eines Erlen-Pappelwäldchens liegt dort ein Tümpel in einem biologisch sehr guten Entwicklungszustand. Die Hänge sind steil und mit Magergras bestanden, während die zweite quellwasserführende Grube von Gebüsch umgeben und mit Waldreitgras (Calamagrostis arundinacea) be- wachsen ist. Das Gebiet um die beiden Wasserflächen ist aus botanischer Sicht be-

223 sonders bemerkenswert durch Seggengesellschaften, Schilfbestände, verschiedene Moosarten und Sumpflandzonen. Typisch ist, daß im Tongrubenraum keine Ruderal- flora zu finden ist, sondern echte Feuchtgebietspflanzen und Pionierarten, darunter im Umkreis sonst fehlende tonbodenanzeigende Arten. Die Vogelwelt des Gebietes ist reichhaltig: Eine Vielfalt mitteleuropäischer Vögel findet hier einen Brutplatz. Als Gäste erscheinen Sperber, Habicht, Steinkauz, Wendehals und Raubwürger. Das Tongrubengelände mit seinen Feuchtflächen ist Anziehungspunkt für zahlreiche Amphibienarten, u. a. Bergmolch, Fadenmolch, Gelbbauchunke und Erd- kröte. Die Flächen eignen sich dazu, mittels gezielter Pflegemaßnahmen die Lebens- bedingungen zahlreicher Amphibien- und Vogelarten noch wesentlich zu verbessern. Auch die geologische und morphologische Vielfalt ist bemerkenswert. Neben Zech- steinletten und Zechsteinmergeln steht feingebankter, fester Dolomit an. Die niederen Grubensäume werden von den Mergeln gebildet, der Dolomit steht höher an. Der Erhalt dieser Steilhänge bedarf keiner Korrektur.

NSG „Rheinwiesen von Oestrich-Winkel und Geisenheim" (Rheingau-Taunus-Kreis)

VO vom 24. Juni 1982 (StAnz. S. 1288); in Kraft getreten: 13. Juli 1982

Über die Musterverordnung hinaus ist

gestattet: — auf den dafür zugelassenen Wegen zu reiten — die Ausübung der Jagd in der Zeit vom 1. November bis 15. Januar — die Handlungen der zuständigen Wasserbehörde oder deren Beauf- tragter im Rahmen der Wasseraufsicht und Unterhaltungsarbeiten an Gewässern im jeweiligen Einvernehmen mit der oberen Naturschutz- behörde — der Betrieb der vorhandenen Anlegestelle durch die Landwirtschaft- liche Bezugs- und Absatzgenossenschaft Rüdesheim

Zwischen Oestrich-Winkel und Geisenheim liegt die größte verbliebene Restfläche an naturnaher Weichholzaue im Rheingau. Auf gut 17 ha wird hier für eine große Zahl bestandsgefährdeter Tier- und Pflanzenarten mit besonderer Bindung an Uferland- schaften und Feuchtbiotope eine Lebensstätte gesichert. Das Naturschutzgebiet liegt im natürlichen Überflutungsbereich des Rheins und wird noch in hohem Maße von der Dynamik des Stroms beeinflußt. Dies macht sich nicht nur bei der Ufergestalt be- merkbar (Flachufer aus verschiedenen Bodenarten, freifallende Schlamm- und Sand- flächen unterschiedlicher Breite), sondern wirkt sich auch durch Sedimentation, Auf- landung und Abtrag aus. Das Gebiet besteht im wesentlichen aus dem flußaufwärts gelegenen Teil des heute verlandeten Rheinarms, der früher eine Insel, die „Schön- born'sche Aue", umflossen hat. In Abhängigkeit vom Wasserstand des Rheins treten offene Wasserflächen derzeit nur bei Hochwasser auf. Zum Fluß hin schließen sich schutzwürdige Stillwasserzonen an. Ein Wechsel von Gehölzbeständen, Schilf- und Freiflächen kennzeichnet die Vegeta- tion, in der in verschiedenen Sukzessionsstadien Übergänge von extensiv genutztem Grünland bis hin zum Auwald vorhanden sind. Erwähnenswert sind die ausgedehnten Schilfflächen und Brennesselfluren mit Pappel- und Weidenjungwuchs sowie einige alte Schwarzpappeln (Populus nigra) und Silberweiden (Salix alba). Zudem verdient der einzige Standort der Sumpfschwertlilie (Iris pseudacorus) im Rheingau besondere Aufmerksamkeit. Folgende vorkommende Pflanzenarten stehen auf der „Roten Liste": und Schnittlauch (Allium schoenoprasum), Steife Winterkresse (Barbara stricta) Schwarzpappel.

224 Das Gebiet belebt eine vielfältige Vogelwelt. Unter den bislang ermittelten 93 Vogel- arten, davon 45 Brutvögel, befinden sich u. a. folgende Arten der „Rote Liste": Turtel- taube, Steinkauz, Kleinspecht, Wendehals, Saatkrähe und Schwarzkehlchen. Ein be- merkenswerter Bestand von Grasfröschen, regelmäßige Funde der Blindschleiche sowie das Vorkommen von charakteristischen Schmetterlingsarten der Rheinauen begründen weiterhin die Erhaltung dieser ökologisch wertvollen Landschaftszelle.

NSG „Salzwiesen und Weinberg von Selters" (Wetteraukreis) VO vom 23. August 1982 (StAnz. S. 1667); in Kraft getreten: 14. Sept. 1982

Über die Musterverordnung hinaus ist verboten: — außerhalb der ackerbaulich genutzten Flächen Pflanzenbehandlungs- mittel anzuwenden gestattet: — im Naturschutzgebiet auf den dafür zugelassenen Wegen zu reiten — die mechanische Grabenräumung in der Zeit vom 16. Juli bis 31. Januar, nicht jedoch die Räumung der beiden Gräben in Flur 3, Flurstück 198 und 199 der Gemarkung Selters — die Ausübung der Jagd, nicht jedoch die Ausbildung und Prüfung von Jagdgebrauchshunden sowie die Errichtung von Ansitzen und Hoch- ständen — die Ableitung und Instandsetzung der auf dem Grundstück Flur 4, Flurstück 5 der Gemarkung Wippenbach zutage tretenden Salzquelle zum Sanatorium, soweit die zur Erhaltung der Salzvegetation erfor- derliche Restschüttung gewährleistet wird — die Überwachung und Instandsetzung vorhandener Ent- und Versor- gungsanlagen

Am südwestlichen Rande des Vogelsberges liegt das gut 32 ha große aus Feucht- wiesen mit eingestreuten Schilfflächen entlang der Nidder sowie aus einem am Hang angrenzenden Trockenrasen- und Waldgelände bestehende Naturschutzgebiet. Die Salzwiesen bei Selters zählen zu den bedeutendsten oberhessischen Standorten von Salzflora. Dort lassen sich mindestens zwei Pflanzengesellschaften unterscheiden, nämlich eine besondere Form des Salzbinsenrasens und eine Übergangsassoziation zu den salzmeidenden Pflanzen, die am besten als Erdbeerklee-Wiese bezeichnet wer- den könnte. Besonders die Umgebung einer Salzquelle, deren Wasser auch die be- nachbarten Sumpfwiesen versalzt, ist ein Wuchsplatz seltener Salzpflanzen: Spieß- blättrige Melde (Atriplex hastata var. salina), Knotengerste (Hordeum nodosum), Salz- Binse (luncus gerardii), Strand-Wegerich (Plantago maritima), Großer Wegerich (Plan- tago major ssp. winteri), Erdbeer-Klee (Trifolium fragiferum) und Strand-Dreizack (Triglochin maritimum). Das in früheren Jahren beschriebene Vorkommen von Strand- Aster (Aster tripolium), Strand-Binse (Bolboschoenus maritimus) und Astigem Tau- sendgüldenkraut (Centaurium pulchellum) ist inzwischen erloschen. Durch Anpflanzung und Aussaat wurde im Jahre 1975 — entgegen dem Naturschutzrecht — der Versuch unternommen, die Strand-Aster wiedereinzubringen. Ebenso unzulässigerweise er- folgte die Anpflanzung des von Natur aus hier nicht vorhandenen Salz-Milchkrauts (Glaux maritima). Dieses Gebiet stellt eine wichtige Ökozelle zur Stabilisierung des Naturhaushalts dar, die von einer artenreichen Flora und Fauna bestimmt wird. Aus der Vogelwelt sind besonders erwähnenswert: Wasserralle, Schafstelze und Braunkehldien. Eine Fülle weiterer Wirbeltierarten sowie eine namhafte Anzahl von wirbellosen Tieren finden hier ihren Lebensraum. In dem an die Feuchtwiesen angrenzenden Trockenrasen mit alten Obstbäumen und dem vielschichtigen Mischwald am „Weinberg", der forstwirt-

225 schaftlich nicht genutzt wird, hat sich eine reichhaltige Vogelwelt (z. B. Steinkauz und Neuntöter) angesiedelt. Von besonderer Bedeutung in dem Wald sind weiterhin be- merkenswerte Pflanzenarten wie Gefranster Enzian (Gentiana ciliata), mehrere Bär- lapparten (Lycopodiaceae), Weißes Waldvöglein () und Geflecktes Knabenkraut (Orchis latifolia).

Anschrift der Verfasser: Dr. HANS-JOACHIM BOHR & CLAUDIA KRAFT, Hess. Landesanstalt für Umwelt, Aarstraße 1, 6200 Wiesbaden

Neue Literatur

SCHÖNFELD, M. (1982): Der Fitislaubsänger. — Neue Brehm-Bücherei, Band 539, 184 S., 67 Abb., 70 Tab., A. Ziemsen Verlag Wittenberg-Lutherstadt. — Vertrieb in der Bundesrepublik, Osterreich und der Schweiz: Verlag J. Neumann-Neudamm, 3508 Melsungen.

Mit dem Fitis-Band liegt die dritte Monographie über eine mitteleuropäische Laub- sängerart in der Neuen Brehm-Bücherei des A. Ziemsen Verlages vor. Der Fitislaub- sänger ist u. a. in lichten Wäldern, im Bereich von Waldrändern und in heideähnlichen Landschaften zu Hause. In den Alpen wird er mit zunehmender Höhenlage seltener (bis etwa 1800-2000 m). Der Autor, der auch schon die Monographie über den Wei- denlaubsänger verfaßt hat (Band 511 der Neuen Brehm-Bücherei), baut den neuen Band auf umfangreichen eigenen Untersuchungen wie auf der Auswertung der zahl- reich vorhandenen Literatur auf. Das dem Buch beigefügte Literaturverzeichnis um- faßt 16 Druckseiten. Der Leser wird u. a. über die morphologischen und ethologischen Merkmale, die geographische Verbreitung, über Lebensraum und Ökologie, die Fort- pflanzungsbiologie, die Entwicklung der Jungvögel, die Biologie der Altvögel, die Mauser, über Zug und Überwinterung, über Bestimmungsmerkmale und über die Hal- tung in Gefangenschaft unterrichtet. Die Lektüre der Monographie macht deutlich, wo Wissenslücken vorhanden und welche Fragen noch zu beantworten sind. Das Buch ist unentbehrliches Nachschlagewerk über den Fitis, auf das man nicht verzichten kann. W. KEIL

226 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 227-229 (1983)

Die hessischen „Dko-Erlasse" zur Flurbereinigung

mitgeteilt von HANS-JOACHIM BOHR, Wiesbaden

Zur Verwirklichung der nach dem Flurbereinigungsgesetz möglichen Maßnahmen zum Schutze der Natur und zur Pflege der Landschaft hat der Hessische Minister für Lan- desentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten eine „Anleitung zur Erstellung des landschaftspflegerischen Teiles zum Plan nach § 41 FlurbG" vom 30. 7. 1980 (II C 7 — LK 24.0 — 5220/80) herausgegeben. Einige Gesichtspunkte daraus, die sich in der Naturschutz- und Landschaftspflegepraxis als besonders bedeutsam erwiesen haben, sind im Laufe des Jahres 1982 durch bislang neun Arbeitsanweisungen — inzwischen kurz als „Oko-Erlasse" bezeichnet— vertiefend abgehandelt worden. Diese richten sich an die ausführenden Behörden der Flurbereinigung, das Hessische Landesamt für Er- nährung, Landwirtschaft und Landentwicklung sowie die Ämter für Landwirtschaft und Landentwicklung als mittlere bzw. untere Verwaltungsebene. Wegen ihres verwal- tungsinternen Charakters sind die Erlasse zwar nicht im Staatsanzeiger des Landes Hessen veröffentlicht worden, doch sind sie allen Naturschutzorganisationen bekannt- gemacht worden, insbesondere den nach § 29 BNatSchG anerkannten. Interessenten, die nicht von ihren jeweiligen Organisationen Ausfertigungen erhalten haben, können solche bei der Staatlichen Vogelschutzwarte, Steinauer Straße 44, 6000 Frankfurt am Main 61, anfordern. Bei der Flurbereinigung darf es nicht nur um die Erhaltung oder Neuschaffung einzel- ner naturnaher Lebensstätten, sondern es muß auch darum gehen, diese durch ent- sprechende verbindende Landschaftselemente als System zu bewahren oder zu ge- stalten; nicht zuletzt ist eine großflächig pflegliche Behandlung und Neuordnung der Agrarlandschaft anzustreben. Zu einer ersten Information und als Gesprächsgrund- lage für alle im Naturschutz Tätigen seien die „Oko-Erlasse" nachfolgend mit genauer Bezeichnung und kurzer Inhaltsangabe vorgestellt: 1. Erlaß vom 8. 2. 1982 (II B 7 — LK. 24.0 — 492/82) betreffend Durchführung der Flur- bereinigung; hier: Erstellung von Gutachten über Naturhaushalt und Landschaft (ökologische Gutachten). Als Voraussetzung für die Flurbereinigung sollen grundsätzlich für alle Flurbereini- gungsgebiete die ökologischen Grundlagen untersucht und daraus Vorschläge über Schutz- und Ausgleichsmaßnahmen zur Erhaltung des Natur- und Landschafts- potentials abgeleitet werden. Einzubeziehen sind sowohl die unbelebten als auch die lebendigen Faktoren des Naturhaushaltes, Boden, Klima, Wasserhaushalt — Pflanzen- und Tierwelt. Erhaltung und Gestaltung zielen nicht nur auf schutzwürdige Einzelstrukturen, sondern auf eine optimale Nutzung insgesamt ab. Den Auftrag für solche ökologischen Gutachten erteilt das Hessische Landesamt für Ernährung, Landwirtschaft und Landentwicklung. 2. Erlaß vom 17. 2.1982 (II B 7 — LK. 24.0 — 433/82) betreffend: Durchführung der Flur- bereinigung; hier: Flächenausweisung für Zwecke des Naturschutzes und der Land- schaftspflege. Bei Aufstellung des Wege- und Gewässerplanes sollen bei der Flurneuordnung An- lagen für Naturschutz und Landschaftspflege durch Gestaltung der Grundstücke, Führung des Wegenetzes und Bereitstellung von Land gefördert werden. Dies kann in Form gemeinschaftlicher oder öffentlicher Anlagen erfolgen, aber auch durch Zu- weisung entsprechender Grundstücke als Eigentum privater Träger.

227 3. Erlaß vom 2. 3. 1982 (II B 7 — LK. 24.0 — 931/82) betreffend: Berücksichtigung von Streuobst-Beständen in Flurbereinigungsverfahren. Dieser Edaß unterstützt die Bemühungen des Naturschutzes um einen besonders schutzwürdigen Kulturbiotop, dessen Bestand wegen mangelnder Rentabilität ge- fährdet ist. Organisatorische Möglichkeiten zur Erhaltung im Rahmen der Flurneu- gestaltung oder entsprechender Grundstückseigentumszuweisung, notfalls sogar durch Verwaltungsanordnung — Durchsetzung durch Mittel des Verwaltungszwan- ges oder Bußgeld — werden dargestellt. 4. Erlaß vom 3. 3. 1982 (II B 7 — LK. 24.0 — 498/82) betreffend: Durchführung der Flur- bereinigung; hier: Ausweisung und Sicherung von Feuchtgebieten. Hier werden langjährige Bestrebungen des Naturschutzes um eine in besonderem Maße bedrohte Gruppe von Lebensstätten aufgegriffen und die Möglichkeiten ge- zeigt, dies im Wege der Flurbereinigung zu fördern. Die Flurbereinigungsbehörden sind aufgefordert, Feuchtgebiete zu erhalten und zu gestalten, sie organisch in die umgebende Landschaft einzubeziehen und Pflegepläne dafür zu erstellen. Eine Zu- sammenarbeit mit den „§-29er-Verbänden" wird ausdrücklich nahegelegt. 5. Erlaß vom 31.3.1982 (II B 7— LK. 24.0-1766/82) betreffend: Naturnaher Ausbau und Instandsetzung von Gewässern im Rahmen der Flurbereinigung in Hessen. Naturnahe Gewässer als bedeutsame Lebensstätten und wichtiger Faktor eines für die Pflanzen- und Tierwelt förderlichen Wasserhaushalts sind erhalten oder bei unabweisbarer Notwendigkeit naturnah und landschaftsangepaßt neu zu gestalten. Dabei sind die Lebensräume der Pflanzen- und Tierwelt zu sichern sowie die son- stigen Belange der Landespflege zu berücksichtigen. Rechts- und Verwaltungsvor- schriften sowie planerische und bauliche Verfahren werden in ihren Möglichkeiten für Naturschutz und Landschaftspflege erläutert. 6. Erlaß vom 17. 5. 1982 (II B 7 — LK. 24.0 — 2836/82) betreffend: Durchführung der Flur- bereinigung; hier: Vogelschutz. Auf die Möglichkeiten zum Schutz und zur Förderung einer artenreichen Vogelwelt einerseits als Indikator eines vielfältigen Lebensraumes und zum anderen als wesentlicher Bestandteil eines integrierten Landbaues wird im einzelnen hingewie- sen: Erhaltung und Neuanlage von Feldgehölzen als Vogelschutzanlagen im Rah- men des Wege- und Gewässerplanes, aber auch als Zweckgrundstücke ausgewie- sen und im Flurbereinigungsplan gesichert; ebenso besondere Beachtung finden Gras-, Kraut-, Schilf-, Röhricht- und Wasserflächen. Nistkästen und andere Nist- hilfen sollen ebenfalls vorgesehen werden. Orts- und fachkundige Beratung durch „§-29er-Verbände" und Zusammenarbeit örtlichen Vogelschutzvereinen wird emp- fohlen. 7. Erlaß vom 14. 6. 1982 (II B 7 — LK. 24.0 — 4074/82) betreffend: Ausweisung von Wild- biotopen in der Flurbereinigung. Als bedeutsame Möglichkeit zur Verwirklichung der jagdrechtlichen Hegepflicht und in Anbetracht der Tatsache, daß einige heimische Wildarten als bestandsgefährdet einzustufen sind, werden hier die bei der Flurneuordnung beschreitbaren Wege ge- zeigt, die Daseinsvoraussetzungen durch Biotopgestaltung zu verbessern. Beson- dere Betonung liegt auf der Erhaltung und Neuschaffung von Feldgehölzen in der offenen Landschaft und deren Vernetzung untereinander durch Wege-Seitenstrei- fen, -Böschungen, -Seitengräben, -Begleitpflanzungen u. ä. 8. Erlaß vom 21. 6. 1982 (II B 6 — LK. 50.0 — 4111/82) betreffend: Erwerb sowie Unter- haltung und Pflege von Grundstücken durch die nach § 29 BNatSchG anerkannten Verbände in Flurbereinigungsverfahren. Es ist anzustreben, daß die nach § 29 BNatSchG anerkannten Verbände (Natur- schutzverbände) die Unterhaltung und Pflege von ökologisch wertvollen Land-

228 schaftsteilen übernehmen. Um auf diese Weise die Sachkunde und den Idealismus dieser Verbände zu nutzen, sollen die betreffenden Flächen in erster Linie in deren Eigentum gegeben werden. Ist dies nicht möglich, soll eine entsprechende Verpflich- tung im Flurbereinigungsplan festgelegt werden. 9. Erlaß vom 17. 9. 1982 (II B 7 — LK. 60.4.0 — 5910/82) betreffend: Durchführung der Flurbereinigung; hier: Stützung und Sicherung des Grundwasserhaushaltes. Bei der Aufstellung der Grundsätze für die zweckmäßige Neugestaltung des Flur- bereinigungsgebietes sowie des Wege- und Gewässerplanes mit landschaftspflege- rischem Begleitplan sind die Möglichkeiten zu prüfen, den Grundwasserhaushalt durch bodenverbessernde, wasserbauliche und landschaftsgestaltende Maßnah- men zu stützen oder zu sichern (Grundwasseraufhöhung, natürliche Grundwasser- neubildung). Vorhaben anderer Planungsträger bei der Errichtung von Infiltrations- anlagen kann die Flurbereinigung durch Ausweisung und Aufbringung von Flächen bodenordnerisch unterstützen.

Anschrift des Verfassers: Dr. H.-J. BOHR, Hessische Landesanstalt für Umwelt, Aarstraße 1, 6200 Wiesbaden

Der Bauer und sein Sohn.

1. Der Bauer steht vor seinem Feld und zieht die Stirne kraus in Falten: „Ich hab' den Acker wohl bestellt, auf reine Aussaat streng gehalten, nun seh' mir eins das Unkraut an! Das hat der böse Feind getan."

2. Da kommt sein Knabe hochbeglückt, mit bunten Blüten reich beladen. Im Felde hat er sie gepflückt, Kornblumen sind es, Mohn und Raden. Er jauchzt: „Sieh, Vater, nur die Pracht! Die hat der liebe Gott gemacht." Julius Sturm.

229 Neue Literatur

MILDENBERGER, H. (1982): Die Vögel des Rheinlandes. Band 1: Seetaucher — Alken- vögel. Herausgegeben von der Gesellschaft Rheinischer Ornithologen, Düssel- dorf (=Heft 16-18 der „Beiträge zur Avifauna des Rheinlandes"). In Kommission beim Kilda-Verlag, Greven. 400 Seiten, 109 Abbildungen und Graphiken.

Als wohlausgestattetes, mit dem Bilde einer munter rufenden Uferschnepfe geschmück- tes Buch liegt der erste von vier geplanten Bänden über „Die Vögel des Rheinlandes" vor. Er enthält den Teil I der „Artmonographien", deren Teill II — ebenfalls unter der Verantwortung von H. MILDENBERGER — als Band 2 im nächsten Jahre folgen soll. Für 1984 ist als dritter Band ein „Verbreitungsatlas der Brutvögel" — Bearbeiter: M. WINK — geplant. Abschließen wird das Werk — vorgesehenes Erscheinungsjahr 1985 — der Band 4 „Landschaftsökologische Einordnung der Vogelwelt", verfaßt von H. BLANA. Wie in den meisten Regionen der Bundesrepublik, wo derartige Lokal- avifaunen erscheinen oder geplant sind, ist auch hier die Bereitstellung und Auswer- tung einer Fülle von Beobachtungen freiwilliger Mitarbeiter für das Zustandekommen entscheidend gewesen. Die Arbeit baut, sozusagen in dritter Generation, auf der „Vogelfauna der Rheinprovinz" von 0. LE ROI (1906) nebst Nachtrag von diesem und H. GEYR V. SCHWEPPENBURG (1912) sowie auf „Beiträge zur Vogelfauna der ehe- maligen Rheinprovinz" von F. NEUBAUR (1957) auf. Eine bewußt knapp, aber gut faßbar gehaltene „Allgemeine Einführung" erläutert die Arbeitsweise und wiederkeh- , rend verwendete Begriffe derart, daß die Texte zu den einzelnen Vogelarten nach einer einheitlichen Gliederung kurz und dennoch durchschaubar gestaltet werden können. Tabellarische Übersichten und graphische Darstellungen unterstützen diese Bemühung. Der landeskundliche Teil beschränkt sich — wohl im Hinblick auf die ent- sprechenden ornithologisch ausgerichteten Betrachtungen des vierten Bandes — auf einen Überblick. 21 Photos veranschaulichen diesen m. E. augenfällig und zutreffend. 'An eine zusammenfassende Behandlung der bislang nachgewiesenen knapp 350 Vogelarten, darunter etwa 150 Brutvögel, knüpfen sich nicht zuletzt bewertende Natur- schutz-Überlegungen. So wird eine „Rote Liste gefährdeter Vogelarten" hergeleitet und erläutert. Nicht ganz einfach ist es, das Bearbeitungsgebiet des besprochenen Werkes gegenüber den älteren Vogelfaunen sowie gegenüber „Die Vögel Hessens" von L. GEBHARDT und W. SUNKEL (1954) aus der Nachbarschaft abzugrenzen. Das hoffentlich richtige Ergebnis mag zur Erleichterung ähnlicher Bemühungen beigefügt werden: Im Unterschied zur früheren preußischen „Rheinprovinz" (LE ROI, LE ROI und GEYR, NEUBAUR) bezieht es nicht mehr mit ein: Eupen-Malmedy, das Saarland sowie die heutigen Kreise Birkenfeld und Bad Kreuznach (Rheinland-Pfalz). Zusätzlich wer- den jedoch die rheinland-pfälzischen Kreise Westerwald und Rhein-Lahn berücksich- tigt, die als Teil des einstigen Regierungsbezirkes Wiesbaden der preußischen Provinz Hessen-Nassau bei GEBHARDT und SUNKEL ebenfalls mitbehandelt sind; die in Arbeit sich befindende neue hessische Avifauna wird dieses Gebiet indessen nicht mehr einbeziehen. Mit anderen Worten bedeutet das Vorstehende, daß von den heutigen Bundesländern Nordrhein-Westfalen die Regierungsbezirke Arnsberg, Det- mold und Münster, von Rheinland-Pfalz der Regierungsbezirk Rheinhessen-Pfalz und die Kreise Birkenfeld und Bad Kreuznach des Regierungsbezirkes Koblenz sowie das gesamte Saarland zu neuer ornithologischer Bearbeitung anstehen. Als kleiner Sach- beitrag sei schließlich bei dieser Gelegenheit die Nachricht festgehalten, daß der Rezensent noch nach 1968, nämlich am 27. 4. 1974, wenn auch im belgischen Hohen Venn unweit von Baraque Michel, u. a. in Begleitung des Oberforstmeisters P. BELL, heute Forstamt Saarburg, ein wahrscheinlich männliches Moorschneehuhn (vgl. S. 229) H.-J. BOHR gesehen hat.

230 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 231-234 (1983)

Aus der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland- Pfalz und Saarland

Zur Auswilderung von Zoo-Störchen - Ciconia ciconia - in Hessen von RUDOLF ROSSBACH, Frankfurt/M.

1. Einleitung und Begründung

Als wesentliche Gründe für den Rückgang der Weißstorchpopulation bei uns müssen die Verschlechterung der Nahrungsverhältnisse und die Verringerung der Fortpflan- zungsquote angegeben werden. Beide stehen in ursächlichem Verhältnis zueinander: Je weniger Nahrung in einem Brutbiotop zur Verfügung steht, desto geringer ist die Zahl der Eier eines Geleges oder der Jungvögel, die flügge werden. Tatsächlich läßt sich in Hessen die Biotopverschlechterung der letzten Jahrzehnte sehr deutlich an der durchschnittlichen Zahl der Jungvögel (JZ m) der Horstpaare mit Bruterfolg (HPm) ab- lesen: 1958: JZm 3,0 (bei 96 HPm) 1968: JZm 2,75 (bei 23 HPm) 1978: JZm 2,33 (bei 3 HPm) 1981: JZm 2,0 (bei 2 HPm) Daraus ergibt sich — ohne daß auf die anderen Rückgangs-Ursachen eingegangen wer- den muß — schon allein aufgrund der zu geringen Fortpflanzungsraten das Problem, daß die Verluste auf dem Zug ins Winterquartier und zurück heute nicht mehr aus- reichend ausgeglichen werden können. Dies hat zu Überlegungen geführt, wie die Nachwuchsrate künstlich erhöht werden kann. Dabei kommt es darauf an, in einem noch besetzten Brutbiotop, wie das Schwalm- gebiet (Nordhessen), an dessen ökologischer Bereicherung noch großräumig und mit gezielten Maßnahmen gearbeitet wird, eine möglichst große Anzahl von Jungstörchen ins Winterquartier zu entlassen. Um eine nachhaltige Bindung an den ausgesuchten Biotop zu erreichen, ist zweck- mäßigerweise eine Vergesellschaftung der in Gefangenschaft aufgezogenen und für eine Auswilderung vorgesehenen Störche mit den dort wildlebenden anzustreben. Dieses Ziel der Ortsprägung macht eine längere Volierenhaltung im Brutbiotop mit Sichtkontakt zu den Wildstörchen erforderlich. Da deren Revierverhalten beim Flügge- werden der Jungen umschlägt zugunsten eines Sozialverhaltens mit der Tendenz zur Trupp-Bildung, wie sie von der Zugzeit her bekannt ist, kann das Risiko des Freilas- sens der Gefangenschaftsstörche zu diesem Zeitpunkt als gering angesehen werden. Nach diesem Prinzip hatten bereits am 3. 8. 1981 die ornithologischen Verbände im NSG „Rhäden von Obersuhl" (Kr. Hersfeld-Rothenburg) vier in Wiesbaden-Schier- stein gezüchtete Störche aus einer Freiland-Voliere entlassen. Diese hatten sich kurz darauf an die Wildstörche der benachbarten Gemeinde Gerstungen (Thüringen) an- geschlossen (GRAEF & GREBE, briefl. Mitt.). Allerdings gehen die in Schierstein gehaltenen Störche überwiegend auf Elterntiere der nordafrikanischen Verbreitungsform zurück, die bei uns als gebietsfremd ange- sehen werden muß, da diesen Störchen nicht das exakte Zugverhalten der mitteleuro- päischen Form im Hinblick auf die genetisch festgelegte Zugrichtung und Zugtermi-

231 .- nierung angeboren ist. Es muß daher streng darauf geachtet werden., daß für Ver suche dieser Art ausschließlich Tiere eingesetzt werden, deren Zugverhalten mit' Sicherheit dem unserer einheimischen Form entspricht.

2. Materialbeschaffung und Versuchsaufbau

Für den von der Staatlichen Vogelschutzwarte Frankfurt/M. — in Verbindung mit ehren- amtlichen Mitarbeitern und den ornithologischen Verbänden — durchgeführten Aus- wilderungsversuch in Loshausen (Schwalm-Ederkreis) wurden dankenswerterweise vom Zoologischen Garten Frankfurt, Direktor Dr. R. FAUST, vier Jungstörche von der Außenstelle Nidda-Zoo zur Verfügung gestellt. Die Jungtiere wurden von zwei Eltern- paaren gezüchtet, die dort schon seit vielen Jahren gehalten und ursprünglich als ver- letzte Brutvögel aus dem südhessischen Raum aufgenommen worden waren. Die vier Jungstörche (Schlüpfdatum 13. 5. bzw. 23. 5. 1982) wurden am 19. 7. 1982 mit den Ringen: Vogelwarte Helgoland 102 A, 103 A, 104 A und 105 A versehen und an- schließend in die in der Gemarkung Loshausen errichtete Freivoliere eingesetzt. Als Standort wurde bewußt die nächste Umgebung von zwei Naturschutzgebieten gewählt (NSG „In den Erlen von Loshausen" und NSG „Storchenteich am Schwertzellsgra- ben"), die durch gezielte Pflegemaßnahmen auf die ökologischen Ansprüche der in Loshausen noch regelmäßig brütenden Weißstörche vorbereitet wurden (HOLLAND- LETZ 1982). Hier sei aarauf hingewiesen, daß es mit dem Ausbaggern eines einzelnen. Amphibien- teiches allein nicht getan ist, nachdem in früheren Untersuchungen der dort ansässigen 'Feldornithologen ermittelt worden war, daß für das Storchenpaar in Loshausen ein, Nahrungsareal von ca. 220 ha angenommen werden muß (KEIL & ROSSBACH 1980). Für die Freivoliere können folgende Details angegeben werden: Länge 8 m, Breite 4 m, Höhe 2 m in zerlegbarer Bauweise, Seitenbespannung: Grünes 6-Eck-Draht- geflecht (Maschenweite 28 mm), Deckenbespannung: Engmaschiges Perlongewebe (sogenanntes Vogelabwehrnetz), das allerdings durch die intensive UV-Bestrahlung der Sonne nach vier Wochen brüchig wurde, so daß hierfür zukünftig ausgebessertes Fischereinetz eingesetzt werden sollte. Innenaustattung: Zwei Sitzkrücken, ca. 80 cm hoch, eine runde „Horstplatte" in Tisch- höhe, Durchmesser ca. 1,20 m, vier halbhohe Plastikeimer. Sonnen- und Windschutz: , Das westliche Viertel der Voliere war mit einer bis zum Boden heruntergezogenen Schilfmatte überdeckt. Zum Thema Haltung und Nahrungsbedarf der Jungstörche siehe Bericht von ESSER (1983), nachfolgend im gleichen Heft.

3. Versuchsausführung und Verhalten der Störche

Auf dem Storchennest in Loshausen (Entfernung zur Freivoliere ca. 800 m) waren nach sehr spätem Brutbeginn (Vollgelege ca. 13. 5. 1982) etwa am 12./13. 6. zwei Jungvögel geschlüpft, die sich von der Größe her sehr unterschiedlich entwickelten. Zu diesem Zeitpunkt waren die am 19. 7. 1982 angelieferten Zoostörche schon drei bis vier Wochen alt. Bereits knapp eine Stunde nach dem Einsetzen der Zoostörche in die Freivoliere lan- dete der erste Altstorch in ca. 8 m Entfernung vom Gitter. Von dieser Stelle aus be- obachtete er mit langem Hals aufmerksam die Neuankömmlinge. Nach wenigen Minu- ten wechselten dann intensives Gefiederputzen mit weiteren Beobachtungs-Phasen ab, ohne daß der Standort verändert wurde. Dabei wurden auf beiden Seiten keinerlei aggressive Intensionen beobachtet. Erst nach fast genau einer Stunde flog der Alt- ‚storch von seinem Landeplatz wieder ab. Nach Angaben der Betreuer, die von nun an mit einer unermüdlichen Tag- und Nacht-Bewachung der Voliere begannen, konnte

232 auch späterhin kein aggressives Verhalten seitens der Elterntiere festgestellt werden. Nachdem am 23. 8. 1982 der erste Jungvogel auf dem Horstschornstein flügge gewor- den war, wurde am 25. 8. um 10.20 Uhr die Voliere für die vier Zoostörche — nach über 5-wöchiger Eingewöhnungszeit — geöffnet. Die Insassen wurden nicht herausgetrie- ben, sondern mit vor der Tür ausgelegten Fischen herausgelockt. Dabei war besonders darauf zu achten, daß Störungen durch Schaulustige vermieden werden mußten.

Gekürzter Ausschnitt aus dem Beobachtungsprotokoll: 10.25 h: Vorsichtiges Beäugen und „Anpirschen" der offenen Tür, jedoch immer wie- der Rückzugsbewegungen und Gefiederputzen. 10.50 h: Austritt des ersten Tieres aus der Voliere und Aufnehmen von Fischen. 10.57 h: Austritt des zweiten und kurz danach 10.59 h: gemeinsamer Start der beiden zu einem weit ausholenden Rundflug. 11.06 h: Nach vergeblichem Landeversuch zweiter Anflug und Landung auf dem Volierendach. 11.30 h: Austritt des dritten und vierten Jungstorches aus der Voliere, anschließend kurzer Rundflug und ebenfalls Landung auf dem Volierendach. 11.50 h: Alle Jungvögel streichen vom Volierendach ab auf die unmittelbar benach- barte Wiesenfläche, im Gras nach Insekten suchend. 12.05 h: Der größere der beiden wilden Jungstörche fliegt vom Horst aus in unmittel- bare Nähe der äsenden Zoostorch-Gruppe. Er wird von einem der Zoostörche attackiert, weicht aber nur ein paar Meter aus und wird anschließend von der Gruppe geduldet. 13.45 h: Der Wild-Jungvogel fliegt zurück zum Horst. 14.00 h: Die Gruppe der Zoostörche erreicht zu Fuß (äsend) wieder die Voliere und fliegt dort aufs Dach. 14.10 h: Der Wild-Jungstcrch landet (vom Horst aus) in der Nähe der Voliere. 14.15 h: Zwei der Zoostörche springen zum Wildstorch herunter, jedoch ohne An- griffsverhalten; dann gemeinsame Suche zu dritt nach Heuschrecken. Weitere Feindseligkeiten wurden nicht mehr beobachtet, auch dann nicht, als sich abends einer der Altvögel zu den Jungstörchen gesellte und als drei Tage später der zweite Wild-Jungvogel von der Gruppe der Jungstörche akzeptiert wurde. Die aus der Vergesellschaftung der vier Wild- und der vier Zoostörche entstandene Achter-Gruppierung hatte auf vorbeiziehende Fremdstörche eine so attraktive Wir- kung, daß zeitweise drei weitere Durchzügler auf dem Weg ins Winterquartier dort rasteten. Die letzte Beobachtung der „Großfamilie" datiert vom 4. 9. 1982. Da nach den Ringfundauswertungen von F. BAIRLEIN (1981) ein Teil unserer Jungstörche das erste Lebensjahr in Westafrika verbringt und erst im zweiten und dritten Jahr zuneh- mend in Richtung auf das Brutgebiet zurückwandert, kann -vermutlich erst ab 1984 mit der Rückkunft der beringten Zoo-Störche gerechnet werden. Im Rückblick auf den reibungslosen Ablauf dieses Auswilderungsversuchs kann betont werden, daß er zu einer beispielhaften Zusammenarbeit zwischen den Vertretern der ornithologischen Verbände, der Jagd, der Fischerei und der Forstbehörden geführt hat. Allen Beteiligten sei daher abschließend herzlichst gedankt.

4. Zusammenfassung 'In einem Auswilderungsversuch im Bereich des noch regelmäßig besetzten Weiß- storch-Horstes Loshausen (Schwalm-Eder-Kreis) gelang es 1982, die dortigen Wild- störche und ihre beiden Jungen mit vier beringten Jungstörchen aus dem Frankfurter Zoo zu vergesellschaften. Die Zoostörche wurden in 5-wöchiger Freivolierenhaltung in der Nähe von zwei Naturschutzgebieten im Raum Loshausen auf die ihnen zugedachte „Brutheimat" geprägt. Der Abflug ins Winterquartier erfolgte gemeinsam am 4. 9. 1982.

233 Die Jungstörche aus dem Frankfurter Zoo in ihrer Freivoliere kurz nach Offnen der Tür am 25. 8. 1982. (Foto: Verfasser)

5. Literatur BAIRLEIN, F. (1981): Analyse der Ringfunde von Weißstörchen (Ciconia ciconia) aus Mitteleuropa westlich der Zugscheide: Zug, Winterquartier, Sommerverbreitung vor der Brutreife. Die Vogelwarte 31: 33-44. ESSER, T. (1983): Zum Futterbedarf von jungen Weißstörchen (Ciconia ciconia). Vogel und Umwelt 2: 235-236. HOLLAND-LETZ, J. (1982): Eine Überlebensstrategie für die letzten Weißstörche im Auenverbund der Schwalm (Nordhessen). Vogel und Umwelt 2: 33-42. KEIL, W. & R. ROSSBACH (1980): Bestandsveränderungen beim Weißstorch (Ciconia ciconia) in Hessen von 1969-1980. Vogel und Umwelt 1: 136-143.

Anschrift des Verfassers: Dr. R. ROSSBACH, Steinauer Straße 44, 6000 Frankfurt/M. 61

234 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 235-236 (1983)

Zum Futterbedarf von jungen Weißstörchen (Ciconia ciconia) von THEO ESSER, Schwalmstadt-Ziegenhain

Im Juli und August 1982 wurde von der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Bund für Vogel- schutz und der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz im Raum Loshausen (Schwalm-Eder-Kreis) ein Auswilderungsversuch durchgeführt. Dabei wur- den in ca. 800 m Entfernung vom Storchenhorst Loshausen (ein Brutpaar mit zwei Jun- gen) in einer Freivoliere auf einer eingezäunten Viehkoppel vier Jungstörche mittel- europäischer Herkunft gehalten, die der Frankfurter Zoo zur Verfügung gestellt hatte. Während die Wildstörche auf dem Schornstein in Loshausen erst Mitte Juni geschlüpft waren, fiel das Schlüpfdatum der Zoostörche auf den 13. bzw 23. Mai, so daß sie um drei bzw. vier Wochen älter waren. Dadurch ergab sich für sie eine längere Wartezeit von ihrem Einsetzen in die Voliere am 19. 7. 1982 bis zum Flüggewerden des ersten der beiden Wildstörche am 23. 8. 1982 und der dann am 25. 8. 1982 erfolgten Freilassung. Dies bot dem Verfasser die Gelegenheit, Beobachtungen zur Nahrungsaufnahme der Jungstörche anzustellen, da er gebeten worden war, die täglich zweimalige Fütterung während der 5 1/2-wöchigen Haltungszeit zu übernehmen. Bei ihrer Anlieferung am 19. 7. waren die vier jungen Zoostörche fast flügge. Das Gefieder befand sich in sehr gutem Zustand und war fast voll entwickelt. Die Tiere gewöhnten sich schnell und problemlos in ihre neue Umgebung ein und nahmen auch vom ersten Tag an das ihnen dargebotene Futter auf. Im Hinblick auf ihre spätere Aus- wilderung mußte eine unerwünschte Menschprägung möglichst weitgehend vermieden werden. Die Grundnahrung bildeten eingefrorene und portionsweise wieder aufgetaute Eintags- küken. Die Fütterungen erfolgten jeweils um 6.30 Uhr und um 16.15 Uhr. Es zeigte sich, daß eine tägliche Gesamtmenge von 48 Küken nur selten überschritten wurde. Dies entspricht einem Bedarf von bis zu 12 Küken pro Tag und Storch. Diese Menge blieb bis zum Ende der Fütterungsperiode nahezu konstant, wenn es auch durch Zu- fütterung von Fischen (ab 22. 7.) oder weißen Mäusen zu einem entsprechend geringe- ren Verbrauch von Küken kam. Die Fischnahrung bestand aus fingerlangen Rotaugen und Rotfedern sowie aus 12 bis 15 cm großen Brassen, die freundlicherweise von den Mitgliedern der örtlichen Anglerverbände zur Verfügung gestellt wurden. Die Fische wurden den Störchen in vier halbhohen Wassereimern angeboten, deren Wasser täglich aus dem nahen Schwertzellsgraben erneuert wurde. Dadurch ergab sich eine weitere wertvolle Er- gänzung des Nahrungsangebots, denn es konnte des öfteren beobachtet werden, daß dieses Wasser intensiv nach Insekten (Wasserkäfer, Rückenschwimmer und deren Larven) abgesucht und mit dem Schnabel durchseiht wurde. Ab 28. 7. wurden dann auch weiße Mäuse zusätzlich angeboten, die dankenswerter- weise von den Behring-Werken in Marb-rug beschafft werden konnten. Sie wurden in einem steilwandigen Plastikbehälter aufbewahrt. Nach der Schnelligkeit und Gier bei der Nahrungsaufnahme zu urteilen, schien die Fischnahrung bei den Störchen auf der Skala der Beliebtheit obenan zu stehen, gefolgt von den Mäusen, die jeweils mit einem kräftigen Schnabelbiß in der Nackengegend sicher getötet wurden. Erst an letzter Stelle wurden die aufgetauten Küken aufgenom- men, wenn alle drei Futtertierarten gleichzeitig angeboten wurden.

235 Ferner wurde festgestellt, daß bei einem Nahrungsüberangebot an einzelnen Tagen die angebotenen Mäuse und Fische liegengelassen und erst am folgenden Tag auf- genommen wurden. Ob hier Witterungseinflüsse (z. B. starke Hitzeentwicklung in den Nachmittagsstunden) eine Rolle gespielt haben, kann nicht abschließend beurteilt wer- den. Jedenfalls waren gewisse Schwankungen in der Menge der täglich verbrauchten Nahrungstiere zu verzeichnen. Wie Gewichtsmessungen ergeben haben, schwankte die täglich benötigte Nahrungsmenge zwischen 350 und 450 g und betrug somit im Mittel 400 g pro Tag und Jungstorch. Möglicherweise ist der unterschiedliche Nahrungsverbrauch noch auf andere Faktoren zurückzuführen wie z. B. Störungen durch (regelmäßig zu beobachtende) Rotmilane, durch Füchse und Wiesel oder durch wildernde Hunde und Katzen, deren Anwesen- heit auch durch die Tag- und Nachtbewachung engagierter Naturschützer aus Los- hausen und Umgebung nicht ganz verhindert werden konnte. Zu nennenswerten Stö- rungen kam es hierdurch jedoch nicht.

Anschrift des Verfassers: T. ESSER, 3578 Schwa lmstadt-Ziegenhain, Rathaus

Neue Literatur

PIECHOCKI, R. (1982): Der Turmfalke. — 104 S., 49 Abb., 6. durchgesehene Auflage, die Neue Brehm-Bücherei Bd. Nr. 116, A. Ziemsen Verlag Wittenberg-Lutherstadt. Auslieferung der Neuen Brehm-Bücherei in der Bundesrepublik erfolgt durch den Verlag Neumann-Neudamm, Melsungen.

Neben dem Mäusebussard ist der Turmfalke unsere häufigste Greifvogelart. Bedingt durch seine Anpassungsfähigkeit brütet er in unseren lärmerfüllten Großstätden, im Bereich großer Industrieanlagen wie auch in Felswänden unserer Mittelgebirge. Auto- bahnauffahrten mit ihren Grünflächen sind ebenso seine Jagdreviere wie Parkanlagen. An seinem charakteristischen Rütteln ist er leicht zu idendifizieren. Die Turmfalken- monographie informiert den Leser u. a. über die geographischen Formen, die Verbrei- tung und den Lebensraum, die Artmerkmale, die feldornithologischen Kennzeichen, die Ernährung und die Bedeutung für die biologische Schädlingsbekämpfung, die Brut- biologie, die Siedlungsdichte, die Mortalitätsfaktoren sowie über die Ergebnisse der Beringung. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis (4 1/2 Seiten) und ein Sachregister beschließen den Band. Wer sich mit dem Turmfalken beschäftigt, wird um das Studium dieses Bandes nicht herumkommen. Er kann empfohlen werden. W. KEIL

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Band 2, Heft 5: 237— 284 Zeitschrift Wiesbaden, Oktober 1983 für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen

ISSN 0173-0266

Herausgeber: Der Hessische Minister für Landesentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten, — Oberste Naturschutzbehörde — Inhaltsverzeichnis Seite 239 RINNE, D.: Untersuchungen zum Brutvogelbestand in einem Neubaugebiet

WOELFING, P.: Erfahrungen in einer Vogelauffangstation — Eine kritische Bilanz aus der Sicht der Veterinärmedizin, des Natur- und Tierschutzes 247

ENSGRABER, A.: Hessens neue Naturschutzgebiete (9) 253

Kleine Mitteilungen

JOST, 0.: Winteraufenthalt eines Kranichs — Grus grus — im östlichen Vogelsberg (Hosenfeld-Schletzenhausen, Landkreis Fulda) 259

ERLEMANN, P.: Flußregenpfeifer (Charadrius dubius) brütet auf Kahlschlag in geschlossenem Waldbereich 261

ERLEMANN, P.: Überwinterungsversuch vom Flußuferläufer (Tringa hypoleucos) bei Mainhausen-Mainflingen (Südhessen) 262

BERCK, H. & K.-H. BERCK: Englische Schafstelze (Motacilla flava flavissima) bei Gießen 264

BERCK, K.-H.: Zilpzalp (Phylloscopus collybita) im Winter bei Gießen 265

Aus der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland- Pfalz und Saarland

KEIL, W. & K. WINTHER: Biotop-Management des Großen Brachvogels — Numenius arquata — in Hessen 267

FRIEDRICH, H.: Erfolgreiche Bruthilfe für Schleiereulen (Tyto alba) 273

SCHULZ, I.: Zeitschriftenaustausch mit nachfolgend aufgeführten Tauschpartnern 277

Aus der Hessischen Landesanstalt für Umwelt

BOHR, H.-J.: Vogel- und Naturschutz in Recht und Gesetz (7) 281

Mitteilung der Redaktion 282

Neue Literatur 246, 252, 258, 266, 272, 284

Leonardo da Vinci (1452-1519) 281

238 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 239-246 (1983)

Untersuchungen zum Brutvogelbestand in einem Neubaugebiet von DIETER RINNE, Mainz

1. Einleitung Im Zuge der steigenden Einwohnerzahlen in unseren Gemeinden werden immer neue Flächen zur Bebauung freigegeben und erschlossen. Dadurch wird die ursprünglich vorhandene Landschaft der Ortsrandlagen tiefgreifend verändert. Dieses gilt auch für die Flora und Fauna in einem weit darüberhinausgehenden Bereich. Von Seiten der Umweltschützer werden daher immer wieder Proteste vorgebracht, besonders wenn es sich um ökologisch wertvolle Gebiete (z. B. Feuchtbiotope) handelt. Nicht oder wenig beachtet werden derartige Eingriffe, wenn es sich um die Veränderungen „normaler" Gebiete handelt. In der vorliegenden Arbeit wird versucht zu untersuchen, welchen Einfluß eine sukzes- sive Bebauung einer Grasfläche am Rande einer Kleinstadt auf die Artenzusammen- setzung und -vielfalt der Vögel hat.

2. Lage des Untersuchungsgebietes und Biotopbeschreibung Bei dem Untersuchungsgebiet handelt es sich um den Bauabschnitt IV des am südlichen Rande von Bad Hersfeld (Nordhessen) gelegenen Johannisberges. Im Meßtischblatt 5124 (Bad Hersfeld) hat es die folgenden Rechts- und Hochwerte: 3549400 und 5635300. Die Höhenlage schwankt zwischen 270 m über NN im Süden und 320 m über NN im Norden; es handelt sich um einen Nordhang mit einem mittleren Gefälle von ca. 40 m auf einer Länge von ca. 580 m. Die Grenzen der Beobachtungsfläche sind identisch mit denen des IV. Bauabschnittes: Im Norden eine natürliche Grenze durch einen zur BAB Kirchheim-Herleshausen hin abfallenden Steilhang, im Osten und Süden bildet die Ringstraße um das Bebauungs- gebiet eine willkürliche Grenze, und im Westen wird das Gebiet durch einen nicht be- baubaren Hang eingegrenzt. Der Bauabschnitt umfaßt 329.861 m2 (ca. 33 ha).Vor der Er- schließung war die gesamte Fläche mit Gras bewachsen, welches durch Schafbeweidung kurz gehalten wurde, wie es im südlich angrenzenden Gebiet (z. B. auf dem Feldflug- hafen) auch weiter üblich ist. Im nördlichen Teil steht eine Doppelreihe Bäume (4 Pap- peln bzw. 3 Pappeln und 3 Kiefern) von ca. 10 m Höhe, die bis zum Ende des Unter- suchungszeitraumes nicht geschlagen wurden. Für die Bebauung wurde das Gebiet in 202 Parzellen aufgeteilt, die, wie in Tabelle 1 dargestellt, nacheinander mit Häusern (meist Einfamilienhäuser) bebaut worden sind.

Tabelle 1: Bebauungsablauf im IV. Bauabschnitt Bad Hersfeld-Johannisberg Zeitraum Anzahl der bebauten Grundstücke fertig im Bau in 90 (202 = 100°/0)

1977 25 12,3 22 10,3 1978 47 22,6 65 32,1

Aus den Abbildungen 1 und 2 ist die Verteilung der bebauten und im Bau befindlichen Grundstücke auf der Untersuchungsfläche zu ersehen. Die Gartenanlagen der 1977

239 N

Abb. 1 Beobachtungsgebiet Bad Hersfeld — Johannisberg Bebauung 1977 1977 bebaut EZZZI 1977 im Bau Straßen

1 N

Abb. 2 Beobachtungsgebiet Bad Hersfeld — Johannisberg Bebauung 1978 1978 bebaut EZZZ1 1978 im Bau tteiy, Straßen

240 Abb. 3 Verteilung der Dominanten 1977 1977 bebaut EZZO 1977 im Bau :; Straßen Abkürz. s. Tab. 2

Abb. 4 Verteilung der Dominanten 1978 1978 bebaut r/ZA 1978 im Bau Straßen Abkürz. s. Tab. 3

241 schon fertiggestellten Häuser nahmen im Laufe des Jahres 1978 mit ihren Rasenflächen und Bepflanzungen langsam Gestalt an. Das ursprüngliche Graslandbiotop setzt sich z. T. außerhalb des Bebauungsgebietes fort, so im Osten und Süden, während das Gras am nördlichen Steilhang mit Lupinen und Ginster durchsetzt ist. Im Südwesten befindet sich jenseits der Grenze ein Kiefern- wäldchen mit dichtem Baumbestand.

