"Das was zählt ist fe..."

Karibische und lateinamerikanische spirituelle Praktiken in Österreich

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

eines Magisters der Philosophie

an der Fakultät für Geisteswissenschaften

der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von:

German Siegl

am Institut für Volkskunde und Kulturanthropologie

Begutachter: Ao.Univ.-Prof. Dr.phil. Helmut Eberhart

Graz, 2013

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne die Verwendung anderer als der angegebenen Quellen verfasst habe. Alle diesen Werken wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen sind als solche gezeichnet. Diese Arbeit ist bislang keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch nicht veröffentlicht worden.

Graz, März 2013

German Siegl

Danke...

... an alle die es mir möglich gemacht haben diese Arbeit zu schreiben und mich unterstützt haben. ...an die Gesprächsrunden, dem Zuhören, Nachdenken und dem gemeinsamen Austausch. ...an die, die mir bewusst und an die, die mir unbewusst geholfen haben.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung ...... 1

1 Mein Zugang und Reflexion zum Thema der Arbeit ...... 3

2 Überlegungen zur Themenauswahl ...... 4

3 Forschungsstand ...... 5

4 Methoden ...... 9

4.1 Die erste Suche ...... 9

4.2 Feldforschung ...... 13

4.3 Interpretative Ethnologie ...... 14

4.4 Ethnografische Interviews ...... 16

4.4.1 Schlüsselinformanten- und Experteninterview ...... 17

4.4.2 Leitfadeninterview ...... 18

4.5 Fotodokumentationen ...... 19

5 Begriffe ...... 20

5.1 Amalgamisierung ...... 21

5.2 Magie und Ritual ...... 22

5.3 Schamanismus ...... 25

5.4 Allan Kardec ...... 27

6 Von der Karibik nach Österreich ...... 31

6.1 Vom Buch bis hin zur Eingebung ...... 31

6.2 Die Wiederkehr der magischen Welt ...... 32

6.3 Gemeinsame Geschichte ...... 34

7 Die Geister bedienen ...... 35

7.1 Vodu als Bezeichnung ...... 36

7.2 in New Orleans ...... 37

7.3 ...... 38

7.3.1 Money House Blessing ...... 41

7.3.2 Agua florida ...... 42

7.3.3 La Milagrosa...... 44

7.4 Vodu in Haiti ...... 45

7.5 Vodu in der Dominikanische Republik ...... 47

7.6 Die ...... 48

7.6.1 "Heilige Klara, ich bitte für Klarheit..." ...... 53

7.6.2 "Papa Legba, öffne meine Wege..." ...... 58

7.6.3 Corn Lanbi und getanzte lwa...... 61

7.7 Vévé - rituelle Zeichen ...... 65

8 Santería ...... 68

8.1 Von Kuba nach Amerika ...... 71

8.2 ...... 73

8.2.1 Los Guerreros ...... 73

8.2.2 Siete potencias africanas ...... 75

8.3 Heilungssuche in der Santería ...... 77

8.4 Initiation ...... 79

8.5 Misa espiritual ...... 80

9 Depossession ...... 84

9.1 Verirrte Seelen ...... 84

9.2 Ablauf...... 87

9.3 Der weiße Tisch ...... 87

9.4 Rituelle Reinigung ...... 88

9.5 Die Sitzung ...... 89

9.6 Die Medien ...... 91

10 Curanderismo ...... 94

10.1 Curar ...... 94

10.2 Varianten des Heilens ...... 95

10.3 Beckenschiefstand und Blockaden ...... 97

10.4 Extraktion von krankmachenden Energien ...... 98

10.5 Tsentsak...... 99

10.6 La Mesada und Consulta ...... 100

11 Mexikanische Zauberartikel im Ethnoladen ...... 102

11.1 Milagros ...... 102

11.2 Zauberseifen und Zauberpulver ...... 104

11.3 Mexikanische Heiligenbrieftäschchen ...... 108

12 Objekte als Träger sakraler Kräfte ...... 109

13 Kommunikation mit den Geistwesen ...... 111

13.1 Träume und Intuition ...... 111

13.2 Kauri Orakel ...... 112

13.3 Inkorporation ...... 114

14 Resümee ...... 116

14.1 Verbindung zum spirituellen Gewebe ...... 116

14.2 Die Wiederverzauberung der rationellen Weltsicht...... 118

14.3 Gerufene und Berufene ...... 119

14.4 Zentrale Geistwesen ...... 120

14.5 Ausblicke ...... 121

Literatur ...... 123

Internetquellen ...... 131

Weiterführende Literatur ...... 134

Abbildungsverzeichnis ...... 135

Begriffserklärungen ...... 136

Einleitung

Abseits des religiös bekannten Alltags der großen Religionen gibt es Menschen, die anderen religiösen Traditionen, Praktiken und Glaubensinhalten folgen. Aus allen Teilen der Welt werden spirituelle Praktiken und Religionen erlernt, vererbt und praktiziert. Sie überwinden Grenzen und die Geschichte, werden erneuert und angepasst, an den Zeitgeist, an die Kultur und an das persönliche Empfinden. Meine Arbeit beschäftigt sich mit einem Teil der Praktiken, die ihre Ursprünge in der Karibik und in Lateinamerika haben. Auch von jenen Praktiken berichte ich nur von einem Teil, der mir persönlich zugänglich war und den ich auf Österreich beschränkt habe.

Um diese Welt dem Leser, der Leserin dieser Arbeit zugänglich zu machen, bedarf es einiger Vorbereitungen und das Heranführen an die für die jeweiligen Praktiken bedeutenden Begriffe. Fachbegriffe habe ich in dieser Arbeit in kursiv geschrieben, sie sind auch bei den Begriffserklärung am Ende der Arbeit zu finden.

Die Arbeit beginne ich mit meinem gedanklichen Einstieg in das Thema, ein Ereignis, das mich bewogen hat, darüber Fragen zu stellen und der Komplexität dieser Praktiken nachzugehen. Anschließend folgt ein Kapitel über meine bei den Interviews verwendeten Methoden, meine theoretischen wie auch praktischen Zugänge. Darin befinden sich auch meine Leitfäden, die mir in der Arbeit und bei den Gesprächen sehr geholfen haben.

Im nächsten Kapitel diskutiere ich vier Begriffe, die mir für diese Arbeit wichtig erschienen, um ein wenig Klarheit in die Vielfältigkeit der Ansichten von Amalgamisierung, Magie, Ritual und Schamanismus zu bringen. Allan Kardec rundet dieses Kapitel ab und führt, mit seinen Theorien zum Spiritismus, bereits zu manchen Aspekten der spirituellen Praktiken ein.

Im Kapitel "Von der Karibik nach Österreich" gehe ich der Frage nach, wie Wissen transportiert wird und wie rationelle Vorstellungen mit magischen verknüpft werden. Das Kapitel schließt mit der gemeinsamen Vorgeschichte der spirituellen Praktiken ab, einem einschneidenden Punkt in der Vergangenheit, der daran mitbeteiligt war, dass sich Vorstellungen in die Richtung entwickelt hatten, so wie sie sich heute präsentieren.

1 Hier beginnt der Teil, in dem ich meine Feldforschungen und die untersuchten spirituellen Praktiken vorstelle. Ich beginne mit Vodu, ein Begriff, der noch immer mit vielen Vorurteilen beladen ist. Ich behandle einzelne Richtungen dieser Praktiken und gehe auf spirituelle Produkte näher ein. Drei Unterkapitel darin widmen sich der praktischen Annäherung an Vodu.

Die Santería ist ein weiteres Kapitel. Ich beschreibe sie in ihren Teilen und zeige die Praxis und die Welt dieser Religion, wie sie sich mir darstellte.

Die Depossession beschreibt eine Praxis, mit deren Hilfe verirrten Seelen geholfen werden kann. Ich beschreibe eine Sitzung, bei der ich anwesend war und den Aufbau dieser spirituellen Arbeit. In diesem Kapitel gehe ich auch näher auf die Funktion von Medien, den Vermittlern zwischen der Welt der Menschen und der Geister, ein.

Curanderos sind das Thema des nächsten Kapitels. Es ist eines der Themen, das am schwersten für mich zu fassen war, da es sich um einen Begriff handelt, der sich sehr individuell darstellt, aber weit verbreitet ist und im gesamten spanischsprachigen Raum Verbreitung findet. Die Praktiker und Praxis selbst sind jedoch äußerst individuell und kulturell geprägt. Auch hier, am Ende des Kapitels, schreibe ich über Zauberartikel, die einen mexikanischen Ursprung haben. Von diesem Artikel ausgehend betrachte ich im 11. Kapitel die Verwandlung von Alltagsgegenständen in magisch geladene Objekte.

Abschließend ergab sich ein Kapitel, das von der Kommunikation mit den Geistwesen handelt. Es geht auf die Möglichkeiten, die sich mir im Feld ergaben, ein und erörtert ihre Funktionsweise und Erscheinung.

Im Resümee fasse ich die Arbeit nochmals zusammen und gehe auf Antworten, neue Fragestellungen und Gedankengänge ein, die sich während der Ausarbeitung dieser Arbeit ergaben. Fragestellungen in die Zukunft beenden dieses Kapitel.

2 1 Mein Zugang und Reflexion zum Thema der Arbeit

Es ist Frühling, ich sitze in einer Altbauwohnung in der Annenstraße in Graz. Die Wohnung ist schlicht eingerichtet, das Besondere ist jedoch der Platz, auf dem ich sitze. Hinter einer, mit einem Vorhang, abgetrennten kleinen Raum sitze ich auf einem holprigen Plastikgartensessel vor einem noch kleineren, runden, Tisch, auf dem Karten verteilt sind. Dahinter befindet sich ein auf einem Regal aufgebauter Altar. Rund um mich hängen viele Heiligenbilder und der Boden ist mit Kerzen, Tassen mit Kaffee, Flaschen und allerhand Kuriosem bedeckt. Dazwischen sitzt er, Baron del Cementerio, inkorporiert in einem Medium der la 21 Divisiones, dem dominikanischen Vodu.

Ich erhalte Ratschläge aus den Karten, werde von dem misterio gereinigt und erhalte auch die Möglichkeit mit anderen misterios zu sprechen. Besucher kommen und gehen und ich beobachte die Szenerie, es wird gelacht, geweint und um Hilfe gebeten. Die Besucher bekommen Ratschläge für ihr Leben und Rezepte ausgehändigt, für rituelle Bäder, Gebete, Kerzenzauber oder Einreibungen. Ich entdecke im Altarraum Produkte aus Lateinamerika sowie aus dem nahen Supermarkt: Essenzen, Öle und Kräuteransätze. Bekanntes und Unbekanntes, agua florida, Kölnisch Wasser, Kerzen, Schnaps, Rum, Whiskey, Kaffee.

Da ich schon einige Medien und Praktizierende der karibischen Religionen und Praktiken besucht habe, drängte sich nun die Idee auf, was diese Medien hier eigentlich machen? Wie bringen sie ihr Wissen nach Österreich? Wie wird es weitergelebt und wie arbeiten sie? Ändern sich die Arbeiten hier auf österreichischem Boden? Es gibt eine große Vielfalt an Literatur über die Geschichte der Sklaverei und die damit verknüpften, eingeführten religiösen Vorstellungen in der Karibik. Es gibt Literatur und Forschungen, wie sich die religiösen Praktiken im jeweiligen Land verhalten und wie sie gelebt werden. Nun möchte ich einen Schritt weiter gehen, und frage, wie es sich nun in Österreich verhält, wie leben und sehen die VertreterInnen dieser spirituellen Richtungen ihre Aufgaben und Praxis.

3 2 Überlegungen zur Themenauswahl

Während der Beschäftigung mit meinem Thema hatte ich die folgende Diagrammvorstellung, die sich visuell in meinem Kopf eingeprägt hatte. Die drei wichtigsten Einflüsse im karibischen und lateinamerikanischen Bereich setzten sich aus afrikanischen, europäischen und indigenen Vorstellungen zusammen. Je nach Zusammenspiel der drei Faktoren erhalten die jeweiligen Praktiken eine Gewichtung und einen Schwerpunkt in ihrer Arbeit. Europa trug mit christlichen Vorstellungen wie der Heiligenverehrung, Zauberbüchern und volksmedizinischen Praktiken etwas dazu bei, aus Afrika gesellten sich afrikanische Gottheiten, Bessessenheitstrance, rituelle und kosmologische Vorstellungen hinzu. Aus dem indigen-karibischen Bereich hat sich die Verwendung der lokalen Flora und Fauna erhalten, ebenfalls manche rituelle und kosmologische Vorstellungen, der Gebrauch von Tabak und in manchen Richtungen die Erinnerung und die Anrufung der indianischen Vorfahren des Landes.

