FÜR ALLE, DIE LIEBEN. UND LIEBEN LASSEN.

PROUD. HUMAN. QUEER.

MINI Cooper SE: Stromverbrauch gewichtet kombiniert (NEFZ) in kWh/100 km: 14,9. Stromverbrauch gewichtet kombiniert (WLTP) in kWh/100 km: 17,6 – 15,2. CO2 Emissionen kombiniert in g/km: 0. Elektrische Reichweite (WLTP) in km: 234,0 – 203,0.Offi zielle Angaben zu Stromverbrauch und elektrischer Reichweite wurden nach dem vorgeschriebenen Messverfahren ermittelt und entsprechen der VO (EU) 715/2007 in der jeweils geltenden Fassung. Angaben im NEFZ berücksichtigen bei Spannbreiten Unterschiede in der gewählten Rad- und Reifengröße, im WLTP jeglicher Sonderausstattung. Aufgeführte NEFZ-Werte wurden ggf. auf Basis des neuen WLTP-Messverfahrens ermittelt und zur Vergleichbarkeit auf das NEFZ-Messverfahren zurückgerechnet. Weitere Informationen zu den Messverfahren WLTP und NEFZ fi nden Sie unter www.mini.de/wltp. Seite 04 Grußworte zum CSD THEMEN 2021 ↓ christopherSeite 06 street day münchen Ein Stadtrat und CSD München 2021 INHALT PRIDEGUIDE der Oberbürger- Servus @csdmuenchen meister Eine Übersicht über das, was Seite 08 gehen wird. Making sense of things Kontext her- stellen, Wörter erläutern Seite 10 Proud. Connect*ed. Queer. EDITORIAL Trans*-Netz- Eva-Maria, Jakob und Markus von diversity München werk München — Liebe Leser*innen, wir vom diversity München e.V. sind voller Stolz und Seite 14 Vorfreude zugleich, Euch mit diesen Zeilen nicht nur den PrideGuide diversity München für den diesjährigen Münchner zu überreichen, Crashkurs Nicht-binär sondern damit vielmehr die Pride Season in unserer Stadt ein- zuläuten. Als neuester Zuwachs des CSD München vereint unse- Seite 16 Proud. Trans*. Queer. re ehrenamtliche Jugendorganisation das gesamte Spektrum Tessa Ganserer von LGBTIAQ*1 unter einem Dach. In der direkten Arbeit mit im Interview Seite 18 den Jugendlichen und jungen Erwachsenen wie auch in der po- Münchner Aids-Hilfe litischen Vertretung der queeren Jugend Münchens setzen wir Trans*Inter* Beratungsstelle uns tagtäglich für die Bedürfnisse, Sichtbarkeit und Interessen der MüAH junger Menschen ein. Das diesjährige CSD-Motto „Proud. Human. Queer.“ trifft daher den Kern unserer Arbeit: Wir alle tragen eine Geschichte mit uns herum, die nicht vollkommen den Normen der

Seite 20 Gesellschaft entspricht. Wir alle suchen und kämpfen für unseren Platz, Proud. Myself. Queer. denn auch im Jahr 2021 ist dieser in vielen Teilen der Welt und selbst in Dies ist Maax’ Geschichte Deutschland nicht selbstverständlich. Doch trotz all unserer Unterschiede sind es genau unsere Queerness und Diversität, welche uns alle miteinan- Seite 26 Rosa Liste der vereinen und unsere Community Jahr für Jahr gemeinsam auf die Stra- Eine Vision, die ße treiben, um zu zeigen, dass wir unsere Unterschiede feiern, stolz auf sie gefüllt werden muss sind und alle zusammen für unser aller Rechte und Freiheiten kämpfen!

1 LGBTIAQ → Schreibweise von diversity München e.V. → L= • G=gay • B=bisexual • T=trans* • I=inter* • A=asexuell/aromantic • Q=queer

Seite 28 Proud. Inter*. Queer. Das ist die vergrößerte A C CSD München GmbH: E Fotos: Frank Zuber Sieben Fragen E Geschäftsführer Alex Kluge B B an Ursula Rosen mit Vertreter*innen der D Veranstalter*innenvereine A Münchner Aids-Hilfe, Seite 32 B Rosa Liste, C LeTRa, D Proud. Trans*. Queer. D D diversity München D Meet Hanaa, und Sub e.V. read her story — Gerade nach einem Jahr voller politischer und gesellschaftlicher Um- brüche lässt uns die Entscheidung von der Münchner Aids-Hilfe, LeTRa, Rosa Liste und Sub mit neuem Elan und Tatendrang in die Zukunft blicken: Mit dem Beitritt von diversity zum CSD München ist ein Zeichen gesetzt, dass Seite 35 #lgbtifreedomzone nicht nur die Jugend unmöglich aus der Stadtgesellschaft wegzudenken ist, Ungarn, Serbien, sondern genauso unsere LGBTIAQ*-übergreifenden Lebensweisen, unsere Kroation, Slo- Themen, unsere frischen Herangehensweisen und unsere Queerness. Und so wenien, Polen Seite 44 Kyiv Queer wie wir Tag für Tag unsere Unterschiede zelebrieren, hoffen wir, dass diese Familie im Freude und Gemeinschaft auch auf den Rest der Community abfärben. Lockdown — Seite 46 Seite 50 Seid stolz darauf, queere Proud. International. Queer. LeTRa Seite 52 Menschen zu sein → Happy Pride! Kommen die Lesben Schwules Zentrum Sub GayGames 2026 Seite 48 on Air nach München? Proud. Visible. Queer. Für eine starke Community Kreative Lesben in München

PROGRESS pride Flag → 2021 PRIDEGUIDE 03 mUnich pride 2021 ↓ Munich Pride GRUSSWORTE Motto 2021

Thomas Niederbühl — Liebe Freund*innen, als Menschen der LGB- TIQ*-Community wollen wir leben und lie- ben mit den gleichen Rechten und Chancen wie alle anderen Menschen auch. Deshalb zeigen ist Schirmherr München des CSD und der Oberbürgermeister LHM Dieter Reiter wir auch im zweiten Pandemiejahr beim CSD in München laut, sichtbar und vielfältig, wer Dieter Reiter wir sind und was wir fordern: gleiche Rech- — te, gesellschaftliche Akzeptanz und gerech- Erst jüngst hat das EU-Parlament die Euro- te Teilhabe - nicht nur für uns und untereinan- päische Union zum „Freiheitsraum für LGB- der, sondern für alle, gleich welcher Religion, TIQ*-Personen“ erklärt. Und damit ein deut- Herkunft, sexueller Orientierung oder Gen- liches und notwendiges Signal gesetzt gegen der-Identität sie sind. Dafür steht unser Motto die leider noch immer bestehende Diskrimi- „Proud. Human. Queer.“ nierung von sexuellen Minderheiten in Teilen Europas. Schon zuvor hat die EU-Kommission Auch mit Corona-Aufl agen wird es voraussicht- konstatiert, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle, lich viele Off- und Online-Veranstaltungen ge- trans- und intergeschlechtliche Menschen ben, vom Live-Stream-Programm über Kultur- überdurchschnittlich stark von Hassdelikten, bühne bis zur dezentralen Demo-Aktion und Hetze und Gewalt betroffen sind. Die Corona- Radl-Demo. Beteiligen wir uns an den vielen Pandemie hat die Situation noch einmal ver- kreativen Alternativen. Denn mit dem CSD wol- schärft und zu vermehrter Ausgrenzung und len wir so viel queere Sichtbarkeit und Gemein- Abwertung von LGBTIQ*-Menschen geführt. samkeit wie möglich. Neben der Regenbogenbe- Außerdem stellt der anhaltende Wegfall wich- fl aggung am Rathaus und in der Fußgängerzone, tiger Infrastruktur wie Hilfs- und Unterstüt- an Bussen und Tram-Bahnen könnten auch viele zungsangebote die Community vor zusätzliche Regenbogenfahnen aus unseren Fenstern oder Herausforderungen. von unseren Balkonen wehen. Was wir deshalb jetzt brauchen, ist ein breites Handeln wir solidarisch und helfen dem CSD Bündnis gegen gruppenbezogene Menschen- München durch Unterstützung und Spenden, je- feindlichkeit und für Vielfalt. Ein entschiede- de*r wie er*sie kann, auch dieses Krisenjahr zu nes Vorgehen gegen Homophobie, Trans- und überstehen. Das Soli-Bändchen ist ein schönes Interfeindlichkeit und für die gesellschaftli- Zeichen dafür. Kämpfen wir dafür, dass wir in che Akzeptanz der vielfältigen Gender-Iden- diesen schwierigen Zeiten sichtbar bleiben und titäten. Dabei leistet der Münchner CSD, der unsere LGBTIQ*-Anliegen nicht unter den Tisch heuer passend dazu unter dem Motto „Proud. fallen. Damit wir in Zukunft wieder richtig Human. Queer.“ steht, als treibende Kraft seit auf die Straße gehen, demonstrieren und fei- Jahrzehnten nicht nur ganz hervorragende ern können: proud, queer und gemeinsam stark – Arbeit, sondern glänzt zusammen mit den Ver- menschlich vereint in unserer bunten Vielfalt. anstaltungen der „PrideWeek“ seit jeher auch als buntes Aushängeschild für ein tolerantes Habt trotz allem einen kämpferischen CSD und und weltoffenes München. Und das mit unge- bleibt gesund! brochener Kraft selbst in Zeiten von Corona: mit Live-Stream und dezentraler Demo. Dazu Thomas Niederbühl Thomas ist politischer CSD-Sprecher und Stadtrat der Rosa Liste im Rathaus der LHM wünsche ich dem CSD 2021 einen vollen Erfolg!

04 PRIDEGUIDE 2021 ← iNTER* PRidE FlaG Weil Vielfalt Schutz braucht.

Das Leben ist bunt. Wir sorgen dafür, dass es sicher ist.

000000_AZ_PrideGuide_VKB.indd 1 17.05.21 15:31 THEMA ↓ PRIDEWEEK AUF EINEN BLICK

Die nicht so gute Nach- CSD Live-Stream richt: Auch dieses Jahr Fr 9. und Sa 10. Juli 2021 ist noch einmal vieles an- Der CSD sendet live aus ders. Die sehr gute Nach- dem Bellevue di Monaco am richt: Dennoch werden Freitag ab 20 Uhr und Samstag von 12 bis 20 Uhr → aus der wir den Pride-Spirit kom- Community für die Commu- munizieren und unsere nity mit Interviews, Talks, Sichtbarkeit zelebrieren Community-Videos, Musik, – politisch, bunt, enga- Kunst, Statements, Pride, Drags, Gewinnspielen und giert und solidarisch. Mitmachaktionen. Mit dabei Denn der Live-Stream sind u.a. fabulous lesbische kehrt mit noch mehr Podcaster*innen (Insta: kitschig_glitschig_podcast), Sendestunden und die lesbische Sängerin und Themen zurück, die Schauspielerin Laura Tashina, dezentrale Demo-Aktion großartige Vertreter*innen belegt die Münchner und politsche Forderungen der Community der Non-Binarys, Innenstadt und mit der inter* und trans* Menschen in Radl-Demo kehren wir München, ein Themenspecial als LGBTIQ*-Community zu LGBTIQ*-Diskriminierung in Osteuropa und vieles mehr. zurück auf die Straßen Ein Stream aus den Clubs ab – und das miteinander. 20 Uhr trägt euch dann weiter Alle Infos findet ihr durch die Nacht → streamt auf immer aktuell online auf www.csdmuenchen.de und auf Facebook und Youtube www.csdmuenchen.de. @csdmuenchen Folgt uns auch auf Fa- cebook und Instagram Dezentrale für tägliche Updates Demo-Aktion und Storys zum Munich 10. Juli, 12 bis 15 Uhr Pride 2021. Leider wieder keine PolitPara- de und Demo durch die Stadt: PrideWeek Aber Münchner LGBTIQ*-Ver- eine, Gruppen, Projekte, Sa 3. bis So 11. Juli 2021 Einrichtungen und Netzwerke Manches mit kleinem Pub- verteilen sich an 60 festen Po- likum und manches digital sitionen in der ganzen Münch- und online → informiert euch ner Innenstadt – Sendlinger Tor vorher über die Events und bis Odeonsplatz sowie Stachus Aktionen wie: 3. Juli DYKE* bis Marienplatz – und zeigen MARCH MUNICH Radl-Demo, so ihre politschen Forderungen 6. Juli Ausstellung »(I am not) und Sichtbarkeit für LGBTIQ*s. Sensitive Content« online, Also spaziert mal durch die 8. Juli Podiumsgespräch Stadt, besucht die Demo-Akti- LGBTIQ*-freie Zonen in Polen on, zeigt euren Support – ent- Stream und kleines Publikum, sprechend den offiziellen und 3.+ 4.+ 9.7. Zoobesuch – Queer gültigen Hygieneregeln. Ganz als Teil der Natur. Ausführli- wichtig: Es gilt ein behördli- che Infos zur Teilnahme, mehr ches Alkoholverbot! Veranstaltungen und Aktionen auf www.csdmuenchen.de CSD Radl-Demo 11. Juli 2021 CSD Kulturbühne Geplant ist, von fünf unter- Sa 10. Juli 2021 schiedlichen Startpunkten zu Eine Kulturbühne mit einer zentralen Sammel-Loca- Musik, Performances und tion zu radeln, wo wir den CSD Interviews ist geplant. München 2021 gemeinsam Covid-bedingt sind beschließen werden → Pride die Location und die with a Bang! Die Anzahl der Zutrittsmöglichkeiten Teilnehmenden wird begrenzt noch nicht final. Bitte sein, deshalb ist eine Anmel- informiert euch zur dung erforderlich. Alle Details Kulturbühne online auf zur Radl-Demo findet ihr auf www.csdmuenchen.de www.csdmuenchen.de

Aus dem Kulturzentrum Bellevue di Monaco Foto: Bellevue di Monaco, Bearbeitung: Frank Zuber 06 PRIDEGUIDE 2021 ← OMNISEXUAL pride Flag Wir lieben bunte Vielfalt.

Stadtsparkasse München – die Bank für alle. Offen, individuell und modern.

sskm.de THEMA ↓ MAKING SENSE OF THINGS

01 02 03 04

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15 01 Gendersternchen * → Trägt zur geschlechtergerechten Sprache bei. Es geht darum, alle Ge- schlechter einzuschließen. Beispiele: Freund*innen oder Kolleg*innen. Das * in trans* oder inter* steht für weitere mögliche, angehängte Endungen wie »-sexuell«, »-geschlechtlich« oder »-gen- 16 der«. 02 Demisexualität → Sexuelle Anziehung zu einem Menschen, nachdem eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut werden konnte. 03 Cis → Drückt aus, dass ein Mensch sich mit dem Geschlecht identifiziert, das bei der Geburt aufgrund der Genitalien zugewiesen wurde. 04 Racial slur → Rassistische Beleidigung – auch ethnic slur und antisemitic slur. 05 Woke/Wokeness → Dieser Begriff beschreibt eine Sensibilisierung für soziale Ungerechtigkeit, Sexismus oder Rassismus – entwickelte sich aus »stay woke« im Kontext der »Black Lives Matter«-Bewegung. Der Begriff polarisiert sehr stark, besonders in den Sozialen Medien. Die NZZ be- schrieb z.B. Wokeness auch als gesteigerte Form der Political Correctness. 06 PoC → People/Person of Color 07 Slay → Wort aus der Drag-Szene, bedeutet herausragend sein, z.B. slay the runway. 08 Lipstick Lesbe → Beschreibt eine Lesbe, die sich in einem betont femininen Ausdruck wohlfühlt. Dazu kann das Tragen von Make-Up (=Lipstick) gehören. In einer Zeit, in der Genderrollen oft als eher gestrig gesehen werden, verlieren solche Beschreibungen an Bedeutung. Oder eben vielleicht doch nicht? 09 Regenbogen- familie → Eine Familie mit Kindern und einem oder mehreren LGBTIQ*-Elternteilen. 10 Tokenism → Der Begriff meint ein lediglich symbolisch gemeintes Bemühen, marginalisierten Individuen oder Gruppen Teilhabe zu ermöglichen – in der Arbeitswelt oder auch bei anderen Aspekten des gesellschaftlichen Lebens. Bei Tokenism geht es hauptsächlich darum, sich selbst vor Vorwür- 17 fen von z.B. Rassimus, Sexismus oder Diskriminierung zu schützen, statt tatsächliche Gerechtigkeit zu schaffen. 11 Queer → Ur- sprüngliche Wortbedeutung ist schräg/strange und eigenartig/peculiar. Für viele Menschen bedeutet das Wort die Möglichkeit, sich selbst als ausserhalb der Norm zu definieren. In der Community wird teilweise sehr leidenschaftlich über das für und wider von queer vs. LGBTIQ* diskutiert. 12 Identitätspolitk → Es geht um die Rechte von sexuellen, religiösen, kulturellen und ethnischen Minderheiten und beschreibt das politsche Handeln, bei dem die Bedürfnisse einer spezifischen Gruppe von Menschen im Fokus 18 stehen, für die eine Verbesserung ihrer gesellschaftlichen Position und mehr Einfluss erreicht werden soll. Oft wird der Streit um die Anliegen von Identitätspolitik/identity politics sehr heftig und verbal agressiv – sehr oft in den Sozialen Medien – von verschie- denen Seiten geführt, so dass auch Politikwissenschaftler*innen »verbale Abrüstung« fordern. 13 Othering → Auch hier bietet die deutsche Sprache keine optimale Übersetzung. Ein manchmal auftauchendes Wort ist »Fremd-Machung«. Othering beschreibt die Abgrenzung der Community, der man sich zugehörig fühlt (Eigengruppe) von anderen Gruppen. 14 Geschlechtsdysphorie → Auch Genderdysphorie. Hier unterscheiden sich das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht und die Geschlechtsidentität. 15 Cancel Culture → To cancel bedeutet etwas beenden/abschaffen/stornieren. Der Begriff beschreibt den Vorgang, dass bei- spielsweise prominente Personen oder deren Äußerungen im Internet oder auch in der Gesellschaft gecancelt und sehr häufig regelrecht geächtet werden. Auch hier sind die Auseinandersetzungen oft sehr erbittert. 16 Enby → Steht für die in englischer Spra- che ausgesprochenen Buchstaben N und B, welche hier für nicht-binär bzw. non-binary stehen. Als nicht-binär bezeichnen sich Menschen, die sich nicht in das zweigeteilte Geschlechtersystem einordnen wollen oder können. 17 Pronomen → Fürwort. Aktuell läuft die Debatte, wie wir eine Erweiterung von Personalpronomen erreichen, so dass Menschen, die weder »er« noch »sie« für sich wählen, sichtbar und lesbar werden – beispielsweise non-binäre Menschen. Die deutsche Sprache ist da eine gewisse Her- 19 ausforderung. Im Englischen hat sich »they« und im Schwedischen »hen« etabliert. 18 White Privilege → Ein Effekt, der beschreibt, wie Menschen mit weißer oder heller Hautfarbe von gesellschaftlichen oder ökonomischen Privilegien oder Vorteilen gegenüber nicht-weißen Menschen profitieren. 19 BLM → Schwarze Leben zählen – das Leben schwarzer Menschen ist nicht weniger be- deutend. Nach dem Freispruch von G. Zimmermann von der Tötung des jungen POC Trayvon Martin in den USA im Sommer 2013 wurde die Bewegung dort mit dem Hashtag #BlackLivesMatter durch die drei Aktivist*innen Alicia Garza, Patrisse Cullors und 20 Opal Tometi aus Protest darüber gegründet. 20 Asexuell → Beschreibt das Fehlen von sexueller Anziehung zu anderen Menschen. Asexuelle Menschen sehnen sich relativ wenig oder gar nicht nach sexuellen Spielformen. Dies bedeutet allerdings nicht automa- tisch, dass asexuelle Menschen keine menschliche Nähe oder Zärtlichkeit suchen und ausleben. 21 Whataboutism → Dies ist ein sprachliches Stilmittel und Strategiewerkzeug. Es stammt von »What about…?« = »Und was ist mit…?« und zielt darauf ab, Fehlver- 21 halten auf der anderen Seite zu thematisieren, statt tatsächlich eine Antwort oder ein substanzielles Argument zu liefern. 22 BIPoC → Steht für Black, Indigenous, People of Color und bedeutet auf Deutsch Schwarz, Indigen und People of Color – nicht-weiss. 23 Tri- balism, politischer Tribalism heute → Hier werden aktuelle politische oder gesellschaftliche Auseinandersetzungen und Spaltun- gen als Tribalism beschrieben. Die jeweiligen Gruppierungen grenzen sich als Lager voneinander ab und wollen oder können keine Kompromisse erreichen. 24 Heteronormativität → Der Begriff beschreibt die Annahme, dass Heterosexualität und die mit ihr ver- 22 bundenen Lebensentwürfe die erstrebenswerte Norm darstellen. 25 Genderfluid→ Bewegung zwischen den Geschlechtern, teils in wechselnder Ausformung oder veränderlich. 26 Straight ally → Heterosexuelle Supporter*innen und tatkräftige Helfer*innen der Pride-Bewegung und der LGBTIQ*-Community. 27 Terfism→ Eine Form des radikalen Feminismus, der trans* Frauen abwertet und sogar negiert. Teile dieser Bewegung sind stark online organisiert, oft mit dem Bestreben, die Rechte von trans* Frauen zu be- schränken. 28 Homoflexible → Meistens homosexuell sein mit gelegendlicher Anziehung zu einem anderen Geschlecht. 29 MSM → Männer, die Sex mit Männern haben. 30 Otter → Ein schlanker Typ der Bären-Community – Happy Bear Pride. 31 Sapiosexual → Emotional und sexuell von Intelligenz und intelligentem Handeln angezogen zu werden. 32 Cub → Eine junge oder jung aussehende Version eines Bären – auch mit einer sexuell passiven Orientierung – hairy, big and fabulous! 23 24 25