3. Beobachtungszeitraum und Auswertungsmethode Die Beobachtungen erfolgten in den Jahren 1977 und 1978 während der Monate März bis Juli in Form von Rundgängen durch das Gebiet. Diese fanden zu verschiedenen Tageszeiten (morgens, mittags und abends) statt und wurden auch jeweils in ihrer Begehungsrichtung variiert. Wegen der außerordentlich guten Übersichtlichkeit des Ge- ländes und der vielen markanten Punkte (Gebäude, Baubuden, Zäune usw.) wurden statistisch je ha und Rundgang ca. 3-4 Min. aufgewendet. Ausstehende Fragen konnten durch zusätzliche Beobachtungen vor Ort gelöst werden, da der Beobachter im Gebiet wohnte. Alle Beobachtungen, vor allem die revieranzeigenden Merkmale der einzelnen Species wurden während des Rundganges in eine Tageskarte eingetragen. Aus diesen Einzel- aufzeichnungen wurden die jeweiligen Artenkarten für die einzelnen Jahre erstellt. Am Ende der Beobachtungsperiode wurden darin die sich aus den Beobachtungen ergebe- nen Vogelreviere eingezeichnet und diese ausgezählt. Dabei wurden unterschieden: Bewohner, Randbewohner, Teilsiedler, Brut- und Nahrungsgäste. Zur Definition dieser Begriffe s. OELKE, 1967. Die Zählergebnisse wurden getrennt nach den beiden Untersuchungsjahren tabelliert. Hierzu wurden die Vogelarten nach ihrer absoluten Häufigkeit geordnet und die Abun- danz sowie die Dominanzklasse errechnet.

4. Beobachtungsergebnisse und Diskussion Die Ergebnisse der Bestandserfassung sind in den Tabellen 2 und 3 zusammengefaßt. Im Jahr 1977 bei geringer Bebauung und damit einem großen Anteil des ursprünglichen Grasbiotops ist die Zahl der Arten gering. Sie verteilen sichauch nur auf zwei Dominanz- klassen. Ebenso konnten nur Bewohner und Randbewohner festgestellt werden, Teil- siedler und Brutgäste fehlten. Feldlerche und Wiesenpieper sind die herausragenden Arten, obwohl sich der Hausrotschwanz aufgrund der Nistmöglichkeiten in errichteten und im Bau befindlichen Häusern in der obersten Dominanzklasse aufhält. Die Subdomi- nanten spielen nur eine untergeordnete Rolle. Der Grünling hielt sich an der West- grenze, der Buchfink in den Pappeln im Nordosten und der Girlitz auch an der nordöst- lichen Grenze auf. Im Jahr 1978 nahm die Anzahl der Arten zu und die Brutvögel teilten sich in drei Dominanzklassen auf. Außerdem kamen Teilsiedler hinzu. Die häufigste Art ist jetzt der Hausrotschwanz, gefolgt von Feldlerche und Wiesenpieper. Interessanter- weise ist die Bachstelze als neuer Brutvogel im Untersuchungsgebiet gleich dominant. Die anderen Arten wie Blaumeise, Wacholderdrossel, Amsel, Star und Haussperling spielen als lnfluenten noch keine wesentliche Rolle, deuten aber durch ihr Auftreten ein- deutig auf eine Biotopänderung hin. Als Nahrungsgäste wurden in den beiden Jahren beobachtet: Eichelhäher (1978), Wacholderdrossel (1977/78), Amsel (1977), Bachstelze (1977), Star (1977), Hänfling (1977/78) und Goldammer (1977/78). Zur besseren Veranschaulichung der Verteilung der Arten auf das Beobachtungsgebiet sind die Dominanten für 1977 (Abb. 3) und 1978 (Abb. 4) mit ihren Revierschwerpunkten in die Karten eingezeichnet.

242 Dominant

Dominant

Dominant

Subdominant

Subdominant

Subdominant

Dominanzklassen

1,8

0,3

0,3

5,5 0,3

2,1

P/10 ha

E 10,3

Abundanz

Teilsiedler

1

2

1

E4

Brutpaare

Randbewohner

1

7 1

6

16

E31

Bewohner

Hr

Wp Gf

Gi

B

Fe

Abkürzung

Art

Girlitz

Hausrotschwanz Wiesenpieper

Buchfink Grünling

Feldlerche

Name

3.

4.

6. 2. 1. 5.

Lfd. Nr.

Keine Teilsiedler und Brutgäste

Tabelle 2: Brutvögel „Bad Hersfeld -Johannisberg, IV. Bauabschnitt" 1977 Influent

Influent Influent Influent Influent

Influent

Dominant

Dominant

Dominant

Dominant

Subdominant

Dominanzklassen

1,5

0,3

0,3

2,4 0,3 4,8 0,3 0,3 4,5 0,3 0,6

P/10 ha

E15,6

Abundanz

1

1

1

1

— —

— —

— —

/4

Teilsiedler

1

1

1

3 1

— —

— —

N14

Brutpaare

Randbewohner

4

4 1 1

8

— —

— —

16

34

Bewohner

St

Hr Gi A Fe Bm Bs Wd

H Wp Gf

Abkürzung

Art

Blaumeise Star Hausrotschwanz Bachstelze Name Girlitz Amsel Feldlerche

Wacholderdrossel

Haussperling Wiesenpieper Grünling

1.

7.

5. 3. 8. 4. 9. 6. 2.

11.

10.

Lfd. Nr.

Keine Brutgäste

V. Tabelle 3: Brutvögel „Bad Hersfeld -Johannisberg, IV. Bauabschnitt" 1978 Einige interessante Details sollen durch den vertieften Vergleich der beiden Jahre herausgearbeitet werden. Während sich die Anzahl der Bewohner von 1977 bis 1978 kaum geändert hat, haben die Randbewohner und Teilsiedler stark zugenommen. Dieses sind meist die ursprünglichen Arten, aber auch einige neu siedelnde Species halten sich an den Grenzen auf, wo sie auch wieder ihrem ursprünglichen Biotop und damit ihrer artspezifischen Nahrung näher sind. Hier kommt zum Tragen, daß auch 1978 bei weitem nicht alle bebauten Grundstücke über fertig angelegte Gärten verfügten. Andererseits sind es aber gerade die Nahrungs- gäste von 1977, die im darauffolgenden Jahr Brutvögel wurden. Von 1977 bis 1978 hat sich die Anzahl der Brutpaare um ca. 50 0/o erhöht. Damit ist auch die Effektivität der Fläche um den gleichen Prozentsatz gestiegen, was sich in der Abundanz deutlich widerspiegelt: Zehn Hektar der Untersuchungsfläche können nun fünf Vogelpaare mehr ernähren und ihnen Brutmöglichkeiten geben. Diese Steigerung hat wohl zwei Gründe: Einmal ist die Produktion an Biomasse als Grundlage für die Ernährung in Gärten größer und vielseitiger als in Feldern und Grasland, zum anderen sollte man den anthropogenen Einfluß (Nahrungsmittelreste, Vogelfütterung und Nist- möglichkeiten an Gebäuden und in Kästen) nicht unterschätzen. Die beobachtete Ver- teilung der dominanten Brutpaare in Abhängigkeit von der Bebauung bestätigt einen vorhersagbaren Trend über die Reaktion der jeweiligen Art auf die fortschreitende Bio- topveränderung (s. Abb. 3 und 4). Die Feldlerche, die 1977 nur auf den unbebauten Randzonen gebrütet hat, verzog sich noch weiter nach außen und ist zusätzlich auf noch unbebaute Flächen des Zentrums gegangen. Der Hausrotschwanz hat seine Reviere der Bebauung dahingehend angepaßt, daß er mehr den Rohbauten den Vorzug als Brutstätten gibt. Beim Wiesenpieper ergibt sich eine ähnliche Situation wie bei der Feldlerche. Hier gelang es sogar, diese Anpassung an den Fortgang der Bebauung innerhalb eines Jahres zu beobachten. Zu Beginn der Brutperiode wurde im Revier nicht gebaut. Dann setzten die Arbeiten ein, und die Vögel verlegten ihre Aktivitäten ca. 50 m weiter auf ein noch freies und von ihrer Art unbe- wohntes Stück Grasland (in Abb. 4 angedeutet durch gestrichelten Pfeil). Bei der Bach- stelze als Neusiedler kann man keine eindeutige Abhängigkeit von der Bebauung er- kennen. Es scheint aber, als würden Rohbauzonen bevorzugt Diese Ergebnisse mögen den Vogelfreund beruhigen, da sich ja der Artenreichtum und die Zahl der Brutpaare vergrößert haben. Der Ornithologe und Naturschützer muß aber skeptisch sein, denn der Lebensraum von Vogelarten, die Brachland bzw. extensiv genutzte Flächen benötigen, wird immer mehr eingeengt. Daher sollten von der Land- wirtschaft mehr Flächen, die nicht intensiv zu nutzen sind, als „gepflegtes" Brachland (mit z. T. extensiver Beweidung durch Schafe) ausgewiesen werden und sogenanntes Ödland nicht um jeden Preis von den Behörden zur Bebauung freigegeben werden.

245 5. Literatur ERZ, W., H. MESTER, R. MULSOW, H. OELKE & K. PUCHSTEIN (1967): Empfehlungen zur Methodik von Siedlungsdichteuntersuchungen. Orn. Mitt. 19: 251ff. MAKATSCH, W.: Die Vögel in Haus, Hof und Garten. Melsungen. MAKATSCH, W.: Die Vögel in Feld und Flur. Radebeul-Berlin. OELKE, H. (1970): Empfehlungen für eine international standardisierte Kartierungs- methode bei siedlungsbiologischen Vogelbestandsaufnahmen. Orn. Mitt. 22: 124ff. RINNE, D. & M. RINNE (1979): Beitrag zurAvifauna der Stadt Braunschweig. Braunschw. Heimat 65: 59ff PETERSON, R., G. MOUNTFORT & P. A. D. HOLLOM (1959): Die Vögel Europas. Hamburg-Berlin. VOIGT, A. (1961): Exkursionsbuch zum Studium der Vogelstimmen. Heidelberg.

Anschrift des Verfassers: Dr. D. RINNE, In der Meielache 21, 6500 Mainz

Neue Literatur

KÖNIG, C. (1983): Auf Darwins Spuren. — 224 S., 212 Fotos, 5 Zeichnungen, 8 Karten, Verlag Paul Parey Hamburg und Berlin. Der Autor hat im letzten Jahrzehnt eine Reihe von Fahrten nach Südamerika unternom- men, die im wesentlichen der Erforschung der dortigen Ornis galten. Den Spuren Dar- wins folgend lag der Schwerpunkt der Reisen in Argentinien, Peru, Ecuador und auf den Galeoegos-Inseln. Die ausgezeichneten Reiseschilderungen geben einen. guten Einblick in die Vielfalt der südamerikanischen Lebensformen. Eine wesentliche Er- kenntnis, die der Autor — nach Meinung des Rezensenten — gewonnen hat, ist die zu- nehmende Bedrohung der südamerikanischen Tier- und Pflanzenwelt durch die immer stärker um sich greifende Zivilisation und die Ausbeutung der Natur durch gewissen- lose Geschäftemacher. Ob besonders letzteres unter den dortigen sozialen und politischen Verhältnissen abgestellt werden kann, erscheint mehr als zweifelhaft. Der Ausverkauf wird in besorgniserregendem Umfang weitergehen. Die dem Text beige- fügten Farbfotos vermitteln gute Eindrücke von der Landschaft, seinen Menschen sowie der Tier- und Pflanzenwelt. Das Buch ist lesenswert und wird seinen Leserkreis finden. W. KEIL

IMMELMANN, K. (1983): Die Vogelwelt Australiens. — 232 S., 36 Fotos, Verlag Eugen Ulmer Stuttgart. In zweiter Auflage veröffentlicht der Ulmer Verlag den ursprünglich bei der Jacob Helene KG unter dem Titel „ Irn, unbekannten Australien" erschienenen Bericht über einen einjährigen Aufenthalt des Autors (1959 /60) in Australien. Das Buch gibt ausge- zeichnete Einblicke in die Artenvielfalt der Vogelwelt des 5. Kontinents. Es ist aber auch ein Reisebericht, der in packender Weise Land und Leute, Tiere und Pflanzen dem Leser vor Augen führt. Der Verfasser konnte während seines Aufenthaltes in Landesteile vordringen, die z. Z. seines Besuches noch nicht oder nur wenig zoologisch erforscht waren. Insbesondere das Studium der Lebensweise der Sittiche und Pracht- finken war Hauptziel dieser Reise. Die Lektüre des Buches ist belehrend und unter- haltend zugleich. W. KEIL

246 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 247-252 (1983)

Erfahrungen in einer Vogelauffangstation - Eine kritische Bilanz aus der Sicht der Veterinärmedizin, des Natur- und des Tierschutzes — von PETER WOELFING, Bad Nauheim

Der Gedanke, eine Vogelauffangstation ins Leben zu rufen, wurde von der Vogelschutz- gruppe Bad Nauheim 1978 zunächst in kleinem Rahmen verwirklicht. 1980 erstellte die damals noch junge Gruppe Friedberg-Dorheim mit Genehmigung der Staatlichen Vogel- schutzwarte in Frankfurt die obengenannte Station auf dem Gelände des Tierheims Wetterau in Bad Nauheim-Rödgen. Beide Gruppen betreuen seither in enger Zusam- menarbeit die Station, wobei alle Tätigkeiten, auch die tierärztlichen, ehrenamtlich und ausschließlich in der Freizeit ausgeübt werden. Nach gut zwei Jahren sei daher an dieser Stelle eine kritische Bilanz aus persönlicher Sicht erlaubt: Bis heute wurden in der Station 208 Vögel betreut und 19 Tiere tot angeliefert. Auf Greifvögel und Eulen entfielen davon 107 Exemplare (= 47,1%), hiervon fielen auf die Greifvögel 79 und auf die Eulen 28 Tiere. Im einzelnen waren dies 45 (=19,8°/0) Bus- sarde, 27 (=11,9°/0) Turmfalken, 3 Habichte, 2 Sperber, 1 Rotmilan und 1 Baumfalke, 6 Schleier- und 17 Waldohreulen, 2 Stein- und 3 Waldkäuze. Von den 101 anderen Vögeln seien 3 Graureiher, 5 Spechte, 1 Wasserralle, 1 Eisvogel, 1 Waldschnepfe und 1 Wendehals besonders erwähnt (s. Tabellen 1-3). Insgesamt wurden 73 (=35,1°/0) Vögel wieder klinisch gesund in die Freiheit entlassen, eingeschläfert wurden 85 (=40,9 0/0), 50 (=24,090) starben, und in 105 (=46,3°/0) der Fälle wurden Sektionen vorgenommen. Des öfteren konnte eine Verdachtsdiagnose durch Einsendung von Probenmaterial an das Staatliche Veterinäruntersuchungsamt Frankfurt verifiziert werden. In 36 Fällen wurde operiert, 8 Operationen wurden abgebrochen, erfolglos verliefen 23 und erfolgreich 13 Operationen. Im Vordergrund aller Erkrankungsursachen standen Verletzungen, häufig jedoch nur als Folge einer Grundkrankheit. 24 mal (=10,6'0/0) wurden stumpfe Traumen, meist Schädelverletzungen durch Gegenfliegen, 51 mal (= 22,6 0/0) Flügel- und 15 mal (= 6,4°/0) Beinbrüche sowie 40 mal (= 19,2 0/0) andere Verletzungen diagnostiziert. Auffallend war, daß die überwiegende Anzahl der Frakturen bei Greifvögeln auftraten, wogegen die stumpfen Einwirkungen von außen fast ausschließlich bei den Eulenartigen erkannt wurden. Innere Erkrankungen wurden in 97 Fällen (42,7°/0) festgestellt, 3 Tu- more diagnostiziert, und in 9 Fällen lag der Verdacht auf Pestizidvergiftung nahe. Über- raschend war die geringe Anzahl von Endoparasitosen mit 3 Fällen von Bandwurm-, 1 mal Haar- und 2 mal Spulwurmbefall. Diese Zahl muß wohl tatsächlich wesentlich höher eingestuft werden. Ähnliches gilt für die bisher nur einmal festgestellte Tuber- kulose. Die Statistik geht deswegen nicht in 100 auf, weil bei einem Tier des öfteren mehrere Diagnosen gestellt wurden. Sinn der vorgenannten Station ist eindeutig die Wiederfreilassung von geheilten Vögeln, vor allem der gefährdeten bzw. bestandbedrohten Arten. Alle Tiere, deren Wiederherstellung von vornherein oder nach Behandlung nicht wieder 100 0/0 ig gewähr- leistet war, wurden tierschutzgerecht eingeschläfert. Die Erhaltung des Lebens eines Vogels nur um seiner selbst willen (Folge = Gefangenschaftshaltung bis zum Tod),

247 z. B. flügelamputiert, kann und darf nicht die Aufgabenstellung einer solchen Einrichtung sein. Die medizinische Betreuung des „Patienten" Vogel setzt ein Maß an Spezialwissen voraus, welches in weiten Teilen nicht durch die Säugetiermedizin abgedeckt werden kann und bis heute in der tierärztlichen Ausbildung nur am Rande gelehrt wird. Dieses Wissen liegt unter vielem anderen in den zahlreichen anatomischen und physiologischen Besonderheiten des Vogels begründet. Es sollen dessen normale Körpertemperatur von weit über 40 °C und der damit verbundene Stoffwechsel nur als ein Beispiel dienen.

Aus dem Vorgesagten ergibt sich beinahe zwangsläufig, daß der überwiegende Anteil der aufgefundenen Vögel verloren ist. Persönlich gehe ich von einer Verlustquote um die 80°/o und höher aus. Dies zeigt die praktische Erfahrung. Diese hohe Verlustquote hat viele Gründe. Hauptsächlich sind dies:

1. Die absolute Wiedererlangung der Freiheitstauglichkeit als Vorbedingung: Sie ergibt sich schon aus der Aufgabenstellung der Station. Während ein Haustier mit einer mehr oder minder stark reduzierten Gesundheit bei entsprechender Pflege relativ problemlos leben kann, ist dies in der freien Natur nicht möglich, schon gar nicht für einen Vogel. Würde man jedoch alle Vögel am Leben erhalten, die nicht mehr freiheitstauglich sind, so wäre die vorgenannte 80%-Marke mit Leichtigkeit erheblich nach unten zu drücken.

2. Das häufig zu späte Auffinden kranker Vögel: Sitzt der Vogel flugunfähig am Boden, so ist sein Krankheitszustand in den meisten Fällen so weit fortgeschritten, daß Hilfe zu spät kommt. Der Ernährungszustand gibt hier nur bedingt Aufschluß über die bisherige Dauer einer Erkrankung.

3. Die eng begrenzten medizinischen Möglichkeiten: Auch diese Gründe sind vielfältig und können hier nicht einzeln abgehandelt werden. Als Grundsatz ist zu sagen, daß die ohnehin schon wenigen Möglichkeiten um so geringer sind, je kleiner der Vogel ist. So sind z. B. Injektionen bei kleinen Vögeln außerordentlich problematisch bzw. unmöglich.

4. Die Schwierigkeit der exakten Diagnose: In vielen Fällen ist man hier auf Erfahrung, Fingerspitzengefühl und Glück angewie- sen. Für die innere Medizin so wichtige Hilfsmittel wie Abtasten, Abhören, Tempe- raturmessen u. a. sind beim Vogel nicht oder nur sehr begrenzt einsetzbar. Relativ einfach zu diagnostizierende äußere Verletzungen basieren häufig auf inneren Grund- krankheiten. Erst die Sektion gibt meist Aufschluß über den wahren Krankheits- prozeß.

Drei Beispiele mögen dies beleuchten: Eine Waldohreule zeigte schlaffe Lähmung beider Beine, einen Einriß der linken Pupille und war flugunfähig. Die Diagnose „ stumpfes Schädeltrauma" durch Gegenfliegen war. rasch gestellt und wurde durch die Öffnung der Schädelkalotte bestätigt. Ursache des Gegenfliegens war jedoch nach Öffnung der Leibeshöhle ein Ileus (Darmverschluß) durch Verdrehung einer Dünndarmschlinge.

Ein Bussard war mittelgradig abgemagert, leicht apathisch und ebenfalls flugunfähig. Der linke Ständer wies eine harmlos aussehende ringförmige Verletzung unterhalb des Sprunggelenkes auf. Nachdem keine Heilungstendenz zu erkennen war, lag der Ver- dacht auf eine andere Grundkrankheit nahe. Die Sektion ergab eine beginnende gene- ralisierende Tuberkulose, ausgehend von der für die Blutversorgung eines Vogels so wichtigen Milz als Primärorgan.

248 Abb. 1 Habicht, querschnittgelähmt. Ursache ist wahrscheinlich das Schlagen einer zu großen Beute. Prädisponiert für solche Verletzungen ist der Übergang Lendenwirbelsäule-Kreuzbein. (Foto: P. WOELFING)

Abb. 2 Waldohreule, Einriß der Pupille durch Einwirkung eines stumpfen Traumas (wahrscheinlich Gegenfliegen). Die Grundkrankheit war jedoch ein Darmver- schluß. (Foto: P. WOELFING)

249 Tabelle 1: Überblick über die im Berichtszeitraum betreuten Vogelarten

Arten Anzahl Anzahl in °/o

Vögel insgesamt 227 100 lebende Vögel 208 91,6 tote Vögel 19 8,4 Greifvögel und Eulen insgesamt 107 47,1

Greifvögel insgesamt 79 34,8 davon: Mäusebussard 45 19,8 Turmfalke 27 11,9 Habicht 3 1,3 Sperber 2 0,9 Rotmilan 1 0,4 Baumfalke 1 0,4

Eulen insgesamt 28 12,4 davon: Waldohreule 17 7,5 Schleiereule 6 2,6 Waldkauz 3 1,3 Steinkauz 2 0,9 andere lebende Vögel insgesamt 101 44,5

Tabelle 2 *: Überblick über die Erkrankungsursachen der Vögel im Berichtszeitraum

Diagnose Anzahl Anzahl in °/o

Verletzungen insgesamt 130 57,3 davon: stumpfe Traumen insb. im Schädelbereich 24 10,6 Flügelfrakturen 51 22,6 Beinfrakturen 15 6,4 Arm- und Beinfraktur 3 1,3 andere Verletzungen 40 19,2

innere Erkrankungen insgesamt 97 42,7 davon: Infektionen 38 16,9 Vergiftungsverdacht, z.T. bestätigt 9 4,0 Tumore 3 1,3 Parasitosen insgesamt 7 3,1 Bandwurmbefall 3 1,3 Haarwurmbefall 1 0,4 Spulwurmbefall 2 0,8 Federlingsbefall 1 0,4

*) Die Tabelle ergibt nicht 10090, da häufig mehrere Diagnosen an einem Tier gestellt wurden. 250 Tabelle 3*: Überblick über die veterinärmedizinische Versorgung der Vögel im Berichtszeitraum

Art der Versorgung Anzahl Anzahl

Versorgung insgesamt 208 100 Freilassung nach Versorgung 73 35,1 konservative Behandlung 136 65,4 chirurgische Behandlung insgesamt 36 17,3 erfolgreich operiert 13 36,1 bez. a. Sp. 4 erfolglos operiert 23 63,9 bez. a. Sp. 4 davon OP-Versuche abgebrochen 8 22,2 bez. a. Sp. 4 gestorben insgesamt 50 24,0 gestorben nach Behandlung 28 60,0 bez. a. Sp. 8 eingeschläfert insgesamt 85 40,9 eingeschläfert nach Behandlung 40 47,1 bez. a. Sp. 10 Sektionen insgesamt 105 46,3 eingeschl. der tot angel. Verluste insgesamt 135 64,9

*) Die Tabelle ergibt nicht 100°A, da häufig mehrere Behandlungen vorgenommen wurden.

Ein Buntspecht wurde mit dem Vorbericht einer Verletzung am Bauch abgegeben. Die „Verletzung" erwies sich als ca. 3 cm langer Kloakenvorfall. Auch hier war eine Kloakenlähmung unschwer zu diagnostizieren. Nur aufgrund eines zusätzlichen gelenk- nahen Oberschenkelbruches wurde das Tier eingeschläfert, ansonsten wäre mit Hilfe einer Tabaksbeutelnaht eine Reposition versucht worden. Die anschließende Sektion ergab eine durch Harnsäurekristalle verursachte völlige Verlegung des Harnleiters, was zum erheblichen Pressen des Tieres über längere Zeit geführt haben muß. Ursache der Kloakenlähmung war somit eine Nierengicht. Stellvertretend für eine Vielzahl von Beispielen mögen diese zeigen, wie oft auch der Fachmann klinisch völlig überfordert ist. Dies erklärt zusammen mit dem Vorhergesag- ten die hohe Verlustrate. Die Wiederfreilassung von insgesamt 73 von 208 Vögeln (35,190) in etwas mehr als zwei Jahren muß daher als überdurchschnittlich bewertet werden. Als kritische Bilanz ist folgendes anzumerken: Bei der Betreuung einer Vogelauffangstation treffen die drei Bereiche Veterinärmedizin, Natur- bzw. Vogelschutz und Tierschutz aufeinander, wobei insbesondere die beiden lletztgenannten mehr Gegensätze als Berührungspunkte aufweisen. Dem Individual- schutz des Tieres um seiner selbt willen auf der einen steht der Schutz des Biotops mit dem Ziel der Arterhaltung im biologischen Gleichgewicht zunächst ohne Rücksicht auf das Einzeltier auf der anderen Seite gegenüber. Im Sinne der Veterinärmedizin und des Tierschutzes rechtfertigt sich die Station dadurch, daß es insbesondere für einen Tier- arzt als Sachwalter des Tierschutzes eine vornehme Aufgabe ist und bleibt, der leiden- den Kreatur zu helfen bzw. sie von ihrem Leid zu erlösen. Damit z. B. ein Vogel in der freien Natur nicht elend zugrunde gehen muß, ist eine solche Station ein wichtiger An- laufpunkt. Im naturschützerischen Sinne ist aus tierärztlicher Sicht für die Entscheidung einer medizinischen Behandlung die Gefährdung der Art von wesentlicher Bedeutung. Auf- gabe einer solchen Station kann es somit nicht sein, jede Amsel oder jeden Star oder 251 sogar eine im Schlag großgezogene Brieftaube zu betreuen oder zu heilen. Gerade dies stößt in vielen Kreisen der Bevölkerung und nicht zuletzt bei den Tierschützern häufig auf Unverständnis und Kritik. Je gefährdeter jedoch eine Vogelart ist, umso größer wird die Bedeutung des Individuums. So muß z. B. alles versucht werden, die Freiheitstaug- lichkeit einer Schleiereule als Beispiel einer besonders bedrohten Vogelart wiederher- zustellen. Hier berühren sich Natur- und Tierschutz positiv. Wer jedoch meint, mit der medizinischen Herstellung und Freilassung dieser Eule deren Leben schon gerettet zu haben, irrt gewaltig. Dies gelingt nur, wenn gleichzeitig ein gesicherter Biotop zur Ver- fügung gestellt werden kann. Ansonsten wird alle medizinische Bemühung am einzelnen Tier, so wertvoll es für Veterinärmedizin oder Tierschutz auch sein mag, naturschütze- risch sinnlos. Aus persönlicher Sicht, aber auch des Naturschutzes wegen, erscheint es mir außer- ordentlich interessant, welche zahlreichen Erkrankungen bzw. Todesursachen bei unseren Vögeln in der freien Natur vorkommen. Hierüber hat der Autor eine Diareihe von über 200 Fällen angelegt, die dieses dokumentiert. Nur in einer solchen Station ist die Sammlung derartigen Materials möglich. Insofern erfüllt die Vogelauffangstation nach eigener Einschätzung in dreifacher Hinsicht ihren Sinn. Für den medizinischen Be- treuer wird die Hauptaufgabe weiterhin der Einsatz der Todesspritze entweder vor oder nach einem Behandlungsversuch bleiben. Nur wer sich die Gründe hierfür klarmacht und immer wieder vor Augen führt, verliert nicht den Mut und sieht einen Sinn in dieser oft ernüchternden Freizeitbeschäftigung. Anschrift des Verfassers: Dr. med. vet. PETER WOELFING, Weingartenstraße 35, 6350 Bad Nauheim 3

Neue Literatur ZUCCHI, H. (1983): Öffentlichkeitsarbeit im Naturschutz — theoretische Überlegungen und praktische Beispiele. DBV-Verlag, Achalmstraße 33a, 7041 Kornwestheim (zugleich Bezugsquelle); 89 Seiten.

Die vorstehend angezeigte Broschüre faßt fünfzehn bereits anderweitig veröffentlichte nach Art und Inhalt unterschiedliche Darstellungen zusammen, die sich in einem weiten Sinne dem Thema Öffentlichkeitsarbeit zuordnen lassen. Sie reichen vom motivierenden Aufruf zum Schutze der Natur bis hin zur umfassenden und ins einzelne gehende Arbeitsunterlage für den Unterricht, vom Vorlesetext für Kinder bis hin zur „ Sozialarbeit in Naturschutzorganisationen". Dabei liegt der Schwerpunkt im direkten Ansprechen und Unterweisen von Menschen in Jugendgruppen, Schulen, Volkshochschulen, Univer- sitäten, bei Tagungen und Ausstellungen sowie in sonstigen Begegnungsstätten. Nur am Rande angesprochen wird die Öffentlichkeitsarbeit in den sogenannten Medien — Zeitung, Radio, Fernsehen. Trotz der Vielfalt des Angebotenen ist das Bändchen nicht „wie ein Rezeptbuch zu verwenden", so der Hinweis im Vorwort, sondern die „Texte sind als Ideensammlung zu verstehen, die Anregung geben mögen". Wo immer man darin liest, überall wird rasch offenkundig, daß der Autor von der Notwendigkeit solcher Arbeit in vielerlei Form zutiefst überzeugt ist, daß er sich mit der Sache fortwährend auseinandersetzt und daß er stets zur Stelle gewesen ist, wenn's gegolten hat, etwas in die Tat umzusetzen. Durch die lebendige Unmittelbarkeit, mit der der Verfasser den Leser an seinen Gedankengängen teilnehmen und in seine Werkstätte schauen läßt, wird diese Sammlung empfehlenswert für alle, die sich um Öffentlichkeitsarbeit im Naturschutz kümmern wollen, sollen, müssen. Mannigfaltig ist das dargebotene Material. H.-J. BOHR

252 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 253-258 (1983)

Hessens neue Naturschutzgebiete (9) von ALBRECHT ENSGRABER, Wiesbaden

NSG „Baunsberg" (Landkreis Kassel)

VO vom 13. Oktober 1982 (StAnz. S. 1952); in Kraft getreten: 1. November 1982

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: — die ordnungsgemäße forstwirtschaftliche Bodennutzung, Waldrodung oder Waldneuanlage unter Berücksichtigung der besonderen Pflege und Unterhaltungsmaßnahmen zur Erhaltung der Block- und Schluchtwälder sowie der vorhandenen Altholzinseln

Der Baunsberg, ein vorwiegend aus Basalt bestehender Vorberg im Naturraum „Habichtswald", erstreckt sich in nord-südlicher Richtung im Süden des Kasseler Beckens. Der von Wald bedeckte Höhenrücken gehört zu den in Niederhessen nicht häufigen Doppelbergen mit vorgeschichtlicher Befestigung. Der Südliche Hauptgipfel trägt eine Wallanlage mit reichem Fundmaterial, der Nordgipfel könnte als Beobach- tungsposten gedient haben. Der Ost- und Nordabfall sind durch das Vorkommen des in Hessen nicht häufigen Eschen-Ahorn-Schluchtwaldes ausgezeichnet, der seltene Pflanzenarten enthält, z. B. Linde (Tale platyphyllos), Silberblatt (Lunaria rediviva), Alpenjohannisbeere (Ribes alpinum). Dabei ist der Baunsberg bemerkenswert durch seinen fast urwaldartigen Charakter und zählt daher zu den Besonderheiten Hessens. Der Südabfall trägt einen alten bodensauren Buchenmischwald in besonders schöner, lichter Ausbildung und in weitgehend ungestörtem, naturnahem Zustand. Im Osten, etwa 100 Meter unterhalb des Gipfels, befindet sich ein inzwischen stillgeleg- ter Steinbruch. Dessen Steilwände, die zum Teil natürliche Felsabstürze und Steilhänge ersetzt haben, sind bis zum Jahre 1940 Brutstätte des Wanderfalken gewesen. Das Naturschutzgebiet ist ca. 26,5 ha groß. Trotz der Stadtnähe zu Kassel ist sein Unterhaltungszustand bisher annehmbar gut dank der Tatsache, daß keine befestigten Forstwege, ja kaum Fußwege in den Kernbereich um die beiden Gipfel herum und in den dazwischenliegenden Sattelbereich führen. Kürzlich konnte das Vorhaben einer Funk-Relaisstelle auf dem Baunsberg abgewehrt werden.

NSG „Battenfelder Driescher" (Landkreis Waldeck-Frankenberg)

VO vom 13. Oktober 1982 (StAnz. S. 1954); in Kraft getreten: 1. November 1982

Die Battenfelder Driescher im Naturraum „ Frankenberger Grund" liegen als lang- gestreckter Höhenzug zwischen ca. 370 und 393 m über NN am Westufer des Nitzel- baches, der bei Battenfeld in die Eder fließt. Die dichte Grasvegetation mit eingestreu- ten Bäumen aus den umliegenden Wäldern macht im Bereich von schieferigen Halden an mehreren Stellen einer interessanten Geröllvegetation Platz. Biotopprägend ist das reichliche Vorkommen von Wacholder, mit Säulenpflanzen bis zu 3 m Höhe, und Kiefer. Im Nord- und Südbereich rücken die Bäume mehr zusammen, so daß sich mit umge-

253 stürzten Bäumen in verschiedenen Zerfallsstadien hier ein ausgesprochen urwaldähn- licher Bestand entwickelt hat. Extensive Beweidung in der Vergangenheit hat eine maßgebliche Rolle bei der Prägung des heutigen Landschaftsbildes gespielt, wobei Wacholder als Weideunkraut sich aus- breiten konnte. Der Höhenzug konnte nicht agrarisch genutzt werden, da er zu uneben ist und das Gestein häufig ansteht. Hierauf ist der Flurname Driesch= braches, unbebautes Land zurückzuführen. Die Beweidung hat zu einer seltenen Kombination aus Wald und Heide, feuchter Grasflur und Trockenhang geführt. In Verbindung mit der montanen Lage stellt das Gebiet heute einen einmalig reichen und schönen Lebensraum dar. Dies hat sich bei einer eingehenden faunistischen Untersuchung speziell auf Wanzen und Zikaden gezeigt, von denen 28 bzw. 27 Arten gefunden wurden. Wegen der nicht mehr stattfindenden Beweidung ist im südlichen Bereich durch starken Anflug von Kiefern und Lärchen, an anderer Stelle durch Verjüngung von Buche und Eiche, stellenweise auch Fichte, langfristig eine grundlegende Veränderung des Landschaftscharakters zu befürchten. Wacholder als extreme Lichtpflanze verschwände unter einem geschlossenen Kronen- dach bald. Vorläufig kann dieser Veränderung des Landschaftsbildes durch Abholzen begegnet werden, doch scheint zur langfristigen Erhaltung des Gebietes eine Bewei- dung unumgänglich. Das ca. 32,2 ha große Naturschutzgebiet ist, bedingt durch das gute Wegenetz, den negativen Folgen einer ausgiebigen Naherholung ausgesetzt.

NSG „Kammereckswiesen von Langen" (Landkreis Offenbach)

VO vom 1. November 1982 (StAnz. S. 2031); in Kraft getreten: 15. November 1982

Über die Musterverordnung hinaus ist verboten: — die Wiesen zu beweiden — Pferdekoppeln zu errichten oder zu betreiben — die Wiesen vor dem 15. Juni zu mähen. gestattet: — die ordnungsgemäße landwirtschaftliche Grünlandnutzung im bisherigen Umfang und in der bisherigen Art mit gewissen Einschränkungen

Die Kammereckswiesen von Langen liegen 1 km südlich von Langen im Naturraum „ Hegbach-Apfelbach-Grund". Sie haben eine Fläche von 14,4 ha. Das Gebiet enthält mehr oder weniger extensiv bewirtschaftetes Grünland und grünlandähnliche Bestände. Die Böden sind meist aus Flugsand gebildet. Sie sind etwa ab 60 cm unter Flur stau- feucht und schlecht durchlüftet. Die auf den trockensten Standorten der Kammerecks- wiesen vorherrschenden Pfeifengraswiesen (Molinion) sind durch den Einsatz der mineralischen Volldünger heute floristisch verarmt und haben sich in magere Glatthafer- wiesen verwandelt. Auf grundwassernahen, quelligen Standorten siedelt die Waldbinse (Carex silvatica), und je nach Grundwasserbeeinflussung sind Sumpfdotterblumen- Wiese (Calthion), Rispenseggen-Gesellschaft (Caricetum paniculatae) oder Schilf- röhricht (Phragmitetum) anzutreffen. Ornithologisch bedeutsam ist das Vorkommen des Schwarzkehlchens mit 2 bis 3 Brut- paaren und des Braunkehlchens in mehreren Paaren. Brutverdacht besteht bei dem regelmäßig durchziehenden Wiesenpieper. In der Randzone des Gebietes brüten Grauammer und Kiebitz. Die Bekassine könnte als Brutvogel angesiedelt werden. Es wird angestrebt, durch eine extensive Bewirtschaftung ohne Anwendung minera- lischer bzw. organischer Dünger die traditionelle bäuerliche Nutzung, wie sie in vorin-

254 dustrieller Zeit verbreitet war, auf den Kammereckswiesen wiederherzustellen. Nur durch diese Maßnahmen kann das Gebiet ökologisch regeneriert werden, damit zusätz- lich zu der schon schutzwürdigen Vogelwelt auch schützenswerte botanische Zustände herbeigeführt werden. Wichtige Voraussetzung für die Besiedlung durch das Schwarzkehlchen ist das Vor- handensein von Sitzwarten in Form von hohen Stengeln einzelner Stauden, Sträuchern sowie von Pfählen u. ä., von denen es zum typischen mehr oder weniger senkrecht nach oben gerichteten Jagdflug auf Insekten starten kann. Da das Schwarzkehlchen im Ge- gensatz zum Braunkehlchen keine größere Fläche von einer Sitzwarte aus im Horizon- talflug bejagd, benötigt es zur erfolgreichen Ausnutzung des Reviers eine größere An- zahl von über das gesamte Gebiet verteilten Sitzwarten. Zur Erhaltung solcher Sitzwar- ten sollen jeweils einzelne Wiesenteile mindestens drei Jahre brachliegen.

NSG „Ernstberg bei Sichenhausen" (Vogelsbergkreis)

VO vom 10. November 1982 (StAnz. S. 2124); in Kraft getreten: 30. November 1982

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: — die Ausübung der Jagd — die Errichtung mobiler Kleinhütten für die Dauer der Skisaison — die Beweidung mit Schafen

Das 17,9 ha große Naturschutzgebiet liegt im Naturraum „Westlicher Hoher Vogels- berg". Im oberen Teil des Ernstberges befindet sich eine Gruppe etwa 300 Jahre alter eindrucksvoller Rotbuchen. Der trockene Basalthang ist mit einer im Vogelsberg sehr selten gewordenen artenreichen Grünlandgesellschaft bedeckt, in der Borstgras (Nan- dus stricta) und Rotschwingel (Festuca rubra) vorherrschen. An seltenen bzw. schutz- würdigen Pflanzenarten kommen vor: Gemeines Katzenpfötchen (Antennaria dioica), Bergwohlverleih (Arnica montana), Prachtnelke (Dianthus superbus), Deutscher Enzian (Gentianella germanica), Märzenbecher (Leucojum vernum), Kleines Knabenkraut (Orchis morio), Kugelige Teufelskralle (Phyteuma orbiculare), Wiesen-Leimblatt (The- sium pyrenaicum), Trollblume (Trollius europaeus). Das Gebiet weist eine reiche Insektenfauna auf, die u. a. 23 Käfer-, 12 Spinnen-, 5 seltene Zikaden-, 14 Wanzen- und 3 Heuschrecken-Arten umfaßt. Bekassine, Stein- schmätzer und Rotmilan brüten im Naturschutzgebiet. Die hier früher übliche extensive Beweidung mit Schafen und Kälbern hat zur Entwick- lung der bestehenden Vegetation geführt. Es ist notwendig, eine solche Beweidung wieder einzuführen, damit nicht eine weitere Artenverarmung durch die Ausbreitung konkurrenzstarker Vertreter der Pflanzenwelt eintritt. Zur Beweidung ist ein Restbe- stand des „Vogelsberger Rindes" vorgesehen, aus welchem diese fast ausgestorbene Rinderrasse neu belebt werden soll.

255 NSG „Hörbacher Viehweide" (Lahn-Dill-Kreis)

VO vom 10. November 1982 (StAnz. S. 2125); in Kraft getreten: 29. November 1982

Über die Musterverordnung hinaus ist erlaubt: — die ordnungsgemäße Unterhaltung und Nutzung des vorhandenen Schul- waldes

Die Hörbacher Viehweide im Naturraum „ Hoher Westerwald" stellt mit 30,2 ha eine Restfläche der ehemals auch den Wachtgipfel im Osten einschließenden Hörbacher Gemeindeweide dar. Jahrhundertlang bildete die Viehweide an vielen Orten des Westerwaldes eine spezielle landschaftstypische Nutzungsform, die aus Waldweide- wirtschaft da hervorging, wo an Hanglagen die geringmächtige Bodenentwicklung eine ackerbauliche Nutzung nicht zuließ. In den vergangenen Jahrzehnten wurden im Süden und Osten der ursprünglichen Weide Gewerbeflächen ausgewiesen, Sportanlagen ein- gerichtet, Aufforstungen vorgenommen und ein Kalk-Quellmoor mit einem Müllkörper überschüttet. Floristisch und vegetationskundlich besonders interessant und noch verhältnismäßig wenig verbuscht ist der westliche Teil des Naturschutzgebietes. Hier wachsen Halb- trockenrasen mit seltenen Pflanzenarten wie Brand-Knabenkraut (Orchis ustulata), Kleines Knabenkraut (Orchis morio) und Feld-Enzian (Gentianella campestris). Der östliche Teil des Gebietes wird schon seit langem nicht mehr beweidet, hier haben sich daher Schlehen- und Rosensträucher stark ausgebreitet. Zur Erhaltung des Gebietes und um die bedrohten Arten in der Krautschicht zu fördern, ist es notwendig, die überhandnehmenden Schwarzdorn- und Weißdornbüsche zu ent- fernen, die Wildrose regelmäßig zu reduzieren und die Fläche einer extensiven Weide- nutzung wieder zuzuführen.

NSG „Dörneberg bei Viesebeck" (Landkreis Kassel)

VO vom 21. Dezember 1982 (StAnz. S. 166); in Kraft getreten: 11. Januar 1983

Das ca. 25,5 ha große Naturschutzgebiet liegt am Ostrande der „Waldecker Tafel". Der zungenförmig nach Norden ausgestreckte Hangrücken ist aus Kalk und Mergelgestein des Unteren Wellenkalks (Trias), der Mittelhang aus karbonatischem Schluff- und Ton- material des oberen Bundsandsteins (Röt) aufgebaut. Im Gebiet befinden sich Kalkmagerrasen (Gentiano-Koelerietum), Orchideen-Buchen- wald (Cephalanthero-Fagetum), Hecken und artenreiche Kieferbestände. Die Wieder- bewaldungsvorgängne der Kalkmagerrasen sind in typischen Sukzessionsstadien über Wacholdergebüsche und Pionierwald der Kiefer (Pinus silvestris) sehr anschaulich nebeneinander angeordnet. In dieser Sukzessionsfolge steigt der Gehalt an Humus, Stickstoff, Phosphor und Kalk im Ah-Horizont des Bodenprofils an, während Ca-Gehalt und pH-Wert abfallen. Im Gebiet wachsen eine Reihe geschützter Orchideen- und En- zianarten. Bemerkenswert umfangreich ist auch die Liste der nachgewiesenen Moos- arten.

256 NSG „Storchenteich am Schwertzellsgraben" (Schwaim-Eder-Kreis)

VO vom 21. Dezember 1982 (StAnz. S. 168); in Kraft getreten: 11. Januar 1983

Über die Musterverordnung hinaus ist in der Kernzone von ca. 11 ha verboten: — zu düngen, Pflanzenbehandlungsmittel anzuwenden, zu dränieren, Grün- land in Ackerflächen umzuwandeln sowie den Grasschnitt oder das Eggen in der Zeit vom 15. Februar bis 1. Juni eines jeden Jahres durch- zuführen gestattet: — in einer Pufferzone von ca. 24 ha die Jagd auszuüben, nicht jedoch in der Zeit vom 25. März bis 31. August

Das ca. 35,5 ha große Naturschutzgebiet liegt im Naturraum „ Schwalmgrund" in den Gemarkungen Ziegenhain und Niedergrenzebach. Zweck der Unterschutzstellung ist es, den Bereich als Nahrungsbiotop für Weißstörche zu sichern und weiterzuentwickeln, die vorhandene Grünlandverbindung vom Nahrungsteich bis zur Schwaim für die Wanderung von Amphibien zu erhalten, auf Dauer das Grünland als Biotop für be- standsgefährdete Bodenbrüter von nachteiligen Beeinträchtigungen freizuhalten und die derzeitige, den Schutzzielen förderliche landwirtschaftliche Nutzung im Schutzbe- reich in der bisherigen Art und dem bisherigen Umfang auf Dauer zu gewährleisten. Die Kernzone liegt zwischen Schwertzellsgraben im Osten und Süden und der Neuen Schwalm, einem im 16. Jahrhundert von der Alten Schwaim abgelenkten Nebenarm zur Flutung der Ziegenhainer Wasserfestung, im Westen. Im Gebiet wurde im Oktober 1976 ein ca. 1,6 ha großer Teich künstlich angelegt. Dieser hat keine direkte Verbindung zum Schwertzellsgraben, sondern wird nur von Grund- wasser gespeist. Er besitzt zwei große Halbinseln und dadurch die erwünschte stark gegliederte, lange Uferzone. Alle Böschungen sind flach gehalten, um das Hineinwaten der Störche, Graureiher und anderer Schreit- und Watvögel zu ermöglichen. Das Ge- wässer ist überall sehr flach mit Ausnahme einer etwa 10 0/0 der Wasserfläche einneh- menden Tiefzone von 3 m Tiefe als Überwinterungsplatz für Fische und Lurche sowie in Trockenperioden als Rückzugsraum und Sauerstoffreservoir. Neben dem eigent- lichen Teich sind noch 6 Tümpel ohne direkte Verbindung zum Teich geschaffen worden, um solchen Lurcharten als Laichplätze zu dienen, die kleinere Wasserflächen bevor- zugen.

NSG „Amdorfer Viehweide" (Lahn-Dill-Kreis)

VO vom 29. Dezember 1982 (StAnz. S. 277); in Kraft getreten: 18. Januar 1983

Über die Musterverordnung hinaus ist gestattet: — der Betrieb der Wasserversorgungsanlagen — die Unterhaltung und Nutzung des Grillplatzes und der zugehörigen Schutzhütten im bisherigen Umfang und in der bisherigen Art sowie das Befahren des Zufahrtsweges

Das 17,13 ha große Naturschutzgebiet liegt im Naturraum „Hoher Westerwald" auf Diabasuntergrund. Es handelt sich um Reste einer ehemaligen Wacholderheide, die jahrhundertelang als allgemeine Viehweide genutzt worden ist. Weite Teile werden von Magerrasen bedeckt. Die Pflanzengesellschaft enthält zahlreiche bestandsgefährdete

257 :Orchideenarten: Stattliches Knabenkraut (Orchis mascula), Kleines Knabenkraut (Orchis morio), Breitblättriges Knabenkraut (Orchis latifolia), Hohlzunge ( viride), Weiße Waldhyazinthe (), Berg-Waldhyazinthe (Platanthera chlorantha). An geschützten und bedrohten Pflanzenarten wachsen hier ferner: Katzen- pfötchen (Antennaraia dioica), Glatte Kuhblume (Taraxacum laevigatum), Holzapfel (Malus silvestris), Trollblume (Trollius europaeus), Voralpen-Pfennigkraut (Thlaspi alpestre), Bergwohlverleih (Arnica montana), Gemeine Akelei (Aquilegia vulgaris), Kratzdistel-Bastard (Cirsium rigens = C. oleraceum x C. acaule), Echte Mondraute (Botrychium lunaria), Feld-Enzian (Gentianella campestris). Durch die zunehmende Verbuschung des Geländes mit Schwarzdorn (Prunus spinosa), Weißdorn (Crataegus spec.), Hundsrosen (Rosa canina und R. dumetorum) sowie einer ungenügenden Pflege und planlosen Beweidung durch Schafe werden die Bestände der genannten Pflanzenarten zunehmend vermindert. Es ist notwendig, diese Verbuschung durch Aushieb rückgängig zu machen und die Fläche einer extensiven Weidenutzung wieder zuzuführen.

