Rundbrief des Arbeitskreises für Wirtschafts- und Sozialgeschichte Schleswig-Holsteins

Nr. 99 Februar 2009

Mitteilungen Einladung zur offenen Tagung des Arbeitskreises vom 8. bis 10. Mai 2009 in der Akademie am See auf dem Koppelsberg bei Plön ...... 1 Der Arbeitskreis für Wirtschafts- und Sozialgeschichte Schleswig-Holsteins im Jahr 2008 (Lorenzen-Schmidt) ...... 2 Bericht des Rechnungsführers (Liebing Schlaber) ...... 5 Landesgeschichtliches Colloquium der Geschichtsgesellschaft (Bock) ...... 6

Beiträge Gibt es eine Stormarner Identität in der Metropolregion? - Tagung zur Zukunft der Kernstadt und der Umlandkreise (Watzlawzik und Bayer) ...... 11 Ein „Project zu Anlegung nützlicher Manufacturen“ von 1707 für das Herzogtum Plön (Kraack) ...... 14 Ein englischer Ingenieur in Norddeutschland. William Lindley und die Modernisierung der Infrastruktur im 19. Jahrhundert (Pelc) ...... 17 Fluch und Segen der Technik auf Schleswig-Holsteins Weg in die Moderne. Zwei Stimmen aus dem Flensburg des 19. Jahrhunderts (Kraack) ...... 24

Buchbesprechungen (Kraack) ...... 27

Hg. v. Günther Bock, Ahrensfelder Weg 13, 22927 Großhansdorf Mitgliedernachrichten

Neues Mitglied:

Alexander Eggert Bundesstraße 1 25557 Gokels Interessengebiet: Handwerks- und Industriegeschichte (im weitesten Sinne), der Sachkulturforschung und Identitätskonstruktionen, ist aber nicht darauf begrenzt.

Neue E-Mai-Adressen:

Marie Luisa Allemeyer: [email protected]

Bärbel von Borries-Pusback: [email protected]

Mitgliederbeitrag/Rundbriefabonnement: jährlich 25 € (10 € für Studenten oder Interessierte ohne Einkommen). Internet: http://www.arbeitskreis-geschichte.de

Bankverbindungen: Flensburger Sparkasse, Konto: 105 100 919, Bankleitzahl: 215 500 50. Mitglieder in Dänemark können auf das dänische Konto der GSHG überwei- sen: Sydbank Kruså, Reg.-Nr. 8065, Konto-Nr. 111340-1 (Einzahlungen auf dieses Konto bitte unbedingt mit „Beitrag Arbeitskreis“ kennzeichnen).

Rundbrief 99 Mitteilungen

Einladung zur offenen Tagung des Arbeitskreises vom 8. bis 10. Mai 2009 in der Akademie am See auf dem Koppelsberg bei Plön

Die Tagung bietet Gelegenheit, Forschungsvorhaben und -fortschritte im Kreis freundlich-kritischer Kolleginnen und Kollegen vorzustellen und zu diskutieren. Das Angebot richtet sich auch an Magisterkandidaten und Doktoranden, die Themen aus dem erweiterten Bereich der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (also auch der Mentalitäts-, Geschlechter-, Alltags-, Psycho- oder Kulturgeschichte) bearbeiten und das Bedürfnis haben, sich kollegial und freundschaftlich auszutauschen.

Unterbringung und Verpflegung zahlt der Arbeitskreis. Dafür werden Reisekosten nur auf besonderen Antrag und für bedürftige Kolleginnen und Kollegen erstattet.

Wir bitten um Anmeldung mit oder ohne Nennung eines Referatsthemas bei:

Dr. Klaus-J. Lorenzen-Schmidt Staatsarchiv Kattunbleiche 19 22041 Hamburg mail: [email protected]

Rundbrief 99 1 Der Arbeitskreis für Wirtschafts- und Sozialgeschichte Schleswig-Holsteins im Jahr 2008

Die gemeinschaftliche Arbeit an der Er- die Exkursion mit Mitgliederversamm- forschung der Wirtschafts-, Sozial- und lung in Glückstadt statt, bei der Klaus-J. Mentalitätsgeschichte Schleswig-Hol- Lorenzen-Schmidt führte. steins hat ihre ruhige Gangart beibehal- ten. An Stelle der Tagung über „Essen Anfang des Jahres mussten wir einen und Trinken in Schleswig-Holstein und neuen Sekretär suchen, da sich Jan Stra- benachbarten Gebieten vom Mittelalter ßenburg beruflich nach Braunschweig bis zum Ersten Weltkrieg“, die wegen zu veränderte und nun in einem ganz an- geringer Beteiligung abgesagt werden deren Metier seine Brötchen verdient. musste, wurde im Juni 2008 eine offe- Wir haben die Lösung gefunden, dass ne Tagung in der Akademie am See auf wir das Sekretariat einsparen, indem die dem Koppelberg durchgeführt. Diese Mitgliederbetreuung und –organisation war ein voller Erfolg, denn in entspann- von Gerret L. Schlaber, der „Rundbrief“ ter Atmosphäre konnten verschiedene von Günther Bock und alle anderen Forschungsvorhaben vorgestellt und Einladungen und Mitgliederkorrespon- ausführlich diskutiert werden. Eines der denzen von Klaus-J. Lorenzen-Schmidt Resultate war, dass nun doch die Pla- wahrgenommen werden. nung für einen Band der „Studien“ zum Thema „Essen und Trinken“ vorangetrie- Unsere Werbeaktion hat einige neue ben werden soll (Projektleitung: Detlev Mitglieder zu uns geführt, die hoffent- Kraack und Klaus-J. Lorenzen-Schmidt). lich die Arbeit beleben und neue Impul- Auch das Projekt „Küstengesellschaft“, se geben. das ähnliche Probleme wie das eben genannte Projekt hatte, erhielt durch Publikationen hat der Arbeitskreis nach die Zusammenkunft neue Impulse, und dem ertragreichen Vorjahr außer zwei Martin Rheinheimer wird dazu einen Heften des „Rundbriefes“, die Günther Sammelband in unserer Reihe „Studi- Bock in neuer, deutlich verbesserter Ge- en“ vorbereiten. Insgesamt fanden die staltung herausgab, in Form der Fest- Teilnehmer an der offenen Tagung, dass schrift für Peter Wulf zum 70. Geburtstag der Arbeitskreis wohl stärker von den im vergangenen Jahr vorlegen können: vor etwa 30 Jahren entwickelten Ar- beitsformen abrücken müsste und nicht Brückenschläge aus der Vergangen- mehr eng umrissene Projekte in Vorbe- heit. Festschrift für Peter Wulf zu seinem reitungssitzungen und Arbeitstagung 70. Geburtstag, hrsg. v. Detlev Kraack u. anschieben sollte. Die lockere Form des Klaus-J. Lorenzen-Schmidt, Neumünster Angebots zur Beteiligung kommt gegen- 2008 (Studien zur Wirtschafts- und Sozi- wärtig wohl besser an. Im September algeschichte Schleswig-Holsteins, Band fand bei äußerst geringer Beteiligung 44).

2 Rundbrief 99 Als nächste Bänd der „Stu- dien“ sollen die Ergebnisse der Tagung „Katastrophen in Norddeutschland“ (Leitung: Ortwin Pelc), der Sammel- band über „Essen und trinken“ (hrsg. v. Detlev Kraack und K.-J. Lorenzen-Schmidt) und „Küstengesellschaft“ (hrsg. v. M. Rheinheimer) erscheinen. Weitere Publikationsvorbe- reitungen bestehen für die „Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Schleswig- Holsteins“ und für die „Kleine Reihe“.

