Hitlers.Fahnenfluech
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HITLERS FAHNENFLÜCHTIGE By Lars G. Petersson chipmunkapublishing the mental health publisher All rights reserved, no part of this publication may be reproduced by any means, electronic, mechanical photocopying, documentary, film or in any other format without prior written permission of the publisher. Published by Chipmunkapublishing PO Box 6872 Brentwood Essex CM13 1ZT United Kingdom http://www.chipmunkapublishing.com Copyright © Lars G. Petersson 2012 ISBN 978-1-84991-741-4 Chipmunkapublishing gratefully acknowledge the support of Arts Council England. 2 Dank Dieses Buch wäre nicht zustande gekommen ohne die freundliche Hilfe und Unterstützung der drei im Zentrum stehenden Zeugen dieser Geschichte: Ludwig Bau-mann, Helmut Kober und Peter Schilling. Sie gewährten mir Einblick in ihre persönlichen Erinnerungen und Me-moiren, stellten mir Bilder zur Verfügung und halfen mir bei der Beantwortung von Fragen, die sich mir bei der Arbeit stellten. Ich bin ihnen für das mir geschenkte Ver-trauen sehr dankbar. Auch hätte dieses Buch ohne die persönlichen, intensi-ven Nachforschungen Fritz Wüllners niemals geschrie-ben werden können. Wüllners und Professor Manfred Messerschmidts veröffentlichten Forschungsergebnis-sen verdanken wir grundlegende Kenntnisse über das Ausmaß des geschehenen Unrechts. Mein Dank gilt ferner Jochen Schmidt von der Frie- densbibliothek/Antikriegsmuseum der Evangelischen Kirche in Berlin- Brandenburg, der mir Fotos und Texte zur Verfügung stellte. Die sprachliche, redaktionelle, hier und da inhaltliche und jüngste Entwicklungen berücksichtigende Bear-beitung meines Textes hat mit großem Einsatz Annette Bygott besorgt. Ohne diese freundschaftliche Zusam-menarbeit, für die ich sehr dankbar bin, hätte eine deutsche Fassung meines Buches nicht erscheinen können. Die meinen Text begleitenden Ansichten sind aber - mit Ausnahme der namentlich gekennzeichneten Stellungnahmen anderer - meine eigenen. Besonderen Dank schulde ich auch meiner Frau Jose-phine, deren treuer Unterstützung ich sicher sein durfte - nicht nur bei der Arbeit an diesem Buch, sondern auch schon bei der Arbeit an seinen Vorläufern in dänischer und englischer Sprache. Lars G. Petersson 3 Lars G. Petersson wurde 1951 in Schweden geboren. Als wehrpflichtiger Soldat wurde er als Kampfflugzeug-mechaniker der untersten Stufe ausgebildet. Er arbeite-te als Masseur in einem Kurort in Hessen und war an-schließend dreißig Jahre lang als Krankenpfleger in ver-schiedenen Institutionen tätig - in strafrechtlichen, psy-chiatrischen (darunter militärpsychiatrischen) und sozia-len Einrichtungen in Schweden, Dänemark, Schottland und England. Er ist ein engagierter Menschenrechts- und Friedensaktivist und wohnt in London. Mehr über seine Tätigkeit ist unter www.larsgpetersson.com zu fin-den. 4 Vorwort London 2010. Im Imperial War Museum findet eine Tagung der relativ jungen Vereinigung MAW statt. MAW steht für Movement for the Abolition of War und wir hören Lebensberichte britischer Kriegsdienstverweige-rer im 2. Weltkrieg. Man kommt in den Pausen ins Ge-spräch und irgendwann erzählt mir jemand von Lars G. Peterssons Buch Deserters, das seit 2005 in englischer und dänischer Sprache vorliegt. Ich bekomme die Ad-resse der webpage des Autors und nehme Kontakt auf. Das Thema interessiert mich und als Lars mir von dem Wunsch spricht auch eine deutsche Fassung heraus-zubringen, weiß ich plötzlich: das ist es; auf so eine Aufgabe habe ich gewartet. Ich bin Jahrgang 1936, Kind eines Soldaten, der 1941 zu Beginn des Russlandfeldzugs den »Heldentod fürs Vaterland« starb. Er war »gefallen für großdeutsch-land«, hatte auf der Karte gestanden, und Großdeutsch-land war klein geschrieben. Dieser persönliche Zusatz meiner Mutter, mit dem sie auf die Rechtschreibung auf-merksam machte, gehörte immer dazu, wenn sie davon sprach. Ich hörte Schmerz und Hohn und Hass heraus. Sie hat den Tod meines Vaters nie verwunden, zumal in einem Krieg, den sie trotz der so viele Menschen be-törenden Erfolge des Anfangs nicht wollte. Als Theo-logiestudentin hörte sie Vorlesungen bei Dietrich Bon-hoeffer, den sie zusammen mit anderen 1934 zur öku-menischen Friedenskonferenz in Fanø begleitete und dessen positive Einstellung zu Juden und Judentum sie prägte. Auf Grund ihrer Kontakte zur Bekennenden Kirche erkannte sie das Bedrohliche der nationalsozia-listischen Ideologie, ohne allerdings die sich entfalten-den horrenden Verbrechen des Regimes auch nur ah-nen zu können. Mein Vater fiel am 20. Juli 1941. Meine Mutter mag es irgendwie als tröstlich empfunden haben, dass es mit dem Datum des 3 Jahre späteren Attentats auf Hitler zusammenfiel, denn den Leuten des Widerstands ge-hörte ihr Respekt und wohl auch ihre Dankbarkeit zu einem Zeitpunkt, als diese