Anschrift des Verfassers: Dr. ALBRECHT ENSGRABER, Hessische Landesanstalt für Umwelt, Aarstraße 1, 6200 Wiesbaden

Neue Literatur

HENZE, 0. (1983): Kontrollbuch für Vogelnistkästen in Wald und Garten. — 361 S., 176 Fotos, 18 Farbtafeln, Selbstverlag von Dr. 0. Henze, Litscherweg 8, 7770 Über- lingen. Die im Selbstverlag des Autors erschienene 4. Auflage des Kontrollbuches wurde neu überarbeitet und erweitert. Sie spiegelt die jahrzehntelange Erfahrung des früheren Leiters der Staatlichen Vogelschutzwarte in Garmisch-Partenkirchen wieder. In den ersten Abschnitten werden allgemeine Fragen der Vogelschutzarbeit wie Nisthöhlen- beschaffen.heit, Aufhängung, Revierdichte der Kästen, Numerierung und die notwen- dige Buchführung behandelt. Es folgt eine sehr ausführliche Darstellung der Bewohner der Nistkästen (Vögel, Säugetiere, Insekten) und deren Lebensweise. Weitere Kapitel befassen sich mit der Höhlen- und Freibrüterkontrolle, der Winterfütterung und Vogel- tränke. Dem Vogelschutz im Garten wird ein gesonderter Teil gewidmet. Den Abschluß bilden von Franz Murr, München, gezeichnete Farbtafeln. Wenn man auch über manche Ansichten des Autors geteilter Meinung sein kann, so vermittelt die Neuauflage des Vogelkontrollbuches das notwendige Wissen über den Vogelschutz in Wald und Gar- ten. Besonders Forstleute und Gartenbesitzer werden angesprochen. Als Beilage gibt es ein Eintragungsheft für die Ergebnisse der Nistkastenkontrolle im Wald. Letzteres erleichtert dem Praktiker die notwendige Buchführung. W. KEIL

258 Kleine Mitteilungen

Winteraufenthalt eines Kranichs - Grus grus - im östlichen Vogelsberg (Hosenfeld-Schletzenhausen, Landkreis Fulda)

Bereits im November 1981 wurde im Landkreis Fulda starker Kranichdurchzug mit Zug- keilen bis zu 600 Vögeln festgestellt (0. NAU, Großenlüder). Auch im mittleren Fuldatal sah man im November und auch im Dezember dieses Jahres öfter größere Flugforma- tionen auf dem Durchzug. So gelangen noch vom 10. 12. bis 20. 12. 1981 „täglich Beobachtungen von größeren Kranichtrupps über Braach (LUDWIG 1981). Am 12. 12. 1981 gingen um 19 Uhr in der Dämmerung viele Kraniche nahe bei dem Dorf Schletzenhausen, Ortsteil von Hosenfeld (Landkreis Fulda) nieder. Sie fielen durch ihr lautes Rufen auf. Wegen der Dunkelheit konnte man sie aber nicht sehen. Am anderen Tage entdeckte A. SCHAD einen einzelnen Kranich in einer Wiese am Rande des Dorfes. Er war offenbar mit dem Zugtrupp gekommen und zurückgeblieben. Bis zum 6. 1. 1982 hielt er sich hier auf. Es war das erste Mal, daß während des Winters im Landkreis Fulda ein Kranich beobachtet wurde, der sich längere Zeit hier aufhielt. Aufenhaltsort: Der Kranich war während seines fast vierwöchigen Aufenthaltes regel- mäßig in einem weiten, nach Osten ansteigenden Wiesengelände mit angrenzenden Ackerfluren anzutreffen (320-350 m NN). Die tiefste Stelle, eine quellige feuchte Wie- senmulde nahe am Dorfrand, in der der Schnee immer bald schmolz und deren grüne Vegetation aus der Schneedecke herausschaute, suchte er gerne zur Nahrungssuche auf, ebenso den nahen Wiesengraben. Am häufigsten stand oder saß er auf einem an die Mulde angrenzenden kleinen Acker mit Maispflanzen, die wegen des feuchten Bo- dens nicht abgeerntet worden waren. Die faulen Stengel, Blätter und reifen Kolben lagen auf dem Boden. Zur Zeit des Aufenthaltes bedeckte Schnee die Fluren. Es herrsch- ten Temperaturen um den Gefrierpunkt und wenige Grade darunter. Um den 6. 1. 1982 war es deutlich wärmer. Nach diesen warmen Tagen folgte eine kalte Witterungsperiode mit strenger Kälte (bis zu —26 °C am 12. 1. 1981). Nahrung: Viele der Maiskolben auf dem Feld enthielten keine oder nur wenige Samen, waren also von dem Kranich ausgefressen worden, dessen Fußspuren hier überall im Schnee zu sehen waren. Es lagen aber auch noch mehrere volle Kolben herum. Auch fiel auf, daß der Kranich von den für ihn ausgelegten Vorräten an Maiskörnern, Kar- toffeln, Äpfeln, Weißkraut, Salatblättern nur wenig verzehrt hatte. Er hat sich offenbar hauptsächlich von Pflanzenteilen der Kräuter und Gräser der quel- ligen Wiesenmulde ernährt und wahrscheinlich (oder bevorzugt?) die darin vorkom- menden Kleintiere (Gammariden?) verzehrt (PRANGE 1973, GLUTZ u. a. 1973). Verhalten: Der Kranich schien nicht krank zu sein, denn er flog jedesmal, wenn man sich ihm näherte, auf und landete ein Stück weit entfernt im Wiesengelände. Am 21. 12. 1981 beobachteten wir ihn, wie er auf dem Maisfeld saß. Als er aufgestanden war, zog er das eine Bein in das Bauchgefieder, wahrscheinlich wegen der Kälte (HEINROTH 1968). Meistens trafen wir ihn einzeln an. Zuweilen befand er sich in Gesellschaft von einem Graureiher, mehreren Rabenkrähen, Rebhühnern oder einer überwinternden Feldlerche. Die auf dem nahen Feldweg vorbeifahrenden PKWs beunruhigten ihn nicht, vor einem Fußgänger hielt er eine größere Fluchtdistanz ein. Am 31. 12. 1981 konnte ich bei genauer Betrachtung mit dem Fernglas erkennen, daß der linke Flügel immer wieder etwas herunterhing und in kurzen Abständen in die normale Haltung hochgezogen wurde. Der Vogel hatte also einen leicht beschädigten Flügel. Vielleicht war er schon

259 früher bei der Landung in der Dunkelheit oder während eines Aufenthaltes im Wiesen- gelände an einen Stacheldraht oder Leitungsdraht angeflogen. Es mußte sich aber nur um eine leichte Verletzung des Flügels gehandelt haben, weil beim Fliegen keine Störung festzustellen war. Trotzdem ist es durchaus möglich, daß der Kranich durch diese Beeinträchtigung zurückgeblieben war.

Weiterflug dieses Vogels: Wie G. BAUSCHMANN (1982) mitteilt, konnte am 9. 1. 1982 bei Friedberg-Dorheim in der Wetterau ein Kranich beobachtet werden. „In der Nacht hatten, nach vorhergegangenem Wärmeeinbruch, Temperaturen von —10° C geherrscht". Der große Vogel hielt sich auf einem grob gepflügten Maisacker auf und war bereits am Nachmittag dieses Tages weitergeflogen. Wahrscheinlich haben die Kälte und der Neuschnee, der nun das ganze Feld bedeckte, den Kranich veranlaßt, weiterzufliegen. Aufgrund dieser Mitteilung kann man annehmen, daß es sich bei dem Dorheimer Kranich um denselben Vogel handelt, der vorher fast vier Wochen bei Schletzenhausen zuge- bracht hat. Um der am 6. 1. 1982 einsetzenden sehr kalten Winterwitterung auszuwei- chen, ist er in Richtung Südwesten weitergeflogen. Die Entfernung von Schletzenhausen nach Friedberg-Dorheim beträgt 51 km (Luftlinie). Herrn B. SCHNELL (Giesel) danke ich für die Meldung der ersten Beobachtung, Exkur- sionen und weitere Mitteilungen.

Literatur:

BAUSCHMANN, G. (1982): Winterbeobachtung eines Kranichs bei Dorheim. Beitr. Naturk. Wetterau 2: 43-44. GLUTZ, U. N., K. BAUER & E. BEZZEL (1973): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Bd. 5: 567-606, Frankfurt a. M. HEINROTH, 0. & M. (1968): Die Vögel Mitteleuropas. Bd. 3: 90-112, Frankfurt a. M. und Zürich. LUDWIG, K.-H. (1981): Avifaunistischer Sammelbericht für das Mittlere Fuldatal. — Vogelkdl. Jahresber. Mittl. Fuldatal, Heft 3: 5-32. PRANGE, H. (1973): Bemerkungen zur Ernährung der Kraniche, Grus grus, am Rastplatz des Bock. — Beitr. Vogelkd. 19: 212 —219.

Anschrift des Verfassers: Dr. OTTO JOST, Ederstraße 6, 6400 Fulda

260 Flußregenpfeifer (Charadrius dubius) brütet auf Kahlschlag in geschlossenem Waldbereich

An einem ungewöhnlichen Ort wurde im Juni 1983 ein Paar des Flußregenpfeifers ange- troffen. Es handelt sich dabei um einen rund 100 x 250 m großen Kahlschlag inmitten eines Waldgebietes im Gemarkungsbereich Lämmerspiel der Stadt Mühlheim am Main im Landkreis Offenbach. Der Kahlschlag wird direkt begrenzt von stark befahrenen Straßen im Süden und Westen, daran anschließend stockt Mischwald, der sich vor- nehmlich aus Kiefern und Eichen zusammensetzt. An der Nordseite des Schlages schließt sich eine etwa 30-jährige Kieferaufforstung an, während nach Osten hin wieder Mischwald vorhanden ist. Die jetzige Kahlfläche entstand vor etwa zwei Jahren, als sämtlicher Baumbewuchs abgeholzt wurde. Im Vorjahr bereitete man das Gelände durch Planierungsarbeiten für eine Neuanpflanzung vor. Somit war zu Beginn der Brutzeit eine vegetationsarme, meist grobkörnige Planierungsfläche mit feuchten Senken vor- handen — ein anthropogener Biotop, der durchaus den Ansprüchen der Art gerecht wird (GLUTZ von BLOTZHEIM, BAUER & BEZZEL, 1975), aber auf Grund seiner Umgebung nicht als Brutplatz erwartet wurde. Die Entdeckung der erfolgreichen Brut war dann auch mehr einem Zufall zu verdanken: Forstbedienstete zogen Anfang Juni Gräben in den Kahlschlag, um die Fläche trocken zu legen. Dabei stießen sie auf die Flußregenpfeifer und benachrichtigten J. EGLOFF- STEIN. Er zählte bei einer sofort durchgeführten Nachsuche am 8. Juni vier pulli (mdl. Mitt.). Von mir wurden am 15. Juni beide ad. Ex. mit drei Juv. beobachtet. Eine ähnliche Beobachtung wie die geschilderte machte RETTIG (1963). Ihm gelang ein Brutnachweis vom Flußregenpfeifer auf einer rund 100 x 300 m großen, „mit ganz jungen Kiefern wieder aufgeforsteten Kahlschlagsandfläche, die ringsum von Kiefern- forsten umgeben war". In Hessen scheint ein derartiger Brutplatz von Charadrius dubius nicht bekannt zu sein. Das nächste Vorkommen der Art liegt vom oben beschriebenen Ort rund 2,5 km entfernt in südwestlicher Richtung im NSG „See am Goldberg" bei Heusenstamm, Kreis Offen- bach.

Literatur:

GLUTZ von BLOTZHEIM, U. N., K. M. BAUER & E. BEZZEL (1975): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. —Wiesbaden; Bd. 6: 145-197. RETTIG, K. (1963): Nachtrag zur Arbeit über die Vogelwelt des Kreises Burgdorf/Han- nover. Ber. Naturhist. Ges. Hannover 107: 95-100.

Anschrift des Verfassers: PETER ERLEMANN, Fichtenstraße 11, 6053 Obertshausen

261 Überwinterungsversuch vom Flußuferläufer (Tringa hypoleucos) bei Mainhausen - Mainflingen (Südhessen)

Am 7. Januar 1983 beobachtete ich im NSG „ Bong'sche Kiesgrube" bei Mainhausen — Mainflingen, Landkreis Offenbach, einen Flußuferläufer (Tringa hypoleucos). Bei acht weiteren Begehungen des NSG bis zum 12. Februar 1983 wurde der Vogel angetroffen. Er hielt sich am feuchten Spülsaum einer schütter bewachsenen Sandbank auf und suchte ständig nach Nahrung. Dies geschah, abhängig von der Bodenbeschaf- fenheit, in unterschiedlicher Art und Weise: im feuchten Schlick sondierte der Vogel mit dem Schnabel und zog Würmer heraus, die er entweder sofort verschluckte, oder zu- nächst kurz im Wasser „ spülte", d. h. ein- bis zweimal im Schnabel durch das Wasser schlenkerte. Von festerem Untergrund wurde Nahrung durch Aufpicken vom Boden aufgenommen; häufig wendete der Flußuferläufer mit dem Schnabel welke Blätter und Pflanzenteile, um dort geeignete Beutetiere zu finden. Mit zunehmender Vereisung des Bodens änderte er seine Taktik: er versuchte nun, aus den Ritzen unter Steinen seine Nahrung herauszupicken. Nachdem die gesamte Wasserfläche des NSG am 14. Februar vereist war, suchte ich den Uferläufer vergebens. Gerade eisfreie Uferzonen scheinen aber eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Überwinterung zu sein (BEZZEL & MÜLLER 1958). Anzumerken ist, daß der Winter 1982/83 zunächst als recht mild zu bezeichnen war. Im Dezember schwankten die Tageshöchsttemperaturen zwischen 2° und 10° Celsius, im Januar zwischen 2° und 14° Celsius. Anfang Februar sorgten zunächst Schneefälle und etwa ab 10. Februar Nachtfrost für winterliche Wetterverhältnisse. Die Vereisung der Wasserfläche veranlaßte schließlich den Uferläufer zum Abzug. Ob er dabei zum nahen Main auswich, der keinerlei Vereisung zeigte, konnte trotz mehr- facher Suche nicht festgestellt werden. Die geschilderten, auf Grund der Jahreszeit für mich ungewöhnlichen Beobachtungen und die Feststellung von GLUTZ von BLOTZ- HEIM, BAUER & BEZZEL (1977): „Der Wegzug des Flußuferläufers endet in der Regel ab Anfang Oktober, kann sich aber im SW noch in den November hinziehen" veranlaßte mich, festzustellen, ob Überwinterungen bzw. Überwinterungsversuche der Art in Hes- sen bekannt sind. Aus dem Zeitraum von 1968 bis 1981 ist nur ein Winterdatum aus dem Kreis Offenbach bekannt geworden. In einer ersten Zusammenstellung der Limikolenzählungen von 1980 und 1981 nennen K. HANDKE & N. HOLZEL, bzw. K. HANDKE & A. MALTEN (brfl. Mitt.) lediglich je eine Winterbeobachtung aus dem Dezember; Daten vom Januar und Februar fehlen völlig. Nach W. BAUER et. al. (1966) endet der Zug des Flußuferläufers in Hessen Anfang Oktober, lediglich Nachzügler sind Ende Oktober noch anzutreffen. Als Randdatum wird der 1. 11. genannt. F. NEUBAUR et. al. (1962) nennen vom Winter 1958/59 drei Beobachtungen: 3. und 17. 12., sowie 1. 1. Keine Daten aus den Wintermonaten erwäh- nen W. KREY et. al. (1971). GEBHARDT & SUNKEL (1954) schreiben ohne Angaben von Einzelbeobachtungen: „Im November erst erlischt der Zug". An gleicher Stelle wird ferner DEICHLER zitiert: „Einzelne überwintern öfters, wenn die Kälte nicht zu groß wird. So beobachtete ich noch 1 Ex. am 26. Dezember 1894". Weitere Nachforschungen in der Literatur ergaben, daß Winterbeobachtungen des Flußuferläufers mit Ausnahme extrem milder Winter in weiten Teilen der südlichen Bundesrepublik Deutschland Ausnahmen darstellen. So wurden in Südbayern in 28 Wintern zweimal Überwinterungen nachgewiesen; ferner liegen nur ein Nachweis für Januar, zwei Nachweise für Februar und sieben Nachweise für Dezember vor. Aus 12 Jahren fehlt jede Beobachtung zwischen dem 1. Dezember und dem 15. März (GLUTZ von BLOTZHEIM, BAUER & BEZZEL, 1977). Der erste Nachweis einer Überwinterung des Flußuferläufers für das Rheinland gelang HOFER (1960) im Winter 1958/59. Im 262 mittleren Westfalen wurden zwischen 1953 und 1960 nur zwei Beobachtungen, je eine im Dezember 1957 und Januar 1960 bekannt (MESTER 1966). Schließlich nennt MEYER (1953) den Flußuferläufer „ausnahmsweise anwesend" an den Leipziger Kläranlagen Ende November bzw. Anfang Dezember. Nur für die Oberrheinebene, den Bodensee und das Schweizer Mittelland sind (fast) alljährlich Überwinterung oder Überwinterungsversuche nachgewiesen (HOLZINGER 1970; JACOBY et. al. 1970; LENZINGER briefl. in GLUTZ von BLOTZHEIM, BAUER & BEZZEL, 1977). Auf Grund der gewonnenen Erkenntnisse muß davon ausgegangen werden, daß Tringa hypoleucos ausnahmsweise im Winter in Hessen anzutreffen ist. Eine Überwinterung wurde bisher nicht sicher nachgewiesen, selbst gesicherte Hinweise auf Überwinterungs- versuche der Art fehlen. Es wäre interessant zu erfahren, ob im Winter 1982/83 weitere Überwinterungsversuche des Flußuferläufers in Hessen beobachtet wurden.

Literaturverzeichnis:

BAUER, W., K. KLIEBE & R. WEHNER (1966): Der Limicolenzug in Hessen. Teil 1.-Luscinia 39: 17-47. BEZZEL, E. & I. MÜLLER (1958): Flußuferläufer überwintert in Bayern. — Orn. Mitt. 10: 136. GEBHARDT, L. & W. SUNKEL (1954): Die Vögel Hessens. — Frankfurt/M. GLUTZ von BLOTZHEIM, U. N., K. M. BAUER & E. BEZZEL (1977): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. — Wiesbaden. Bd. 7: 548-587. HOFER, H. (1960): Bemerkenswerte Winterbeobachtungen einiger Limicolenarten 1958/59 an der Siegmündung bei Bonn. Orn. Mitt. 12: 25-26 . KREY, W., H. LUDWIG & J. SARTOR (1971): Die Vogelwelt der Krombachtalsperre und ihrer Umgebung. — Emberiza 2: 104-152. MESTER, H. (1966): Zuggewohnheiten sowie Größen- und Gewichtsvariationen des Flußuferläufers (Tringa hypoleucos). — Die Vogelwarte 23: 291-300. MEYER, F. (1953): Zum Herbstzug des Uferläufers (Tringa hypoleucos) in Mitteldeutsch- land. — Beitr. zur Vogelkunde 3: 156-166. NEUBAUR, F., R. PETERSEN & 0. von HELVERSEN (1962): Vogelfauna eines kleinen Gebietes bei Schierstein und Niederwalluf im Rheingau. — Jahrb. Nass. Ver. für Naturkunde 96: 60-95.

Anschrift des Verfassers: PETER ERLEMANN, Fichtenstraße 11, 6053 Obertshausen

263 Englische Schafstelze (Motacilla flava flavissima) bei Gießen

Am 12. 4. 1983 beobachteten wir über zwei Stunden auf nassen Wiesen an der Lahn bei Atzbach in einem Trupp von 15 normalgefärbten Schafstelzen ein Tier mit auffällig gel- ben Kopfseiten, Oberkopf etwas gelbgrüner als der Rücken, Zügel wie Rücken gefärbt. Der Vogel entsprach in der Färbung relativ genau der Abbildung von WL f. flavissima in WITHERBY u. a. (1958). Dagegen war die von uns beobachtete Schafstelze deutlich gel- ber und heller als die Zeichnung dieser Rasse in HEINZEL u. a. (1980). Am folgenden Tag war der ganze Schafstelzen -Trupp trotz intensiver Suche nicht mehr anzutreffen. Offenbar liegen nach der ersten Feststellung dieser Schafstelzen-Unterart in Hessen im Jahr 1950 (GEBHARDT & SUNKEL 1954) bisher erst sehr wenige Angaben aus unserem Raum vor. Deshalb sollte man die Umstände bei den Beobachtungen wohl genauer darstellen; siehe dazu die beiden Feststellungen von EMDE am 25. 4. 1974 bei Wega (EMDE u. a. 1975) und am 25.4. 1969 am Goldhäuser Teich (LUBCKE & SPERNER 1975).

Literaturverzeichnis:

EMDE, F., W. LUBCKE & K. SPERNER (1975): Avifaunistischer Sammelbericht für den Kreis Waldeck-Frankenberg. — Vogelk. Hefte Waldeck-Frankenberg-Fritzlar-Hom- berg 1: 41-68. GEBHARDT, L. & W. SUNKEL (1954): Die Vögel Hessens. — Frankfurt a. M. HEINZEL, H., R. FITTER & J. PARSLOW (1980): Pareys Vogelbuch. — Hamburg. LUBCKE, W. & K. SPERNER (1975): Seltene Beobachtungen aus dem Kreis Waldeck- Frankenberg und dem Raum Fritzlar-Homberg von 1954 bis 1973. — Vogelk. Hefte Waldeck-Frankenberg-Fritzlar-Homberg 1: 69-75. WITHERBY, H. F. u. a. (1958) : The Handbook of British Birds, Vol. I. — London.

Anschrift der Verfasser: H. BERCK & K.-H. BERCK, Ludwig-Rinn-Straße 29, 6301Wettenberg-Launsbach

264 Zilpzalp (Phylloscopus collybita) im Winter bei Gießen (Hessen)

In einem kleinen Feuchtgebiet bei Gießen, dem im Sommer 1983 unter Naturschutz gestellten „Holzwäldchen" in der Gemarkung Krofdorf-Gleiberg, wurde im Winter 1982/83 an folgenden Tagen ein Zilpzalp beobachtet: 15. 1. 1983, 23. 1. 1983, 6.2. 1983, 11.2. 1983. Der Vogel hielt sich stets an den gleichen Stellen auf: in den Rohrkolbenbeständen einer kleinen Wasserfläche; in einem bachartigen, mit Weiden bestandenen Abfluß aus dieser Wasserfläche; in einer unmittelbar benachbarten Hecke, an der ein feuchter Graben entlang zieht. Es ist sehr wahrscheinlich (schon wegen der Ortskonstanz), daß es sich stets um dasselbe Individuum handelte. Nach dem 11.2. 1983 konnte der Zilp- zalp trotz intensiver Suche nicht mehr festgestellt werden. Der Winter 1982/83 war bis Mitte Februar besonders mild; nur gelegentlich gab es geringeren Frost, und Schnee fiel kaum. Erst ab Mitte Februar setzte stärkerer Frost ein, es bildete sich (im Raum Gießen) eine dünne Schneedecke aus. Bemerkenswert bei diesem Wintervorkommen ist, daß der beobachtete Zilpzalp sich vier Wochen lang in einem eng begrenzten Gebiet aufhielt. Die Struktur dieses Winter- revieres entspricht den Stellen, an denen diese Art zur Zugzeit im Frühjahr zuerst beobachtet werden kann.

Aus Hessen sind bisher offenbar und erstaunlicherweise nur acht Feststellungen dieser Art von Dezember bis Februar publiziert worden, und zwar:

(1) 2.12. 1927, Marburg (s. GEBHARDT & SUNKEL 1954), (2) 2. 12. 1962, Frankfurt-Unterliederbach (HOHORST 1967), (3) 2. 12. 1962, Mainschleuse bei Rumpenheim, Beobachter: STAHLBERG & WOLFERT (s. BAUER 1966), (4) 5. 12. 1978, Altwildungen-Hettensee, Beobachter: EMDE (s. ECKSTEIN et al. 1980), (5) 12. und 13. 12. 1963, Falkenstein im Taunus, SCHLÄFER (s. BAUER 1966), (6) 16. 12. 1958, Schierstein am Rhein, Beobachter: VON HELVERSEN (s. NEUBAUR u. a. 1962), (7) 16. 12. 1951, 30. 1. 1952, 3. 2. 1952, Schierstein am Rhein, NEUBAUR (s. NEUBAUR u. a. 1962, bereits bei GEBHARDT & SUNKEL 1954 ohne genaue Daten angeführt). (8) 19.1. 1956, Fulder Aue, Rhein (BODENSTEIN & JOHN 1956).

Es handelte sich bei diesen Feststellungen stets um ein Tier; nur 1927 wurden in Marburg zwei Individuen gesehen. Die Beobachtungen an bisher insgesamt 15 Tagen verteilen sich wie folgt auf die Wintermonate: Dezember 8, Januar 4, Februar 3. Bei den Zilpzalp-Beobachtungen von NEUBAUR vom 16. 12. 1951 bis 3. 2. 1952 könnte es sich um das gleiche Individuum gehandelt haben. Damit liegen bisher überhaupt erst zwei Feststellungen dieser Art aus Hessen über einen längeren Zeitraum vor, die man als Überwinterungsversuche bezeichnen könnte. Hinzu kommt noch eine Januarbeo- bachtung durch BODENSTEIN 1956 am Rhein. Ob solche Überwinterungsversuche erfolgreich sind, ist aus den Daten nicht zu schließen. Die Abnahme der Beobachtungen im Hoch- und Spätwinter spricht eher für die entgegengesetzte Annahme. Die Angabe von SCHÖNFELD (1978), daß zwar in der Schweiz und im Süden der Bundesrepublik (Bodensee) regelmäßig überwinternde Tiere auftreten, „weiter nördlich solche Überwinterungsversuche nur sporadisch" vorkommen, trifft demnach offenbar für Hessen zu. Auffällig und der besonderen Aufmerksamkeit wert ist es dabei immer- hin, daß diese Art am Bodensee regelmäßig im Winter vorkommt, in Hessen aber in diesem Zeitraum bisher fast nicht festgestellt wurde. 265 Literatur

BAUER, W. (1966): Kurze faunistische Mitteilungen. — Luscinia 39: 124-139. BODENSTEIN, G. & E. JOHN (1956): Beiträge zur Vogelwelt des nördlichen Rhein- hessen. — Vogelring 25: 113-122. ECKSTEIN, R. u. a. (1980): Avifaunistischer Sammelbericht für den Kreis Waldeck- Frankenberg und den Raum Fritzlar-Homberg über den Zeitraum von Aug. 1978 bis Juli 1979. — Vogelk. Hefte Waldeck-Frankenberg, Fritzlar-Homberg 6: 102 —160. GEBHARDT, L. & W. SUNKEL (1954): Die Vögel Hessens. — Frankfurt a. M. HOHORST, W. (1963): Überwinterungsversuch vom Zilpzalp. — Luscinia 36: 67. NEUBAUR, F., R. PETERSEN & 0. v. HELVERSEN, (1962): Vogelfauna eines kleinen Gebietes bei Schierstein u. Niederwalluf im Rheingau. — Jahrb. Nass. Verein f. Naturkunde 96: 60-95. SCHÖNFELD, M. (1978): Der Weidenlaubsänger. Neue Brehm-Bücherei 511. — Witten- berg.

Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. K.-H. BERCK, Institut für Biologiedidaktik, Universität Gießen, Karl-Glöckner-Straße 21C, 6300 Gießen

Neue Literatur

FELDMANN, R. (1981): Die Amphibien und Reptilien Westfalens. — 161 S., Heraus- geber: Landesmuseum für Naturkunde zu Münster in Westfalen.

Als Heft 4 von Band 43 erschien in den Abhandlungen des Landesmuseums in Münster die „ Herpetofauna Westfalica". Sie ist ein Gemeinschaftswerk vieler Mitarbeiter, die die Vorkommen von 23 Amphibien- und Lurcharten kartiert haben. Der allgemeine Teil des Buches befaßt sich u. a. mit den angewendeten Erfassungsmethoden der Artenbi- lanz, der Bestandsgefährdung, den vorgesehenen Schutzmaßnahmen und den recht- lichen Grundlagen des Artenschutzes. Im speziellen Abschnitt werden die einzelnen Ar- ten von den jeweiligen Bearbeitern vorgestellt. Hierbei geht es um folgende Punkte: Status, Verbreitung, Bestand, Habitat, Jahresrhytmus, Maße und Gewichte, Färbung und Zeichnung, Nahrung und Feinde. Verbreitungskarten, Grafiken, Tabellen und Fotos ergänzen den jeweiligen Text. Der dritte Teil gibt eine umfassende Literaturübersicht. Wesentliche Gründe für die z. T. stark bestandsgefährdeten Arten sind — wie bei vielen anderen Tierklassen — die vielfältigen Veränderungen der Lebensräume. Eine Erhal- tung und Stabilisierung der Populationen wird nur möglich sein, wenn durch artgerechte Hilfsprogramme das Habitat erhalten bzw. neu geschaffen wird. Die Arbeiten in West- falen sind hierfür ein gutes Beispiel. W. KEIL

266 Aus der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland- Pfalz und Saarland

Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 267-272 (1983)

Biotop-Management des Großen Brachvogels - Numenius arquata - in Hessen von WERNER KEIL, Frankfurt und KARL WINTHER, Altenstadt

Aufgrund der Bestandsentwicklung wird der Große Brachvogel in der Roten Liste der in der Bundesrepublik gefährdeten Vogelarten in die Kategorie A 3 (stark bedrohte Arten) eingestuft (Ber. Dtsche. Sekt./ IRV 1981). Der Brutvogelbestand ist im Schnitt der letzten Jahre mit unter 5000 Paaren anzusetzen (BAUER & THIELCKE 1982). Nach den Angaben von BAUER & THIELCKE (1982) entfallen auf die einzelnen Bundesländer folgende Brutpaare: — Schleswig-Holstein 150 — 200 — Hamburg 1 — Niedersachsen rund 3000 (geschätzte Zahl) — Nordrhein-Westfalen ca. 570 — Rheinland-Pfalz 1 — 3 (unregelmäßig brütend) — Hessen 40 — 50 — Saarland — Baden-Württemberg 175 — Bayern ca. 930

Nach dieser Statistik ist der Brutvogelbestand des Brachvogels im Saarland und in Rheinland-Pfalz erloschen. Im Stadtstaat Hamburg ist nur noch ein einziges Brutpaar vorhanden. Die Tendenz der Bestandsentwicklung ist überall negativ, d. h. die Popula- tionen nehmen weiter ab. Die wesentliche Ursache ist nach BAUER & THIELCKE (1982) die Zerstörung des Lebensraums, wie z. B. durch Umwandlung von Grünland in Ackerflächen, Entwässerung von Feuchtwiesen, Intensivierung der Grünlandnutzung, Ausbau von Flüssen (Regu- lierung, Schiffbarmachung), Straßenbau, Industrieansiedlung, Störung durch Naher- holungsaktivitäten (u. a. Modellflugplätze, streunende Hunde, Motocrossfahrer). Nach den genannten Autoren ist jedoch der heutigen Landwirtschaft und deren Arbeits- methoden die Hauptschuld zuzuschreiben. In Hessen mußte der Große Brachvogel aufgrund der negativen Bestandsentwicklung in den letzten Jahrzehnten ebenfalls als stark bestandsbedroht eingestuft werden (Rote Liste der bestandsgefährdeten Vögel in Hessen, 1980). Er gehört neben Wanderfalke und Weißstorch zu den am stärksten bedrohten Brutvogelarten Hessens (BEHRENS 1975). Dieser Autor kommt aufgrund einer neueren Erhebung (BEHRENS 1980) zum Schluß, daß der Große Brachvogel weitaus stärkervon der Wiesenvernichtung betroffen ist als die Bekassine (ausführliches Literaturverzeichnis über den Brachvogel in Hessen bei BEHRENS 1975). Der Brutbiotop des Großen Brachvogels besteht im wesentlichen aus weiträumigen, in Niederungsgebieten gelegenen Wiesenflächen (FRISCH 1964, GLUTZ von BLOTZHEIM, BAUER & BEZZEL 1977), wobei extensiv genutzte, frühjahrsnasse, muldenreiche und mit einer schütteren Grasnarbe versehene Areale bevorzugt werden. Ab Anfang März ist mit derAnkunft der Brutvögel aus den südlichen Überwinterungsgebieten zu rechnen.

267 Der Abzug von den Brutplätzen in Mitteleuropa ist bereits im Juni (je nach der witte- rungsbedingten Aufzucht der Jungen) in vollem Gang (u. a. FRISCH 1964). Die im letzten Jahrzehnt verstärkt zu beobachtende Tendenz, vorhandene Feuchtwiesen zu entwässern, die Grünlandwirtschaft zu intensivieren (Maximierung der Düngergaben, Vorverlegung der Mahd bei Silowirtschaft, Einsatz von Kreiselmähwerken anstelle des herkömmlichen Mähbalkens, Verwendung schnellfahrender Traktoren u. a.), Grünflächen in Ackerland umzubrechen oder, wie z. B. in der Oberrheinebene gesehen, größere Pap- pelpflanzungen entlang von Bachläufen vorzunehmen, bedeutet eine Schrumpfung bzw. eine auf längere Sicht gesehene Vernichtung der jeweiligen Brutpopulation. Diese Entwicklung ist zumindest für den Laien nur schwer durchschaubar, da der Brach- vogel außerordentlich ortstreu ist und selbst dann noch im traditionellen Brutareal bleibt, wenn die letzten feuchten Grünflächen längst in Getreide- oder Hackfruchtfelder umge- wandelt sind und entsprechend bewirtschaftet werden. Da Brachvögel 30 Jahre und älter werden können, wird noch eine stabile Population vorgetäuscht, die es in der Realität jedoch nicht mehr gibt, d. h. die Bedingungen zur Aufzucht von Jungvögeln sind nicht mehr erfüllt, und die Nachwuchsrate nähert sich dem Nullpunkt. Die immer wieder festgestellten Gelege in den durch Umwandlung entstandenen Acker- kulturen (KRUG 1982) lassen — leider — nicht den Schluß zu, daß sich der Brachvogel als „ Kulturfolger" ähnlich wie der Kiebitz auf diesen „neuen" Brutbiotop umstellt. Die Anlage von Nestern und das evtl. Bebrüten eines Geleges ist noch kein Beweis für die erfolgreiche Aufzucht von Jungen.

Abb.: Brachvogelgebiet in der Seemenbach- und Nidderniederung im Bereich der Gemeinden Altenstadt und Limeshain/Wetteraukreis. Kartenausschnitt aus den Meßtischblättern Altenstadt und Büdingen.

268 Der verstärkte anthropogene negative Einfluß auf die Lebensräume und die brutbio- logischen Ansprüche des Brachvogels an solche Gebiete führten dazu, folgende Maß- gaben für eine Bewirtschaftung von Brachvogelbiotopen durch die Landwirtschaft auf- zustellen (DIEHL 1982): — kein Eggen, Walzen und Schleifen der Grünflächen nach dem 1. März (bei entsprechen- den Witterungsbedingungen läßt sich dieses Verbot auf den 15. März verschieben), — Beginn der Mahd nach dem 15. Juni, — keine Düngung im Frühjahr (nur noch geringe Düngergaben in den Wintermonaten möglich), — Betretungsverbot (ausgenommen Landwirtschaft) Diese Forderungen lassen sich jedoch in den meisten Fällen in der Praxis nicht verwirk- lichen, da hierdurch eine Grünlandnutzung für landwirtschaftliche Betriebe mit über- wiegender Milchproduktion nicht möglich ist. Diese Diskrepanz hat dazu geführt, nach Möglichkeiten zu suchen, diese Schwierig- keiten zu beheben. So läuft u. a. ein Artenschutzprojekt in Westfalen (KIPP 1977). Welche Vorstellungen man in Bayern hat, macht RANFTL (1982) in einer sehr ausführ- lichen Studie deutlich. Neben der Brutvorbereitung, der Bestandsentwicklung, der Brut- habitate, dem Bruterfolg sowie der Behandlung von Stör- und Verlustfaktoren, werden die Aspekte des Artenschutzes diskutiert. So sind nach RANFTL (1982) nur dort Brach- vogelpopulationen stabil zu halten, wo der Wiesenanteil über 40 0/o liegt. Auch ist es sinnlos, durch den Schutz von Kleinstarealen Einzelpaare erhalten zu wollen. Da sich ein Erwerb großer Feuchtwiesenflächen durch die öffentiche Hand nur in den wenigsten Fällen (FRESE 1981) realisieren läßt, kann lediglich überein artspezifisches Management, getragen von Naturschutz und Landwirtschaft, eine Erhaltung und Stabilisierung von Brachvogel-Populationen (und der übrigen dort lebenden Avifauna) vorgenommen wer- den. RANFTL (1982) nennt als wichtigste Maßnahme ein Umbruchverbot von Wiesen in Ackerland. Neben dieser Grundvoraussetzung wird ein ganzer Katalog von Vorschlä- gen zusammengestellt, der sich zum Schutze des Großen Brachvogels als notwendig erwiesen hat. Hierher gehören z. B. die Einschränkung der Hüteschafhaltung (Bewei- dung bis maximal 31. März), keine Anlage von Gehölzen, keine Gebüschgruppen, keine Baumreihen (Pappeln), keine Anlage von Fischteichen, Angelverbot an Gewässern innerhalb der Brutgebiete (Beginn der Angelsaison nicht vor dem 1. Juni), keine Modell- oder Sportflugzeugplätze, keine Entwässerungs- und Dränierungsmaßnahmen über bereits bestehende Systeme hinaus, Ankauf oder Pachtung von Flächen durch Natur- schutzorganisationen, Erhöhung der Bodenvernässung in Teilbereichen und Verbot des Verfüllens von Bodensenken. Daneben müssen je nach den lokalen Gegebenheiten weitere Einzelheiten festgelegt werden. In Hessen waren sich die zuständigen Naturschutzbehörden, die Fachdienststellen und die Naturschutzverbände darin einig, daß die auf relativ wenige Gebiete konzentrierte Brachvogelpopulation entsprechend den gesetzlichen Möglichkeiten geschützt werden sollte. So wurde bereits im Dezember 1979 zur Erhaltung einer Brutvogelpopulation in Südhessen das Naturschutzgebiet „Weschnitz-Insel von Lorsch" eingerichtet. Die Rechtsverordnung für ein weiteres Areal wurde im August 1983 im Staatsanzeiger ver- öffentlicht ("Am Mähried bei Staden"). Die anderen in Hessen noch vorhandenen Brachvogelbrutbiotope befinden sich derzeit im Anhörungsverfahren. Während der Verhandlungen mit den Vertretern der Landwirtschaft und den Grund- eigentümern zeigte es sich immer wieder, daß z. B. ein Hinausschieben der Mahd (Mahd- beginn: 15. Juni) und ein generelles Düngeverbot für milcherzeugende Betriebe nicht akzeptabel und nach Auffassung der betroffenen Landwirte deren Existenz gefährdet sei. Andererseits stellt die Arbeitsweise solcher Betriebe etwa durch die Verwendung von Kreiselmähwerken (das Vorhandensein von Bodenmulden gab den Jungvögeln

269 Deckung und gleichzeitig ausreichenden Schutz vorVerletzungen bei der Mahd, solange herkömmliche Mähbalken Verwendung fanden), die höhere Arbeitsgeschwindigkeit der Traktoren und die, bedingt durch maximale Düngergaben, sehr dichte Grasvegetation (besonders dichte Untergräser) das Überleben der jungen Brachvögel (und Ufer- schnepfen) infrage. Da ein Brutvogelbestand aber nur dann eine Überlebenschance hat, wenn ein bestimmter Prozentsatz an Jungvögeln heranwachsen kann, mußten neue Wege beschritten werden. Im Seemenbach- und Niddertal (s. Abb.) im Bereich der Gemeinden Altenstadt und Limeshain (Wetteraukreis) wurde in den letzten drei Jahren in Zusammenarbeit mit den Landwirten ein Nutzungskonzept für Grünlandflächen erarbeitet, welches die Nutzungs- wünsche der Landwirtschaft wie die Brutbiologie des Brachvogels (der Uferschnepfe und anderer Wiesenbrutvögel) aufeinander abstimmt. Das mit den Landwirten erarbei- tete Programm sieht folgende Punkte vor:

1. Allgemeine Einschränkungen: Für die Brutgebiete werden je nach deren Umfang 2 — 3 mit der Biologie der Wiesen- vogelarten vertraute Personen benannt, die alle notwendigen Maßnahmen in engem Kontakt und in Absprache mit den Landwirten durchführen. Zu den allgemeinen Ein- schränkungen sind zu rechnen: — Verbot des Umbruchs von Wiesen und Weiden in Ackerflächen. — Keine Veränderung der hydrologischen Verhältnisse (d. h. Grabenräumung im seit- herigen Umfang und keine Sohlenvertiefung). — Düngung mit Stallmist und Mineralstoffen ist, abgesehen von den Brutarealen, nicht reglementiert. Gülle und Schwemmist dürfen als Dung nicht verwendet werden. — Schleifen, Walzen und Eggen der Wiesen und Weiden wird abgesehen von den je- weiligen Brutplätzen des Brachvogels (und der Uferschnepfe) nicht reglementiert. — Allgemeines Betretungsverbot, ausgenommen davon bleibt die Landwirtschaft (Ver- botszeit: 1. März bis 15. Juli). — Ganzjähriges Verbot für Modell- und Sportfliegerei sowie Moto-Cross-Fahrer. — Kein Laufenlassen von Hunden. — Keine Ausübung der Sportfischerei an Gewässern in der Zeit vom 1. März bis 15. Juni. — Verbot für die Anlage von Fischteichen. — Verbot der Fallenjagd (einschließlich dem Fang des Bisam an Gewässern) und Verbot für die Ausbildung von Jagdgebrauchshunden und des Reitsports vom 1. März bis 15. Juli. — Räumung von Gräben nur in der Zeit vom 16. Juli bis 1. Februar. — Verbot der Hüteschafhaltung in den von den ornithologischen Betreuern festgeleg- ten Kernzonen vom 1. März bis 15. Juli; in Extremjahren erst ab 15. März. 2. Brutplätze des Großen Brachvogels (und der Uferschnepfe) Die Brutplätze des Brachvogels und der Uferschnepfe werden in jedem Jahr ermittelt und die betreffenden Stellen den betroffenen Landwirten durch die unter Punkt 1 ge- nannten Personen bekanntgegeben. Areale von ca. 50 m2 werden als engerer Brutplatz während der Brut- und Aufzuchtzeit nicht gemäht (Mahd erst nach dem 20. Juni). 3. Nahrungsreviere von Brachvogel und Uferschnepfe Derartige Flächen müssen sich unmittelbar an die ca. 50 m2 großen Brutareale anschlie- ßen und sollten bereits im Mai (ab der 1. Maidekade möglich) gemäht werden. Diese gemähten Wiesen werden nach dem Schlüpfen (beide Vogelarten sind Nestflüchter) zur Futteraufnahme aufgesucht und sind für die Aufzucht der Jungen erforderlich. Sie sollten mindestens 0,5 ha groß sein und das Mähgut kann als Grünfutter oder Silage verwendet werden.

270 4. Deckungsflächen für Brachvogel und Uferschnepfe Entlang der im Mai gemähten Flächen müssen 0,5 m breite Grasstreifen stehen bleiben, die nach dem 20. Juni gemäht werden können. Grabenränder und Böschungen dürfen ebenfalls vor dem 20. Juni nicht gemäht werden. An den Grabenschultern müssen Grasstreifen von 1-2 m Breite stehen bleiben, die erst nach dem 20. Juni gemäht wer- den können. Das Stehenlassen dieser Grasstreifen auf den Wiesen, an Grabenbö- schungen und Grabenschultern ist als Deckungsmöglichkeit für die Jungvögel äußerst wichtig und ermöglicht eine hohe Überlebensrate. Letzlich sei darauf hingewiesen, daß die Naturschutzorganisationen in den Brachvogel- brutgebieten Wiesen- und Weideflächen kaufen oder langfristig anpachten sollten. Diese Flächen könnten, ohne daß landwirtschaftliche Belange zu berücksichtigen sind, als Optimalflächen für den Brachvogel hergerichtet werden. Auch kann das Gras dieser Flächen solchen Landwirten kostenlos zur Verfügung gestellt werden, die auf ihrem eigenen Grund durch Managementmaßnahmen evtl. Einbußen an Mähgut hinnehmen müssen. Dieses hier vorgestellte Management, das auf dem Verständnis und der Mitarbeit der im Brutareal einer Großen Brachvogel-Population wirtschaftenden Landwirte basiert, hat sich seither gut bewährt. Wir sind der Auffassung, daß diese von Landwirtschaft und Naturschutz gemeinsam getragene Konzeption beiden Partnern hilft. Sie trägt letzlich dazu bei, die wenigen in Hessen noch vorhandenen intakten Brut- und Nahrungsbiotope des Großen Brachvogels (und der übrigen Wiesenvogelarten) zu erhalten und die stark geschrumpfte Population zu stabilisieren.

Literatur:

BAUER, S. & G. THIELCKE (1982): Gefährdete Brutvogelarten in der Bundesrepublik und im Land Berlin: Bestandsentwicklung, Gefährdungsursachen und Schutzmaß- nahmen. — Die Vogelwarte 31: 55-58. BEHRENS, H. (1975): Zur Brutverbreitung der Limikolen in Hessen 1974 und 1975 — Luscinia 42: 191-198. BEHRENS, H. (1980): Die Brutvorkommen der Limikolen in Hessen 1977 und 1978. — Vogel und Umwelt 1: 78-84. DIEHL, 0. (1982): Vogel des Jahres 1982: So können wir dem Brachvogel helfen. — Wir und die Vögel 14: 14. FRESE, H. (1981): Programm zur Erhaltung eines Netzes großflächiger Moor-, Feucht- wiesen und Flachwassergebiete im Reg.-Bez. Münster/Westfalen. — Natur und Landschaft 56: 204-2 07. FRISCH, 0. v. (1964): Der Große Brachvogel. — Die Neue Brehmbücherei, Band 335, 42 S., A. Ziemsen Verlag, Wittenberg-Lutherstadt. GLUTZ von BLOTZHEIM, U. N., K. M. BAUER & E. BEZZEL (1977): Handbuch der Vögel Mitteleuropas Band 7, S. 299-352, Akad. Verlagsges. Wiesbaden. KIPP, M. (1977): Artenschutzprojekt Brachvogel (Numenius arquata). —Ber. Dtsch. Sekt. Int. Rat. Vogelschutz 17: 33-38. KRUG, A. (1982): Flucht ins Getreide. — Wir und die Vögel 14: 15. RANFTL, H. (1982): Zur Situation des Großen Brachvogels (Numenius arquata) in Bayern. —Beih. Veröff. Naturschutz Landschaftspflege Bad.-Württ. 25: 45-60. Die bestandsgefährdeten Vögel in Hessen (6. Fassung, Stand 15.5. 1980) Herausgeber: Staatl. Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, Frankfurt am Main.

271 Rote Liste der in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin (West) gefährdeten Vogelarten (5. Fassung, Stand 1. 1. 1982). — Ber. Dtsch. Sekt. Int. Rat Vogel- schutz 21: 15-30.

Anschrift der Verfasser: Dr. WERNER KEIL, Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saar- land, Steinauer Straße 44, 6000 Frankfurt am Main 61 KARL WINTHER, Kreisbeauftragter für Vogelschutz im Wetteraukreis, Borngasse 9, 6472 Altenstadt 1

Neue Literatur

BLÜMEL, H. (1982): Die Rohrammer. — Neue Brehm-Bücherei Band 544, 72 S., 46 Abb., 15 Tab., A. Ziemsen Verlag Wittenberg-Lutterstadt.Vertrieb in der Bundesrepublik, Österreich und der Schweiz: Verlag J. Neumann-Neudamm, 3508 Melsungen. Mit ihren Unterarten ist die Rohrammer fast über den gesamten Bereich der Paläarktis verbreitet. Ihr Lebensraum sind die mehr oder weniger großen Vegetationszonen aus Rohr, Schilf und Seggen unserer Gewässer. Gelegentlich werden auch Getreide-, Raps- und Kleefelder als Brutplatz gewählt, wenn solche Areale nicht allzuweit von einer Was- serfläche entfernt zur Verfügung stehen. Die vorliegende Monographie in der Reihe der Neuen Brehmbücherei gibt u. a. Auskunft über Biologie, Ökologie, Morphologie, Zug, Beringung, Ethologie und die Biotopansprüche der Rohrammer. Eswird auch aufgezeigt, wo noch Wissenslücken vorhanden sind. Diese relativ häufige Ammernart bietet ein breites Betätigungsfeld für den Ornithologen. Das vielseitige Literaturverzeichnis ist dabei sicher eine gute Hilfe. W. KEIL

BEZZEL, E. (1982): Mein Hobby: Vögel beobachten. —192 S., 84 Farbfotos, 38 s/w Fotos, 25 Zeichnungen, 6 Sonagramme, BLV-Naturführer, BLV Verlagsgesellschaft mbH München. Das Beobachten und Registrieren der Vogelwelt ist eine weitverbreitete Freizeitbe- schäftigung und dies nicht nur seit heute. Der Anfänger muß viel Lehrgeld zahlen bis er auf Grund der gemachten Erfahrungen richtig beobachten und das Gesehene fachge- recht beurteilen kann. Der BLV-Naturführer will Anfangsfehler vermeiden helfen. Er vermittelt die notwendigen Grundkenntnisse. Daneben wird über Bestimmungshilfen, Spurenlesen, Vogelschutz, Vogelfotografie, Vogelsystematik, Vogelökologie und vieles andere berichtet. Im Anhang wird auf wichtige Literatur ebenso hingewiesen wie die Anschriften der vogelkundlichen Organisationen, der Vogelwarten und Vogelschutz- warten veröffentlicht. Ein Register erleichtert die Benutzung des Buches. Alles in allem ist der Naturführer ein wertvolles Nachschlagewerk. Es kann nicht nur dem Anfänger empfohlen werden. W. KEIL

272 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 273-277 (1983)

Erfolgreiche Bruthilfe für Schleiereulen (Tyto alba) von HERBERT FRIEDRICH, Runkel

Schon jahrelang konnte ich in meinem Wohnort keine Schleiereule mehr beobachten. Ich durchsuchte abends alle im Ort befindlichen Scheunen nach Gewöllen der Schleier- eule. Außer Kothaufen des Steinmarders war nichts zu finden. Einige Kästen für Eulen hatte ich mit Mitgliedern der Vogelschutzgruppe angebracht. Da diese nicht mardersicher waren, blieb der Erfolg aus. So versuchte ich es nun im Herbst 1974 mit einem mardersicheren Brutkasten in meinem Haus im Neubaugebiet eines Runkeler Ortsteils. Im Giebel, links und rechts vom Firstbalken, brach ich jeweils ein Loch (10 cm breit und 15 cm hoch). Etwa 10 cm darunter wurde ein Boden eingezo- gen, die Rückseite verkleidet und mit zwei Klappen versehen. Den Boden bedeckte ich mit Stroh. Brutjahr 1975 Im Februar 1975 sahen wir mehrmals abends einen Waldkauz auf einer Telefonleitung vor meinem Haus sitzen. Im Licht der Straßenlampe ca. 10 m vom Giebel war er gut zu beobachten. Ich schaute nun erstmals im Kasten nach und fand auch tatsächlich zu meiner Freude Gewölle. Wegen der inzwischen aufgetretenen Trockenrisse wurde der Brutkasten mit Gipskar- tonplatten verkleidet und mit drei Türspionen versehen. Tagsüber war die eine Seite nun ständig besetzt. Am 2. 4. 1975 lagen vier Eier in einer Nestmulde. Bei einer Kontrolle am 7. 4. waren es fünf Eier. Am 29. 4. schlüpfte die erste Jungeule. Ab Mitte Mai waren fauchende Ge- räusche aus dem Kasten zu hören, die erste Zweifel an der vermuteten Waldkauzbrut aufkommen ließen. Am 20. 5. öffnete ich den Kasten zum Beringen der Eulen. Zu meinem Erstaunen schau- ten mich fünf junge Schleiereulen an. Am 22. 6. flogen erstmals zwei Jungvögel einem Altvogel entgegen. Einer kehrte nicht zurück, sondern verbrachte den nächsten Tag auf einer Fensterbank des Nachbarhauses. Von abends bis morgens bettelten die immer hungrigen Jungvögel um Futter. Am 27. 7. kehrten nur noch zwei Jungeulen zum Nist- platz zurück, wo sie den Tag verbrachten. Am 16. 8. beobachtete ich letztmalig eine Schleiereule am Haus. Ich kontrollierte wieder die Scheunen im Ort und konnte feststellen, daß sich Jung- wie Altvögel darin aufhielten. Sie hatten sich im ganzen Ort verteilt. Der männliche Altvogel bezog sein Tagquartier schon seit der Brutzeit in einer Scheune ca. 400 Meter vom Nist- platz entfernt. Im Winter säuberte ich den Kasten und war erstaunt über die Menge der Gewölle. Brutjahr 1976: Im Frühjahr 1976 mußte ich bis zum 5. Mai auf die Schleiereulen warten. Am 25. 5. hatten sie ein Gelege von vier Eiern. Der erste Jungvogel schlüpfte am 21. 6. 1976. Bettellaute waren ab 7. 7. zu hören. Am 27. 8. wurde der Nistplatz von Jungvögeln erstmals verlas sen. Wie im Vorjahr verteilten sie sich wieder im Ort. Brutjahr 1977: Im Spätherbst 1976 wurde das Haus verputzt. Trotz der damit verbundenen Verän- derungen nahmen die Eulen den Nistplatz wieder an. Am 1. 3. 1977 konnte ich schon die erste Schleiereule am Haus beobachten. Das erste Ei lag am 31. 3. in der Nestmulde. Insgesamt legte das Weibchen 1977 19 Eier. In der Tabelle sind Lege-, Schlupf- und

273 Ausflugdaten aufgeführt. Von den 19 Eiern waren 18 befruchtet. Von 18 geschlüpften Jungvögeln wurden 11 flügge. Der Größenunterschied war oft sehr beachtlich, so daß sieben Jungeulen von größeren Geschwistern verzehrt wurden. Das starke Gelege ist auf ein gutes Nahrungsangebot im Jahr 1977 zurückzuführen. Bei meinen Kontrollen konnte ich bis Ende August des öftern nicht verzehrte Mäuse oder Reste derselben feststellen.

Tabelle: Lege-, Schlupf- und Ausflugdaten im Jahre 1977

Ei-Nr. gelegt geschlüpft erstmals geflogen 1 31.3. faul - 2 I. 4. 2. 5. 15. 7. 3 2. 4. 2. 5. 15. 7. 4 3. 4. 3. 5. 15. 7. 5 4. 5. 5. 6. - 6 5. 5. 6. 6. - 7 14.5 14. 6. - 8 7. 6. 9. 7. 10. 9. 9 9. 6. 10. 7. 12. 9. 10 13. 6. 14. 7. 12. 9. 11 16. 6. 17. 7. 15. 9. 12 18. 6. 18. 7. 18. 9. 13 20. 6. 21.7. - 14 22. 6. 23. 7. 22. 9. 15 24. 6. 26. 7. - 16 27. 6. 28. 7. 26. 9. 17 30. 6. 31.7. - 18 3.7. 3.8. 27.9. 19 4. 7. 4. 8. - Die jüngste Eule fiel bei ihrem Erstflug in den Schornstein meines Hauses. Ich konnte sie jedoch noch lebend bergen.