Besonders erfreulich im Rah- men der guten Zusammen- arbeit mit unseren dänischen Kollegen war die Mitherausga- be (gemeinsam mit Historisk Samfund for Sønderjylland)der Publikation:

Erik Nørr, Carsten Porskrog Rasmussen und Gerret Liebing Schlaber, Theodor Gliemanns amtskort over hertugdømmet Slesvig. Das Leitungsgremium, das alle Funk- Die schleswigschen Amtskarten des tionsträger (also auch Projektleiter bis Theodor Gliemann, Aabenraa/Apenrade zum Abschluß durch Publikation des 2008 (= Skrifter udg. af Historisk Sam- Tagungsbandes) umfasst, bestand zum fund for Sønderjylland Nr. 100). Jahreswechsel aus: Klaus-J. Lorenzen- Schmidt (Sprecher und Projekt Essen & Wir freuen uns nach wie vor über die Trinken), Gerret L. Schlaber (Rechnungs- ausgezeichnete, fruchtbare und sehr führer), Martin Rheinheimer (Redaktion freundschaftliche Kooperation mit un- der Schriften), Günther Bock (Redaktion seren dänischen Kollegen, die glückli- Rundbrief), Peter Danker-Carstensen cherweise überhaupt keine nationalen (Schriftenversand), Björn Hansen (Inter- Reibungen kennt und danken über die net-Beauftragter), Ortwin Pelc (Projekt Grenze hinweg dafür! Katastrophen) und Detlev Kraack (Pro-

Rundbrief 99 3 Liebe Mitglieder,

wir möchten alle, die es nicht schon getan haben und die keinen Dauer- auftrag eingerichtet haben, um die möglichst baldige Einzahlung des jährlichen Mitgliedsbeitrages bitten. Dieser beträgt nach wie vor 25 € (10 € für Geringverdiener und Studierende). Die Kontonummer lautet nach wie vor 105 100 919 bei der Flensburger Sparkasse (BLZ 215 500 50), was auch durch die Fusion mit der Nord-Ostsee-Sparkasse nicht geändert wird.

Mit den besten Grüßen Euer Rechnungsführer

Gerret Liebing Schlaber

jekt: Stadt und Adel). Ausgeschieden Insgesamt ist der Arbeitskreis stabil, sind Ingwer Momsen, Peter Wulf und möchte aber gerne mehr Dynamik ent- Jan Straßenburg, denen für ihr zum Teil wickeln und sucht weiterhin jüngere jahrzehntelanges Engagement unser forschende Mitglieder, die sich mit ihren Dank gilt. Themen und Ergebnissen einbringen. Im jetzt laufenden Jahr wird es höchst- Finanzielle Unterstützung für unsere Ar- wahrscheinlich eine offene Tagung (er- beit erhalten wir gegenwärtig durch die neute Einladung in diesem Heft) geben. „Gesellschaft für Schleswig-Holsteini- Der Arbeitskreis verfolgt weiter sein Ziel, sche Geschichte“, der wir dafür herzlich die Sozial-, Wirtschafts-, Kultur-, Mentali- danken. Immer wichtiger werden für uns täts-, Geschlechter- und Alltagsgeschich- Sponsoren, die nicht nur die Tagungstä- te der alten Herzogtümer Schleswig und tigkeit fördern, sondern den Druck der Holstein unter Einschluss von Lübeck „Studien“ und der „Quellen“ überhaupt besser zu erforschen und unter verglei- erst ermöglichen. Ihnen gilt unser herz- chenden Aspekten darzustellen. licher Dank, denn ohne sie wäre die Pu- blikationstätigkeit bei zunehmendem Klaus-J. Lorenzen-Schmidt Versiegen öffentlicher Finanzquellen überhaupt nicht möglich.

4 Rundbrief 99 Bericht des Rechnungsführers

Abrechnung für das Geschäftsjahr 2008

A. Kontostand am 31.12.2007: € 9595,73

B. Einnahmen

Mitgliedsbeiträge: € 1270,00 Zuschuss von der GSHG: € 2500,00 Rückzahlungen: € 99,89

Einnahmen gesamt: € 3869,89

C. Ausgaben

Fachtagungen: € 1899,00 Druckkosten und Redaktion Studien: € 2879,94 Druckkosten Rundbrief: € 1335,41 Sekretariat (Versand u.a.): € 1043,82 Bankgebühren: € 66,15 Auslagen Jahreshauptversammlung: € 47,40 Durchlaufende Gelder: € 95,40

Ausgaben gesamt: € 7367,12

D. Saldo € -3497,23

E: Kontostand am 31.12.2007: € 6098,50

Apenrade, den 25. Januar 2009

Gerret Liebing Schlaber ph.d. Rechnungsführer

Rundbrief 99 5 Landesgeschichtliches Colloquium der Geschichtsgesellschaft von Günther Bock

Unter dem Titel „Perspektiven und Auf- der Syddansk Universitet, Esbjerg akzen- gaben der landesgeschichtlichen For- tuierte den Unterschied zwischen der schung in einem Europa der Regionen“ auf einer politischen Einheit gründenden veranstaltete die Gesellschaft für Schles- Landesgeschichte und der auf sozialen, wig-Holsteinische Geschichte am 14. und wirtschaftlichen und mentalitätsmäßi- 15. November 2008 in der Christian Alb- gen Kriterien basierenden Regionalge- rechts-Universität Kiel ein wissenschaft- schichte. So seien die deutschen Landes- liches Colloquium. Die Initiative ging geschichten Produkte der föderativen von dem von Klaus-J. Lorenzen-Schmidt Länder, im Unterschied zu Staaten mit geleiteten Beirat der Geschichtsgesell- zentralstaatlichen Strukturen, die keine schaft aus. ausgeprägten Landesgeschichten ent- wickelten. Die Regionalgeschichte löse Dem Colloquium gingen am Vorabend die durch Grenzen definierten Länder der Festvortrag von Prof. Dr. Carl-Hans zugunsten neuer Räume auf. Er führte Hauptmeyer (Hannover) „Wozu heute Mikroregionen (Region Unterelbe) oder Regionalgeschichte?“ und die erstmalige Makroregionen (Wattenmeerregion) Verleihung des mit 1000 Euro dotierten an, die jeweils grenzüberschreitend an- Preises der Geschichtsgesellschaft vor- gelegt seien, je nach naturräumlichen, aus. Erster Preisträger ist Gerret Liebing mentalen, sozial- oder wirtschaftsge- Schlaber (Apenrade/Flensburg), der schichtlichen Zusammenhängen. Rechnungsführer unseres Arbeitskrei- ses, für seine Publikation „Hertugdøm- Christoph Cornelißen vertrat das Histo- met Slesvigs forvaltning ...“, Flensburg rische Seminar der Christian-Albrechts- 2007; rezensiert in ZSHG 133 (2008), S. Universität Kiel. Er betonte die eher 260-262. traditionell geprägte Landesgeschichts- schreibung, in der viele Themen der Detlev Kraack, Stellvertretender Vorsit- modernen Geschichtsforschung ausge- zender der GSHG, moderierte das am klammert seien, so die Umweltgeschich- Sonnabend abgehaltene Colloquium. te. Zudem tendiere vor allem die schles- Nach drei Repräsentanten der Universi- wig-holsteinische Landesgeschichte zu täten kamen Geschichtsvermittler aus mangelnder Selbstreflexion. So fehle den Bereichen Museum und Schule zu eine kritische Auseinandersetzung mit Wort. der eigenen Geschichte der Geschichts- gesellschaft. Die Aufarbeitung ihrer ver- Martin Rheinheimer vom Institut for Hi- gangenen 175 Jahre seien ein Desiderat. storie, Kultur og Samfundsbeskrivelse

6 Rundbrief 99 Jörg-Dietrich Kamischke, der Vorsitzende der Geschichts- gesellschaft, überreicht Gerret Liebing Schlaber die Auszeich- nung für sein 2007 in Flensburg erschienenes Werk Hertugdøm- met Slesvigs forvaltning: administrative strukturer og retspleje mellem Ejderen og Kongeåen ca. 1460-1864.