Ich entdeckte, dass je nach dem Fokus einer Studie oder Literatur einer oder mehrere Bereiche ausgeprägter beschrieben werden als andere. Literatur, die sich mit der Geschichte und den Namen der Geistwesen aus dem Vodu oder der Santeriá befasst, hat einen stark afrikanischen Bezug. Betrachtet man Geistwesen oder sogar Ritualelemente und orale Mythen näher, findet man darin auch indianische Bezüge und Elemente, wie zum Beispiel den erwähnten rituellen Gebrauch des Tabaks oder Verschmelzungen von afrikanischen und karibischen Geistwesen. Verschmelzungen mit europäischen Elementen sind ebenfalls deutlich ausgeprägt.

4

indigene Vorstellungen

europäische afrikanische Vorstellungen Vorstellungen

Abbildung 1: Gedankenmodell

Mein Gedankenmodell zeigt die drei bekanntesten Einflüsse auf die karibischen spirituellen Praktiken. Innerhalb der drei Einflüsse entfalten und konstruieren sich die Anwendungen und Religionen. Je nach Tradition und persönlichen Ansichten gewinnen sie an einer oder mehreren Färbungen, die sich in der jeweiligen Praktik im Ritual, den Mythen und den Vorstellungen zeigt und manifestiert.

3 Forschungsstand

Wegen des Umfanges der Themen dieser Arbeit, gebe ich im Folgenden einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand. Hervorzuheben für Österreich ist der Ethnologe und Bewusstseinsforscher Manfred Kremser, welcher mit seinen Forschungen zu afrokaribischen Religionen einen wichtigen Beitrag leistet. Grundlegend ist auch sein Sammelband: "Ay Bobo". Afro-Karibische Religionen/African-Caribbean Religions. Viele der darin schreibenden Autoren beschäftigen sich auch in ihren eigenen Studien mit Varianten von afro-karibischen Religionen und Praktiken, wie etwa Wittigo Keller und Gerhard Kubik. Einen guten Überblick gibt auch Astrid Reuter in ihrem Buch Voodoo. Und andere afroamerikanische Religionen. Vodu wird auch in Amerika seit langem untersucht und diese Literatur dient oftmals als Basiswerke zur Quelleninformation über die Struktur und Glaubenswelt des Vodu. Allen voran nenne ich Zora

5 Neale Hurston, welche mit Tell my Horse. Voodoo and Life in Haiti and Jamaica und Mules and Men einen Interessanten Einblick in die Lebens- und Glaubenswelten auf Haiti, Jamaica und den Südstaaten gibt und mit ihrer angefügten Liste über die Paraphernalia of Conjure einen kleinen Einblick in die verwendeten spirituellen Produkte gewährt. Nähere Informationen über Hoodoo in den Südstaaten gibt auch Harry Middleton Hyatt, auf den ich im Kapitel über Hoodoo etwas näher eingehe. Die Avantgarde Regisseurin Maya Deren drehte in den Jahren 1937 bis 1954 einen Dokumentarfilm über den haitianischen Vodu. Das daraus entstandene Buch Divine Horsemen. The Living Gods of Haiti gilt auch heute noch als wichtige Recherchequelle wie auch Alfred Métraus Voodoo in Haiti. Bedeutsam sind auch die Werke von Melville Herskovits.

Durch das Interesse in Vodu sowie Hoodoo gibt es einen großen Kreis an Populärliteratur die teilweise von Initiierten, von WissenschaftlerInnen als auch von Laien geschrieben wurden und werden. Dies macht das Feld sehr unüberschaubar, dadurch habe ich mich auch primär auf klassische Literatur und wichtige Forschungen gestützt um den Rahmen einzugrenzen. Im deutschsprachigen Raum sowie in Internetforen sind es vor allem die auf die Praxis gestützten Werke, welche die Vodugläubigen beeinflussen. Herausstreichen möchte ich den Autor Papa Shanga, mit seinen Werken Praxis der Voodoo-Magie. Techniken, Rituale und Praktiken des Voodoo und Voodoo-Praxis. Neue Techniken, Rituale und Praktiken des Voodoo sowie den Autor Papa Nemo: Der Weg des Voodoo. Von den Grundlagen zur Praxis. Papa Nemo soll, Informationen aus dem Internet zufolge, ein in Wien lebender Vodu- Priester sein, der sich jedoch aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat.

Basisliteratur zum Vodu in der Dominikanischen Republik findet man primär auf Spanisch. Bedeutsam sind dabei Geo Ripley: Imágens de Possesión. Vudú dominicano mit einem Fokus auf die Bilddokumentation inkorporierter misterios des dominikanischen Vodu; sowie Fradique Lizardo: Apuntes. Relidiosidad popular dominicana und Carlos Esteban Deive: Vodu y magia en Santo Domingo, mit einer umfangreichen Darstellung des dominikanischen Vodu. Im österreichischen Raum ist es Yvonne Schaffler die mit Vodú? Das ist Sache der anderen! Kreolische Medizin, Spiritualität und Identität im Südwesten der Dominikanischen Republik das Thema behandelt sowie die Diplomarbeit von Clarissa Sophia Thurnher „La 21 Division“ – Vodú in der dominikanischen Republik. In Deutschland veröffentlichte Benedikta Tölke ihre

6 Dissertation: Gracias a Misericordia. Ein religiöser Synkretismus in der Dominikanischen Republik.

Zur Santería findet man im Internet eine Informationssammlung von Hans Gerald Hödl, der auch Mitschriften von seinen Vorlesungen zum Thema online gestellt hat1 sowie Informationen von Stefan Küpper: Santería – von afrikanischen über kubanische Heilige zur amerikanischen „Lifestyle-Kultur“2. Eine weitere Diplomarbeit über Ifá und Santería in Wien schrieb Irene Katzensteiner, in Deutschland ist es Lioba Rossbach de Olmos, die über die Santería in Deutschland forscht. Der Theologe Joseph M. Murphy schreibt vor allem über die Santería in Amerika, wie zum Beispiel in seinem Buch: Santeria: African Spirits in America. Mit der Santería und ihre religiöse Migration nach Puerto Rico beschäftigen sich Bettina Schmidt sowie eine Diplomarbeit von Claudia Neuhüttler in Graz. Die Santería umfasst, wie auch der Vodu, eine Vielzahl an Populärliteratur von Initiierten sowie Außenstehenden geschrieben. Dazu würde ich auch Migene González-Wippler zählen, die Abschlüsse in Psychologie und Anthropologie hat, sich jedoch auf populärwissenschaftliche Texte konzentriert, welche jedoch ein breites Angebot an Information bereitstellen.

Literatur und Forschungen über den Spiritismus und seine verwandten Praktiken sind fast immer mit den dazugehörigen und vorherrschenden Religionen und Praktiken verbunden. Allan Kardec bietet dabei die Basis, die man sich mit der Beschäftigung von Praktiken, die eine Verknüpfung mit dem Spiritismus haben, aneignen sollte. Literatur die sich gezielt mit dem Thema Depossession beschäftigt, habe ich keine gefunden. Es liegt nahe, sich zuerst mit dem Spiritismus zu beschäftigen sowie mit der Geschichte und dem Inhalt von brasilianischen Religionen und spirituelle Praktiken. Eine Diplomarbeit über Candomblé und in Graz schrieb Angelika Damm. Der Soziologe Franz Höllinger beschäftigt sich in Graz mit neuer Spiritualität und brasilianischen Religionen und Anna Strobl geht in ihrem Buch Was Graz glaubt: Religion und Spiritualität in der Stadt auf die Glaubenswelten der Grazer Bevölkerung ein, wobei Candomblé und Umbanda Bestandteile dieser Glaubenswelten sind.

1 Vgl. http://homepage.univie.ac.at/hans.hoedl/afram.htm [25.März, 2013] 2 Vgl. http://opus.kobv.de/ubp/volltexte/2009/3920/ [25.März, 2013]

7 Über die grundsätzliche Definition und Arbeitsweisen des Schamanismus, von der Arbeit als Psychopompos, den Formen des Schamanismus und über die rituelle Trance ist Mircea Eliade noch immer Zentrum des Forschungstandes, ein zentrales Werk über den Neo-Schamanismus schrieb Michael Harner.

Im Bereich des Curanderismo ist es wichtig auf die Region dieser Praktik und auf das individuelle Verständnis des Begriffes einzugehen. Ich habe mich auf die Definition und die Erzählungen von meinem Informanten Georg Gschwandler gestützt und notwendige Informationen durch weitere Literatur ergänzt. Åke Hultkrantz, ein schwedischer Religionswissenschaftler und Erforscher des Schamanismus, gibt einen guten Überblick über indigene amerikanische SchamanInnen und HeilerInnen. Amerikanische Forscher, wie Robert Trotter II, schreiben über Curanderos in Mexiko und aus Deutschland sind es Bernhard Wörrle sowie Dagmar Schweizer de Palacios, die Einblicke in dieses Feld im Raum Ecuador geben. Über die Heiler der Shuar schrieb Florian Teubl eine Diplomarbeit an der Universität Wien. Wie bei den anderen Themen gibt es auch hier eine Vielzahl an populärwissenschaftlichen Texten und Literatur, die von Insidern und Visionären geschrieben werden und die Arbeit von Neo- SchamanInnen beeinflussen und für sie bedeutungs- sowie richtungsweisend werdne können. Gerade in diesem Bereich, in dem es keine abgeschlossene Definition gibt, ist es wichtig auf die jeweilige kulturelle und persönliche Sichtweise einzugehen und spezifische Literatur und Forschung zu verwenden.

8 4 Methoden

In diesem Methodenkapitel beschreibe ich die Wege und Arbeitsweisen die ich in meiner Arbeit und während der Feldforschung verwendet habe. Ich beginne mit meinen ersten Schritten, wie ich auf das Thema zugegangen bin und es eingekreist habe. Hier findet man auch meine ersten Stolpersteine, wie ich sie überwunden und durch Literatur und Reflexion schließlich zu Papier gebracht habe. Der Text über die interpretative Ethnologie hat mir einiges an Gedankenverwirrung genommen. Anschließend befinden sich die Kapitel über die Interviewmethoden und meine Leitfäden, die mir Hilfestellung geboten haben. Am Ende behandle ich ein Kapitel über Fotodokumentation, denn die visuelle Darstellung in meiner Arbeit erscheint mir sehr wichtig.

4.1 Die erste Suche

Auf der Suche nach Vertretern und Vertreterinnen von karibischen und lateinamerikanischen spirituellen Praktiken habe ich mich auf meine Erfahrungen gestützt, auf das Hörensagen, auf die Internetrecherche sowie auf Verweise in der Literatur und das Nachgehen von Hinweisen. Manche meiner InterviewpartnerInnen sind nicht in der Öffentlichkeit präsent, zum Beispiel mit einer Webseite oder mit Seminaren, auf denen man ihnen begegnen kann, daher habe ich sie anonymisiert.3 Andere besitzen durch Webseiten und öffentliche Arbeiten bereits eine Präsenz, daher bin ich davon ausgegangen, dass ihr Name auch so veröffentlicht werden kann, in allen Fällen habe ich jedoch zuvor die Bestätigung der InterviewpartnerInnen eingeholt.