Brutjahr 1978: Im März 1978 flogen die Schleiereulen ständig den Brutkasten an. Auch im April waren sie immer wieder zu hören. Ein Gelege konnte ich jedoch nicht feststellen. Am 21. 5. war ich überrascht, als junge Schleiereulen auf dem Speicher zischende Laute von sich gaben. Von mir unbemerkt hatten die Schleiereulen in einem recht engen Turm- falkenkasten gebrütet, der schon zur Zeit des Rohbaus auf der anderen Seite des Hauses angebracht worden war. Als ich nun am 21. 5. den Turmfalkenkasten kontrollierte, schaute ein Jungvogel unter dem sich drückenden Altvogel heraus. Am 30. 5. umkreisten beide Altvögel rufend das Haus. Ich nahm die Gelegenheit wahr und sah im Turmfalkenkasten nach. Drei Jung- eulen und zwei faule Eier fand ich in der Nestmulde. Am 7. 8. wurde nur noch die jüngste Eule vom männlichen Altvogel am Brutplatz gefüttert. Vorn im Giebel des Hauses brütete inzwischen der weibliche Altvogel schon wieder auf neun Eiern. Ab dem 24. 8. kehrte kein Jungvogel der ersten Brut mehr zum Haus zurück. Im Giebel saßen zu die- sem Zeitpunkt schon wieder vier Jungvögel in der Nestmulde. Diese fraßen ihre vier noch schlüpfenden Geschwister auf. Ein Ei war faul. Die Jungeulen bettelten nun so in- tensiv und laut wie noch in keinem Jahr. Am 11. 9. beringte ich sie und konnte feststellen, daß am 28. 9. die jüngste, am 20. 10. die älteste und am 31. 10. die zweitjüngste Jung- eule verhungerte. Am 4. 11. (!) flog der letzte Jungvogel erstmals aus. Die Feldmaus- population war vollkommen zusammengebrochen. Anscheinend hatten es die Altvögel

274 mit der Nahrungsbeschaffung schon das ganze Jahr recht schwer, denn es konnte in keinem Fall gespeicherte Nahrung am Nistplatz festgestellt werden.

Brutjahr 1979: Nach dem schneereichen Winter 1978/79, der auch schon sehr mäusearm war, brach die Schleiereulenpopulation in unserem Kreis fast zusammen. Bruten konnten nicht nach- gewiesen werden. In den beiden Brutkästen in meinem Haus waren nur selten Schleier- eulen zu beobachten. Nur aus der Feldflur waren bisweilen ihre Rufe zu hören.

Brutjahr 1980: Im Februar hörte ich eine Schleiereule des öfteren den Brutplatz im Hausgiebel anflie- gen. Am 9. 3. umkreisten zwei Schleiereulen ständig das Haus. Ab dem 27. 3. waren sie ständig im Giebelkasten. Bei einer Kontrolle am 7. 5. konnte ich ein Gelege von fünf Eiern feststellen. Die Altvögel waren wesentlich heimlicher als die Eulen bis zum Jahr 1978. Auch wurden sie seit der Balz am Haus nicht beobachtet. Ab dem 5. 6. zischten Jungeulen im Giebelkasten. Am 8. 6. beringte ich vierJungvögel; ein Ei war faul. Am 19. 9. schlüpfte der sechste und jüngste Vogel aus einem Zweitgelege (von sieben Eiern) im Turmfalkenkasten. Am 27. 10. flog die erste Jungeule aus. Jede Nacht wurde nun der Balkon von den Eulen bekalkt. Am 5. 11. (I) saßen immer noch fünf Jungeulen im recht engen Turmfalkenkasten. Eine Jungeule hockte tagsüber am 7. 11. auf einer Fensterbank nahe der Ortsmitte. Morgens drückte sich die jüngste Eule noch flugunfähig in eine Ecke vor der Haustür. Ich setzte sie in den Brutkasten zurück. Am 7. 11. saß eine Jungeule noch bettelnd auf dem Dach über dem Brutplatz im Schnee. Am 8. 11. konnte ich beobachten, wie zwei Jungeulen im Brutkasten bettelten und die vier Geschwister sich in der Nähe aufhielten. Die Altvögel verhielten sich immer noch sehr heimlich. Sie fütterten ihre Jungen noch bis Anfang Dezember.

Brutjahr 1981: Am 18. 1. konnte ich erstmals wieder einen Altvogel tagsüber im Giebelkasten beobach- ten. Am 7. 2. saß eine Schleiereule im Turmfalkenkasten. Als ich Ende Februar öfters bemerkte, daß die Eulen den Giebelkasten anflogen, kontrollierte ich diesen am 5. 3. Ich stellte einen Altvogel bei 10 Feldmäusen und frischem Gewölle fest. Am 26. 3. lagen sieben Eier in der schon immer zum Brüten benutzten Ecke. Am 10.4. schlüpfte der erste Jungvogel. Der sechste und letzte Jungvogel schlüpfte am 24. 4. Ein Ei war offenbar un- befruchtet. Am 7. 6. verließ erstmals ein Jungvogel den Nistkasten. Er war noch nicht flugfähig und mußte wieder an den Brutplatz zurückgebracht werden. Alle Jungvögel warteten am 18. 6. außerhalb des Brutkastens auf Dächern, Schneefanggittern und Fensterbänken auf die Altvögel. Am 18. 7. saß ein brütender Altvogel im Turmfalkenkasten. Am 12. 8. wurden von sieben Jungvögeln vier Exemplare beringt. Ein starker Größenunterschied war festzustellen. Zwei Eier lagen noch in der Nestmulde. Aus einem angepickten Ei waren ständig Pieplaute zu hören. Am 25. 9. wurde die zweitälteste Eule um 15.30 Uhr bei einem Nachbarn von meinem Hund verbellt. Sie lag auf dem Rücken und verteidigte sich geschickt unter einer kleinen Fichte. Am 26. 9. versuchte die drittälteste Eule durch die geschlossene Glasbalkontür zu kriechen. Am 27. 9. landete die zweitälteste Eule im Kamin eines Nachbarn und wurde lebend geborgen. Am 28. 9. verließ die jüngste Eule noch nicht flugfähig den Brutplatz. Sie landete auf einem parkenden Auto und versuchte ständig, durch die Windschutz- scheibe zu schlüpfen. Am 2. 10. lag die jüngste Eule tot in einer Garage, ca. 100 m vom Brutplatz. Am 19. 10. bettelten nur noch zwei Jungvögel am Haus.

275 Brutjahr 1982: Vom 25. bis 28. 4. waren am Haus mehrfach Balzlaute zu hören. Dies wiederholte sich nochmals in der Zeit vom 12. bis 23. 8. Zu einer Brut kam es jedoch nicht. Es waren nur wenige Feldmäuse vorhanden.

Brutjahr 1983: Den ganzen Winter über war der Schleiereulenkasten besetzt. Ab März wurde auch der Turmfalkenkasten ständig angeflogen. Am 14. 4. wahren fortwährend Balzlaute zu hören. Am 22.4. lagen sechs Eier im Giebelkasten. Am 14. 5. waren aus sieben Eiern drei Jung- vögel geschlüpft. Am 17. 5. waren es fünf Jungeulen. Ein Ei war unbefruchtet, so daß sechs Schleiereulen flügge wurden. Seit dem 16. 7. bettelten sie sehr laut. Noch bis zum September tauchten die Eulen immer wieder am Nistkasten auf.

Zusammenfassend können folgende Erkenntnisse aus den Brutbeobachtungen gezogen werden: 1. Sehr wichtig ist es, daß Schleiereulen tagsüber unmittelbar am Nistplatz nicht ge- stört werden. 2. Kontrollen sind nur abends durchzuführen. Zu häufige Kontrollen sind zu unterlassen. Altvögel und flugfähige Jungvögel verlassen bei Kontrollen den Brutkasten und keh- ren bald zurück. Noch nicht flügge Jungvögel zischen und verkriechen sich in die äußersten Ecken. 3. An Geräusche (Türen, Fenster, spielende Kinder) gewöhnen sich Eulen schnell, so daß sie nicht mehr als Störung empfunden werden. 4. Ist ein gutes Feldmausjahr, sind die Jungvögel kaum zu hören. 1975 und 1976 waren die Jungeulen laut. 1978 bettelte die zweite Brut besonders stark. 1977 hörte man selten Bettellaute. 5. Je größer das Nahrungsangebot ist, umso mehr Jungvögel werden aufgezogen. Vor Schlechtwetterperioden scheint ein Vorrat angelegt zu werden. 6. Die Einfluglöcher an meinem Haus werden immer von einer Straßenlampe beleuchtet. Hierdurch können die Schleiereulen auch bei vollkommener Dunkelheit gut anfliegen.

Wiederfunde von im Kreisteil Weilburg des Kreises Limburg-Weilburg in den Jahren 1977 und 1978 beringten jungen Schleiereulen: Ring-Nr. 423159 Vogelwarte Helgoland am 15.6. 77 in Weilburg-Gaudernbach beringt, am 5. 8. 77 durch PKW-Aufprall und Schock in Oberneisen gefangen am 10. 8. 77 in Oberneisen freigelassen. Ring-Nr. 423156 Vogelwarte Helgoland am 15.6. 77 in Weilburg-Gaudernbach beringt, am 7. 12. 77 tot in einem Wirtschaftsgebäude in Weilmünster-Laubuseschbach gefunden. Ring-Nr. 423157 Vogelwarte Helgoland am 15.6. 77 in Weilburg-Gaudernbach beringt, am 24. 5. 79 Verkehrsopfer in Wittlich, Reg.-Bez. Trier. Ring-Nr. 432164 Vogelwarte Helgoland am 4. 8. 77 in Wirbelau beringt 1978 die verwesten Reste in einem Gebläserohr auf einem Bauernhof in Weinbach- Freienfels gefunden. Ring-Nr. 495513 Vogelwarte Helgoland am 3. 7. 78 in Runkel-Steeden beringt (ältestes von sieben Jungen), am 9. 11.78 in Langenlonsheim/Nahe überfahren.

276 Ring-Nr. 495517 Vogelwarte Helgoland am 3. 7. 78 in Runkel-Steeden beringt, am 26. 3. 79 verhungert in Wildalpen/Österreich (Steiermark). Ring-Nr. 495507 Vogelwarte Helgoland am 14.6. 78 in Wirbelau beringt, am 5. 3. 79 tot in einer Scheune in Runkel-Ennerich gefunden.

Anschrift des Verfassers: HERBERT FRIEDRICH, Kreisbeauftragter für Vogelschutz im Kreis Limburg-Weilburg, Birkenstraße 9, 6351 Runkel 5

Zeitschriftenaustausch mit nachfolgend aufgeführten Tauschpartnern

zusammengestellt von: I. SCHULZ, Frankfurt/Main

1. Inland: vorhanden seit: AHO — Mitteilungsblatt: 1980 Arbeitskreis Heimische Orchideen, Baden -Württemberg Auspicium: 1960 Ringfundberichte der Vogelwarte Helgoland Beiträge zur Naturkunde der Wetterau: 1981 Gerd Bauschmann, Friedberg Berliner Naturschutzblätter: 1982 Volksbund Naturschutz, Berlin Braunschweiger Naturkundliche Schriften: 1980 Staatl. Naturhistorische Museum, Braunschweig BNG — Informationen: 1974 Bremer Naturschutzgesellschaft, Bremen Charadrius: 1975 Westfälische Ornithologen Gesellschaft, Münster Corax: 1983 Veröffentlichungen der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft für Schleswig-Holstein Decheniana: 1956 Naturhistorischer Verein der Rheinlande und Westfalen Dendrocopos: 1972 DBV-Ortsgruppe, Saarburg Der Specht: 1978 DBV- Kreisverband Gießen, Pohlheim Faunistische Mitteilungen aus Süd-Niedersachsen: 1979 Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Süd-Niedersachsen Faunistische Mitteilungen aus dem Taubergrund: 1982 Ornithologische Arbeitsgemeinschaft für den Main -Tauber -Kreis Garmischer Vogelkundliche Berichte: 1978 Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Werdenfels

277 Hamburger Avifaunistische Beiträge: 1962 Arbeitskreis der Staatlichen Vogelschutzwarte Hamburg Hessische Faunistische Briefe: 1981 Hessische Floristische Briefe: 1952 Institut für Naturschutz, Darmstadt Jahresberichte des Naturwissenschaftlichen Vereins Wuppertal: 1977 Fuhlrott — Museum, Wuppertal Landschaftspflege und Naturschutz: 1981 Bundesforschungsanstalt für Naturschutz und Landschaftspflege, Bonn Lanius: 1969 Ornithologischer Beobachterring, Saar Mitteilungen der Pollichia: 1976 Pfälzische Landesbibliothek, Speyer Mitteilungen des Badischen Landesverein: 1981 Prof. Dr. K. Sauer, Merzhausen Mitteilungen des Vereins für Naturwissenschaft und Mathematik Ulm/Donau: 1942 Verein für Naturwissenschaft und Mathematik, Ulm Natur und Heimat: 1980 Westfälisches Museum für Naturkunde -Planetarium-Münster Natur und Umwelt: 1981 Bund für Umwelt und Naturschutz, Bonn Natur und Museum: 1920 Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft, Frankfurt Naturschutz — Naturparke: 1962 Verein Naturschutzpark, Stuttgart Naturwissenschaftliche Berichte: 1977 Naturwissenschaftlicher Verein für Bielefeld und Umgebung Naturhistorische Berichte: 1979 Naturhistorisches Museum in Mainz Ökologie der Vögel: 1980 Dr. J. Hölzinger, Stuttgart Ornithologische Mitteilungen: 1948 Dr. H. Bruns, Schlangenbad Ornithologie und Naturschutz in Rheinland-Pfalz: 1972 GNOR, Rheinland-Pfalz Philippia: 1973 Naturkundemuseum im Ottoneum, Kassel Veröffentlichungen für Naturschutz und Landschaftspflege in Baden-Württemberg: 1950 Landesanstalt für Umweltschutz, Baden -Würtemberg Vogel und Luftverkehr: 1981 Deutscher Ausschuß zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr Vogelkundliche Hefte Edertal: 1975 K. Sperner, Bad Wildungen Vogelschutz in Bayern: 1979 Landesbund für Vogelschutz in Bayern

278 Die Vogelwarte• 1948 Vogelwarte Helgoland und Radolfzell Der Westerwald — Westerwald -Verein —: 1982

2. DDR: Actitis: 1981 Kulturbund der DDR, Markkleeburg /DDR Berichte der Vogelwarte Hiddensee: 1981 Vogelwarte Hiddensee, Kloster Hiddensee Abhandlungen und Berichte Mauritianum: 1975 Naturkundliches Museum, Altenburg Faunistische Abhandlungen: 1978 Staatliches Museum für Tierkunde, Dresden Milu: 1960 Tierpark, Berlin Mitteilungen aus dem Zool. Museum in Berlin: 1982 Humboldt-Universität Berlin Naturschutz in Mecklenburg: 1974 Akademie der Landwirtschaften, Halle Terrestische Ökologie: 1977 Martin-Luther-Universität, Halle Veröffentlichungen des Museums für Naturkunde: 1961 Museum für Naturkunde Karl-Marx-Stadt

3. Ausland: Acta Ornithologica: 1963 Polish Academy of Sciences Institute of Zoology, Polen Acta Rerum: 1966 Slovenske narodne muzeum, Bratislava Annual Report: 1981 Research Institute for Nature Management, Arnhem /Leersum Ardeola: 1970 Sociedad Espanola de Ornithologia, Madrid Bulletin: 1969 International Waterfowl Research Bureau, England Canadien Wildlife Mitteilungen: 1973 Canadien Wildlife Service, Canada Cyanopica: 1968 Sociedade Portuguesa de Ornithologia, Portugal Der Ornithologische Beobachter und Sonderdrucke: 1947 Schweizerische Vogelwarte, Sempach Egretta: 1980 Institut für Limnologie und Gewässerschutz der Österreichischen Akademie, Wien Journal of the Yamashina Institute for Ornithology: 1971 Tokyo/Japan

279 L'oiseau: 1976 L'Homme ET, Brasschaat Madartani Tajekostato: 1978 Magyar Madartani Egyesijlet, Budapest Monticola: 1966 Dr. Franz Niederwolfsgruber, Innsbruch Mitteilungen der Zool. Gesellschaft, Braunau: 1977 Zoologische Gesellschaft Braunau, Braunau am Inn Ocrotirea Naturii Si A Mediuliu: 1980 Academie Republici, Socialiste Romania Ornis Fennica: 1973 P. Rautatiekatu, Helsinki Regulus: 1982 Henri Rinnen, Luxembourg Roczniki Akademie Rolniczej, Polen: 1980 Rondevlei Bird Sanctura: 1973 The Divisional Council of the Cape, Siid-Afrika The Condor: 1968 University Research Library, California

Die Bibliothek ist wahrend der Dienststunden der Staatlichen Vogelschutzwarte Montag — Freitag von 9.00 —12.30 und 13.30 —15.30 geoffnet. In dieser Zeit konnen Interessenten nach vorheriger telefonischer Anmeldung in die Literatur Einsicht nehmen.

Anschrift des Verfassers: Frau I. SCHULZ, StaatlicheVogelschutzwarte fur Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, Steinauer Stralie 44, 6000 Frankfurt am Main 61

280 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und. Umwelt 2: 281 (1983)

Aus der Hessischen Landesanstalt für Umwelt

Vogel- und Naturschutz in Recht und Gesetz (7)

Zu: Wie ist das Zuschütten von Feuchtgebieten rechtlich zu beurteilen? (Vogel und Umwelt, Bd. 1, H. 4 (1981): 217-220)

Der Abschnitt mit der Zwischenüberschrift „Naturschutzrecht" aaO bedarf folgender Ergänzung: Aufschüttungen jeglicher Größe (= „bauliche Anlagen im Sinne des § 2 Abs. 1 der HBO") im „Außenbereich" (d. h. etwa: in der freien Landschaft) gelten grund- sätzlich als Eingriffe in Natur und Landschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 HENatG und erfor- dern somit eine Genehmigung nach § 6 HENatG. Darüber entscheidet, wenn die eine Bauanzeigepflicht begründete Mindestgröße von 300 m2 Grundfläche und 2 m Höhe unterschritten wird, die untere Naturschutzbehörde, im übrigen die Bauaufsichts- behörde im Einvernehmen mit dieser (§ 7 Abs. 1 und 4 HENatG). Einer gesonderten Regelung unterliegen lediglich Aufschüttungen im Zusammenhang mit öffentlichery Verkehrsanlagen und bergbaulicher Tätigkeit sowie zur Lagerung und Ablagerung von Abfall (vgl. Ausführungen unter Zwischenüberschrift „Baurecht" aaO), die erst ab 500 m2 Flächengröße (z. B. ein Qudrat von 22,4 x 22, 4 m oder ein Kreis mit 25,2 m Durchmesser) zu den Eingriffen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 HENatG zählen. Diese müssen nach Straßen-, Berg- oder Abfallrecht im Einvernehmen mit der jeweiligen Natur- schutzbehörde planfestgestellt bzw. genehmigt werden (§ 7 HENatG).

Anschrift des Verfassers: Dr. H.-1. BOHR, Hessische Landesanstalt für Umwelt, Aarstraße 1, 6200 Wiesbaden

Die Tiere leiden und erfüllen mit ihrem Seufzen die Lüfte. Die Wälder fallen der Vernichtung anheim. Die Berge werden geöffnet und ihrer Metalle beraubt, welche in ihren Adern wachsen. Aber das menschliche Verhalten ist schnell, jene zu loben und zu ehren, welche durch ihr Tun der Natur wie der Menschheit den größten Schaden zufügen. Leonardo da Vinci (1452-1519)

281 Mitteilung der Redaktion 1 Der Hessische Minister für Landesentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten hat im Nachgang zum Erlaß über die Einschlagungsplanung 1984 und im Hinblick auf die aktuelle Waldbelastung durch Immissionen an die Staatsforstämter am 6.Juni 1983 folgende Anordnung herausgegeben: „Da nach den bisherigen Feststellungen Laubholz eindeutig geringer geschädigt ist als Nadelholz, bitte ich, bei der Einschlagsplanung 1984 keine Maßnahmen vorzu- sehen, wodurch Laubholzbestände in Nadelholzbestände umgewandelt werden. Der Verzicht auf Umwandlungen in 1984 ist auch dann geboten, wenn derartige Maßnah- men von der Forsteinrichtung vorgesehen und aus standörtlicher wie auch betrieb- licher Sicht gerechtfertigt sind. Im Körperschafts- und Privatwald Ihres Forstamtes bitte ich auf eine entsprechende Zurückhaltung hinzuwirken."

2. Im Zusammenhang mit Flurbereinigungsverfahren hat der Hessische Minister für Landesentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten an die Ämter für Landwirt- schaft und Landentwicklung folgende für den Naturschutz wichtige Runderlasse gegeben: a) Behandlung von Erdaufschlüssen, Hohlwegen und Steinwällen in Flurbereinigungs- verfahren (Az. II B 7 — LK. 24.0 — 4757/83 vom 29. Juni 1983): „In Flurbereinigungsgebieten befinden sich oftmals noch Erdaufschlüsse aus früheren Eingriffen in die Landschaft sowie Hohlwege, Steinwälle und ähnliche Folgen der Be- wirtschaftung. Im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens ist eine Entscheidung darüber erforderlich, wie zukünftig die Nutzung solcher Flächen erfolgen soll. Bei früheren Eingriffen in die Landschaft, die einem naturschutzrechtlichen Geneh- migungsverfahren unterlegen haben, wobei ein Rekultivierungsplan aufgestellt wurde, ist die Entscheidung auf der Grundlage dieses Rekultivierungsplanes zu treffen. In allen anderen Fällen sowie bei Hohlwegen, Steinwällen u. ä. benötigt die Flurbereinigungsbehörde zur sachgerechten Entscheidung ein Gutachten über den ökologischen Wert dieser Anlagen, z. B. Steinwälle als Standort für Kriechtiere, Steilhänge als Nistgelegenheit für Uferschwalbe und anderen Erdhöhlenbrüter. Die Beurteilung kann im Zusammenhang mit dem allgemeinen ökologischen Gutachten oder durch besondere Untersuchungen erfolgen. Das Ergebnis dieser Beurteilung ist in den Abwägungsprozeß bei der Aufstellung der allgemeinen Grundsätze für die Neugestaltung des Flurbereinigungsgebietes einzu- bringen. Dabei erfolgt die Beteiligung der Naturschutzbehörden sowie der nach § 29 BNatSchG anerkannten Verbände. Im Rahmen dieser Abwägung ist damit die Ent- scheidung über die zukünftige Nutzung solcher Flächen zu treffen. Hieraus ergeben sich auch die notwendigen Maßnahmen für Erhaltung, Sicherung und mögliche Ver- besserung dieser Bestandteile des Naturhaushaltes." In Vertretung gez. Jordan b) Kennzeichnung von ökologisch wertvollen Baum- und Gehölzbeständen und von Einzelbäumen in Flurbereinigungsverfahren (Az. II B 7 — LK. 24.0 — 4995/83 vom 5. Juli 1983): „ Das Flurbereinigungsgesetz eröffnet vielfältige Möglichkeiten, wertvolle Baum- und Gehölzbestände sowie Einzelbäume zu schützen und zu erhalten. Hierzu wird u. a. auf die Erlasse a) Berücksichtigung von Streuobstbeständen in Flurbereinigungsverfahren — II B 7 — LK. 24.0 — 931/82 vom 02.03. 1982 —

282 b) Ausweisung und Sicherung von Feuchtgebieten —II B 7 — LK. 24.0 — 498/82 vom 03. 03. 1982 — c) Durchführung der Flurbereinigung; hier: Vogelschutz —II B 7 — LK. 24.0 — 2836/82 vom 17. 05. 1982 — d) Ausweisung von Wildbiotopen in der Flurbereinigung —II B 7 — LK. 24.0 —4074/82 vom 14.06.1982— e) Erwerb sowie Unterhaltung und Pflege von Grundstücken durch die nach § 29 BNatSchG anerkannten Verbände in Flurbereinigungsverfahren —II B 6 — LK. 50.0 — 4111/82 — vom 21.07. 1982 hingewiesen. Die rechtliche Sicherung dieser Anlagen erfolgt in der Regel durch den Flurbereini- gungsplan. Um die geschützten Objekte auch örtlich erkennbar zu machen, sollten deutlich sichtbare Hinweisschilder, die örtlich diesen Schutz verdeutlichen, ange- bracht werden. Dies sollte bei flächenhaft ausgedehnten geschützten Objekten durch Schilder nach der Anlage zu diesem Erlaß an den Ecken derAnlagen geschehen. Nach dem Flurbereinigungsplan aus landschaftlichen Gründen besonders geschützte Ein- zelbäume sind ebenfalls mit diesem Schild zu versehen. Die Befestigung hat zu erfol- gen, daß der Baum nicht geschädigt wird (z. B. Verwendung von Aluminiumnägeln). Das Hessische Landesamt für Ernährung, Landwirtschaft und Landentwicklung regelt die Beschaffung der Schilder." Im Auftrag gez. Dr. Keil

Geschützt im Flurbereinigungsplan

283 Neue Literatur

NICOLAI, J. (1982): Fotoatlas der Vögel. — 300 S., 430 Farbfotos, 370 Zeichnungen 400 Verbreitungskarten, Gräfe und Unzer Verlag München. Schon auf den ersten Blick besticht dieser Fotoatlas durch die Brillanz seiner Abbil- dungen. Verbunden mit jedem Vogelfoto wird Wissenswertes über die betreffende Vogelart in Form eines Steckbriefes vermittelt. Es wird Auskunft über Kennzeichen, Gewicht, Stimme, Verhalten, Brut, Verbreitung und Wanderungen gegeben. Eine Ver- breitungskarte illustriert diese Kurzinformationen. Nicht einfach ist es, in gedrängter Form ein Maximum an Informationen zu erteilen. Dem Autor ist dies jedoch gelungen. Ein Sachregister erleichtert das Auffinden der einzelnen Arten. In einer Schriftenübersicht wird die wesentliche Literatur vorgestellt und auf ornithologische Institute und Ver- bände hingewiesen. Das Buch ist eine „runde Sache" und kann jedem, der sich über unsere Vogelwelt informieren will, empfohlen werden. W. KEIL

ELZEN, v. d. R. (1983): Girlitze — Biologie, Haltung und Pflege. — 56 S., 13 Abb., 4 Tab., 10 Verbreitungskarten, Biotropic Verlag Baden-Baden. Der Girlitz und die mit ihm verwandten Vogelarten gehören zu den Vögeln, die beson- ders gerne in Gefangenschaft gehalten werden. Sie eignen sich gut zur Zucht. Ur- sprünglich im Mittelmeerraum zuhause, hat der Girlitz zwischenzeitlich Mitteleuropa als Brutgebiet erobert und ist auch weiterhin in Ausbreitung begriffen. Nach Darle- gungen allgemeiner Art (z. B. Haltung, Pflege Ernährung, Zucht, Stimme, Krankheiten, Mauser) wird eine Beschreibung von 23 Girlitzarten gegeben (Morphologie, Verbrei- tungsgebiet, Lebensraum, Ernährung, Haltung, Spezialliteratur). Verbreitungskarten und Farbfotos illustrieren den Text. Ein Bestimmungsschlüssel, ein über dreiseitiges Literaturverzeichnis und ein Index vervollständigen den Inhalt des Buches. Die Autorin weist zurecht darauf hin, daß die Wissenslücken noch recht groß sind und macht den Vorschlag, durch einen besseren Gedanken- und Erfahrungsaustausch diesem Miß- stand begegnen zu können. W. KEIL

STEWART, H. (1980): Aus dem Nest gefallen — was tun? — 160 S., 34 Fotos, Landbuch- Verlag Hannover. In der Brutzeit kommen nicht wenige Menschen in Versuchung, einen „hilflosen" und „,von den Eltern verlassenen" Jungvogel aus falsch verstandenem Mitleid mit nach Hause zu nehmen. Erst wenn nach einiger Zeit Schwierigkeiten bei der Versorgung des Tieres auftreten, wird versucht, einen Fachmann zu befragen oder das Tier bei einem Tierschutzverein los zu werden. Meist wird dann festgestellt, daß ein solcher Vogel nicht nur falsch ernährt sondern auch falsch behandelt wurde. Seine Überlebenschance ist in vielen Fällen gleich Null. Die Verfasserin vorliegenden Buches gibt die durch jahrelange Praxis erworbenen eigenen Erfahrungen mit handaufgezogenen Jungvögeln bekannt. Sie schildert sehr anschaulich wie man die hilflosen Jungen richtig ernährt und artgerecht behandelt. Ziel einer Aufzucht ist es letzlich, den jungen Vogel wieder in seine Umgebung zurückzugeben. Dies ist auch gesetzlich vorgeschrieben. Bei einer Neuauflage sollten die Anschriften der Staatlichen Vogelschutzwarten als fachliche, Beratungsstellen genannt werden. Das praxisnah geschriebene Buch kann als Rat- geber empfohlen werden. W. KEIL

284 Band 2, Heft 6: 285-364 Zeitschrift Wiesbaden, November1983 für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen

ISSN 0173-0266

Herausgeber: Der Hessische Minister für Landesentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten, —Oberste Naturschutzbehörde— Herrn Dr. med. GERHARD BERG-SCHLOSSER zum 70. Geburtstag gewidmet

Foto : Dr. 0. JOST, Fulda

286 Gerhard Berg-Schlosser zum 70. Geburtstag

Am 3. August 1983 wurde Herr Dr. med. G. Berg-Schlosser 70 Jahre alt. Aus diesem Anlaß ernannte ihn die Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz zu ihrem dritten Ehrenmitglied. Daß die Wahl nach Dr. W. Sunkel und Dr. Dr. h. c. L. Geb- hardt auf ihn fiel, drückt etwas von der Anerkennung aus, die seine Verdienste um die hessische Ornithologie gefunden haben. Seit Anfang der fünfziger Jahre ist Gerhard Berg-Schlosser mit avifaunistischen Bei- trägen hervorgetreten. Seine erste größere Arbeit behandelt die Vogelwelt der Mooser Teiche im Vogelsberg. Dorthin führten ihn, oft gemeinsam mit L. Schuster und L. Geb- hardt, viele Exkursionen, so daß die Mooser Teiche wohl für ihn und viele andere eine Zeitlang ein „emotionaler Mittelpunkt" der hessischen Vogelkunde gewesen sind. Mit dem 1968 erschienenen Werk „Die Vögel Hessens — Ergänzungsband" reihte sich Gerhard Berg-Schlosser unter die zentralen Gestalten der hessischen Vogelkunde ein. Zum Aufschwung der Feldornithologie, den wir in den letzten 30 Jahren erlebt haben, trug er damit ein Stück bei. In weiser Einsicht beschränkte er sich dabei auf die Bearbei- tung von 69 „ lohnenden" Arten. Auch diese Arbeit war für einen einzelnen neben einem aufreibenden Beruf nur mit unermüdlichem Fleiß, unerschütterlicher Zähigkeit und finanziellen Opfern zu meistern. Etwa 130 Mitarbeiter konnte er gewinnen, die ihm ihr Beobachtungsmaterial zur Verfügung stellten. Ein Vergleich zwischen diesem Buch und W. Sunkels bedeutender und impulsgebender Arbeit „Die Vogelfauna von Hessen" aus dem Jahr 1926 läßt den Fortschritt nicht nur im Umfang einzelner Artkapitel, sondern auch in den Fragestellungen, oft Ergebnis der kenntnisreichen Zusammenschau Berg- Schlossers, sichtbar werden. Besonders wertvoll und hilfreich für jeden hessischen Vogelkundler ist auch das mit Unterstützung von W. Schössler zugleich vorgelegte Literatur- und Artenliteraturverzeichnis. Die 1972 gemeinsam mit seinem Freund Erich Heider veröffentlichte „Quantitative Bestandsaufnahme der Brutvögel des Roten Moores", später durch entsprechende Untersuchungen im bayrischen Schwarzen Moor ergänzt, sei als Beispiel für das Interesse von Gerhard Berg-Schlosser an Untersuchungen genannt, die über die her- kömmliche Avifaunistik hinausgehen. Weniger bekannt ist es den hessischen Vogelkundlern vielleicht, daß Gerhard Berg- Schlosser, zum Teil gemeinsam mit anderen Autoren, seit 1974 in der Zeitschrift „ Monticola" und im „Anzeiger der Ornithologischen Gesellschaft in Bayern" sechs Beiträge vor allem zur Vogelwelt verschiedener Gebiete Südtirols veröffentlicht hat. Sie weisen ihn als gründlichen Kenner dieses Raumes aus und haben ihm auch unter den Alpenornithologen Anerkennung verschafft. Es soll und kann nicht vergessen werden, daß Herr Berg-Schlosser zu den Sieben gehörte, die sich im Herbst 1964 in Gießen trafen, um die Gründung der „ Avifauni- stischen Arbeitsgemeinschaft Hessen", Vorläuferin der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e. V. (HGON), vorzubereiten. Bei der ersten Versamm- lung im Dezember des gleichen Jahres wurde er in den Vorstand gewählt. Dieser Auf- gabe diente er bis zu seiner Übersiedlung nach Steinebach am Wörthsee 1979. Auf Gerhard Berg-Schlosser trifft vielleicht zu, was auch für viele Gleichgesinnte gilt: Wer könnte dafür so ganz genau eine Begründung und Erklärung geben, warum für sie alle (ohne berufliche Notwendigkeit) Vogelbeobachtungen, die Erforschung dieser Lebewesen und die Erhaltung ihrer Lebensgrundlagen, der Umgang und Gedanken- austausch mit ähnlich Denkenden und Handelnden, die Lektüre der einschlägigen Literatur — ein wichtiges Lebenselixier, so etwas wie Glück und ein Stück Heimat geworden sind. Er hätte es in einer angesehenen und wohlsituierten Position als Fach- arzt und Chefarzt des Alsfelder Krankenhauses eigentlich „nicht nötig" gehabt, fast seine ganze Freizeit solchen Tätigkeiten zu widmen. Starke Antriebskräfte mußten und

287 müssen dafür bei ihm bestehen. Wer das Vergnügen regelmäßiger Begegnungen mit ihm hat, spürt etwas davon: wache Neugier, starkes Interesse, Teilnahme an und Ver- antwortungsgefühl für andere Lebewesen — und ganz einfach etwas von der Freude, die er daraus gewinnt und auch an andere weitergibt. Sein neuer Wohnsitz außerhalb Hessens ist offensichtlich und zum Glück kein Ruhesitz für ihn geworden. Seine ornithologischen Aktivitäten gehen weiter; ihre Ergebnisse werden jetzt vor allem im Anzeiger der Ornithologischen Gesellschaft in Bayern" veröffentlicht. Wir wünschen ihm, daß er noch viele Jahre Kraft zu dieser Arbeit hat und Freude aus ihr gewinnt. KARL-HEINZ BERCK

288 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 289-302 (1983)

Die Entstehungsgeschichte der Mooser Teiche und ihrer Graureiher-Kolonien sowie die neuere Entwicklung

1. Zur Lage und Entstehung der Mooser Teiche (OTTO JOST, Fulda) 1.1 Das Ostplateau des Vogelsberges mit den Teichen Der Vogelsberg, mitten in Hessen gelegen, unterscheidet sich von allen hessischen Mittelgebirgen durch seine ziemlich regelmäßige, aus den umgebenden Senken anstei- gende Oberflächengestalt, die fast kreisrunde Form und das radial nach allen Seiten abfließende Gewässernetz. Doch erfolgt der Anstieg zur Gipfelhöhe (Taufstein 774 m NN) dieser größten zusammenhängenden Basaltmasse des europäischen Fest- landes nicht überall gleichmäßig. Das zentrale Gebirgsmassiv (Oberwald und Hoher Vogelsberg, oberhalb 500 m) wird von Hochflächen umgeben, die im Westen nur schmal und stark zertalt, im Osten, besonders im Südosten, dagegen als ausgedehnte Verebnungen deutlich in Erscheinung treten. Auf der Karte der Höhenschichten (Isohypsen) des Ostvogelsberges fällt der relativ weite Abstand zwischen den 400 und 500 m — Isohypsen auf (Abb.1). Das dazwischen liegende, nach Südosten vorspringende Höhengebiet wird als „Ostplateau" bezeichnet (SCHULZE 1959). Auf ihm liegen der Obermooser, Niedermooser, Rothenbach und Reichloser Teich. Sie werden unter den Vogelkundlern einfach „Mooser Teiche" genannt. Es sind die größten stehenden Gewässer weithin im osthessischen Raum (Abb.1).

Die vier „Mooser Teiche" (Name, Fläche, Eigentümer, NSG = Naturschutzgebiet):

1. Niedermooser Teich 35,8 ha (Riedeselsche Forstverwaltung, Lauterbach) 2. Obermooser Teich (NSG) 31 ha (Riedeselsche Forstverwaltung, Lauterbach) 3. Rothenbach Teich (NSG) 11,2 ha (Hessisches Forstamt Grebenhain) 4. Reichloser Teich (NSG) 10,1 ha (Riedeselsche Forstverwaltung, Lauterbach) Jeweils ohne Nebenteiche; kleinere Teiche bleiben unbeachtet.

Das Ostplateau am Fuß der höchsten Erhebungen des Vogelsberges ist eine auf einer Basaltdecke sich erstreckende Hochfläche, die breite flache Talmulden aufweist. Die Bäche kommen vom Gebirgszentrum oder entspringen — wie der Moosbach — auf der Hochfläche und fließen langsam in den Talmulden abwärts. An der Ostgrenze des Ostplateaus bildet der markante Rand des Vogelsbergbasaltes eine Gefällszone, wo die abfließenden Bäche wilde Steilstrecken besetzt mit Steinblöcken zurücklegen,. bevor sie weiter östlich in das ebene Buntsandsteingebiet des Fuldaer Landes gelangen (JOST 1967). Von allen hessischen Gebirgen werden im Vogelsberg die meisten Niederschläge ge- messen (Oberwald über 1200 mm mittl. Jahresniederschläge). Das Ostplateau liegt

289 Abb. 1 Das Südostplateau des Vogelsberges zwischen den 400 — 500 m Isohypsen (Höhenlinien, punktiert) mit Gewässernetz und Mooser Teichen: Obermooser (Om), Niedermooser (Nm), Rothenbach (Ro) und Reichloser Teich (Re). Gezeichnet nach dem Gewässerkundlichen Kartenwerk Hessen (1959) zum Vergleich mit Abb. 2. vereinfacht, entsprechend mit umgekehrter Windrose. (SKIZZE: Dr. 0. JOST) Ortschaften und Fließgewässer: Salz (S) an der Salz, Freiensteinau (F) am Urzeller Wasser, Hauswurz (H) am Zusammenfluß des Hängsberger Wassers (aus dem Reichloser Teich) mit dem Mengmesser Wasser. Die Lüder mit Crainfeld (C) und Blankenau (B) sowie den Nebenbächen Moosbach (aus dem Ober- und Niedermooser Teich) und Schwarza, daran Vaitshain (V) gelegen. Die Schlitz entsteht bei Bad Salz- schlirf (BS) aus Altefeld und Lauter. Oberhalb Stockhausen (ST) mündet die Alte Hasel (dabei Herbstein HE) in die Altefeld (daran Altenschlirf, A). In die Lauter fließen unterhalb von Schloß Eisenbach (E) der Eisenbach und unter- halb Lauterbach (L) das Brender Wasser.

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Abb. 2 „Landschaft und Gebiet der Riedesel zu Eysenbach, Erbmarschalck zu Hes- sen" (Ausschnitt einer Karte aus Becker 1923). Wohl älteste Karte des Ostvogelsberges von 1582 mit Fließgewässern, Ober- mooser Teich (Moß, s. Pfeil) sowie Jagdszenen und Wildtieren. Umgekehrte Windrose. Zum Vergleich die Karte Abb. 1. (FOTO: Dr. 0. JOST)

291 zwar im Regenschatten der höheren Erhebungen weist aber noch relativ hohe Jahres- niederschläge von 1000 bis 1100 mm auf. Mehr oderweniger ausgedehnte Feuchtstellen in den Mulden und der Wasserreichtum der Fließgewässer sind ebenso wie die starke Erosion in den Gefällsstrecken der ostwärts fließenden Bäche die folgen hoher Nieder- schläge. Die Mooser Teiche könnten vulkanischen Ursprungs sein und in Zusammenhang mit der Bildung des „Vogelsbergvulkans" entstanden sein. Diese Meinung vertritt TASCHE (1859). Er erklärt: Bei reinen Erhebungskratern sieht man kesselförmige Vertiefungen, „welche durch Einsinken der Bergspitzen entstanden und häufig mit Wasser angefüllt sind. Als solche kraterförmige Vertiefungen können vielleicht die Glauburg bei Stock- heim und die Teiche bei Obermoos gelten". Daß diese Erklärung nicht zutreffend sein kann, erkennt schon der Naturfreund, der die aus zusammengetragenen Basaltstein- blöcken errichteten Staumauern dieser Teiche sieht. Alle Teiche sind durch Stauen einzelner Bäche in Mulden des regenreichen Ostplateaus früher einmal vom Menschen angelegt worden und nicht natürliche Bildungen. Sie bilden längst eine untrennbare Einheit mit der Landschaft (BERG-SCHLOSSER 1960).

1.2 Alte Karten des Vogelsberges

Durch den Vergleich der Karten früherer Jahrhunderte mit den heutigen können wir die Veränderung der heimischen Landschaft unter dem Einfluß des Menschen deutlich erkennen. Die Rodung des natürlichen Waldes, die Nutzung frei gewordener Flächen sowie die Anlage von Siedlungen und Teichen haben die naturnahe Kulturlandschaft geschaffen, die durch das Mosaik verschiedenster kleiner Biotope viel mehr Tierarten Lebensmöglichkeit bietet als der ursprüngliche ausgedehnte Urwald.

A.) L. SPILGER (1935) hat auf eine alte Karte vom Hohen Vogelsberg hingewiesen, die er als „die früheste Karte des Vogelsberges" bezeichnet. Es ist der „Situationsplan einer Gegend von dem höchsten Gebirge vom Vogelsberg zwischen dem Oberwald und den naheliegenden fünf Dörfern Herchenhain, Hartmannshain, Sichenhausen Kauf- stoß und Breungeshain im Amt Nidda" und wurde 1788 von dem hessischen Karto- graphen JOHANN HEINRICH HAAS (geboren 1758 bei Sichenhausen, gestorben 1810) angefertigt. Durch die genaue und anschauliche Darstellung des Geländes mittels Schraffur der höheren und höchsten Erhebungen des Oberwaldes sowie die geschickte Kennzeichnung der Wälder, Wiesen, Viehweiden, Felder, Ackerraine und Hecken erhält der Betrachter ein deutliches Bild des damaligen Zustandes der Vogelsberger Landschaft. Zweifellos verdient die Karte von HAAS Anerkennung als „Meisterwerk" (SPILGER 1935).

B.) Beim Studium alter Literatur des osthessischen Raumes konnte eine viel ältere Karte gefunden werden, die für den heimischen Naturfreund von besonderem Interesse sein dürfte. Diese Darstellung (Abb. 2) „Landschaft und Gebiet der Riedesel zu Eisen- bach, Erbmarschall zu Hessen" von 1582 aus BECKER (1923) ist wahrscheinlich die älteste kartenmäßige Darstellung des Ostvogelsberges. Wie der Vergleich mit der Abb. 1, die denselben Teil des östlichen Vogelsberges umfaßt und nach der Gewässer- kundlichen Karte von Hessen (1959) angefertigt wurde, zeigt, istes dem Zeichner schon 1582 erstaunlich gut gelungen, das Gewässernetz und die daranliegenden Ortschaften den natürlichen Gegebenheiten entsprechend einzutragen, eine im Vergleich zur HAAS' schen Karte gleichfalls besondere kartographische Leistung für diese frühe Zeit.

C.) Eine ebenfalls beachtenswerte alte Karte ist die Darstellung des Riedeselschen Gebietes im Ostvogelsberg aus dem Jahre 1769 (also 19 Jahre älter als die Karte von HAAS), die im Original im Dienstzimmer des Riedeselschen Forstamtes in Lauterbach

292 Abb. 3 Karte des Riedeselschen Gebietes aus dem Jahre 1769 (Freigabe der Aufnahme durch die Riedeselsche Forstverwaltung, Lau- terbach). (FOTO: K.-H. DIETRICH) hängt. Sie stellt in anschaulicher Weise die verbliebenen Wälder, Felder und Hutungen mit den Grenzen bäuerlichen und landesherrlichen Besitztums dar sowie die beiden großen Teiche, den Ober- und Niedermooser Teich (s. Abb. 3). Für die Möglichkeit, diese kartographische Kostbarkeit in der Burg Lauterbach fotographieren und in diesem Heft publizieren zu dürfen, möchten wir Herrn Forstdirektor J. JESTAEDT, Lauterbach, unseren herzlichen Dank aussprechen. Es wäre für die heimische Naturkunde ein Gewinn und eine Anregung zugleich, wenn einmal durch eine vergleichende wissenschaftliche Untersuchung alle alten Karten- werke Osthessens zusammengestellt und ausgewertet würden.

1.3 Die Karte von 1582 mit dem „Teich bei Moos" und dem Graureiher Die Karte von 1582, die den Riedeselschen. Herrschaftsbereich mit Sitz in Schloß „Eysenbach" bei Lauterbach zeigt, ist gerade auch für den Vogelkundler von großem Wert. Die Windrose im oberen Teil des Blattes gibt an, daß (im Gegensatz zu heutigen Kartenwerken) der obere Kartenteil im Süden („Meridies") und der untere im Norden liegen. Die nach links fließenden Gewässer weisen in die östliche Richtung (zur Fulda hin), der rechte Kartenabschnitt (zum Oberwald) also nach Westen. Die Naxburg, eine bewaldete Anhöhe im Süden, als auch die in der Nähe liegenden Dörfer Gunzenau (Gunczena), Obermoos (Moß) sowie Niedermoos (Undermoß) liegen auf dem er- wähnten Ostplateau. Von ihm fließen nach drei Himmelsrichtungen Bäche in das be- nachbarte Land hinab: nach Süden die Salz (Salcz-fl.) und nach Südosten die Kemmete mit ihren beiden Quellbächen, dem Mengmesser Wasser und dem Hängsberger Wasser, das aus dem Reichloser Teich kommt. Der Moosbach beginnt seinen wenig gewundenen Lauf bei Obermoos, bildet und durchfließt den Obermooser und Nieder- mooser Teich und zieht über Metzlos und Zahmen in nordöstlicher Richtung weiter. Fast parallel zu ihm kommen der Lüderbach über Crainfeld (Kreinfelt) und die Schwarza über Veitsheim (Veitsham) vom Oberwald herab und vereinigen sich oberhalb Blanke- nau mit dem Moosbach zur wasserreichen Lüder. Einen stimmgabelförmigen Talgrund- riß wie die Lüder erkennen wir auch an der Altenfeld, die oberhalb Stockhausen, östlich des Basaltrandes, die Alte Hasel aufnimmt. Schloß Eisenbach (Eysenbach) liegt am Eisenbach, der sich oberhalb Lauterbach mit der Lauter vereinigt. Die alte Karte verdient unsere genaue Betrachtung, weil in ihr bereits der Obermooser Teich eingezeichnet ist. Er ist also, wenn man von dem kleinen heute nicht mehr vor- handenen Teich bei Crainfeld absieht, der älteste der Mooser Teiche und muß somit vor 1582 angelegt worden sein. Ein weiterer Nachweis für das Bestehen des Ober- mooser Teiches zu dieser Zeit ist seine Erwähnung in einer Urkunde. Als nämlich Erb- marschall A. HERMANN I Riedesel 1582 gestorben war, mußte über das Verhältnis der Riedesel zu den Erben ADOLF HERRMANNS entschieden werden. Deshalb fand am 30. 9.1582 in Alsfeld ein Familientreffen der Riedesel statt. Die Witwe URSULA „suchte ihr Wittum zu erweitern". Ihr wurde neben anderen Gütern „die Nutzung des Teiches zu Moos ganz zugesprochen" (BECKER 1927). Die alte Karte von 1582 erhielt durch die von Künstlerhand eingezeichneten Wildtiere und Jagdszenen eine erfreuliche Auflockerung. Man darf annehmen, daß der Zeichner nur solche Tiere eingetragen hat, die bekannte Jagdtiere waren und somit auch häufig (bzw. regelmäßig) angetroffen wurden. Der auf der Karte nördlich von Herbstein zu sehende Braunbär war damals noch freilebendes Wildtier in unseren Wäldern. Der letzte Vogelsberger Bär, ein alter Braunbär, wurde erst „1678 im Oberwalde (auf dem Vogelsberg) von dem riedeselschen Oberjäger ANDREAS JENNISCH durch einen Schuß erlegt" (LANDAU 1849). Für den Ornithologen bringt das Kartenbild eine besondere Überraschung: Ein in der typischen Haltung bei der Jagd befindlicher Graureiher, eingezeichnet unweit Vaitshain.

294 Offenbar hat der Graureiher auch im Riedeselschen Jagdwesen eine hervorragende Rolle — einfach als Jagdwild oder gelegentlich als Beute für die Falkenbeize — gespielt, sonst hätte ihn der Künstler in diesem dem Landesherren gewidmeten Kartenbild nicht festgehalten.

1.4 Die Anlage und Bewirtschaftung der Teiche unter der Riedeselschen Herrschaft Die Riedesel sind seit dem 14. Jahrhundert hessische Lehensleute und sind es, solange das Lehenswesen blühte (bis ins 19 Jahrhundert), geblieben. Sie waren auch noch zeit- weilig Lehensleute des Erzbischofs von Mainz und des Abtes von Fulda. 1428 erwählte HERMANN RIEDESEL für seinen Sohn JOHANN die MARGARETE von EISENBACH, Tochter des Ritters RORIG von EISENBACH, der im gleichen Jahre starb, als Gattin (Trauung der beiden Fünfjährigen 1428 in Fulda). Der hessische Landgraf trat für die Riedesel ein, „als es sich darum handelte, wem die Eisenbacher Lehen zufallen sollten. So verlieh Pfalzgraf LUDWIG dem HERMANN RIEDESEL 1428 auf Bitten Landgraf LUDWIGS den Berg Naxburg auf dem Vogelsberg gelegen, das Dorf Freiensteinau, das Dorf (Nieder-) Moos mit den Gerichten daselbst, Marken, Wassern, Weiden, Wildbännen, Holz, Feld und allen anderen Zugehörungen als ein nach dem Tode Ritter RORICHS heimgefallenes Lehen". So waren die Riedesel auch Lehensmannen des Pfalzgrafen am Rhein. 1457 beanspruchte aber Abt REINHARD von Fulda (1449-1472) ganz Freiensteinau, Niedermoos und die Naxburg als fuldisches Lehen. Die Riedesel behaupteten, daß das Lehen von der Pfalz herkomme. Ein Schiedsgericht 1458 gab keinen endgültigen Be- scheid. Seitdem war die Mooser Gegend im Riedeselschen Gebiet (BECKER 1923).