Carsten Porskrog Rasmussen vom Insti- von der Stiftung Schleswig-Holsteini- tut for Historie og Områdestudier der sche Landesmuseen, Schleswig. Sein Re- Universität Aarhus, der für den kurzfristi- ferat beschäftigte sich mit Erfahrungen ge verhinderten Enno Bünz einsprang, der Vermittlung von Landesgeschichte ging auf die dänische Geschichtsschrei- in der Ausstellung „Erinnerungsorte“ im bung ein. Dort gebe es im Wesentlichen Volkskundemuseum auf dem Hester- nur National- und Lokalgeschichte, al- berg in Schleswig. Als Ausstellungsbesu- lerdings mit der Ausnahme des gerade cher erscheinen vorwiegend Personen erschienenen ersten Bandes der „Søn- mit einem Alter ab 40 Jahren, hingegen derjyllands historie”. Dieser Umstand sei es schwierig, Jugendliche zu errei- einer Regionalgeschichte des Herzog- chen. Unabhängig vom Alter fänden tra- tums Schleswig sei den politischen Un- ditionelle Ausstellungen zur politischen terschieden zu Dänemark geschuldet. Er Ereignisgeschichte kaum Zuspruch. forderte dazu auf, in Schleswig-Holstein Daher setze das Volkskundemuseum eine Erneuerung der politischen Regio- auf die Alltagskultur mittels Rauminsze- nalgeschichte zu betreiben. nierungen. Dem Besuch dieser „Erinne- rungsorte“ folgten nicht selten intensive Nach einer ersten Diskussionsrunde ka- Diskussionen. men unterschiedliche Repräsentanten der Geschichtsvermittlung zu Wort. Die- Rolf Schwarz, Realschullehrer aus Rends- sen Teil eröffnete Guntram Turkowski burg, thematisierte die Unterrichtspraxis,

Rundbrief 99 7 Das hochkrarätig besetzte Podium des Colloquiums: der es an verwertbarem Material man- von links Detlev Kraack, Rolf Schwarz, gele. Er betonte angesichts von Schul- Carsten Porskrog Rasmussen, Thomas Hill, klassen, in denen teilweise die Schüler Guntram Turkowski, Martin Rheinheimer mit Migrationshintergrund die Zahl der und Christoph Cornelißen. aus Schleswig-Holstein stammenden Schüler übersteige, die Notwendigkeit regionaler Bezüge. zur Sprache. Im Kern ging es dabei um die Notwendigkeit, ein breiteres inter- Thomas Hill, Gymnasiallehrer aus Kiel, essiertes Publikum zu erreichen. Ein attestierte eine Krise der Geschichtsver- Hemmnis sei jedoch die geringe Perso- eine trotz erheblichem Interesse beim naldecke. geschichtsinteressierten Publikum. Er belegte dies mit aufwändig produzier- Obwohl in erheblichem Maße für die ten Fernseh-Dokumentationen zu hi- Teilnahme am Colloquium geworben storischen Themen und dem starken wurde, fand es nur geringe Resonanz Interesse an großen historischen Son- unter den Studenten der Universität. derausstellungen. Diesen Angeboten Mitglieder der Geschichtsgesellschaft, mit Event-Charakter müssten sich auch die nicht dem Wissenschaftsbetrieb die Geschichtsvereine stellen und mehr verpflichtet sind, erschienen nur verein- auf die Interessenlage eingehen. Hier- zelt. Dies mag am ungünstig gelegenen bei käme dem Internetauftritt der Ge- Veranstaltungsort gelegen haben. Mög- schichtsgesellschaft eine besondere licherweise erschwerte auch die Vertei- Funktion zu. lung auf zwei Tage die Bereitschaft zur Teilnahme. Zweifellos ist es sinnvoll, die In der Abschlussdiskussion kamen er- aufgeworfenen Fragen weiter zu ver- neut viele der Fragen und Anregungen folgen. Insgesamt fiel jedoch auf, dass

8 Rundbrief 99 mit dem Thema „Perspektiven und Auf- gaben der landesgeschichtlichen For- Übersetzerdienste schung in einem Europa der Regionen“ teilweise sehr frei umgegangen wurde. Als erfahrener britischer Fach- Insbesondere die Perspektiven kamen übersetzer mit Spezialisierung auf angesichts diverser Diskussionen um geistes-, kultur- und sozialwissen- Definitionen und Abgrenzungen gele- schaftliche Texte möchte ich Ihnen gentlich etwas zu kurz. hiermit meine Dienste anbieten.

Ähnlich wie der alljährlich mit erhebli- Ich habe neun wissenschaftliche chem Publikumszuspruch in Kiel durch- Bücher vom Deutschen ins Engli- geführte „Tag der Archäologie“ könnte sche übersetzt und bin dafür von künftig auch ein „Tag des Schleswig-Hol- führenden deutschen Wissen- steinischen Geschichte“ mit kurzen in- schaftlern wie Hans Joas und Wolf- teressanten Beiträgen aus unterschied- gang Reinhard mehrfach lobend lichen Forschungsfeldern für Belebung erwähnt worden. und für den gewünschten Publikumszu- spruch sorgen. Gerne fertige ich für Sie kostenlos eine Probeübersetzung auf einer Verf. dankt Elke Imberger und Frank A4 Seite an, damit Sie sich von mei- Lubowitz für freundliche Unterstützung. nen Qualitäten überzeugen kön- nen.

Für weiterreichende Informationen über mein Angebot und meine Re- ferenzen besuchen Sie bitte meine Webseite unter: www.alexskinner. com.

Mit freundlichen Grüßen aus Schottland

Alex Skinner

mailto: [email protected]

Rundbrief 99 9 Erinnerung immer sehr stark forschungsorientiert sein muss) oder über sein Verhältnis zum Liebe Kolleginnen und Kollegen, Arbeitskreis (also, was er am Arbeitskreis liebe Freunde, gut und nützlich oder blöd und über- flüssig hält) oder über Erinnerungen an die nächste Nummer unseres Rund- den Arbeitskreis! Schön wäre es, wenn briefs wird die 100. sein. Nicht schlecht der Beitrag mit einem Photo der oder - und ein Spiegelbild der nun schon über des Betreffenden angereichert würde. 30jährigen Tätigkeit des Arbeitskreises. Die Rundbriefe stehen im Netz und sind Ich möchte Euch also bitten, bis zum 30. für Forschungen zur Sozial- und Wirt- April 2009 solche Beiträge an den Her- schaftsgeschichte oder über den Ar- ausgeber unseres Rundbriefes Günther beitskreis gut zugänglich. Bock ([email protected]; Ahrens- felder Weg 13, 22927 Großhansdorf), zu Wir haben überlegt, ob es nicht eine schicken. gute Idee wäre, den 100. Rundbrief mit möglichst viel kleinen Beiträgen zu un- Vielen Dank! seren Forschungen und Beschäftigun- Und viele Grüße von gen zu füllen - will sagen: Jeder von uns schreibt einen kleinen Zweiseiter entwe- LORI der zu seiner/seinen Forschung/en oder Dr. Lorenzen-Schmidt über seine aktuelle Tätigkeit (die ja nicht

Eine Bitte

Der Rundbrief lebt von den Mitteilun- quellenkundliche Erörterungen oder gen der Mitglieder des Arbeitskreises. einfach nur Fragen habt – schickt sie an Günther Bock hat sich dankenswerter Günther Bock, damit der Rundbrief für Weise bereit erklärt, den Rundbrief re- uns alle interessant und aufschlussreich daktionell zu betreuen und zu gestalten, bleibt: was ihm bisher auch toll gelungen ist. Aber er kann den Rundbrief nicht allein Günther Bock bestücken. Dazu braucht er tätige Hilfe Ahrensfelder Weg 13 aus dem Arbeitskreis. 22927 Großhansdorf Wenn Ihr also Mitteilungen über Eure mail: gü[email protected]. Forschungen, besonders interessante Quellenstücke, kleine Aufsätze, Histo- LORI rische Statistik, Quellenhinweise und

10 Rundbrief 99 Beiträge

Gibt es eine Stormarner Identität in der Metropolregion? - Tagung zur Zukunft der Kernstadt Hamburg und der Umlandkreise von Stefan Watzlawzik und Florian Bayer