28 27 30 26 29 31 32

08 PRIDEGUIDE 2021 ← LESBIAN pride Flag Marianne Janik

Das Bewusstsein über Intersektionalität ist entscheidend für den nachhaltigen Erfolg von Diversität und Inklu sion THEMA ↓ PROUD. connect*eD. QUEER. *

T Unserera Communitnsy muss − 3 Das Netzwerk

→ dgti – Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. nzusammenstehenetzw! erk → diversity München e.V.

→ Trans-Ident e.V.

→ TransMann e.V.

→ VIVA TS e.V.

→ Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LGBTIQ* 1

→ rosaAlter2

→ Trans*Inter*Beratungsstelle 2

1 Landeshauptstadt München 2 Projekte der Münchner Aids-Hilfe e.V.

15 Meter Pride

Marienplatz München → am 13. Mai 2021

3 Hinweis der Redaktion: Trans*-Netz- werk war zum Zeitpunkt dieses Inter- views lediglich eine Art Arbeitstitel für den Zusammenschluss der hier ge- münchen nannten Gruppen. ↑ Gruppe „frienTS“ gibt es zum Beispiel BERND MÜLLER schon seit 2007. → Christian: Hinzu L C J kommt, dass die medizinische Versor- Vereine und Gruppen für trans* Menschen gung super ist. Wir haben eine sehr hohe PG: Wann haben sich die ersten Gruppen gibt es in München viele, einige von Dichte an Operateur*innen und drei hier gegründet? → Jonas: Der älteste Ver- ihnen haben eine lange Geschichte. Doch Zentren, die alle Operationsformen ein ist VIVA TS, den es seit über 30 Jahren eine Zusammenarbeit dieser Projekte anbieten. Nicht zuletzt sind wir hier auch gibt, TransMann ist auch schon mehr als kam bislang nicht zustande. Das hat sich mit Therapeut*innen gut versorgt. In der 20 Jahre alt – das waren die zwei ersten im Herbst 2020 geändert. Wir sprachen Summe haben wir in München also ein Gruppen in München. Seit etwa 2010/11 mit Lysander Wöhler L von den enBees sehr gutes Angebot für trans* Menschen. erlebt die Trans*-Szene einen spürbaren (diversity München) sowie mit Christian Aufschwung. Das hat mit dem Wegfall des Schabel-Blessing C und Jonas Fischer PG: Wie groß schätzt ihr die Trans*-Com- OP-Zwangs und der teilweisen Reform J von TransMann e.V. über das neue munity in München? → Jonas: Wir schät- des Transsexuellengesetzes zu tun. Auch Trans*-Netzwerk München. zen, dass es um die tausend Personen das Buch des prominenten Leichtathle- gibt, die sich selbst als trans*, inter* ten Balian Buschbaum gab der Szene vor Interview oder nicht-binär bezeichnen. Die Zahl etwa zehn Jahren einen Riesenschub. derer, die nicht in der Szene auftauchen, PrideGuide: Ist unsere Stadt München dürfte aber sehr hoch sein, denn sie wol- PG: Wie kam es zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich ein gutes Pflaster für trans* len ein ganz „normales“ Leben führen und zum Zusammenschluss des Trans*-Netz- Menschen? → Lysander: Ja, weil es viele sich nicht zeigen. Die Zahl der Aktiven werks? → Lysander: Es waren zunächst ak- Vereine gibt und man schnell Anschluss hat sich leider nicht verändert. Wer sich tive Einzelpersonen, die diese Idee entwi- an die Community findet. Auch in Sachen für die Community engagiert, tut das in ckelt hatten, worauf VIVA TS ein Treffen

Jugendarbeit ging es früh los, unsere der Regel auch sehr lange. organisierte. Die ersten gemeinsamen Fotos: Frank Zuber

10 PRIDEGUIDE 2021 ← polysexual pride Flag di.to. – das queere Netzwerk der REWE Group – unterstützt den Christopher Street Day München 2021

#REWEDEINMARKT #REWEDEINCSD

rewe-group.com/de/unternehmen/dito facebook.com: rewe group – di.to. THEMA ↓ PROUD. connect*eD. QUEER.

Aktionen fanden zum Trans*Day of Remembrance im No- vember 2020 und zum Trans*Day of Visibility im März 2021 * statt. Zu diesen beiden Tagen wollten zunächst die diversi- IDAHOBIT ty-Gruppen enBees und frienTS etwas gemeinsam machen und sind an alle anderen herangetreten. Das funktionierte MUNICH sehr gut. Außerdem steht ja die Idee eines Trans*-Zentrums im Raum. Da ist es enorm hilfreich, wenn die Community 17. Mai 2021 Gärtnerplatz, München ↓ Fotos: Alexander Deeg miteinander arbeitet und klare Ansprechpartner*innen für den Prozess anbietet.

Ist unsere Stadt München eigentlich ein gutes Pflaster für trans* Menschen? Ja, weil es viele Vereine gibt und man schnell Anschluss an die Community findet.

PG: Wer und welche Gruppen schließen sich da eigentlich zusammen? → Lysander: Es sind alle dabei, die in München zu diesem Thema tätig sind: Die Vereine dgti, diversity Mün- chen, Trans-Ident, TransMann und VIVA TS, außerdem die Ko- ordinierungsstelle zur Gleichstellung von LGBTIQ*, die Bera- tungsstellen rosaAlter und die Trans*Inter*Beratungsstelle.

PG: Was ist das Ziel des Netzwerks nach innen? → Christi- an: Wir wollen voneinander profitieren. Jede Organisati- on hat ihre Schwerpunkte und Stärken. Wir Älteren profi- tieren von der frischen Herangehensweise der Jungen, die wiederum von unserer Erfahrung und unserem Wissens- schatz. Wenn wir das alles zusammenbringen, erreichen Danke an alle Gruppen, Vereine und Menschen der LGBTIQ*-Community für ihre Sichtbar- wir viel mehr und können unsere Community stärken. keit! Und an die Lovelies der ehrenamtlichen Safety-Aktionsgruppe für die Orga → S'AG = HIV/STI-Prävention für Männer*, die Sex mit Männern* haben → www.sag-muenchen.de

PG: Und mit welcher Botschaft wollt ihr nach außen gehen? → Jonas: Zunächst geht es natürlich um Sichtbarkeit und darum zu zeigen, dass wir eine starke Community sind. Und wir haben politische Forderungen: Das Thema Trans* soll in den Schulen vorangebracht und bei der Polizei sensibler gehandhabt werden. Es geht uns darum, Gewalt und Diskri- BRIX ON minierung zu verhindern. Letzteres vor allem im juristi- schen und medizinischen Bereich. Die strukturelle Diskri- BIKES minierung von trans* Menschen muss ein Ende haben. 22. Mai 2021 – Sub Müllerstr. ↓ Foto: Bernd Müller ↑ Frank Zuber PG: Trans* und Netzwerken sind zwei Begriffe, die in den letzten Jahren nicht so gut zusammengingen. → Christian: „Gut Ding will Weile haben“, sagt schon der Volksmund (lacht). Die Bedürfnisse der einzelnen Gruppen waren nun- mal immer sehr unterschiedlich. Spätestens mit dem gro- ßen Ziel Trans*-Zentrum jedoch haben offenbar alle ver- standen, dass so etwas nur in Kooperation geht.

PG: Was erhofft ihr euch von einem Trans*-Zentrum in Mün- chen? → Lysander: Zunächst einen anderen Namen: Wir könnten uns „Zentrum für trans*, inter* und nicht-binä- re Personen“ oder „Zentrum für geschlechtliche Vielfalt“ sehr viel besser vorstellen. Jonas: Unter uns herrscht Kon- sens, dass dessen Räume frei und individuell nutzbar sein sollen. Gern ein großer Veranstaltungsraum, aber auch kleine, barrierefreie Einheiten für Gruppentreffen und Beratungen. Dazu natürlich eine Küche/Theke, um einen Ort zu schaffen, an dem sich Leute auch auf sozialer Ebe- ne treffen. Christian: Wir denken, jetzt ist der richtige Zeitpunkt, für ein solches Zentrum zu kämpfen. Bis zu den Es war uns eine große Freude, diesen besonderen und lebensfrohen Kerl (Bildmitte) nächsten Kommunalwahlen 2026 könnte das stehen. Das kennenzulernen. Lieber Brix: Die Welt ist eine bessere mit Role Models wie dir! Wichtigste ist aber: Es soll bitte keine Luftblase bleiben! Brix Schaumburg ist Deutschlands erster offiziell geouteter PG: Wie geht es mit dem Trans*-Netzwerk jetzt weiter? transgender Schauspieler und seit dem 22. Mai unterwegs mit → Jonas: Zunächst wollen wir einen Trägerverein für das dem Radl. „Que(e)r durchs Land“ – Deutschlands größter Fahr- Trans*-Zentrum bilden und dann gemeinsam weiterarbei- rad-Pride nennt er das Projekt, mit dem er Sichtbarkeit für die ten. Wir meinen: Alle können sich auf viele neue Aktionen Community schaffen und Spenden für sie sammeln will. Mün- des Netzwerks freuen! ● chen war sein Zwischenstop 1 – und wir riesig stolz darauf! ●

12 PRIDEGUIDE 2021 ← BEAR pride Flag Folgt ihm und der Tour auf Insta: @treesoul ↓ THEMA PROUD. connect*eD. QUEER.

Auch in schwie gen Zeiten – w machen weiter unsere Arbeit!

Weil alle LGBTIQ* mit dem Recht auf gleiche Chancen und gleiche Mitgestaltung zu München gehören.

www.rosaliste.de und auf Facebook THEMA ↓ PROUD. NON-BINARY. QUEER.

rechtliche Transition geplant ist oder Ich bin trans* und ich bin nicht-binär, Luna Fuchsloch, Markus Haselbeck, Lysander Wöhler und drei anonyme enBees. man die eigenen Pronomen vorerst nur aber beides unabhängig voneinander und im engsten Kreis ändert, beginnt man jeweils auf eine ganz eigene Art. ALLE GESCHLECHTER abzuwägen, welche Vor- und Nachteile Du hast schon mal den Begriff „Nicht-bi- ein Coming-out in der Arbeit oder in Ich sehe mich selbst auf dem Trans*- när“ gehört? Doch was versteckt sich konservativen Umfeldern mit sich bringt. Spektrum und als Teil der Trans*-Commu- dahinter? Er dient als Label und Überbe- nity, identifiziere und beschreibe mich griff, der alle Geschlechter einschließt, NICHT-BINÄR IN DER GESELLSCHAFT aber nur mit dem Begriff ‚Nicht-binär‘. die nicht 100 Prozent weiblich oder Nimmt man lieber das tägliche Misgen- männlich sind. Das heißt: Personen, die dertwerden sowie die damit verbundene Da ich viele der Erfahrungen und sich ohne Geschlecht auf dem Spektrum soziale Dysphorie in Kauf und outet sich Bedürfnisse wie Dysphorie und Transition oder außerhalb des Spektrums zwischen aus Angst bzw. Sorge nicht oder riskiert nicht selbst erlebe, konnte ich mich nie weiblich und männlich identifizieren. man lieber den Verlust von Beziehungen, mit dem Begriff Trans* identifizieren. Dies kann, muss aber nicht, zeitliche muss sich dafür aber nicht mehr verstel- Veränderungen der Geschlechtsidenti- len? Diese Frage begleitet uns oft ein Keine Ahnung, wie sehr ich nicht-binär tät beinhalten. Das bedeutet, dass auch Leben lang, denn noch haben wir in der oder wie sehr ich einfach feministisch Genderfluid, Agender und Demi-gender Gesellschaft keinen eigenen Raum, keine bin. Aber allein, dass ich glaube, dass ich zu den vielen Labels im nicht-binären Heimat, in die wir uns einfinden können. nicht-binär bin, reicht doch aus, um mich Spektrum zählen. Doch jedes Coming-out hilft, einen so zu labeln.

INKLUSIVE SPRACHE Damit alle aus diesem Spektrum auch in unserer Sprache dargestellt werden, brauchen wir geschlechtsneutrale Alternativen bei Endungen, Pronomen und Anreden. Da es in der deutschen Sprache keine einheitliche Form gibt, nicht-binäre Personen darzustellen, hat die Community mehrere mögliche Varianten entwickelt, beispielsweise den Genderstern Leser*innen, den Doppelpunkt Leser:innen oder neutrale Formulierungen (Lesende).

NEUE PRONOMEN Viele von uns verwenden Neopronomen, also neu geschaffene Pronomen, da es im Deutschen sonst nur das sachliche „es“ gibt, das die meisten - aber nicht alle! - als abwertend empfinden. Die bekann- testen dieser Neopronomen sind „xier“, „nin“ oder „er_sie“. Zudem greifen viele auch auf das englische „they“ oder das schwedische „hen“ zurück, sowie davon abgeleitet „dey“ oder „en“. Im Beispiel also: „Ich habe en getroffen und auch ens Mutter kennengelernt. En hat mich etwas gefragt, worauf ich en geantwortet habe.“ Nicht zwingend die grammatikali- schen Feinheiten stehen im Vordergrund, sondern der respektvolle Umgang durch die Verwendung korrekter Pronomen. solchen Raum in der Gesellschaft zu RECHTLICHE LAGE schaffen, in dem nicht-binäre Personen Fachpersonen sind sich einig, dass NICHT-BINÄRES COMING-OUT zuhause sein können. nicht-binäre Personen sinnvollen Zugang Viele nicht-binäre Personen haben aus zu körpermodifizierenden Behandlun- früheren Erfahrungen mit dem Coming- NON-BINÄR UND TRANS* gen brauchen. Trotzdem werden sie out bereits eine Ahnung davon, wie es ist, Die folgenden Aussagen stellen die explizit von der Leistungsübernahme nach solchen Gesprächen auf Widerstand persönlichen Auseinandersetzungen ausgeschlossen. Dies erschwert den so zu stoßen. Wir wissen, wer aus unserem einzelner Mitglieder unserer Community wichtigen offenen, ehrlichen Umgang Umfeld negativ auf das Coming-out mit dem Thema Trans* dar ↓ mit der eigenen Geschlechtsidentität, reagieren könnte und welche Folgen das beispielsweise gegenüber Therapeut*in- mit sich bringt. So stellt sich häufig die Labels sind für mich eine Chance, eine nen (siehe auch Seite 18 - Artikel von Frage, in welchen Situationen es sich Community mit gleichen Erfahrungen TransMann e.V. ). Es ist über das (viel überhaupt „lohnt“, sich zu outen, denn zu finden. Trans* und nicht-binär sind kritisierte) Transsexuellengesetz seit für manche nicht-binäre Personen ist ein für mich unterschiedliche, unabhängige 2020 auch nicht-binären Personen Coming-out nicht zwingend nötig: Wenn Erfahrungen. möglich, divers, männlich, weiblich oder

beispielsweise keine medizinische und keinen Personenstand einzutragen. ● Foto: Frank Zuber