Zum Thema karibische und lateinamerikanische Spiritualität gibt es viel Literatur, die vor allem auch aus Amerika stammt, da viele Immigranten aus der Karibik ihre religiösen Praktiken nach Amerika mitgebracht haben. Die Literaturmöglichkeiten sind breit gefächert und ermöglichen einen Einblick von außen, wie WissenschaftlerInnen an diese Praktiken herangehen, aber es gibt

3 Einen ähnlichen Zugang zum Auffinden von InterviepartnerInnen hatte Rossbach de Olmos, 2001, S. 221 f.

9 auch Literatur, die von der Sichtweise der Gläubigen selbst berichtet. Da beinahe jede meiner erforschten Praktiken keine gänzlich festgeschriebenen ewiggültigen Grundlagen hat, gibt es auch hier unzählige Herangehensweisen, Begriffserklärungen und Sichtweisen. Dabei finde ich es wichtig, sich immer zu fragen, von welchem Hintergrund aus schreibt diejenige Person und wie werden Erfahrungen und Begriffe individuell verortet und verwendet. In jedem Kapitel werde ich am Anfang zuerst auf diese Varianten kurz eingehen und Versuchen für diese Arbeit Ordnung zu schaffen. Dabei scheint es mir wichtig, nochmals zu erwähnen, dass diese auch meine eigenen Erfahrungen und Interpretationen zum Thema widerspiegeln und diese auch Teil dieser Arbeit sind.

Literatur hilft dabei, Orientierung zu schaffen und erste Einblicke in das Thema zu geben. Es hilft, die Frage und das Thema einzukreisen und sich mit gewissen Spezifika vertraut zu machen. Bei der Erforschung von religiösen Themen ist es meiner Meinung wichtig sich auch direkt in das Feld zu begeben und die Akteure und Akteurinnen bei ihren Handlungen zu begleiten. Vieles in der Literatur beschriebene ist starr, es ist aufgeschrieben und gewissermaßen fixiert, es unterscheidet sich jedoch vehement wenn man sich direkt in das Feld begibt, wo diese Phänomene, die Geister und der Glaube und die Interaktion mit ihnen, lebendig werden. Die InformantInnen sind es, die jede Arbeit mit Wissen füttern und es ermöglichen dieses zu notieren.4 Bereits heute weiß ich, dass die Erfahrungen, die ich hier in der Arbeit verarbeite, bereits in einigen Jahren eine andere Struktur haben können, denn die Gläubigen entwickeln sich weiter, genauso wie ihre Arbeitsmethoden und Ansichten.

Zu Beginn dieser Arbeit habe ich mich auf Texte gestützt, die mir halfen eine erste Ordnung in diesem sehr großen und weitreichenden Thema zu finden. Manfred Kremser zählt in seinem Beitrag "Afrokaribische Religionen in der Karibik"5 bereits einige Vertreter der karibisch- spirituellen Praktiken, gelistet nach Insel beziehungsweise Staat, der religiösen Tradition sowie die dazu passende wissenschaftliche Literatur, auf:

Barbados: Spiritual Baptists "Tie-Heads"

Carriacou/Grenada: Big Drum Dance

4 Vgl. Först, 1994, S. 23- 42 5 Vgl. Kremser, 2005, S. 185 sowie vgl. Kremser, 2009, S. 307

10 Dominikanischen Republik: Gaga und Vodou

Grenada: Big Drum Dance, Saracas, , Shango Baptists, Spiritual Baptists

Guadeloupe: Gadèdzafé

Haiti: Vodou, Cohortes

Jamaika: , , , Reviaval/Zion, Pocomania, ,

Kuba: Regla de Ocha (Santería, Lucumí), Regla de (Palo Monte, Palo Mayombe), Regla de Arara, Abakuá (Nañigo)

Martinique: Kenbwazè

Puerto Rico: Espiritismo, Santerismo, Santería (Lucumi)

St. Kitts and Nevis: Obeah, Masquerade bands

St. Lucia: Kélé, A-Bwè, Koutoumba, La Rose und La Marguerite

St. Vincent: Spiritual Baptists

Tobago: Orisha Religion (Shangó)

Trinidad: Mother Earth, Orisha Movement (Shangó), Rada, Spiritual Baptists

Venezuela: Maria Lionza

Eine Diplomarbeit über afrobrasilianische Religiosität in Graz gibt es auch von meiner Kollegin Angelika Damm. Sie schreibt über Candomblé und Umbanda, die ihre Ursprünge in Brasilien haben und von denen es ebenfalls VertreterInnen in Österreich gibt.

Aus der Literatur tauchte immer wieder der Hinweis auf, dass es neben den afrokaribischen Praktiken auch solche mit einem stärkeren Bezug auf indigene Vorstellungen gibt. Diese fand ich vor allem in der Arbeit mit den Praktiken in Südamerika, in der Arbeit fasse ich sie unter der spanischen Bezeichnung Curanderismo zusammen. Die Einteilung in Bereiche mit einem mehr afrikanischen wie indigenen Einfluss ist eine grobe Struktur zur eigenen Orientierung.

Meine InterviewpartnerInnen brachten mich schließlich zum folgenden Rahmen meiner Arbeit: zwei Informantinnen halfen mir bei der Ausarbeitung des Themas zu Vodu, zwei Informantinnen zum Thema Santería, eine zum Thema Depossession und ein Informant zum Thema Curanderismo. Durch Verknüpfungen der Feldforschungsergebnisse gehe ich auch noch auf

11 Hoodoo etwas näher ein sowie auf spirituelle Produkte und Waren, die ich im Rahmen meiner Forschung gefunden und gesammelt habe.

Wie Bettina Schmidt stelle auch ich mir die Frage, was sich denn nun eigentlich in den Gläubigen, im Inneren der Befragten, abspielt. Denn die Probleme, dass „…religiöse Erfahrungen in vielen Kulturen gar nicht verbalisiert [werden]…“ und „…Gläubige sind es nicht gewohnt, verbal auszudrücken was sie erleben…“, und zum anderen sind „religiöse Erfahrungen in den meisten Kulturen eine höchst private Angelegenheit[…] und mitunter verbieten es religiöse Regeln mit Außenstehenden darüber zu sprechen"6, waren mir durchaus bewusst. Aus diesem Grund entschied ich mich immer für die persönliche Teilnahme an den Ritualen und den Zeremonien, sofern sie mir offenstanden und sich die Möglichkeit dazu ergab.

"Über Religiöses zu reden heißt immer, Persönliches zu offenbaren. Es kommt darauf an, diese Ebene zu erreichen. Das kann nur gelingen, wenn zuerst wir 'echt', das heißt persönlich aufrichtig sind. Nur dann können wir auf verbindliche Auskünfte hoffen"7, schreibt Petra Siegmann. Der Besuch bei meinen InformantInnen fiel immer anders aus und ich konnte nie wissen mit welchen Hindernissen meine Interviews ablaufen werden. Ich habe versucht so offen wie möglich zu bleiben. Ausgestattet mit meinen Leitfragen, einer Kamera, einem Block, Schreibstiften und einem Aufnahmegerät begab ich mich ins Feld um meine Forschungen durchzuführen. Bei den ersten Interviews passierten immer dieselben Vorfälle, es war schlicht nicht möglich das bereits laufende Gespräch zu unterbrechen, das Essen einzustellen, die Stimmung und das Vertrauen zu kippen, nur um ein Aufnahmegerät einzuschalten. In einem Interview wurde ich sogar darauf hingewiesen, dass der Moment dafür nicht passend sei. Einerseits erweckte dies ein Gefühl der Unsicherheit in mir, da ich mich schon auf das Aufnehmen eingestellt habe und es ein Sicherheitsgefühl gibt. Andererseits ergaben sich dadurch sehr tiefe und interessante Erfahrungen und Möglichkeiten das Interview zu leiten. Ich hatte ja noch meinen Notizblock. Nach den ersten Gesprächen habe ich diese Interviewform beibehalten. Ich habe diejenigen Daten, die mir nicht bekannt waren, die mir neu waren und sich nicht in mein erworbenes Vorwissen einfügten, sofort notiert. Je nach Möglichkeit habe ich die Antworten sofort mitgeschrieben oder am Ende des Interviews notiert. Ich war erstaunt über die breiten Möglichkeiten, die sich dadurch ergaben,

6 Schmidt, 2008, S. 143 7 Siegmann, 1994, S. 58 f.

12 über die Lebendigkeit der Interviews und wie sich die Erfahrungen und die Antworten im Kopf rund um die erworbenen Vorinformationen einfügten und ein Ganzes bildeten. Ich glaube heute jedoch, dass dies nur möglich war, da ich bei den meisten Themen schon jahrelange Recherchen und ein vorerworbenes Wissen hatte. Wären mir diese Themen komplett neu und unbekannt, wäre es so nicht möglich gewesen die Daten und Informationen festzuhalten. Während des Schreibens erfolgt eine automatische Reflexion des Themas und des Erlebten, die sich schließlich gleich in den Aufzeichnungen widerspiegeln und die ich sofort an meine Leitfragen anpassen konnte.8

Hubert Knoblauch spricht auch das Problem an, wie man etwas verschriftlichen kann, das eigentlich nicht sprachlich ist. Rituale und spirituelle Praktiken lassen sich meist leichter in Bildern beschreiben. Ebenfalls empfiehlt er, sich ständig Notizen im Interview zu machen und er spricht dabei drei Formen der Notizen an: Erstens die mentale Notizen, wobei man hier seine Erinnerungen gleich nach den Beobachtungen niederschreibt. Mit der zweiten Art, den Kurznotizen bringt man alle Erlebnisse, Eindrücke, Anmerkungen sowie Schlüsselworte auch während des Interviews gleich zu Papier. Sie helfen auch, sich an das Erlebte wieder zu Erinnern und ähneln einem Anker. Die letze Art der Notizen sind die vollständigen Feldnotizen. Hierbei werden alle Erlebnisse und Kurznotizen zu einem Ganzen zusammengefügt.9

Ich persönlich fand auch den Schreibstil des Ethnografen Hubert Fichte interessant. In seinem Band Xango geht er auf die Religionen in Bahia, Haiti und Trinidad ein. Seine Form zu schreiben erweckt Bilder und dient eben dazu aus Notizen und kurzen Eindrücken ein Ganzes zu formen.

4.2 Feldforschung

Die Feldforschung ist die zentrale Methode unseres Faches. Sie dient dazu Daten aus dem Feld zu erheben und diese als Grundlage für wissenschaftliche Arbeiten zu nehmen. Dazu begibt man sich direkt in das Feld, in die Lebenswelt der InformantInnen und schafft somit einen räumlichen

8 Vgl. Knoblauch, 2003, S. 90- 96 9 Vgl. ebda, S. 91 f.

13 und zeitlichen Ausschnitt eines offenen Feldes.10 In der Praxis steht der ethnologischen Feldforschung eine Methodenvielfalt zur Verfügung. Die Methodenvielfalt ergibt sich aus unterschiedlichen Verfahren und Techniken, die einander ergänzen und kontrollieren sollen. Die beiden großen Datengewinnungsverfahren werden in qualitative und quantitative Verfahren unterschieden. Die quantitativen Methoden beziehen sich auf die Auswertung der Daten in Zusammenhang mit der Anzahl an Informanten, die qualitativen Methoden konzentrieren sich auf die "...inhaltliche Interpretation komplexer Informationen"11. Die gewonnenen Daten aus quantitativen und/oder qualitativen Methoden werden in der Forschung als Grundlage für Beschreibungen des Feldes oder eines Themas verwendet, um damit vorher festgelegte Fragestellungen zu beantworten oder um ein Problem zu lösen. Aus dem Grund der Vielschichtigkeit des Feldes ist eine klare Fragestellung sowie eine theoriebasiertes Vorgehen wesentlich. Dabei stehen nicht nur einzelne Aspekte im Vordergrund, sondern es ist eine ethnologische Eigenart einen ganzheitlichen Blick auf das auserkorene Feld zu haben, Bettina Beer spricht dabei von einer "holistischen Forschung"12. Dabei verweist sie auf den erweiterten kulturellen Kontext der eigenen Fragestellung, wobei auf Fragen nach dem Umfeld, der Muster sowie Grundlagen der Interviewten eingegangen werden soll.