Die Metropolregion Hamburg mit ins- eine noch offenere Zusammenarbeit gesamt rund 4 Millionen Einwohnern, ohne bürokratische Hindernisse und verteilt auf die Bundesländer Schles- plädierte für „Gespräche auf gleicher wig-Holstein, Niedersachsen sowie den Augenhöhe“. Stadtstaat Hamburg, hat sich in den letz- ten Jahrzehnten als Wachstumsmotor Das erste Fachreferat hielt der Hambur- im norddeutschen Raum entwickelt. Zur ger Senator für Wirtschaft und Arbeit, Tagung „Metropolregion, Stadtregion Axel Gedaschko, zur politisch-plane- und urbane Peripherie“ am 22.11.2008 in rischen Perspektive für Hamburg und Bad Oldesloe, die vom Kreisarchiv Stor- das Umland. Auch er wünschte sich eine marn und dem Hamburger Arbeitkreis feste Entwicklungspartnerschaft, die re- für Regionalgeschichte veranstaltet wur- gionales Konkurrenzdenken überwindet de, kamen über 50 Personen aus Politik, und sieht die Stärkung der Marke Ham- Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft, um burg als entscheidende Triebkraft für die die spannende Frage nach der Zukunft Entwicklung der Metropolregion insge- der Kernstadt Hamburg sowie des Um- samt. In den anschließenden Fragen und landes zu diskutieren. Kommentaren wurde v.a. die Verkehrs- entwicklung kontrovers diskutiert. Der Johannes Spallek, Kreisarchivleiter und Ausbau eines östlichen Autobahnrings Kreiskulturreferent, eröffnete die Tagung um Hamburg wurde ebenso gefordert und wies u.a. auf das Forschungsprojekt wie der Ausbau des S-Bahnsystems, um von Norbert Fischer (Universität Ham- Pendlern den Umstieg vom Auto auf die burg) hin, das Stormarns Entwicklung Schiene zu erleichtern. Axel Gedaschko seit 1980 untersucht hat und dessen Er- sagte Hamburgs Befürwortung beider gebnisse 2008 publiziert wurden. Punkte grundsätzlich zu unter der Be- dingung, dass sich das Land Schleswig- Landrat Klaus Plöger lobte seinem Gruß- Holstein an den Kosten beteiligt. wort die inzwischen wesentlich besse- ren Kontakte zu Hamburg bei gemein- Anschließend stellte Axel Priebs das samen Planungen, wie Verkehr oder Modell der Region Hannover vor, die flä- Wirtschaftsansiedlung. Er wünschte sich chenmäßig kleiner als die Metropolregi-

Rundbrief 99 11 Norbert Fischer referierte auf der Bad Oldesloer Tagung „Metropol- region, Stadtregion und urbane Peripherie“ über das Verhältnis der Metropole Hamburg zu den benachbarten ländlichen Regio- nen in jüngster Zeit.

on Hamburg ist. Dort hat sich der Stadt- Beginn des Wirtschaftswunders in der kreis mit dem angrenzenden Landkreis BRD Anfang der 1960er Jahre war ein auch auf politischer Ebene zusammen- erklärtes Ziel vieler Familien, ein eigenes geschlossen im Gegensatz zur Metro- „Haus im Grünen“ zu bauen. Ehefrauen, polregion Hamburg, die weitestgehend deren Männer tagsüber nach Hamburg auf freiwilliger Zusammenarbeit basiert. zur Arbeit fuhren, waren häufig gegen- Die anschließend gestellte Frage, ob das über den Einheimischen sozial isoliert. Modell der Region Hannover auf die Me- Dies änderte sich erst allmählich in den tropolregion Hamburg übertragbar ist, 1970er Jahren, als auch immer mehr konnte aufgrund der Größe und der Tat- Frauen berufstätig wurden. sache, dass drei Bundesländer beteiligt sind, nicht mit ‚Ja‘ beantwortet werden. Im abschließenden Vortrag von Norbert Fischer wurde Stormarns Entwicklung Im zweiten Vortragsblock am Nach- seit 1980 vorgestellt. Der Kreis Stormarn mittag berichtete Meik Woyke vom stellt ein Musterbeispiel für die Verän- Historischen Forschungsinstitut der derungen zwischen der Großstadt und Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn über den umgebenden ländlichen Regionen die Entwicklung der persönlichen Le- dar. Der rasanten wirtschaftlichen Ent- bensverhältnisse in den 1960er Jahren wicklung durch Ausweisung zahlreicher im Hamburger Umland. Dabei ging er neuer Gewerbegebiete standen Proble- u.a. auf die „grünen Witwen“ ein. Mit me wie Müllentsorgung, Autobahnbau

12 Rundbrief 99 Mit großem Interesse verfolgte das Publikum die auf der Tagung gehaltenen Vorträge.

durch ländliche Gebiete sowie die Zer- als landschaftlich schön und kulturell siedelung der Landschaft als Schatten- abwechslungsreich beschrieben. Als seiten entgegen. deutlicher Standortvorteil wurde die hohe Wirtschaftskraft in Verbindung mit Die Vorträge wurden anschließend in einem vielfältigem Angebot an Kultur der Podiumsdiskussion unter Leitung und Natur gesehen und eine bessere von Franklin Kopitzsch (Universität Ham- Vernetzung der Einrichtungen und För- burg) weiter vertieft. Eine zentrale Frage derer vorgeschlagen. Teilnehmer von war dabei, wer überhaupt die wichtigen außerhalb bezeichneten den Kreis Stor- Entscheidungen in der Metropolregion marn hinsichtlich der seiner Kultur- und Hamburg trifft. Nach der Feststellung, Geschichtsarbeit gegenüber anderen dass die Entwicklungen insgesamt noch Regionen als weit voraus. zu „hamburglastig“ sind, wurde eine ver- stärkte Zusammenarbeit auf allen unter- schiedlichen Ebenen befürwortet. Dabei sollten sich die Kreise im Umland ihrer Stärken und Vorteile bewusster werden und mehr Entscheidungsbefugnisse als bislang bekommen.

Die Antwort auf die Frage nach der Existenz einer regionalen Identität war noch komplexer. In einer Studie Anfang der 1990er Jahre sahen sich nur etwa 2 Prozent der Bürger im Kreis als Stor- marner. Trotzdem wurde und wird der Kreis in seiner Wahrnehmung häufig

Rundbrief 99 13 Ein „Project zu Anlegung nützlicher Manufacturen“ von 1707 für das Herzogtum Plön von Detlev Kraack

Unter dem von der herzoglichen Archiv- Funktion in den Produktionsprozess ein- registratur vergebenen Titel „Project zu binden und die Handelskontakte nach Anlegung nützlicher Manufacturen“ ist Lübeck sowohl bei der Beschaffung der im Bestand der Plöner Herzöge im Lan- benötigten Rohstoffe als auch beim Ab- desarchiv Schleswig-Holstein neben satz der produzierten Güter nutzen kön- anderen Dokumenten ein Schreiben des ne, wird hier sehr konkret über die Ein- Moses Joseph Wessely (Wesel) überlie- richtung von Manufakturen (Fabriquen) fert, in dem sich dieser als Fachmann in im Bereich der 1685 unter Herzog Johann Sachen Wirtschaft in beratender Funk- (Hans) Adolf (1671-1704) gegründeten tion an den damaligen Plöner Herzog Plöner Neustadt nachgedacht. Neben Joachim Friedrich (1706-1722) wandte. der Produktion von Tuchen schlägt Wes- sely in diesem Zusammenhang auch die Das Schreiben, das offensichtlich auf Ansiedlung von Metall verarbeitenden einer eingehenden Analyse der Plöner Betrieben zur Produktion von Hämmern, Verhältnisse beruht und dem Gesprä- Sensen und Sicheln vor, die bis dahin che mit dem Plöner Stadt-Sekretär Böt- über weite Entfernungen aus der bereits ticher vorausgegangen sind, bettet sich seit längerer Zeit von der Protoindustria- ein in eine ganze Reihe von Aktivitäten lisierung erfassten Regionen im Sauer- der Plöner Herzöge, die Wirtschafts- land und im Bergischen Land importiert kraft des kleinen Fürstentums zu heben. wurden. Dass beim Import dieser Güter, Es beschäftigt sich ausführlich mit der die im täglichen Produktionsprozess im- Frage, wie die wirtschaftliche Lage des mer wieder nachgekauft werden müss- Plöner Herzogtums verbessert werden ten, stetig Kaufkraft abgeschöpft würde könne, und reflektiert in diesem Zusam- und wichtige finanzielle Ressourcen das menhang sowohl die naturräumlichen Land verließen, schlage sehr negativ zu (Wasserkraft) als auch die verkehrs- Buche; durch die Ansiedlung entspre- und wirtschaftsgeographischen Vo- chender Betriebe könne nicht nur dieser raussetzungen (Handelsverbindungen, Nachteil behoben, sondern überdies der Rohstoffe, regionale Traditionen) für eigene Export in Richtung Jütland und die Ansiedlung unterschiedlicher Wirt- Dänemark befördert werden. Schließ- schaftsbetriebe. lich stünden mit Leder verarbeitenden Betrieben weitere Optionen zum Aus- Ausgehend von der Überlegung, dass bau der wirtschaftlichen Strukturen im man die Wasserkraft der Schwentine Herzogtum Plön zur Verfügung. nutzen, bestehende Mühlenanla- gen (Walkmühle) in abgewandelter