14 PRIDEGUIDE 2021 ← BISEXUAL pride Flag

THEMA ↓ PROUD. TRANS*. QUEER. Alltagstest für die „Vertraut euch anderen Liberalitas Menschen an und findet Bavariae dafür geeignete Personen.“

selbst akzeptieren, kannte keine positi- viel Energie. Daher versuche ich, ein Story und INTERVIEW von Bernd Müller ven Vorbilder und es gab noch Dinge wie Schutzschild um mich herum aufzubauen Zwangs-Operation und Zwangssterilisa- und das auszublenden; was strafrechtlich Seit 2013 ist Tessa Ganserer (44) für Bünd- tion. Das alles hat mich lange von einem relevant ist, bringe ich zur Anzeige. Ins- nis90/Die Grünen im Bayerischen Land- Coming-out abgehalten. Zwischenzeitlich gesamt wünsche ich mir, der Druck würde tag. Seit ihrem öffentlichen Coming-out dachte ich sogar, die Transition vermei- abnehmen, denn Diskriminierung macht Ende 2018 ist sie bekanntestes politisches den zu können, weil es vielleicht auch so auf Dauer krank. Gesicht der queeren Szene Bayerns, zudem gehen würde – das erwies sich als Illusion. erste trans* Frau in einem deutschen Lan- Irgendwann war ich am Ende meiner Kräf- PG: Fühlst du dich nicht mittlerweile gesett- desparlament. Bei der Listenaufstellung te und musste mich einfach outen. led oder ist dieser Teil deiner Biografie im- für die Bundestagswahl erreichte Tessa mer noch eine Herausforderung? → Tessa: Ganserer im April Platz 13 – und hat damit PG: Wie waren die Reaktionen? → Tessa: Trans* zu sein ist niemals vorbei, nicht in beste Chancen, am 21. September in den Familie und Freunde reagierten überwie- dieser Gesellschaft. Vor allem, wenn man Berliner Reichstag einzuziehen. Wir spra- gend positiv, so wie ich mir das erhofft als trans* Person optisch erkennbar ist, chen mit der gebürtigen Niederbayerin hatte. Die größte Stütze in diesem Umfeld muss man Diskriminierung fürchten. Da- über ihre Geschichte, ihre Konflikte und war meine Frau, die schon jahrelang Be- her versuchen viele, nach der Transition die Frage, ob sie zum „Role Model“ taugt. scheid wusste und mich immer auf diesem diesen Teil ihres Lebens auszublenden, um Weg begleitet hatte. Auch bei den Grünen das zu vermeiden. Ich persönlich habe mit Interview gab es keine Probleme, die Partei bestä- meinem Äußeren noch nicht abgeschlos- tigte einmal mehr, „meine“ Partei zu sein. sen, das fällt mir auch schwer. PrideGuide: Tessa, seit etwa zweieinhalb Doch auf der Straße wurde gelacht, eine Jahren trittst du öffentlich als trans* Frau ältere Frau hat sich beim Vorübergehen PG: Du haderst mit deinem Erscheinungs- auf. War es schwer, diesen Schritt zu tun? sogar vor mir bekreuzigt, andere haben bild? → Tessa: Einerseits möchte ich → Tessa Ganserer: Es war unheimlich ausgespuckt – das hat mich schon getrof- mich nicht von gesellschaftlichen Ge- schwer, vor allem wegen meiner Vorge- fen. Ebenso wie der andauernde Spott und schlechterstereotypen leiten lassen, an- schichte. Ich bin seit über 20 Jahren mit Hass in den Social Media. dererseits möchte ich als Frau gelesen meiner Frau zusammen. Als wir uns 2006 werden – nicht zuletzt, wenn ich mich sel- für Kinder entschieden hatten, war es für PG: Wie gehst du mit diesen negativen Re- ber im Spiegel anschaue. Mein Gesicht mich noch unvorstellbar, die Transition zu aktionen um? → Tessa: Sich ständig gegen besitzt nun mal männliche Erscheinungs-

beginnen. Damals konnte ich mich kaum diese Angriffe zu wehren, kostet enorm merkmale und meine Stimme, immer- privat von Foto:

„Und ich möchte betonen: Es lohnt sich, dieses Leben zu leben!“ —Tessa

16 PRIDEGUIDE 2021 ← RAINBOW pride Flag ↓ thema PROUD. connect*eD. QUEER. hin mein tägliches Werkzeug, bewegt sich immer noch zum Teil tags-Kandidatur: Ich bin vielleicht kein Role Model, aber ein All- im männlichen Bereich. Ich weiß, dass es feminisierende Ge- tagstest für die Liberalitas Bavariae. sichts- oder Stimmband-OPs gibt. Doch wie viele Eingriffe muss ich über mich ergehen lassen, bis es der Gesellschaft gelingt, PG: Du hast dein Landtagsmandat 2013 noch vor deinem Coming- mich als Frau zu akzeptieren? Ich beschäftige mich täglich mit Out erhalten. Glaubst du, das hätte damals schon als off en lebende diesem Thema und ja, ich hadere damit. Doch ich werde mir und trans* Person auch geklappt? → Tessa: Das ist schwer zu sagen, die meinem Körper weiter Zeit geben und Frieden mit mir und mei- Antwort muss im Konjunktiv bleiben. ner Vergangenheit schließen müssen. PG: Abschließend noch eine Frage an die Politikerin Tessa Ganse- PG: Gibt es Tipps, die du anderen Menschen geben kannst, wenn rer. Was muss sich in Bayern für trans* oder auch inter* Menschen sie den Wunsch nach Transition haben? → Tessa: Es gibt keinen Bu- tun, um ihnen ein gutes und gleichberechtigtes Leben zu ermögli- sinessplan für eine erfolgreiche Transition. Ich habe mich zum chen? → Tessa: Da fällt mir die Antwort leichter als auf manche Beispiel ein Jahr lang täglich mit der Frage des richtigen Zeit- der anderen Fragen (lacht): Wir müssen die rechtliche Diskrimi- punkts für mein Coming-out gequält, denn ich wollte ihn selbst nierung abbauen und dringend das Transsexuellengesetz durch bestimmen. Daher hatte ich auch keinen Kontakt zu Selbsthil- ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzen. Trans* Menschen sollen fegruppen oder Psychologen – ich hatte Angst, es könnte etwas fl ächendeckend Zugang zu besserer medizinischer Versorgung durchsickern. Nein, ich kenne den Königsweg nicht, wichtig ist in haben. Und nicht zuletzt: Akzeptanz lässt sich nicht verordnen. jedem Fall: Vertraut euch anderen Menschen an und fi ndet dafür Aber Politik muss Haltung beweisen und Ressourcen zur Verfü- geeignete Personen. Und ich möchte betonen: Es lohnt sich, die- gung stellen. Die Gesellschaft muss mehr von unseren Geschich- ses Leben zu leben! ten und Problemen erfahren – schließlich sind trans* Menschen keine Bayern 2. Klasse. ● Bernd: Empfi ndest du dich als Vorbild für die Trans*-Community? → Tessa: Ich tue mich schwer mit einem solchen Begriff. Das liegt „Akzeptanz lässt sich nicht sicher daran, dass ich Autoritäten immer kritisch hinterfrage und ich deshalb nicht dazu neige, andere Menschen zu idolisie- verordnen. Aber Politik ren. Aber natürlich weiß ich um meine Wirkung im öffentlichen Leben und empfi nde es als Privileg. Wenn mir Menschen bestä- muss Haltung beweisen und tigen, dass ich ihnen Mut mache und sie Kraft aus meiner Ge- schichte ziehen, dann ist das das Schönste, was es für eine Poli- Ressourcen zur Verfügung tikerin gibt. Menschen Mut geben, statt ihnen Angst zu machen. Das war übrigens auch Teil der Motivation für meine Bundes- stellen.“ —Tessa

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PROGRESS PRidE FlaG → 2021 PRIDEGUIDE 17 THEMA ↓ PROUD. TRANS* INTER*. QUEER.

wer intergeschlechtlich ist und die Entscheidung, wer vor Eingriffen geschützt werden soll, bei der ES BLEIBT Medizin. So wird die Pathologisierung und Stigma- tisierung fortgesetzt und das Verbot der uneinge- VIEL ZU TUN! willigten Eingriffe könnte leicht umgangen werden. Um Menschenrechtsverletzungen durch die Luca Böhm L und Quentin Rothammer Q , Mit- Medizin effektiv zu verhindern, muss das Verbot arbeiter*innen der Trans*Inter*Beratungsstelle medizinunabhängig kontrolliert werden. Es ist – ein Projekt der Münchner Aids-Hilfe – möchten ein Menschenrecht, unversehrt aufzuwachsen und euch hier einen kleinen Einblick geben in die selbstbestimmte Entscheidungen über den eigenen Probleme, die inter* und trans* Personen auf der Körper zu treffen. Voraussetzung dafür sind ein Ebene von Gesetzen und Leitlinien haben. ↓ konsequentes, gesetzliches Verbot uneingewil- Gesetzlicher Schutz für intergeschlecht- ligter Eingriffe, medizinunabhängige Beratung, liche Menschen? Intergeschlechtlich- Entpathologisierung, Aufklärung zu geschlecht- keit ist ein Sammelbegriff für Menschen mit licher Vielfalt, Community und Inter* Pride! ↓ angeborenen körperlichen Geschlechtsmerkma- Trans*-Gesetze: Europa drängt, Deutsch- len, die nicht den typischen Vorstel- land zögert Viele lungen von männlich und weiblich trans* Personen müssen sich entsprechen. Diese Variationen der nach dem Coming-out zunächst Geschlechtsmerkmale können zu im Leitlinien- und Gesetzesdi- unterschiedlichen Zeitpunkten im ckicht zurechtfinden. Grund dafür Leben auf der Ebene der Chromoso- ist das deutsche Transsexuellen- men, Hormone, Geschlechtsorgane gesetz (TSG), das noch aus den und sekundären Geschlechtsmerk- 1980er Jahren stammt. Immerhin male auftreten. Meistens stellen wurden einige Paragraphen wie Variationen der Geschlechtsmerk- Scheidungszwang (gültig bis 2009) male keine Gesundheitsgefahr dar, und Sterilisationszwang (gültig doch sie gelten immer noch als bis 2011) gestrichen. Doch noch Krankheit. Um binären, cis- und immer werden zwei Gutachten von heteronormativen Geschlechtervor- Sachverständigen gefordert, die stellungen zu entsprechen, werden von den Antragsteller*innen selbst vor allem inter* Kinder und Jugend- zu bezahlen sind. Hinzu kommt: liche irreversiblen medizini- Eine Namens- und Personenstands- schen Eingriffen unterzogen. Ohne änderung, für die meisten trans* medizinischen Notfall und ohne Menschen von höchster Wichtig- aufgeklärte Einwilligung werden keit, bedeutet hohe Kosten, lange Operationen und Hormonbehandlun- Wartezeiten und die Preisgabe gen durchgeführt. Diese Eingriffe von höchstintimen Informatio- wurden von der UN als unmenschli- nen. In Deutschland gibt es immer che Behandlung und Folter verurteilt, wieder Gesetzesentwürfe, teilweise weil sie lebenslange Folgen für die körperliche enthalten diese Verschlechterungen, andere und psychische Gesundheit haben. ↓ Weltwei- werden nicht angenommen. Einen neuen Anlauf ter Kampf für Selbstbestimmung und für wird es frühestens nach der Wahl im Septem- körperliche Unversehrtheit Inter* ber geben. ↓ „Weder ethisch noch fachlich Menschen kämpfen weltweit für Selbstbestimmung vertretbar“ Neben dem TSG sind auch und körperliche Unversehrtheit. Nach Jahrzehn- die Begutachtungsanleitung (BGA), anhand derer ten von Menschenrechtsverletzungen setzen sich entschieden wird, ob Krankenkassen Behandlun- Inter* Menschen für das Ende der Pathologisierung gen von trans* Personen übernehmen, von hoher und der schädlichen medizinischen Praktiken ein. Bedeutung. Im April veröffentlichte die zustän- Seit März 2021 gibt es in Deutschland ein neues dige medizinische Fachgesellschaft eine deutli- Gesetz, dass intergeschlechtliche Kinder vor den che Stellungnahme zu den Problemen dieser BGA. kritisierten Eingriffen schützen soll. Ein wichti- Deren letzten Satz schließen auch wir uns an: „Eine ger Schritt, jedoch hat es gravierende Lücken und Behandlung, die der neuen BGA folgt, ist weder viele problematische Ausnahmen. Außerdem wird mit dem aktuellen Fachwissen noch berufsethi- Intergeschlechtlichkeit im Gesetz anhand medizi- schen Grundsätzen vereinbar.“ ↓ UNSER APPELL nischer, pathologisierender Begriffe definiert. Bitte behandelt trans* und inter* Personen Eine medizinische Kommission soll zudem, ohne mit Respekt und Menschenwürde, egal an welchem Mitwirkung von menschenrechtsbasierten Peer-Or- Punkt sie auf ihrem persönlichen Weg stehen! ● ganisationen, dem Familiengericht empfeh- len, ob die Eingriffe dem Kindeswohl entspre-

chen. Dadurch bleibt die Deutungshoheit darüber, Trans*Inter*Beratungsstelle Foto:

18 PRIDEGUIDE 2021 ← RUBBER FETISH pride Flag WE ARE PROUD@MAN. Proud. Human. Queer. THEMA ↓ THEMA ↓ PROUD. TRANSmyself.*. QUEER. QUEER. Ich weiss nicht, wie lange ich das noch aushalte!

Menschen wie Maax Die neuen Regularien der Krankenversicherungen sorgen in der Trans*-Com- munity für Irritationen. Wieder einmal haben die Behörden Entscheidun- gen getroffen, die trans* Menschen betreffen, ohne die Betroffenen selbst anzuhören. Menschen wie Maax, non-binär, leiden besonders darunter. — Dies ist Maax’ Story.

20 PRIDEGUIDE 2021 ← labrys/lesbian pride Flag A T U H C

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www.transmann.de Eines weiß Maax genau: Unsicher ist Maax auch, ob Die Brüste stören; sie be- er/sie Testosteron nehmen lasten psychisch extrem soll. „Lass dich einfach um- und müssen weg. Maax operieren, dann ist doch definiert sich als non-binär alles gut!“ Diesen Satz hat und sagt von sich selbst, Maax immer wieder ge- er/sie könne sich nicht hört. Mit der körperlichen wirklich als Frau definie- Angleichung ist tatsächlich ren, aber auch nicht als für so manche trans* Men- Mann. In der Geburtsur- schen alles gut. Aber für kunde wird Maax weiblich viele eben auch nicht. Und verortet. Noch steht keine speziell für Maax scheint Vornamens- und Perso- die gewünschte Operation nenstandsänderung an. unmöglich.

hat dann 2012 verschiedene Selbsthilfe- grifflichkeiten Geschlechtsinkongru- Jonas Fischer, Vorstand TransMann e.V. gruppen und Einrichtungen befragt, die enz und Geschlechtsdysphorie wird in der sich mit dem Thema auskennen. Mit di- S3-LL 2018 darauf hingewiesen, dass sich Vorreiter USA Warum? Man unter- versen medizinischen Berufsverbänden, Menschen mit einer binären oder non-bi- scheidet zwischen dem rechtlichen und medizinischen Gesellschaften, der Bun- nären Geschlechtsidentität einordnen dem medizinischen Weg in der Transition. despsychotherapeutenkammer, dem Bun- können. Mit binärer Geschlechtsidentität Der rechtliche Weg wird geregelt durch desverband Trans* und der Deutschen Ge- ist die in unserer Gesellschaft übliche das Transsexuellengesetz und betrifft nur sellschaft für Sexualforschung entstand Zweiteilung in männlich und weiblich ge- die Vornamens- und Personenstandsände- eine S-3-Leitlinie – S-3 meint: Die Leit- meint. Non-binäre Geschlechtsidenti- rung. Dazu brauchen trans* Leute derzeit linie hat alle Elemente einer systemati- tät meint, dass diese Zweiteilung nicht noch zwei sehr kostspielige psychothe- schen Entwicklung durchlaufen – zur Di- streng verortet ist. In letzteren Fällen be- rapeutische Gutachten und ein Gerichts- agnostik, Beratung und Behandlung von steht kein Transsexualismus i.S. dieser verfahren. Auch wenn zu diesem Proze- Menschen mit Geschlechtsinkongruenz/ BGA.“ In der S-3-Leitlinie von 2018 fanden dere dringend Handlungsbedarf besteht, Geschlechtsdysphorie. Einfacher gesagt: non-binäre Personen noch Berücksichti- soll es darum heute nicht gehen. Auch für Das Fachpersonal hat eine Leitlinie er- gung. Die neue Regelung diskriminiert den medizinischen Weg gibt es eine Rege- stellt, die eine deutliche Verbesserung also non-binäre Menschen, Menschen, die lung, allerdings keine gesetzliche, son- zu den MDS-Vorgaben des MDK darstellte. so fühlen wie Maax. dern eine, die der Medizinische Dienst Sie wurde 2018 veröffentlicht. der Krankenversicherung (MDK) geschaf- Interview fen hat. Um zu verstehen, was das Gan- Krankenkassen ignorieren die ze für Maax bedeutet, folgender Hinter- Betroffenen Viele Trans*-Organisa- Jonas: Maax, wie soll dein persönlicher Weg grund: Seit 1979 gibt es die sogenannten tionen haben sich darüber gefreut und ge- aussehen? Was möchtest du an dir kon- Standards of Care (SOC) in den USA, also hofft, dass auch der MDK, respektive die kret verändern? → Maax: Das Wichtigste eine Anleitung, wie man mit trans* Perso- Krankenkassen, diese bessere S-3 Leitlinie für mich ist, dass die Brüste verschwin- nen verfahren sollte, die eine somatische anerkennen und umsetzen. Aber dann ist den. Die belasten mich sehr, da ich mich (operative) Geschlechtsangleichung wün- zwei Jahre lang nichts passiert. Im Novem- nicht wirklich als weiblich verorten kann. schen. Diese Standards of Care wurden ber 2020 kam plötzlich eine neue Begut- Ich möchte im Sommer gern nur mit Ba- immer wieder neu überarbeitet. achtungsanleitung (BGA) des MDK, die die de-Shorts an den See. Das geht aber der- MDS-Richtlinien von 2009 ablösen soll- zeit nicht, da meine Brüste – auch wenn sie Deutschland zieht 30 Jahre spä- te. Diese neue BGA ist zwar ein klein we- eher klein sind – doch eindeutig weiblich ter nach Der MDK hat für Deutschland nig besser als die MDS-Richtlinie. Aber gelesen werden. Ich sehe mich selbst auch im Jahr 2009 die sogenannten MDS-Richt- auch dieses Mal hat sich der MDK nicht die nicht gerne im Spiegel an. Wenn ich das linien (Medizinischer Dienst des Spitzen- Mühe gemacht, im Vorfeld mit trans* Men- tue, sehe ich immer nur dieses eine her- verbandes Bund der Krankenkassen) veröf- schen zu sprechen. Generell lehnt das Gre- vorstechende, weibliche Attribut. fentlicht. Im Prinzip hat er sich dafür an mium Gespräche mit trans* Personen ab. den Standards of Care orientiert, leider Versuche der Leitlinienkommission – das JF: Du könntest dir die Brust aber verklei- damals schon ohne die Betroffenen selbst ist das Gremium der Fachärzt*innen, die nern lassen. → Maax: Und es wäre immer vorher einzubeziehen. Entsprechend ist die S-3 Leitlinie erstellt haben -, mit dem noch eine eindeutig weibliche Brust. Es diese MDS-Richtlinie auch ausgefal- MDK ins Gespräch zu kommen, scheiterten. ist egal, wie groß oder klein sie ist. Sie ist len: Sie sah 12 bzw. 18 Monate Therapie- einfach weiblich. Das, was ich möchte, um zwang vor, bis die Betroffenen irgend- Diskriminierung non-binärer glücklich zu leben, ist eine Angleichung welche Maßnahmen beantragen konnten. Menschen So heißt es heute in der neu- an eine männliche Brust. Um es mal ganz Ein renommiertes Ärzt*innengremium en BGA: „Im Zusammenhang mit den Be- banal auszudrücken: Mein Oberkörper

22 PRIDEGUIDE 2021 ← AGENDER pride Flag soll eher männlich sein, mein Unterkörper darf so weiblich www.koenig-stefan.de bleiben, wie er ist. Das wäre für mich das Optimum aus bei- den Geschlechtern.

JF: Und du fi ndest keinen, der dich so operieren kann? → Maax: Doch, fi nde ich schon. Aber die Operateure brauchen eine Indikation, was auch völlig legitim ist, und eine Kosten- übernahmebescheinigung von der Krankenkasse. Die Indi- kation alleine wäre nicht das Problem. Denn mein Thera- peut kann mir bestätigen, dass ich auch als non-binäre Person sehr unter meinen eindeutig weiblichen Brüsten lei- de. Und die meisten Operateure, die eine Angleichung an die männliche Brust durchführen, kennen auch die Thema- tik „Non-binär“.