A.) Wann und von wem wurde der Obermooser Teich angelegt? Da bereits 1582 der Obermooser Teich bestand, kann man annehmen, daß die Riedesel in den Jahrzehnten seit 1428 dieses Gewässer in der Mulde des Moosbaches angelegt haben, indem sie eine Mauer aus herbeigefahrenen Basaltblöcken nahe am Dorfe Obermoos errichten ließen. Andererseits ist es aber auch möglich, daß dieser Teich schon vor 1428 durch das Stift Fulda geschaffen worden war. Mit der Bezeichnung „Wassern" im Lehensbrief von 1428 könnte neben Bächen auch dieser Teich gemeint sein. Aus folgenden Gründen ist es aber wenig wahrscheinlich, daß der Obermooser Teich bereits vor 1428 durch das Kloster Fulda angelegt worden ist: 1. Die Karpfenzucht ist hier auf dem Ostplateau wegen der ungeschützten Lage und Höhe (Ufer ca. 467 m NN) benachteiligt. Infolge relativ geringer Wassertemperatur wachsen die Karpfen langsamer als in tiefer gelegenen Zuchtteichen Mitteleuropas (Mitt. von Herrn Forstdirektor J. JESTAEDT, Lauterbach). 2. Das Kloster Fulda hatte zwar wie andere benediktinische Klöster im 10. Jahrhundert die ausschließliche Ernährung der Mönche mit Fisch- und Pflanzenkost aufgegeben, doch benötigte der Konvent auch noch in späteren Jahrhunderten regelmäßig Fische. Das Stift Fulda bezog diese aus seinen günstig in Niederungen gelegenen, großen, wenn auch oft entfernten, von eigenen Klosterfischern bewirtschafteten Teichen (z. B. Hammelburg, Salzungen) und aus kleineren Teichen in der Nähe des Klosters, z. B. in „Johannisbergh, Neuenhof" (SCHICK 1961). 3. Diese Fischereien des Klosters lagen an der Fulda, der Werra und der Fränkischen Saale, also in Schwerpunkten seines Besitztums und an Verkehrsstraßen mit Fuhr- werksverkehr. So konnten die Fische verhältnismäßig leicht und rasch nach Fulda ge- bracht werden (LÜBECK 1949).

295 B.) Die Anlage des Niedermooser Teiches Nachdem die Riedesel 1582 den „Teich zu Moos", den Obermooser Teich, bei ihrem Treffen in Alsfeld der Witwe URSULA zugesprochen hatten, entschlossen sie sich einen neuen Teich zwischen Ober- und Niedermoos, den Niedermooser Teich, anlegen zu lassen. BECKER (1927) nennt „die Herstellung des Teiches zwischen Ober- und Niedermoos" ein gemeinsames Werk der Riedesel". Nach dem am 4. 4. 1583 von dem Teichgräber Hans Breitenbach aus Hanau eingereichten Voranschlag sollte der Damm 51 Ruten zu je 18 Schuh lang, 5 Ruten und am Zapfen 4,5 Ruten breit werden. Die größte Tiefe sollte 20 Schuh betragen. Er wollte den Teich mit 30 Knechten in 18 Wochen fertigen. Er verlangte für sich als Wochenlohn 2 fl. für die Knechte als Tage- lohn 3 Batzen, so daß 684 fl bares Geld erfordert wurden. Man einigte sich auf 250 fl, dazu an Lebensmitteln 6 Viertel Korn, 3 Viertel Hafer, je ein Viertel Weizen und Erbsen, 1 Fuder Bier, 1 Zentner Speck, je 0,5 Zentner Butter und Käse". Mitteilungen über den Bau der Staumauer und die anderen Arbeiten während der An- lage des Niedermooser Teiches waren im Schrifttum nicht zu finden. Dieser dürfte wohl im Jahre 1583 oder wenig später gebaut worden sein. Lediglich ZSCHAECK (1957) er- wähnt den bestehenden Teich bei der Beschreibung der „Rebellion" der Mooser Bauern gegen die Riedesel (zu Anfang und Mitte des 17. Jahrhunderts) wegen der allzu drük- kenden Frondienste. Es waren seit den Tagen ADOLF HERMANN'S I. RIEDESEL (seit 1582) „die ungemessenen Dienste" vermehrt worden. Dazu gehörten auch die zu leistenden „Fischfahrten auf dem neuen Unterteich (Niedermooser Teich)". Offenbar nannte man den jüngeren Niedermooser Teich wegen seiner tieferen Lage den „Unter- teich" und den Obermooser den „Oberteich". Übrigens gehörten zu den vielen von den Bauern für den Landesherren an den Teichen zu leistenden Arbeiten neben ge- wöhnlichen wie zum Beispiel die Teiche „in Bau und Besserung zu halten" auch solche, die zu besonderen Zeiten auszuführen waren, wie am Obermooser Teich das Fangen der Fische und „diese gegen eine geringe Beisteuer nach Kesselstadt bei Hanau zu fahren" sowie den Weiher den ganzen Winter über mit Leibes- und Lebensgefahr vor dem Einfrieren zu bewahren" (ZSCHAECK 1957). Ähnliche von der Herrschaft genau testgesetzte Frondienste mußten an beiden Teichen ausgeführt werden, besonders bei der Fischerei (gegen Ende Oktober). Die wichtigsten Nutzfische waren Karpfen, Hecht, Schleie und Aal. Der Tag ,an dem der Weiher abgefischt wurde, war früher ein bekanntes Volksfest (ORTH 1959). Fischhändler aus Frankfurt, Hanau und Fulda kamen an den Teich, der gerade abgefischt wurde, suchten die Fische aus und kauften größere Mengen.

C.) Der Reichloser und der Rothenbach-Teich Der Reichloser Teich ist von der Riedeselschen Herrschaft erst 1717 angelegt worden. Er hat eine hohe Staumauer aus Basaltblöcken erhalten. Infolge der Tiefe des Teiches ist auch die Sommertemperatur des Wassers niedriger als in den flachen Mooser Tei- chen. Seine Karpfen waren (bzw. sind es noch) kleiner und konnten deshalb früher auch nur in den Nachbardörfern und im Fuldaer Land verkauft werden. (EBEL: Frh. Ried. S. A. III 14 Bd. V 1789 in: K. MAURER 1959). Im Unterschied zu den anderen drei großen Teichen war der Rothenbach-Teich nie im Besitz der Riedesel und ist auch nicht von ihnen angelegt worden. Crainfeld und der südlich angrenzende Wald „Rotenbach" gehörten zu Hessen. So wird auch der Teich von hessischer Seite aus, wahrscheinlich im 18. Jahrhundert — vielleicht zur gleichen Zeit wie der Reichloser Teich — geschaffen worden sein. Nachdem die Steinmauer des Dammes gebaut war, hat man den Bach, nämlich einen Nebenbach der oberen Lüder gestaut. Dieser Teich ist im Gegensatz zu den anderen Teichen ringsum von Wald (Rotenbach) umgeben. 296 2. Der Graureiherbestand im Mooser Teichgebiet (ERICH HEIDER, Fulda)

2.1 Sehr früher Nachweis des Graureihervorkommens

Der Graureiher ist der Charaktervogel der Mooser Teiche, und er wird es hoffentlich auch in Zukunft bleiben. Neben anderen interessanten Jagdtieren — Braunbär, Rothirsch, Schwarzwild — ist sein Vorkommen durch die Darstellung in der Karte von 1582 (Abb. 2) aus dem Werk „Die Riedesel zu Eisenbach. Geschichte des Geschlechts der Riedesel Freiherrn zu Eisen- bach, Erbmarschälle zu Hessen" (BECKER 1923) nachgewiesen (Abb. 4). Das Bild des Reihers in der Karte macht deutlich, welcher Stellenwert ihm als jagd- barer Vogel beigemessen wurde. Aus der Zeichnung geht allerding nicht hervor. mit welcher Jagdart (Beizjagd oder mit der Waffe) er erbeutet worden ist. Die Zeitge- schichte spricht jedoch für die Jagd mit dem Beizvogel. Sie spricht aber auch dafür, daß er vor 400 Jahren bereits im Bereich der Mooser Teiche, genauer gesagt, unweit von Vaitshain seinen Lebensraum hatte. Aus der Folgezeit fehlen uns verläßliche Daten über Reihervorkommen. Dennoch ist anzunehmen, daß er immer dagewesen ist. Die ältesten Beobachtungen entnehmen wir aus den Aufzeichnungen von LEONHARD FESSEL, Fulda, beginnend im Jahre 1929. Er hat die Graureiher im Bereich der Mooser Teiche zu allen Jahreszeiten angetroffen. Beispielsweise auch in den Monaten März und April. Er schreibt dazu: „An den Mooser Teichen nicht selten, er brütet auch dort; am zahlreichsten wenn die Teiche abgelassen sind". Eine nähere Beschreibung über den Brutplatz hat FESSEL nicht gegeben.

2.2 Die Reiherkolonie bei Rixfeld, Stockhausen und Vaitshain

Im ersten Nachkriegsjahr, April 1946, haben W. SUNKEL und ich die Kolonien bei Rixfeld und an der Straße Müs-Stockhausen aufgesucht. Die ca. 40 — 50 Horste stan- den in Rixfeld auf hiebreifen Fichten bzw. auf Weißtannen unmittelbar an einem Einzel- gehöft bei Stockhausen-Müs. Dort waren ca. 10 Horte. Mit der Übernahme der Jagdhoheit 1952 begann auch die Dezimierung der Reiherbe- stände in diesem Bereich. Unter den Horstbäumen lagen fortan abgeschossene Schrotpatronenhülsen. Die Rix- felder Reiher zogen wenige Jahre später nach und nach in die von der Straße nach Herbstein einzusehenden Alteichenbestände um. Nach FESSEL ist die Kolonie bei Stockhausen 1964 erloschen. Bei Rixfeld brüteten nur noch 5 — 6 Paare. Etwa zeitgleich hat die Besiedlung des „Wäldchens am Oppenrod" bei Vaitshain begonnen. Daß sie die Zahl der Brutpaare aus Rixfeld und Stockhausen nie erreicht hat, war wohl die Folge energischer Dezimierung durch die Fischereiberechtigten. Die Reiher hatten, wie man landesüblich sagt, eine glückliche Hand, als sie sich in den sechziger Jahren in dem Fichtenwald „im Oppenrod" bei Vaitshain ansiedelten. Sie fanden alsbald in dem benachbarten Landwirt LINK einen aufmerksamen Bewacher ihrer Kolonie. Als ich 1967 im Frühjahr in die Kolonie eingedrungen war, um mich über die Zahl der Brutpaare ins Bild zu setzen, wurde ich plötzlich von einem bewaffneten Mann gestellt. Er wollte wissen, was ich dort suche. Ich wies mich aus und setzte ihn über mein Vorhaben in Kenntnis. Er war der Jagdaufseher eines Frankfurter Jagdaus- übungsberechtigten. Die gestört über der Kolonie fliegenden Reiher hatten ihn auf den Plan gerufen. Im Verlauf unseres Gespräches schilderte er mir sein Interesse an dem Reihervorkommen, dessen Bewachung er sich zur Pflicht gemacht habe. Der Reiher gehöre zwar zu dem jagdbaren Wild, das sei aber nicht der Hauptgrund. Vor Jahren habe ihn sein Jagdherr gebeten, für seine Trophäenwand einen Reiher zu besorgen.

297 Abb. 4 Vergrößerung aus der Karte des Gebietes der Riedesel von 1582. Graureiher auf der Nahrungssuche.

298 Er habe es getan. Um den erlegten Vogel vor dem schnellen Verwesen zu bewahren, habe er ihm die Eingeweide herausgenommen. Der Mageninhalt habe aus 13 Feld- mäusen bestanden. Er bedauere heute noch, eine Kreatur getötet zu haben, die ihm in der Landwirtschaft durch ihre Mäusevertilgung so viel helfe. Gleiches werde er nie mehr tun. Er fühle sich deshalb verpflichtet, die Kolonie vor dem Zugriff Unbefugter zu schützen. Diese Auffassung hat ein Fischzüchter aus dem Fuldaer Land, der vorübergehend den Rothenbachteich gepachtet hatte, nicht geteilt. Er sah sich durch die Reiher wirtschaft- lich geschädigt und verlangte deren Abschuß. Als ihm das vom zuständigen Forstamt abgelehnt wurde, gab er die Bewirtschaftung des Teiches auf. Auf Antrag der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e. V. ist die Reiherkolonie am Oppenrod am 25. 3. 1974 durch Verordnung des Regierungspräsi- denten von Darmstadt unter Naturschutz gestellt worden. Als Naturschutzgebiete folg- ten im gleichen Jahr der Rothenbach, 1975 der Obermooser Teich und schließlich 1976 der Reichloser Teich, jeweils nebst Umfeld (s. u.). Anfang der 80er Jahre wurde die Kolonie „im Wäldchen am Oppenrod" eingezäunt. Nach menschlichem Ermessen ist damit für den Fortbestand der Reiher-Kolonie zumin- dest während der „Lebzeit" des Fichtenbestandes am Oppenrod alles getan worden. Der Bestand konnte sich seitdem bei starken jährlichen Schwankungen zwischen 5 und 20 Brutpaaren halten.

2.3 Über den Schutz des Graureihers Nach GEBHARDT & SUNKEL (1954) „Die Vögel Hessens" war der Reiher im Mittelalter das Hochwild des Falkners. Er genoß deshalb den Schutz der jagdfreudigen Landes- herren. Die Zerstörung der Horste war seinerzeit mit harten Strafen — Pranger, Landes- verweisung und Staupenschlag — bedroht. Ihre Bestände wurden durch Aufzucht junger Vögel in eigens erstellten Reiherhäusern vermehrt. Die Änderungen in den politischen Verhältnissen führten Ende des 18. Jahrhunderts zum Erlöschen der Falk- nereien. Alsbald wurden die bislang zum begehrten Jagdwild zählenden Reiher zum Raubzeug — heute die Bezeichnung für wildernde Hunde und Katzen, sowie für Raben- vögel — erklärt. Zum Dieb und Räuber verschrien, waren sie gegen Zahlung von Ab- schußprämien der gnadenlosen Verfolgung ausgesetzt. Es sei ein Wunder, so GEB- HARDT & SUNKEL (1954), daß sich dieser Großvogel bis in die heutige Zeit habe er- halten können. Es war nicht gerade die glücklichste Lösung, den an sich grauen Reiher als Fischreiher zu bezeichnen. Damit war ihm der Makel angeheftet, er lebe ausschließlich von Fischen. Das führte dann auch zu seiner gnadenlosen Verfolgung. Daß er auch andere Nah- rungstiere aufnimmt, möge das Beispiel von Jagdaufseher LINK und die reichliche Literatur hierzu verdeutlichen. Die Bemühungen, den Reiher als natürlichen Regulator zu rehabilitieren, führte zu der neuen Bezeichnung Graureiher und stellte ihn damit 'den auch nach dem Federkleid benannten Purpur-, Silber- und Seidenreihern gleich. Wer ihm übel will, geht aber dennoch von der Bezeichnung Fischreiher = Fischräuber nicht ab. Das Ende vieler Brutkolonien wurde durch systematischen Abschuß, aber auch durch rücksichtslose Veränderung der Landschaft und durch die Entfernung der Horstbäume herbeigeführt. Im Ergänzungsband „Die Vögel Hessens" sieht BERG-SCHLOSSER (1968) die Ursache des enormen Rückganges der Reiher ebenfalls in der Verfolgung durch Fischereiinteressenten. Einhergehend mit dem „Wirtschaftswunder" hatte die Anlage einer Großzahl von Fischteichen die Zahl der Todfeinde der Reiher noch um ein Vielfaches vermehrt. Das Verhalten dieser Minderheit decke sich aber nicht mit dem, was die breite Öffentlichkeit von den gesetzgebenden Organen als Sachwalter der All- gemeininteressen beanspruchen könne. Es sei und dürfe nicht nur das Anliegen eines

299 begrenzten Personenkreises sein, eine vom Aussterben bedrohte Art so zu schützen, daß auf weite Sicht die absolute Gefahr des Aussterbens verhindert werden müsse. Die Befürchtung des damals 55-jährigen Autors hat sich glücklicherweise an seinem 70. Geburtstag nicht bewahrheitet.

3. Zur Unterschutzstellung und geplanten Entwicklung der Teiche (WILLY BAUER, Frankfurt/Main)

Im Zuge ihrer Bemühungen, typische Landschaftsformen im Rahmen der naturräum- lichen Gliederung unseres Landes in repräsentativer Dichte langfristig zu sichern, beantragte die Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e. V. (HGON) am 10. 11. 1972 mit Unterschrift ihres damaligen Vorstandsmitgliedes, Dr. G. BERG- SCHLOSSER (Alsfeld) die Ausweisung der Teiche von Obermoos und Reichlos sowie des Rothenbach -Teiches (Vogelsbergkreis) als Naturschutzgebiete. Während die verfahrensrechtliche Behandlung des Rothenbach-Teiches als Staatseigen- tum relativ zügig erfolgte, mußten für die beiden übrigen Teiche mit den privaten Eigen- tümern langwierige Verhandlungen geführt werden, die sich vor allem mit der Ge- meinde Freiensteinau als sehr mühsam erwiesen. Für die eigentlichen Wasserflächen konnte schließlich ein Einverständnis mit der Riedeselschen Forstverwaltung gegen die Zusage auf uneigeschränkte Ausübung der Teichbewirtschaftung und gelegentlich erforderliche Holzeinlagerung erzielt werden, wobei die Eigentümer großzügig auf mögliche andere, lukrativere Nutzungen verzichteten. Die Zusagen der Gemeinde bzw. der Ortsverwaltungen Obermoos und Reichlos mußten dagegen Zug um Zug abge- rungen werden, verschärft um eigensüchtige oder auch nur politisch motivierte Quer- schläge verschiedener Gemeindepolitiker. Die Bevölkerung in den angrenzenden Dörfern wurde wegen „Eingriffe" in angebliche bestehende, jahrhunderte alte Rechte aus der „Fronzeit" gegen die Ziele des Naturschutzes aufgebracht. Obwohl diese „Rechte", wie von uns juristisch eindeutig belegt, längst erloschen sind, wurde im Laufe der Verhandlungen ein Zugeständnis nach dem anderen gemacht, so daß schließ- lich für beide Teiche 1975 (Obermoos) und 1976 (Reichlos) Verordnungen zustande kamen, die den Forderungen des Naturschutzes nur noch gerade ausreichend ent- sprachen. In der Zwischenzeit zeigte sich die Gemeinde Freiensteinau bereit, das Südufer des Obermooser Teiches an die HGON zu verpachten ebensoTeile des Ostufers miteinigen verfallenen Kleinteichen. Bemühungen gleicher Zielsetzung für einen Teil der gemein- deeigenen Flächen mit weiteren Kleinteichen am Nordufer des Obermooser Teiches scheiterten bisher wegen zu hoher Pachtforderungen. Auch gelang es den Behörden bisher nicht, den wilden Badebetrieb am Reichloser Teich auch nur einzudämmen, wie überhaupt die Überwachung der drei NSG vor allem an den Wochenenden während der Sommermonate bis heute noch völlig unzureichend ist. Der weiteren Entwicklung der Teiche kam ein Angebot der Riedeselschen Verwaltung sehr entgegen, 1980 den Reichloser Teich und ab 1983 den Obermooser Teich lang- fristig an die HGON zu verpachten. Nunmehr besteht erstmals im Rahmen ihrer viel- hundertjährigen Geschichte die Möglichkeit, alle drei Teiche ausschließlich nach den Erfordernissen des Naturschutzes zu „bewirtschaften", besser gesagt, zu pflegen. Voraussetzung hierfür ist eine gründliche wissenschaftliche Untersuchung der drei Schutzgebiete. Während ornithologische Daten — nicht zuletzt dank der jahrzehnte- langen Forschungstätigkeit unseres Jubilars — in ausreichendem Maße vorliegen, fehlte bisher aus anderen Disziplinen fast alles. 1981/ 82 unternahm B. NOWAK (Gie- ßen) — zeitweise mit Unterstützung von M. THIEME (Frankfurt/Main) — für die HGON eine flächendeckende pflanzensoziologische Bestandsaufnahme in den Schutzgebie- ten, die als Grundlage für einen gleichfalls von ihm erarbeiteten Entwurf für einen lang- fristigen Pflegeplan diente. Z. Z. läuft eine limnologische Untersuchung, ergänzt durch

300 Programme zur Erfassung der Amphibien und Reptilien sowie einiger entomologischer Taxa, die von M. VITTINGHOFF im Auftrage der HGON durchgeführt werden und u. a. als Basis für ein Artenschutzkonzept „Fische" dienen sollen. Die Grundlagen des Pflegeplan-Entwurfes und der schon absehbaren Ergänzungen lassen sich für alle drei Teiche wie folgt zusammenfassen:

(1) Erhaltung der Flächen offenen Wassers in ihrer bisherigen Ausdehnung.

(2) Aufbau einer Gesellschaft standortgerechter Fischarten, die sich langfristig selbst reguliert

(3) Rückzug jeglicher landwirtschaftlicher Intensivnutzung (einschließlich Koppelhal- tungen von Weidevieh) aus den Randzonen von Obermooser und Reichloser Teich mit nachfolgender Pflege zur Wiederausbildung der ursprünglichen Borstgras-Ge- sellschaften.

(4) Ersatz der noch vorhandenen Nadelholz-Bestände in den NSG's durch geeignete Laubbaumarten unter Offenhaltung großer, ufernaher Partien. Rücknahme der forstlichen Nutzung auf reine Pflegemaßnahmen.

(5) Integration der Klein- und Vorteiche in die zoologischen und botanischen Schutz- konzepte.

So hoffen wir, den Wünschen des Jubilars auf langfristige Sicherung der Teiche am ehesten entsprechen zu können. Gleichsam zum Lohn für die Bemühungen aller Betei- ligten erschien 1983 erstmals wieder seit 27 Jahren ein Paar Schwarzhalstaucher im Teichgebiet zur Brut.

4. Literatur

BECKER, E. E. (1923): Die Riedesel zu Eisenbach. Geschichte des Geschlechts der Riedesel Freiherrn zu Eisenbach, Erbmarschälle zu Hessen. Bd. 1.—Offenbach a. M. BECKER, E. E. (1927): Die Riedesel zu Eisenbach. Bd. 3.— Offenbach a. M.

BERG-SCHLOSSER, G. (1960): Die Vogelwelt der Mooser Teiche im östlichen Vogels- berg. — Vogelring 29: 63 — 76. BERG-SCHLOSSER, G. (1968): Die Vögel Hessens. Ergänzungsband. — Frankfurt a. M.

GEBHARDT, L. & W. SUNKEL (1954): Die Vögel Hessens. — Frankfurt a. M. HESS. MINISTERIUM FÜR LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN, Abt. WASSERWIRTSCHAFT (1959): Gewässer in Hessen; Gewässerkundliches Kartenwerk Hessen, Blatt 1 (1: 200 000), Wiesbaden.

JOST, 0. (1967): „Steinnester" und andere Anpassungsformen des Nestbaues der Wasseramsel (Cinclus cinclus aquaticus Bechst.). —1. Orn. 108: 349 — 352. LANDAU, G. (1849): Die Geschichte der Jagd und der Falknerei in beiden Hessen. Bei- träge zur Geschichte der Jagd und der Falknerei in Deutschland. — Kassel. LÜBECK, K. (1949): Fuldaer Studien. Geschichtliche Abhandlungen I. — Veröff. Fuldaer Gesch. Ver. 27. MAURER, K. (1959): Historische Nachrichten über die Mooser Teiche. — Lauterbacher Sammlungen 24: 3 —13.

301 ORTH, K. (1959): Das Fischen am Niedermooser Weiher. — Lauterbacher Sammlungen 24: 15— 17.

SCHICK, K. (1961): Fischweiher und Fischteiche im Gebiet des Stiftes Fulda. — Buchen- blätter 34: 70 — 71.

SCHULZE, W. (1959): Die Oberflächenformen des Vogelsberges. — Marburger Geogr. Schriften 13; Marburg/L.

SPILGER, L. (1935): Die älteste Karte des hohen Vogelsberges. — Volk und Scholle Jahrg. 1935: 111-114. TASCHE, H. (1859): Karten und Mitteilungen des mittelrheinischen geol. Vereins: Geologische Spezialkarte des Großherzogtums Hessen und der angrenzenden Landesgebiete; — Section Schotten (Gebiet des hohen Vogelsberges).

ZSCHAECK, F. (1975): Die Riedesel zu Eisenbach. Bd. 4. — Gießen.

Anschrift der Verfasser: WILLY BAUER, Schneckenhofstraße 35, 6000 Frankfurt/ Main 70 ERICH HEIDER, Petersberger Straße 82, 6400 Fulda Dr. OTTO JOST, Ederstraße 6, 6400 Fulda

302 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 303-312 (1983)

Kulturfolger, aber Zivilisationsflüchter - das Birkhuhn CLyrurus tetrix L.) in der Rhön und die Problematik seines Schutzes von FRANZ MÜLLER, Gersfeld

1. Einleitung Als Charaktervögel der Hochrhön geraten Birkhühner in den letzten Jahren zunehmend in den Blickpunkt allgemeinen Interesses. Das fand auch Niederschlag in zahlreichen Publikationen (MÜLLER 1971, DIETZEN 1978, GLÄNZER & DIETZEN 1978, MÜLLER 1980 und 1981, SCHRÖDER, DIETZEN & GLÄNZER 1982, KAISER 1982). Der rapide Rückgang der letzten noch einigermaßen überlebensfähigen Restpopulationen zwischen Norddeutscher Tiefebene und Alpen beunruhigt seit langem „private" Naturschützer und Vogelkundige und nur auf deren unermüdliche Initiative seit den 60er Jahren hat sich die Naturschutzbehörde endlich zu Schutzmaßnahmen entschlossen. Sie gipfelten in der Ausweisung von Naturschutzgebieten: In der hessischen Rhön wurde 1978 das 315 ha große NSG „Rotes Moor" sichergestellt und in der bayerischen Rhön im Früh- jahr 1982 das 2657 ha große NSG „ Lange Rhön" eingerichtet. Für beide ist die Erhal- tung des Birkhuhns Bestandteil des Schutzzieles. So erfreulich einerseits ist, daß die Erkenntnis sich allmählich durchsetzt, daß Artenschutz im Rahmen des Ökosystem- schutzes verwirklicht werden muß, so zweifelhaft erscheint es andererseits, ob die ent- sprechenden Verordnungen im Rahmen von Pflegeplänen rechtzeitig und wirkungsvoll verwirklicht werden können. Eine Vollzugspraxis von immerhin fünf Jahren im „Roten Moor" berechtigt jedenfalls nicht zu großen Hoffnungen, und möglicherweise behalten die Skeptiker Recht, daß hier wie so oft die Bemühungen zu spät kommen und das Birk- huhn ausstirbt. Auf die Behauptung, die Birkhühner in der Rhön seien Kulturflüchter, soll im folgenden näher eingegangen werden.

2. Zum Begriffspaar „Kulturfolger —Kulturflüchter" In jedem größeren Lexikon findet man die Definition: „Kulturfolger sind gewisse Pflan- zen- und Tierarten, die aufgrund der günstigen Lebensbedingungen den menschlichen Kulturbereich (Kulturbiotop, Kulturlandschaft) als Lebensraum bevorzugen bzw. sich darin ausbreiten. Solche günstigen Lebensbedingungen sind u. a. nahrungs- und brut- ökologische Vorteile". Als „Kulturflüchter" werden im Gegensatz dazu Arten bezeich- net, „die in Kulturlandschaften nicht mehr die erforderlichen Lebensbedingungen vor- finden und daher aussterben bzw. sich aus vom Menschen besiedelten Räumen, dem 'Kulturbereich', zurückziehen". In beiden Definitionen spielt also der Begriff „Kulturlandschaft" eine große Rolle, so daß kurz auf ihn eingegangen werden muß. Allgemein versteht man darunter die durch menschliche Gestaltung und Nutzung veränderte oder beeinflußte Naturlandschaft. Ent- sprechend den vielfältigen naturlandschaftlichen Grundlagen und den nach Kultur- kreisen und Wirtschaftsverhältnissen verschiedenen Prägekräften des Menschen kann man ein ganzes System von Kulturlandschaften aufstellen. Näher darauf einzugehen würde hier zu weit führen und ist auch gar nicht erforderlich. Es genügt festzuhalten, daß es wegen der Vielfalt von Kulturlandschaften nicht angehen kann, eine Art pauschal als „Kulturfolger" oder „Kulturflüchter" zu bezeichnen, sondern daß dieser Begriff jeweils in Beziehung zu einer bestimmten Kulturlandschaft gesetzt werden muß. Nicht einmal eine bestimmte Art darf in dieser Hinsicht pauschal beurteilt werden. Als Bei- spiel sei die allbekannte Amsel angeführt. Jeder aufmerksame Naturbeobachter weiß,

303 daß sich bei dieser Art die scheue „Waldamsel" und eine weitgehend an das Leben im urbanen Bereich angepaßte „ Stadtamsel" als Ökotypen unterscheiden lassen. Zwischen diesen Extremen gibt es noch Übergänge. Dies bedeutet, daß eigentlich jede Population einer Art getrennt beurteilt werden muß. Aus diesem Grund wurde das Thema bewußt auf die Birkhuhnpopulation der Rhön beschränkt.

3. Die Rhön als Kulturlandschaft—das Birkhuhn als Kulturfolger Die Rhön in ihrer Gesamtheit ist zweifellos eine Kulturlandschaft. Ursprünglich ein geschlossenes Laubwaldgebiet, wurde sie in mehreren Rodungsperioden besonders seit dem Mittelalter durch den Landwirtschaft treibenden Menschen geprägt, vor allem durch eine dem rauhen Klima angepaßte, extensive Grünlandbewirtschaftung mit Streu- wiesennutzung und Hutweide, in geringerem Umfang auch Ackerbau und Köhlerei. Erst dadurch entstanden Vegetationsstrukturen mit großer Artenvielfalt auch an tierischen Bewohnern und ziemlich hoher ökologischer Stabilität, welche den Lebensrauman- sprüchen des Birkhuhns im gesamten Jahresablauf gerecht werden. Ökologisch sind Birkhühner als typische „ Kampfwaldbewohner" eingenischt, d. h. unter natürlichen oder naturnahen Bedingungen nutzen sie Pioniergesellschaften des Waldes an der Grenze seiner Höhenverbreitung und zu Wasser, Sumpf, Moor oder Fels sowie Kata- strophenflächen (nach Einwirkung von Brand, Sturm, Lawinen, Überschwemmung u. ä.). In der Kulturlandschaft können ihnen vom Menschen geschaffene „ Ersatzkampfwälder" (Kahlschläge, junge Kulturen) bzw. „ Ersatzkatastrophenflächen" (extensiv landwirt- schaftlich genutzte und brachfallende Flächen) kurz- bis langfristig zusagen. Nach GLANZER & DIETZEN (1978) und eigenen Untersuchungen nutzt das Birkhuhn in der Rhön im Jahreszyklus verschiedene Vegetationszonen (s. Abb. 1). Der Funktions- kreis Ernährung deckt das weiteste Spektrum ab, der der Fortpflanzung das relativ geringste. Da der Funktionskreis Feindvermeidung alle anderen überlagert, müssen Vegetationshöhen von 10 cm und weniger bis hinauf zu etwa 5 m, welche insgesamt genutzt werden, möglichst nicht zu weit voneinander entfernt sein, d. h. die Art braucht ziemlich offene, aber trotzdem grenzlinienreiche Landschaftsteile. In der Rhön nutzt sie Pflanzengesellschaften, die entweder Reste von Naturlandschaften besiedeln (etwa Hochmoor- und andere Moorformen, Karpatenbirkenwald), als Pioniere in der Sukzes- sion bei der Wiederbewaldung auftreten (wie Staudenfluren, Gebüsche, Zwergstrauch- heiden) oder „Nutzflächen" des Menschen darstellen (Forstkulturen standortfremder Fichten und Lärchen, Extensivgrünland). Auch hier ist das Birkhuhn also „Kampfwald- bzw. Katastrophenflächenbewohner". Die einzelnen relevanten Vegetationsformen, die auch aus ökologischen und ästhetischen Gründen erhaltenswert sind, seien noch einmal detailliert betrachtet. — Moore: Von den vier Hochmooren der Rhön sind das Schwarze Moor und das Rote Moor die größten. Es wird oft behauptet, das Birkhuhn sei ein typischer Moorvogel. Dies trifft nicht zu. Zwar findet es in den Rhönmooren so wichtige Asungspflanzen wie Karpatenbirke, Rauschbeere, Heidelbeere und Wollgras, aber diese gibt es auch außerhalb. Die Gesamtfläche aller Moore in der Rhön von etwa 130 ha reichte bei weitem nicht aus, allein eine lebensfähige Population zu erhalten. — Karpatenbirkenwald: Besonders wichtig für das Birkhuhn in der Rhön ist der Karpa- tenbirkenwald, hauptsächlich seine Beerstrauch-Variante. Aber auch der Hainsimsen- sowie der Schachtelhalm-Karpatenbirkenwald sind bedeutsam. Außerdem wird vom Birkhuhn noch der bachbegleitende Erlensumpfwald genutzt, der allerdings auf kleine Flächen beschränkt ist. — Pioniergesellschaften: Hochstaudenfluren (mit Mädesüß, Himbeere u. a.), meist auf Brachen und Feuchtwiesen, bieten Unterschlupf und wegen ihres Kräuter- und Insek- tenreichtums gute Asungsmöglichkeiten. Zwergstrauchheiden finden sich auf Mooren

304

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Goldhafer Borstgras

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Klee Wegerich Löwenzahn

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oder naturnahe Vegetation bzw. ihre Reste

1111111111

vom Menschen geförderte bzw eingebrachte Arten

N- Natürliche K.

Ericaceen Wollgräser Seggen Trollblume Wiesenknöterich Rotschwingel Bergrispe Pippau

Buchweizen Sauerampfer

Hafer Rüben Kartoffel

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1111111

BRUT und KÜKENAUFZUCHT

11

RUHE und MAUSER

11111111111

Weißdorn Mädesüt3 Hirn-

NAHRUNGSSUCHE

BRACHFLÄCHEN, STAUDENFLUREN ZWERGSTRAUCHHEIDE N,FEUCHTWIESEN MÄHWIESEN

Lupine Knäuelgras

Weidenröschen Bärenklau

11

Fichte Lärche

Wacholder

INT

Die Nutzung verschiedener Zonen natürlicher oder naturnaher sowie durch

den Menschen geförderter Vegetation durch das Birkhuhn in der Rhön.

MOORRANDWALD, PIONIERGEHOLZE

Karpatenbirke Ohrweide Vogelbeere Moorkiefer

Grauerle Schwarzerle Aspe Buche Hasel Traubenholunder beere Kälberkropf Johanniskraut

5m

3 2

N Abb. 1 K (Moosbeere, Rauschbeere, Heidel- und Preiselbeere, Krähenbeere, Rosmarin- und Besenheide), aber auch außerhalb auf Extensivweiden, Brachen und Schlägen (Hei- delbeere, Besenheide). Für das Birkhuhn sind sie als Deckung und Nahrungsspender wichtig. Gebüsche erfüllen die gleiche Funktion, besonders Weißdorn, Hasel und Wacholder auf Extensivweiden und Ohrweiden auf Feuchtwiesen. Als Einzelbäume sind Ebereschen bedeutsam. — Land- und forstwirtschaftliche Nutzflächen: Erst die vom Menschen geschaffenen Extensivlandwirtschaftsflächen gaben in der Rhön dem Birkhuhn eine gesicherte Existenz. Früher wurden auch in höheren Lagen vorhandene Äcker (Buchweizen, Schwarzer Hafer) vom Birkhuhn aufgesucht, ebenso wie es — als es noch bis in die Vorberge hinab verbreitet war — Rüben- und Kartoffelfelder annahm. Auch die stei- nigen Hutweiden mit ihrer reichen Flora bieten ihm Lebensraum, allerdings weichen sie mehr und mehr intensiven Dauerweiden. Die für das Birkhuhn günstigste Land- nutzungsform der Rhön sind die sog. „Streuwiesen". Früher wurden viele von ihnen nur in trockenen Jahren genutzt und fielen vorübergehend brach, Staudenfluren siedelten sich an. Vor allem für das Balz- und Territorialverhalten der Hähne sind kurzrasige Mähwiesen, insbesondere Borstgrasrasen, wichtig. Dieses extensive Mähgrünland wird nur einmal im Jahr spät gemäht und nicht gedüngt. Deshalb be- herbergt es eine pflanzliche Artenvielfalt, die als Birkhuhnnahrung direkt oder indi- rekt (als Lebensgrundlage für Wirbellose, die zur Kükenaufzucht und Mauserzeit aufgenommen werden) eine Rolle spielt. Von seinen Lebensraumansprüchen her ist das Birkhuhn in der Rhön also als Kulturfolger einzustufen.

4. Zivilisatorische Einflüsse Die Rhöner Kulturlandschaft alter Prägung hat in den letzten Jahrzehnten durch andere, nämlich zivilisatorische Einflüsse des Menschen viel von ihrem einzigartigen Charakter eingebüßt. Teilflächen sind bereits reine Nutzlandschaft geworden. Dadurch wurden viele Pflanzen- und Tierarten geschädigt oder verdrängt, wozu auch das Birkhuhn zählt. Bevor auf diese Einflüsse näher eingegangen wird, einiges zur Definition der „Zivili- sation". Unsere größeren Lexika verstehen darunter „besonders den durch die Technik geformten Kulturbereich, der auf die Lebenshaltung ausgerichtet ist, im engeren Sinn die durch Wissen und Technik perfektionierten materiellen und sozialen Gegebenheiten einer Gesellschaft, u. a. Politik und Ökonomie". Die Entwicklung der Zivilisation wird unterschiedlich bewertet. Während eine ältere, optimistische Auffassung in ihr einen ständigen Fortschritt in der Veredlung der Lebensformen, der Verbesserung der Lebensumstände und im wachsenden Teilhaben der Menschen an den Kulturgütern sieht, weist eine neuere, objektivere und ökologisch ausgerichtete Bewertung beson- ders auch auf die Probleme der Massengesellschaft, der entpersönlichenderen Arbeits- bedingungen (arbeitsteilige Massenproduktion) und der Verflachung der Wert- und Sinnbezüge durch eine einseitige Orientierung an Konsum und Lebensstandard hin. In der Landschaft dokumentieren sich zivilisatorische Einflüsse u. a. als „Nutzlandschaft". Wie haben sich diese auf das Birkhuhn in der Rhön ausgewirkt bzw. wie hat es darauf reagiert?

4.1 Änderungen in der Land- und Forstwirtschaft: In der Landwirtschaft wurden die extensiven und daher nachhaltigen und ökologisch verträglichen Wirtschaftsweisen weitgehend aufgeben. Mähgrünland wird nun drai- niert, entsteint, für Maschineneinsatz geebnet und gedüngt, damit mehrmalige und vor allem frühe Mahd möglich ist. Dies verkraften nur wenige erwünschte, ertragreiche Gräser. Die Artenvielfalt aber, besonders der Kräuter, geht verloren, und da diese Kräuter Wirtspflanzen für viele niedere Tiere sind, auch die etwa der Schmetterlinge

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= Waldbestand vor 2 5Jahren = seitherige Fichten-Aufforstung Abb. 2 Birkhuhnbiotopschwund im NSG „Rotes Moor" und der näheren Umgebung durch Fichten-Aufforstung. (NSG-Grenze strich-punktiert)

307 und anderer Insekten. Weidegrünland wird gezäunt und als Standweite genutzt, was mit all seinen Begleiterscheinungen (wie Bodenverdichtung, Fäkaliendüngung, Tritt- und Weideschäden an Pflanzen) ebenfalls zu einer Artenverarmung führt. Brachland, Feuchtwiesen und anmoorige Stellen wurden inzwischen meist aufgeforstet, und zwar nach einseitig ökonomischen Gesichtspunkten mit nicht standortgerechten Nadelhölzern, insbesondere Fichte. Dies hatte anfangs sogar einen sehr fördernden Effekt für das Birkhuhn, denn die sehr weit gepflanzten, zunächst langsam wachsenden Kulturen sind eine „ Kampfwaldimitation", begünstigen Zwergsträucher als Nahrungs- basis und bieten zugleich auf engstem Raum Deckung. Spätestens im Dickungsalter aber stirbt die Bodenäsung unter den sich schließenden Kronen ab, das Birkhuhn kann in diesen Beständen nicht mehr fliegen und ist gegenüber Bodenfeinden im Nachteil. Betrachtet man die angewachsenen Flächenanteile der Fichtenaufforstung in der Hoch- rhön (s. Abb. 2), so kann sein Rückgang in dieser Region gar nicht verwundern.

4.2 Fremdenverkehr und Freizeitgestaltung: Neue Formen der Landnutzung, die zweifellos in den zivilisatorischen Bereich einzustu- fen sind, haben sich in der Rhön erst in den letzten Jahren fast flächendeckend etabiliert; der Fremdenverkehr und die Freizeitgestaltung in der Landschaft. Beide brachten ent- sprechende Maßnahmen der Erschließung und Möblierung der Landschaft mit sich und, weil diese konzeptionslos und ohne vernünftige Lenkung und Berücksichtigung ökolo- gischer Belange erfolgten, entsprechend vielfältige Störungen zu allen Jahreszeiten in die entlegensten Winkel. Aufgrund des überzogenen Anspruchdenkens der heutigen Konsumgesellschaft ließen sich diese bisher selbst durch Landschafts- und Natur- schutzgebietsverordnungen nicht einmal in einigen Landschaftsteilen eindämmen. Es sollen hier nur die dem Birkhuhn abträglichsten angeführt werden, vor allem am Bei- spiel der hessischen Rhön.

4.2.1 Skilanglauf: Mittlerweile sind in der hessischen Rhön über 130 km Langlaufloipen ausgewiesen. Dabei wurden ökologische und biologische Belange — so auch die des Birkhuhn- schutzes — völlig außer Acht gelassen. Trotz dieser vielen Loipen ist es den Natur- schutzbehörden bisher nicht gelungen, den ungeregelten Langlauf kreuz und quer zu unterbinden. Die damit verbundenen Störungen sind für das Birkhuhn sehr gravierend, weil sie seine ganze Überlebensstrategie bei Schneelage zunichte machen. Diese Vögel ruhen normalerweise (bei Tiefschnee sogar in isolierenden Schneehöhlen) viel, um Energie zu sparen und versuchen, die Nahrungsaufnahme auf eine intensive Periode gegen Mittag (wegen Kaloriensparens beim Auftauen im Kropf) zu beschränken. Auf- grund dauernder Störungen ist es den Vögeln unmöglich, während der hellen Phase des kurzen Wintertages auch nur fünf Minuten lang ungestört Nahrung aufzunehmen. Vielmehr werden sie fast pausenlos umhergescheucht und verbrauchen dabei letzte Energiereserven. Die Konsequenzen kann man sich leicht vorstellen (SCHERZINGER 1980).

4.2.2 Touristenrummel im Sommer—am Beispiel des NSG „Rotes Moor": Obwohl für dieses Gebiet nur ein Bohlenpfad im Moorbereich ausgewiesen ist, alle das Gebiet querenden Wege eingezogen wurden und Teile der Grenzen mit einge- zäunten Schutzhecken versehen wurden, wird es wegen immer noch mangelnder Be- schilderung und Effizienz der bisherigen Lenkungsmaßnahmen sowie fehlender Aufsicht von vielen Erholungssuchenden kreuz und quer überlaufen. Solche Störungen sind be- sonders zur Brut- und Kükenaufzuchtzeit schädlich, weil die Hennen dann oft das Ge- lege aufgeben bzw. beim Führen ständig Alarm geben müssen, wodurch die Nahrungs- suche der Jungen zu kurz kommt und diese geschwächt und von Krankheiten oder

308

Feinden dezimiert werden (MÜLLER 1977). Den Zusammenhang zwischen derAbnahme des Birkhuhns in diesem Gebiet und der Zunahme der Störungen dokumentiert Abb. 3. Die Zahl der Störungen ist hier als Jahresdurchschnitt der in diesem Gebiet während Beobachtungsvorgängen und Exkursionen pro Stunde registrierten Personen angege- ben. Leider liegen repräsentative Unterlagen über diese Störungen erst seit 1973 vor. Von diesem Jahr an ist der Zusammenhang zwischen diesem Faktor und dem Birkhuhn- rückgang statistisch gesichert (t < 0.01). Nach der Unterschutzstellung 1978 wäre zu erwarten gewesen, daß die Zahl der Störungen rückläufig ist oder wenigstens nicht weiter ansteigt. Das Gegenteil ist der Fall! Diese Graphik zeigt die Auswirkung der Zivilisation auf das Birkhuhn.

• Störungen (Personen pro h) 30 Zahl d.Birkhühner -• - • - gesamt • 70 - - - - nur dice d d auf dem Hauptbalzplatz

60- 25

50- Sicherstellung als NSG 20 (1.9.1978)

4o-

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30

• -10 20

-5 10

1966 '67 '68 '69 '70 '71 '72 '73 '74 '75 '76 '77 '78 '79 '80 '81 '82

Abb. 3 Rückgang des Birkhuhns und Zunahme von Störungen im NSG „Rotes Moor" und der näheren Umgebung.

309 4.2.3 Motorflugbetrieb: Im Gegensatz zu den langsamen Segelfliegern werden die schnelleren Motorflugzeuge (einschließlich Modelle) vom Birkhuhn aufgrund eines angeborenen Feindschemas als „Luftfeinde" angesehen und lösen Schreck- und Fluchtreaktionen aus (MÜLLER 1981). Trotz des Verbots, im LSG Rhön zu lärmen und im NSG wildlebende Tiere zu beun- ruhigen und sogar Drachen steigen zu lassen, ist es bis heute gerade erst gelungen, wenigstens die Modellfliegerei aus dem NSG herauszubekommen. Der Segler- Schlepp- flug und ungenehmigte kommerzielle Motorrundflüge von der nahen Wasserkuppe aus über das NSG hin sind leider immer noch möglich.

4.3 Militärische Übungen: Es ist unabdingbar, daß militärische Übungen in den entsprechenden Teilen der Hoch- rhön künftig unterbleiben, da sie allgemein die schützenswerte Flora und Fauna beein- trächtigen (SCHRÖDER 1980).

5. Naturschutz in der Hessischen und Bayerischen Rhön aus der Sicht des Birkhuhn- schutzes — Erfordernisse und Praxis Der Naturschutz hat in der Rhön vor allem zwei Aufgaben zu erfüllen: die Renaturierung und Erhaltung der typischen landeskulturell geprägten Landschaft und die Lenkung der Besucher zur Verminderung von Störungen. Dies bewirkt zugleich auch die Erhaltung des Birkhuhns. Grundlage dafür sind entsprechende Landschafts- und Naturschutzge- bietsverordnungen und Pflegepläne.

5.1 Biotoperhaltung und -verbesserung: Neben der Erhaltung und Regeneration von Mooren, der Förderung bzw. Wiederher- stellung von Karpatenbirkenwald, Feuchtwiesen und Extensivgrünland (einschürige Mähwiesen) ist besonders die Beseitigung der Fichtenaufforstungen notwendig. Dies gilt u. a. auch für das NSG „Rotes Moor" in Hessen, wo Fichten annähernd die Hälfte der Fläche einnehmen. Deren Beseitigung ist nach einem Stufenplan in der Pflege- planung vorgesehen, allerdings wurde das Soll anfangs nicht eingehalten. Auch soll offenbar — entgegen der Forderung der Pflegeplan-Kommission — ein Teil der Fichten erst nach Erreichen der Hiebsreife genutzt werden. Dies widerspricht jedoch dem vor- gegebenen Schutzziel und kann so nicht hingenommen werden. Auch im bayerischen NSG „Lange Rhön" wäre die Beseitigung der Fichten (insbesondere der sog. Helimuth- Aufforstungen) zur Verbesserung der Biotopqualität und -quantität erforderlich. Eine Pflegeplanung und ihre Verwirklichung ist hier ebenfalls dringend nötig. Als Sofortmaß- nahme müßten u. a. im nördlichen Bereich des „Schwarzen Moores" einige alte Entwäs- serungsgräben gestaut und dadurch eine Wiedervernässung eingeleitet werden. Im NSG „Rotes Moor"sind Wiedervernässungsmaßnahmen zwar schon begonnen worden, z. T. aber ohne Rücksicht auf die kritische Brut- und Aufzuchtzeit (dies gilt nicht nur im Hinblick auf das Birkhuhn!) Die gebotene Sorgfalt ist z. B. auch zu vermissen bei der an sich notwendigen und richtigen Einzäunung von Schutzheckenpflanzungen vor Jahren im Bereich des „Schwarzen Moores" und jetzt in einem kritischen Grenzbereich des NSG „Rotes Moor". Die kritischen Stellen an diesen Zäunen wurden bis heute nicht verblendet (Unfallgefahr für Birkhühner).

5.2 Besucherlenkung: Sie stellt ein besonderes Problem dar, da die Rhön inzwischen ein beliebtes Fremden- verkehrsgebiet geworden ist und sich dieser Trend durch entsprechende Planung und Werbung noch verstärken wird. Gerade deshalb ist eine sinnvolle und wirksame Be-

310 sucherlenkung nötig, wenn die Naturschutzziele erreicht werden sollen. Dabei müssen sich Naturschutz und Fremdenverkehr durchaus nicht ausschließen. Die Rhön als „ Land der offenen Fernen" ist eine ideale Landschaft für das Wandern — wozu einige gut ge- führte Wanderwege völlig ausreichen — und die „ stille Erholung". Zumindest die Kern- zone, zu der insbesondere die genannten großen Naturschutzgebiete zählen, muß vor weiterer „Erschließung" (Straßen, Parkplätze, Skilifte, Loipen) und Lärmbelästigung bewahrt werden. In Bezug auf die allgemeine Besucherlenkung (zu der auch Information gehört) ist auf bayerischer Seite im NSG „Lange Rhön" bereits nach wenigen Monaten schon einiges erreicht worden, in Hessen dagegen in den fünf Jahren seit Bestehen des NSG „Rotes Moor" noch wenig! Bereits vor 12 Jahren wurde in der Lokalpresse auf die besondere Gefährdung des Birkhuhns hingewiesen und vor dem sich damals bereits abzeichnen- den Ansteigen der Störungen durch ungezügelten Fremdenverkehr gewarnt (MÜLLER 1971). Während z. B. in der bayerischen Rhön im gesamten Landschaftsschutzgebiet (124000 ha) durch entsprechende Hinweisschilder das Parken nur auf ausgewiesenen Park- plätzen erlaubt ist, wurde es in der hessischen Rhön in den letzten Wintern ausgerech- net entlang der Ostgrenze des relativ kleinen NSG „Rotes Moor" auf der Bundesstraße (!) 278 gestattet. Im NSG „Lange Rhön" liegende Parkplätze werden nach außerhalb verlegt, hingegen sucht der Naturparkträger auf hessischer Seite z. B.weiternach Park- möglichkeiten in unmittelbarer Nähe des NSG „ Rotes Moor". Obwohl Maßnahmen wie Beschilderung, Verlegen bzw. Neuauszeichnen von Wander- wegen und Loipen sowie Überwachung kurzfristig zu verwirklichen sind, muß man sie auf hessischer Seite (z. B. im NSG „Rotes Moor") noch immer als unzureichend be- zeichnen. Die im Kapitel 4.2 beschriebenen gravierenden Störungen sind permanent gegeben. Eine ausreichende Information der Besucher vor Ort und der heimischen Bevölkerung über die Ziele des Naturschutzes fehlt immer noch, obwohl das bereits 1977 gefordert wurde. So mangelt es bis heute an wirksamer Aufsicht und Aufklärung, die das Verlassen des gekennzeichneten Moorpfades und Betreten und Zertrampeln etwa der Resthochmoorfläche und Flachmoorzone verhindern oder wenigstens deutlich eingeschränkt hätten. Im bayerischen NSG „Lange Rhön" existiert bereits eine Infor- mation der Besucher durch Merkblätter und eine regelmäßige und wirksame Über- wachung durch einen hauptamtlichen Naturschutzwart und die Bergwacht. Das noch intakte „Schwarze Moor" darf nur auf einem Bohlenweg betreten werden und ist seit langem eingezäunt. Der Bau einer erhöhten Aussichts- und Informationsplattform am Bohlenpfad im NSG „ Rotes Moor" ist eine notwendige Maßnahme zur Besucherlenkung. Aus unerfindlichen Gründen und gegen fachlichen Rat wurde sie an falscher Stelle und zur unrichtigen Zeit (während der Brut- und Aufzuchtperiode 1983) errichtet. Folge hiervon ist schon jetzt, daß u. a. die letzten im engeren Moorbereich lebenden Birkhühner verdrängt und Be- kassinen am Brüten gehindert wurden.