4.3 Interpretative Ethnologie

Die Theorie der interpretativen Ethnologie hat mich angesprochen. Dabei bedient sich der/die ForscherIn unterschiedlicher Methoden zum Erkenntnisgewinn und überdenkt die Theoriebildung. Viele Theoriebildungen und gewonnene Daten werden meist induktiv ausgewertet. Dabei schließt man von Einzelfällen auf das Allgemeine, diese Methode sollte jedoch immer mit theoretischen Überlegungen und Vorentscheidungen verknüpft sein, die reflektiert in die Auswertungen mit einfließen sollen.13 Dabei entsteht auch eine Art Paradoxon, denn durch die Reflexion über sich selbst und dem Arbeitsfeld kann sich der

10 Vgl. Beer, 2008², S.11 11 Ebda, S.11 12 Ebda, S.12 13 Vgl. ebda.

14 Erkenntnisgegenstand entziehen, sich in Doppeldeutigkeit auflösen oder schließlich sogar transformieren.14

Irmtraud Stellrecht schreibt über die Methode der interpretativen Ethnologie, die sich durch folgende Punkte von der analytischen Ethnologie abgrenzt, folgendes:

- Es gibt keine Gegenstände in der Welt an sich, ihre Realität und ihr Entstehen erhalten sie durch Bedeutungen, die ihnen von Teilnehmern einer bestimmten Kultur zugewiesen werde.

- Diese Kulturen erschaffen sich interpretierend und sinnstiftend ihre eigene Welt.

- Die gegebenen Bedeutungen sind nicht äußerlich sondern konstituieren sich erst über einen Handlungs- und Kommunikationskontext.

- Diese Welt der bedeutungsvollen Gegenstände steht als eine Realität für sich da.

- Diese Realität gilt es als Ethnologe/In zu akzeptieren und, da sie nicht direkt fassbar ist, aus dem Kontext von Reden, Verhalten/Handeln bei der Feldforschung zu erkennen und zu verstehen.15

Dabei versucht der Ethnologe/die Ethnologin das Beobachtete auszulegen und zu deuten um es verstehen zu können. Beide Seiten der Beobachtung, der/die EthnologIn und die InformantInnen tragen dabei Wissen und Interesse an das Thema heran. Durch die Kommunikation über den Gegenstand entsteht ein gemeinsames Ergebnis, wobei der Forschungsgegenstand und der Forschungsvorgang miteinander verbunden werden. Die Ergebnisse können dabei nicht richtig oder falsch sein, sondern sachadäquat, je nach der vorhergegangenen Forschungsfrage und den Methoden, die man anwendet. Irmtraud Stellrecht weist auch auf die verschiedenen Antwortmöglichkeiten hin, je nachdem aus welcher Perspektive man den Forschungsgegenstand betrachtet.

Der Prozess des Übersetzens der Ergebnisse in einen geschriebenen Text ist ein weiterer.16 Die beschriebenen Beobachtungen erfordern eine weitere Reflexion und Interpretation und "...für das im Text Beschriebene findet sich daher auch keine unmittelbare Repräsentation im

14 Vgl. Stellrecht, 1993, S. 29 f. 15 Ebda, S. 36 16 Vgl. ebda.

15 Forschungsfeld".17 Mit diesen Ergebnissen besteht die Gefahr den Weg zu den anderen Kulturen zu verbauen, denn es entsteht eine Wertung und diese Wertung entspricht westlichen Wissenschaftsmodellen, die man dem Forschungsgegenstand überstülpt.18 Dabei muss klar sein, dass in jeder Interpretation auch die eigene, subjektive Wahrnehmung einfließt. Der Forschungsgegenstand löst einen Verstehensprozess aus, zwischen dem Untersuchenden und dem Untersuchten. Dabei werden nicht Teilaspekte wichtig, sondern das Verstehen des Ganzen, in dessen Weltgefüge der Forschungsgegenstand eingebettet ist.19

4.4 Ethnografische Interviews

Das Interview ist die zentrale Methode zur Datengewinnung, dabei erfolgt ein intensiver Austausch zwischen dem Interviewer und den Informanten. Die dabei angesprochenen Phänomene, das ein Interview ein "grundsätzlich unabschließbarer Komplex"20 sowie auch eine Prägung der Beteiligten aufweist und immer wieder "eigen und neu"21 ist, sowie eine "hohe Aufmerksamkeit und Offenheit für Unerwartetes"22 verlangt, kann ich nur bestätigen. Ein Interview kann und soll vor allem nicht nur aus einer reinen Fragerunde mit den eigenen Leitfragen bestehen, sondern einen Gesprächscharakter haben, in einer angenehmen Atmosphäre und einer Offenheit, auch auf der Seite der Interviewer.23 Hubert Knoblauch bezeichnet das ethnographische Interview als Methode, die dazu dienen soll, die eigenen Klassifikationen der InterviepartnerInnen zu verstehen und sich anzueignen. Dabei werden auch halbstandardisierte Interviews verwendet, welche aus einem Teil festgelegter Fragen bestehen sowie aus einem zweiten Teil aus Fragen, die einen offenen Ausgang besitzen sowie Fragen, die spontan gestellt

17 Stellrecht, 1993, S. 36 18 Vgl. ebda, S. 37 19 Vgl. ebda, S. 39 f. 20 Schlehe, 2008², S. 119 21 Ebda 22 Ebda 23 Vgl. ebda, S.120

16 werden. Ich habe versucht mit dieser Möglichkeit das Gespräch abzurunden und mit spontanen und offenen Fragestellungen Wissenslücken zu schließen.24

Judith Schlehe verweist auf eine grobe Gliederung der qualitativen Interviews in unstrukturierte und halbstrukturierte Interviewformen, die allerdings in der Praxis zusammenschmelzen und selten eine strenge Gliederung aufweisen. Die unstrukturierten Interviews sind die Leitfäden und ein festes Frage- Antwortschema ist nicht vorhanden. Die Informanten erzählen frei was ihnen wichtig erscheint und formen den Inhalt des Interviews. Im Stile der narrativen Interviews wird den Informanten viel Raum für das Erzählte gegeben. Der Einstieg erfolgt meist durch eine gezielte Frage oder eine Schlüsselfrage, wobei durch Aufforderungen der Erzählfluss verstärkt wird. Durch weitere Fragen können Aspekte vertieft werden und weitere Erzählanstöße gegeben werden. Am Ende wird auf einzelne Aspekte und Erklärungen eingegangen. Der Interviewer versucht hierbei keine eigenen Interpretationen in das Interview zu legen, sondern versteht sich als Zuhörer.25 Beim problem- beziehungsweise themenzentrierten Interview konzentriert man sich im Interviewprozess auf ein zentrales Thema, das durch eine Einleitungsfrage näher erörtert wird. Der/die InformantIn gestaltet dabei die Antwort formal und inhaltlich wie er/sie möchte. Dabei versucht man durch weitere Fragen das Thema zu vertiefen beziehungsweise etwaige Personen, die abschweifen, wieder zum Thema zurück zu bringen, dabei kann man sich auch am Leitfaden orientieren.26

4.4.1 Schlüsselinformanten- und Experteninterview

Hat man als Informanten einen Menschen, der als repräsentativ für alle gelten soll, beziehungsweise der/die als ExpertIn für das Thema gilt, dann spricht man von einem Schlüsselinformanten- und Experteninterview. Diese Personen gelten als Experten und als besonders kompetent in ihrem Gebiet. Diese Interviews bieten sich vor allem an, wenn man Zusammenhänge in einem Thema erörtern, Handhabungen und Arbeitsabläufe sowie

24 Vgl. Knoblauch, 2003, S. 115- 119 25 Vgl. Schlehe, 2008², S. 125 f. 26 Vgl. ebda, S. 125 f.

17 Organisatorisches betrachten will. Allgemeine Kritiken bei den Auswertungen liegen bei den Verallgemeinerungen, da eine Person nie repräsentativ für eine Gesamtheit gesehen werden kann.27

4.4.2 Leitfadeninterview

Das Leitfadeninterview gehört zu der Gruppe der halbstrukturierten Interviews. Dabei liegt der Fokus auf der Vergleichbarkeit der erhaltenen Daten, wenn man mit mehreren Interviewpartnern arbeitet, aber auch auf dem besseren Fokus auf das Interview, wenn man die Informanten nur ein einziges Mal interviewen kann. Das Leitfadeninterview unterstützt auch bei den ersten Gesprächen und ermöglicht eine gute Vorbereitung auf die Interviews und gibt somit eine gewisse Sicherheit. Der Fokus bei den Fragen sollte auf zentrale Themen und Aspekte liegen, sowie auf konkreten Fragen, wenn sie für die Arbeit eine zentrale Rolle einnehmen sollen. Erfahrungsgemäß ist es angenehm, die Leitfragen nicht abzuarbeiten, sondern in das Gespräch einzubauen und dem Gespräch so eine natürliche Form zu geben. Judith Schlehe weist auch auf das Phänomen hin, dass es zu einer Unsicherheit kommen kann, wenn ein Fragebogen zwischen den InterviewpartnerInnen liegt und es so zum Abriss des Gesprächsflusses kommen kann. Auch das unsichere Nachblättern und das Konzentrieren auf eine Liste können Blockaden zur Folge haben. Daher bietet es sich an, die Leitfaden mehr oder weniger im Kopf und Gefühl zu haben.28

Mein Leitfaden für die Leitfragen war folgender:

- Der Transport des Wissens, wie geschieht er, die Verbreitung und der Erhalt des Wissens. Wird die Technik angepasst oder behält es die synkretistische Grundsubstanz oder wird es als "starres" System behandelt.

- Persönliche Sichtweise der Veränderungen und der Arbeitsweisen. Das Anpassen an Europäische Verhältnisse und Gedankenmuster. Welchen Stellenwert hat das Mutterland.

- Warum gerade dieser Weg oder die Mischung aus verschiedenen Wegen.

27 Vgl. Schlehe, 2008², S. 128 f. 28 Vgl. ebda, S. 126 f.; vgl. Knoblauch, 2003, S. 113

18 - Verwendung von religiösen Paraphernalia.

- Spirituelles Weltbild, Arbeit und Rituale, die Praxis.

- Einfluss der Geistwesen und der geistigen Welt. Wie ist die Kommunikation, auf welche Weise und auf welche Art.

- Die Weitergabe des Wissens, der initiatorische Prozess.

- Integration von indigenen Vorstellungen und Arbeitstechniken.

- Der persönliche Ausblick.

- Vernetzungen innerhalb von Österreich mit der gleichen Tradition und/oder fremden Traditionen.

4.5 Fotodokumentationen

Mit der Digitalkamera habe ich versucht im Feld wichtige Elemente als Fotografie festzuhalten. Auch hier versuchte ich nur dort Fotos zu machen, wo es mir auch erlaubt wurde und wo ich es als passend empfunden habe. Bei den gesammelten Objekten habe ich im jeweiligen Kapitel ein Bild hinzugefügt, da ich der Meinung bin, dass auch hier Bilder über das Objekt, welches beschrieben wird, mehr Aussagen. Ebenfalls leben spirituelle Produkte und Gegenstände von der visuellen Darstellungen ihrer Formen, Farben, Abbildungen und den hinzugefügten Texten. Aus diesem Grund wäre es schade, sie nicht in die Arbeit aufzunehmen.

Rituale und Tänze, die ich mit Fotos dokumentiert habe, enthalten auch viele Kontextinformationen und Daten sowie Hinweise über das Umfeld sowie über die dargestellte Performance. Aber auch hier sei darauf hingewiesen, dass es ein Ausschnitt, mein Eindruck und meine aufgenommene Wirklichkeit ist. Hubert Knoblauch spricht vier Punkte an, die den Fokus auf den fotografierten Ausschnitt legen, dieser sollte man sich bewusst sein. Er unterscheidet dabei zwischen den settingbezogenen, personenbezogenen, objektbezogenen und den aufgabenbezogenen Aufzeichnungen.29 In dieser Arbeit habe ich mich auf die objektbezogenen

29 Vgl. Knoblauch, 2003, S. 157

19 Aufzeichnungen konzentriert, also die Gegenstände und Symbole der Handlungen sowie auf personenbezogene Aufnahmen, in die ich zwar nicht die Perspektive der Personen eingenommen habe, ihr Handeln jedoch in den Fokus meiner Aufnahmen gestellt habe.

Meine Bilder sind in der Arbeit weniger Mittel der Interpretation zur Feldforschung als mehr eine dokumentarische Festhaltung meiner Beobachtungen. Sie dienen zur Unterstützung des Beschriebenen und zur Festhaltung von Momenten und Gegenständen, die ich gesehen und erlebt habe.