„Jetzt trauen wir uns, mehr zu zeigen, dass es uns gibt. Mehr unsere Bedürfnisse einzufordern.“ —Maax

JF: Aber? → Maax: Die Kostenübernahme ist das Problem. Nach der neuen Begutachtungsanleitung vom MDK falle ich da nicht drunter, weil ich ja nicht eindeutig trans* bin, son- dern nur non-binär. Daher habe ich keine Chance, eine Zusa- ge für die Kostenübernahme zu bekommen. Bedeutet, mein Therapeut müsste mir die Diagnose F64.0 („Transsexualis- mus“) bestätigen, die er gesichert haben muss.

JF: Das heißt: Es gibt in der ganzen ICD, also der Internationa- len Statistischen Klassifi kation der Krankheiten, keine ande- re Diagnostik für dich? → Maax: Nein, erst 2022 soll die neue ICD 11 kommen. Die Diagnose F64.0 wird es in der Folge so nicht mehr geben, sondern wird Geschlechtsdysphorie oder Geschlechtsinkongruenz heißen. Dann habe ich eventuell eine Chance. In Amerika haben sie Geschlechtsdysphorie bzw. Geschlechtsinkongruenz schon seit 2013 als Diagnose. Hier hinken wir leider gewaltig hinterher.

JF: Was bedeutet genau Geschlechtsdysphorie oder -inkon- MAUL gruenz ? → Maax: Stimmt das Geschlechtsidentitätserleben nicht mit den Geschlechtsmerkmalen des Körpers überein, spricht man von Geschlechtsinkongruenz. Leidet eine Per- son unter der fehlenden oder beeinträchtigten Überein- stimmung, wird dies als Geschlechtsdysphorie bezeichnet. Das Augenmerk wird hier besonders auf den Leidensdruck AUF! gelegt. In den vergangenen Jahren sind in zunehmendem DEIN ZAHNARZT Maße Personen an die Öffentlichkeit getreten, die zwar ein bestimmtes Ausmaß an Geschlechtsinkongruenz erleben, jedoch keine bzw. wenige körperliche Veränderungen an- streben und manchmal ein Leben zwischen den etablierten Zahnarztpraxis Dr. Timo Bachmann Geschlechtsrollen als für sie wünschenswert erachten. So Schweigerstr. 4 wie ich eben auch. 81541 München Tel. +49 89 663242 JF: Wie kommt das? → Maax: Uns gab es immer schon. Ich [email protected] denke aber, dass die non-binären Menschen früher einfach mehr versucht haben, sich einzufügen, nicht aufzufallen, nicht anzuecken. Jetzt trauen wir uns, mehr zu zeigen, dass Zahnerhaltung – Prophylaxe – Wurzelkanalbehandlung es uns gibt. Mehr unsere Bedürfnisse einzufordern. Parodontologie – Zahnersatz – Veneers – Bleeching – Schienentherapie

www.timobachmann.de THEMA ↓ PROUD. myself. QUEER.

JF: Welche Möglichkeiten hast du nun kon- Auch wenn sich Maax entschließen sollte, rung oder einer Mastektomie einhergehen kret, an dein Ziel zu kommen? → Maax: Im auf Variante 2 zurückzugreifen, wird er/sie kann. Rücksicht genommen werden soll- Prinzip habe ich nur drei Möglichkeiten. die Operation nicht einfach so bekommen. te auf Diskriminierungspotenziale.“ Die Erstens: Ich hole mir die Indikation von Denn um als trans* Person die Kostenzusa- meisten trans* Personen erproben den All- meinem Therapeuten und zahle die OP und ge von der Krankenkasse zu erhalten, muss tag schon lange bevor sie überhaupt die eventuell folgende Korrekturen selbst. man ziemlich viele Unterlagen einrei- Therapie beginnen. Die Regelung, dass zum Das übersteigt aber mit etwa 5.000 bis chen (siehe ↓). Und dann gilt: Die Anglei- Beispiel eine trans* Frau sechs Monate All- 7.000 Euro Kosten deutlich mein Budget; chung an die männliche Brust, wie Maax tagserprobung machen, sich also schon ich müsste dafür einen Kredit aufnehmen. sie anstrebt, ist nach der BGA nach 12mal in der weiblichen Rolle bewegen soll, be- Zweitens: Ich beschließe mit meinem The- 50 Minuten Therapie frühestens nach sechs vor sie sich den Bartschatten wegepilieren rapeuten, den MDK anzulügen und lasse Monaten Therapie und Alltagserprobung lassen kann, funktioniert so nicht. Diskri- mir die Diagnose F64.0 bescheinigen. Wo- möglich. Dies gilt aber nur für die Anglei- minierung ist da schon vorprogrammiert. mit ich mich aber eindeutig nicht wohl chung an die männliche Brust. Alle ande- fühle, weil es einfach so nicht die Wahr- ren geschlechtsangleichenden Operatio- Allen ihre Bedürfnisse Klar: Vor heit ist. Drittens: Ich muss warten, bis nen für Frau-zu-Mann trans* Personen, wie Operationen oder Maßnahmen müssen die 2022 hoffentlich die neue ICD 11 kommt auch für Mann-zu-Frau trans* Personen, Betroffenen therapeutische Hilfe anneh- und der MDK seine derzeitige BGA überar- sind frühestens nach zwölf Monaten Thera- men. Um sich selbst nochmal zu hinterfra- beitet, was aber auch wieder lange dauern pie und Alltagserprobung möglich. gen, das geplante Vorhaben durchzugehen kann. Und hoffen, dass auch beim MDK an- und zu festigen, sich bei Unsicherhei- kommt, dass es „uns“ gibt und wir Bedürf- Alltagserprobung? Geschenkt ten Hilfe holen. Aber nicht in irgendwel- nisse haben. Ob ich allerdings, psychisch Dazu schreibt die BGA: „Für eine voll in- chen vorgeschriebenen Zeiten. Denn jeder gesehen, noch so lange warten kann, rea- formierte soziale und medizinische Tran- Mensch braucht dafür individuell viel Zeit listisch gesehen zwei bis drei Jahre, weiß sition sind möglichst vielfältige Alltags- und auch der Leidensdruck ist ganz unter- ich nicht. Ich kenne etliche non-binäre erfahrungen zu empfehlen. Es sollte sich schiedlich. Personen, die mittlerweile massiv unter um ein individualisiertes Vorgehen han- Lass dich einfach umoperieren, dann Depressionen leiden. deln, das bei Vorliegen einer Indikation ist doch alles gut? Eben noch lange nicht. mit Beginn bspw. einer Hormonbehand- Schon gar nicht als non-binärer Mensch

JF: Danke Maax für das Gespräch. lung, einer Entfernung der Gesichtsbehaa- wie Maax. ● Foto S.20: Shutterstock

Was zu tun ist ● Befundberichte zu somatischen Untersuchungsergebnissen (z.B. gynä- Um als trans* Person die kologisch, andrologisch, urologisch, Kostenzusage von der endokrinologisch) Krankenkasse zu erhalten, ● Psychiatrische/psychothera- muss man folgende Unter- peutische Indikationsstellung zur medizinischen Notwendigkeit der lagen einreichen: beantragten geschlechtsangleichen- den Maßnahme

● Ausführlicher psychiatrisch/psycho- ● Somatisch-ärztliche Indikations- therapeutischer Befund- und Verlaufs- stellung durch die/den die beantragte bericht mit Angaben zu: Anamnese + geschlechtsangleichende Maßnahme Diagnose und differentialdiagnostischen durchführende/n Ärztin/Arzt inkl. Überlegungen + begleitenden psychi- Nachweis der Aufklärung schen Störungen + krankheitswertigem Leidensdruck + Behandlung des Lei- ● Leistungsauszug der Krankenkasse densdrucks + Behandlung der Komor- der letzten fünf Jahre biditäten, falls vorhanden + Begleitung der Alltagserfahrungen Quelle: TransMann e.V.

www.TRANSMANN.de Der Verein TransMann richtet sich an alle, die sich dem weiblichen Geburtsgeschlecht nicht oder nur zum Teil zugehörig fühlen, also Frau-zu-Mann-Trans*-, inter* und nicht-binäre Personen sowie ihre Angehörigen, Freund*innen und Partner*in- nen. Der Verein bietet Gruppentreffen, Informationsveranstaltungen, organisiert Schulungen und Workshops, Peer-to-Peer-Beratungen etc. Zusätzlich betreibt die Einrichtung eine bundesweite Adressenliste mit trans*-erfahrenen Ärzt*innen und Therapeut*innen.

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werden Foto: Tibor Bozi, Illustration: Frank Zuber muss

Szene groß ist. Bernd Müller Wir queeren Stadträt*innen Nach dem schwulen Zentrum Sub, dem les- hatten bereits bisch-queeren LeZ und dem Zentrum für besprochen, die LesBiSchwule und Trans*-Jugendorga- dass möglichst nisation diversity soll München auch einen bald ein Antrag festen Ort für trans*, inter* und nicht-bi- an das Sozial- näre Menschen erhalten. Mit Thomas Nie- referat und die derbühl, Stadtrat der Rosa Liste, haben wir städtische Koor- uns über die Pläne und die Chancen eines dinierungsstel- solchen Projekts unterhalten. le für LGBTI* gestellt wird, Interview einen entspre- chenden Prozess PrideGuide: Spätestens seit dem Kom- in Gang zu setzen. Vermutlich wird der was existiert, ist sicher – eine Kürzung munalwahlkampf 2020, in dem es gleich Prozess mit einem Runden Tisch beginnen, der Zuschüsse ist trotz der angespannten mehrere Parteien gefordert haben, steht zu dem Vereine, Gruppen und Interessier- Haushaltslage nicht geplant. die Idee eines Trans*-Zentrums für Mün- te geladen werden. Das wird sicher seine chen im Raum. Wo kommt diese Idee her? Zeit brauchen. Ich kann mir aber gut vor- PG: Rosa Liste regiert nach sechs Jahren → Thomas Niederbühl: Ich kann gar nicht stellen, dass wir Ende 2023 einen Bericht Opposition wieder mit und zwar mindes- sagen, wer die Idee ursprünglich aufge- mit entsprechenden Vorschlägen bekom- tens bis 2026. Was bedeutet das für ein Pro- bracht hat. Ich habe mich jedenfalls schon men. Danach entscheidet der Stadtrat, wie jekt wie das Trans*-Zentrum? → Thomas: sehr früh dafür eingesetzt. Mit unseren es weitergeht. Die Community behält mit Rosa Liste eine drei queeren Zentren haben wir in Mün- kräftige Stimme und starken Einfluss in chen ja bereits jetzt ein exklusives, bun- PG: Das klingt nach sehr langfristigen Pla- der Stadtpolitik. Zudem hat sich die Regie- desweit praktisch einmaliges Angebot. nungen. → Thomas: Auf jeden Fall, denn rungskoalition bezüglich queerer Themen Ein Trans*-Zentrum soll diese Bandbreite wir stehen ja noch ganz am Anfang. Ich wirklich gut geeinigt und verfügt über künftig ergänzen, so steht es auch im Koa- sehe darin aber auch eine Chance, denn es viele aktive Stadträt*innen auch in ande- litionsvertrag zwischen SPD/Volt und Die schafft Luft für Ideen und Entwicklungen ren Parteien. Davon wird die LGBTI*-Szene Grünen/Rosa Liste. sowie das Schaffen einer gemeinsamen auch in den nächsten Jahren profitieren. Basis. Beim lesbisch-queeren Zentrum LeZ PG: Wie soll ein solches Zentrum aussehen? beispielsweise haben wir gesehen, dass PG: Ist das Trans*-Zentrum das große Ver- → Thomas: Aufgabe der Politik ist es, et- es manchmal gut ist, Zeit ins Land ziehen mächtnis des Thomas Niederbühl, wenn er was auf den Weg zu bringen, nicht aber, es zu lassen, damit man den Entwicklungs- 2026 nach 30 Jahren den Münchner Stadt- auszugestalten. Nachdem es in München prozess gestalten und erfolgreich zu Ende rat verlässt? → Thomas: Das wäre mir zu eine vielfältige, aktive Trans*-Community bringen kann. wenig, denn es gibt noch zu viel, was ich gibt, muss es Aufgabe dieser Community auf der Agenda habe: das queere Muse- sein, ihre Bedarfe und Bedürfnisse zu be- PG: In Coronazeiten macht man sich Ge- um, die Ausrichtung der Gay Games oder nennen und zu klären, wie dieser zentra- danken um die Finanzierung. Ist ein neues ein Haus für Modernen Tanz, das mir per- le Ort aussehen und wer als Träger dafür Projekt wie das Trans*-Zentrum überhaupt sönlich sehr am Herzen liegt. Aber als verantwortlich sein soll. Momentan ist realistisch? → Thomas: Der Finanzhaushalt weiterer Baustein oder als Schlusspro- das Zentrum ja noch eine Vision. Nur ei- ist tatsächlich sehr eng gerade, diese Idee jekt meiner Politikerkarriere wäre ein nes ist klar: Es soll ein zentraler Ort für zum aktuellen Zeitpunkt finanzieren zu wol- Trans*-Zentrum ein schöner Erfolg! ● trans*, inter* und nicht-binäre Menschen len, würde sicher schwierig. Schon der oben Hinweis der Redaktion: Trans*-Zentrum gilt als vorläufiger sein, der einen Freiraum für Selbsthilfe erwähnte Prozess, der vielleicht 50.000 € Arbeitstitel, auf den sich die Akteur*innen weitgehend geei- und Empowerment bietet und der nach de- kosten könnte, schüttelt auch das Sozial- nigt haben. Welchen Namen das Projekt schlussendlich tragen wird, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht abzusehen. ren Wünschen gestaltet werden soll. referat nicht einfach aus dem Ärmel. Aber es braucht ja ohnehin noch Zeit und wir www.rosaliste.de PG: Was sind die ersten Schritte? → Tho- bleiben dran. Übrigens: Die städtisch fi- mas: Erste Voraussetzung dafür ist, dass nanzierten Projekte der LGBTI*-Communi- die Akzeptanz dieser Idee innerhalb der ty müssen sich keine Sorgen machen. Das,

26 PRIDEGUIDE 2021 ← GENDERQUEER pride Flag Ralf Kleber Country Manager Amazon Deutschland THEMA ↓ PROUD. INTER*. QUEER. INTER*VIEW MIT URSULA ROSEN 1. FRAGE ↓ Was ist Intersexualität bzw. Intergeschlechtlichkeit? ANTWORT ↓ Der Verein Intergeschlechtliche Menschen e.V. schreibt dazu: „Der Begriff Intergeschlechtlichkeit bezeichnet biologische Be- sonderheiten bei der Geschlechtsdifferenzierung. Intergeschlecht- liche Körper weisen deshalb Merkmale vom weiblichen und vom männlichen Geschlecht auf. Es handelt sich also um Menschen, de- ren geschlechtliches Erscheinungsbild von Geburt an, hinsichtlich der Chromosomen, der Keimdrüsen, der Hormonproduktion und der Körperform nicht nur männlich oder nur weiblich ausgeprägt ist, sondern scheinbar eine Mischung darstellt.“ → www.im-ev.de

STORY UND INTERVIEW VON SANDRA HÖSTERMANN-SCHÜTTLER Foto: von privat von Foto:

28 PRIDEGUIDE 2021 ← DEMISEXUAL pride Flag ↓ THEMA PROUD. INTER*. QUEER.

stellt sich auch erst lange nach der OP Daher darf die Aufklärung über Interge- heraus, dass es sich um ein inter*-Kind schlechtlichkeit kein Randthema mehr 2. handelt. Deshalb hatten wir bei den Dis- bleiben. FRAGE ↓ kussionen zu dem neuen Gesetz die Ein- Was macht der Verein Intergeschlechtli- führung eines Zentralregisters für OPs Ich kämpfe schon seit che Menschen e.V.? gefordert. Langem dafür, dass das Thema Inter* in Biologiebü- ANTWORT ↓ Ursula: Der Verein setzt sich seit mittler- chern aufgenommen wird, weile 17 Jahren in vielen Bereichen für 4. ebenso wie auch Trans- die Anerkennung intergeschlechtlicher FRAGE ↓ Menschen ein und bietet: Was sind die Themen, für die interge- identität und Homosexu- schlechtliche Menschen kämpfen? alität. Teilweise gibt es → Hilfe für verschiedenste Gruppen jedoch regelrechte Ab- intergeschlechtlicher Menschen und ANTWORT ↓ ihre Angehörigen Ursula: Die Gewährung von Rechten und lehnung von Schulbuch- → Peerberatung für Betroffene und hier geht es um Menschenrechte: inter* verlagen, sich der LBGTIQ*- Eltern; Beratung von Eltern erfolgt Menschen müssen in der Gesellschaft Thematik zu öffnen. immer im Tandem: Eltern gemeinsam endlich gesehen und akzeptiert werden! mit einem inter* Menschen Das fängt an bei der Nutzung von sanitä- → Fortbildungen für Bildungseinrich- ren Anlagen, bei Bewerbungsgesprächen, tungen, z.B. im Projekt „SCHLAU“ manche inter* Menschen erleben Dis- → Politische Arbeit, z.B. Beteili- kriminierung aufgrund ihres Aussehens, gung an der Ausgestaltung des neu- bei Arztbesuchen muss man sich stän- 5. en Gesetzes zum Schutz von interge- dig erklären, die Hormonersatztherapie FRAGE ↓ schlechtlichen Kindern ist noch nicht erforscht, es gibt Proble- Am 25. März 2021 verabschiedete der → Mitarbeit bei Projekten zur Verbes- me in der medizinischen Versorgung, z.B. Bundestag das Gesetz zum Schutz von serung der Gesundheitsversorgung wenn Keimdrüsen operativ entfernt wer- Kindern mit Varianten der Geschlechts- intergeschlechtlicher Menschen, die den, ohne den Betroffenen die Möglich- entwicklung. Was beinhaltet dieses neue vom Gesundheitsministerium finan- keit für eine vorhergehende Kryokonser- Gesetz und was bedeutet das für inter* ziert werden: „Empower DSD“, „InTra- vierung anzubieten. Inter* Menschen sind Menschen und ihre Angehörigen? Health“, „DSD Care“ an vielen Stellen einfach nicht gleichbe- → Infostände und Vorträge bei ver- rechtigt. Kliniken und Ärzt*innen müssen ANTWORT ↓ schiedensten Messen und Tagungen, mit Eltern sensibel umgehen und sollten Ursula: Das Gesetz besagt, dass Opera- z.B. Bildungsmesse didacta, Deut- nicht von Fehlbildungen oder Störungen tionen verboten sind, die medizinisch scher Schulleitungskongress, Ja-PED, sprechen. Intergeschlechtlichkeit darf nicht notwendig sind, die also nur durch- Kindergynäkologenkongress nicht als Sondersituation oder etwas Ne- geführt werden, um das Äußere zu korri- gatives dargestellt werden. Rund um die gieren. Hierzu zählen allerdings nur die Geburt eines Kindes ist man sehr sensi- medizinischen Indikationen aus der Ka- bel. Mütter intergeschlechtlicher Kinder tegorie „Variante der Geschlechtsent- bekommen immer noch das Gefühl ver- wicklung“. 3. mittelt, ein minderwertiges Kind gebo- Aber was heißt medizinische Notwen- FRAGE ↓ ren zu haben. digkeit? Ein Beispiel wäre, wenn innen- Gibt es verlässliche Zahlen, wie vie- Oft fehlt es an Informationsvermitt- liegende Hoden entarten können. Aber le intergeschlechtliche Menschen es in lung, damit die Betroffenen und ihre Fa- bei vielen Diagnosen gibt es nur ein ge- Deutschland gibt und wie viele Operatio- milien die Konsequenzen einer medi- ringes Entartungsrisiko und eine OP ist nen an intergeschlechtlichen Kindern in zinischen Behandlung vollumfänglich nicht notwendig; stattdessen könnte eine Deutschland durchgeführt werden? erfassen, insbesondere bei OPs. Die Me- solche Situation über regelmäßige MRTs dizin muss endlich die Notwendigkeit beobachtet werden. ANTWORT ↓ der ausführlichen Aufklärung für Eltern Erlaubt ist eine nicht medizinisch Ursula: Nein, die gibt es leider nicht, und Kinder einsehen. Ich erwarte, dass El- notwendige Operation, wenn eine Kom- weil viele inter* Menschen ja gar nicht tern und Kinder nicht nur kurz informiert mission dies befürwortet, in der zum erkannt werden. Manche Quellen schät- werden bevor zu einer OP geraten wird. Beispiel Ärzt*innen und Psycholog*in- zen, dass die Anzahl intergeschlechtli- Das gilt auch für die Wirkungen von hor- nen sitzen, allerdings niemand aus den cher Menschen bei 1:500 liegt, andere moneller Medikation. Alle Konsequen- Selbstvertretungsorganisationen. Wir gehen von 1:1000 oder 1:2000 aus. Auch zen müssen erstmal erforscht werden, z.B. hätten uns hier zusätzlich eine ver- bei den Operationen sind keine verläss- die Hormontherapie für inter* Menschen. pflichtende Peerberatung gewünscht. lichen Zahlen erhältlich, da z.B. OPs an Es gibt noch viel zu wenig Studien. Inter* Problematisch ist die Regelung, nicht der Klitoris oder am Penis nicht zu den Menschen sind vielfach medizinische medizinisch notwendige Operationen Operationen an intergeschlechtlichen Versuchskaninchen. durchzuführen aufgrund einer selbst- Kindern gezählt werden, wie z.B. meis- Und Schulen müssen ihren Auftrag se- bestimmten Entscheidung des Kindes. tens die „Hypospadie“-Operationen. Das hen, allen Kindern gerecht zu werden. Hier gibt es keine Altersgrenze, wann sind OPs, die durchgeführt werden, weil Aufklärung über Inter* muss verpflich- Kinder einwilligungsfähig sind. Da be- die Mündung der Harnröhre nicht an der tend in die Lehrpläne aufgenommen wer- steht natürlich die Gefahr, dass Eltern Spitze des Penis sitzt, sondern eher an der den. Die Schulgesetze der Länder sagen, und Ärzt*innen den Kindern eine Einwil- Unterseite, aber das müssen nicht notwen- dass es keine Diskriminierung geben ligungsfähigkeit bescheinigen, um eine digerweise inter*-Kinder sein, manchmal darf, basierend auf dem Grundgesetz. OP durchzusetzen. Kinder können beein-