6. Schlußbetrachtungen Da die Hohe Rhön eine naturräumliche Einheit darstellt und auch die hier lebenden Birkhühner als Gesamtpopulation zu sehen sind, müßten endlich auch die Schutzbe- mühungen koordiniert werden. Bisher hat eine solche Kooperation des Naturschutzes über Ländergrenzen hinweg leider noch nicht stattgefunden. Sie sollte aber schnell- stens herbeigeführt werden. Es wäre m. E. Aufgabe des Bundes, der für Projekte auf beiden Seiten der Rhön enorme finanzielle Mittel und auch Forschungspotentiale zu- schießt, auf diese Kooperation bzw. eine Gesamtkonzeption zu drängen. Notwendig ist außerdem eine ökologische Verbindung zwischen den beiden großen Naturschutzgebieten über die Landesgrenze hinweg. Sie käme nicht nur dem Birkhuhn

311 zugute, sondern würde auch der räumlichen und genetischen Isolierung anderer gefähr- deter Tier- und Pflanzenarten vorbeugen. Eine solche Verbindung, der besonders die geschlossene Fichtenaufforstung zwischen Rotem Moor und Heidelstein im Wege steht, wird seit Jahren von Fachleuten aus synökologischen Gründen gefordert, und es sind dazu bereits Vorschläge gemacht worden. Von den Naturschutzbehörden wird eine solche Verbindung auch verbal anerkannt, ihre konkrete Planung und Verwirklichung steht jedoch noch aus. Es wird hierbei aber übersehen, daß dadurch das Schutzziel des NSG „ Rotes Moor" aus ökologischen Gründen in Frage gestellt wird. Wegen seiner Eigenschaft als Biotopindikator (MÜLLER 1978) ist das Birkhuhn Weiser für die Wirksamkeit der Naturschutzmaßnahmen in den beiden großen Naturschutzge- bieten in der Rhön. Sein anhaltender Rückgang (vgl. Abb. 3) dokumentiert u. a., was Naturschutz in dieser Landschaft eigentlich leisten sollte. Solange Naturschutzgebiete nicht in des Wortes wahrer Bedeutung Natur schützen und echte Refugien bedrohter Lebensgemeinschaften und ihrer Arten sein dürfen, sondern nur attraktive Reklame- schilder für noch mehr Naturkonsum durch ungelenkten Fremdenverkehr und zügellose Freizeitgestaltung, wird Naturschutz nicht als kulturelle Tat gelten können, sondern höchstens als „ zivilisatorische" im destruktiven Sinn.

7. Literatur DIETZEN, W. (1978): Das Ende vom Lied? — Nationalpark, Nr. 20: 6 — 9. GLÄNZER, U. & W. DIETZEN (1978): Bestandssituation des Birkwildes in Bayern. — Beitr. z. Avifauna d. Rheinlandes, 11: 87-101. KAISER, A. (1982): Birkwild in der Rhön — wie lange noch? — Kosmos, Nr. 1: 28 — 39. MÜLLER, F. (1971): Werden auch die letzten Waldhühner aussterben? — Buchenblätter (Beilage z. Fuldaer Ztg.) 44: 4: 13 —15, 5: 19 —20. MÜLLER, F. (1977): Wieviel Störung vertragen unsere Rauhfußhühner? — Nationalpark, Nr. 13: 9 —13. MÜLLER, F. (1978): Rauhfußhühner als Biotopindikatoren. — Jagd +Hege, St. Gallen 10, Nr. 6. MÜLLER, F. (1980): Zur derzeitigen Situation des Birkhuhns in Hessen. — Bei h. Veröff. Naturschutz Landschaftspflege Bad.-Württ., 16: 115 —122. MÜLLER, F. (1981): Erfahrungen und Planungen des Schutzes von Auer- und Birkhuhn in der Rhön. — MV-Nachrichten, Nr. 4: 17-19. SCHERZINGER, W. (1980): Auf der Suche nach den Mördern und Leichen. — Natur, Erstausgabe: 85 — 87. SCHRÖDER, W. (1980): Balzend in den Tod der Art: der Birkhahn. — Natur, Erstausgabe: 74 — 85. SCHRÖDER, W., W. DIETZEN & U. GLÄNZER (1982): Das Birkhuhn in Bayern. — Schr. reihe Naturschutz u. Landschaftspflege, Nr. 13; Bayer. Landesamt f. Umweltschutz, 79 S.

Anschrift des Verfassers: Dr. FRANZ MÜLLER, Hauptstraße 22, 6412 Gersfeld-Hettenhausen

312 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 313-319 (1983)

Die Dohle (Corvus monedula) - eine weitere bestandsgefährdete Vogelart in Hessen? von EDUARD METZ, GERHARD NEITZSCH und WERNER SCHINDLER, Solms

1. Einleitung und Problemstellung Seit alters her gehört die Dohle zu den hessischen Brutvögeln. GEBHARDT & SUNKEL (1954) bezeichnen sie als lückenhaft verbreitet. BERG-SCHLOSSER (1968) weist im Artkapitel Hohltaube darauf hin, daß die Dohle sich als Waldbrüter — wo sie fast völlig auf Schwarzspechthöhlen angewiesen ist — deutlich vermehrt habe, nicht selten unter Verdrängung der Hohltaube. Über negative Bestandsentwicklungen waldbrütender Dohlenpopulationen finden sich dagegen im hessischen Schrifttum der letzten Jahr- zehnte keine konkreten Angaben. Großflächige Bestandsermittlungen und brutbiologische Erhebungen über längere Zeit scheinen an der Art in Hessen bisher kaum durchgeführt worden zu sein. EineAusnahme bildet die Studie SCHOOF's (1977) über die gebäudebrütenden Bad Wildunger Dohlen, auf die im folgenden mehrfach Bezug genommen wird. So verwundert es nicht, daß sowohl der hessische Gesamtbrutbestand als auch dessen Aufteilung in Gebäude- und Waldbrüter nicht einmal näherungsweise bezifferbar sind. In den angrenzenden Bundesländern mangelt es offenbar ebenfalls an entsprechendem Datenmaterial (z. B. BEZZEL, LECHNER & RANFTL 1980, FRANZ & SARTOR 1979). In der Roten Liste der bestandsgefährdeten Brutvögel Hessens (6. Fassung 1980) und der Bundesrepublik Deutschlands (DS-JRV1981) ist die Dohle nicht aufgeführt. In Baden-Württemberg mußte die Art dagegen in die neue Fassung der Roten Liste auf- genommen werden (HOLZINGER 1983). In unserem Beobachtungsgebiet (Lahn-Dill-Kreis und angrenzende Gebiete) war die Dohle um 1970 als spärlicher Brutvogel bekannt, ohne daß nähere Angaben existiert hätten. Im Rahmen einer Bestandserhebung der Hohltaube im Hintertaunus erfaßten wir ab 1971 nahezu zwangsläufig auch den Brutbestand und den Bruterfolg der in diesem Gebiet waldbrütenden Dohlen. Ferner waren uns einige Brutplätze im östlichen Wester- wald bekannt. Etwa um 1980 mußten wir zu unserer Überraschung feststellen, daß zwar die Hohltaube ihren Bestand gehalten und — insbesondere durch die Maßnahmen des Altholzinselprogramms, daneben aber auch infolge der Sanierung unbenutzbarer Höh- len und Nistkastenbesiedlung _ sogar leicht verbesert hatte, die Dohle aber weitgehend unbemerkt verschwunden war. Eine Umfrage im Oktober 1983 ergab für andere mittel- hessische Waldgebiete nahezu deckungsgleiche Ergebnisse. Angesichts dieser alarmierenden Feststellungen wollen wir in der vorliegenden Arbeit versuchen, trotz der leider begrenzten und eher nebenbei gewonnenen Daten die Be- standsentwicklung der waldbrütenden Dohlenpopulation unseres Gebiets und weiterer mittelhessischer Landschaften darzustellen und die Gründe des Verschwindens zu dis- kutieren. Wir hoffen insbesondere, andere Beobachter zu diesbezüglichen Untersuchungen anzu- regen, um so genauere Kenntnisse über den Status der Dohle in Hessen und ggf. einzu- leitende Schutzmaßnahmen zu erlangen.

2. Material und Methode Die Daten wurden größtenteils gewonnen im Rahmen einer seit 1971 laufenden Be- standserfassung der Hohltaube auf 220 qkm im östlichen Hintertaunus (Raum Wetzlar —

313

Weilburg — Weilmünster — Waldsolms) sowie eines kleinen Bereichs des Unteren Westerwaldes (Raum Leun — Aßlar). Das Gebiet steigt von 150 m (Lahn) bis auf rund 400 m (Grävenwiesbach) an. Der Waldanteil liegt bei rund 5090 der Gesamtfläche, wobei der südliche, den Kernbereich des ehemaligen Dohlenvorkommens bildende Teil stärker bewaldet ist. Die Hauptbaumarten sind Buche und (zunehmend) Fichte, daneben finden sich auch größere Eichenbestände. Die Feldflur wird als Acker- und Grünland genutzt, Brachland ist von untergeordneter Bedeutung. Sie ist teilweise gut gegliedert, in anderen Bereichen dagegen recht ausgeräumt. Die sämtlich in Altbuchen angelegten Schwarzspechthöhlen (im Mittel rund 30), dis wenigen sonstigen „Naturhöhlen" sowie etwa 50 in den Jahren 1972-75 aufgehängte Holznistkästen wurden kartiert und mehrmals jährlich auf Besatz und Bruterfolg der Hohltaube kontrolliert. Die Besiedlung durch andere Großhöhlenbrüter wurde ebenfalls festgehalten, allerdings nicht lückenlos, so daß für die Dohle nicht aus jedem Jahr für alle Brutplätze Angaben vorliegen. Die Jungdohlen wurden überwiegend auch beringt. Bei, der Darstellung des Bruterfolgs haben wir die Daten außerhalb des Untersuchungs- gebiets gelegener Dohlenbrutplätze (östlicher Westerwald, Lahn-Dill-Kreis) mitver- wertet, bei der Bestandsentwicklung blieben sie außer Ansatz. Unseren Gewährsleuten sowie den zuständigen Forstbeamten, insbesondere der Forst- ämter Braunfels, Waldsolms, Weilmünster und Weilrod, danken wir für die freundliche Unterstützung.

3. Bestand und Bestandsentwicklung

3.1. Untersuchungsgebiet Hintertaunus Für die Anfangsjahre unserer Untersuchungen, etwa 1971 bis 1975, ist der Bestand recht konstant mit mindestens 12-15 Brutpaaren anzusetzen. Diese verteilten sich auf neun verschiedene Brutreviere, die jedoch nicht alle im gleichen Jahr besetzt waren. Je nach den vorhandenen Schwarzspechthöhlen siedelten pro Revier 1-6 Brutpaare. Nach Feststellungen auf Teilflächen, Auskünften von Forstbeamten und Nestern in den Bruthöhlen müßte zumindest dieser Ausgangsbestand auch in der zweiten Hälfte der 60er Jahre vorhanden gewesen sein. Bis etwa 1975 waren im südlichen Drittel des Er- hebungsgebiets nahezu alle Althölzer mit Schwarzspechthöhlen besiedelt, nicht selten sämtliche benutzbaren Höhlen, so daß die Hohltaube erst nach Abzug der Dohle zur Brut schreiten konnte. Vor allem an den Koloniebrutplätzen hielten sich regelmäßig zu Beginn der Brutzeit auch mehr Dohlen auf, als zur Brut schreiten konnten.

So zum Beispiel: Grävenwiesbach (6 Bruthöhlen) 20. 3. 1971 19 Ex. 4. 3. 1972 19 Ex. Niederkleen (3 Bruthöhlen) 9.4. 1972 14 Ex. Cleeberg (4 Bruthöhlen) 10. 3. 1974 20 Ex.

Die Schwarzspechthöhlen im größeren nördlichen Teil des Gebiets waren dagegen zumindest seit 1970 völlig dohlenfrei, ohne daß für uns ein Grund hierfür erkennbar gewesen wäre (zumal die Dohle als Gebäudebrüter hier seit Jahrzehnten in Braunfels bekannt ist). Erst nördlich der Lahn (Westerwald) tauchte die Art wieder als Wald- brüter auf. Etwa ab 1976 setzte dann eine zunächst beinahe unbeachtete Abnahme des Brutbe- stands ein, von der die Einzelbrutpaare wie die Koloniebrüter gleichermaßen betroffen waren. Der Niedergang der Population vollzog sich derart rasant, daß bereits 1979 das Brutvorkommen vollständig erloschen war. Seit dieser Zeit gelangen uns nicht einmal mehr Einzelbeobachtungen an den vormaligen Brutplätzen.

314 Tabelle 1: Bestandsentwicklung im Untersuchungsgebiet Hintertaunus

1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979-83 Kolonie Grävenwiesbach 6 6 5 5 4 2 1 — — Kolonie Niederkleen + 3 3 + 3 3 2 1 — mind. mind. mind. mind. Gesamtbestand 12 13 9 11 14 8 5 1 — Anmerkung: Die beiden Kolonien stellten die kopfstärksten Ansiedlungen dar, sie wur- den alljährlich kontrolliert. Die Schwankungen im Gesamtbestand 1971-74 resultieren vorwiegend aus Erfassungsgslücken (so fehlt 1972-73 ein Brutplatz, der 1974-75 mit jeweils 4 Paaren besiedelt war und der bereits vorher bestand). Auf eine Hochrechnung der Gesamtzahl haben wir be- wußt verzichtet. + =Brutplatz besetzt, genaue Paarzahl nicht notiert.

3.2. Andere Gebiete Mittelhessens Fuldaer Land: Ein seit langem existierender Bestand von etwa 12 Brutpaaren an min- destens drei Brutplätzen erlosch um 1980. Einzelheiten zur Bestandsentwicklung liegen nicht vor (HEIDER mdl.). Burgwald bei Marburg: In den 70er Jahren noch 6-8 Brutpaare in zwei Kleinkolonien in lockeren Althölzern, heute kein Brutvogel mehr (WEISS mdl.). Gladenbacher Bergland: In einem jahrzehntelang kontrollierten Schwarzspechtrevier brüteten regelmäßig 3-5 Dohlenpaare. Sie verschwanden zwischen 1975 und 1980. In der Umgegend bekannte, sporadisch kontrollierte Brutplätze sind heute ebenfalls ver- waist (BLUME mdl.). Nördliche Wetterau: Seit mindestens 1974 keine Brutfeststellungen mehr in den Wäl- dern um Lich und Hungen, wo die Art in den 60er Jahren in einigen Paaren vorkam (THÖRNER mdl.). Frankfurter Stadtwald: In den 50er und 60er Jahren regelmäßiger Brutvogel. Alle ihm aus dieser Zeit bekannten Brutplätze erwiesen sich bei einer Kontrolle 1983 als dohlen- frei (BAUER mdl.).

4. Diskussion der Rückgangsursachen Die genauen Gründe für Bestandsveränderungen von Vogelarten sind bekanntlich schwer feststellbar, da in der Regel komplexe Vorgänge wirken. Anhand des vorliegen- den Materials lassen sich jedoch verschiedene Faktoren aufzeigen, die nicht als Ur- sache in Frage kommen. Im Wege des Umkehrschlusses ist daher eine Eingrenzung möglich.

4.1. Bruthöhlenmangel Von 1971-75 wurden in vier Revieren Höhlenbäume eingeschlagen. Hierdurch verloren 3-4 Brutpare ihre Nistgelegenheiten, ohne daß in der näheren Umgebung Ersatz zur Verfügung gestanden hätte. Auf Grund von Vereinbarungen mit den Forstbeamten konnte die Mehrzahl der Höhlenbäume, darunter alle Schwerpunktvorkommen, jedoch erhalten werden. So wurde z. B. der gesamte Altbuchenbestand der größten Kolonie Grävenwiesbach mit über 7 ha Fläche dem Schutz des Altholzinselprogramms unter- stellt. Die Zahl der nutzbaren Höhlen im Untersuchungsgebiet erhöhte sich nach 1975 durch die Bautätigkeit des Schwarzspechtes und die Sanierung unbrauchbar geworde- ner Höhlen sogar etwas. Es kann also durch das Fällen von Brutbäumen möglicherweise eine Schwächung des Brutbestand in einigen Revieren herbeigeführt worden sein. Der völlige Niedergang

315 der Population in kurzer Zeit ist jedoch durch Mangel an Nistgelegenheiten keinesfalls zu erklären. In völliger Übereinstimmung betonen auch die weiteren Beobachter (s. 3.2)., daß die Höhlenzahl in ihren Gebieten eher zu- als abgenommen habe und als Grund des Rück- gangs nicht in Betracht kommen könne. In diesem Zusammenhang möchten wir ergänzungshalber anmerken, daß die Dohle die angebrachten Nistkästen verschiedener Art bis auf einen einzigen Fall—Aufhängung direkt vor der früheren Bruthöhle, da diese wassergefährdet war — nicht besiedelte; wiederum im Gegensatz zur Hohltaube.

4.2. Abwanderung der Waldbrüter in die Siedlungen Für eine Erhöhung des Anteils der Gebäudebrüter zu Lasten der Waldbrüter konnten wir keine Anhaltspunkte finden. Die vorliegenden Einzelbefunde weisen im Gegenteil auf Abnahme auch an städtischen Brutorten hin: Am traditionellen Brutplatz Braunfels war die Dohle vor zehn Jahren im Stadtbild merk- lich auffallender als heute. Es brüten allenfalls noch einige Paare. HEIDER teilt für Fulda einen Rückgang der Stadtpopulation mit. In Frankfurt mußte BAUER bei einer Nach- schau 1983 registrieren, daß vor rund 20 Jahren gut besiedelte Kolonien nicht mehr existierten. Neuansiedlungen in vorher unbewohnten Ortschaften konnten wir in unserem Untersuchungsgebiet nicht feststellen.

4.3. Menschliche Nachstellungen Seitens einzelner Jäger war zwar die Dohle im Revier nicht gern gesehen, da sie auf Grund deren lebhaften Verhaltens eine Vergrämung des Wildes in der Umgebung der Brutplätze befürchteten. Geduldet waren die Dohlen jedoch wohl überall. Verfolgungen, wie sie etwa SCHOOF nennt (Abschüsse in Obstgärten), sind uns weder in der Brutzeit noch im Winterhalbjahr bekannt geworden.

4.4. Gelegestärke und Bruterfolg In Übereinstimmung mit der Literatur fand SCHOOF bei von ihm 1949-55 in der Bad Wildunger Stadtkirche kontrollierten 47 Bruten überwiegend 5-6 Eier pro Gelege. Für 1950 errechnet sich aus den 12 Gelegen der Kolonie ein Mittelwert von 5,2 Eier. Aus den obigen 47 erfolgreichen Bruten wurden 152 Junge flügge, mithin 3,2 Junge je Brut. Demgegenüber stellten wir bei den in unserem Gebiet kontrollierten Gelegen (in ver- schiedenen Jahren und an verschiedenen Brutplätzen) deutlich schlechtere Werte fest.

Gelegegröße 21 Gelege ergaben einen Mittelwert von 3,8 Eiern pro Gelege. Eizahl 2 3 4 5 6 Gelegezahl — 7 12 2 — Unvollständige Gelege dürften sich unseres Erachtens nicht darunter befunden haben, da das früheste Kontrolldatum der 25.4. war und ab 15.5. bereits Junge beringt wurden. Nicht ausgefallene Eier verblieben meist bis zum Ende der Brutzeit im Nest.

Bruterfolg Tabelle 2: Sch üpferfolg und Nachwuchsrate Vollgelege abgelegte geschlüpfte flügge flügge Junge je Eier Junge Junge erfolgr. I angefang. 21 79 66 47 Brut 0/0 °/o der abgel. Eier der abgel. Eier 83,5 59,5 2,6 2,2

316 Obwohl auch der Anteil der nicht ausgefallenen Eier (13 von 79) nicht ganz unbeachtlich erscheint, sind besonders augenfällig die hohen Verluste im Nestlingsstadium. Von 66 geschlüpften Jungvögeln wurden 19 nicht flügge, also eine Verlustrate von über 30%. Zum weitaus überwiegenden Teil starben die Nestlinge im Alter von weniger als 10 Tagen. Möglicherweise ist die Sterberate sogar noch höher, da nach der Beringung in der Regel auf eine nochmalige Kontrolle verzichtet wurde (um die Höhlenbäume nicht über- mäßig zu beanspruchen). Vor allem in den letzten Jahren der Besetzung der einzelnen Brutplätze nahm die Morta- lität der Nestlinge so rapide zu, daß nur noch wenige Junge flügge wurden.

Tabelle 3: Mortalität der Jungvögel in den letzten Jahren der Besiedlung des Unter- suchungsgebiets

Junge Junge Sterbealter geschlüpft gestorben Grävenwiesbach 1975 4 1 unter 10 Tagen (2 von 4 Bp. untersucht) 4 2 desgl. Altenberg 1975 4 2 desgl. 1976 4 2 desgl. Niederkleen 1976 3 2 15. 5. 3 kl. Junge beringt, (2 von 3 Bp. untersucht) 22. 5. noch 2, 27. 5. noch 1 lebend 4 4 unter 10 Tagen 1978 4 3 desgl. 27 16 59,3°/o Sterberate!

Es liegt auf der Hand, daß diese hohe Ausfallquote zumindest einen schwerwiegenden Grund für die Abnahme des Brutbestandes darstellt. Wodurch aber ist sie verursacht? Mit hinreichender Sicherheit kann der Einfluß tierischer Feinde (Marder, Habicht, Waldkauz) ausgeschlossen werden, da die Jungen äußerlich unbeschädigt in den Höhlen lagen und Folgebrüter (z. B. Hohltaube) unbehelligt Junge aufzogen. Wir fanden auch keine Hinweise auf geschlagene Altvögel. Des weiteren waren die Höhlen selbst in gutem Zustand (vor allem trocken) und ließen keinen verstärkten Parasitenbefall erken- nen. Auch in den anderen mittelhessischen Gebieten wurden die Höhlen nach dem Ver- schwinden der Dohle weiter von anderen Arten genutzt, waren also ebenfalls noch in- takt.

4.5. Ernährung Es ist bekannt, daß sich die Nahrung der Dohle insbesonders zur Zeit der Jungenauf- zucht sehr vielseitig aus tierischen und pflanzlichen Anteilen zusammensetzt. Nach GLUTZ von BLOTZHEIM (1962) bilden Maikäfer und Engerlinge, wenn vorhanden den weitaus größten Anteil am Futter der Nestlinge. Gleiches schildert SCHOOF in anschau- licher Weise: Anfang der 50 er Jahre wurde die Brut vorwiegend mit Maikäfern gefüttert. Die Maikäfer wurden auf dem Umgang des Kirchturms zum Verfüttern hergerichtet, .. so daß man bis zu den Knöcheln in Maikäferteilen und Speiballen watete". Für das Aus- sterben der Bad Wildunger Dohlen macht er neben der Vertreibung von den Brutplätzen das Versiegen wichtiger Nahrungsquellen für die Jungenaufzucht (vor allem Großinsek- ten) sowie mit der Nahrung aufgenommene, sich im Körper anreichernde Giftstoffe verantwortlich. HEIDER (mdl.) ist ebenfalls der Überzeugung, daß der Rückgang der Dohle im Fuldaer Land seine Ursache in nichtausreichender Nahrung hat.

317 Über die Ernährung der Dohlenpopulation im Hintertaunus konnten wir nur wenige An- haltspunkte gewinnen. Bei den oft kilometerweit im Waldesinneren gelegenen Brut- plätzen stieß dies auf größere Schwierigkeiten. Die Brutvögel der am Waldrand gele- genen Kolonie Niederkleen sahen wir zur Brutzeit regelmäßig nahrungssuchend auf nahegelegenen, intensiv bewirtschafteten Ackerflächen. Da wir leider keine Gelegenheit hatten, die toten Jungvögel untersuchen zu lassen, müssen wir die Frage offen lassen, ob Nahrungsmangel und /oder Belastung mit Schad- stoffen für die Mortalität der Jungvögel und generell das Erlöschen der Population ur- sächlich waren. Da die unter 4. 1. bis 4. 3. diskutierten Gründe keine Erklärung zu liefern vermögen, andererseits aber die für die Jungenernährung so wichtigen Großinsekten drastisch abgenommen haben und weitere Nahrungsquellen (z. B. Mais, Getreidekeimlinge) zu- meist intensiver Biozidbehandlung unterliegen, befürchten auch wir, daß diesem Kom- plex wesentliche Bedeutung zukommen dürfte. Vielleicht spielt auch eine Rolle, daß gerade in den 1970 er Jahren fast alle Müllplätze in den Außenbereichen der Gemeinden geschlossen wurden. Sie stellten möglicherweise nach dem Versiegen anderer Nah- rungsquellen wichtige Sekundär-Nahrungsplätze dar.

5. Folgerungen und Anregungen Eine Vogelart ist als bedroht anzusehen, wenn sie in mehreren Teilen ihres einhei- mischen Verbreitungsgebiets zurückgeht oder verschwunden ist (DS-IRV 1981, 5. Fas. sung der Roten Liste der in der BR Deutschland gefährdeten Vogelarten). Aus der hessischen Roten Liste sind leider noch keine entsprechend nachvollziehbarem Einstu- fungsfaktoren ersichtlich. Da wir davon ausgehen, daß sinngemäß die gleichen Kriterien gelten, halten wir es für erforderlich, der Dohle bei der Erstellung der nächsten Fassung der hessischen Roten Liste besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Auf jahrweise Schwankungen in Bestand und Bruterfolg ist für die Art hingewiesen (GEBHARDT & SUNKEL 1954, GLUTZ von BLOTZHEIM 1962). Dies soll nicht außer acht bleiben. Angesichts des zumindest für weite Teile Mittelhessens feststehenden Er- löschens waldbrütender Populationen und Hinweisen auf Abnahme auch in Städten erscheint es uns jedoch eher möglich, daß bereits eine Bestandsgefährdung vorliegt.

Um Klarheit über Verbreitung und Häufigkeit der Dohle zu erhalten, regen wir folgendes an: a) Bestandsaufnahmen auf möglichst großer Fläche sind dringend erwünscht (gilt für Wald- und Siedlungsbrüter). Sämtliche in GEBHARDT & SUNKEL (1954) genannten Brutplätze sollten auf ihren heutigen Besatz geprüft werden. b) Wo immer unter Vermeidung unvertretbarer Störungen möglich, sollten brutbiolo- gische Daten (vor allem zum Bruterfolg) festgestellt werden. Insbesonders zugäng- liche Kolonien in Gebäuden bieten sich hierfür an. c) Untersuchungen zur Ernährung und Pestizidbelastung sind von großem Interesse. d) Zum Aufenthalt der heimischen Brutvögel (vor allem der Jungvögel) außerhalb der Brutzeit ist recht wenig bekannt. Eine Klärung erscheint wünschenswert. e) Wurden auch in anderen Regionen Hessens Bestandsveränderungen festgestellt? f) Zum Schutz der Niststätten der Gebäudebrüter sind bisher wenig systematische Anstrengungen unternommen worden. Hier sollten verstärkte Bemühungen ein- setzen (wie dies bereits erfolgreich bei der an vergleichbaren Orten brütenden Schleiereule praktiziert wird). Liegen positive Erfahrungen mit Nisthilfen vor?

318 6. Zusammenfassung Brutbestand und Bestandsentwicklung der Dohle sind in Hessen derzeit nur unzureichend bekannt. Feststellungen aus verschiedenen Naturräumen belegen ein nahezu totales Verschwinden der Art als Waldbrüter in weiten Bereichen Mittelhessens. In einem Untersuchungsgebiet von 220 qkm im Hintertaunus sank der vorher jahrelang konstante Bestand von 12 —15 Brutpaaren innerhalb von vier Jahren bis 1979 auf Null ab. Die Gründe dieses Verschwindens werden diskutiert. Brutplatzmangel, menschliche Nachstellungen, tierische Feinde und Abwanderung in die Siedlungen vermögen den Rückgang nicht zu erklären. Der Bruterfolg der Population erwies sich mit höchstens 2,2 Jungvögeln je angefangener Brut als sehr schlecht: geringe Gelegestärke, sehr hohe Sterblichkeitsrate der Nestlinge vor allem in den letzten Jahren der Besiedlung. Als zumindest mitursächlich für die ne- gative Entwicklung werden hier wie in anderen Gebieten derWegfall wichtigerNahrungs- quellen zur Jungenaufzucht und/oder Schadstoffbelastung befürchtet. Möglicherweise ist die Dohle in die nächste Fassung der Roten Liste der bestandsge- fährdeten Brutvogelarten Hessens aufzunehmen. Großflächige Erhebungen zur Bestandsentwicklung und zum Bruterfolg, Untersu- chungen zur Ernährung und Pestizidbelastung sowie der verstärkte Schutz der Brut- plätze erscheinen notwendig.

7. Literaturverzeichnis BERG-SCHLOSSER, G. (1968): Die Vögel Hessens — Ergänzungsband. Frankfurt am Main: S. 123-126. BEZZEL, E., F. LECHNER & H. RANFTL (1980): Arbeitsatlas der Brutvögel Bayerns. Kilda -Verlag, Greven: S. 170. DEUTSCHE SEKTION DES INTERNATIONALEN RATS FÜR VOGELSCHUTZ (1982): Rote Liste der in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin (West) gefährdeten Vogelarten. Ber. Dtsch. Sekt. Int. Rat Vogelschutz 21 (1981):17-18. FRANZ A. & J. SARTOR (1979): Die Vögel des Siegerlandes. Neunkirchen: S. 174 —175. GEBHARDT, L. & W. SUNKEL (1954): Die Vögel Hessens. Frankfurt am Main: S.118-121. GLUTZ v. BLOTZHEIM (1962): Die Brutvögel der Schweiz. Aarau: S. 597— 600. HÖLZINGER, 1. (1983): Informationsbrief für Avifaunisten in Baden-Württemberg Nr.87. SCHOOF, E. (1977): Die Bad Wildunger Dohlen — Bestandsentwicklung und Verhaltens- beobachtungen.Vogelkundl iche Hefte Waldeck— Frankenberg — Fritzlar— Homberg Nr. 3: 37-50. STAALICHE VOGELSCHUTZWARTE FÜR HESSEN, RHEINLAND-PFALZ UND SAAR- LAND (1980): Rote Liste der bestandsgefährdeten Vögel Hessens.

Anschrift der Verfasser: EDUARD METZ, Krautgärtenstraße 61, 6336 Solms GERHARD NEITZSCH, Burgweg 3, 6336 Solms WERNER SCHINDLER, Mainbachstraße 9, 6336 Solms

319 Neue Literatur

TROMMER, G. (1983): Greifvögel. — neubear. Aufl. 199 S., 16 Farbtafeln, 14 Farbfotos, 48 Schwarz-Weißfotos, 61 Zeichnungen, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart. Seit dem Erscheinen der ersten Auflage sind knapp 10 Jahre vergangen. An der Situation der Greifvögel jedoch hat sich nur wenig geändert.Wenn auch seit dem Inkrafttreten des neuen Bundesjagdgesetzes im Jahre 1976 nunmehr alle Greifvogelarten einen ganz- jährigen Schutz genießen, so versuchen seit rund 3 Jahren Jägerschaft und Brieftauben- züchter das Rad der Geschichte wieder zurückzudrehen, d. h. sie fordern die jagdliche Reduzierung von Habicht und Mäusebussard. Erschreckend erscheint dem Rezensenten die Argumentation, die als Erläuterung herangezogen wird. Sie macht deutlich, wie lückenhaft die Kenntnisse über Biologie und Ökologie bei solchen Antragstellern sind. Die nunmehr vorliegende 3. neubearbeitete Auflage kann dazu dienen, Wissenslücken zu schließen, und sie ist ein gutes Nachschlagewerk über all jene Aspekte, die zum Thema Greifvögel gehören. Vergleicht man die 1. Auflage mit der 3. so fällt die weitaus bessere Ausstattung ins Auge. Sowohl die Zeichnungen (farbig oder schwarz-weiß) wie die Fotos sind von hervorragender Qualität. Leider hat dies auch zwangsläufig seinen Niederschlag im Preis. Neben der Biologie der Vögel wird u. a. über die Falknerei, mög- liche Schutzmaßnahmen, die Haltung in Gefangenschaft, die Zucht, die verschiedenen Auswilderungsverfahren, die Krankheiten (der Autor selbst ist Tierarzt) und die ein- schlägigen gesetzlichen Bestimmungen berichtet. Ein Literatur- und Sachregister be- schließt den Inhalt. Insgesamt gesehen kann gesagt werden, daß das Buch seiner Ziel- setzung über Lebensweise, Schutz und Pflege der Greifvögel und Eulen zu informieren, gerecht wird. Auch die neue Auflage wird trotz des relativ hohen Preises ihren Käufer finden. W. KEIL

320 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 321-337 (1983)

Die Situation der Greifvögel im Rhein-Main-Gebiet zehn Jahre nach dem generellen Abschußverbot

von KLAUS HILLERICH, Groß-Umstadt

1. Einleitung Im letzten Jahrzehnt ist keine Diskussion um jagdbares Wild leidenschaftlicher geführt worden als die um das Für und Wider des Abschußverbotes für Greifvögel, das seit 1970/71 in Kraft ist. Dabei haben sich mancherorts die Fronten so verhärtet, daß die gegensätzlichen Ansichten über dieses Thema mehr und mehr von Emotionen getragen wurden als von der Vernunft und vom nötigen Sachverstand. Die natürlichen Be- dingungen wurden dabei oft völlig außer acht gelassen. Die Zeiten sind längst vorbei, da die Jagdpacht in Niederwildrevieren durch den Wert des erlegten Wildes überboten wurde. Solche Reviere lagen z. B. um das schon immer greifvogelreiche Naturschutzgebiet Kühkopf-Knoblochsaue. Die Ursache für den Rück- gang der Jagdstrecken kann nicht den Greifvögeln angelastet werden, wie dies leider von einem Teil der Jägerschaft geschieht. Sie ist vielmehr die Folge der Bevölkerungs- zunahme, der Mechanisierung und Motorisierung des gesamten Lebens, besonders bei der Landbewirtschaftung. Die explosionsartige Ausdehnung der Wohngebiete, die Zunahme der Industrieansiedlung und der Straßenbau haben vielen Wildarten den Lebensraum stark eingeengt. Wir machen es uns zu einfach, wenn wir Habicht und Mäusebussard dafür als die Sündenböcke abstempeln. Niemand bestreitet, daß Greifvögel bei der Nahrungsbeschaffung auch jagdbare Tiere schlagen. Sie aber als Ursache für den Rückgang von Rebhuhn, Fasan und Feldhase hinzustellen ist eine Ver- kennung der Tatsachen. Auf zwei weitere Punkte sei an dieser Stelle hingewiesen. Das ist einmal die Nutzung des Luftraumes durch den Menschen für den „Brieftaubentransport". Hier wird oft über „unerträgliche" Verluste unter den auf die Reise geschickten Tauben ebenso geklagt wie über die Beuteflüge des Habichts an für ihn besonders günstig gelegenen Taubenschlägen. Die Verluste bei extrem weiten Heimflügen (z. B. bis aus Ungarn) sind nur zum geringsten Teil auf Greifvögel zurückzuführen, sondern auf Er- mattung, Verfliegen usw. Sehr häufig findet man nach Reiseflügen ermattete, apathisch- wirkende und verstörte Tauben auf Gebäuden und in der offenen Landschaft sitzend. Wer den freien Luftraum für dieses Hobby nutzen möchte, sollte vorher bedenken, daß er ein unnatürliches Überangebot an potentieller Beute für den Habicht schafft. Wenn der Brieftaubentransport die Naturgesetze richtig verstanden hat, braucht der Habicht für ihn kein Ärgernis mehr zu sein. Der zweite Punkt ist die Greifvogeldiskussion vor dem Hintergrund der „Roten Liste für bestandsgefährdete Vogelarten". Schwarzspecht und Hohltaube sind die beiden Wichtigsten Vertreter dieser Liste, die auch auf der Beuteliste des Habichts stehen. Darum hat sich die Beringungsgemeinschaft ROTHMANN') die Bestandsentwicklung dieser Arten im Rahmen der wissenschaftlichen Vogelberingung zur Aufgabe gemacht. Die Sorge um andere Rote-Liste-Arten, bedingt durch die Zunahme des Habichts, hat sich als gegenstandslos erwiesen. Es konnten keine negativen Entwicklungen festge- stellt werden. Im Gegenteil: Im östlichen. Teil des Kreis Darmstadt-Dieburg (Raum Groß-

') Die Beringungsgemeinschaft ROTHMANN, über deren Ergebnisse hier berichtet wird, beteht aus folgenden Beringern: K. Hillerich, K.-H. Lang, R. Linder, K. Rothmann, S. Schönemann und H. Zettl.

321 Umstadt) zeigt die Hohltaube vielerorts eine positive Bestandsentwicklung, trotz gele- gentliche Rupfungsfunde. Die Greifvögel schlagen in erster Linie schwache und kranke Tiere und gehören zur „Gesundheitspolizei" in der Natur. Darum sollten alle an der Greifvogeldiskussion beteiligten Seiten im Interesse einer arten- und individuenreichen Niederwildpopulation die Lebensbedingungen vor allem für das Rebhuhn versuchen zu verbessern. Ein gene- relles Jagdverbot für diese Art wäre einer der wichtigsten ersten Schritte.

2. Die Ermittlung des Greifvogelbestandes im Naturschutzgebiet Kühkopf-Knoblochsaue im Jahre 1980 Im Zuge der kontroversen Greifvogeldiskussion wurde vom Hessischen Minister für Landesentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten für 1980 eine landesweite Bestandserhebung für Habicht und Mäusebussard angeordnet, an der sich Vertreter der Jägerschaft und der Naturschutzorganisationen beteiligten. Das Ergebnis der Zäh- lung brachte keinen überhöhten Bestand an Habicht- und Mäusebussard-Brutpaaren. Bei dieser Zählaktion wurden die Naturschutzgebiete nicht mit einbezogen. Da das Naturschutzgebiet „Kühkopf-Knoblochsaue" vor allem wegen seiner außergewöhnlich hohen Greifvogeldichte so bekannt wie wertvoll ist, wurde dort im gleichen Zeitraum von H. ZETTL eine Bestandserhebung durchgeführt.

2.1 Das Beobachtungsgebiet Es umfaßt das Naturschutzgebiet „Kühkopf-Knoblochsaue" sowie die nördlich und südlich angrenzenden Flächen mit Pappelreihen und eingestreuten Wäldchen (vorwie- gend landwirtschaftlich genutztes Gelände; s. Abb. 1). Mit 2377 ha handelt es sich um das größte hessische Naturschutzgebiet. Die „Kühkopfinsel" entstand 1829, als der Durchstich zur Abkürzung dieser großen Rheinschleife verwirklicht wurde. Inselseitig wurden auf den verlandeten Teilen der Altrheinarme ausgedehnte Kopfweidenbestände angelegt, die sogenannte Weichholzaue. Weiter nach innen schließt sich die Hartholz- aue an. Dieser nur noch an wenigen Stellen recht urwüchsige Auwald bedeckt die Insel im Norden und Osten zusammenhängend. Die übrigen Teile des „Kühkopfs" sind von miteinander verbundenen schmalen Waldstreifen, kleinen Wäldchen und Baumgruppen durchsetzt. An der breitesten Stelle im Ostteil ist der Auwald knapp 1 km breit. Die übrigen Flächen entfallen auf landwirtschaftlich genutzte Äcker und Wiesen. Aus- gedehnte Schilfbestände finden sich nur im Bereich des nördlichen Altrheinabschnitts vom „Kleinen Kühkopf" bis zur „ Krönkesinsel". Diese überaus reiche Strukturierung mit der damit verbundenen Vergrößerung der Waldrandzonen ist einer der Hauptgründe für den Artenreichtum der Insel. Bei der Knoblochsaue, dem nördlichen Teil des Natur- schutzgebiets, sorgen lediglich kleinere Wiesenstreifen für eine gewisse Auflockerung des Auwaldes. Allerdings wurden in den letzten 25 Jahren größere Flächen alter Eichen- bestände gerodet und zu einem nicht unerheblichen Teil mit Pappeln aufgeforstet. Durch die heranwachsenden Kulturen ist hier sekundär eine Höhenstrukturierung entstanden. Die wenigen verbliebenen Alteichenbestände sind heute für die dortige Greifvogel- population besonders attraktiv.

2.2 Durchführung der Bestandserhebung Die Durchführung der Greifvogel-Bestandserhebung wurde im Winter 1979/80 mit der Suche der Horste begonnen. Insgesamt konnten 235 Horste kartiert werden. Im Verlauf der Brutzeit in den Monaten April und Mai wurden die Horste auf Besatz überprüft. Außerdem wurde die Zeit vor dem Laubaustrieb genutzt, um neue Horste zu finden. Die Kriterien für einen besetzten Horst (=nachgewiesenes Brutpaar) waren: brütende Altvögel, Horste mit Jungen bzw. Horste mit deutlichen Kotspuren an den Ästen am Horstrand und Altvögel mit eindeutigem Revierverhalten in der Nähe gut ausgebauter

322 Naturschutzgebiet Kühkopf - Knoblochsaue

5

schwarz: Wasserfläche; weiß: offenes Gelände; fflM Weichholzaue:':* Auwald 1980 besetzte Horste: ■ Rotmilan (Milvus milvus) ä Schwarzmilan (Milvus migrans) • Mäusebussard (Buteo buteo) * Habicht (Accipiter gentilis) Rw Rohrweihe (Circus aeruginosus)

Abb. 1: Das Beobachtungsgebiet

323 Horste. Um unnötige Störungen zu vermeiden, genügte uns die Sichtbeobachtung des brütenden Altvogels. Leider konnten aus Zeitgründen die Horste in den Monaten Mai/ Juni nicht nochmals auf Bruterfolg untersucht werden. Zwei Rotmilan-Horste und fünf Schwarzmilan-Horste wurden zur Gewinnung brutbiolo- gischer Daten und zur Beringung der Jungen bestiegen.

2.3 Das Ergebnis der Zählung: In der Karte des Untersuchungsgebietes (Abb. 1) sind die nachgewiesenen Horste von Mäusebussard, Habicht, Rotmilan und Schwarzmilan durch Symbole gekennzeichnet. Die beiden nicht ausgefüllten Symbole markieren je ein nicht sicheres Brutpaar von Mäusebussard und Schwarzmilan. Turmfalke und Rohrweihe wurden ebenfalls nachge- wiesen. Vom Wespenbussard gelang kein Brutnachweis.

Mäusebussard: 33 Brutpaare (+ 1 unsicherer Nachweis) Habicht: 3 Brutpaare Rotmilan: 9 Brutpaare Schwarzmilan: 52 Brutpaare (+ 1 unsicherer Nachweis) Wespenbussard: nicht nachgewiesen Rohrweihe: 1 Brutpaar (+ 1 unsicherer Nachweis) Turmfalke: ca. 10 Brutpaare (geschätzt)

In der Literatur findet man für das Naturschutzgebiet „Kühkopf-Knoblochsaue" sehr unterschiedliche Bestandszahlen, besonders über den Schwarzmilan. Es handelt sich zumeist um sehr grobe und ungenaue Schätzungen in einer Schwankungsbreite von 7-55 Schwarzmilan-Brutpaaren. MEYBURG (1969) hat 1967 in einer umfassenden Zäh- lung im Naturschutzgebiet die genannten Arten erfaßt. Darum sollen insbesondere diese Arbeit, die Angaben von PFEIFER (1971) sowie eigene unveröffentlichte Zahlen zu Vergleichen und zur Bestandsentwicklung herangezogen werden.

Mäusebussard (Buteo buteo) 1980 brüteten im Untersuchungsgebiet 33 Paare, davon 8 außerhalb des Naturschutz- gebietes. Ein weiteres Brutpaar ist unsicher. MEYBURG (1969) ermittelte 1967 im Naturschutzgebiet „Kühkopf-Knoblochsaue"18 Paare, allerdings fehlt in seiner Zählung das Gebiet südlich des Altrheins bei Stockstadt, das ebenfalls noch zum Naturschutz- gebiet gehört, sowie die angrenzende Feldflur. Die vergleichbaren Zahlen sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt:

Brutbestand des Gesamt- davon angrenzende Mäusebussards NSG Kühkopf- Knoblochs- Gebiete nach Angaben von insel aue (s. Abb. 1)

1952 PFEIFER (geschätzt) > 10 ? ? ? 1967 MEYBURG (1969) 18 12 6 ? 1969 ZETTL (in PFEIFER 1971) 23 12 11 ? 1980 ZETTL 22 16 6 11

Aus diesen Zahlen läßt sich keinerlei Zunahme des Brutbestandes ableiten. Er ist viel- mehr nach unseren Beobachtungen konstant geblieben (trotz Jagdverbot!). Bei der Lage des Horstes fällt auf, daß der Mäusebussard Waldränder und Feldgehölze deutlich bevorzugt. Außerdem scheint er in jüngster Zeit die Kühkopfinsel gegenüber der Knoblochsaue vorzuziehen, was wohl in der reicheren Strukturierung der Insel begründet ist.

324 Habicht (Accipiter gentilis) 1980 wurden drei Brutpaare nachgewiesen: Ein Brutpaar in der Knoblochsaue (erfolglos), ein Brutpaar auf dem Kühkopf (erfolglos) und ein Brutpaar außerhalb des Naturschutz- gebietes (erfolglos). Bis zur Einführung der ganzjährigen Schonzeit für Greifvögel war der Habicht im Unter- suchungsgebiet ein sehr unregelmäßiger Brutvogel, was sicher auf die Bejagung zu- rückzuführen ist. PFEIFER nennt für 1928 und 1933 je ein Brutpaar. ROTHMANN fand 1949 zwei Brutpaare, beide auf dem Kühkopf (Eiswasser und Rinds- wörth). ZETTL registriert seit 1966 wieder regelmäßige Beobachtungen, vor allem zu Beginn der Brutzeit in den Monaten März und April. MEYBURG hat 1967 kein Brutpaar feststellen können. Die Beringungsgemeinschaft ROTHMANN hat nach dieser Zeit folgende Beobachtungen gemacht: 1970 erfolgreiche Brut mit zwei Jungen. 1971 erfolgreiche Brut mit einem Jungen und zwei nichtgeschlüpften Eiern. 27. 6. 1976 Habicht in der Knoblochsaue gehört. 26.6. 1978 Kühkopf, Eichwäldchen: Ein Exemplar gesehen (rupft Aaskrähe). 1.6. 1980 zwei erfolglose Bruten (Kühkopf und Knoblochsaue). 8. 6. 1981 erfolglose Brut in der Knoblochsaue. 7.6. 1982 erfolglose Brut auf dem Kühkopf. 15.5. 1983 Habicht brütet auf dem Kühkopf.

Nach unseren Beobachtungen ist der Habicht mit 1-2 Brutpaaren seit 1970 wieder regelmäßig Brutvogel im Naturschutzgebiet. Auffallend aber ist die Serie der erfolglosen Bruten in den letzten Jahren. Es ist zwar verwunderlich, daß er gerade im Naturschutz- gebiet so oft erfolglos gebrütet hat. Man muß aber davon ausgehen können, daß er hier besonders gut behütet ist und den vollen Schutz genießt. Für die Serie der Mißerfolge gibt es unseres Erachtens zwei Thesen: 1. Er Jagd häufig außerhalb des Naturschutzgebietes und jenseits der Landesgrenze und ist hierdurch evtl. Verfolgungen ausgesetzt. 2. Verstärkter Druck durch die hohe Schwarzmilan-Population.

Rotmilan (Milvus milvus) Er war 1980 mit 9 Brutpaaren sehr gut vertreten. Ein Paar brütete außerhalb des Natur- schutzgebietes. MEYBURG (1969) zählte 1967 nur vier brütende Paare sowie ein wei- teres nicht brütendes Paar. Nach unseren Unterlagen kommt jedoch ein Paar aus dem Osten der Insel hinzu (Kisselwörth); dort wurde am 7.6. 1967 ein ca. zwei Wochen alter Rotmilan im Horst beringt, so daß sich die Zahl der 1967 zur Brutzeit anwesenden Paare auf sechs erhöht. In den letzten Jahren hat offenbar in einigen Gebieten eine Umkehr zum Positiven in der Bestandsentwicklung des Rotmilans eingesetzt. So berichtet FIUCZYNSKI (1983 brieflich) von einer Umkehrung zugunsten des Rotmilans gegen- über dem Schwarzmilan im Raum Potsdam. STUBBE (1983) berichtet von einer beachtlichen Erhöhung der Brutdichte des Rotmilans im Harzvorland seit 1978. Auch in ORTLIEBs Monographie über den Rotmilan (1980) ist für das gleiche Gebiet seit 1960 eine ständig größer werdende Zahl von Brutpaaren dokumentiert. In einem 1300 ha großen geschlossenen Waldgebiet des „Haket" erreichte der Rotmilan mit durchschnittlich 107 Brutpaaren in den Jahren 1978-1982 eine wohl einmalige Brut- dichte.

325 Brutpaarbestand des Rotmilans Naturschutzgebiet nach Angaben von „Kühkopf-Knoblochsaue"

PFEIFER 1924-1927 10— 12 PFEIFER 1952 6— 7 MEYBURG 1967 5 (dazu 1 Brutpaar nach eigenen Beobach- tungen, das von MEYBURG nicht gefun- den wurde) ZETTL 1980 8 (dazu 1 Brutpaar außerhalb des Naturschutzgebietes)

Nach KRUG (1983) brüteten im Jahr 1980 im gesamten Kreis Groß-Gerau (ca. 453 km2) 22 Rotmilanpaare.

Schwarzmilan (Milvus migrans) Er scheint in Mitteleuropa nach wie vor hier im NSG „Kühkopf-Knoblochsaue" seine höchste Brutdichte zu haben. Der Brutbestand kann als stabil angesehen werden; die Zahlen von 1967 wurden leicht übertroffen. ZETTL ermittelte 1980 52 sichere Brutpaare, davon eins außerhalb des Naturschutzgebietes. Hinzu kommt ein unsicherer Brutnach- weis in der Knoblochsaue. 1967 zählte MEYBURG 46 Brutpaare sowie zwei unsichere Nachweise.

Brutpaarbestand des gesamtes Schwarzmilans Naturschutz- Kühkopf Knoblochs- außerhalb nach Angaben von gebiet aue des NSG PFEIFER 1940/41 ca. 50 PFEIFER 1952 ca. 30 MEYBURG 1967 46 22 24 ZETTL 1980 52 24 27 1

ROTHMANN erinnert sich, im Jahr 1949 oder 1950 auf dem „Kühkopf" einmal sechs tote Schwarzmilane und zwei tote Rohrweihen gefunden zu haben; ein Indiz dafür, daß die Angabe von PFEIFER (1952) tatsächlich auf einen geringeren Bestand an Schwarz- milan-Brutpaaren hinweist. Die Vögel könnten von den damaligen Besatzungstruppen geschossen worden sein. Die Zahlen von BODENSTEIN (brieflich an MAKATSCH 1953) 7-12 Brutpaare, MAR- TENS 12 Brutpaare und KINZELBACH 20 Brutpaare für die 60er Jahre (beide Angaben in BERG-SCHLOSSER 1968) sind nach unseren Beobachtungen viel zu niedrige Schätz- werte. Nach KRUG (1983) brüteten 1980 im gesamten Kreis Groß-Gerau (ca. 453 km2) 78 Schwarzmilanpaare (einschließlich NSG „Kühkopf-Knoblochsaue"). Während der Schwarzmilan im NSG Kühkopf-Knoblochsaue seinen Brutpaarbestand gehalten bzw. sogar leicht verbessert hat, beobachten wir für die weiter nördlich gele- genen Rheinauen seit Anfang der 60er Jahre zum Teil einen kontinuierlichen Rückgang bzw. stark schwankende Brutpaarzahlen. Für „Kornsand/Ludwigsaue, (ca. 5 km nördlich der Knoblochsaue) ermittelten wir 1959-1964 noch 12-15 Brutpaare, 1980-1983 waren es nur noch 2-3 Paare. Der Rotmilan, der im gleichen Gebiet bis 1972 regelmäßiger Brutvogel war, hat 1983 erstmals wieder gebrütet. Außer dem Ulmensterben ist in diesem Gebiet keine gravierende Änderung eingetreten. Ähnlich verhält es sich mit den Schwarzmilanpaaren abseits der großen Flüsse Rhein und Main. Im östlichenTeil des Kreises Darmstadt-Dieburg beobachteten wir inden 60er

326 Jahren eine Zunahme an Brutpaaren bzw. registrierten häufigere Sichtbeobachtungen (maximal 10 Brutpaare). Ende der 70er Jahre hat der Schwarzmilan dort ohne erkenn- bare Ursache regelmäßig besetzte Brutreviere wieder verlassen. 1980 brüteten im Alt- kreis Dieburg noch höchstens drei Paare.