5 Begriffe

Im diesem Kapitel gehe ich auf Begriffe ein, die mit meinem Thema in unmittelbarem Zusammenhang stehen und für die ich eine eigene Diskussion als nötig erachte. Jeder der folgenden Begriffe erscheint zuerst logisch und frei verwendbar, doch nach einer Reflexion und durch die Auseinandersetzung mit ihnen, erkennt man ihre Vielschichtigkeit, kulturelle sowie wissenschaftliche Assoziationen und Verwendungen. Ich beginne mit der Amalgamisierung, dessen inhaltliche Verwendung auch als Synkretismus bezeichnet wird. Gefolgt von Magie und Ritual, die beide mit der Religion interagieren und ihr als ab- oder aufwertendes Konstrukt dienen. Anschließend umreiße ich den Schamanismus, dessen Verständnis auch heute noch offene Fragen aufwirft. Am Ende des Kapitels gehe ich auf den Spiritismus ein, bleibe jedoch bei seinem bekanntesten und auffälligsten Vertreter Allan Kardec, der die Basis zu vielen Praktiken und Ansichten bildet.

20 5.1 Amalgamisierung

Amalgamisierung ist eine andere Bezeichnung für die Hybridisierung zweier oder mehrerer spiritueller Praktiken oder Religionen zu einer neuen. Ethnologisch verwendete beziehungsweise verwendet man hierfür auch den Begriff des Synkretismus, der ein ähnliches System beschreibt. In meinem Gedankenmodell habe ich der Einfachheit halber von einer Vermischung der Vorstellungen gesprochen, da der Begriff des Synkretismus auch auf eine Geschichte von wandelbaren Inhalten zurückgreift.

Benedikta Tölke schreibt von der Verwendung des Begriffs von Seiten der Weltreligionen um damit eine "...aus ihrer Sicht auszumachende Verunreinigung bzw. Verfälschung "reiner", authentischer, religiöser Wahrheiten aufzuzeigen."30 Der Begriff selbst hat zurzeit eine eher negative Rolle und ich stimme mit ihr überein, dass es nicht die Lösung sein kann, viele neue Begriffe aufzugreifen um ein Phänomen zu beschreiben, sondern den Begriff wieder zu einem neutralen Wesen zu verhelfen. Bei genauem Betrachten beschreiben die Begriffe Amalgamierung bzw. Amalgamisierung, Bricolage, Kreolisierung und Interkultur Ähnliches, mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen in der eigenen Definition.31

In der weiteren Arbeit versuche ich diese Begriffe so gut es geht zu vermeiden und die jeweiligen Praktiken als das zu sehen, was sie sind: eigenständige, durch den/die jeweiligen InterviewpartnerInnen geprägte spirituelle Praktiken oder Religionen.

30 Tölke, 2011, S. 33 f. 31 Vgl. ebda, S. 37

21 5.2 Magie und Ritual

"...in religion the serviteur is changed; in magic the world is changed."32

Magie und Ritual sind zwei Begriffe, die mit unterschiedlichen Bedeutungen aufgeladen sind. Im Laufe der Geschichte hat man versucht die beiden zu verknüpfen oder gegenüber zu stellen. Magie ordnete man den traditionellen "primitiven" Kulturen zu und die Religion modernen "zivilisierten". Der Religionsbegriff gehörte zu einer aufgeklärten Gesellschaft, welche jedoch für die theoretische Grundlage der beiden Begriffe eine auf christliches Gedankengut basierende Deutung vornahm. Das Christentum galt als Deutungsmaßstab und Messlatte, als die Idealform einer Religion. Alle Praktiken, die mit den Inhalten und Vorstellungen des Christentums übereinstimmten, erhielten die Deutung einer Religion, alle anderen bekamen den Status der Magie oder Zauberei.33 Heute hat man sich von diesen strengen, an das Christentum angelegten, Werten gelöst und spricht im Allgemeinen nur mehr von Ritualen.

Religionen, in denen Magie einen Handlungsraum einnimmt, sind sich ihrer bewusst, manche AutorInnen versuchen dabei Magie und Religion aufgrund innerer Ordnungen zu unterscheiden. Die religiöse Magie beziehungsweise die magische Religion besteht aus dem gewachsenen Handeln eines religiösen Einheitsbewusstseins, welches mit den Geistwesen arbeitet. Die reine Magie beziehungsweise die profane Magie arbeitet mit der in Gegenständen und heilkräftigen Mitteln innewohnenden Kraft. In der profanen Magie wird kein religiöser Glaube vorausgesetzt.34 Magie bedient sich auch am Glauben, dass man mit Hilfe von Gegenständen und Objekten die Kraft hat, Dinge im Leben zu ändern. Religionen hingehen suchen nach moralischen Disziplinen und nach spiritueller Entwicklung, sie sind auch mehr gruppenorientiert.35

Ritualforscher versuchen den Oberbegriff Ritual in Kategorien zu fassen und ihm so Ordnung zu geben. Dabei sind ihnen die Unterscheidungen je nach kulturellem und religiösen Hintergrund

32 Deren, 2004, S. 200 33 Vgl. Pettersson, 1978, S. 313 ff. 34 Vgl. Mensching, 1959, S. 18 ff. sowie 137 ff. 35 Vgl. Deren, 2004, S. 200

22 bekannt. Ronald Grimes versucht es mit sechs Ritualtypen, die er mit Erfahrungen und körperbezogenen Haltungen verknüpft:

1. Ritualisierung (körperlich, ökologisch) 2. Anstandsregel (interpersonal, formal) 3. Zeremonie (zwischen Gruppen, politisch) 4. Magie (technologisch, kausal, Zweck-Mittel orientiert) 5. Liturgie (religiös, sakral) 6. Feier (spielerisch, theatralisch, ästhetisch)36

Dabei ist die Ritualisierung die wiederholte und stilisierte Gebärde und Tätigkeit. Alle weiteren Ritualtypen haben zu Beginn die Ritualisierung als Voraussetzung und die Ritualisierung selbst verbindet den Menschen mit dem Alltag und seiner Umwelt und ist laut Grimes biologisch in uns begründet. Die Anstandsregeln sind Handlungsformen innerhalb einer Gruppe, welche die Interaktion mit allen Teilnehmern erleichtern soll und sie ergeben sich aus der Reflexion der Ritualisierungen. Diese beiden Ritualtypen sind in ein biologisches und soziales Netz eingesponnen. Die Zeremonie beschreibt einen Ritualtypus, der eine größere Absicht dahinter hat. Die Zeremonie verlangt nach einem Ziel, für das man sich hingibt und wird auch als soziales Drama bezeichnet. Mit Magie beschreibt Grimes Rituale, die eine Wirkung erreichen sollen und auf ein Ziel gelenkt sind und sich somit von anderen Ritualen unterscheiden, die nur mit einer Bedeutung ausgestattet sind. Die Liturgie ist mit Transzendenz verknüpft und sucht einen Bezugsrahmen, der kosmisch wichtig ist, man nähert sich an das Transzendentale an und erfährt dadurch das Heilige. Die Feier, als letzte Gruppierung, hat einen mehr spielerischen Charakter und ist von Spontanität und Ungezwungenheit gekennzeichnet. Die Feier besitzt in sich kein Ziel oder Gewinn, dem es zu folgen gilt.37

Man kommt auch nicht über eine Beschreibung von Magie und Ritualen hinweg, ohne einen Blick auf Arnold van Genneps Abfolgeordnungen von Zeremonien zu werfen. Dabei definiert van Gennep dieses Modell selbst nur für Übergangsriten, also "...Riten, die einen Orts- Zustands-

36 Grimes, 2003², S.119 37 Vgl. ebda, S. 119- 134

23 Positions- oder Altersgruppenwechsel begleiten".38 Gennep unterscheidet drei Teile innerhalb von Übergangsriten:

1. Trennungsriten (rites de séparation) 2. Schwellen bzw. Umwandlungsriten (rites de marge) 3. Angliederungsriten (rites d'agrégation)39

Diese drei Riten werden auch als Phasen bezeichnet, wobei die erste Phase eine Ablösung von einem früheren Zustand bedeutet, der in die Schwellenphase übergeht, in der man sich in einem Zwischenschritt befindet und weder dem alten noch dem neuen Zustand angehört. Im dritten Schritt wird man wieder in die neue Umgebung integriert und in die Gesellschaft ein- bzw. angegliedert. Man erhält dadurch auch Rechte und Pflichten der neuen angenommenen sozialen Strukturen.40

Für Victor Turner sind die Personen oder die Eigenschaften des Schwellenzustands unbestimmt, sie befinden sich in einem Zwischenzustand, zwischen Ordnungen und fixen Positionen des Alltags und des Rituals. Dieser Schwellenzustand bezeichnet ein magisch- religiöses Feld, in dem Wandlungen geschehen können und dieser Zustand wird nicht selten als gefährlich angesehen. Diese Schwellen gelten als Zonen mit magisch- religiösen Eigenschaften und werden „…häufig mit dem Tod, mit dem Dasein im Mutterschoß, mit Unsichtbarkeit, Dunkelheit, Bisexualität, mit der Wildnis und mit einer Sonnen- oder Mondfinsternis gleichgesetzt.“41 In meiner Feldforschung konnte ich Übergansriten vor allem in der Arbeit der Depossession erfahren. Einerseits durch die Entfernung von Anhaftungen von Fremdenergien durch mediales Arbeiten und andererseits durch den Übergang einer verirrten Seele in einen höheren spirituellen Zustand, der durch den Schwellenzustand geschieht. Auch in der Arbeit mit Papa Legba zur Reinigung des Lebensweges befindet man sich direkt im Schwellenzustand, über dem gemalten vévé von Papa Legba und die rituelle Reinigung dient dabei als Hilfe um den Übergang in einen neuen Zustand zu erreichen.

38 Turner, 2003², S. 251 39 Gennep, 2005³, S. 21 40 Vgl. Gennep, 2005³, S. 21 f.; vgl. Turner, 2003², S. 251; vgl. Turner, 2005, S. 94 f. 41 Vgl. Turner, 2003², S. 251- 257; Turner, 2005, S. 95

24 5.3 Schamanismus

Im Rahmen der Diskussion um Geister, Zauberei, Medialität und Heilen taucht auch immer wieder der Begriff des Schamanismus auf. Ich selbst würde ihn in die Nähe des Spiritismus bringen, der meiner Meinung nach eine europäisierte und urbane Form des archaischen Schamanismus ist.

Das Wort Schamanismus ist heute ein so zentraler Begriff geworden, dass sich WissenschaftlerInnen bereits den Kopf zerbrechen, wie dieser Termini nun zu definieren ist und wo Schamanismus zu verorten sei.

Bereits Mircea Eliade weist darauf hin, dass man in der Wissenschaft verschiedene Bezeichnungen unterschiedslos anwendet, aber immer bezogen auf Menschen mit magisch- religiösen Fähigkeiten. Er meint, dass dadurch die Bedeutung des Wortes inhaltslos wird und kein Nutzen mehr vorhanden ist, wie etwa auch die Begriffe Magie und Zauberei.