PROGRESS pride Flag → 2021 PRIDEGUIDE 29 THEMA ↓ PROUD. INTER*. QUEER. flusst werden, nicht nur durch Eltern, sent, aber inter* Menschen werden oft als sondern auch durch ihre Peers. Unsere Trans* angesehen und inter* Kinder wer- Forderung nach Einführung eines Zentral- den wie trans* Kinder behandelt. registers wurde leider nicht umgesetzt. Klar gibt es die Gemeinsamkeit, dass Ein solches Zentralregister sollte die Do- beides Randgruppen sind, die diskrimi- kumentation über Operationen auch über niert werden. Beide Gruppen können ge- Jahrzehnte hinweg zugänglich machen meinsam kämpfen und sollten nicht ge- und anonymisiert dokumentieren, welche geneinander kämpfen. Aber es gibt auch medizinische Behandlungen vorgenom- Unterschiede. men wurden. Momentan verhindert eine Verjährungsfrist den Zugang. Erwachsene BEISPIEL inter* Menschen bekommen dadurch kei- → Wenn ein 5-jähriges trans* Kind sagt, es nen Zugriff auf ihre medizinischen Un- will seinen Penis abschneiden, dann sind terlagen, wenn sie von ihren Eltern keine alle entsetzt und es muss mehrere Jahre URSULA ROSEN ↓ Informationen bekommen, weil diese bei- gewartet werden, bis eine geschlechts- Geboren 11. März 1952 in Lingen/Ems ¶ Zwei- spielsweise nicht offen mit der Interge- angleichende Operation durchgeführt te Vorsitzende und Bildungsbeauftragte von Intergeschlechtliche Menschen e.V. ¶ Bis schlechtlichkeit ihrer Kinder umgehen. werden darf. Aber wenn ein 5-jähriges in- 2018 Oberstudienrätin für die Fächer: Biolo- ter* Kind basierend auf der Entscheidung gie, Erdkunde, Werte und Normen. ¶ Seit 2018 Das Gesetz ist also nicht der Eltern operiert wird, ist das ok? War- freiberufliche Referentin und Autorin von perfekt. Aber wir sind um werden diese Unterschiede gemacht? „Jill ist anders — Ein Kinderbuch zur Interge- Bei Operationen sollte man immer vor- schlechtlichkeit“, Fachaufsätzen und Unter- froh, dass dieser Schritt richtseinheiten. ¶ Momentan arbeitet sie mit sichtig sein und abwarten, egal ob Trans* ihrer Schwester an einem Buch mit dem Titel getan ist. Denn manch- oder Inter*. In sehr jungen Jahren sind die „Alles divers“, das Kopiervorlagen für Lehr- mal muss man erst klei- Konsequenzen, die z.B. die Entfernung von kräfte beinhaltet zu geschlechtlicher Vielfalt, Keimdrüsen mit sich bringt, sicherlich Geschlecht im Tierreich, Sprache, Familie ne Schritte gehen, um zum und kultureller Vielfalt ¶ Intergeschlechtliche noch nicht überschaubar. Menschen e.V. www.im-ev.de Ziel zu gelangen, das ha- — ben wir ja auch bei der WEITERES BEISPIEL Buchempfehlungen ↓ → Ein inter* Kind ist als Mädchen aufge- „Geschlecht divers“ von Melanie Groß und eingetragenen Partner- wachsen, identifiziert sich aber in der Kathrin Niedenthal (Hg.) im Buchhandel + „Jill ist anders“ ↓ von Ursula Rosen unter schaft gesehen, die nur Pubertät als Junge und vielleicht später www.kinderbuch-intersexualitaet.de und ein Vorläufer war für die als divers. Das wird akzeptiert. Bei trans* im Buchhandel Menschen wird das gleich als Schei- Ehe für alle. tern angesehen oder negativ dargestellt, Stichwort „De-Trans“! Die Identität muss sich erst entwickeln und kann sich na- türlich auch verändern. Es muss akzep- tiert werden, dass Kinder ihre sozialen 6. Rollen ausprobieren und auch mal zwi- FRAGE ↓ schen Mädchen und Junge wechseln. Der Welche Gemeinsamkeiten gibt es zwi- Eintrag „divers“ wird vielfach von Akti- schen transidenten und intergeschlecht- vist*innen genutzt, viele Intermenschen Inter*-Beratung immer dann, wenn es sich lichen Menschen und wo liegen die Un- bevorzugen aber weiterhin „männlich“ möglicherweise um einen trans* Men- terschiede? oder „weiblich“, weil sie sich so verorten schen handelt, auf passende Trans*-Or- oder auch um Diskriminierung zu vermei- ganisationen verweisen. Kompetenz soll- ANTWORT ↓ den. Wozu brauchen wir eigentlich den te vorhanden sein oder über Vernetzung Ursula: Intergeschlechtlichkeit ist eine Geschlechtseintrag bei Kindern? Warum funktionieren. Ich wünsche mir noch körperliche Besonderheit. Inter* Kin- können wir ihn nicht einfach offenlassen viel mehr Vernetzung und Kommunikati- der unterscheiden sich von Jungen oder und abwarten, wie sich das Kind irgend- on zwischen den verschiedenen Gruppen. Mädchen aufgrund ihrer Hormone und/ wann selbst definiert? Es sollte nicht gegeneinander gearbei- oder ihrer Geschlechtsmerkmale und tet oder Verteilungskämpfe ausgetragen haben von Geburt an eine Besonderheit werden. Wir müssen mehr nach den Ge- des Körpers. Identität ist ein anderes meinsamkeiten schauen und nicht nach Thema, manche inter* Menschen sagen den Unterschieden. „ich bin eine Frau und habe einen inter- 7. geschlechtlichen Körper“ oder „ich bin FRAGE ↓ Alle Gruppen werden dis- divers“, manche beschreiben sich selbst Was kann die LGBTIQ*-Community ma- kriminiert und sollten ge- heute noch als „Zwitter“. Auch inter* chen, um inter* Menschen zu unterstützen? meinsam kämpfen. Auf dem Menschen haben ein eindeutiges Ge- schlecht, nämlich das Geschlecht „Inter“. ANTWORT ↓ CSD zeigen wir uns gemein- Bei trans* Menschen ist der Körper ein- Überall da, wo I* draufsteht, sollte auch sam und es wird klar: Das deutig zuzuordnen, sie sind biologisch I* drin sein. Meine Erwartung ist: wenn gesehen also eindeutig Frau oder Mann. eine Beratungsstelle auch Inter*-Be- gesamte Regenbogenspek- Ihre Psyche sagt aber etwas anderes. ratung macht, sollte auch auf die In- trum ist ein groSSer Teil Trans* und Inter* wird leider häufig ter*-Organisationen und ihre Exper- der Gesellschaft! ● vermischt. Trans* ist mittlerweile in der tise verwiesen werden und nicht auf Gesellschaft und auch in Schulen prä- Trans*-Organisationen. Umgekehrt sollte

30 PRIDEGUIDE 2021 ← LEATHER pride Flag Proud. Human. Queer.

Die Pride Alliance, unsere LGBTIQ+ Mitarbeiter*innen- Organisation, setzt sich für Vielfalt und Individualität ein. Gilead ermutigt und bestärkt alle Mitarbeiter*innen, ihre Persönlichkeit authentisch zu entfalten. Lebe dein Leben genauso, wie du es möchtest, denn: Gemeinsam haben wir #nochvielvor.

Gilead Sciences GmbH Fraunhoferstraße 17 82152 Martinsried Tel.: +49 (0) 89 899 8900 HR München HRB 119375 Geschäftsführung: Dr. Bettina Bauer, Brett Pletcher, Andrew Dickinson

© 2021 Gilead Sciences, Inc. DE-UNB-0079 THEMA ↓ PROUD. TRANS*. QUEER. I AM AN OLDSCHOOL PERSON

This is a very personal conversation. Meet Hanaa, she’s a trans* woman, refugee from Tanzania and one amazing role model. This interview was conducted by Raphael Joram Makame, a Human rights activist, OPCA who is also from Tanzania.

taken to jail and I really had bad moments come a strong person in jail, you learn not INTERVIEW BY RAPHAEL JORAM MAKAME, SPECIAL THANKS TO ANITA KOZIOL there. This is why I left my country. to give up. And then it started that Makon- da asked people to provide the names of Dieses Interview wurde in Englisch geführt Raphael: How did it happen that you were LGBTI* people in order to arrest and im- und wird hier in Englisch publiziert, um die taken to jail? → Hanaa: It was not the first prison them. And then I was taken to jail Aussagen möglichst authentisch wiederzu- time that I was taken to jail. First time I for a third time. We were many, we were geben und die Inhalte einer internationalen was very young, 13 years old. My Dad took hundreds. Leser*innenschaft leichter zugänglich zu me to jail because of my identity, he want- machen. Eine Übersetzung ins Deutsche fin- ed me to be punished. My father bribed Raphael: How did you manage to flee? → det ihr auf www.csdmuenchen.de the policemen to treat me in a way that I Hanaa: I was really devastated, I was de- should change in order to become a man. pressed, I just wanted to die, I thought Interview But nothing can change that I feel like a that was it. But then it was a boyfriend woman inside of me, I was just born in a who helped me out. He supported me with Raphael Joram Makame: Why did you flee different body. So I told my Dad, whatever everything, found a lawyer, paid all the from Tanzania? → Hanaa: Some years ago you do, I will never change, because this bills and arranged the travel to . the situation of LGBTI* people in Tanza- is my identity. I was prisoned for a week. I did not know that I was going to Germa- nia has become extremely difficult. We Then I left my Dad’s place and I was stay- ny. I came to find out when I was just land- did not have many problems before. We ing with my aunt. I started going out wear- ing. Somebody told me, this is where you were open, went out and had fun. When ing dresses and my father found out again. will be accepted. Because over here peo- the regional commissioner Paul Makonda So I was taken to the jail for a second ple like you are not supressed. came to power, he started a war against time. After a while they took me out be- queer people. In 2018 he set up an anti-gay cause they couldn’t lock me up for a long Raphael: Were you in a relationship with surveillance force in order to take queer time when they don’t have a legal reason. this man? → Hanaa: I was dating this guy. people to jail. I was one of those who were It was a really bad experience but you be- I met him where I was working at a hotel. He was married. We were in a relationship for a while. One bad thing is that Tanza-

nia is a small country and people know Fotos: Frank Zuber

32 PRIDEGUIDE 2021 ← ISRAELI LGBTIQ* pride Flag ↓ THEMA PROUD. TRANS*. QUEER. each other. It happened that his wife found out about us and told my Dad. So I was taken BRIEFING TANsANIA to jail and we had to cut ties. In the end he had to be with his family and couldn’t be with me. But he helped me with everything. So I am really thankful to him that he helped me to Hauptstadt ↓ flee from my country and come over here. Dodoma — grösste stadt ↓ Raphael: What was your situation when coming to Germany? → Hanaa: When I came here, Dar es Salaam the situation was very bad. I was taken to a camp in Fürstenfeldbruck where there are — thousands of asylum seekers. In the camp people do not understand what a trans woman OffiZIELLE SPRACHEN ↓ English and Swahili is. They do understand what gay or lesbian is but they do not understand what trans is. So — it was very difficult for me to be open at first and I kept it secret. I was in the closet and NATIONALSPRACHE ↓ I wouldn’t show who am I. I was accommodated in the area for men. There were seven men Swahili in one room. So I went to the authorities and complained. I told them, I am not gay, I am a — ReligionEN ↓ woman. If I was gay, it would be OK for me to sleep with men in one room but I am a wom- 63,1% Christentum an and you can’t have me share the place with men. Transfer me, maybe to the women area 34,1% Islam or give me an own room. So I lastly got my own room. But I was threatened, my clothes 1,8% Traditionelle Religionen were torn. I received a letter saying that all homosexuals should be killed. As I was re- 1,0% Andere — ally in fear, I started crying and then sent a message to my lawyer that I don’t dare to go Bevölkerung ↓ out of my room. The came to take me to the police station and they said, she has 56,313,438 2018 to move from that place because it is not safe for her to live in Fürstenfeldbruck. This is Schätzung von 2018 Quelle: en.wikipedia.org when I was moved to Munich to a nice camp. Finally I got my documents and was accept- ed as a refugee. Now I live in my own apartment. Some people do not understand that I do LGBTIQ* IN TANsANIA not try to interact with them. Sexuelle Handlungen zwischen Männern sind in Tansa- I avoid contacts but if they ask me nia illegal und können mit bis zu einer lebenslänglichen Strafe belegt werden. Sex zwischen Frauen werden in a question like what is trans*, I do explain to them that der dortigen Rechtssprechung nicht ausdrücklich er- wähnt. Der halbautonome Teilstaat Zanzibar bestraft gleichgeschlechtlichen Sex zwischen Frauen mit einer the situation of trans* is really hard everywhere. Höchststrafe von fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe von 500,000 Shilling = ca. 1.800 Euro. Oral- oder Analver- Raphael: What do you like in Germany? → Hanaa: What I like most here is that many people kehr zwischen heterosexuellen Menschen ist illegal. are open. They are really lovable and they do support you. You don’t feel like you are an outsider. Also there are many organizations for LGBTI*. So I feel really blessed to be in LeTRa and in Sub. I go there, I enjoy myself and can be open. There are so many places in Munich where you can go and enjoy your time and the shopping malls are very nice.

Raphael: How do you feel right now with your transition from man to woman? → Hanaa: I re- ally do enjoy my live but at the moment I am sad because I am not yet who I am. I feel like a woman inside of me but I am in the wrong body. So I am 50/50, I am happy and sad at the same time. I’ll be happy in the morning, I’ll be sad in the evening asking myself, why was I born like this, why am I different. I started my transitioning recently. I am a diabetic person so I had to take medicine of diabetics first and then start with hormones. Now I am happy when I realize how my body is changing. My hormone therapy is going really well.

Raphael: Which kind of work would you like to do in the future → Hanaa: I was working at a hotel in my country, in the front office department. Here I am studying German and I take computer classes. I can imagine to work as a nurse later on, I want to try out new things, I want to study IT as well. There are so many opportunities I am getting. I am still thinking of it.

Raphael: What are your personal likes and dislikes? → Hanaa: I love eating, I am a fooda- holic. And I love travelling and watching films. I am a big fan of the Netflix series Pose. There is a lot of drama in it but it is a happy trans* story too. Angel is my favourite, when I see her, I see myself. What I dislike are people that are judgmental and don’t under- stand you. We all came to this world as one, we should love one another, we should be kind to each other. Life is beautiful, life is too short. So you should just have fun, make friends and enjoy life.

Raphael: How about love? → Hanaa: When it comes to love, I am really bad. I don’t believe in love very much. I believe in loving yourself first and then loving someone else. Right now my motto is loving myself and I don’t intend to fall in love with someone now. So I DANKESCHÖN UND PRIDE-HUGS love myself, I love the way that I am. interview location ↓ Raphael: Are you in touch with your family? → Hanaa: Not really, no. I miss them sometimes Das Gespräch wurde im neuen lesbisch-queeren Zentrum LeZ in but in the end, when you are born, you are born alone. Your family has risen you but it der Müllerstraße geführt. Danke doesn’t mean you should be with them all your live. You have to move out and just go für eure Gastfreundschaft. Infos: alone, just be yourself. That’s your adventure, that’s your life. ● www.lez-muenchen.de

PROGRESS pride Flag → 2021 PRIDEGUIDE 33 Oberbürgermeister

Wir machen uns stark!

Für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*, inter* und queere Menschen

Als Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LGBTIQ* ist es unser Ziel, die LGBTIQ*-Community in München zu stärken und Benachteiligungen abzubauen. Wir machen uns stark. Für LGBTIQ*.