Wespenbussard (Pernis apivorus) Von dieser Art ist uns 1980 kein Brutnachweis gelungen. Sichtbeobachtungen, verdäch- tige Horstfunde und gelegentliche Brutnachweise bestätigen die Annahme, daß regel- mäßig zwei Paare auf dem „Kühkopf" und in der „Knoblochsaue" brüten: 18.6.1963 ausgebauter Horst in der Knoblochsaue 1967 Brutnachweis durch MEYBURG (1969), Knoblochsaue 23.6.1968 erfolglose Brut, Knoblochsaue 9.6.1974 erfolgreiche Brut, Knoblochsaue 26.6.1975 ein Exemplar beobachtet, Knoblochsaue 21.6.1978 ausgebauter Horst, Kühkopf 30.6.1978 erfolglose Brut, Knoblochsaue 1.8.1979 erfolgreiche Brut, Kühkopf (HANDKE 1982) 7.6.1982 ein Exemplar beobachtet, Kühkopf.

Rohrweihe (Circus aeruginosus) Die stark schwankenden Wasserstände im Kühkopfgebiet sind wohl die Ursache dafür, daß die Rohrweihe 1980 (wie auch in früheren Jahren) nur in einem Brutpaar im Nord- westen des Kühkopfes vor der Krönkesinsel als Brutvogel beobachtet wurde. Dieser Brutplatz war schon 1964-66 besetzt (ZETTL in BERG-SCHLOSSER 1968). Ein weiteres Paar brütete südlich außerhalb des Naturschutzgebietes erfolgreich. In der unmittel- bar im Nordwesten angrenzenden „Wächterstatt" nennt ZETTL 1-2 weitere Brutpaare für 1980. Somit beträgt der Brutpaarbestand in und unmittelbar um das Kühkopfgebiet 3-4 Paare. Nach KRUG (1983) brüteten im gesamten Kreis Groß-Gerau 12 Paare, davon 6 im Schilf und 6 in Getreidefeldern. Der Brutbestand dieser Population entwickelt sich nach KRUG und SCHONEMANN wie folgt:

Bestandsentwicklung der Rohrweihe im Kreis Groß-Gerau

1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 Bruten gesamt 2 8 8 8 12 11 8 (3) im Schilf — 3 4 5 6 5 3 2 in Getreidefeldern 2 5 4 3 6 6 5 1 () Die Zahlen für 1983 sind, bedingt durch das extreme Hochwasser, leider unvollständig. Eine ähnlich gute Bestandsentwicklung haben wir für das NSG „Reinhelmer Teich" beobachten können (s. S. 328).

Turmfalke (Falco tinnunculus) Diese Art wurde nicht erfaßt. Die bekannten Brutplätze befinden sich im wesentlichen am Neurheinufer und in den Baumstreifen, die die Insel durchziehen. Außerdem werden kleine Feldgehölze außerhalb des Naturschutzgebietes besiedelt sowie das „Schuster- wörth" nördlich der Knoblochsaue. Der Turmfalke meidet offensichtlich den Auwald. Insgesamt schätzen wir den Brutbestand auf ca. 10 Paare. MEYBURG (1969) gibt für 1967 ebenfalls ca. 10 Paare an.

327 3. Zur Populationsdynamik der Rohrweihe (Circus aeruginosus) im Kreis Darmstadt-Dieburg Die Rohrweihe gilt in der Literatur als seltener Brutvogel, um deren Fortbestand man ernsthaft besorgt sein muß (BERG-SCHLOSSER 1968). So wurden bis Anfang der70 er Jahre jährlich nur 3-4 Bruten für das NSG „Kühkopf-Knoblochsaue" und die unmittel- bar angrenzenden Flächen gemeldet. Von 1977 bis 1982 beobachteten KRUG und SCHONEMANN einen Anstieg der Population auf 8-12 Brutpaare jährlich. Im Naturschutzgebiet „ Rheinheimer Teich" beobachteten wir einen ähnlichen Verlauf. In dem ca. 15 km ostsüdöstlich von Darmstadt gelegenen und etwa 75 ha großen Schilf- und Wiesengelände mit Buschgruppen und Wasserflächen wird die Rohrweihe aller- dings erst seit 1962 im Frühjahr regelmäßig beobachtet. Für 1965, 1966 und 1967 gelang jeweils ein Brutnachweis. 1981 und 1983 brüteten dort je 6 Paare erfolgreich. Außerdem brütete von 1979-1982 noch ein weiteres Paar im Altkreis Dieburg. 1983 (FRITZEN, mündl.) wurde noch ein dritter Brutplatz südwestlich von Darmstadt bekannt.

Die Rohrweihe als Brutvogel im Reinheimer Teich: zur Brutzeit beobachtet sichere Brutnachweise 1962 Erstbeobachtung 1965 eine Brut 1964 trägt Nistmaterial 1966 eine Brut erfolglos 1969 d und 1967 eine Brut erfolgreich 1970 or und? 1974 eine Brut erfolgreich 1977 drei Bruten erfolgreich 1978 eine Brut erfolgreich 1979 eine Brut erfolgreich 1980 drei Bruten erfolgreich 1981 sechs Bruten erfolgreich 1982 vier Bruten erfolgreich 1983 sechs Bruten erfolgreich

Für das relativ kleine Naturschutzgebiet ist das eine sehr beachtliche Brutdichte. ROTHMANN kennt aus dem Kreis Köthen in der DDR ein noch kleineres Schilfgebiet (17 ha) in dem 1975 20 sichere Rohrweihenbruten (und zwei Bruten der Großen Rohr- dommel) festgestellt wurden. Vier weitere Rohrweihen-Horste konnten wegen des un- zugänglichen Geländes nicht kontrolliert werden. Dort wie hier sind trotz der hohen Brutdichte Streitigkeiten über den Horstbereich nicht beobachtet worden. Auch für den Gimbsheimer Altrhein können die Zahlen nach oben korrigiert werden. BLUMAUER (in BERG-SCHLOSSER 1968) gibt für 1966 vier Brutpaare an. Nach unseren Beobachtungen dürften dort in den letzten drei Jahren durchschnittlich mindestens 10 Paare gebrütet haben. Was sind nun die Ursachen für diese erfreuliche Entwicklung? 1. Sicherung und Erhaltung wichtiger Brutbiotope. 2. Wandlung in der Wahl des Brutplatzes durch die Rohrweihe. Im Kreis Groß-Gerau ist die Rohrweihe zum ausgesprochenen Kulturfolger geworden. 50°/o der Paare brüten in Wintergerste- oder Roggenfeldern. Hier sind sie jedenfalls besser aufgehoben als in den kleinen Schilfstücken der Rheinauen mit dem sehr stark schwankenden Wasserstand. Doch der bessere Bruterfolg in der „Getreidesteppe" ist erst durch die intensive Schutzmaßnahmen von SCHONEMANN und KRUG sowie durch die Einsicht der Landwirte möglich geworden. Alljährlich haben die genannten Mitarbeiter die Horste gesucht. Zur Erntezeit wurde dann mit den betroffenen Land- wirten abgesprochen, ob ein Teil des Getreides um den Horst länger stehen bleibt oder oder ob die Jungen umgesetzt werden können. Verluste durch den Mähdrescher konn- ten somit ausgeschaltet werden.

328 Der wichtigste Grund für diese erfreuliche Entwicklung ist unseres Erachtens die Schon- zeit für alle Greifvögel seit 1970/71. Diese hat der Rohrweihe besonders gut getan„ denn als langsam und niedrig dahinstreifender bussardähnlicher Greifvogel ist in der Vergangenheit manche Weihe als Bussard geschossen worden. Die zeitliche Verzögerung der Bestandszunahme zum Abschußverbot erklärt sich so: Die Restpopulation benötigte zunächst eine gewisse Erholungsphase. Als genügend geschlechtsreife Junge herangewachsen waren, wurden alte Brutplätze wieder und geeignete neu besiedelt.Verzögernd hat sicherlich derweitere Abschuß von Greifvögeln („ Bussarde") in den ersten Jahren nach Inkrafttreten des Abschußverbotes gewirkt, wie uns aus Jagdstatistiken bekannt ist. Es sei an dieser Stelle ausdrücklich hervorgehoben, daß sich die Rohrweihe (auch nach Angaben der Jagdberechtigten am Reinheimer Teich) überwiegend von Mäusen ernäh- ren, die sie in der Feldflur oft mehrere km vom Brutplatz entfernt schlagen. Nach un- seren Beobachtungen werden während der Jungenaufzucht auch Kleinvögel (z. B. Feld- lerchen) gefüttert.

4. Die Wiesenweihe (Circus pygargus) im Kreis Darmstadt-Dieburg „In Hessen seit 1968 ausgerottet" war der Status der Wiesenweihe bis 1977. 1978 brü- tete sie erstmals wieder erfolgreich in Südhessen (2 Junge). Der Brutplatz war in einem Wintergerstenfeld. Seitdem ist sie wieder regelmäßiger Brutvogel in 1-2 Paaren: 1978 2 flügge Junge; 2 CC beobachtet. 1979 1 flügges Junge beobachtet. 1980 erfolgloser Brutversuch in einer Wiese; 2 d'cI. 1981 3 Junge, Bruterfolg nicht sicher; 2 CC beobachtet. 1982 4 flügge Junge, 1 Ei. 1983 2 erfolglose Bruten. Mindestens fünf der sieben nachgewiesenen Bruten erfolgten in Wintergerstenfeldern. Dank der Bereitschaft der Landwirte bei der Sicherung der Brutplätze hat es durch den Mähdrescher keine Verluste gegeben. Es ist durchaus möglich, daß es auch anderswo in Hessen Biotope gibt, die der Wiesenweihe als Brutplatz zusagen. Beobachtungen ab Anfang Mai lassen in der Regel auf potentielle Brutvögel schließen. Unsere Erfah- rungen geben wir gerne im persönlichen Gespräch weiter.

5. Die Entwicklung des Bruterfolges von Rot- und Schwarzmilan in den letzten fünf Jahren In einer früheren Veröffentlichung haben wir bereits über Gelegegröße und Bruterfolg von Greifvögeln berichtet (HILLERICH 1978). Die folgenden Daten von 1979-1983 (Mittelwerte aus den letzten 5 Jahren) sollen hier mit dem Mittelwert der 20 davor- liegenden Jahre (1959 —1978) verglichen werden (s. Abb. 2). Bei beiden Arten ist eine deutliche Zunahme der erfolglosen Bruten festzustellen: — Rotmilan Anstieg von 2 °/o auf 19 °/o — Schwarzmilan Anstieg von 2,6°/o auf 9,6 °A Die Verlustrate stieg wie folgt an: — Rotmilan von 6,0°/o auf 11,2% — Schwarzmilan von 8,5 0/0 auf 9,5°/0 Besonders gravierend ist der schlechte Bruterfolg beim Rotmilan in den letzten Jahren. Trotz der leicht gestiegenen Gelegegröße (um + 8°/o) fliegen im Schnitt weniger Junge pro Brut aus als in den Jahren vor 1979. Bei der Vergleichszahl aus den früheren Jahren mag uns die eine oder andere erfolglose Brut entgangen sein, so daß von einer etwas höheren Verlustquote ausgegangen werden könnte. Da wir jedoch nach wie vor mit der gleichen Intensität in demselben Gebiet beobachten, muß eine tatsächlich höhere Ver-

329

Brutbiologische Daten der Greifvögel im Rhein-Main-Gebiet (Vergleich 1979 -1983 mit den Jahren davor) Rotmilan 1979 - 1983 1959 - 1978 2,52 2,34 ---(n = 100 Bruten) Gelegegröße Eier 'Brut (n=46)

2,18.--(n=101).•Bruterfolg-- flügge Junge/Brut. • (n= 53)-1,94

(21104)— erfolglose Bruten-(1ol53)-19 1 • (14/234) Einzelverluste (13/116)1190 ••• 6% • 1 (Eier u. Junge) • • • • • • 2 °/ • • • • erfreuliche bedenkliche Tendenz Zunahme Schwarzmilan 1979 - 1983 1960 - 1978 2,19 2,21 ( n = 304 Bruten) • Gelegegröße (n=48)

2,03 --(n - 306) Bruterfolg (n - 52)

(8 /306) • erfolglose Bruten-- (6/62)- - 9,6 ° 1 • • 1• . 9,5 9' • • • 8,5 (Y0 Einzelverluste • • •• • (57/672) (10/105) • 2,6Y •• • • • • • • • • • t Abb. 2 deutliche Zunahme

330 Abb. 3: Toter Rotmilan am Horstrand; der Brutpartner lag tot unter dem Horstbaum neben einer toten (vergifteten?) Krähe. Das Gelege wurde nach dem Tod der Milane vermutlich von Krähen zerstört.

331 lustrate angenommen werden. Es deutet alles darauf hin, daß die meisten der erfolg- losen Bruten die Opfer von Vergiftungen sind: Erfolglose Rotmilanbruten 1979 Naturschutzgebiet Kühkopf-Knoblochsaue: Ein toter Altvogel am Boden in Horstnähe; im Horst die Schalen von drei Eiern, sowie ein zweiter toter Altvogel. Untersuchung nicht mehr möglich, da bereits mumifiziert. (Abb. 3) 1980 Groß-Bieberau, Staatsforst: Zwei flügge Junge und ein Altvogel tot am Horst. Befund des staatlichen Veterinär- untersuchungsamtes in Frankfurt: Vergiftung, Tod durch Parathion (E 605). (Abb. 4) 1981 Groß-Gerau, Staatsforst Abteilung 42: Ein Altvogel und ein Nestling tot im Horst und stark verwest. Im Kropfbereich des Altvogels keine Fliegenmaden im Gegensatz zum Rest des Kadavers. Taube als Beute.

Abb. 4: Opfer einer gezielten (?) Vergiftungsaktion (hier nachweislich durch Parathion oder E 605): adulter Rotmilan und zwei flügge Jungvögel (1 juv. unter dem Horstbaum). Die Bauchlage mit ausgebreiteten Schwingen und verkrampften Fängen isttypisch für solche Vergiftungen.

332 Erfolglose Schwarzmilanbruten 1980 Wolfskehlen: Zwei Junge tot im Horst, leicht verwest; Altvogel hudert noch! Ein Fisch als Beute. (Abb. 5) Besonders erwähnenswerte Verluste aus früheren Jahren: 1964 Kühkopf, Eiswasser: Drei Junge im Horst, eins davon normal entwickelt, zwei Junge mit Mißbildungen der Extremitäten; nicht selbständig lebensfähig. 1965 Ludwigsaue: Drei tote Junge im Horst.

Abb. 5: Zwei tote junge Schwarzmilane. Die pathologische Untersuchung ergab jedoch keinen konkreten Hinweis auf eine bestimmte Todesursache.

333 6. Das Habicht-Bussard-„Problem" Anlaß der 1980 durchgeführten Zählung dieser beiden Arten waren die Klagen der Jägerschaft und sicher auch der „Rückenwind" von den Brieftaubenfreunden. Da wurde in der Diskussion immer wieder von einer Übervermehrung vor allem des Mäusebus- sards gesprochen. Das Niederwild, vor allem Rebhuhn, Fasan und Feldhase, hätten kaum eine Chance gegenüber den Attacken dieser beiden Greifvogelarten. Wie ein- gangs schon erwähnt, hat die Greifvogelzählung 1980 in Hessen für kein Gebiet einen erhöhten Bestand an Mäusebussarden oder Habichten ergeben. Die nach dem Ab- schußverbot befürchtete „Oberpopulation" ist in den bisher 13 vergangenen Jahren ausgeblieben. Die häufigeren Sichtbeobachtungen des Mäusebussards sind meist darin begründet, daß die Vögel in der ausgeräumten Landschaft Leitungsmaste, einzelstehende Bäume oder Weidezaunpfosten in der Nähe von Straßen als Sitzwarte benutzen und darum von vielen Menschen regelmäßig gesehen werden. Im Verlaufe mancher Winter bis zum zeitigen Frühjahr werden gelegentlich auf Wiesen große Ansammlungen von Mäusebus- sarden beobachtet. In Mäusejahren gehen die Vögel dort der Mäusejagd nach. In nas- sen mäusearmen Jahren werden aber oft Regenwürmer in großer Zahl als Nahrung auf- genommen, wie durch Beobachtungen und Sektionsberichte belegt ist. Die winterliche Mäusebussard-Population konzentriert sich naturgemäß auf den günstigen Nahrungs- biotop. Teilweise handelt es sich um Zuzügler aus Nordosten. Doch können wir die Bedenken, daß der Bussard in „unerträglicher Massierung" das Niederwild gerade in der kalten Jahreszeit besonders bedroht, widerlegen, da ein Teil unserer einheimischen Bussarde ebenfalls im Winter wegzieht. Auslandsfunde beringter Bussarde haben das bestätigt. Der Habicht brütet dort wieder, wo er auch schon früher gelegentlich gebrütet hat. In der Rheinebene, die überwiegend frei ist von größeren Waldungen, hat er auch Feldgehölze besiedelt. Da genaue Bestandszahlen aus früheren Jahrzehnten fehlten, kann nicht generell von einer Zunahme der Brutpaarzahlen gesprochen werden, zumal der frühere Bestand durch die intensive Bejagung unnatürlich niedrig gehalten wurde. In manchen Gebieten ist tatsächlich bis 1977 die Brutpaarzahl gestiegen. Auffallend war dabei, daß vielerorts nach Einführung der Schonzeit die Sichtbeobachtungen von Habichten zuge- nommen haben. Nach unseren Untersuchungen ist die Zahl der Brutpaare nach 1977 zunächst konstant geblieben. 1980 brüteten z. B. in den Wäldern nördlich von Groß-Gerau 10 Habicht- paare; 1981 noch 9 Paare; 1982 waren dort nur noch 2 der bekannten Horste besetzt! So häufig wie allgemein angenommen wird, wechselt der Habicht seinen Horst nicht. Wir kennen mehrere Horste, die mindestens schon 5 — 8 Jahre ununterbrochen besetzt sind. 1983 haben wir im Raum Groß-Gerau gründlicher nachgesucht und fanden bis Ende April fünf besetzte Horste. Drei Paare waren dabei bis Anfang Juni ohne Bruterfolg. In zwei Fällen konnten im Horst Eierschalen nachgewiesen werden. Wir stellen fest: — Der Habichtsbestand hat zunächst örtlich zugenommen. — Es folgte eine Phase der Stabilisierung. — Die aktuelle Tendenz ist rückläufig. — Der Bruterfolg wird zunehmend schlechter. Angesichts dieser Tatsachen erübrigen sich weitere Bestrebungen um die Wiederein- führung einer Jagdzeit für den Habicht. Den brutbiologischen Daten (s. Abb. 6) kann entnommen werden, daß Gelegegröße und Bruterfolg in den letzten fünf Jahren im Schnitt stagnieren, die Verluste aber zugenom- men haben. Ähnliches gilt auch für den Mäusebussard. Auch er braucht keine Regulierung durch den Menschen. Im Vergleich von 1979-1983 mit den Jahren zuvor zeigte er eine Abnahme

334

Brutbiologische Daten im Vergleich 1979 - 1983 mit den Jahren davor

Mäusebussard

1959 19 78 1979 19 83

2,3 (n= 15 Bruten) Gelegegröge Eier/Brut = 20)-

20) Bruterfolg...• flügge Junge/ Brut•-•(n. 40)••• 16% (1/ 23)erfolglose Bruten -(8 / 51) 12% (4/ 34 )••• • • Einzelverluste (3/36)-9 % • •.• Eier u. Junge • • • • 4 .96 ••• •• • • • •. •••• O. I. •• • t Zunahme deutliche Abnahme

Habicht

1964 19 78 1979 1983

2,8 (n = 27 Bruten) Gelegegröße (n = 67) 2,69

(n - 3 0 ) Bruterfolg------(n 76 ) • • • • -

1 / 32)• -• erfolglose Bruten-- (8/76) 10,5

— (5/76) Einzelverluste (15/180)-8,3 6410 7 % •• • • •• •• •• ••• ••• • ••• • geringe geringe Abb. 6 Zunahme Abnahme

335 bei der Gelegegröße um 2290 und beim Bruterfolg um 330/0; parallel dazu die deutliche Zunahme der Verluste. Bei Mäusebussard und Habicht (wie bei allen intakten Populationen), wirken natürliche Regulative. So wird eine nicht unbedeutende Zahl von Mäusebussarden jährlich vom Habicht geschlagen. Im umgekehrten Falle braucht der Habicht keinen „Supergreif" zur Dezimierung. Hier sind es z. B. Krankheiten, wie etwa die Taubentrichomoniasis, der bisher in unserem Gebiet nachweislich fünf Nestjunge zum Opfer gefallen sind. Brüten zwei Habichtpaare dicht beieinander, so stören sie sich offenbar gegenseitig beim Brutablauf (intraspezifische Konkurrenz). Wir kennen einen Fall, wo zwei nur 1,1 km voneinander brütende Paare seit fünf Jahren nur abwechselnd Bruterfolg zeigten. Aus der Literatur sind Fälle bekannt geworden, in denen Weibchen den ins Revier ein- gedrungenen Terzel des Nachbarpaares geschlagen haben. Die Greifvögel rotten ihre Beutetiere auch nicht aus, wie zu Beginn am Beispiel der Wechselwirkung Habicht kontra Hohltaube und Schwarzspecht dargelegt wurde.

7. Schlußbetrachtung Man sollte erkennen, daß die wirklichen Probleme, vor allem beim Rebhuhn in der aus- geräumten Kulturlandschaft, nur gelöst werden können, wenn sich alle für einen nach- haltigen Schutz vorhandener Lebensräume sowie für die Verbesserung der Lebensbe- dingungen in der „Ackersteppe" einsetzen. Feldraine, Feldwege und auch die Ränder der Landstraßen waren früher stets Brut- stätten des Rebhuhns. Durch Mähen sind diese letzten Refugien vernichtet worden. Die wenigen verbleibenden Reste genügen dieser Vogelart weder zum Brüten noch zur Jungenaufzucht. Die generelle Schonzeit des Rebhuhns müßte der erste Schritt in diese Richtung sein. Wenn es nicht gelingt, diese Verhältnisse zu ändern, muß man sich damit abfinden, daß das Rebhuhn in wenigen Jahrzehnten ausgerottet sein wird — selbst dann, wenn der Habicht zur Bejagung freigegeben würde.

8. Zusammenfassung Die Beringungsgemeinschaft ROTHMANN, über deren Ergebnisse hier berichtet wird, sammelt seit über 20 Jahren im Rahmen der wissenschaftlichen Vogelberingung brutbio- logische Daten von Greifvögeln. Die erneute Diskussion um die Wiederbejagung der Greifvögel oder andere Formen ihrer Bestandsregulierung war der Anlaß einer Zählung der Greifvögel im Naturschutz- gebiet „ Kühkopf-Knoblochsaue" parallel zur 1980 landesweit durchgeführten Zählung von Mäusebussard und Habicht außerhalb der Naturschutzgebiete in Hessen. Die 1980 für das NSG „ Kühkopf-Knoblochsaue" ermittelten Brutpaarzahlen, dazu in Klammern die Brutpaare in den unmittelbar angrenzenden Gebieten: Mäusebussard 22 (11), Habicht 2 (1), Rotmilan 8 (1), Schwarzmilan 52 (1), Rohrweihe 1? (1) und Turmfalke (geschätzt) 10. Als Vergleich diente die 1967 von MEYBURG durchgeführte Zählung im Naturschutzgebiet: Mäusebussard 18, Habicht —, Rotmilan 5 (+1 von MEYBURG nicht kartiertes Paar), Schwarzmilan 46, Wespenbussard 1, Turmfalke (geschätzt) 10. Bei Habicht und Mäuse- bussard ist zu bedenken, daß diese Arten damals noch bejagt wurden und der 1967 ermittelte Brutpaarbestand unnatürlich niedrig war. Außerdem wird über die Populationsdynamik von Habicht, Rotmilan, Schwarzmilan, Rohr- und Wiesenweihe im Rhein-Main-Gebiet berichtet. Tabellen mit brutbiologischen Daten belegen negative Trends bei Mäusebussard und Habicht und bei Rotmilan und Schwarzmilan eine deutliche Zunahme der erfolglosen Bruten. In einem Fall konnte die Vergiftung durch Parathion nachgewiesen werden.

336 Diskutiert werden mögliche Ursachen der sinkenden Bruterfolge dieser Arten. Es wird ausdrücklich auf die positive Bestandsentwicklung bei Rohr- und Wiesenweihe nach Ein- führung der generellen Schonzeit für Greifvögel hingewiesen. Negative Auswirkungen auf andere „Rote-Liste-Arten" sind durch die vorübergehend positive Bestandsentwick- lung des Habichts nicht eingetreten. Eine erneute Bejagung von Habicht und Mäuse- bussard würde die Situation des Niederwildes nicht verbessern. Mein Dank gilt den Herren Karl Rothmann und HerbertZettl für die zeitaufwendigen und z. T. sehr schwierigen Bestandserfassungen und Mithilfe bei der Abfassung des Manu- skriptes. Für die tatkräftige Unterstützung bei den Bestandserfassungen außerhalb des Naturschutzgebietes möchte ich noch den Herren Karl-Heinz Lang, Rolf Linder und Sieg- fried Schönemann von der Beringergemeinschaft Rothmann sehr herzlich danken.

9. Literatur

BAUER, S. & G. THIELCKE (1982): Gefährdete Brutvogelarten in der Bundesrepublik Deutschland und in Westberlin. Die Vogelwarte 31: 230-232. BERG-SCHLOSSER, G. (1968): Die Vögel Hessens. Ergänzungsband; Frankfurt/M. HANDKE, K. (1982): Ergebnisse einjähriger Brutvogel-Untersuchungen in Hessens größtem Naturschutzgebiet — NSG „ Kühkopf-Knoblochsaue" — (Kreis Groß Gerau). Luscinia 44: 269 — 302. HILLERICH, K. (1965): Junge Schwarzmilane mit mißgebildeten Schwingen und Fängen. Luscinia 38: 13-15. HILLERICH, K. (1978): Ergebnisse aus 20-jähriger Planberingung von Greifvögeln der Beringungsgemeinschaft Rothmann. Luscinia 43: 187-205. KRUG, A. (1983): Der Kreis Groß Gerau als Lebensraum bestandsbedrohter Vogel- arten; Büttelborn. MAKATSCH, W. (1972): Der Schwarze Milan; 2. Aufl. — Die neue Brehm-Bücherei, Wit- tenberg-Lutherstadt. MEYBURG, B.-U. (1969): Die Besiedlung des Naturschutzgebietes Kühkopf-Knoblochs- aue mit Greifvögeln im Jahre 1967. Orn. Mitt. 21: 223-230. ORTLIEB, R. (1980): Der Rotmilan. Die Neue Brehm-Bücherei, Wittenberg-Lutherstadt. PFEIFER, S. (1971): Das Naturschutzgebiet Kühkopf-Knoblochsaue; 3. Aufl.; Frankfurt am Main. ROTHMANN, K. & K. HILLERICH (1978): Neuer Brutnachweis der Wiesenweihe in Hes- sen. — Luscinia 43: 251. STUBBE, M. (1982): Brutdichte und Altersstruktur einer Rotmilanpopulation im nörd- lichen Harzvorland der DDR im Vergleich zum Mäusebussard. Arch. Natursch. u. Landschaftsforsch. Berlin 22: 205-214.

Anschrift des Verfassers: K. HILLERICH, Röntgenstraße 7, 6114 Groß-Umstadt

337 Neue Literatur

IMMELMANN, K. (1983) : Einführung in die Verhaltensforschung. — 3. Neubear. u. erw. Auflage, Pareys Studientexte 13, 233 S., 106 Abb., Verlag Paul Parey Berlin und Hamburg. Die Verhaltensforschung — ein noch recht junger Zweig der Zoologie — hat in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen. Es ist heute kaum noch möglich, die Ge- sichtspunkte dieses Wissenschaftszweiges bei der Durchführung von Untersuchungs- programmen außer acht zu lassen. Am Rande sei vermerkt, daß die Verhaltensforschung bei der Ornithologie ihren Anfang genommen hat. Daher ist es nichtverwunderlich, wenn das vorliegende Buch von einem Ornithologen verfaßt wurde. Schlägt man das Buch auf, so fällt das umfangreiche Inhaltsverzeichnis ins Auge. Es macht deutlich, wie breit gefächert die Ethologie ist. Nach der Darlegung der Ziele, Methoden und Teilgebiete der Verhaltensforschung werden die Grundbegriffe erläutert. Die weiteren Abschnitte des Buches sind den Außenreizen, den zeitlichen und hierarchischen Ordnungen im Verhal- ten der Verhaltensphysiologie, der Verhaltensontogenese, dem Lernen, dem Sozialver- halten (das umfangreichste Kapitel des Buches), der Verhaltensgenetik, der stammes- geschichtlichen Entwicklung, dem Einfluß der Domestikation auf das Verhalten und der Problematik Ethologie und Psychologie gewidmet. Der Anhang beinhaltet u. a. das Literaturverzeichnis, das Register der Tiernamen und das Sachregister. Jedes Kapitel gibt in knapper Form einen Einblick in die verschiedenen Teilbereiche der Ethologie. Zahlreich sind die Beispiele aus der Vogelwelt. Die über 100 Abbildungen ergänzen den Text in ausgezeichneter Weise. Der Band ist nicht nur als einführendes Buch in die Ethologie für Hochschulstudenten gedacht, sondern kann dem Biologielehrer, dem Schüler in der Oberklasse wie dem Feldornithologen hilfreich sein. W. KEIL

338 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 339-341 (1983)

Auswilderung gezüchteter Wanderfalken - Falco peregrinus - in Hessen 1983 von HELMUT ANHÄUSER, Frankfurt am Main, WOLFRAM BRAUNEIS, Eschwege, WILHELM HAMMER, Kassel, und CHRISTIAN SAAR, Berlin

1. Einleitung Im vergangenen Jahr hatten wir einen zusammenfassenden Bericht über die Zucht und Auswilderung junger Wanderfalken in Hessen während der Jahre 1978 bis 1982 gegeben (BRAUNEIS, HAMMER & SAAR 1982). Dabei waren die grundsätzlichen Probleme der Gefährdung und deren Ursachen, der Zucht, der Aufzucht und der verschiedenen Aus- wilderungsmethoden, die Kennzeichnung der Vögel sowie die ersten Ansiedlungser- folge eingehend erörtert worden. Außerdem hatten wir die vier hessischen Auswil- derungsplätze (A bis D) im einzelnen vorgestellt. Die Aktivitäten wurden im Jahre 1983 fortgesetzt. Die ausgewilderten Falken stammten wiederum von C. SAAR sowie von G. TROMMER, zwei Vögel stellte J. BOLL (Pforzheim) freundlicherweise zur Verfügung. Hierüber soll im nachfolgenden berichtet werden.

2. Auswilderungsplatz A (W. BRAUNEIS): Nach vorbereitenden Arbeiten tags zuvor (Herrichten des Kunsthorstes, Anbringen des Futterrohres und des Drahtkorbes) wurden am 29. Mai 1983 zwei weibliche und vier männliche junge Wanderfalken in den Kunsthorst eingesetzt und somit die seit 1978 sechste Auswilderung im Werra-Meißner-Kreis eingeleitet. Die Beobachtungen eines wiederholt im Felsenbereich fliegenden Habichts veranlaßten uns, die sonst übliche Zeit der Verweildauer der Wanderfalken im Kunsthorst von zwei Wochen auf 17 Tage auszudehnen. Nicht nur, daß dadurch eine gleich für den Anfang der zweiten Auswilderungsphase (Offnen des Kunsthorstes) noch größere und vor allem sichere Flugtüchtigkeit der Wanderfalken erreicht werden konnte, auch war ein längeres Verbleiben der Vögel im Kunsthorst wegen zwei gegenüber den anderen Horstgeschwistern etwas jüngeren Falken notwendig. Am 14. Juni wurde der Verschlag geöffnet, und noch am selben Tage flogen alle Falken ihre ersten zaghaften Runden. Am Abend jedoch waren alle Wanderfalken wieder am Horst und kröpften die von den Betreuern ausgelegte Nahrung. Schon am nächsten Tage waren die Flüge der Falken sicherer, und der immer noch gelegentlich zu beobach- tende Habicht wurde nun als „Eindringling" angesehen und gemeinsam vertrieben. Die Vögel zeigten ein fest auf den Felsenbereich geprägtes Verhalten. Nach drei Wochen „Flugschule" hatten die Wanderfalken ein Stadium erreicht, wo es einer Be- wachung nicht mehr bedurfte. Darüberhinaus wurde die zum Auslegen bestimmte Futter- menge langsam reduziert. Die Feststellungen von ernstzunehmenden Jagdflügen ge- hörten nun zum fast alltäglichen Bild. Das Auffinden von Rupfungen bestätigte uns den Beuteerfolg.

3. Auswilderungsplatz B (W. HAMMER & C. SAAR): Am 11.6.1983 wurden zunächst fünf weibliche Falken in den Kunsthorst eingesetzt. Zwei weitere Terzel kamen am 17. 6. 1983 hinzu. Am 18. 6. wurde der Kunsthorst geöffnet. Die beiden Terzel waren bereits sehr gut beflogen und zeigten von Anfang an große Selbständigkeit. Dagegen blieben die fünf weiblichen Vögel sehr eng an die Felswand gebunden und konnten noch wochenlang regelmäßig bestätigt werden. Eines der weib-

339 lichen Tiere, das etwas jünger war, hielt sich mehrere Tage am Kunsthorst auf und wagte seinen ersten Flug erst dann, als es das entsprechende Entwicklungsstadium erreicht hatte. In den ersten Tagen mußten die Jungvögel, wie alljährlich, mit Turmfalken, die regelmäßig auch in dieser Wand brüten, fertig werden, was ihnen jedoch nach kurzer Zeit souverän gelang. Ansonsten verlief die Aktion problemlos. Insbesondere entstan- den auch keine Schwierigkeiten durch den Habicht, wie es in früheren Jahren gelegent- lich der Fall war.

4. Auswilderungsplatz C (W. HAMMER & C. SAAR): Wir konnten am 19. 6. 1983 drei Jungvögel (ein Weibchen und zwei Terzel) in den Kunst- horst einsetzen. Nachdem dieser am 2. 7. geöffnet worden war, blieben die Jungvögel für einen gewissen Zeitraum sehr eng an das Gebäude gebunden und konnten regel- mäßig durch die installierte Fernsehkamera und Fernbeobachtungen bestätigt werden. Sie lösten sich jedoch relativ früh von dem Gebäude und besuchten dieses nur in den frühen Morgen- und späten Abendstunden, um die ausgelegte Nahrung zu verzehren. Da die Jungvögel in diesem Jahr von Turmfalken oder Krähen nicht sonderlich bedrängt wurden, erklären wir uns diese Entwicklung dadurch, daß die ungewöhnliche Hitze die- ses Jahres auf dem geteerten Flachdach auch für die Vögel unerträglich wurde und sie den Schatten in einem angrenzenden Parkgelände aufgesucht haben.

5. Auswilderungsplatz D (H. ANHÄUSER): Nachdem 1982 der Versuch, vom Steigturm einer Feuerwache Wanderfalken auszuge- wöhnen, erfolgreich verlaufen ist, wurden am 19. 6. 1983 wieder drei Junge in den dort installierten Kunsthorst gesetzt. Es handelte sich um zwei weibliche und einen männ- lichen Vogel. Bereits nach einer Woche schon wurden sie freigelassen. Sie waren von einem Altfalken von G. TROMMER aufgezogen worden und daher sehr menschenscheu. Obwohl der Auswilderungsplatz mitten in der Stadt liegt, verlief auch diese Aktion ohne Probleme. Eine Vergesellschaftung mit den am Rande der Stadt seit Sommer dieses Jahres bestä- tigten Wanderfalken konnte bisher nicht beobachtet werden.

6. Schlußbetrachtung Zusammenfassend ist festzustellen, daß wir im Jahre 1983 in Hessen 19 gezüchtete Wanderfalken an den bereits gewohnten Auswilderungsorten in die Natur entlassen haben. Insgesamt sind es seit 1978 nunmehr 69 Wanderfalken. Das sind etwa 50°/o der insgesamt von uns in der Bundesrepublik Deutschland ausgewilderten Wanderfalken. Hier haben wir mit einer Auswilderungsrate von 42 Exemplaren 1983 nunmehr alles in allem 143 Vögel in die Natur entlassen. Ein umfangreicher Bericht hierüber liegt zwischenzeitlich vor (SAAR, TROMMER & HAMMER 1982 und 1983). Für das Berichts- jahr sind folgende Bruterfolge, Neuansiedlungen und Beobachtungen bekannt gewor- den: In der DDR, in der der Wanderfalke seit Jahren verschwunden ist, haben zwei erfolg- reiche Bruten von uns gezüchteterWanderfalken stattgefunden. Es ist sehrnaheliegend, daß diese Vögel von den nordhessischen Auswilderungsplätzen stammen. Eines der beiden Paare hat damit bereits nach 1982 die zweite Brut erfolgreich durchgeführt. In Nordhessen bezog ein von uns ausgewildertes Wanderfalkenpaar in einer Entfernung von etwa 15 km vom nächsten Auswilderungsort eine Felswand und schritt hier zur Brut. Nachdem eine optimale Horstnische während einer Schlechtwetterperiode zugeschneit war, wich der Falke auf ein Felsband aus und begann hier zu brüten. Dieser Brutplatz war jedoch für Beutegreifer relativ leicht zugänglich, so daß unsere Bewacher nach, einigen Tagen die zerbrochenen Eischalen in unmittelbarer Nähe des Horstes fanden. Trotz eifrigen Balzens und Kopulation kam es nicht zu einem Nachgelege, was bei dem erst zwei Jahre alten Wanderfalkenweibchen allerdings auch nicht zu erwarten war.

340 Auch in Bayern haben sich mindestens zwei neue Paare angesiedelt, wovon ein Vogel aus unserem Zucht- und Auswilderungsprogramm stammt. Schließlich gelang unmittelbar an unserem Auswilderungsplatz C eine interessante Wiederbeobachtung: Ein Wander- falkenterzel, der hier im Jahre 1981 ausgewildert und wegen der damals ungewöhnlich harten Attacken der Krähen in unserem früheren Bericht (BRAUNEIS, HAMMER & SAAR 1982) totgesagt worden war, konnte anhand der Ringkombination (blauer DFO-Zuchtring und nichteloxierter Vogelwartenring) eindeutig identifiziert werden, obwohl der eigent- liche Kennring verlorengegangen war. Wir haben hieraus die wichtige Erkenntnis ge- wonnen, daß auch solche Vögel, die sich bereits bei ihrem ersten Flug oder kurz danach selbständig machen, durchaus eine ganz reale Überlebenschance haben. „Der Artenschutz schließt auch die Ansiedlung verdrängter oder in ihrem Bestand be- drohterTierarten an geeigneten Lebensstätten innerhalb ihres natürlichen Verbreitungs- gebietes ein". So lautet ein vom Gesetzgeber formulierter programmatischer Satz (§ 20 Abs. 1 Satz 2 BNatschG). Diesem gesetzlichen Gebot tragen wir Rechnung. Umso unverständlicher ist es für uns, daß unsere Aktionen immer wieder von Außenstehenden kritisiert werden. Wir können jedoch mit Befriedigung feststellen, daß unsere Arten- schutzmaßnahmen für eine besonders gefährdete Greifvogelart nicht nur erfolgreich verlaufen, sondern daß die Beteiligten, die den verschiedensten Gruppierungen ange- hören (Falkner, Naturschützer, Jäger), in bester Harmonie zusammenarbeiten. Ihnen allen soll an dieser Stelle besonders gedankt werden, ebenso der hessischen Landes- regierung und den nachgeordneten Dienststellen, die unsere Aktionen genehmigt, mit Wohlwollen begleitet und fühlbar unterstützt haben.

Tabelle: Übersicht über die 1983 in Hessen ausgewilderten Wanderfalken

Auswilderungs- Wanderfalken Summe Ort

A 4 2 6 B 2 5 7 C 2 1 3 D 1 2 3 Summe 9 10 19

7. Literatur: BRAUNEIS,W., W. HAMMER & C. SAAR (1982): Zucht und Auswilderung junger Wan- derfalken in Hessen. Vogel und Umwelt 2: 135-145. SAAR, C , G. TROMMER, & W. HAMMER (1982): Der Wanderfalke — Bericht über ein Artenschutzprogramm; Methoden, Ziele und Erfolge; Dtsch. Falkenorden, Bonn. SAAR, C , G. TROMMER & W. HAMMER (in lit.): Bericht über weitere Auswilderungen, Ansiedlungen und Wildbruten gezüchteter Wanderfalken. Jahrb. Dtsch. Falken- orden 1983.

Anschrift der Verfasser: H. ANHAUSER, Stockheimer Straße 20, 600 Frankfurt am Main 60 W. BRAUNEIS, Brückenstraße 21/23, 3440 Eschwege Dr. W. HAMMER, Ahnatalstraße 103A, 3500 Kassel Prof. Dr. C. SAAR, Baseler Straße 79, 1000 Berlin 45

341 Neue Literatur

KRUG, A. (1983): Brutvorkommen bestandsbedrohter Vogelarten im Kreis Groß Gerau; 52 Seiten, 23 SW- Fotos und 7 Karten. Herausgeber: DBV- Kreisverband Groß Gerau (Bezug beim Verfasser; Anschrift: Unterdorf 32,6087 Büttelborn 3). Die von Alfred Krug vorgelegte Broschüre, die für eine Schutzgebühr von DM 2,— beim Verfasser zu erhalten ist, enthält folgende Kapitel: „ Der Kr. Groß Gerau — ein Lebens- raum größter Vielfältigkeit", „Die Naturschutzgebiete im Kr. Groß Gerau", „Rote Liste — bestandsbedrohteVögel im Kr. Groß Gerau" und schließlich Abhandlungen über10 z.T. hochgradig gefährdete Brutvogelarten Hessens (Rot- und Schwarzmilan, Rohrweihe, Habicht, Mäusebussard, Steinkauz, Wiedehopf, Schwarzspecht, Großer Brachvogel und Uferschwalbe) mit Angaben zu Brutbestand, Gefährdung und Schutz. Die lesenswerte Broschüre stellt eine Kurzinformation zu den o. g. Vogelarten dar. Sie hätte jedoch ganz erheblich an Wert gewonnen, wenn nicht nur für die Rohrweihe, son- dern auch noch für andere Arten langjährige Bestandszahlen mitgeteilt worden wären. Bei der Wahl der Fotos, die drucktechnisch hätten besser ausfallen können, hatte der Verfasser nach Ansicht des Rezensenten nicht immer „eine glückliche Hand". Nicht weniger als 9 Aufnahmen entstanden am Brutplatz. Zur Belebung des Textes hätten! andere Bilder bzw. Motive das Gleiche bewirkt. Alfred Krug hat zweifelsohne mit diesem Heft einen aktuellen Beitrag sowohl zum Arten- schutz als auch zur Avifaunistik des Kr. Groß Gerau geliefert. Die Broschüre kann trotz der erwähnten „ Mängel" jedem Naturschützer und Ornithologen empfohlen werden. K. FIEDLER

342 Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen • Vogel und Umwelt 2: 343-349 (1983)

Das Naturschutzgebiet „Kammereckswiesen von Langen", Kreis Offenbach

von MATHIAS ERNST, Darmstadt und HORST SCHAUM, Langen

1. Einleitung Am 1. November 1982 trat die Verordnung über das Naturschutzgebiet (NSG)„ Kammer- eckswiesen von Langen" in Kraft. Der Antrag auf Ausweisung des NSG wurde von der HGON* und dem DBV* am 20. 7. 1981 gestellt. Da die Stadt Langen unsere Be- mühungen in jeder erdenklichen Weise unterstützte, z. B. durch Ankauf, Anpachtung, Zahlung von Entschädigung usw., war es möglich, das Projekt in einem Jahr und 4 Mo- naten durchzuziehen. Das NSG liegt 1 km südlich von Langen zwischen der Bundesbahnlinie Frankfurt am Main — Darmstadt und der Kreisstraße K 168 in der Gemarkung Langen, Landkreis Offenbach. Es hat eine Größe von 14,4 ha. Davon besitzt die Stadt Langen 2,4 ha, der Rest ist in Privathand (103 Eigentümer). Zweck der Unterschutzstellung ist es, diesen aus extensiv genutztem Grünland, Gehöl- zen sowie Röhricht — und Großseggenbeständen bestehenden Bereich als Lebensraum für eine Vielzahl bestandsbedrohter Pflanzenarten zu erhalten. Darüber hinaus bietet das Gebiet ideale Nahrungs- und Habitatbedingungen für wiesenbewohnende Vogel- arten, zahlreiche Amphibien, Reptilien, Spinnen und Insekten, deren Bestand durch die Intensivierung der Landnutzung stark gefährdet ist.

2. Beschreibung der Pflanzengesellschaften Auf den trockensten Standorten der Kammereckswiesen herrschen Bodentypen mit flacher Flugsandüberlagerung vor. Als Bodenart ist weitgehend Sand oder schluffiger Sand verbreitet, wie Meterbohrungen ergeben haben. Die besonders im Sommer ober- flächig ziemlich trockenen Böden tragen azidophile Wiesentypen.

2.1 Mähwiesen a) Magerwiesen auf sandig trockenen Böden: Die Gesellschaft zeigt Anklänge an Borstgrasrasen tieferer Lagen (Violo- Nardion), denn in ihr finden sich neben typischen Vertretern von Magerwiesen auch einige Pflanzenarten, die gerne in Heide- oder Borstgrasrasen anzutreffen sind. Erwäh- nenswerte Arten in dieser Gesellschaft sind: Festuco ovina (Schafschwingel), Festuco trachyphylla (Rauhblatt-Schwingel), Dan- tonia decumbens (Dreizahn), Polygala vulgaris (Gemeines Kreuzblümchen), Carex caryophyllea (Frühlingssegge), Thymus pulegioides (Gemeiner Thymian), Hieracium pilosella (Kleines Habichtskraut), Euphrasia officinalis (Gemeiner Augentrost) und lasione montana (Berg- Sandköpfchen). Auf etwas reicheren Böden trifft man kleinflächig auf einen Magerwiesentyp, der sich von der oben beschriebenen Ausbildung auffallend durch das Auftreten der Aufrech- ten Trespe, dem Knolligen Mädesüß und der Prachtnelke unterscheidet. Die übrigen Magerwiesen- Gesellschaften könnte man als extrem magere Glatthafer-

* HGON = Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz * DBV = Deutscher Bund für Vogelschutz

343 Abb. 1: Lage des NSG „Kamnnereckswiesen von Langen"

344 Abb. 2: Die „Kammereckswiesen"— Blickrichtung: Nordost (FOTO: R. SCHAFER)

wiesen oder Rotschwingel- Wiesen bezeichnen. Das gehäufte Auftreten von Molinie- talia Ordnungs- Charakterarten kennzeichnet diesen Wiesentyp als wechselfeuchte Magerwiese saurer Böden. b) Waldbinsenwiese —Juncetum acutiflori, Br.-BI, 1915: Auf grundwassernahen und quelligen Standorten siedelt die Waldbinse (Juncus acutiflorus), die, je nach Bewirtschaftung und Grundwassernähe mehr oder weniger ausgedehnte Bestände bilden kann. Übergänge zu verschiedenen anderen Feucht- und Naßwiesengesellschaften, insbesondere zu dem Verband Calthion (Sumpfdot- terblumen- Wiese) sind fließend.

2.2 Sumpfdotterblumen-Wiese — Calthion Tx. 1936 Die Feuchtwiesen des Verbandes Calthion sind auf grundwassernahen Standorten der Kammereckswiesen verbreitet. Die Bewirtschaftungsweise beeinflußt die Arten- kombination in nicht unwesentlichem Maße. Bei dieser Gesellschaft handelt es sich um ein- bis zweischürige Wiesen, die mitunter mäßig gedüngt werden. Es treten verschie- dene Varianten auf, die infolge ihrer Kleinflächigkeit nicht kartiert werden konnten, hier aber erwähnt werden sollen. So trifft man die Wassergreiskraut-Wiese (Senecioni aquatici-Brometum racemosi Tx. 1951) und die Kohldistel- Wiese Angelicio- Cirsietum oleracei Tx. 1937) sowie verschiedene Übergangsformen zu Groß- und Kleinseggen- Sümpfen im Gebiet an.

345 Die Schwankungen der Bodenfeuchtigkeit im Jahresverlauf sind bei allen Untergesell- schaften des Verbandes Calthion beträchtlich. Eine Meterbohrung unter diesem Verband hat ergeben, daß der Bodenhorizont zwischen 0 und 18 cm stark humos (anmoorig) ist und ab 18 cm der Boden ziemlich rostfleckig erscheint, was auf einen schwankenden Grundwasserstand in diesem Bodenhorizont hinweist.

2.3 Brachwiesen Einige Wiesenparzellen der oben beschriebenen Feucht- und Naßwiesen fielen infolge Einstellung der Nutzung brach. Großstauden wie Mädesüß, Wald-Engelwurz und Kohl- distel konnten sich daraufhin stark ausbreiten und zur Vorherrschaft gelangen. Schwer zersetzbare Pflanzenreste lagern sich Jahr für Jahr auf dem Boden ab und entziehen lichtliebenden Pflanzen den Lebensraum. Durch die Stickstoffanreicherung der anfal- lenden organischen Substanz wandern schließlich immer mehr „Stickstoff-Zeiger" ein. Hierzu zählen der Hohlzahn, das Kleb-Labkraut und die Brennessel. Mangelnde Pflege bewirkt ebenso wie zu intensive Nutzung eine floristische Verarmung der Wiesengesellschaften.

2.4 Rispenseggen-Ried — Caricetum paniculatae Wangerin 1916 Auf noch stärker vom Grundwasser beeinflußten Böden hat die Rispensegge einen ziemlich hohen Bestandteil, so daß man durchaus kleinflächig von einem Rispenseggen- Ried sprechen kann. Bei dieser Gesellschaft handelt es sich um eine Kontaktgesellschaft zum Erlen-Bruchwald, der hier bei ungestörtem Sukzessionsverlauf entstehen würde.

2.5 Schilfröhricht — Phragmition W.Koch 1926 Die am stärksten vom Grundwasser beeinflußten Standorte des Untersuchungsgebietes werden von Schilfröhricht besiedelt. Als nährstoffliebende Art wird das Schilf durch gelegentliche Uberflutungen mit nährstoffreichem Wasser, das periodisch von dem Wiesengraben (Flurstück Nr. 349) herbeigeführt wird, gefördert.

3._ Ornithologische Bedeutung Ornithologisch sehr bedeutsam ist das Vorkommen des Schwarzkehlchens mit 2-3 Brutpaaren. Der gesamte hessische Bestand dieser Art beträgt nach der Roten Liste vorn 15. 5. 1979 etwa 50 Brutpaare; in der „Roten Liste der Vögel Deutschlands" wird das Schwarzkehlchen unter der Kategorie A. 2 „stark gefährdet" aufgeführt. Die lang- fristige Erhaltung des hier vorhandenen Brutbiotopes ist auch insofern eine vordring- liche Aufgabe, als andere Lebensräume des Schwarzkehlchens in der Gemarkung Langen in den kommenden Jahren durch Bebauung weitgehend vernichtet werden (z. B. Bau des Paul-Ehrlich-Institutes im Neurod — z. Z. 1-2 Bp; Bebauung des Belzbornes — z. Z. 2-3 Bp.). Als weitere Brutvögel der Roten Liste sind in mehreren Paaren das Braunkehlchen sowie als Durchzügler mit Brutverdacht der Wiesenpieper zu nennen. Auch brüten in der Randzone des Gebietes Grauammer und Kiebitz. Durch biotopverbessernde Maß- nahmen könnte schließlich die Bekassine als Brutvogel angesiedelt werden. Die starke Frequentierung des Gebietes durch seltene Vogelarten, die als biologische Indikatoren für naturnahe und damit schützenswerte Lebensräume bewertet werden können, unterstreicht die ökologische Bedeutung dieses Gebietes.