Ein Schamane und eine Schamanin ist unter anderem Medizinmann/frau, MagierIn, HeilerIn, Psychopomp, PriesterIn, MystikerIn, DichterIn und vieles mehr. Eliade legt den Schamanismus als eine Technik der Ekstase fest. Er sieht den Schamanen, die Schamanin zwar in Verbindung mit den verwandten Disziplinen, wie dem der MagierInnen, ZauberInnen, HeilerInnen oder PriesterInnen und doch auch wieder von ihnen getrennt, da der Schamanismus sich seiner eigenen Methoden bedient. Eliade beschreibt den Schamanismus vor allem auch als Fähigkeit der Trance, insbesondere der Trance mit der Himmelsreise, in dem der Schamane, die Schamanin, den Körper verlässt und in einer Seelenreise zu den Geistwesen reist. Die SchamanInnen, die jedoch mit der Technik der religiösen Besessenheit arbeiten, sieht er als zweitrangig und als "seltene Abirrung" sowie als Menschen, die ihre Geister nicht meistern können.42

In anderen Quellen werden diese beiden Schamanismustypen zusammen genommen, man spricht dann von den zwei Hauptrichtungen im Schamanismus, die mit der praktischen Anwendung von Trance verknüpft sind: die kataleptischen und die kinetische Form. 43 Die kataleptische Trance

42 Vgl. Eliade, 1974, S.13- 16 43 Vgl. Elsensohn, 2000, S. 58; vgl. Hultkrantz, 2002, S. 10

25 bezeichnet die Form, auf die sich auch Mircea Eliade bezieht, der Schamane, die Schamanin reist mit seiner Seele in die Welt der Geister um dort die notwendigen Informationen und Heilarbeiten durchzuführen. Dieser Sichtweise folgt auch der Core Schamanismus nach Michael Harner.44 Die kinetische Trance bezeichnet den Inkorporationsschamanismus, in der der Schamane, die Schamanin ihre Hilfsgeister einladen und durch den Körper manifestieren lassen. Die zweite Form würde somit den Besessenheitstrancen des Vodu und der Depossessionsarbeit entsprechen. Obwohl Eliade diese Arbeitsmethode nicht als Schamanismus bezeichnet, erwähnt er diese Phänomene dennoch in seinem Buch. Dort spricht er jedoch von einem Besitzerergreifen oder einer Verwandlung der Schamanen und davon, dass der /die SchamanIn eine neue Identität annimmt.45 Andere Autoren und Autorinnen sprechen auch von einer weiblichen und einer männlichen Zuschreibung, so gilt die Besessenheitstrance "...als Prozess des Empfangens und der Aufnahme [...] als weibliche Form des Schamanismus."46 Im Gegensatz dazu wäre die Himmelsfahrt, die Ekstase die männliche Form, die man auch als aktive Form bezeichnet, die Besessenheitstrance wäre somit als passive Trance zu sehen.47

Die Trance beziehungsweise die Ekstase ist somit ein zentrales Element bei der Verwendung des Schamanismusbegriffes, dabei kann die Trance verschiedene Zwecke erfüllen und auch in unterschiedlicher Stärke erscheinen. Allerdings gehen manche Autoren davon aus, dass die Trance nicht die einzige Charakteristik ist, da SchamanInnen sie nicht immer einsetzen. Nur bei schweren Beschwerden, die man in Zusammenhang mit bösen Geistern betrachtet, greifen SchamanInnen zur Trancetechnik. Daneben existieren noch unzählige alltägliche Heilbehandlungen.48

Generell ist ein/eine SchamanIn jemand, der durch Begabung oder eine spezielle Ausbildung als Medium fungiert, einerseits zwischen den Menschen als auch zwischen dem Menschen und der geistigen Welt. Dabei steht fast immer eine übernatürliche Kraft im Zentrum der Heilung und der Arbeit. Diese andere Welt ist die Heimat von Geistern, Gottheiten und der Ahnen. Schamanen

44 Vgl. Harner, 2003³, S. 53 ff. 45 Vgl. Eliade, 1974, S. 101 f. 46 Vgl. Kreszmeier, 2001, S.23 47 Vgl. Vgl. Bussel, 1998, S. 82 48 Vgl. Hultkrantz, 2002, S. 10 ff.

26 sind für die Balance dieser Welten und für die Balance der Ordnung in der Gesellschaft verantwortlich sowie für die kulturell- rituelle Erleuchtung.49

Ich glaube, die Bezeichnung Schamane und Schamanin ist dort zu verorten, woher der Begriff stammt: aus dem Mandschu-tungusischen shaman.50 Damit würde ich die HeilerInnen aus diesem kulturellen Umfeld bezeichnen und, wie bereits Mircea Eliade andeutete, nicht alle unterschiedslos mit dem Modewort Schamanismus bezeichnen. Allerdings müssen wir heute auch diesen Modebegriff ernst nehmen, seine Entwicklung beobachten. Es wird für die Zukunft interessant werden, wie sich die verschiedenen Bezeichnungen der "SchamanInnen" zueinander verhalten und entwickeln. Auch der Neoschamanismus wird noch viele Fragen aufwerfen, seine Relation zum traditionellen Konzept des Schamanismus und seine Möglichkeit diesen für die westliche Welt aufzubereiten und gegebenfalls neu zu deuten.

5.4 Allan Kardec

Eine wichtige Rolle in der Beeinflussung von Praktiken mit spiritistischen Inhalten ist der Franzose Lèon Hyppolyte Dénizard Rivail (3. Oktober 1804 - 31. März 1869), der unter seinem Pseudonym Allan Kardec bekannt wurde. Dieses Pseudonym wurde ihm während einer spiritistischen Sitzung von einem Medium gegeben. Allan Kardec ist nicht der einzige Spiritist, aber wohl der bekannteste. Er interessierte sich für die Praktiken von Franz Anton Mesmer, das magnetische Heilen, und soll durch die Phänomene der Fox Schwestern in Amerika auf spiritistische Praktiken aufmerksam geworden sein. Durch eine Séance mit dem Medium Mme. Plainemaison wurde sein Interesse geweckt und er begann diese Arbeiten zu untersuchen und zu notieren. Sein Interesse bestand vor allem in den Erkenntnissen von neuen Naturgesetzen sowie die Beziehung der geistigen und materiellen Welt miteinander. Durch die Begegnung und mit der Anweisung aus der geistigen Welt veröffentlichte er 1857 sein erstes Buch "Das Buch der Geister", welches als philosophischer Teil seiner Veröffentlichungen gesehen wird. Weitere

49 Vgl. Hultkrantz, 2002, S. 10 f., S. 139 f. 50 Auch saman, šamán. Die Bedeutung des Wortes ist unklar, eventuell von ša: wissen, können oder sam: Entrückung, Verzerrung. Vgl, Bussel, 1998, S. 10 sowie S. 54; vgl. Eliade, 1974, S. 457 ff.

27 Werke folgten: "Was ist Spiritismus" (1859), "Das Buch der Medien" (1861), welches als der experimentalwissenschaftliche Teil gilt, "Das Evangelium nach dem Spiritismus" (1864), "Der Himmel und die Hölle" (1865) und "Die Genesis" (1868). In deutscher Sprache sind nur "Das Buch der Geister" und "Das Buch der Medien" erschienen. Kardec veröffentlichte ebenfalls Texte und Magazine über den Spiritismus und gründete 1858 die Pariser Gesellschaft für spiritistische Studien.51 Spiritismus war zu seiner Zeit vor allem in intellektuellen Kreisen eine beliebte Erscheinung, die sich im Laufe der Zeit auch in den karibischen und lateinamerikanischen Ländern verbreitete und sich dort mit den indigenen und religiösen Praktiken der Sklaven vermischte. Der Spiritismus hat laut Bettina Schmidt drei Hauptpfeiler:

1. Die Unsterblichkeit der Geister.

2. Die Möglichkeit der Kommunikation mit ihnen.

3. Die Moralvorstellungen.52

Allan Kardecs Erbe ist vor allem das System und die Struktur, die er dem Spiritismus gegeben hat. Er versuchte mit einer Theorie des Spiritismus die Muster und Gesetze desselben zu erklären und ihn in die Nähe von Naturgesetzen zu bringen.53

Seine Lehren lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Gott hat Wesen sowohl in der materiellen Welt als auch in der immateriellen Welt geschaffen. Erstere sind sichtbare Wesen in Körpern, wir Menschen. Die Wesen der geistigen, immateriellen Welt sind unsichtbar. Essentiell ist die Geburt in den menschlichen Körper und die Entwicklung der Seele sowie von Moralvorstellungen. Hohe Geister bzw. die Geister der ersten Ordnung sind Engel und reine Geister, sie sind moralisch vollkommen, besitzen hohe Kenntnisse und eine Affirmation zum Guten. An unterster Stelle stehen niedere Geister, sie sind moralisch nicht vollkommen und sind geprägt von Neid, Hass und menschlichen Laster.54 Jeder Geist kann jedoch durch einen Lernprozess und durch Prüfungen im Leben die spirituelle Stufenleiter nach oben schreiten. Aus

51 Sociéte Parisienne des Etudes spirites 52 Schmidt, 1995, S. 165 53 Vgl. Schmidt, 1995, S. 158 - 166; vgl. Kardec, 2000³, S. 10- 14 54 Vgl. Kardec, 2004, S. 19 f.

28 diesem Konzept ergibt sich, dass Laster sowie negative Eigenschaften und Taten die Menschen mehr an die materielle Welt binden, von der man sich jedoch lösen will oder soll.55

Allan Kardec fasst die Grundsätze des spiritistischen Glaubens in 10 Punkten zusammen:

1. Die spiritistischen Phänomene werden durch außerkörperliche Intelligenzen hervorgebracht, die man Geister nennt.

2. Die Geister bilden die unsichtbare Welt, sie sind überall, sie sind mit ihnen ins Unendliche angefüllt. Stets sind Geister um uns, mit denen wir in Berührung kommen.

3. Die Geister wirken unaufhörlich auf die physische und moralische Welt ein, sie sind eine von den Naturkräften.

4. Geister sind keine Wesen außerhalb der Schöpfung, sie sind Seelen, die entweder auf unserer Erde oder auf anderen Weltkörpern gelebt und ihre körperliche Hülle abgelegt haben. Die menschlichen Seelen sind einverleibte Geister, und nach dem Sterben des Körpers werden sie wieder zu Geistern.

5. Es gibt Geister aller Stufen, von der Güte bis zur Bosheit, vom Wissen bis zur Unkenntnis.

6. Sie sind alle den Gesetzen des Fortschritts unterworfen und können alle bis zur Vollkommenheit gelangen. Da sie aber einen freien Willen haben, dauert dies je nach ihren Anstrengungen längere oder kürzere Zeit.

7. Sie sind glücklich oder unglücklich, je nach den guten oder bösen Taten ihrer verflossenen Leben und je nach dem Grade ihres Fortschrittes. Das vollkommene, unveränderliche Glück wird nur Geistern zuteil, die zu dem höchsten Grade der Vollkommenheit gelangt sind.

8. Unter gegebenen Umständen können sich alle Geister den Menschen offenbaren.

9. Die Geister offenbaren sich durch Vermittlung der Medien, die ihnen als Werkzeug und Dolmetscher dienen.

10. Man erkennt die Erhabenheit oder Niedrigkeit der Geister an ihrer Sprache. Die Guten raten und sprechen nur Gutes, alles an ihnen bezeugt ihre Erhabenheit. Die Bösen betrügen und lügen und alle ihre Worte tragen den Stempel der Unvollkommenheit und Unwissenheit an sich.56

Wichtig in Kardecs Lehre sind ebenfalls die Stufenleitern der Geister, wobei sich auf der untersten Stufe die unvollkommen Geister befinden, die einen Hang zur Materie haben, oftmals

55 Vgl. Schmidt, 1995, S. 165 ff.; vgl. Kardec, 2000³, S. 44 ff. 56 Kardec, 2000³, S. 44 f.

29 boshaft auftreten. Sie sind egoistisch, neidisch und eifersüchtig und werden mit niederen emotionalen Gefühlen assoziiert. Auf der zweiten Stufe befinden sich die guten Geister, die überwiegend der Sehnsucht nach dem Guten anhängen, Gutes tun und wohlwollend sind. Die höchste Stufe der Geister nennt er die reinen Geister, sie sind intellektuell und moralisch überlegen, sie haben das Materielle hinter sich gelassen und sind aus dem Prozess der körperlichen Inkarnation ausgetreten. Sie werden als Boten und Diener Gottes gesehen und als Engel und Erzengel bezeichnet.57

Die prägendste Anwendung dieser Lehre habe ich bei der Depossession erlebt, wobei hier vermehrt mit den niederen Geisterstufen gearbeitet wird, indem man ihnen hilft, ihre Probleme zu lösen damit sie sich auf der geistigen Stufenleiter aufwärts bewegen können. Aus spiritistischer Sicht arbeitet man auch in der misa espiritual mit den Geistern der zweiten Gruppe und den reinen Geistern, wobei man jedoch auch den Ahnen hilft, die spirituelle Leiter emporzusteigen. Allan Kardecs Lehren und spiritistische Praktiken hatten einen großen Einfluss in der Karibik und es wäre auch möglich alle anderen InformantInnen mit Hilfe des Blickwinkels des Spiritismus nach Allan Kardec zu betrachten. Zum Beispiel enthält der Absatz Heilende Medien58 Erklärungen aus der Sicht des Spiritismus wie Geistwesen die Menschen führen und lehren um sie zu HeilerInnen zu machen. In Fragestellungen der Hexerei und Zauberei oder dem Einfluss der Geister auf die Natur und das Leben der Menschen geben seine Bücher ein breites Spektrum an spiritistischen Ansichtsmöglichkeiten. Ich habe Allan Kardecs Ansichten lediglich dort erwähnt, wo er auch einen ausgeprägten Einfluss gehabt hat.