Mehr Informationen unter: muenchen.de/lgbti #lgbtifreedomzone ↓ Fotos: Frank Zuber

PROGRESS pride Flag → 2021 PRIDEGUIDE 35 #lgbtifreedomzone ↓

politische Regime an die Macht kam, wurden einige restrikti- ve Gesetze eingeführt, darunter die Aufhebung der Rechte für EUROPE trans- und intersexuelle Menschen, die Aufhebung des Rechts auf Kinderadoption für Alleinstehende (was die einzige Mög- Ein Blick nach Osten lichkeit für LGBTQ-Menschen darstellte, Kinder zu adoptie- ren), die Deklaration in der Verfassung, dass "die Mutter eine BERND MÜLLER Frau und der Vater ein Mann ist". Außerdem gab es in den letzten 2019 erklärten sich zahlreiche polnische Gemeinden, Provinzen zwei bis drei Jahren einen zunehmend feindseligen politischen und Regionen zu „LGBT-ideologiefreien Zonen“ – befeuert durch Diskurs, der sich gegen LGBTQ-Menschen richtete; Regierungs- Prominente wie Ex-Ministerpräsident Kaczyński, der die Rechte politiker haben Hass geschürt, indem sie LGBTQ-Menschen mit der LGBTIQ* als einen „Import, der Polen bedrohe“ bezeichnete Pädophilen verglichen. Was die soziale Situation betrifft, so oder den Krakauer Erzbischof Jedraszéwski, der von einer „Regen- macht es uns die Covid-19-Pandemie natürlich sehr schwer, un- bogenseuche“ sprach. Juristisch haltbar sind diese Zonen nicht, sere Gemeinschaft zusammenzuhalten, daher müssen wir neue aber ein heftiges Symbol der Ausgrenzung und ein Schlag ins Ge- Wege für die soziale Kontaktaufnahme erkunden. sicht der polnischen Community. Aus Protest erklärte das Europä- ische Parlament im März 2021 die gesamte EU zur „LGBTIQ-Frei- PG: Wo siehst du die größten Herausforderungen für die kom- heitszone”. Nicht zuletzt aufgrund der Kürzung von EU-Geldern menden Jahre? → Mária: Unsere wichtigsten Ziele sind, Gesetze haben einige polnische Gemeinden diese Kennzeichnung inzwi- durchzusetzen, die uns eine gleichberechtigte Behandlung als schen wieder zurückgenommen. Bürger*innen sichern und gegen die überwältigende homo- und trans*phobe Propaganda anzukämpfen. Beides sind große Her- Ungarn ausforderungen für unsere Gemeinschaft, und es hängt viel vom Seite 36 Ausgang der nationalen Wahlen im nächsten Jahr ab. Serbien Seite 37 PG: Was sind deiner Meinung nach die größten Erfolge der letzten Kroatien Jahre? → Mária: LGBTQ-Themen sind Teil des öffentlichen Dis- Seite 38 kurses geworden, und trotz der homophoben Propaganda der Slowenien Regierung akzeptieren uns immer mehr Menschen. Es gibt mehr Seite 40 Möglichkeiten und Programme für LGBTQ-Menschen. Das Er- Polen starken des Hasses gegen unsere Gemeinschaft hat auch zu ei- Seite 40 nem Erstarken der Zusammenarbeit von LGBTQ- und Menschen- rechtsorganisationen geführt. Auch der Pride wächst und bietet immer mehr Programmpunkte und das Pride Festival UNGARN wurde auf einen ganzen Monat ausgedehnt. PG: Was hat es mit dem Buch auf sich, das ihr auf den Fotos zeigt? Mit einem Märchenbuch → Mária: Ein riesiger Erfolg für Labrisz war die Veröffentli- chung der Märchensammlung „Meseország mindenkié“ (deutsch: gegen Unterdrückung „Märchenland für alle“) für Kinder im Jahr 2020. Das Buch ent- hält eine Sammlung klassischer Märchen, die mit LGBTQ-Cha- Anita Koziol rakteren und Figuren aus anderen marginalisierten Gruppen Labrisz über sich: Die Lesbenvereinigung Labrisz (deutsch „Dop- neu interpretiert wurden. Es löste einen enormen Skandal aus, pelaxt“) wurde 1999 gegründet und war 20 Jahre lang die einzige wurde aber auch ein Bestseller und ein Symbol des Protests ge- Organisation für lesbische, bisexuelle und trans* Frauen in Un- gen unterdrückende, ausgrenzende Politik und machte Labrisz garn. Unsere Ziele sind Gemeinschaftsbildung und Stärkung der sichtbarer denn je zuvor. Auch viele internationale Medien ha- Selbstakzeptanz und Sichtbarkeit von lesbischen, bisexuellen ben über diesen Fall berichtet. und trans* Frauen. Zu unseren Aktivitäten gehören die Organisa- tion von Veranstaltungen, die Veröffentlichung von Büchern, die PG: Wie können sich die ungarische und die deutsche queere Com- Erstellung von Filmen, der Aufbau eines Herstory-Archivs und munity gegenseitig unterstützen? → Mária: Wir könnten von eu- die Durchführung eines Bildungsprogramms für weiterführen- rer praktischen Erfahrung bei der Organisation von Program- de Schulen. men und dem Kampf für unsere Rechte profitieren. Sicherlich wäre es auch für beide Seiten eine bereichernde Erfahrung, die Interview

Mit Mária Kristófy, von Beruf klassische Sängerin, Mitglied und ehrenamtliche Mitarbeiterin von Labrisz seit 16 Jahren.

PrideGuide: Wie beurteilst du die aktuelle politische und sozia- le Situation von queeren Menschen in Ungarn? → Mária: Im Jahr 2009 führte Ungarn die eingetragene Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare ein. Seit 2010, als das derzeitige

36 PRIDEGUIDE 2021 ← EUROPEAN UNION Flag Pride-Veranstaltungen des jeweils anderen zu besuchen, wenn es wieder möglich wird zu reisen. Außerdem veranstalten wir unser jährliches lesbisches Kulturfestival namens LIFT. Ihr seid herzlich eingeladen, es zu besuchen!

PG: Arbeitet ihr mit Vereinigungen in anderen osteuropäischen Staaten zusammen? → Mária: Unser Dachverband, die Hungarian LGBT Alliance, ist Mitglied der ILGA, und Labrisz ist Vorstands- mitglied der EuroCentralAsian Lesbian* Community (EL*C). Wir stehen in Verbindung mit mehreren lesbischen Organisatio- nen aus dem postsowjetischen Mittelosteuropa. Die slowenische Gruppe Lesbian Feminist University und die serbische Labris As- sociation kommen oft zu uns und bieten Veranstaltungen beim LIFT Festival an.

PG: Was ist dein Wunsch für die Zukunft? → Mária: Gleiche Rechte für queere Menschen in Ungarn, Gleichstellung der Geschlech- ter, freie Bildung und ein demokratisches, freies und lebens- wertes Ungarn. ●

Homepage → www.labrisz.hu

Serbien Ljubav menja svet — Liebe verändert die Welt

Anita Koziol Belgrade ist eine Organisation, die sich für die Menschenrechte der LGBTIQ*-Gemeinschaft in Serbien einsetzt. Hauptaktivitäten sind die Veranstaltung der "Pride Week" und des "Belgrade Pride", sowie andere Aktivitäten, die zum Wachs- tum der Community beitragen.

Interview

Mit Goran Miletić, Menschenrechtsanwalt und Mitglied des Or- ganisationskomitees von Belgrade Pride

PrideGuide: Wie beurteilst du die aktuelle politische und soziale Situation von queeren Menschen in Serbien? → Goran Miletić: Sie ist immer noch nicht gut, da die Verbesserung der Menschen- rechte der LGBT-Community weder für die Regierungs- noch für die Oppositionsparteien Priorität hat. Alle politischen Grup- pen, aber auch andere wichtige Interessensvertreter vermei- den eher die Unterstützung der Community. Folglich beschränkt sich ihre (oft nicht ehrlich gemeinte) Unterstützung auf Fälle von Gewalt oder wenn Journalist*innen nachdrücklich von ih- nen Stellungnahmen einfordern.

PG: Wo siehst du die größten Herausforderungen für die kom- menden Jahre? → Goran: Mit Blick auf die aktuelle politische Bereitschaft zur Verabschiedung des Gesetzes über die gleich- geschlechtliche eingetragene Partnerschaft muss unser Fokus darauf liegen, mehr Sichtbarkeit der LGBT-Community vor al- lem durch den Belgrade Pride zu erreichen. Obwohl die Situa- tion besser ist als vor Jahrzehnten und sich viele Menschen in #lgbtifreedomzone ↓

größeren Städten gegenüber Familie und Freunden outen, haben PG: Was ist dein Wunsch für die Zukunft? → Goran: Im Moment ist wir keinen großen Anstieg der Teilnehmer am Belgrade Pride. mein größter Wunsch, dass wir im Mai wie geplant ein Gesetz zu Das liegt vor allem daran, dass die Menschen immer noch Angst gleichgeschlechtlichen Partnerschaften verabschiedet bekom- vor negativen Konsequenzen haben, wenn der Pride-Tag vorbei ist. men. Danach ist mein größter Wunsch, einen tollen Neben der Sichtbarkeit ist die Bekämpfung von Gewalt und Diskri- 2022 mit vielen Gästen aus verschiedenen europäischen Ländern minierung unser wichtigstes Ziel für die kommenden Jahre. zu haben. Das wäre extrem hilfreich für die queere Communi- ty in Serbien und würde noch mehr Druck auf unsere Regierung PG: Was sind deiner Meinung nach die größten Erfolge der letzten ausüben, die Menschenrechtsstandards für die LGBT-Community Jahre? → Goran: Die Tatsache, dass wir mittlerweile eine friedli- zu verbessern. ● che Belgrader Pride Woche und Pride Parade haben, ein gut funk- tionierendes und sichtbares Pride Informationszentrum in einer Homepage → www.parada.rs Hauptstraße in Belgrad (ohne große Vorfälle), Gerichtsurteile gegen Hassreden und Hassverbrechen, viele Veranstaltungen für die LGBT-Community während des Jahres und die Möglichkeit, Vorfälle zu melden. Zudem wird Belgrad der Organisator der KROATIEN EuroPride 2022 sein und das ist ein riesiger Erfolg für uns. Nije me mater rodila da PG: Wie hat sich der Belgrade Pride in den vergangenen Jahren ent- wickelt? → Goran: Wir hatten eine ziemlich gewalttätige Pri- mučin — Mutter hat mich de Parade im Jahr 2001 und vier Veranstaltungsverbote (2009, 2011, 2012 und 2013). Im Jahr 2010 fand der Pride statt, aber nicht zur Welt gebracht, 6.000 Hooligans griffen 6.000 Polizisten an, die uns beschützen sollten. Seit 2014 ist der Pride friedlich, wir haben regelmäßi- damit ich schweige. ge Märsche der LGBT-Community und die Anzahl der Veranstal- tungen während der Pride Week nimmt jedes Jahr zu. Der Fokus Anita Koziol liegt nicht mehr auf der Sicherheit, sondern auf den Inhalten über ihre Organisation: Unsere Hauptaufgabe be- und Teilnehmer*innen. steht darin, die Pride Parade in Split zu organisieren. Außerdem produzieren wir Videos und Fanzine und veranstalten gesell- PG: Arbeitet ihr mit Vereinigungen in anderen osteuropäischen schaftliche und kulturelle Events. Mein Name ist Nikolina Ba- Staaten zusammen? → Goran: Vom ersten Tag des Belgrade Pride nić und ich bin zusammen mit Mirta Barić die Koordinatorin der an war es unser Ziel, mit Gleichgesinnten in verschiedenen Regi- Organisation Split Pride Parade. onen zusammenzuarbeiten, und wir sehen den EuroPride 2022 als eine überregionale Veranstaltung. Schon jetzt nehmen viele Ak- Interview tivist*innen aus anderen Balkanländern jedes Jahr am Belgrade Pride teil, was sehr wichtig ist. Wir tauschen Ideen und Erfahrun- Mit Nikolina Banić. gen aus und unterstützen uns gegenseitig. Ich bin sehr glücklich über die intensive Solidarität und Koordination zwischen uns. PrideGuide: Wie beurteilst du die aktuelle politische und sozia- Wir haben sogar die Idee eines Balkan Pride ins Spiel gebracht. le Situation von queeren Menschen in Kroatien? → Nikolina Ba- nić: Als Mitglied der Europäischen Union musste Kroatien seine Rechtsprechung an EU-Standards anpassen. Infolgedessen wur- de für die LGBTI-Bevölkerung ein relativ zufriedenstellender rechtlicher Rahmen geschaffen. Dies erscheint jedoch als Fake, da die Änderung der Gesetzgebung keine Änderung der Einstel- lungen nach sich gezogen hat. Die Bevölkerung verhält sich noch immer verurteilend gegenüber LGBTI-Menschen, oft auch ag- gressiv. Viele Gewalttaten gegen LGBTI-Personen werden aus Angst vor Stigmatisierung nicht angezeigt, sodass die bestehen- den rechtlichen Rahmenbedingungen keine Anwendung finden. Wir haben also die absurde Situation, dass das derzeit gelten- de Gesetz mindestens 50 Jahre weiter fortgeschritten ist als die Mentalität der Menschen. Immer wieder tritt eine Bürgeriniti- ative mit dem Ziel in Erscheinung, die Rechte der LGBTI-Bevöl- kerung abzuschaffen. 2014 gelang es der klerikal-konservativen Initiative „Im Namen der Familie“ nach einer umfangreichen und teuren Kampagne, die Verfassung der Republik Kroatien per Referendum zu ändern, indem ein Artikel eingeführt wurde, dass die Ehe ausschließlich eine Vereinigung von Mann und Frau ist. Unsere Gesellschaft ist recht konservativ und klerikal geprägt und dies ist in allen Aspekten des Lebens von LGBTI-Personen zu spüren, vom Familienleben und der Sozialisierung, über die Bil-

38 PRIDEGUIDE 2021 ← EUROPEAN UNION Flag LIVE DABEI UND DAS HAUTNAH.

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Aloft München Bayerstrasse 37 80335 München aloftmunichhotel.com • facebook.com/aloftmunich • @aloftmunich

Der offene Dialog mit Siemens-Kolleg:innen und der verständnisvolle Umgang von Führungskräften mit meiner Transition hat meinen Arbeitsalltag nachhaltig erleichtert. Einfach Ich selbst sein zu können bedeutet für mich, Energie, Engagement, Kreativität und erfolgreiche Zusammenarbeit in gelebter Vielfalt.

Mein Wunsch für die Zukunft für Menschen in einer Transition: Die Systemgrenzen von HR- und IT-Tools sollten dringend synchronisiert und durchgängiger werden.

Elfira Blumenthal Find us at Siemens Frankfurt siemenspride siemens.com/diversity #lgbtifreedomzone ↓ QUEEN SALOMÉ Eine couragierte Pionierin schon in Ex-Jugoslawien

„Ich bin Salomé aus Kroatien und ich dung, bis hin zur Finanzierung unserer Arbeit aus öffentlichen lebe in Slowenien, im Mitteln. schönen Ljubljana. Ich bin die erste Trans- PG: Wo siehst du die größten Herausforderungen für die kom- menden Jahre? → Nikolina: Angesichts der Pandemie besteht die gender Aktivistin, größte Herausforderung darin, unsere Organisation sichtbar zu Drag, Malerin, Schau- machen und eine alternative Vorgehensweise zu finden, falls die spielerin, Sängerin Pride Parade nicht abgehalten werden kann. und Medienpersön-

PG: Was sind deiner Meinung nach die größten Erfolge der letzten lichkeit aus Ex-Jugo- Jahre? → Nikolina: Die Split Pride Parade findet seit 2011 statt. slawien, die in den Das Überleben der Parade stand oft auf der Kippe, weil sie zu 80er Jahren ihr Co- wenig organisatorische und finanzielle Unterstützung fand und zu wenige Menschen teilnahmen. Das war in Split einfach nicht ming Out hatte.“ cool. Mirta und ich waren oft kurz davor aufzugeben. Im Jahr 2018 und insbesondere im Jahr 2019 haben wir jedoch eine Ände- rung wahrgenommen. Immer mehr Leute kamen zur Pride Para- gefragt nach „Verbot homosexueller Propaganda“ (nach dem de und viele lokale Verbände halfen uns bei der Organisation. In in Russland geltenden Gesetz), gab er zu, dass er erwägen wür- Split entwickelt sich eine alternative Szene, die wirklich möch- de, ein ähnliches Gesetz zu unterschreiben. Der heutige Bil- te, dass der Pride stattfindet und uns unterstützt. Wir sind auch dungsminister Przemysław Czarnek appelliert, nicht mehr von stolz auf das eigene Videoformat „Pride TV“, das wir gelauncht LGBT-Personen zu sprechen, da „diese Leute den normalen Men- haben und über den Youtube Kanal von LGBT Centar Split ausspie- schen nicht gleich sind“. Im April dieses Jahres legte auf Twit- len. Die Episoden von Pride TV behandeln politische Themen und ter eine Verfassungsrichterin, Krystyna Pawłowicz, die Daten das Leben der queeren Community in satirischer Weise. eines 10-jährigen transidenten Kindes offen, wobei sie die Ent- scheidung des Lehrerkollegiums der Schule des Kindes kriti- PG: Wie ist die Organisation des Split Pride aufgestellt? → Nikolina: sierte, wo das Kind mit seinem gewählten Namen angesprochen Der Split Pride ist eine kleine Organisation, die aus uns zwei wird und nicht mit dem Namen, der seinen Dokumenten zu ent- Koordinatorinnen und fünf oder sechs Freiwilligen besteht. Wir nehmen ist. Ein polnischer Abgeordneter des Europaparlaments, arbeiten im Raum des LGBT-Zentrums Split. Dort sind wir und der Verein Queeranarcive sowie Queer Sport Split tätig. Diese drei Verbände bilden zusammen die Plattform des LGBT-Zent- rums. Wir organisieren auch Spieleabende, Filmvorführungen, psychologische Beratung, Selbsthilfegruppen, verschiedene Workshops und Ausstellungen.

PG: Arbeitet ihr mit Vereinigungen in anderen osteuropäischen Staaten zusammen? → Nikolina: Split Pride ist gemeinsam mit dem LGBT-Zentrum Mitglied des regionalen Netzwerks der ERA: Equal Rights Association für den westlichen Balkan und die Türkei.

PG: Was ist dein Wunsch für die Zukunft? → Nikolina: Mein einzi- ger Wunsch ist die Gleichheit aller Menschen. Sowohl auf dem Papier als auch im Leben. ●

POLEN LGBT-freie Zonen mitten in der EU

Mariusz Kurc Mariusz Kurc ist der Chefredakteur von „Replika“, des einzigen Veranstaltungstipp zum thema LGBT-Magazins Polens. „Replika“ wird seit 2005 veröffentlicht. Do, 8. Juli 2021 • 19:30 Uhr • Sub, Müllerstr. 14 — Da „diese Leute den normalen Menschen nicht gleich sind“ LGBTIQ*-freie Zonen in Polen Im Juni 2020 sagte unser Präsident Andrzej Duda während ei- Podiumsgespräch zur Situation queerer Menschen in Polen ner Wahlkundgebung: „LGBT sind keine Menschen“; einige Wo- u.a. mit Mariusz Kurc ↑ siehe Foto, Chefredakteur von Replika, chen später wurde er für eine zweite Amtszeit gewählt. Früher, dem einzigen LGBTIQ*-Magazin Polens. Mehr Infos zu der Veranstaltung und den aktuellen Covid19-Auflagen auf 40 PRIDEGUIDE 2021 ← EUROPEAN UNION Flag www.csdmuenchen.de #lgbtifreedomzone ↓ PROUD. EUROPEAN. QUEER.