14 Rundbrief 99 Im Folgenden ist das Schreiben aus der alß die sonst auf der Nähe nicht getrieben Feder Wesselys unter Beibehaltung von werden, in Hamburg und Lübeck, contant Orthographie, Zeichensetzung und abgehen, mit Conte Lübeck auf dem Fall, Groß- und Kleinschreibung zum Ab- da ein oder andermahl die Abondance der druck gebracht. Wolle nicht zur Hand wäre, in anschaffung der Mecklenburgischen Wolle wieder die- Project zu Anlegung nützlicher Manufac- nen. Über dem ist dieses der rechte Fueß, turen [Titel auf dem äußeren Umschlag und das Fundament darauf // nach einiger des Schreibens] Zeit, die fabrique des groben lackens, wie auch Sarsien, von selbst erfolgen wird, im Durchlauchtigster Hertzog - gleichen weil in diesem Lande viel Flachs Gnädigster Fürst und Herr! gebaut, und aus Lübeck oder sonst der Ostküste her, leicht ein mehres zu haben, Ew. Hochfürstl[iche] Durchl[aucht] er- also das Garn bey der Hand ist, und wegen innern sich gnädigst, welchermaßen Sie angräntzung der Ostsee, die Baumwolle neulicher Zeit mir zu vernehmen gegeben, aus Copenhagen von der Ostindischen wie Sie deroselben Stadt und Lande, durch Compagnie wollfeil zu kriegen, konten verschiedener Art Manufacturen, gerne in Parchem und Baumseide hie in der Stadt besserer Aufnahme zu bringen geneiget, leicht bereitet werden. und daher von mir gnädigst verlanget, weilen ich besonders mich zu estabilirung Was das Land in diesen Fürstenthümern derer Commercien applicire, darüber ei- und Ämbtern betrifft, könten Ew. Hoch- nige Vorschläge zu thun; so habe, nach- fürstl. Durchl. deßen bequemlichkeit nach, dem ich zwar so fort bey der befehl mich begnadigen, daß verschiedene Hamern, nicht resolviren können, seither aber nach Sensen und Siecheln zu schmieden, an- deroselben gnädigsten willen, mich bey gelegt würde, welche bisher von Fremden verschiedenen, absonderlich dero Stadt bey tausenden eingebracht und verkauffet Secretario Bötticher, bestermaßen des Zu- worden, welche Einfuhr nicht allein auf- standes und Gelegenheit, dieser Stadt und hören würde, sondern statt deßen, daß des Landes erkundiget, befunden, daß (je- selbige aus dem Sauerlande, mit großer doch ohnmaßgeblich zu rathen), weilen in Beschwerde und kosten hierher geführet diesem Lande und denen benachbahrten werden, konten die hier fabricirte einen Provincen, die gemeine Wolle zu haben considerablen Vortheil bringen, und außer ist, in der Stadt eine fabrique von groben diesem Fürstenthum, in die benachbahrte Bögen, Frisen und Matten anzulegen, gar Länder biß Juetland ja gantz Dänemark bequem sey, absonderlich, will nicht mel- verführet und in Ruest und Gebrauch ge- den wie das Wandmachen vor der zeit bracht werden. hier in gutem Stande gewesen, sondern die Walkmühle doch da lieget, und auf In welchen allen E[uer] Hochfürstl[icher] diese Art, durch den stetigen reichen Wa- Durchl[aucht] ich meiner unterthänigen ßerschuß, größern Nutzen, als itzo, tragen Schuldigkeit nach, so woll in anschaffung würde. Es würden diese Manufacturen, der fabri[c]anten, absonderlich derer, die

Rundbrief 99 15 zum Sense schmieden gehören, alß deren Was sonsten die Ledergärberey, deren auch Entrep[r]eneurs, und des gantzen Wercks damahlen einiger Vorschlag geschehen ordentlicher und bequemer Einrichtung wollen, betrifft, habe, weilen des Werkes ex gar gerne diene, und weilen ich im nach- fundamento nicht kundig bin, itzo positive sinnen und Erfinden der vor maßgeblich daran nichtes geben können, werde mich vorgeschlagenen fabriquen, absonderlich aber darin suchen zu informirn, und so vielmahlen mit dem hiesigen Stadt-Secre- dann auch Ew. Hochfürstl. Durchl. so weit tario Bötticher conferiret, und mercklichen ich der Sachen kundig werde, jederzeit in gespüret habe, daß bey ihm eine ziemli- Hand gehen, der ich in unterthänigst ge- cher Begriff dieses Wercks, und er woll ca- horsamster Submission erstrebe - pable wäre solches zu facilitirn, würde, // wenn Ew. Hochfürstl. Durchl. ihn etwa alß E[uer] Hochfürstl[icher] Durchl[aucht] Directeur dazu gnädigst zu bestellen geru- Unterthänigster Knecht hen sollten, so wie denn solches blößlich Plön, d[en] 25. Jan. 1707 deroselben Gnade zuschreibe, mit dem- Moses Joseph Wessely selben in meinem abwesen, über allem fleissig correspondiren, und möglichst alle anleitung zum glücklichen Success dieses Quelle: Wercks gebe. LAS, Abt. 20, Herzöge von Schleswig- Holstein-Sonderburg-Plön, Nr. 1254.

16 Rundbrief 99 Ein englischer Ingenieur in Norddeutschland. William Lindley und die Modernisierung der Infrastruktur im 19. Jahrhundert von Ortwin Pelc

Einen beträchtlichen Anteil an der Aus- gierung in Kopenhagen, die eine Bahn- breitung der industriellen Revolution verbindung zwischen Kiel und Altona im 19. Jahrhundert hatten englische In- unterstützte. genieure, die in verschiedenen Ländern Europas tätig waren und ihre neuen Ide- Bessere Aussichten hatte dagegen eine en hier umsetzten. Die ersten Initiativen Bahnverbindung von Hamburg nach für eine Eisenbahnverbindung zwischen Bergedorf, denn sie verlief ja auf ham- Lübeck und Hamburg gingen von dem burgischem bzw. beiderstädtisch ham- Lübecker Kaufmann Emil Müller (1807- burgisch-lübeckischem Gebiet. Die neu 1857) aus, der sich wie schon sein Vater gegründete hamburgische Eisenbahn- auch für die Dampfschifffahrt einsetzte. gesellschaft setzte sich aus einer kleinen Als er in den Lübecker Kreisen damit auf aber einflussreichen Gruppe von Kauf- wenig Interesse stieß, reiste er im April leuten und Politikern zusammen, die 1833 nach London, wohin seine Firma in moderne Infrastrukturmaßnahmen bereits gute Handelsverbindungen hat- investieren wollten und auf die Zukunft te. Dortige Investoren waren durchaus des Verkehrsmittels Eisenbahn setzten. bereit, ihn zu unterstützen, wenn ih- 1839 stellte das Komitee den hier schon nen die Durchführbarkeit des Projekts bekannten William Lindley ein. Dieser bestätigt würde. Müller gewann den plante nun den Bau der ersten Eisen- Chefingenieur der Newcastle & Carlisle bahnlinie in Norddeutschland, die 1842 Railway, Francis Giles, für das Projekt. eröffnet wurde. Dieser sandte seinen Assistenten Wil- liam Lindley im September 1833 nach William Lindley wurde am 7. September Hamburg. Bis zum November vermaß 1808 in London geboren. Sein Vater Jo- Lindley drei alternative Streckenführun- seph, ein vielseitiger Astronom, Karto- gen nach Lübeck, allerdings ohne dass graph und Kaufmann, war in erster Ehe die dänischen Behörden davon Kennt- mit der Hamburger Kaufmannstochter nis hatten. In London wurde zwar 1835 Ann Zimmermann verheiratet gewesen. ein Eisenbahn-Komitee gegründet und Deren Bruder und Londoner Geschäfts- über 800 Interessenten in Norddeutsch- partner von Joseph Lindley heiratete land und England zeichneten Aktien, die Schwester des später einflussreichen letztlich scheiterte das Projekt 1839 aber Hamburger Unternehmers Justus Ruper- an der ablehnenden Haltung der Senate ti. Von daher ergeben sich die Beziehun- in Lübeck und Hamburg sowie der Re- gen der Lindleys nach Norddeutschland,