57 Vgl. Kardec, 2004, S. 67- 70 58 Vgl. Kardec, 2000³, S. 142 ff.

30 6 Von der Karibik nach Österreich

In diesem Kapitel behandle ich im Allgemeinen die gemeinsame Geschichte der karibischen spirituellen Praktiken, welche in den Folgekapiteln auf ihre speziellen Eigenheiten erweitert wird. Danach gehe ich der Frage nach dem Transport des spirituellen Wissens nach Österreich nach sowie die Wiederkehr der magischen Welt, welche eher eine Anpassung oder Einfügung in die eigene kulturelle Welt ist. Auch dazu fand ich bereits Erfahrungen anderer Arbeiten, die eine ähnliche Einsicht teilen.

6.1 Vom Buch bis hin zur Eingebung

Diejenigen InterviewpartnerInnen, welche mit dem Mutterland in engem Kontakt stehen, durch Familienmitglieder, einen persönlich bekannten Priester oder Priesterin oder anderen Stellvertreter, erfahren ihr Wissen direkt durch die Kontaktaufnahme mit diesen Personen, durch Telefonate und E-Mails. Fehlen gewisse Informationen, wie zum Beispiel das wissen, wie ein rituelles Bad zuzubereiten ist oder wie man Glück in einer Angelegenheit erhält, so finden sie dort direkte Antworten.59 Die InterviewpartnerInnen, die mit den spirituellen Praktiken aufgewachsen sind und sie von der Kindheit an erlernt haben, wissen um die Basics, wie man die Geistwesen bewirtet und wie man einfache Rituale abhält.60 Dies gilt auch für die Personen, welche im jeweiligen Land ihre Praktiken erlernt haben. Omi Yomi ist in der Santería immer am Lernen, die Grundrituale sind "fix", es gibt aber immer wieder Reisen nach Kuba, im Zuge derer das Wissen vertieft wird, wo sie mehr lernt. Auch der Austausch mit ihrer Schwester, ebenfalls eine Santera, findet statt. Sie hat schon mehr Erfahrung und kann daher hilfreich zur Seite stehen. Omi Yomi bedient sich auch Büchern und Internetseiten in Spanisch, die wiederum erst von ihr übersetzt werden müssen.61 Lena_Salvani benutzt ebenfalls das Internet als Recherche, wenn sie auf der Suche nach neuen Rezepten oder weiteren Anleitungen ist. Bücher sind ebenfalls ein

59 Vgl. Interview Maria, 23.November 2012 60 Vgl. Interview Maria, 23.November 2012 und Karine LaBel, 25.Januar 2012 61 Omi Yomi, Interview 23 .Januar 2012

31 wichtiger Wissensträger.62 Georg Gschwandler verlässt sich auf seine Gabe, er hat das Handwerk erlernt und kann durch die Gabe auch anders weiter arbeiten. Hilfe bekommt er, wie alle anderen InterviewpartnerInnen, vor allem auch durch die Geistwesen, die ihnen Handlungen, Rezepte und Anwendungen in Träumen, Eingaben und Intuition vermitteln.63 Auch Eva Ruprechtsberger erweitert Inhalte nach dem Kontakt mit Hilfsgeistern, wenn dies dazu dient, Seminarinhalte an die Besucher besser anzupassen.64 Bei der Depossessionsarbeit ist mir auch ein starker Rahmen aufgefallen, in dem sich die Arbeit bewegt, es ist ein abgeschlossener Arbeitsraum. Auch die wichtigsten Rituale der Santería sind fix und nicht veränderbar.

Trotz teils der fixen Rahmen, in denen sich Rituale und Praktiken bewegen erfahren sie durch die AnwenderInnen eine Erweiterung. Vor allem die Geistwesen können ihre Erscheinungen und ihr Auftreten an die Kultur, an die PraktikerInnen und an den Zeitgeist anpassen.

6.2 Die Wiederkehr der magischen Welt

Die Geister und die geistige Welt sind zentrale Elemente in den Erzählungen meiner InterviewpartnerInnen. In oralen Kulturen, so Heike Drotbohm, ..."bietet das Erzählen über Geister eine Orientierung in der kollektiven Verarbeitung von Alltagsthemen, Sorgen, Hoffnungen und Wünschen. Ethnologen können daher im Forschen über die Geister Einblicke gewinnen in die Sicht der Gläubigen sowie auf die sie umgebenden sozialen Realitäten."65 Obwohl die Geistwesen ihre Grundbedeutungen beibehalten, erlangen sie teilweise auch eine erweiterte Deutung und passen sich dem städtischen, europäischen Leben an und unterstützen ihre Anhänger bei den alltäglichen Problemen und Fragen. Kuzin Zaka, der lwa der Arbeit, der als zuverlässig und arbeitsreich angesehen wird, wandelt sich von einem als Bauer gedachten Wesen zu einem knallharten Geschäftsmann und Feilscher auf den Stadtmärkten. Agwé und Lasirén erweitern ihren Einflussbereich als des Meeres und des Wassers sowie als Schutzgeister der Fischer hin zu Mediatoren zwischen den Verwandten auf den Inseln und denen

62 Vgl. Interview Lena_Salvani, 10. August 2011 63 Vgl. Interview Georg Gschwandler, 5. Dezember 2011 64 Vgl. Interview Eva Ruprechtsberger, 24. Mai 2012 65 Drotbohm, 2004

32 die im Ausland leben. Freda, ein beliebter lwa auf Haiti tritt für die Schönheit ein, sie ist ein Abbild der Schönheit und wird vor allem von Frauen verehrt. Auch Heike Drotbohm berichtet von kanadischen Haitianern, dass Erzulie immer nur das teuerste will und als oberflächlich und materialistisch angesehen wird. 66 Erzulie bedient sich auch in Europa dem gängigen Luxus und vergnügt sich hier mit teuren Parfums, Goldsekt und Pralinen. Auch Ogoun, der lwa des Kampfes, der Diplomatie, des Krieges und der Auseinandersetzungen hilft nun im täglichen Kampf mit den Alltagsproblemen gegen Rassismus und gegen ein feindliches Arbeitsklima. Im Jahre 1806 war er noch äußerst aktiv im Sklavenaufstand, wo er den Sklaven Kraft und Sieg gegeben hat.67

Auch meine InterviewpartnerInnen passen die jeweilige spirituelle Richtung an Österreich an. Lena Salvani kennt so etwas wie eine Wiener Erzulie, der sie gerne Milchkaffee, Goldsekt und Süßigkeiten vom türkischen Fachgeschäft anbietet.68 Karine la Bel passt in ihren Tanzkursen den Stil an das österreichische Temperament an, Omi Yomi befasst sich auch mit europäischen Heilpflanzen, allerdings mit einem Santería Hintergrund.69 Bei allen InterviewpartnerInnen ist mir aufgefallen, dass sie versuchen ihre Arbeit an den österreichischen kulturellen Raum anzupassen. Dabei geht es meist um die Deutung der Praktiken nach eigenem Verständnis und die Verbindung von Elementen, die als gedachte Gegensätze gesehen werden, wie zum Beispiel rationelles Verständnis und inspirativ schamanisches Arbeiten. Die jeweiligen Praktiken versuchen sie in das derzeitige Umfeld ein- bzw. anzupassen. Ich sehe darin eine weitere Möglichkeit, wie sich diese Praktiken weiter wandeln können und so immer wieder lebendig und erfahrbar für die AnwenderInnen bleiben.

ForscherInnen sprechen auch von der "Wiederkehr der Religionen", dabei werden religiöse Praktiken wiederbelebt und in die Öffentlichkeit gebracht. ImmigrantInnen bringen auch neue und andere Religionen mit, es sind nicht immer christlich basierte Religionen. Knoblauch spricht dabei von einer wachsenden Vielfalt, sodass es schwierig wird, einen Überblick über das Geschehnis zu bewahren.70 Nach der Feldforschung bin ich mir selbst nicht mehr sicher, ob man

66 Vgl. Drotbohm, 2004 67 Vgl. Drotbohm, 2004 68 Vgl. Interview Lena Salvani, 10. August 2011 69Vgl. Interview Karine la Bel, 25. Januar 2012 und Interview Omi Yomi, 23. Januar 2012 70 Vgl. Knoblauch, 2003, S. 17 f.

33 bei den karibischen und lateinamerikanischen Praktiken von einer Wiederentdeckung sprechen kann. Ich empfinde es eher wie ein religiöses Wachsen, welches Aufgrund der Verbreitung durch praktiziernenden ÖsterreicherInnen sowie von MigrantInnen stattfindet. Meine InterviepartnerInnen folgen einer Art Talent, eine Gabe, der sie nachgehen und welche sie ausüben. Die Möglichkeiten durch die neuen Medien, durch die Verbreitung von Literatur und Filmen sowie das Internet helfen ihnen den Weg und die Sinngebung ihrer Arbeit zu finden.

6.3 Gemeinsame Geschichte

Jede der karibisch- lateinamerikanischen spirituellen Praktiken hat einen gemeinsame Ausgangspunkt in der Geschichte: die der Ankunft der Europäer in der "neuen Welt", sowie den damit einhergehenden Veränderungen in den religiösen Ansichten der jeweiligen aufeinandertreffenden Kulturen. Das bedeutungsträchtige Jahr 1492 ist eines der entscheidendsten im Kapitel dieser Umwälzungen. Christoph Kolumbus macht sich von Spanien auf und erreicht auf der transatlantischen Westroute die Karibik mit ihren vielzähligen Inseln. Diese Entdeckungen zogen in absehbarer Zeit neue, von erhofftem Reichtum träumende, Entdecker nach sich. Die "Indios" beziehungsweise als "Indianer" bezeichneten indigenen Bevölkerungen wurden sehr bald durch Zwangsarbeit, aber auch durch eingeschleppte Krankheiten, sehr stark dezimiert bis vollständig ausgerottet. Dadurch entschloss man sich neue Arbeitskräfte aus Afrika zu holen und diese als Sklaven arbeiten zu lassen.71 Dieser damals florierende Handel hatte seine Hauptstandpunkte an den westafrikanischen Atlantikküsten. Dort wurden gegen Waffen, Alkohol, Textilien und Metalle Menschen getauscht, die anschließend als Arbeitskraft nach Europa und in die neue Welt verschifft wurden. Sie stellten die neuen Arbeitskräfte für Tabak, Zuckerrohr, Kautschuk und Baumwolle. Astrid Reuter gibt in ihrem Buch Schätzungen ab: bis zum Ende des 16 Jahrhunderts wurde 350.000 Menschen als SklavInnen verkauft, im 17. Jahrhundert zwei Millionen, in den nächsten hundert Jahren sechs Millionen Menschen. Insgesamt schätzt sie die Anzahl der als Sklaven verkauften Menschen zwischen dem 16. bis zum 19. Jahrhundert auf ungefähr zehn bis zwölf Millionen. Davon

71 Vgl. Reuter, 2003, S. 11-14

34 gelangten etwas mehr als vierzig Prozent auf die karibischen Inseln, ebenfalls um die vierzig Prozent nach Brasilien, fünf Prozent nach Nordamerika und die übrigen fünfzehn Prozent teilen sich auf das spanische, französische und niederländische Südamerika auf.72

Durch den gemeinsamen 400 jährigen Verschmelzungsprozess entstanden, nach Manfred Kremser, auf afrikanische Traditionen aufgebaute rituelle Traditionen in der Karibik, die sich christlicher Elemente bedienten um afrikanische Facetten beizubehalten. Diese Prozesse und die daraus entstandenen neuen Religionen halfen den Gläubigen durch die Sklaverei und schufen einen kulturellen Widerstand, der auch für die eigene spirituelle Identität und Kraft wichtig war.73

Im Weiteren gehe ich nun auf die einzelnen Praktiken näher ein und beschreibe im Folgenden ihren Aufbau und die für diese Arbeit wichtigsten Begriffe.