Joachim Brudziński, schrieb: „Polen ist ohne LGBT am schönsten“. Der Krakauer Erzbischof, Marek Jędraszewski, bedauert die sich ausbreitende „Regenbogenseuche“ und das gesamte Episkopat Polens suggeriert in seinen offizi- ellen Dokumenten, dass homosexuelle Menschen behandelt werden sollten. 2019 begann in Polen die Entstehung der KOMM’ „LGBT-freien Zonen“ – Gemeinde nach Gemeinde nahmen Beschlüsse an, die die Gemeinden zu „LGBT-freien Zonen“ erklärten. In einigen Monaten umfassten die „LGBT-freien MIT UNS Zonen” etwa 1/3 Polens – ein Gebiet, wo vor 80 Jahren der Holocaust stattgefunden hatte und Stadt nach Stadt zu ei- ner „judenfreien Zone“ erklärt worden war. Die EU zögerte AUF mit einer Reaktion. TOUR! Ihr könnt auch prü- fen, ob eure Stadt eine Partnerstadt einer der polnischen Städte ist, die zur ‚LGBT-freien WWW.GOC-DAV.DE Zone‘ erklärt wurde und wenn ja, eure lokalen Behörden zum SEIT 1986 Abbruch der Zusam- menarbeit drängen.

Die Regierung unternimmt nichts dagegen Erst in den letzten Monaten begannen einige Stimmen aus der EU einzufließen, die die „Zonen“ verurteilten und nun entstehen tatsächlich keine weiteren „Zonen“ und einige der bereits entstandenen rückten sogar davon ab. In eini- gen Fällen sagten die Partnergemeinden (z.B. aus Frank- reich oder Norwegen) der polnischen Gemeinden, die sich zu „… Zonen“ erklärten, ihre Partnerschaft ab. Eine der rechten Tageszeitungen druckte für die Leser*innen ei- nen speziellen Aufkleber aus, auf dem „LBGT-freie Zone“ stand. Ich habe einen jungen Bekannten, der Angst hat, sich vor seinen Eltern zu outen – sein Vater klebte einen sol- chen Aufkleber an ihre Wohnungstür. Auf den polnischen Straßen fahren dazu noch Vans mit Lautsprechern, aus de- nen lügenhafter, schädlicher Blödsinn herausströmt – u.a. dass die LGBT-Menschen 4-jährigen Kindern Masturbati- on beibringen oder diese zu „Geschlechtswechsel“ überre- den wollen. Diese Vans werden von der Polizei beschützt. Eine Aktivistin, die einen der Vans zu stoppen versuchte, Margot Szutowicz, wurde verhaftet und verbrachte drei Wo- chen im Gefängnis. An dem Tag der Verhaftung (7. August 2020), während einer Razzia auf eine LGBT-Demonstration, wurden noch einige Dutzende anderer LGBT-Aktivist*innen verhaftet, darunter Daniel Oklesiński, ein Journalist von „Replika“ – des LGBT-Magazins, dessen Chefredakteur ich bin. Daniel verbrachte 24 Stunden in Haft. Erst nach sechs Stunden, mitten in der Nacht, wurde ihm ein Gespräch mit einem Anwalt ermöglicht. Ihm wurde Rowdytum (grundlos) vorgeworfen – seither schweigt die Staatsanwaltschaft.

PROGRESS pride Flag → 2021 PRIDEGUIDE 41 #LgBtifreedomZone ↓

Homo- und Transphobie in Polen sind also auf einem vorher un- Religionsunterricht werden oft grob homophobe Inhalte einge- bekannten Niveau und die Regierung unternimmt nichts dage- schmuggelt – vor Kurzem berichteten polnische Medien über ei- gen – ganz im Gegenteil, sie unterstützt diese aktiv, wobei sie nen Priester, der in einem Religionsunterricht lehrte, dass alle eigentlich die Quelle dieser Zunahme ist. Menschen heterosexuell geboren werden und Homosexuelle mit Elektroschocks zu behandeln sind. Seit zwei Jahren wächst die Anzahl unserer Leser*innen Zugleich aber emanzipiert sich die polnische LGBT-Gemein- Publik machen schaft abrupt. 2017 hatten wir in Polen sieben Pride-Paraden, Was ihr, die Leser*innen des CSD München PrideGuides, tun 2018 fünfzehn und 2019 einunddreißig; dann kam die Pande- könnt? Die „LGBT-freien Zonen” wurden für die polnischen Be- mie. Die Jungen outen sich immer häufiger und fordern laut die hörden erst dann unbequem, als LGBT-Aktivisten, u.a. Bart Stas- Gleichberechtigung ein. Diese Entwicklung bemerke ich auch zewski und Kuba Gawron, deren Existenz EU-weit bekanntge- anhand „Replika”. Seit zwei Jahren wächst die Anzahl unserer macht hatten. Jede*r von euch kann nach Möglichkeit dasselbe Leser*innen deutlich schneller als zuvor. Letztens, im Mai die- tun – publik machen, dass in Polen, einem Mitgliedstaat der EU ses Jahres, outete sich Piasek – ein in Polen sehr beliebter Sän- seit 17 Jahren, die Grundprinzipien der Nichtdiskriminierung, ger – es ist bemerkenswert, dass er der erste wirkliche Main- die ein Grundwert der EU ist, verletzt werden. Ihr könnt auch streamsänger Polens ist, der sich geoutet hat. prüfen, ob eure Stadt eine Partnerstadt einer der polnischen Städte ist, die zur „LGBT-freien Zone“ erklärt wurde und wenn ja, LGBT-Organisationen ohne Unterstützung von der EU eure lokalen Behörden zum Abbruch der Zusammenarbeit drän- Leider spiegelt sich unsere Emanzipation zurzeit in der Poli- gen. Auf Bundesebene drängt ihr eure Politiker*innen, dass sie tik nicht wider und die LGBT-Organisationen werden auch in die polnische Homo- und Transphobie in Gesprächen mit unse- keinster Weise von der EU unterstützt. In Polen ist eine gleich- ren Politikern ansprechen. Schweigen ist unser Feind, Informa- geschlechtliche Ehe oder eingetragene Partnerschaft nicht tion unsere Waffe. ● erlaubt. Im polnischen Strafgesetzbuch sind homofeindliche Straftaten kein Begriff – offiziell existieren sie einfach nicht. Online In den polnischen Schulen gibt es keine Sexualerziehung und im www.replika-online.pl

42 PRIDEGUIDE 2021 ← EUROPEaN UNiON FlaG Die neue MANNSCHAFT-App ist da!

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Wie die Community MUNICH Fotos: MKQ

online gemeinsam singen und sich auch Die beim Various Voices Festival 2018 STEPHANIE HÜGLER FÜR MUNICH KYIV QUEER in dieser schweren Zeit als internationa- in München entstandenen Kontakte und le LGBTIQ*-Familie gegenseitig unter- Freundschaften nutzte Munich Kyiv Queer Allein, aber gemeinsam. Weit entfernt, stützen. ¶ Wochenlang allein mit Netflix für das zweite Projekt: B einen virtuel- aber innerlich nah. Das waren LGBTIQ* daheim auf dem Sofa sitzen und Chips in len, länderübergreifenden Chor – mit C bei zwei internationalen Projekten von sich reinstopfen? Da geht mehr, dachten Gestaltung und Maskottchen-Design von Munich Kyiv Queer mit der Community in sich die Initiator*innen, Samantha Sey- Stanislav Mishchenko. Federführend da- Münchens Partnerstädten Edinburgh und mour, Stephanie Hügler und George Aus- bei: die Chöre aus den Communitys der Kyjiw. Zwei Initiativen, die Mut machen. tin-Cliff. Bei der A „Three City Challen- drei Städte. Unter Leitung von Mary Ellen ge“ setzten sich die Teilnehmer*innen Kitchens vom „Regenbogenchor München“, WUT IST EINE STARKE KRAFT kleine oder größere sportliche Ziele – je- Kathleen Cronie von „Loud and Proud“ in „And we took that anger and we looked de*r für sich. „Ob gemütlicher Spazier- Edinburgh und Olga Rubtsova von „Qwerty around. And we claimed that anger for fa- gang im Wald, Strecke machen auf dem Queer“ in Odesa lernten die Sänger*in- mily we found“. Diese Zeile aus dem Lied Rennrad oder Yoga zu Hause: Hauptsache nen per Zoom drei Lieder in drei verschie-

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über Grenzen hinweg EDINBURGH

„Stonewall“ von Alison Burns zeigt: Wut alle blieben in Bewegung“, berichtet Ge- denen Sprachen – darunter auch den Song ist eine starke Kraft. Richtig eingesetzt orge. ¶ Mit Fotos und Videos erzählten sie „Stonewall“. Stummgeschaltet per Zoom kann sie Veränderung bringen – auch in sich über Instagram und eine geschlosse- musste allerdings jede*r für sich singen, Corona-Zeiten. ne Facebook-Gruppe von ihren Fortschrit- denn wegen der Zeitverzögerung ist ein ten und Rückschlägen. Sie teilten Eindrü- echter Chorgesang per Zoom nicht mög- ZWEI INTERNATIONALE PROJEKTE cke aus ihren Städten und feuerten sich lich. ¶ Doch „dank der Chorleiterinnen Den Frust, die Angst, die ganze Wut über gegenseitig an. Neben Bewegungs-Junkies wuchs die große Gruppe an den drei Sonn- die während der Pandemie für LGBTIQ*- erreichten die Aktionen zum Erstaunen tagen im Februar, März und April trotz- Menschen oft besonders schwierigen Zei- aller auch viele Menschen, die bisher mit dem zu einer Chorgemeinschaft zusam- ten hat die Kontaktgruppe Munich Kyiv Schul- und Vereinssport nicht viel am Hut men“, sagt Samantha, die die Idee zu dem Queer für zwei internationale Lock- hatten. Post für Post lernten sie sich als Projekt hatte. Und auch mit dieser Aktion down-Projekte mit 1 Münchens Partner- Menschen kennen und schätzen. Und am erreichten die Macher*innen Menschen, städten 2 Kyjiw und 3 Edinburgh genutzt. Ende feierten sie bei einer gemeinsamen die sich sonst vielleicht nicht in einen Die Ziele: Menschen in Bewegung bringen, Online-Party per Zoom ihre Fortschritte. „normalen“ Chor getraut hätten. Schließ-

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in Kontakt blieb kyjiw

44 PRIDEGUIDE 2021 ← STRAIGHT ALLY PRIDE Flag ↓ THEMA PROUD. LOUD. QUEER. Allein, aber gemeinsam.

Weit entfernt, aber innerlich nah. www.munichkyivqueer.org

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LOVE IS к O X RHHA IS lich konnte durch die Stummschaltung oder ganz aufgeben müssen. Noch schlim- Munich Kyiv Queer niemand hören, wenn jemand mal musi- mer sieht es in der Öffentlichkeit aus: Fight for Global Rights – Solidarität kalisch daneben lag. Am Ende entstanden Rechtsextreme Gruppen haben während der kennt keine Grenzen. Lesben, Schwule, zwei begeisterte Projektvideos. ¶ Das Echo Pandemie besonders oft Rückzugsorte für Bisexuelle, Trans*, lnter* und Queers lei- auf die beiden Projekte war überwälti- LGBTIQ*-Menschen und die Pride-Demons- den an vielen Orten der Welt unter Ent- gend: Jeweils weit über 100 Menschen aus trationen attackiert, Bars und Queer Ho- rechtung, Verfolgung und Übergriffen. den drei Ländern machten mit. Die Sehn- mes in Odesa und Charkiw zum Beispiel. Solidarisch steht ihnen München zur Sei- sucht nach Gemeinschaft, Abwechslung Beim Pride-Marsch in Odesa wurden im te. Die Kontaktgruppe Munich Kyiv Queer, und Solidarität in der Krise war offenkun- Sommer 2020 mehrere Menschen verletzt, 2012 nach dem Christopher Street Day in dig. Denn in Pandemiezeiten haben und während die Polizei tatenlos zusah. München entstanden, setzt sich speziell hatten es LGBTIQ*-Menschen oft besonders für die Menschenrechte von homo-, bi-, schwer. Die einen saßen rund um Feierta- SOLIDARITÄT UND MITEINANDER trans*, inter* und queeren Menschen in ge wie Weihnachten und Ostern wochen- Dass die Community die Wut und Hilflo- der Ukraine ein. Die Städtepartnerschaft lang allein zu Hause, weil Kontakte in In- sigkeit darüber in positive Gefühle der zwischen Kyjiw und München ist die Basis

LIEBE IST LOVE nenräumen entweder gar nicht oder wie in Solidarität und des Miteinanders umwan- dafür. Seitdem ist eine lebendige Zusam- Bayern nur mit der „Kernfamilie“ erlaubt deln konnte, erfüllt die Organisator*in- menarbeit zwischen den Lesben-, Schwu- waren. Andere waren aus finanzieller Not nen und die, die dabei waren, mit Stolz. len- und Trans*-Gruppen beider Städ- gezwungen, sich bei intoleranten, homo- Allen wurde klar: Am Ende ist es die Liebe te entstanden, die sich in Freundschaft phoben Verwandten einzuquartieren. ¶ zu ihrer internationalen Familie, die aus verbunden sind. Längst reichen die ge- Das traf besonders auf viele Menschen in Angst, Wut und Depression wieder heraus- meinsamen Projekte wie ihre politischen der Ukraine zu: Ihre Familien akzeptie- führt. Oder, um mit einem weiteren Lied Aktionen, Kulturveranstaltungen und ren ihre Lebensweisen und ihre Identitäten aus dem Projekt zu sprechen: „Love is love Workshops über Kyjiw hinaus in die ge- oft nicht, sodass sie diese dort verstecken is love is love“. samte Ukraine. ●

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Welt anreisen. Das sportliche Geschehen, Münchner Community selbst, ihr Wille BERND MÜLLER das mehrheitlich auf dem Olympiage- dabei zu sein und ihre funktionierenden lände und der benachbarten ZHS-Anlage Netzwerke, die einen Vorteil gegenüber München will die GayGames 2026. Unter stattfinden soll, wird von einem Chor- den beiden verbliebenen Konkurrenten die letzten drei Bewerberstädte hat sie es festival, politischen Foren und natürlich Valencia (Spanien) und Guadalajara (Me- schon geschafft. Jetzt heißt es: Daumen jeder Menge Partys und Events begleitet. xiko) ausmachen. drücken, damit das weltweit größte LGB- „Die zentrale Lage fast aller Locations TIQ*-Sportfestival nach München kommt! ist ein großes Plus in der Bewerbung für IM NOVEMBER 2021 WIRD DIE München“, berichtet Vorstandskolle- ENTSCHEIDUNG FÜR 2026 FALLEN MIT DER LEBENDIGKEIT ge Marcus Diranko. „Die Games werden Mit seiner Begeisterung hat das Or- DER MÜNCHNER COMMUNITY in der Stadt für alle sichtbar und leicht ga-Team schon viele Menschen über die „Es ist faszinierend, wie sehr die Com- zu erreichen sein.“ Neben diesem Stand- LGBTIQ*-Szene hinaus angesteckt: Zu den munity schon jetzt hinter diesem Pro- ortvorteil punktet München mit einem Unterstützer*innen zählen neben der Lan- jekt steht“, begeistert sich Beppo Brem, großzügigen und ausgefeilten Outreach- deshauptstadt München der FC Bayern, Stadtrat und Vorstandsmitglied des Ver- programm für Osteuropa und Afrika, das Siemens, Innenminister Horst Seehofer eins GayGames 2026 Munich e.V. Mit sei- Menschen aus diesen Ländern eine Teil- und schon jetzt weitere 150 Promis, Fir- nen sechs Vorstandskolleg*innen und ei- nahme ermöglichen soll. Auch die Ex- men, Vereine und Institutionen. Die Ent- nem Team von rund 60 Aktiven arbeitet pertise der Organisator*innen selbst hat scheidung über die Austragung der Gay- er seit über einem Jahr an einem Ereig- enormes Gewicht: „Wir haben schon viele Games 2026 fällt im November in Hong nis, wie es München noch nicht gesehen Großevents gestemmt, da kann man uns Kong. Wir fiebern mit! hat. Zu den GayGames 2026 sollen rund vertrauen“, so Beppo Brem selbstbewusst. 12.000 Sportler*innen aus der ganzen Nicht zuletzt ist es die Lebendigkeit der Follow: @gaygames2021_munich

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46 PRIDEGUIDE 2021 ← greyromantic pride Flag SICHER FEIERN FEIERN SICHER

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Find us at siemenspride siemens.com/diversity THEMA ↓ PROUD. VISIBLE. QUEER. Claudia Im Rampenlicht: Kind Kreative Lesben Schauspielerin in München

Kreativität hat viele Ge- sichter. Ob digital oder ana- log. Sound, Bild, Bewegtbild, Performance. Ob Auftrags- arbeit oder freischaffende Kunst, politisch, satirisch,

unterhaltend oder dekora- Kreativität ist für mich das Feuer, das in tiv. Jenseits und diesseits mir brennt. Ich stehe auf der Bühne, um andere Menschen für einen Moment alles solcher Kategorien stellen Andere vergessen zu machen.

↑ Claudia hat ihr Leben lang einen großen Teil ihrer Zeit dem Schauspiel gewid- wir euch hier sechs kreative met. Nicht gebunden an die Zwänge als professionelle Schauspielerin, konnte sie Rollen frei wählen und vor allem in Drag-Performances eigene Rollen entwerfen. Lesben und ihr Schaffen in Derzeit macht sie im Ensemble „Frauen von der Rolle“ Theater mit professionel- lem Anspruch. München vor. www.frauen-vonderrolle.de

→ Claudia stiftet auf der Bühne ebenso viel Verwirrung wie Vergnügen. In ihren Performances sind Drag Queen und Drag “ King vereint in einer Person. Die doppelte Travestie, das Auf- Th eresa „Bi Män lösen aller Grenzen, Provokation im Rausch von Farbe, Musik und Erotik. ¶ → Als DJ* Bi Män sieht sich Theresa als eine „un- Bittermann Theresa Bittermann Dauchauerstraße; Schweiger, haus Theresa: Severin behagliche Exponierung geschlechtsspezifischer Adressierun- Audiovisuelle Interventionskünstlerin gen“ und steht gegen die Entpolitisierung der Gesellschaft ein. Ihr Ziel ist es, über Veranstaltungen die LGBTIQ* Community zusammenzubringen und die Matrix von Musik, Partys und Poli- tik selbst und neu zu gestalten. ¶ → Özlem findet, dass die Welt manchmal ganz schön farblos sein kann. Mit Pinsel und Palet- te tritt sie dagegen an und bringt magische Orte und inspirie- rende Portraits leuchtend und schillernd auf die Leinwand. Kraftvoll wie ein Rockkonzert der Farben. Und bestellbar als Kunstdruck in ihrem Online-Shop. ¶ → Cosy Pièro avancier- te über viele Jahrzehnte zu einer namhaften Multi-Künstlerin und kreierte Bilder, Objekte und Installationen, die Denkmus- ter durchbrechen und zur Reflexion herausfordern. Zudem bot sie mit der legendären Künstlerkneipe „Bei Cosy“ in München von 1961 bis 1980 einem bunten, vielfach queeren Publikum ei- nen Ort der Inspiration. ¶ → Vor Annikas satirischen Ein- lassungen als Youtuberin Annikazion ist niemand sicher. Je- denfalls keine*r, der/die in mainstreamigen TV-Formaten zu brillieren versucht. Daneben ist Annika aufklärerisch unter- wegs und erklärt der Welt in amüsanten Videos, wie Lesben zu erkennen sind und wie Lesben Sex haben. ¶ → Nach ihrem De- Bei mir bleibt es signstudium in spezialisierte sich Wilma auf das Aus- stellungdesign. Formend und gestaltend klickt sie sich durch die Messe- und Eventwelt. Daneben entwirft sie Möbel und ge- eindeutig uneindeutig.

staltet fast alles um, was sich in ihrer Nähe befindet. So wer- ↑ Theresa „Bi Män“ ist audiovisuelle Interventionskünstlerin, DJ*, Veranstalterin, den aus PC-Platinen Schmuck und aus Altglas entstehen hoch- Moderatorin, Autorin, Sozial- und Kulturanthropologin und macht ‚postfemale wertige Lichtobjekte. crossover‘. Ihr geht es darum, Klischees aufzubrechen, indem sie stereotype Bilder übertreibt. Sie ist Teilgeberin verschiedener Kollektive wie LOVERS, WUT, STORY VON Anita Koziol She-La, F*AM Labor. www.bimaen.com Fotos Annika: Annikazion, Markus Haner; Claudia: Claudia Kind; Özlem: Özlem Yilmaz; Wilma: Wilma Scholly; Cosy: Cosy Pièro, Atelier-

48 PRIDEGUIDE 2021 ← trans* pride Flag ↓ Özlem schafft als Malerin magische Welten, sie erweckt innere Orte und Universen zum Leben, wie wir sie uns alle als Kinder ausmalen konnten. Özlem Annikazion hat sich diese Fähigkeit bis heute erhalten und öffnet mit ihren Bildern einen Youtuberin Raum der Harmonie und Liebe, der das Herz aufatmen und den Geist abtauchen lässt. www.oezlem-yilmaz-shop.com Ziel meines kreativen Schaffens ist es, Menschen mit meinen Werken zu berühren, zu inspirieren und sie in eine schöne und vor allem bunte Welt einzuladen. Artwork: Focus, 2019

Kreativität ist für mich Freiheit.