Rundbrief 99 17 Die Hamburger Gasanstalt auf dem denn nach dem Besuch des College ver- Grasbrook 1851. brachte William 1824 mehrere Monate zu Sprachstudien in Wandsbek. über den Bau der Bahn. Der bekannte Die Lehre in einem Londoner Handels- englische Eisenbahnbauer Robert Ste- haus musste Lindley wegen des Bank- phenson schätzte Lindley, hielt ihn aber rotts der Firma abbrechen. Darauf trat er für unerfahren, der Erbauer des ersten 1827 in das erfolgreiche Ingenieurbüro Themse-Tunnels, Isambart Kingdom von Francis Giles ein und arbeitete nun Brunel, setzte sich dagegen für ihn ein. mit zunehmender Selbständigkeit an Nachdem Lindley technischer Leiter des der Planung von Kanälen, Tunnels und Bahnbaus geworden war, stellte er im Eisenbahnstrecken in England. März 1839 zu seiner Unterstützung Geor- ge Giles, den Neffen von Francis Giles, Als Teilhaber der Hamburg-Bergedorfer ein. Lindley blieb bis 1860 in Hamburg, Eisenbahngesellschaft führte Justus Ru- heiratete hier auch 1852, behielt aber perti 1838 erste Gespräche mit Lindley diese 22 Jahre lang weiterhin ein Büro

18 Rundbrief 99 William Lindley, um 1850

in London, wo er einzelne englische Pro- und Ingenieuren wurde er noch im Mai jekte verfolgte und in Ingenieursvereini- in eine Technische Kommission berufen, gungen aktiv war. die rasch Wiederaufbaupläne vorleg- te. Lindleys folgende Verträge mit der Der große Brand vom Mai 1842 bot in Stadt wurden jährlich erneuert, bis ihn Hamburg die Chance, die Infrastruktur wiederholte Diskussionen um seine ein- der Stadt grundlegend zu erneuern. flussreiche und nicht unumstrittene Stel- Mit Lindley befand sich ein englischer lung 1860 veranlassten, verärgert nach Ingenieur in der Stadt, dessen innova- London zurückzukehren. Bis dahin hatte tive Ideen genutzt werden konnten. er in einer fast unglaublichen Arbeitsin- Zusammen mit Hamburger Architekten tensität – unterstützt von Mitarbeitern

Rundbrief 99 19 Die Fahrkarte für die erste Bahnfahrt zwischen Hamburg und Bergedorf 1842. und nicht durch Privatleute betrieben werden dürften. Er entwickelte Erschlie- ßungspläne für anzulegende Stadteile außerhalb der alten Stadtgrenzen (Ham- merbrook, Uhlenhorst, St. Pauli und seines Hamburger Büros – Hunderte Harvestehude), obwohl bis 1860 noch von Projekten, Plänen und Ideen für den die hinderliche Torsperre galt. Seine Vor- Ausbau der Stadt vorgelegt. Nach sei- schläge für einen Dockhafen nach Lon- ne Vorschlägen wurden ein modernes doner Vorbild wurden zugunsten eines Wasserwerk mit Frischwasserleitungen Tidehafens nicht ausgeführt. Er war aber und Reservoirs, ein vorbildliches Siel- am Ausbau der Eisenbahnverbindung system, eine Gasanstalt u. a. für die Be- nach Berlin sowie an Plänen für Bahnli- leuchtung der Straßen und eine öffent- nien von Harburg nach Hannover sowie liche Badeanstalt gebaut. Dabei betonte nach Cuxhaven beteiligt. Für private In- er, dass solche Anlagen eine städtische vestoren lies er Gewerbegebäude und Verpflichtung zum Gemeinwohl seien ein Trockendock anlegen.

20 Rundbrief 99 William Lindley, 1866

Auch in weiteren norddeutschen Städ- er beim Bau ihrer Wasseranlagen. In Kiel ten war er tätig und erstellte z. B. auch wurde ab 1879 eine neue Wasserversor- 1850 ein Gutachten zur Stützung des gung in Anlehnung an Lindleys Pläne Falms auf Helgoland. In Emden lies er von 1856 realisiert. 1849 die Stadt vermessen und fertigte ein Gutachten zum Hafenausbau an. Seit den 1840er Jahren wurde auch in Seine Pläne für eine neue Wasserver- Hamburgs Nachbarstadt Altona eine sorgung Bremens von 1857/60 wurden Modernisierung der Versorgungsein- nicht verwirklicht. Die Städte Stralsund richtungen diskutiert; nach kompli- (1856 und 1866) und Stettin (1858) beriet zierten Entscheidungswegen konnte

Rundbrief 99 21 Das Hamburger Wasserwerk in um 1850, Lithographie von Peter Suhr. und empfahl den erfahrenen englischen Ingenieur Thomas Hawksley für die de- taillierten Planungen. 1859 war das Blan- die Gasanstalt an der Großen Elbstraße keneser Wasserwerk fertiggestellt, un- 1857 den Betrieb aufnehmen. Vor der terschied sich aber wesentlich von der Anlage eines Wasserwerks holte man Hamburger Anlage. Von einem Pump- den Rat Lindleys ein, der den Vorschlag werk an der mit Maschinenhaus, unterstützte, 10,5 km elbabwärts bei Kesselhaus und Kohlenlager wurde das Blankenese Wasser zu entnehmen. Un- Wasser auf den 80 m hohen Baursberg mittelbar bei Altona war das Elbwasser hinaufgepumpt. Auf Empfehlung Lind- nämlich bereits stark durch die Abwäs- leys wurde es dort in einem Bassin abge- ser beider Städte verschmutzt. Lindley lagert, dann durch vier Sandfilterbecken erhielt die Oberaufsicht über die Anla- und weiter in einen Reinwasserbehälter ge des dortigen Wasserwerks, machte geleitet. Über das natürliche Gefälle ge- Vorschläge für die technischen Anlagen langte das Wasser anschließend nach Al-

22 Rundbrief 99 Lindley versah seine Unterschrift stets mit seinem Titel „Engeneer“, Ausdruck seines Selbstbewusst- seins.

tona in einen von Lindley entworfenen ein, bis diese selbständig arbeiteten. runden Zwischenspeicher westlich des Lindley bezog sein umfangreiches Wis- damaligen Bahnhofs. In den folgenden sen aus der praktischen Arbeit, eigen- Jahrzehnten wurden die Altonaer Was- ständigen Versuchen und Berechnun- serwerksanlagen wegen des steigenden gen sowie den negativen Erfahrungen z. Bedarfs weiter ausgebaut. B englischer Städte.

Die Sandfiltration war erst 1828 in Eng- Sein aktives Arbeitsleben beendete er land erfunden und von Lindley empfoh- 1879. Lindley und seine Söhne waren in len worden. Die mangelnden Kenntnis- rund 60 europäischen Orten beratend, se der Bakteriologie und nichts zuletzt planend und ausführend vor allem im Sparsamkeit ließen die Hamburger Be- Wasserwesen tätig. Sie hatten einen er- hörden jedoch auf den Bau von Sand- heblichen Anteil an der Modernisierung filteranlagen verzichten; über 8000 Tote der Infrastruktur vieler Städte, und hal- bei der Choleraepidemie 1892 waren fen diesen, die Anforderungen des Indu- dann eine schreckliche Folge. striezeitalters zu bewältigen.