346 4.6 Legende:

Grenze des unter- suchten Gebiets Schilfröhricht " Rohrglanzgras- 1.:«1 Röhricht Calthion A . • °•1 Calthion brachgefallen Junco- rrrn Molinetum Junco-Molinetum Übergang Nardo-M. Junco-Molinetum gedüngt Arrhenaterum mager Arrhenaterum *sgarten feucht Arrhenaterum g_ brachgefallen Grünland mg nachgesät Calamagrostietum epigeii Calamagrostis 1111 canescens Caricetum paniculatae Caricetum E . ripario-acutoformis Pferdekoppel El Einzelgehölze Breitblättriges Knabenkraut

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Abb. 3: Vegetationszonen der „Kammereckswiesen"

347 Tabelle 1: Erwähnenswerte Pflanzenarten der „Kammereckswiesen". Gefährdungsgrad* Pflanzenart Dactylorhiza majalis - Breitblättriges Knabenkraut 2 Allium angulosum - Kanten-Lauch 2 3 Geum rivale - Bach-Nelkenwurz 3 Senecio aquaticus - Wasser-Greiskraut Galium boreale - Nordisches Labkraut 3 Primula veris - Wiesenprimel Iris pseudacorus - Wasser-Schwertlilie Achillea ptarmica - Sumpf-Schafgarbe Mentha aquatica - Wasser-Minze Mentha arvensis - Acker-Minze Pulicaria dysenteria - Grof3es Flohkraut Scrophularia umbrosa - FIQgel-Braunwurz Filipendula vulgaris - Knolliger MädesUB 3 Dianthus deltoides - Heide-Nelke Dianthus superbus - Prachtnelke 3 Succisa pratensis - Gemeiner Teufelsabbil3 Hypochoeris radicata - Ferkelkraut Selinum carvifolia - Silge Betonica officinalis - Gemeine Betonie Thymus pulegioides - Gemeiner Thymian Euphrasia officinalis - Gemeiner Augentrost Polygala vulgaris Gemeines Kreuzbliimchen lasione montana - Berg-Sandköpfchen Salix repens - Kriechweide (Bastard) 3 Nardus stricta - Borstgras Briza media - Zittergras Danthonia decumbens - Dreizahn Carex hartmannii - Hartmann's-Segge 1.2 Carex paniculata - Rispen-Segge 3 Carex caryophyllea - Freihlings-Segge

* Gefährdungsgrad nach der „Roten Liste der Farn- und BIQtenpflanzen Hessens"; 2. Fassung, Stand 31. 12. 1979 (1.2 = vom Aussterben bedroht, 2 = stark gefährdet, 3 = gefährdet)

348 4. Pflegemaßnahmen Das Ziel der Pflegeplanung im NSG „Kammereckswiesen von Langen" ist, einen Pflege- zustand auf den Wiesen herbeizuführen bzw. zu erhalten, wie er vor Beginn des Ein- satzes mineralischer Dünger und tiefgreifender Meliorationsmaßnahmen herrschte. Durch die zunehmende Intensivierung in der Landwirtschaft ist extensiv bewirtschafte- tes Grünland heute ausgesprochen selten geworden. Es besteht kein Bedarf mehr, diese Flächen in dieser Form zu erhalten, da die Erträge dadurch zu gering sind. Dennoch ist es nicht unrealistisch, wenn seitens des Naturschutzes gefordert wird, zu- mindest das Grünland in Naturschutzgebieten in traditioneller Weise zu nutzen, denn nur so können seltene Tier- und Pflanzenarten erhalten bleiben. Die „Kammerecks- wiesen" bieten hierzu gute Voraussetzungen.

Anschrift der Verfasser: M. ERNST, BFN-Darmstadt / Obere Naturschutzbehörde, Orangerieallee 12, 6100 Darmstadt H. SCHAUM, Annastraße 59, 6070 Langen

Neue Literatur

BEZZEL, E. (1983) : Vögel 1, Singvögel. 191 S., 142 Farbfotos, 93 Farbzeichnungen, 7 Schwarz-Weiß-Zeichnungen, BLV- Intensivführer: Spektrum der Natur, BLV Verlagsgesellschaft Mit dem vorliegenden Taschenbuch in flexiblem Kunststoffeinband eröffnet die BLV Verlagsgesellchaft unter dem Titel „Spektrum der Natur" eine neue Reihe, die den naturkundlich Interessierten nicht nur die Möglichkeit gibt, die betreffende Tierart zu bestimmen, sondern sie soll auch darüber hinaus dazu dienen, in knapper Form weitere wichtige Informationen zu vermitteln. In systematischer Reihenfolge werden 115 mittel- europäische Singvogelarten vorgestellt. Nach einem kurzen allgemeinen Teil, der in das Buch einführt, werden die einzelnen Arten in Wort und Bild vorgestellt. Abgehandelt werden Kennzeichen, Verbreitung und Vorkommen, Fortpflanzung und Nahrung. Da- rüber hinaus werden in einem anschließenden Abschnitt Besonderheiten über Biologie, Populationsdynamik, Gefährdungsgrad und andere wichtige Punkte berichtet. Ein Lite- ratur- und Adressenverzeichnis sowie ein Register beschließen den Band. Wenn auch das Buch besonders den fortgeschrittenen Beobachter ansprechen will, so ist es m. E. aber auch für den Anfänger und den naturkundlich Interessierten von ebenso großem Interesse. W. KEIL

349 BEZZEL, E. (1982): Vögel in der Kulturlandschaft. — 350 S., 116 Abb., 62 Tab., Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart. Die Dynamik der Vogelpopulation einer Kulturlandschaft läßt Schlüsse über deren ökologischen Zustand zu. Dieses Faktum motiviert eine Vielzahl von Vogelbeobachtern sich intensiv mit dem Studium bestimmter Vogelgesellschaften in unserer Kulturland- schaft zu befassen, um hieraus Grundlagen für die Erhaltung einer Artenvielfalt abzulei- ten. Sie werden dann z. B. beim Naturschutz und der Landschaftsplanung in die Praxis umgesetzt. Diese Aktivitäten der Freilandornithologen werden in der zunehmenden Zahl von Veröffentlichungen deutlich. Die Aufarbeitung des Datenmaterials führt zur Auf- stellung umfangreicher Statistiken in Form von Grafiken und Tabellen. Die Fülle des vorhandenen Materials zu analysieren, die wesentlichen Gesichtspunkte herauszustel- len und transparent zu machen, ist die Hauptaufgabe des vorliegenden Buches. So wer- den folgende Themen behandelt: Merkmale der Kulturlandschaft, Beschreibung des Vorkommens der Vögel in Raum und Zeit, die Avifauna im Überblick, säkulare Dynamik, kurzfristige und saisonale Dynamik, Artenreichtum, Häufigkeit und Verbreitung, Biotope der Kulturlandschaft und ihre Avizönosen, ornithologische Untersuchungen als Beitrag zur Umweltplanung und -bewertung. Ein umfangreicher Anhang mit statistischen Über- sichten der verschiedensten Art, Anmerkungen zum Artenschutz, ein 30seitiges Litera- turverzeichnis und Register beschließen das Buch. Es ist ein unentbehrlicher Helfer für den Feldornithologen und ein gutes Nachschlagewerk für die behandelte Materie. Nur der relativ hohe Preis könnte zur Zurückhaltung beim Kauf führen. W. KEIL

350 Kleine Mitteilungen

Bemerkenswerte Brutzeitbeobachtungen in Hessen 1983

Die Schriftleitung erhielt von folgenden Damen und Herren aus der Brutperiode 1983 "bemerkenswerte" Brutzeitbeobachtungen:

BAUSCHMANN, G. Wetteraustraße 22, 6360 Friedberg 3 BEHRENS, H. Wormser Straße 122, 6840 Lampertheim BRAUNEIS, W. Brückenstraße 21/ 23, 3440 Eschwege FIEDLER, K. Kantstraße 7, 6050 Offenbach am Main FLEHMIG, B. Mühlstraße 12, 6200 Wiesbaden-Erbenheim GOTTSCHALK, W. Kurmainzer Straße 144, 6000 Frankfurt am Main 80 GREBE, K. Forsthaus, 6444 Wildeck-Raßdorf HASENKAMP, Dr. J. G. Am Wall, 3570 Stadt Allendorf 3 HEIDER, E. Petersberger Str. 82, 6400 Fulda HEIMER, Dr. W. Dieburger Straße 1, 6114 Groß-Umstadt/Semd KAMKE, H. Ringbachstraße 10, 6442 Rotenburg/Fulda 1 KEIL, Dr. W. Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, Steinauer Straße 44, 6000 Frankfurt am Main 61 KLEE, H. Forsthausstraße 16, 6054 Rodgau 2 KLOSE, R. In der Mordach 7-9, 6109 Mühltal 3 KRAFT, M. Ludwig-Juppe-Weg 5, 3550 Marburg/Lahn MALLACH, LILO Rheingaustraße 111a, 6200 Wiesbaden MENIUS, H. J. Bergstraße 12 G, 6239 Eppstein SCHINDLER, W. Jacob-Schiff-Straße 1, 6000 Frankfurt am Main 50 THÖRNER, E. Obergasse 15, 6301 Langsdorf VITTINGHOFF, M. Leiershohl 2, 6236 Eschborn VOLK, 0. Fichtenweg 6, 3550 Marburg/Lahn WERNER, A. Auestraße 11, 6440 Bebra 1 WOLF, H. Pommernstraße 13, 6100 Darmstadt-Eberstadt

Schwarzhalstaucher — Podiceps nigricollis Erstmals wieder nach 27 Jahren wird der Schwarzhalstaucher auf dem Obermooser Teich, Vogelsbergkreis, als Brutvogel nachgewiesen. Die Brut war erfolgreich, im Sommer wurde jedoch nur noch ein Jungvogel beobachtet. M. VITTINGHOFF, K. FIEDLER, E. HEIDER & R. KNIERRIEM Zwei Paare wurden auf dem Kiessee des Kalksandsteinwerkes in der Gemarkung Dudenhofen, Kr. Offenbach, während der gesamten Brutzeit beobachtet. Ein Paar brütete und hatte vier Junge. H. KLEE Vom 26.5. bis 9. 7. 1983 hielt sich im NSG „ Kelzer Teiche", Kr. Kassel, ein Paar auf, das Balzverhalten zeigte. Vom 10. Juli an blieben beide Vögel verschwunden, ohne daß ein Brutversuch nachgewiesen werden konnte. G. SCHUMANN, G. BOLLER, NIEMEYER, G. OBER & J. STASSKIEWIEZ

351 Zu den hessischen Brutnachweisen kann eine interessante Ergänzung aus dem angren- zenden Rheinhessen, d. h. aus dem NSG „ Hintere Mortkaute" bei Bingen (Rheinland- Pfalz) hinzugefügt werden: Am 11. Juni d. J. konnten Mitarbeiter des AK „ Altkreis Wetzlar" nicht weniger als 13 Brutpaare feststellen. 11 Ex. brüteten fest, und mindestens zwei Paare führten Junge. Diese Beobachtung wurde von A. BITZ, Mainz, bestätigt. W. SCHINDLER & Mitarbeiter

Zwergtaucher — Podiceps ruficollis Der Brutbestand des Zwergtauchers hat in den zurückliegenden Jahren zumindest regional z. T. katastrophal abgenommen. Umso erfreulicher ist es, daß in diesem Jahr in einigen Brutgebieten Hessens ein deutlicher Aufwärtstrend zu verzeichnen ist. Hierzu einige Beispiele: In einer Kiesgrube bei Viernheim, Kr. Bergstraße, konnten sechs Brutpaare registriert werden. H. BEHRENS

In dem NSG „ Obermooser Teich", Vogelsbergkreis, konnten im Juli fünf Paare beo- bachtet werden, die Junge führten. E. HEIDER

In der Sandgrube der Kalksandsteinwerke in der Gemarkung Dudenhofen, Kr. Offen- bach, haben mindestens fünf Paare erfolgreich gebrütet. H. KLEE

(Anmerkung der Redaktion: Weitere Beobachtungen, die diese Entwicklung belegen oder auch widerlegen, sind dringend erwünscht.)

Graureiher — Ardea cinerea Neben den traditionellen Brutplätzen in den Altrheinauen Lampertheimer Altrhein (150 Brutpaare) und Kühkopf-Knoblochsaue (ca. 150 Brutpaare), in Herzhausen am Edersee (42 Brutpaare, F. EMDE brfl.) und an einigen wenigen anderen Stellen Hessens wurden folgende Neuansiedlungen bekannt: Im Fischbachtal/Odenwald konnten zwei Paare erfolgreich zur Brut schreiten. Bereits 1982 brütete dort ein Paar. W. HEIMER

Im südlichen Gladenbacher Bergland bei Hohenahr-Mudersbach, Lahn-Dill-Kreis, konn- ten 1982 1-2 Brutpaare festgestellt werden; 1983 hat sich dort eine Kleinkolonie von fünf Paaren gebildet, die auch erfolgreich brüteten. W. SCHINDLER & W. VEIT

1982 und 1983 je eine erfolgreiche Einzelbrut im östlichen Hintertaunus bei Waldsolms, Lahn-Dill-Kreis. Der Graureiher ist damit nach rund 25 Jahren wieder als Brutvogel in den Altkreis Wetzlar zurückgekehrt. E. METZ & W. SCHINDLER

Zum ersten Mal seit dem Erlöschen einer kleinen Brutkolonie bei Caldern im oberen Lahntal um 1970 wurde 1983 wieder eine erfolgreiche Brut im Kreis Marburg-Bieden- kopf nachgewiesen. Auf einem Einzelhorst im Bereich der Lahnberge östlich von Mar- burg wurden nach Beobachtungen von W. SAUER drei Jungvögel flügge. 0. VOLK

Weißstorch — Ciconia ciconia Nach 50 Jahren fand eine Wiederansiedlung des Weißstorches in der Gemarkung Ober- suhl, und zwar im NSG „Rhäden von Obersuhl", statt (Kr. Hersfeld-Rotenburg). Ein, Jungvogel schlüpfte und konnte auch ausfliegen. W. GRAF & K. GREBE

In der hessisch/thüringischen Grenzgemeinde Lauchröden (DDR) brütete ein Paar ebenso erfolgreich (3 Junge) wie in Gerstungen, Thüringen/DDR, (4 Junge), das auf eine 400-jährige Bruttradition zurückblicken kann. W. BRAUNEIS, W. GRAF & K. GREBE

352 Krickente —Anas crecca Brutverdacht bestand 1983 für zwei Paare im NSG „ Reinheimer Teich", für ein weiteres Paar im NSG „ Bruchwiesen von Dorndiehl-Waldamorbach", Kr. Darmstadt-Dieburg. W. HEIMER Auf dem Moorsee im NSG „ Rotes Moor", Kr. Fulda, wurde ein stark verleitendes be- obachtet, das bis auf 10 m herangeschwommen kam (16. 7.). Eine spätere Kontrolle (E. HEIDER) ergab keinen Bruthinweis. W. SCHINDLER In mindestens einem, vielleicht zwei bis drei Brutpaaren hat die Krickente nach H. HAHN und K. KLIEBE 1983 im NSG „ Schweinsberger Moor", Kr. Marburg-Biedenkopf, gebrütet. 0. VOLK Knäkente — Anas querquedula Zwei bis drei Brutpaare wurden im NSG „Reinheimer Teich" beobachtet; Brutverdacht für ein bis zwei Paare bestand in der Gersprenzniederung zwischen Münster und Her- gershausen, Kr. Darmstadt-Dieburg. W. HEIMER Brutverdacht bestand für zwei Paare im NSG „ LampertheimerAltrhein", Kr. Bergstraße. Möglicherweise hat das Hochwasser die Bruten zunichte gemacht. H. BEHRENS Die Knäkente hat nach den Beobachtungen von H. HAHN und K. KLIEBE in mindestens einem, vielleicht zwei oder drei Brutpaaren mit Erfolg im NSG „Schweinsberger Moor", Kr. Marburg-Biedenkopf, gebrütet. Bereits 1981 und 1982 bestand für diese Art Brut- verdacht. 0. VOLK

Löffelente — Anas clypeata Im Gegensatz zu früheren Jahren konnte 1983 im NSG „Reinheimer Teich", Kr. Darm- stadt-Dieburg, keine Brut festgestellt werden. W. HEIMER Im Sommer d. J. konnte eine Löffelente mit vier erwachsenen Jungen auf dem Kiessee der Kalksandsteinwerke bei Dudenhofen, Kr. Offenbach, beobachtet werden. Ob jedoch die Brut auf diesem Gewässer stattfand, kann nicht mit letzter Sicherheit gesagt werden. K. FIEDLER & W. SCHINDLER Tafelente — Aythya ferina 1983 gelang kein Brutnachweis im NSG „Reinheimer Teich", Kr. Darmstadt-Dieburg. In den Vorjahren war die Tafelente in diesem NSG regelmäßiger Brutvogel W. HEIMER

Reiherente — Aythya fuligula Auf dem „Knappensee" bei Utphe, einem Restloch des Braunkohletagebaues, konnten drei Schoofe mit fünf, neun und sieben Pulli festgestellt werden. Nach einem fehlge- schlagenen Brutversuch 1982 sind dies die ersten erfolgreichen Reiherenten-Bruten für den Knappensee (Wetteraukreis). E. THORNER Auf dem Kiessee der Kalksandsteinwerke bei Dudenhofen, Kr. Offenbach, wurden drei Paare beobachtet, zwei Paare hatten sechs bzw. fünf Junge. H. KLEE (Anmerkung der Redaktion: Sowohl Reiher- als auch Tafelente dehnen in Hessen ihre Brutgebiete offensichtlich aus. Beobachtungsdaten, die diesen Trend belegen, werden dringend erbeten.)

Baumfalke — Falco subbuteo Im Altkreis Wetzlar konnten zwei erfolgreiche Bruten nachgewiesen werden; an min- destens drei weiteren Stellen bestand Brutverdacht. Jahrelang aufgegebene Reviere wurden wieder besiedelt. W. SCHINDLER, R. FIPPL & E. METZ

353 Ein Brutpaar nistete in einem Kiefernaltholz bei Wettenberg-Launsbach, Kr. Gießen. Am 28. August wurden fünf Ex., d. h. zwei Altvögel und drei Junge beobachtet. H. und K.-H. BERCK Rohrweihe — Circus aeruginosus Im hessischen Ried zwischen Bürstadt und Einhausen, Kr. Bergstraße, konnten zwei H. BEHRENS Bruten nachgewiesen werden.

Nach erfolglosen Brutversuchen in den vergangenen Jahren hat die Rohrweihe 1983wie- der mit Erfolg im NSG „Schweinsberger Moor", Kr. Marburg-Biedenkopf, gebrütet und drei Jungvögel zum Ausfliegen gebracht (H. HAHN & K. KLIEBE). Eine weitere Brut hat wahrscheinlich in der Feldmark zwischen Kirchhain-Kleinseelheim und Marburg-Schröck stattgefunden, wo W. KRÄLING mehrere Brutzeitbeobachtungen einer weiblichen Rohr- weihe machen konnte und wo er am 7. und 8. August neben zwei Altvögeln mindestens zwei gerade flügge gewordene Jungvögel über einem Getreidefeld feststellte. 0. VOLK

Wiesenweihe — Circus pygarcus 1983 konnten im Kreis Darmstadt-Dieburg erstmals zwei Brutpaare sicher nachgewiesen werden. Beide Horste befanden sich in Wintergerste; beide Bruten waren jedoch erfolg- W. HEIMER los.

Wanderfalke — Falco peregrinus Ein Brutversuch ausgewilderter Wanderfalken konnte im Werra-Meißner-Kreis 1983 W. BRAUNEIS festgestellt werden.

Wachtel — Coturnix coturnix Am 25. und 26. Juni d. J. konnten an zwei verschiedenen Stellen bei Tann/Rhön rufende Exemplare festgestellt werden. In den vergangenen sechs Jahren gelang hier keine Fest- W. SCHINDLER stellung.

(Anmerkung der Redaktion: Das Jahr 1983 scheint auch ein „Wachtel-Jahr" gewesen zu sein, wie weitere mündliche Mitteilungen an uns zu belegen scheinen. Angaben, die die- sen zunächst vermuteten Trend untermauern, werden erbeten.)

Wachtelkönig — Crex crex Während in den letzten Jahren keine Bruthinweise für den Wachtelkönig im Kreis Mar- burg-Biedenkopf bekannt wurden, konnten 1983 allein im nördlichen Amöneburger Bek- ken mehrere rufende Männchen festgestellt werden, so zwei Männchen zwischen Mar- burg-Bauerbach und Kirchhain-Großseelheim (R. ECKSTEIN, E. KREIHE & 0. VOLK), ein rufendes Männchen in der Arzbach, Gern. Kirchhain-Großseelheim (M. KRAFT) und ein rufendes Männchen beim Hof Radenhausen, Gemarkung Kirchhain (0. VOLK). 0. VOLK Flußuferläufer — Tringa hypoleucos Ein Brutpaar konnte „Im Sand" (Kiesgrube und Fuldaaltarm), bei Rotenburg an der Fulda beobachtet werden. H. KAMKE & W. BAUER

Uhu — Bubo bubo Eine erfolgreiche Brut mit drei Junguhus wurde in einem Steinbruch bei Niederoffleiden, Vogelsbergkreis, festgestellt. Später ist ein Junguhu tödlich verunglückt. Über die Her- kunft der Altvögel wurde nichts bekannt. J. G. HASENKAMP, W. KEIL & 0. VOLK

Eine zweite erfolgreiche Brut (zwei Junge) wurde im Werra-Meißner-Kreis beobachtet (s. auch S. 358). W. BRAUNEIS & J. WAMMESSER

354 Sumpfohreule — Asio flammeus Im Reinhardswald, Kr. Kassel, konnten während des ganzen Sommerhalbjahres zwei Sumpfohreulen auf einer viele Hektar großen Sturmbruchfläche aus dem Jahre 1972 beobachtet werden. Eine Brut konnte nicht nachgewiesen werden. G. SCHUMANN, G. BOLLER & E. KAMM Eisvogel — Alcedo atthis An der Ulster im Bereich Hilders/Tann, Kr. Fulda, konnten auf einer Strecke von 5 km drei Brutpaare festgestellt werden. Der angrenzende Flußlauf war unbesiedelt. W. SCHINDLER Wasserpieper — Anthus spinoletta Neuer Brutvogel für Hessen: Bereits 1982 bestand Brutverdacht am Hohen Meißner (ehemaliger Braunkohletagebau), 1983 konnten Junge beobachtet werden, die von Alt- vögeln gefüttert wurden. W. BRAUNEIS & A. DILLING

Rotkopfwürger — Lanius senator Eine erfolgreiche Brut mit mindestens drei Jungen wurde bei Friedrichsdorf-Burgholz- hausen, Hochtaunuskreis, festgestellt. W. GOTTSCHALK

Schlagschwirl — Locustella fluviatilis Ein singendes Exemplar wurde am Miesbach zwischen Rotenburg-Braach und Alheim- Baumbach, Kr. Hersfeld-Rotenburg, vom 14. bis 28. Mai festgestellt. H. KAMKE & A. WERNER Vom 5. Mai bis 17. Juni wurde ein singendes Exemplar im NSG „ Rhäden von Obersuhl", Kr. Hersfeld-Rotenburg, festgestellt. Bereits 1979 (ein Ex.) und 1982 (zwei Ex.) konnte der Schlagschwirl im „Rhäden" verhört werden. W. GRAF & K. GREBE Im Mai und Juni konnten zwei singende Schlagschwirle im NSG „ Pfungstädter Moor", Kr. Darmstadt-Dieburg, südlich der Mülldeponie zwischen Bahndamm und Angelsee registriert werden. Bereits 1980 konnte hier ein Ex. verhört werden. R. KLOSE & H. WOLF Ein singendes Exemplar im NSG „ Daisbachwiesen bei Bremthal" (220 m NN), in einer Bachaue mit Erlen und Weiden und angrenzenden Seggenwiesen (Gemeinde Eppstein, Main-Taunus-Kreis). Bereits 1982 gelang hier der Nachweis des Schlagschwirls. H. J. MENIUS Im NSG „ Schweinsberger Moor" konnte K. KLIEBE durch die Feststellung zweier singender Männchen am 15. 5. 1983 den Schlagschwirl erstmals zur Brutzeit für den Kreis Marburg-Biedenkopf nachweisen. Die Beobachtungen wurden am gleichen Tag auch von H. HUCKRIEDE u. a. gemacht und von H. PABST sowie später von zahlreichen anderen Beobachtern bestätigt. H. HAHN konnte am 4. 6. 1983 zum letzten Mal ein singendes Tier verhören. Hinweise auf eine erfolgreiche Brut liegen aus diesem Gebiet jedoch nicht vor. 0. VOLK

Schwarzkehlchen Saxicola torquata Auf einer Sturmbruchfläche im Reinhardswald, Kr. Kassel, konnte eine erfolgreiche Brut festgestellt werden; flügge Jungvögel wurden beobachtet. G. SCHUMANN & E. KAMM Während in den vergangenen Jahren im Weinbaugebiet bei Rüdesheim (Rhein-km 527 bis 544) noch drei bis fünf Paare brüteten, konnte 1983 keine Brut mehr festgestellt wer- den. B. FLEHMIG

355 Beutelmeise — Remiz pendulinus Im NSG „Auloch von Dutenhofen", Lahn-Dill-Kreis, wurden zwei fertige Nester und ein Henkelnest festgestellt. Etwa einen Kilometer lahnabwärts bei Dorlar wurde ebenfalls ein fertiges Nest entdeckt. Ob eine Brut stattfand, kann nicht mit letzter Sicherheit ange- gegeben werden. W. SCHINDLER & A. BITZ

Am 15. Mai konnte eine Beutelmeise beim Nestbau am „Kerkerbach" bei Eschenau, Kr. D. STAHL Limburg-Weilburg, beobachtet werden.

Am 4. Juli wurde im NSG „ Kühkopf-Knoblochsaue", Kreis Groß Gerau, ein fertiges Nest entdeckt und zwar auf der Ostseite des Dammes am „ Schusterwörth". Beutelmeisen H. WOLF bzw. Bruthinweise konnten nicht gefunden werden.

Zaunammer — Emberiza cirlus Während 1982 ein Paar bei Rüdesheim beobachtet werden konnte, wurde in diesem Jahr nur ein singendes Männchen an gleicher Stelle festgestellt. LILO MALLACH & B. FLEHMIG Zippammer — Emberiza cia Gegenüber den Erhebungen 1976 und 1979 ist der Brutbestand am „ Mittelrhein" (Rhein- km 527 bis 544) stabil geblieben. An 54 Stellen wurden Zippammern festgestellt. Bemer- kenswert ist die Abnahme der Zippammer im Abschnitt von der Ruine Ehrenfels bis zum Steinbruch bei Assmannshausen (Rheingau-Taunus-Kreis). Hier wurde in den vergange- nen Jahren die größte Brutdichte registriert. Habitat: Aufgelassene Weinberge mitvielen B. FLEHMIG Mauern. Dieses Brutgebiet ist jetzt stark verbuscht.

Erlenzeisig — Carduelis spinus Brutverdacht für den Erlenzeisig im Vogelsberg: Am 27. Juli 1983 konnte im Bereich des Hcchmoores (720 m NN) eine Zeisigfamilie mit zwei Jungen beobachtet werden. G. BAUSCHMANN Birkenzeisig — Carduelis flammea Der Birkenzeisig breitet sich in Hessen weiter aus: 1983 wurde eine erfolgreiche Brut (vier Junge) in einem Gartengelände bei Hörbach, Lahn-Dill-Kreis, beobachtet. W. SCHINDLER, R. SCHULTZ & W. VEIT

Zwei erfolgreiche Bruten des Birkenzeisigs konnte M. KRAFT 1983 im Innenstadtbereich von Marburg feststellen. Während ein Brutpaar am 11. Juni vier gerade flügge gewor- dene Jungvögel im Bereich des Ludwig-Juppe-Wegs am Ortenberg führte, verließen drei Jungvögel eines zweiten Paares im nahe gelegenen Schüler-Park das Nest erst um den 0. VOLK 14. August. M. KRAFT &

In Fulda, wo der erste Brutnachweis für Hessen gelang, konnten in diesem Jahr zwei Paare festgestellt werden; mehrmals wurden Baizflüge über Schrebergärten beobachtet. E. HEIDER Schließlich konnte eine erfolgreiche Brut nachgewiesen werden.

Anmerkung: Die Schriftleitung macht darauf aufmerksam, daß die hier mitgeteilten Brutzeitbeobachtungen eine spätere ausführlichere Abhandlung der einen oder anderen Feststellung nicht ausschließt. Sie sieht darin keine Doppelveröffentlichung.

Zitiervorschlag (Beispiel) FLEHMIG, B. (1983): Bemerkenswerte Brutzeitbeobachtungen in Hessen 1983. Vogel & Umwelt 2: 356.

SCHUMANN, G., G. BOLLER & E. KAMM (1983): Bemerkenswerte Brutzeitbeobach- tungen in Hessen 1983. Vogel & Umwelt 2: 355.

356 Die Loshäuser Störche - Brutsaison 1983

9. April 1983 Ankunft eines vermutlich männlichen Weißstorches am Horst 11.00 Uhr auf dem Molkereischornstein in Loshausen, Schwalm-Eder- Kreis. 16. Mai Eintreffen der Störchin . 13.00 Uhr Kopulationsversuche des männlichen Tieres an diesem und den folgenden Tagen. Erst am 20. 05. 1983 wird beobachtet, daß der „Widerspenstigen Zähmung" gelingt! In der Folge „normales Verhalten" des Brutpaares bis zum Abflug. 03. Juli An einem dieser Tage stellt der Segelflieger H. WIEGAND aus 05. Juli: Loshausen unaufgefordert bei einem seiner Flüge fest, daß Nachwuchs in dem Nest ist. 08. Juli: Beobachtung des Verfassers bestätigt dessen Angaben wäh- rend eines Fluges mit einem Motorsegler, bei dem das Auf- stehen des Altstorches abgepaßt wurde. Die Distanz zum Horst und das Vibrieren des Flugapparates machen es un- möglich, die genaue Anzahl der Jungen auszumachen. Erst die Auswertung einer fotografischen Aufnahme ergibt, daß es sich bei dem Nachwuchs um ein Jungtier handelt. 10. Juli: Sechs über dem Nistplatz kreisende Fremdstörche versetzen das Brutpaar in Unruhe. 12. August: Erstmalig kann von dem Hofgrundstück des Landwirts SCHLEMMER aus beobachtet werden, daß sich der Jungstorch im Nest auf die Beine stellt und mit den Flügeln schlägt. 22. August: Jungstorch, der gut entwickelt ist, macht relativ trägen Eindruck und folgende Tage und steht nur selten auf. Altstörche werden häufig auf frischgemähten Wiesen gesichtet, wo sie dem Mäusefang nachgehen. Ihre Ständer sind durch starke Verkotung fast weiß! (Folge der langen Trockenheit?). 02. September: Jungtier wird lebhafter, macht 1-2 m hohe Luftsprünge auf dem Horst. 5. September: Erster Flug des Jungstorches auf das nahe Scheunendach des Gehöftes Schlemmer. 6. bis 15. September: Gemeinsame Ausflüge der drei Weißstörche — der Jungstorch wirkt größer und besser genährt als die Alttiere — auf Felder und Wiesen der näheren Umgebung. Regelmäßige Rückkehr des Jungstorches zum Nest am frühen Abend und Verbleib auf diesem bis zum Morgen. 16. September: Jungstorch verläßt Horst gegen 07.00 Uhr. Die drei Störche werden letztmalig im Laufe des Vormittags unweit des Naturschutzgebiets „ Erlen von Loshausen" auf einer Wiese gesehen. Besonders bemerkenswert: Extrem späte Ankunft des Zweitstorches am 16. 05. 1983, dadurch bedingt sehr später Wegflug am 16. 09. 1983!

Anschrift des Verfassers: THEO ESSER, Am Kalkberg 97, 3579 Ottrau 3

357 Der Uhu (Bubo bubo) zwischen Werra und Meißner und sein Vorkommen im heutigen Kreisgebiet

Einst war der Uhu im Werratal an den steilen Felswänden der Muschelkalkberge um Wanfried bis nach Bad Sooden-Allendorf vertreten. Auch auf den Höhen des Ringgaus wurde sein Vorkommen beobachtet. Der schon um die Jahrhundertwende durch fortgesetzte Verfolgung und Störung am Nistplatz stark dezimierte Bestand galt spätestens ab dem Jahre 1911 als erloschen. Der Uhu zwischen Werra und Meißner war ausgerottet. Daran änderten auch nichts die etwa noch bis 1930 festgestellten sporadischen Beobachtungen einzelner Individuen. Es handelte sich wahrscheinlich um unverpaarte Exemplare aus dem benachbarten Thüringen. 1963 konnte erstmals wieder auf dem Hirschberg (643 m NN) bei Großalmerode ein Uhu durch Verhören nachgewiesen werden. Im Jahre 1970 schließlich wurde ein Uhupaar auf dem Meißner beobachtet, wovon das Weibchen allerdings im Jahre 1971 widerrechtlich geschossen wurde. (Die damals eingeleiteten strafrechtlichen Maßnahmen führten zum Erfolg). Der daraufhin unternommene Aussetzungsversuch einiger Junguhus auf dem Meißner und im Raum Meinhard (Motzenrode) führte zu keiner Neuansiedlung dieser Vogelart. Über die Hälfte aller ausgesetzten Uhus wurde tot oder verletzt innerhalb der nächsten zwei Jahre aufgefunden. Trotzdem konnten ab 1973 sowie in den darauffolgenden Jahren umherstreichende Exemplare dieser Großeule durch Beobachtungen im Gebiet Meißner/Kaufunger Wald festgestellt werden. Auch 1983 wurde der Uhu weiterhin in diesem Raum (Meißner) bestätigt. Ein immer wieder benutzter Kröpfplatz läßt eine gewisse Revierbindung er- kennen. Am 26. 06. 1983 wurde südöstlich von Nieste im Kaufunger Wald (Bereich Werra-Meiß- ner-Kreis) ein stark verletztes, unberingtes Uhumännchen gefunden. Trotz sofort einge- leiteter Bemühungen (Transport nach Göttingen mit anschließender tierärztlicher Be- handlung) konnte der Vogel nicht gerettet werden. Seit jüngster Zeit —1980-1983 — können aus dem Bereich der Wälder um den Meinhard bei Grebendorf und Jestädt, ebenfalls wieder Nachweise über Uhuvorkommen durch Sichtbeobachtungen und Rufe erbracht werden. Die sich nunmehr im Harz und Thüringer Wald stabilisierten Populationen scheinen sich verstärkt auch in dieses Gebiet auszu- dehnen. Ein totes Exemplar (Halswirbelfraktur) wurde am 16. 10. 1981 bei Meinhard/ Grebendorf gefunden. Es handelte sich seinerzeit um ein bei Göttingerode (Harz) am 31. Mai des gleichen Jahres beringtes junges Uhuweibchen. Eine intensive Herbstbalz eines Uhupaares an den Hängen der Werraberge nordwest- lich der Kreisstadt Eschwege im Jahre1982 mit einer ebenso heftigen Frühjahrsbalz 1983 legten erstmals einen Brutverdacht nahe. Eine spätere Suche des Horststandes wurde aus Gründen des Artenschutzes unterlassen. Erst als am 18. 06. 1983 an der Bundes- bahnstrecke im Uhurevier ein Uhumännchen tot aufgefunden wurde (beringtes Exemplar mit Datum vom 2. 06. 1981 in Osterode/Harz), mußte, um eventuelle Jungvögel vor dem Hungertod zu bewahren, die Horstplatzsuche erfolgen. Dabei wurden am 30. 06. und 1. 07. 1983 insgesamt zwei fast flügge Junguhus festgestellt. Der weibliche Altvogel wurde ebenfalls beobachtet, so daß davon ausgegangen werden konnte, daß aufgrund der nur noch relativ kurzen Fütterungszeit der Jungvögel und des reichen Nahrungsan- gebotes in diesem Bereich die alleinige Versorgung der Junguhus durch das Weibchen gewährleistet war. Dies wurde uns durch eine Vielzahl von Beobachtungen auch bestä- tigt.

Anschrift des Verfassers: WOLFRAM BRAUNEIS, Brückenstraße 21/23, 3440 Eschwege

358 Bemerkenswerter Fund eines beringten Steinkauzes (Athene noctua)

Am 31. Mai 1983 beringten W. SCHMALL (dem auch an dieser Stelle für vielfältige Hilfe gedankt sei) und ich nestjunge Steinkäuze in einem mit über 50 Steinkauzröhren ver- sehenen weitläufigen Gebiet östlich von Wiesbaden. Bei Wiesbaden-Erbenheim kontrollierten wir dabei ein fünf Junge huderndes Weibchen mit Radolfzell-Ring H F 8250. Der Vogel war am 2. Juni 1981 in Allmannsweier (Süd- baden) als Nestling in einer Zweierbrut beringt worden. Ein solch eindeutiger Nachweis der Brutansiedlung über eine beim Steinkauz insgesamt selten belegte Entfernung (190 km) scheint bisher nicht vorzuliegen. EXO und HENNES (1980) erwähnen zwar Brutansiedlung über ähnliche Distanzen, wer- ten jedoch bereits jeden Fund adulter Tiere, die nestjung beringt wurden, als einen solchen Nachweis. Nach GLUTZ (1980) kommen aber Rückwanderungen vor. ULRICH '(1980) belegt solche Rückwanderungen und führt eine Ansiedlung eines nestjung be- ringten Steinkauzes in 190 km Entfernung an. Die Kontrolle („ verpaart") fand aber am 23. 3. statt, so daß auch hier kein direkter Brutnachweis vorliegt. Auch in EXO und HENNES (1978) finden sich keine einschlägigen Funde über größere Entfernungen.

Literatur EXO, K.-M. & R. HENNES (1978): Ringfunde des Steinkauzes (Athene noctua). — Auspicium 6: 363-374. EXO, K.-M. & R. HENNES (1980): Beitrag zur Populationsökologie des Steinkauzes (Athene noctua). — Die Vogelwarte 30: 162 —179. GLUTZ VON BLOTZHEIM, U. N. & K. M. BAUER (1980): Handbuch der Vögel Mittel- europas. — Wiesbaden; Bd. 9: 501-532. ULLRICH, B. (1980): Zur Populationsdynamik des Steinkauzes. — Die Vogelwarte 30: 179-198.

Anschrift des Verfassers: RICHARD MOHR, Kastanienweg 14, 6370 Oberursel

359 Zwergschnäpper (Ficedula parva) bei Oberursel/Taunus

Am 2. Oktober 1982 fing ich neben unserem Wohnhaus bei Oberursel/Taunus in einer rund 300 m2 großen Gruppe aus etwa 25-jährigen Birken (Betula spec.) einen Zwerg- schnäpper im Schlichtkleid. Er war nach SVENSSON (1975) leicht als diesjähriger Vogel zu bestimmen. Die Flügellänge von 69 mm läßt weder nach HARTERT (1910) noch nach NIETHAMMER (1937) einen Rückschluß auf das Geschlecht zu. Der Vogel wurde beringt, fotografiert und wieder freigelassen. Der Hessische Seltenheitsausschuß hat die Art- bestimmung anerkannt. Sichere Feststellungen des Zwergschnäppers liegen aus Hessen nur spärlich vor. LE ROI (1906) erwähnt ohne Angabe von Tag, Monat und Jahr eine Beobachtung bei Marburg/Lahn. SUNKEL (1926) zitiert sie, weiß aber von keiner weiteren und gesicher- ten Feststellung. GEBHARDT & SUNKEL (1954) führen vier Beobachtungen dieser Art auf, BERG-SCHLOSSER (1968) weitere acht, die alle in die Jahre 1959-64 fallen. Aus den späteren Jahren wurde nur ein Totfund am 20. Oktober 1972 im Kreis Hofgeismar (Lucan et al. 1974) und die Beobachtung eines Männchens vom 16.— 24. 6. 1979 im Kr. Marburg-Biedenkopf (TAMM 1982) veröffentlicht. Die Angabe bei LIPPERT (1982), daß 1980 in Hessen ein Zwergschnäpper beringt worden sei, stellte sich bei der versuchten Ermittlung näherer Daten als Hörfehler während eines Diktates heraus, bei diesem Vogel handelt es sich um eine Zwergschnepfe (Limnocryptes minimus)! Bei dem von mir gefangenen Vogel fällt ebenso wie bei dem Totfund im Kr. Hofgeismar das späte Datum auf. Alle anderen hessischen Beobachtungen liegen zwischen „Anfang Mai" und dem 30. August. In den meisten Fällen wurden die Beobachter durch den Ge- sang aufmerksam. Es liegt nahe, daß dieser recht unscheinbare, sich gerne in der Wipfelregion aufhaltende Vogel auch von aufmerksamen Feldornithologen leicht über- sehen werden kann, falls er sich nicht durch seinen auffälligen Gesang verrät. Daß Oktoberdaten bei dieser Art, die ihre Brutplätze schon im August verläßt, nicht unge- wöhnlich sind, zeigt die Anmerkung „Durchzügler noch im September, auf Helgoland auch im Oktober" bei NIETHAMMER (1937). Beim Fang „meines" Zwergschnäppers stellte sich die Frage nach dem Sinn der Be- ringung einer solch seltenen Art unserer hessischen Avifauna. Sollte es sich nur um einen Irrgast handeln, der zufällig eine falsche Zugrichtung eingeschlagen hat, wäre seine Kennzeichnung sicher bedeutungslos. Nun vermuten aber OTTERLIND (1944) und DIESSELHORST (1971), daß der Zwergschnäpper aus seinem westlichen Verbreitungs- gebiet vielleicht bisher unerkannt statt nach Pakistan und Indien nach SW in ein noch unentdecktes Winterquartier zieht oder neue Zugwege nach SW entwickelt. Es ist auch nicht auszuschließen, daß er seine bei STRESEMANN et al. (1967) dokumentierte Vor- kommensgrenze nach Westen ausdehnt. In diesen Fällen ist die Beringung hier ge- fangener Zwergschnäpper sinnvoll und wichtig, nicht nur wegen der allerdings sehr geringen Möglichkeit eines späteren Wiederfundes.

Literatur BERG-SCHLOSSER, G. (1968): Die Vögel Hessens. Ergänzungsband. — Frankfurt/M.; S. 200-201. DIESSELHORST, G. (1971): Anz. Orn. Ges. Bayern 10: 92 —96. GEBHARDT, L. & W. SUNKEL (1954): Die Vögel Hessens. — Frankfurt/M.; S. 226-227. HARTERT, E. (1910): Die Vögel der paläarktischen Fauna. — Berlin Bd. 1: 485-487. LE ROI, 0. (1906): Die Vogelfauna der Rheinprovinz. Verh. d. nat. Ver. d. preuß. Rheinlde. u. Westf. LXIII: 181. LIPPERT, H. (1982): Beringungsbericht für die Jahre 1979, 1980 und 1981. — Luscinia 44: 327-339.

360 LUCAN, V., L. NITSCHE & G. SCHUMANN (1974): Vogelwelt des Land- und Stadt- kreises Kassel. — Kassel: S. 194. NIETHAMMER, G. (1937): Handbuch der deutschen Vogelkunde. — Leipzig; Bd. 1: 283-286. OTTERLIND, G. (1944): Var Fagelvärld 3: 41-74. STRESEMANN, E., L. A. PORTENKO & G. MAUERSBERGER (1967): Atlas der Verbreitung palaearktischer Vögel. — Berlin; 2. Lieferung. SUNKEL, W. (1926): Die Vogelfauna von Hessen. — Eschwege: S. 167. SVENSSON, L. (1975): Identification Guide to European Passerines.— Stockholm; S. 111-112. TAMM, J. C. (1982): Zwergschnäpper (Ficedula parva) bei Marburg/Lahn. — Vogel und Umwelt 2: 61.

Anschrift des Verfassers: RICHARD MOHR, Kastanienweg 14,6370 Oberursel

361 Manuskriptrichtlinien

Für die Abfassung von Beiträgen kommen drei Formen in Frage:

1. Größere Abhandlungen in wissenschaftlich exakter Darstellungsweise unter Aus- lassung von Nebensächlichkeiten. Die Ausführungen können durch graphische Darstellungen, Kartenskizzen (mit Tusche auf weißem Zeichenkarton zu zeichnen) oder Fotos (schwarzweiß Hochglanz) veranschaulicht und mit einem möglichst umfassenden Literaturverzeichnis abgeschlossen werden.

2. „Kleine Mitteilungen" sollen Beobachtungen enthalten, die meist einer eingehenden Erläuterung sowie gründlicher Literaturdurchsicht und -zitate bedürfen.

3. „ Faunistische Kurzmitteilungen" dienen zur Veröffentlichung bemerkenswerter Felddaten in der Avifauna eines Landes. Dabei wird auf ein umfassendes Literatur- verzeichnis verzichtet, abgesehen von einzelnen Zitaten im Text, die sich auf frühere Beobachtungen beziehen. Beobachtungen von Vogelarten („ Raritäten"), die auf der Liste des Seltenheiten-Ausschusses des DACHVERBANDES DEUTSCHER AVIFAUNISTEN stehen, werden nur dann publiziert, wenn sie vom zuständigen Landesausschuß anerkannt wurden (für Hessen: W. BAUER, K. FIEDLER, H. KLAM- BERG und H. SIEGEL).

Die Titel der Beiträge sind aus bibliographischen Gründen so kurz wie möglich zu halten. Bei größeren Abhandlungen und „Kleinen Mitteilungen" stehen Name und Anschrift des Verfassers (in großen Buchstaben) am Ende des Manuskriptes (MS) im Anschluß an das Literaturverzeichnis.

Es können nur MS in Maschinenschrift 1'/2- oder 2-zeilig auf neutralen DIN A 4-Bögen angenommen werden. Die Papierbögen, die nur einseitig beschrieben werden dürfen, sollen links einen 4-5 cm breiten Rand haben.

Die Tier- und Pflanzenarten sind mit ihren deutschen und wissenschaftlichen Namen anzuführen. Letzterer wird durch Kursivdruck hervorgehoben, der durch Unter- _.sta•nlet.m kenntlich gemacht wird. Hinsichtlich der wissenschaftlichen und deut- schen Vogelnamen sowie der systematischen Reihenfolge sollen sich die Autoren nach „Die Vögel Deutschlands / Artenliste" von NIETHAMMER, KRAMER & WOL- TERS (1964) richten (Ausnahme: Graureiher statt Fischreiher).

Auf Sperrdruck weist man durch einfaches Unterstreichen hin, auf Fettdruck durch doppeltes Unterstreichen. Für Angaben von Band- oder Jahrgangsnummern werden nur arabische Ziffern in Fettdruck verwendet. Personennamen werden durch große Buchstaben hervorgehoben. Alle Druckauszeichnungen sind ausschließlich in Bleistift vorzunehmen.

Ausdrücklich wird auf eine einheitliche Literatur-Zitierung hingewiesen. Beruft man sich in einer Arbeit auf die Ergebnisse früherer Veröffentlichungen oder auf deren Autoren, so ist es unumgänglich, das vollständige Zitat dieser Publikationen im Lite- raturverzeichnis anzugeben. Andererseits sind dort auch nur solche Veröffentlichungen anzuführen, die in der Arbeit wirklich benutzt werden. Beim Ordnen der Zitate ist darauf zu achten, daß die alphabetische Reihenfolge des Anfangsbuchstabens der Autoren eingehalten wird. Bei mehreren Arbeiten desselben Autors ist die zeitliche

362 Reihenfolge des Erscheinens für die Einordnung maßgebend. Die Nachnamen der Autoren werden grundsätzlich (auch im Text) mit großen Buchstaben wiedergegeben, die Vornamen im Literaturverzeichnis abgekürzt. Hat eine Arbeit mehrere Autoren, so sind alle zu nennen und der Vorname des ersten nachzustellen.

Beispiele: KLIEBE, K. (1968): Zum Wintervorkommen der Zwergschnepfe (Lymnocryptes mini- mus) im Amöneburger Becken, Krs. Marburg /Lahn. — Orn. Mitt. 20: 3-6.

BAUER, W. und K.-H. SCHAACK (1970): Hessische Gewässer als Durchzugs- und Winterrastareale für Schwimmvögel. — Luscinia 41: 63-75.

Wird aus einem umfangreicheren Werk zitiert, sollten die entsprechenden Seitenzahlen angegeben werden.

GLUTZ, U. N., K. M. BAUER und E. BEZZEL (1977): Handbuch der Vögel Mittel- europas. —Wiesbaden; 7: 347-437.

Publikationen in Sammelberichten z. B. in „ Faunistische Kurzmitteilungen" werden wie folgt zitiert:

FREITAG, F. in FIEDLER, K. (1976): Kurze faunistische Mitteilungen aus Hessen (10). — Luscinia 43: 38.

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Für den Inhalt der Beiträge, der nicht mit der Ansicht der Schriftleitung übereinzu- stimmen braucht, sind die Verfasser allein verantwortlich. Die Verlagsrechte an ange- nommenen MS und Bildern gehen an den Herausgeber über. Doppelveröffentlichungen des gleichen MS werden im allgemeinen nicht angenommen. Die MS sind an Herrn K. FIEDLER, Kantstraße 7,6050 Offenbach/Main, zu senden.

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Inhaltsverzeichnis Seite

287 K.-H. BERCK: Gerhard Berg-Schlosser zum 70. Geburtstag

W. BAUER, E. HEIDER & 0. JOST: Die Entstehungsgeschichte der Mooser Teiche und ihrer Graureiher-Kolonien 289 sowie die neuere Entwicklung

F. MÜLLER: Kulturfolger, aber Zivilisationsflüchter — das Birkhuhn (Lyrurus tetrix L) in der Rhön und die 303 Problematik seines Schutzes

E. METZ, G. NEITZSCH & W. SCHINDLER: Die Dohle (Corvus monedula) 313 — eine weitere bestandsgefährdete Vogelart in Hessen?

K. HILLERICH: Die Situation der Greifvögel im Rhein-Main-Gebiet 321 zehn Jahre nach dem generellen Abschußverbot

H. ANHÄUSER, W. BRAUNEIS, W. HAMMER & C. SAAR: Auswilderung 339 gezüchteter Wanderfalken — Falco peregrinus — in Hessen 1983

M. ERNST & H. SCHAUM: Das Naturschutzgebiet „ Kammereckswiesen 343 von Langen", Kreis Offenbach

Kleine Mitteilungen 351 Bemerkenswerte Brutzeitbeobachtungen in Hessen 1983

357 T. ESSER: Die Loshäuser Störche — Brutsaison 1983

W. BRAUNEIS: Der Uhu (Bubo bubo) zwischen Werra und Meißner 358 und sein Vorkommen im heutigen Kreisgebiet

R. MOHR: Bemerkenswerter Fund eines beringten Steinkauzes 359 (Athene noctua)

360 R. MOHR: Zwergschnäpper (Ficedula parva) bei Oberursel/Taunus

Neue Literatur 320 338 342 349,350

362 Manuskriptrichtlinien

364 s postalischen Gründen können die Preise für die besprochenen Bücher nicht bei den Besprechungen aufgeführt werden. Aus diesem Grunde werden die Preise an dieser Stelle nachgetragen:

BEZZEL, E.: Vögel in der Kulturlandschaft DM 88,— BEZZEL, E.: Vögel 1, Singvögel DM 26,— IMMELMANN, K.: Einführung in die Verhaltensforschung DM 28, — KRUG, A.: Brutvorkommen bestandsbedrohter Vogelarten im Kr. Groß Gerau DM 2,— TROMMER, G.: Greifvögel DM 58,—

Bezugsbedingungen:

Die Beauftragten der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland erhalten diese Zeitschrift über ihre Kreis- bzw. Gemeindeverwaltungen.

Mitglieder des Landesverbandes Hessen e. V. im Deutschen Bund für Vogelschutz ichten bitte ihre Bestellungen an rau H. Ey, Scharfensteiner Straße 17, 6200 Wiesbaden,

die Mitglieder der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e. V. an Herrn K. H. Schaack, Groß-Hasenbach-Straße 6, 6050 Offenbach am Main.

Der Schriftentausch erfolgt durch die Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rhein- land-Pfalz und Saarland, Steinauer Straße 44, 6000 Frankfurt am Main-Fechenheim.

Der Bezugspreis beläuft sich z. Z. bei drei Heften jährlich auf DM 15,— zuzüglich Ver- andkosten. Nach Erhalt der Rechnung bitten wir den Gegenwert prompt auf das ange- ebene Postscheckkonto zu überweisen.

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