↑ Seit fünf Jahren super erfolgreich als Youtuberin (415.000 Abonnent*innen), Özlem kreiert Annika satirische Videos über deutsche TV-Formate wie „Love Island“ oder „GNTM“. Zudem produziert sie Beiträge, in denen sie lesbische Contents Yilmaz mit Comedy verbindet, um mögliche Berührungsängste eines heterosexuellen Malerin Publikums in witziger Weise zu entschärfen. www.youtube.com Annikazion

↓ Cosy ist Malerin, Bildhauerin, Installations- und Videokünstlerin. Sie beteiligt sich an diversen Gemeinschaftsausstellungen z.B. in der Villa Stuck und zeigt WILMA ihre Bilder, Objekte und Installationen in Einzelausstellungen. Cosy erhielt sieben Kunstpreise für ihre Werke, welche unter anderem in der Bayerischen Staats- SCHOLLY gemäldesammlung zu bewundern sind. www.cosypiero.de Designerin Kreativität ist der Ausdruck für das, was ich tue – man könnte auch sagen: ‚erfinderisch sein‘.

Kreativität ist ein Kind der Freiheit. Jeder Mensch ist fähig, schöpferisch und leidenschaftlich zu denken. Wir brauchen beides, um Lösungen zu finden, die begeistern.

↑ Wilma konzipiert als erfolgreiche Designerin seit 25 Jahren Corporate COSY Architektur, Messe- und Event-Design für Firmenkunden und Agenturen. Der Mensch steht für sie dabei im Mittelpunkt, die Marke im Fokus, das Pièro Produkt im Rampenlicht. www.clickdesign.info Künstlerin Artwork: Jeder Mensch ein Kunstwerk, 2000

PROGRESS pride Flag → 2021 PRIDEGUIDE 49 THEMA ↓ PROUD. LESBIAN. QUEER.

Lesben Beratungsanfragen on air 089 998295930

PG: Sind die Beratungsanfragen bei LeTRa Séancen für Wir sprechen mit den denn zurückgegangen? → Miriam: Nein, die Lehrkräfte Beratungsanfragen sind in Pandemiezei- PG: Wie hat sich Corona auf eure Fortbil- Geschäftsführerinnen ten auf gleich hohem Niveau geblieben, dungen ausgewirkt? → Diana: Auch hier aber die Themen haben sich verschoben. haben wir unsere Veranstaltungen zu On- Diana Horn-Greif und Uns erreichen mehr Anfragen wegen Kri- line-Formaten umgebaut, um weiterhin sen und Einsamkeit. Coming-out ist nach Menschen zum Thema gleichgeschlecht- Miriam Vath des Lesben- wie vor ein großes Thema und stellt uns liche Lebensweisen fortzubilden. Unse- und unsere Klient*innen vor Herausfor- re Konzepte stehen und die Inhaltsmodule telefon e.V., wie Commu- derungen. Denn bei geschlossenen Knei- sind fertig. Mit unterschiedlichen Me- pen, ausgefallenen Gruppen, gestrichenen thoden, einem lebhaften Vortragsstil und nity-Arbeit trotz Corona Freizeit- und Sportangeboten ist die Kon- Offenheit lässt sich die Wissensvermitt- taktfindung schwierig und das verzögert lung auch online gut umsetzen. Uns liegt funktionieren kann. auch die Identitätsfindung im Coming- insbesondere die Situationen von Kindern out-Prozess. und Jugendlichen am Herzen, die nicht he- terosexuell bzw. nicht cisgeschlechtlich ANITA KOZIOL PG: Könnt ihr zurzeit beim Coming-out sind. Um mehr Sensibilität und Wissen überhaupt unterstützen? → Miriam: Wir ha- über dieses Thema zu generieren, möchten ben die Coming-out-Gruppe erstmals als wir in der Zukunft Lehrkräfte fortbilden. Interview virtuelle Gruppen-Veranstaltung angebo- → Miriam: Wie Diana sagte, klappt die Wis- ten, was gut angenommen wurde. Um neue sensvermittlung gut, allerdings stoßen di- Hybrides Wege in die Community zu eröffnen und gitale Formate bei den Themen „Haltung“ Coming-Out beim Kennenlernen zu unterstützen, haben und „Verhalten“ an ihre Grenzen. Denn die- PrideGuide: Welchen Einfluss hatte Coro- wir zudem einen Workshop für „Lesbisches ser sensible Teil findet in Präsenzschu- na auf eure Beratungsarbeit? → Diana: Die Dating im Netz“ angeboten, der online lungen interaktiv statt und wir gehen in Pandemie hat den direkten Zugang zu un- durchgeführt wird und sich großer Beliebt- Kleingruppen intensiv in den Dialog. Oft seren Klient*innen stark eingeschränkt heit bei den Teilnehmer*innen erfreut. verläuft auch der Einstieg in Online-Schu- und die Kolleg*innen mussten schnell Lö- sungen finden, mit denen wir unser Bera- tungsangebot aufrecht erhalten können. Wir beraten nun vorrangig über Telefon, über online Plattformen, über Video und haben auch Hybridberatung eingeführt, also eine Mischform mit persönlichem und digitalem Austausch. Ich sehe diese Entwicklung auch positiv, denn wir hatten ohnehin vor, digitale Beratungsformate zu entwickeln und das hat nun einen kräfti- DIANA UND MIRIAM VON LETRA

gen Push bekommen. Mödl Lissy Illustrationen: Fath, Bethel Fotos: ↓ THEMA PROUD. lesbian. QUEER.

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lungen etwas holprig und erinnert an eine den ganzen Asylprozess mit allen Widrig- hin dieselben Rechte wie Kindern mit ge- Art spiritistischer Sitzung: „Hallo, kannst keiten schon gegangen sind, können hier mischtgeschlechtlichen Elternteilen. Es du uns hören?“, „Wir sehen dich, aber wir andere unterstützen. Denn viele Klient*in- fehlen auch Regelungen für Familien mit hören dich nicht!“, „Versuch nochmal, Kon- nen, die hier ankommen, sind erst einmal mehr als zwei Elternteilen oder trans* El- takt mit uns aufzunehmen“. einsam und vulnerabel. tern. Grund zur Hoffnung gibt es. Denn zwei Oberlandesgerichte haben erstmals Mit vereinten Kräften Warten auf der für verfassungswidrig erklärt, dass bei für Geflüchtete Startbahn einem verheirateten Frauenpaar nur die PG: Ihr habt ja diverse Initiativen in der Ge- PG: Wie steht es um das lesbisch-quee- leibliche Mutter als rechtliches Eltern- flüchteten-Beratung gestartet. Was hat re Zentrum LeZ? → Miriam: LeZ ist unse- teil in die Geburtsurkunde eingetragen sich hier im Rahmen eurer Arbeit und eures re größte Herausforderung, weil sich die wird, während die soziale Mutter für das Einsatzes getan? → Miriam: Ein Ziel unse- Eröffnung aufgrund der Pandemie verzö- gemeinsame Sorgerecht das Kind adop- rer politischen Arbeit ist, dass alle ge- gert. Wir halten zwar auch Online-Work- tieren muss. → Miriam: Wir freuen uns auf flüchteten LGBTIQ*-Menschen ein Recht shops ab, aber das LeZ basiert ja auf dem mehr Nachwuchs bei unseren Klient*innen. auf eine sichere Unterbringung bekom- Partizipationsprinzip mit dem Leitspruch Der Kinderwunsch ist in der LGBTIQ*-Com- men und nicht 18 Monate im Ankerzentrum „Das LeZ ist, was du daraus machst“ und munity jedenfalls ausgeprägter denn je. Im durchstehen müssen. Wir wollen erreichen, das ist kontaktfrei schwer umzusetzen. Pandemiejahr scheint das Kuschelbedürfnis dass sie in geschützte Unterkünfte nach → Diana: Derzeit bietet das LeZ virtuel- und der Wunsch nach einer Familie zu stei- München ziehen können. Denn hier ist ja le Räume, die für Gruppentreffen genutzt gen. Kinderwunschberatungen sowie Fragen auch das Zentrum der LGBTIQ*-Communi- werden können und etabliert Kontakte zu zur Stiefkindadoption sind daher gerade ty in Bayern. Die Kolleg*innen haben nicht Gruppen, die perspektivisch im LeZ aktiv der Renner. ● locker gelassen und viele Landtagspetitio- werden wollen. Es finden auch schon inter- nen eingereicht. Nun hat es einige Zusagen ne Workshops statt für die ehrenamtlichen gegeben. Das ist ein wichtiger Teilerfolg. Mitarbeiter*innen zu den Themen Aware- Damit die Verlegung noch in weiteren Fäl- ness, Social Justice, Diversity. Denn wir len klappt, bleiben wir mit Unterstützung möchten im LeZ einen möglichst diskri- von Parlamentarier*innen am Thema dran. minierungsfreien und solidarischen Raum → Diana: Eine gute Nachricht gibt es auch schaffen für FLINT, also für Frauen, Lesben, innerhalb von LeTRa: Wir beschäftigen ab Inter*, Nonbinaries und trans* Personen. April Olivia in der Geflüchteten-Bera- tung als Minijobberin. Damit haben wir Queere Familien eine neue Kollegin, die selbst aus Uganda im Gayby Boom geflüchtet ist und Klientin bei LeTRa war. PG: Was tut sich im Regenbogenfamilien- Olivia wird niedrigschwellige peer-to- zentrum? → Diana: Politisch kämpfen wir peer Beratung initiieren und Community um die Änderung des Abstammungsrechts, Building übernehmen. Sobald persönliche also die seit Jahren ausstehende Reform Kontakte wieder möglich sind, wird sie der rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung. bei LeTRa einen Ort der Begegnung, Bera- Die Rechtslage in Deutschland verwehrt tung und Vernetzung schaffen. Frauen, die Kindern in Regenbogenfamilien weiter- - K u l t r f ü r f t u n g u n d - S t i Die MÜNCHENSTIFT präsentiert: R e g n b o - S o z i a l - »Mut der Generationen. Lesbisches c h : Selbstverständnis im Wandel der Zeit« d u r P a t r i c k - L n d e M ü n c h e r G l e i c h s t u n g Bei Interesse an einer Führung durch die d e r t Fotoausstellung Terminvereinbarung über f t u n g ,

e f r a t , [email protected] r F r a u e n , S t i G e f ö r THEMA ↓ PROUD. SAVE. QUEER.

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Strong! ist seit 2020 das erste bayernweite Gewalt unsichtbar. ¶ Die bei der Münch- Vor einem Jahr startete Angebot für LGBTIQ*-Personen, die Gewalt ner Polizei angezeigten Straftaten, „die und/oder Diskriminierung erlebt haben. gegen sexuelle Neigungen gerichtet sind“, mit Strong! die erste sind in den vergangenen Jahren tatsäch- WIE TATEN STATISTISCH lich angestiegen, aber auf sehr niedri- bayernweite LGBTIQ*- ERFASST WERDEN gem Niveau: 2018 wurden sechs Straftaten In den vergangenen Jahrzehnten hat sich angezeigt und 17 Fälle 2019. Den 20 Fäl- Fachstelle gegen Diskri- für LGBTIQ* in Deutschland zweifellos len im Jahr 2020 in München stehen die 82 vieles verbessert. Wo in den 70er Jah- Fälle von Hasskriminalität gegenüber, die minierung und Gewalt. ren ein Coming-out fast ausnahmslos mit im selben Jahr Strong! bekannt wurden – großen Problemen in der Familie und im für ganz Bayern wohlgemerkt. Beruf verbunden war, ist es heute vieler- DR. MICHAEL PLASS VON STRONG! orts selbstverständlich. Immer öfter wird EINE ENORME DUNKELZIFFER sogar von ausdrücklich positiven Reakti- VON VORFÄLLEN IN BAYERN „Ich halte es zu Hause nicht mehr aus!“ onen berichtet. Allerdings müssen wir uns Offensichtlich haben all diese Zahlen mit Seit Daniela1 ihren Eltern gesagt hat, dass immer wieder bewusst machen, dass ein der Realität nichts zu tun, denn die meis- sie trans* ist, wird sie von ihrer Familie gelungenes Coming-out noch lange nicht ten Übergriffe werden gar nicht erst be- terrorisiert. Die Eltern haben auch ihre die Regel ist und es nach wie vor viel Hass kannt. Deshalb haben wir in Bayern eine Geschwister gegen sie aufgehetzt, zu de- und Ablehnung gibt, wie Danielas Fall be- enorme Dunkelziffer an Vorfällen mit nen sie sonst ein gutes Verhältnis hatte. legt. ¶ In Zeiten einer wiedererstarkenden LGBTIQ*-feindlichem Hintergrund. Es gibt Danielas dringendstes Anliegen ist es, Rechten ist immer wieder zu lesen, dass viele Gründe dafür, dass nur ein Bruch- einen Zufluchtsort zu finden, wo sie sich LGBTIQ*-feindlich motivierte Gewalt in teil davon ans Licht kommt. Für viele LGB- sicher fühlt. Das ist eine Grundvoraus- Deutschland zunimmt. Für Bayern ist das TIQ*-Menschen sind negative Erfahrun- setzung für sie, damit sie die Schule ab- nicht belegbar, weil das bayerische In- gen so alltäglich, dass Gewalt für sie ein schließen kann. Und ein trans*-sensibles nenministerium Gewalttaten gegen LGB- normaler Teil des Lebens ist. ¶ Und oft er- Wohnprojekt für Jugendliche in Nordbay- TIQ*-Personen nicht offiziell erfasst. Ein kennen die Betroffenen Gewalt gar nicht, ern? Wäre ideal. So etwas aber ist schwer kleiner Lichtblick ist hier das Polizeiprä- weil dieser Begriff für sie meist so viel zu finden, wenn überhaupt. 1 Name wurde geändert sidium München, das immerhin, so heißt bedeutet wie Schläge, Tritte oder Waffen. es im Sicherheitsreport des Polizeiprä- Das führt dazu, dass sie psychische Formen HILFE BEI Gewalt sidiums München 2020, „Delikte […], die von Gewalt wie Beleidigungen, scheinbar und/oder Diskriminierung gegen sexuelle Neigungen gerichtet sind“ „harmlose“ Witze, Ekelreaktionen, Aus- Danielas Geschichte steht exemplarisch erfasst. Leider subsummiert die Behör- grenzung und Mobbing nicht als „wich- für so viele von lesbischen, schwulen, de darunter aber einfach auch alles, was tig genug“ einstufen. ¶ Aber es gibt keine bisexuellen, trans*, inter* und queeren sich gegen trans*, inter* und non-binäre „Kavaliersdelikte“, jeder Fall ist wichtig,

Menschen, die sich bei Strong! melden. Personen richtet. So bleibt diese Form der denn Gewalt aus LGBTIQ*-Feindlichkeit ist Fotos: Frank Zuber

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Hassgewalt. Durch das Erfassen der Vorfälle leistet Strong! einen Beitrag, das wahre Ausmaß der Problematik sichtbar zu machen. Es ist deutlich einfacher für die Geschädigten, sich an eine Fachberatungsstelle zu wenden und sich dort anonym melden zu können, als zur Polizei zu gehen.

SEXuALISIERTE GEWALT, EkEL , MOBBInG unD FEHLEnDE LEGITIMATIOn LGBTIQ*-Feindlichkeit kennt unterschiedliche Hintergrün- de. Lesbische Frauen erleben oft Homosexuellenfeindlich- keit, die gleichzeitig sexualisierte Gewalt ist. Als sehr belastend erleben sie beispielsweise Vergewaltigungsan- drohungen von Männern im öffentlichen Raum. Die perfide Botschaft: Sie sollen dadurch „heterosexuell gemacht wer- den“. ¶ Schwule Männer werden dagegen häufig mit Ekelre- aktionen konfrontiert, wenn sie nur händchenhaltend durch die Straßen laufen. Die Sexualität der Bisexuellen wiede- rum wird für latente Homosexualität gehalten oder gar nicht erst ernst genommen. „Du willst dich ja bloß nicht entscheiden!“ oder „Dann kannst du ja gar keine monogame Beziehung führen, weil dir dann ja immer etwas fehlen wür- de!“ ¶ Trans* und non-binäre Personen müssen sich dagegen bis heute noch damit auseinandersetzen, dass sich selbst engste Bezugspersonen wünschen, dass es sich bei ihrer Ge- schlechtsidentität „nur um eine Phase“ handelt. Diese An- nahme wird dann von ihren Familienmitgliedern, Mitschü- ler*innen und Lehrer*innen als Legitimation missbraucht, trans* Jugendliche durch Mobbing, Tritte und Schläge zu cis* Jugendlichen „zu machen“.

WIE STROnG! MEnSCHEn MIT SOLCHEn ERFAHRunGEn HELFEn kAnn Strong! unterstützt am Telefon, im Chat oder im Gespräch vor Ort. Die Berater*innen besprechen mit allen, die Hil- fe suchen, Handlungsmöglichkeiten und vernetzen sie mit weiteren Fachstellen und Spezialist*innen. ¶ Daniela hat es erstmal geschafft. Nach dem Terror in ihrer Familie und, ja, einigen Suizidversuchen hat sie in Nordbayern tatsäch- lich einen der wenigen Plätze im betreuten Wohnen bekom- men. Auch hier vermisst sie zwar einen selbstverständli- chen Umgang mit ihrem Trans*sein, aber immerhin konnte sie nun die Schule abschließen. ●

Kontaktiere Strong! wenn du Hilfe benötigst oder einen Vorfall mel- den˙˙ möchtest:

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˙˙ Immer anonym möglich PROGRESS PRidE FlaG → 2021 PRIDEGUIDE 53 MUNICH PRIDE 2021 ↓ DANKE FÜR DEN SUPPORT

Sponsor*innen CSD München 2021

Kulturprogramm mit freundlicher Unterstützung von

Medien-, Community- und Kooperationspartner*innen

One final thought → try love, try respect, try side by side. It’s so worth it!

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