Männer in Deutschland noch weitgehend verachtet waren. Lars G. Petersson hat bei seinen Recherchen und In-terviews für dieses Buch noch sehr viel mehr über das Phänomen des Verachtens herausgefunden. Diesmal galt und gilt es den Fahnenflüchtigen der Wehrmacht, denen der Gesetzgeber erst 2002 eine Rehabilitierung gewährte. Die kleine Gruppe der so genannten »Kriegs-verräter« musste noch länger darauf warten. Erst am 8.9.2009 gab ihnen ein Bundestagsbeschluss posthum ihre Würde zurück. Die Gegner einer Rehabilitierung der Deserteure führ-ten als Gegenargument alle Soldaten ins Feld, die »treu ihre Pflicht getan hatten« und denen damit Unrecht ge-schähe. Ich möchte nicht, dass das Schicksal auch mei-nes Vaters in dieser Weise benutzt wird. Natürlich hat mich sein Schicksal betroffen, aber in ganz anderer Weise als von jenen erwartet oder vorausgesetzt. Es führte schon sehr früh dazu, mich hellhörig zu machen für das, was damals geschah - für die großen Ver-brechen und das große Leiden. So ist es nicht ver-wunderlich, dass die Geschichte der Deserteure mich so berührt, wie sie es tut. Ich habe mich ja fragen müssen, wieviel Entsetzliches er hätte mit ansehen und vielleicht auch tun 5 müssen, wenn er nicht so früh gefallen wäre. Und was wäre geworden, wenn er es gesehen und nicht hätte tun wollen oder tun können? Kann ich am Ende dankbar sein, dass ihm erspart wurde, was Menschen erlebten, von denen hier erzählt wird? Arte brachte vor ein paar Jahren im Fernsehen ein Interview mit einem noch lebenden Deserteur und des-sen Sohn. Letzterer war in Israel gewesen und man hatte ihn etwas herausfordernd gefragt: »Na, wieviele Juden hat denn wohl dein Vater damals umgebracht?« »Keinen«, hatte er antworten können, denn es ent- sprach ja der Wahrheit. Ich werde seinen Gesichts-ausdruck nicht vergessen, als er dies sagte. Meine Mutter hat die 1999 von Reemtsma konzipierte Wehrmachtausstellung über den verbrecherischen Ver-nichtungskrieg gegen die Sowjetunion gerade noch erlebt und hat sie begrüßt. Inzwischen ist die neue Wanderausstellung Was damals Recht war in Deutsch-land unterwegs. Lars G. Peterssons kleines Buch fügt sich ein in die fortlaufende Bemühung um die Aufarbei-tung unserer schlimmen Vergangenheit. Annette Bygott 6 Einleitung Dank Jahrhunderte langer Propaganda gilt ein Deser-teur in den meisten Ländern als Verräter, als ein Feig-ling, der sein Land und Volk im Stich gelassen hat. Die-se Einschätzung ist in den Bevölkerungen überall auf der Welt tief verankert. Keine Rolle scheint dabei zu spielen, um was für einen Krieg es sich handelt, aus dem jemand flüchtet. War es ein »heroischer« Vertei-digungs- oder ein verbrecherischer Angriffskrieg? Gilt die Verweigerung des Fahnenflüchtigen den Mitbürgern einer friedlichen Demokratie oder der herrschenden Eli-te einer Diktatur? Es wird kaum danach gefragt. Nicht einmal ein Überläufer aus den Reihen der feindlichen Streitkräfte kann sich darauf verlassen, mit Freundlich-keit und offenen Armen empfangen zu werden. Leider gibt es unzählige Beispiele von jungen Deserteu-ren, die nicht nur ihr Leben, sondern auch ihre Ehre und die Achtung ihrer Mitmenschen verloren haben und auch heute noch verlieren. Es gibt sie überall auf der Welt. Jeder von ihnen hat eine tragische Biographie und trägt an den Folgen eines gestohlenen Lebens. Jeder von ihnen ist ein Opfer von Umständen, auf die er kei-nen Einfluss hatte. Unter den vielen Fällen von Kriegsdienstverweigerung in der Geschichte der Völker gibt es ein Beispiel, das alle anderen an Umfang und an Grausamkeit 7 überragt. Während des Zweiten Weltkrieges verweigerten Tau-sende von jungen Deutschen den Dienst bei der Wehr-macht. Sie verweigerten von vornherein oder sie deser-tierten, nachdem sie herausgefunden hatten, was unter der nationalsozialistischen Flagge getrieben wurde. Ungeachtet der Tatsache, dass Hitler und seine Scher-gen sehr bald von der ganzen Welt als schlimmste Verbrecher der Weltgeschichte betrachtet wurden, blieb die Einschätzung selbst dieser Deserteure unverändert negativ. Wie eh und je und überall verachtete man sie, weil sie ihrer soldatischen Pflicht nicht nachgekommen waren. Diese jungen Deutschen, die die Teilnahme am natio-nalsozialistischen Völkermord verweigert hatten, wurden Jahrzehnte lang von ihren Landsleuten schief angese-hen und von der übrigen Welt einfach vergessen oder gar nicht erst wahrgenommen. Der Mythos vom Deser-teur als Verräter, der Volk und Land im Stich ließ, blieb unangefochten. Erst spät - und auch dann nur langsam - fing man in Deutschland damit an, sich bei der Aus-einandersetzung mit der jüngsten Scheckensgeschichte auch der besonderen Gruppe der Fahenenflüchtigen zu erinnern. Die Deserteure stellen eine eigene und gewichtige Opfergruppe dar. Den wenigen unter ihnen, die nicht hingerichtet wurden und oft wie durch