Nach seinen Fortgang aus Hamburg Eine Ausstellung zu Leben und Werk 1860 wurde Lindley von London aus in William Lindleys ist noch bis zum zahlreichen europäischen Städten aktiv. 17. Mai 2009 im Museum für Hamburgi- Insbesondere seine neuartigen und ef- sche Geschichte zu sehen: fektiven Hamburger Frischwasser- und „Konstrukteur der modernen Stadt. Sielanlagen, die von Vertretern anderer William Lindley in Hamburg und Europa Städte begutachtet wurden und zum 1808-1900“ Teil bis heute bestehen, begründeten (Di-Sa 10-17, So 10-18 Uhr) seinen Ruf. In am Main, Buda- pest, Düsseldorf, Basel, Krefeld, Elber- feld, in rumänischen Städten, St. Peters- burg und Warschau plante er Anlagen der Wasserver- und -entsorgung. Vor Ort ließ er „residental engineers“ die Arbei- ten ausführen, bezog aber immer mehr auch seine drei Söhne in seine Projekte

Rundbrief 99 23 Fluch und Segen der Technik auf Schleswig-Holsteins Weg in die Moderne. Zwei Stimmen aus dem Flensburg des 19. Jahrhunderts von Detlev Kraack

Auf dem Weg in die Moderne durch- men. Entsprechende Stimmen wurden liefen die Herzogtümer Schleswig und vor allem an solchen Orten laut, an denen Holstein seit dem ersten Drittel des 19. sich der Wandel besonders rasch und Jahrhunderts sukzessive einen tiefgrei- grundlegend vollzog und bestehende fenden Technisierungs-, Industrialisie- Traditionen und Strukturen überform- rungs- und Modernisierungsprozess. te. Das verdeutlichen zwei Stimmen aus Dies trat vor allem in den traditionel- dem Flensburg des 19. Jahrhunderts. So len Zentren für Handel und Produktion stand man der Einführung von Dampf- offen zutage. In Städte wie Flensburg maschinen und der Technisierung des hielten neue Gewerbe und industrielle, Produktionsprozesses 1832 noch durch- auf der Basis von Maschinenkraft produ- weg positiv gegenüber. Dagegen schien zierende Betriebe Einzug. 1 Neben die sich 1853 die Erkenntnis durchgesetzt stolzen Kirchtürme, die den Stürmen der zu haben, dass es durchaus von Vorteil Jahrhunderte getrotzt hatten, und die wäre, die lärm- und immissionsintensi- Windmühlen, die die Höhenzüge um die ven Maschinen nicht unbedingt mitten Förde beherrschten, traten Schornsteine in den angestammten Wohnquartieren als Zeugen der modernen Zeit. Zudem aufzustellen, sondern die Produktions- wurde das rege Treiben auf den Märkten anlagen in die Vorstädte ausweichen zu und in den Straßen der Stadt durch Ruß lassen. und Abgase und durch den steigenden Geräuschpegel der modernen Maschi- In den Schleswig-Holsteinischen Provin- nen um neue Facetten erweitert. Die zialberichten von 1832 hatte man noch Bedingung für das bis dahin in enger einen uneingeschränkt begeisterten Be- räumlicher Nähe betriebe Wohnen und richt über die erste Dampfmaschine in Wirtschaften änderten sich nachhaltig, Flensburg lesen können: und das wahrlich nicht nur zum Vorteil der Menschen. Gleichzeitig entstanden Dampfmaschine in Flensburg ausgedehnte Vorstädte, die der städti- Eine neue Erscheinung hieselbst ist die seit schen Gesamttopographie und dem äu- dem 1. November diesen Jahres in Thätig- ßeren Erscheinungsbild der Stadt eine keit gebrachte Dampfmaschine in der Öl- gänzlich neue Prägung verliehen. Vor schlägerey des Herrn Ricklef Friedrichsen. dem Hintergrund dieser Entwicklung Derselbe hatte früher seit 9 Jahren beym wurden die Segnungen, aber auch die Norderthore eine Roßölmühle betrieben, Nachteile der modernen Zeit von den wobey 20 Pferde, die im Jahre circa 1200 Zeitgenossen durchaus wahrgenom- Rthl. kosteten, und 10 Arbeiter gebraucht

24 Rundbrief 99 Blick aus nördlicher Richtung auf die Flens- burger Neustadt. Links das alte Gaswerk, in der Mitte unter anderem eine Eisengießerei, Tonnen Rappsaat, und erfordert, so viel eine Hefefabrik und weiter hinten eine noch sich jetzt beurtheilen läßt, alle 24 Stunden ältere Ziegelei, sowie ganz vorne angeschnit- 14.000 Soden hiesigen Torfs, und bis jetzt ten eine Tuchfabrik. 12 Mann, die immer nur 6 Stunden arbei- Foto: Friedrich Brandt, um 1868 ten und dann von andern abgelöset wer- den. – Mit der Ölmühle ist eine Farbemühle verbunden, welche durch Schnelligkeit der wurden. Dieselbe war die ganze Woche Bereitung und Feinheit der Farben sich durch von 6 Uhr Abends am Sonntage bis hervorhebt und mehr Farben liefern könn- 6 Uhr Morgens am nächsten Sonntage te, als in ganz Dänemark und den Herzogt- im Gange und verarbeitete wöchentlich hümern verbraucht wird. – Ein Theil des circa 120 Tonnen Rappsaat oder 100 Ton- Öls wird in der gleichfalls vom Herrn Fried- nen Leinsaat. – Der Dampfkessel, welcher richsen seit einigen Jahren angelegten Sei- gegenwärtig das Werk treibt, ist 14 ½ Fuß fenfabrike verarbeitet, welche außerdem lang, 8 Fuß hoch und 6 Fuß breit von 3 /8 an inländischen Producten hauptsächlich Zoll dickem Schmiedeeisen. Das Werk ist noch Kalk verbraucht. jetzt von 6 Uhr am Montag-Morgen bis In mehrfacher Hinsicht verdienen solche 6 Uhr am Sonnabend-Abend im Gange, Anlagen Aufmerksamkeit. Schon der An- und verarbeitet wöchentlich reichlich 180 blick, wie der Mensch die verheerendsten

Rundbrief 99 25 Elemente, Feuer und Wasser, sich unter- nicht eine vollständig neue Gasse, so doch wirft, und die unaufhörliche Thätigkeit, immer mehr neue industrielle Unterneh- welche hier herrscht, erheben das Gemüth, mungen mit den durch sie hervorgerufe- und wir mögten schon deswegen Jedem nen Gebäuden zu erblicken, wozu die Lage empfehlen, das Werk zu beschauen. Aber in mehreren Hinsichten sich so vorzüglich auch der patriotische Sinn findet hier sich eignet. Auch in unserer Stadt selbst [d. h. erquickt, indem er wahrnimmt, wie die ro- in der Flensburger Altstadt] finden sich hen Produkte auf vaterländischem Boden mehrere bedeuttende Dampffabriken und zur Ausfuhr veredelt, viele Menschenhän- Mühlen; doch können wir nicht leugnen, de in Thätigkeit gesetzt und zu diesem daß wir lieber gesehen hätten, sie wären Zwecke andere inländische Producte in in unmittelbarer Nähe der Stadt angelegt größerer Zahl erfordert werden. Gewiß, worden, da sie den um sie her wohnenden solche Unternehmungen verdienen die Nachbarn unleugbar manche und große Bürgerkrone, und besonders dadurch Un- Unannehmlichkeiten verursachen. Hof- terstützung, daß ihre Fabrikate in allen fen wir deshalb, daß in Zukunft auch auf Landen des Königs von Dänemark als in- diesen Umstand Rücksicht genommen ländische Producte angesehen und nicht werden möge, damit wir nicht in Gefahr als fremdes Gut behandelt oder wohl gar geraten, künftig nur in einer von Rauch er- gegen ausländische Waare zurückgesetzt füllten Atmosphäre zu leben und alle den oder mit Abgaben belastet werden. Beschwerlichkeiten, welche ein solcher (Provinzialberichte, S. 654f.) Kohlendampf mit sich führt, ausgeliefert zu sein … Wenn die Eisenbahn erst voll- Die von Grund auf positive Einstellung endet, dürfen wir ohne Zweifel noch weit gegenüber den „Segnungen“ der mo- mehreren neuen Anlagen in verschiede- dernen Zeit scheint sich im Folgenden nen Richtungen entgegensehen, da das geändert zu haben. So klingen etwa in´s Leben treten derselben gewiß auch in im Flensburger Anzeigenblatt vom 21. dieser Hinsicht neues Leben wecken und 9. 1853 ganz andere, durchaus differen- neue, oder bisher wenig gepflegte, indu- zierte Töne an: strielle Spekulationen hervorbringen wird … Nach dem Obenangeführten wird nie- Man wird wirklich mit rechter Freude er- mand es in Abrede stellen können, daß in füllt, wenn man das Leben und die Thätig- industrieller Hinsicht ein Fortschreiten sich keit sieht, welche sich regen, sobald man herausstellt. nur den Fuß aus dem Nordertor [d. h. aus der Flensburger Altstadt in die kurz nach 1 Mehr zum Gegenstand bieten: 1800 angelegte, zur damaligen Zeit im Flensburg in Geschichte und Gegenwart. Ausbau begriffene Flensburger Neu- Informationen und Materialien (Schriften stadt] gesetzt hat … Betrachten wir alle der Gesellschaft für Flensburger Stadtge- diese in der letzten Zeit neu errichteten schichte, 22), Flensburg 1972, S. 226-230, und sich immer erweiternden Etablisse- und Christian Degn, Schleswig-Holstein ments, so können wir mit Recht erwarten, eine Landesgeschichte. Historischer Atlas, nach nicht gar langem Zeitraum hier, wo Neumünster 1994, S. 218f.

26 Rundbrief 99 Buchbesprechungen

Friesischer Handel im Friesischen Meer. Die anschaulich geschriebenen, mit Beiträge vom 6. Historiker-Treffen des zahlreichen s.-w. Abbildungen (Karten, Nordfriisk Instituut. Hrsg. von Fiete Zeichnungen und Photographien) aus- Pingel und Thomas Steensen, Bräist/ gestatteten und auch für den allgemein Bredstedt 2008 (111 S.). interessierten Laien ebenso informati- ven wie interessant zu lesenden Beiträge Die vorliegende Veröffentlichung doku- verweisen in Fußnoten auf Quellen und mentiert eine Reihe von sieben Refera- weiterführende Literatur oder geben am ten, die am 10. November 2007 anlässlich Ende des betreffenden Artikels ein aktu- des 6. Historiker-Treffens des Nordfriisk elles kleines Quellen- und Literaturver- Institut im Nordseemuseum/Nissenhaus zeichnis zum Gegenstand. in Husum gehalten wurden. In der Summe zeugen die Artikel davon, Nach einer kurzen Einführung von Tho- welch hoher Stellenwert den Verbindun- mas Steensen (S. 7-9) spannt sich hier ein gen von der schleswig-holsteinischen weiter thematischer Bogen von der Aus- Nordseeküste nach Westfriesland und wertung archäologischer Zeugnisse aus Holland seit jeher zukam und auch heu- dem Mittelalter bis zur modernen Con- te noch zukommt. Dabei spielen sowohl tainerschifffahrt im Nordseeraum des wirtschaftliche Beziehungen (u. a. Och- 21. Jahrhunderts. Da die jeweiligen Phä- sen-, Getreide-, Tuch- und Bierhandel) nomene und Problemzusammenhänge als auch die sich aus ihnen eröffnenden dabei sinnvoller Weise über die engeren Möglichkeiten für eine Arbeitsmigration Grenzen des heutigen Nordfriesland in die seit dem ausgehenden Mittelalter hinaus betrachtet werden, kommen wie äußerst dynamische Wirtschaftsregion bei vorausgegangenen Publikationen der Niederlande eine herausragende des Bredstedter Instituts Wissenschaft- Rolle. Diese Kontakte und vielfältigen ler aus Nordfriesland, Westfriesland und Beziehungen und die aus ihnen resultie- Skandinavien gleichermaßen zu Wort. renden kulturellen Verbindungen und Dadurch entsteht ein die unterschied- Wechselwirkungen verweisen in ihren lichen Epochen und Regionen umfas- Ursprüngen bis weit ins Frühmittelalter sendes Gesamtbild der durch friesische zurück, als friesische Kaufleute über die Handels-, Wirtschafts- und Siedlungs- kimbrische Landenge hinweg auf dem aktivitäten aufgespannten maritimen Weg über Hollingstedt und Haithabu/ Großregion an der südlichen und östli- Schleswig (und sicher auch schon sehr chen Nordseeküste und in den an diese früh auf anderen Trassen) in den Ostsee- angrenzenden Landschaften. raum hinein Handel trieben und dabei

Rundbrief 99 27 bis nach Skandinavien; Gotland und ins Vor diesem Hintergrund überrascht es Baltikum gelangten. Von dieser frühen keineswegs, was Piet Boon in seinem Zeit berichtet Hans Joachim Kühn in sei- Artikel „Nordfriesen in Westfriesland. nem Beitrag „Händler – Waren – Friesen. Zeugnisse aus Enkhuizen“ (S. 57-72) an Eine archäologische Spurensuche“ (S. 11- konkreten Migrationszahlen aus der 28). Überlieferung der Enkhuizener Notari- atsakten herausarbeitet. Allein für die Daran anschließend geben Job A. West- erste Hälfte des 17. Jahrhunderts, die in strate in seinem Beitrag über „Wester- gewisser Weise eine Hochzeit der Migra- lauwers Friesland im Wirtschaftsraum tion darstellten, sind 303 Erwähnungen Nordwesteuropa vom 14. bis zum 16. von Menschen aus Nordfriesland fass- Jahrhundert“ (S. 29-40) und Björn Poul- bar, von denen die überwiegende Mehr- sen in „Nordfriesische Schifffahrt zwi- heit zudem aus Husum stammte. Hier schen Nordsee und Ostsee im 15. und scheinen Push- und Pullfaktoren glei- 16. Jahrhundert“ (S. 41-56) jeweils sehr chermaßen eine Rolle gespielt zu haben, konkrete, aus lokalen und regionalen man denke etwa an die Auswirkungen Quellenbeständen gearbeitete Einblik- von Flutkatastrophen wie der von 1634 ke in wirtschafts- und sozialhistorische oder an den schier unstillbaren Bedarf Problemhorizonte. Was hier aus Zollre- an Dienstpersonal, den die Begründung gistern, Abgabenverzeichnissen, Zoll- der Vereinigten Ostindischen Kompa- tarifen und urkundlichen Quellenzeug- nie (VOC) 1602 mit sich brachte. All dies nissen herausgearbeitet wird, findet sich hatte Auswirkungen auf das Preis- und in der Darstellung eingebettet in weite Lohnniveau, auf das Warenangebot und mentalitäts- und kulturgeschichtliche auf die Arbeitskonditionen weit über die Zusammenhänge. So liest man im Bei- engere Region der Niederlande hinaus. trag über Westerlauwers Friesland einer- seits interessante Ausführungen zur Rol- Dies spiegelt sich auch in den Aus- le der Fehde und zur Konfliktregelung führungen von Robert Bohn, über die innerhalb der friesischen Gesellschaft. „Nordfriesen auf niederländischen Schif- Andererseits tritt in Poulsens Artikel fen in der frühe Neuzeit“ (S. 73-88) wider, die Rolle Husums als westlicher Hafen- waren es doch in erster Linie Menschen ort der West-Ost-Transitstrecke von der aus den Territorien des Reiches, die die Nordsee nach Flensburg eindrucksvoll hohen Verluste auf den Schiffen der nie- hervor, und es wird deutlich, wie wohl- derländischen Kompanien und der Nord- habend die Handel treibenden und für meerfahrer ausglichen. Auch hier sind den überregionalen Markt produzieren- mentale und kulturelle Fernwirkungen den Bauern der Westküstenharden im bis in die Inselgesellschaften Nordfries- ausgehenden Mittelalter und in der frü- lands nachweisbar, zumal die Mehrheit hen Neuzeit etwa im Gegensatz zu den der männlichen Bevölkerung von Inseln meisten ihrer Standesgenossen in den wie Föhr auf niederländischen Schiffen Harden an der Ostseeküste und auf dem fuhr, bevor im 18. Jahrhundert Hamburg schleswigschen Geestrücken waren. und Kopenhagen als Ausgangspunkte

28 Rundbrief 99 für die Nordmeerfahrt mehr und mehr an Gewicht gewannen.

Die Beiträge von Manfred Sell „Zur Schifffahrt aus den ostfriesischen Siel- häfen zwischen 1869 und 1926“ (S. 89- 94) und Klaus-Peter Kiedel zum Thema „Container, Container – Nordseehandel im 21. Jahrhundert“ (S. 95-109) spiegeln weitere interessante Facetten maritimen Lebens innerhalb des „Friesischen Mee- res“ wider.

Ein Verzeichnis der Autoren und Heraus- geber (S. 110-111) beschließt das sympa- thische Büchlein des Nordfriisk Institut in Bredstedt. Detlev Kraack

Abbildungsnachweise

Arkivet ved Dansk Centralbibliotek for Sydslesvig, S. 25 Museum für Hamburgische Geschichte, S. 18-23 Ortwin Pelc, S. 7, 8 Gerret Liebing Schlaber, S. 3 Stefan Watzlawzik, S. 12, 13

Rundbrief 99 29 www.arbeitskreis-geschichte.de