7 Die Geister bedienen

„In fact, one is not a „member“of Vodou, but rather a “serviteur” of the lwa.”74

Als ich am 25. Januar 2012 bei Karine laBel das Interview machte, hatten wir gleich am Anfang eine Diskussion um den Begriff Vodu. Vodu hat einen sehr weitreichenden Inhalt, selbst auf Haiti wird er nicht durchgehend einheitlich verwendet. Erst wenn es klar ist, mit welchen Inhalten der/die GesprächspartnerIn den Begriff verknüpft, erst dann wird er verwendet. In Haiti, meint sie, ist er mit vielen Inhalten aufgeladen und wird meist negativ verstanden.75 Auch durch Filme und negative Mythen um Vodu besteht derzeit ein obskures Bild um diese Religion: Voodoopuppen, in denen Nadeln stecken, grausame und blutige Schlachtszenerien, dämonische

72 Vgl. Reuter, 2003, S. 13 73 Vgl. Kremser, 2009, S. 305 f. 74 Kremser, 2009, S. 312 75 Vgl. Interview Karine laBel, 25. Januar 2012; vgl. Brown, 1995, S. 205

35 Besessenheitstrance und willenlose Zombiefizierung der Menschen. Im Allgemeinen spricht man in den Ländern, in denen Vodu praktiziert wird lieber von serving the loa bzw. man ist sèvitè, serviteur oder servidor/a.76 Alle Begriffe bezeichnen die Funktion des Dienens, nicht in einer abfällig unterworfenen Art, als vielmehr eines Austausches zwischen der geistigen Welt und die der Menschen. In der Fachliteratur hat sich der Begriff Vodu durchgesetzt, jedoch findet man immer Hinweise auf die Selbstbezeichnung der Praktiker. Für Feldforschungen ist es jedoch unerlässlich, sich die Eigenbezeichnung anzueignen, da es sonst zu unerwarteten Ergebnissen kommen kann, die aufgrund der Sinngebung eines Begriffes ausgelöst werden.

7.1 Vodu als Bezeichnung

In der Literatur gibt es unzählige Varianten der Schreibweise von Vodu, das sich an die jeweilige Sprache, Dialekte, Bezeichnungen, Umschreibungen und Deutungen anlehnt. Manche Beschreibungen bedeuten das Gleiche, manche gehen auf eine bestimmte Richtung des Vodu ein. Im Großen und Ganzen ist man sich einig, dass sich die Schreibweise Voodoo einerseits auf die Trivialliteratur bezieht. Andererseits wird er in wissenschaftlichen Kreisen auch als allgemein verstandener Überbegriff zum Thema Vodu verwendet. Um Vodu in Afrika zu beschreiben bedient man sich häufig der fõ Umschreibung vodu, zur Beschreibung der Praktik in Haiti Vodou.77 Der Begriff Vodu stammt aus der fõ Sprache aus dem antiken Königreich Dahomey und bezeichnet ein transzentales Wesen, eine Gottheit, ein Geistwesen, ein heiliges Objekt oder im Allgemeinen einen Fetisch. Gerhard Kubik setzt es gleich mit den Yoruba Begriff - òrìșà, welche Naturkräfte sind, sowie gleichzeitig auch Mensch, und durch ein Tier, eine Pflanze oder eine Farbe symbolisiert werden können.78 Ich bleibe bei der weiteren Arbeit bei Vodu um meine Erfahrungen zu beschreiben. Im nächsten Kapitel über New Orleans verwende ich jedoch den Allgemeinbegriff Voodoo um bei dem in der Literatur zumeist verwendeten Begriff in dieser

76 In der englischen, kreolischen, französischen und spanischen Umschreibung. 77 Vgl. Kremser, 2000, S. 9 f. sowie Reuter, 2003, S.7. Weitere Umschreibungen lauten: Vodùn, VooDoo, Vodou, Vodun, Vaudou, Vodu, Wudú, Wodu, Vodoun, Voudoo, Voudoun, Voudaux, Vaudoun, Vaudoux, Voo-Doo, Vodú... 78 Vgl. Kubik, 200, S. 19f. sowie Vgl. Métraux, 1972, S. 27

36 Region zu bleiben. Im Folgenden gehe ich kurz auf die in der Feldforschung gestoßenen Vodu Einflüsse und Vorstellungen der Interviewpartnerinnen ein.

7.2 Voodoo in New Orleans

Durch die Sklaverei und die anschließende Flucht der Sklaven aus Guadeloupe, Martinique, und Haiti entstand auch im Süden der USA eine Richtung des Vodu, die man als New Orleans Voodoo oder Louisiana Voodoo bezeichnet. Der New Orleans Voodoo ist vor allem durch seine populären Charaktere bekannt, allen voran die geheimnisumwitterte Maria Laveau, die auch als bekannteste Voodoo Priesterin und als Voodoo-Queen angesehen wird. Sie lebte von 1794 bis zum 16. Juni 1881 in New Orleans und ihre magischen Arbeiten konzentrierten sich vor allem auf die damals vorherrschende weiße Oberschicht. Maria Laveau soll auch diejenige gewesen sein, die auf die Verfolgung der Voodoo Anhänger als Teufelsanbeter reagierte und diese Praktik mit katholischen Elementen vermischte und öffentliche Schaurituale abhielt. Durch ihr gewonnenes Wissen über die Bewohner in New Orleans und ihr Netzwerk aus einflussreichen Persönlichkeiten, konnte sie mehreren Anzeigen entgehen. Populär wurde auch das Grab Maria Laveaus am Saint Louis Cemetery #1 in New Orleans, zu dem man noch heute pilgert, Opfergaben hinterlässt sowie drei Kreuze auf die Gruft zeichnet, um Wünsche zu erfüllen.79

New Orleans Voodoo blieb bis in das späte 19. Jahrhundert eine Religion, mit einem Pantheon aus afrikanischen Gottheiten, Priestern, Ritualen, einer eigenen Theologie und Initiationen. Im Laufe der Zeit wurden die religiösen Elemente der Religion vergessen oder durch die weiße Oberschicht verdrängt. New Orleans Voodoo hatte nicht in dem Ausmaß wie seine Verwandten Praktiken in der Karibik überlebt. Nachdem Louisana in amerikanischen Besitz kam, wurde der Voodoo klein gehalten und durch Gesetze und anschließende Polizeieinsätze unterdrückt. Ebenfalls konnten viele protestantische Kirchen Anhänger bei den Sklaven gewinnen. Am Ende

79 Vgl. Dorsey, 2005, S. 58-61

37 des 19. Jahrhunderts war der New Orleans Voodoo ausgemerzt.80 Dennoch konnten einige Autoren wie Zora Neal Hurston in den späten 1930er viele afrikanische Elemente nachweisen.81

Bereits im 19. Jahrhundert mischten sich auch in New Orleans vermehrt christliche Einflüsse, wie der Gebrauch von Kerzen und christlich inspirierte Altäre, mit den Praktiken der Voodoo Anhänger. Die Praktizierenden verehrten sowohl afrikanisch-basierende Gottheiten wie Blanc Dani oder Papa Lébat und waren andererseits auch gläubige Christen.82

In New Orleans treffen zwei Praktiken zusammen, einerseits die volksmagische Praktik Hoodoo und andererseits die durch haitianische Immigranten mitgebrachte Religion Vodu. Laut catherine yronwode83 ist Louisiana auch der einzige Ort, wo diese Begriffe koexistieren.84 In der Literatur trifft man auch auf die Mischformbezeichnungen New Orleans Hoodoo oder Lousiana Hoodoo. Carlyn Morrow Long meint, dass die PraktikerInnen selbst es einfach als "the work"85 bezeichnen.

7.3 Hoodoo

"Hoodoo, or Voodoo, as pronounced by the whites, is burning with a flame in America..."86

Verwandt mit Vodu ist eine Praktik, die man heute als Hoodoo87 bezeichnet. Es wird spekuliert, dass der Begriff Hoodoo sich aus den beiden Begriffen Vodu - Geist beziehungsweise Gott und juju- Magie, entwickelte. Andere Autoren wagen sich an andere Deutungen, wie zum Beispiel die

80 Vgl. Long, 2001, S. 38 81 Vgl. Anderson, 2010, S. 208 82 Vgl. Anderson, 2010, S. 208; vgl. Anderson, 2005, S. 30 f. sowie S. 59; vgl. Long, 2001, S. 37 83 Sie bedient sich selbst der Kleinschreibung ihres Autorennamens. 84 Vgl. yronwode, 1995-2003 85 Long, 2001, S. 37 86 Hurston, 2008, S. 183. Diese Textstelle wird oft als Hinweis gesehen, dass man sich der Verallgemeinerung durch "weiße" Forscher von außen bewusst war. Von innen her betrachtet unterscheidet sich Hoodoo von Voodoo wesentlich, deshalb führe ich es als eigenes Kapitel an. 87 man findet auch die Bezeichnungen conjure, conjuration, rootwork, tricking, witchcraft, goofer. Vgl. Anderson, 2005. S. IX- XII; vgl. Anderson, 2010, S. 208; vgl. yronwode 1995-2003

38 Verbindung zu irischen Seemännern im 19. Jahrhundert. Schiffe, die vom Unglück befallen waren oder deren Reisen unter einem schlechten Stern standen, galten als "hoodoo ships" oder waren "hoodoo'd". Diese Bezeichnung wird aus dem irisch-gälischem Uath Dubh abgeleitet, was eine böse Entität, ein schwarzes Phantom oder einen spitzen88 Geist bezeichnen kann. Auch die Ableitung aus dem spanischen Wort für einen Juden "el judío" soll eine Erklärung zur Herkunft des Wortes Hoodoo sein. catherine yronwode bezieht sich dabei auf Eoghan Ballard, einem Ethnologen der Universität in Pennsylvania, der die zwei Hauptgruppen von Palo auf Kuba beschreibt, wobei eine Gruppe als Palo Cristiano und die andere als Palo Judio bekannt ist. Die Gruppe der Palo Judio und die praktizierenden des Hoodoo verfügen als Gemeinsamkeit, dass sie sich nicht dem Christentum beugten und weiterhin afrikanische Praktiken und Gebräuche ausüben.89 Es gab auch nicht eine einzige ethnische Gruppe, die Hoodoo prägte, sondern sie schöpften Wissen aus mehreren afrikanischen Kulturen wie den Fon, Yoruba oder dem Kongo.90 Hoodoo ist am meisten in Louisiana, Mississippi, Alabama, Georgia, Florida und North als auch in South Carolina vertreten, hat sich aber heute sehr weit verbreitet. Einen interessanten Beitrag zu diesem Thema schuf der anglikanische Pfarrer und Folklorist Harry Middleton Hyatt, der zwischen 1936 und 1940 Hoodoo in Amerika91 untersuchte und in fünf Bänden einen interessanten Einblick in die Magie der Südsaaten gibt. Die Bände sind in verschiedene Themen eingeteilt, so beinhaltet Band eins den allgemeinen Geisterglauben, ein Lexikon der einzelnen Zutaten im Hoodoo und die Prinzipien und Methoden der Heilung, Altäre, Anwendung von Kerzen, und die Anrufung von katholischen Heiligen. Band zwei gibt einen Überblick über seine Feldforschung und viele Interviews mit Root Doctors, die sich im Band drei fortsetzen. Eigene Kapiteln bilden die Anwendungen von Teilen des menschlichen Körpers (Blut, Urin, Exkremente, Schweiß, Sperma, Menstruationsblut, Fingernägel, usw.) in Band drei und vier. Band vier und fünf sind weitere Ergänzungen zu den obigen Genannten und handeln von Zauberei gegen und für Mörder, Gerichtsmagie, die Anwendung von Eiern, Salz, rotem Pfeffer, Nägeln, Nadeln, Fröschen und weitere Zaubereien mit Kerzen.92 In der weiteren Arbeit gehe ich

88 im Sinne von stachelig (Uath); welches auch das Gälische Wort für den Weißdorn (Crataegus) und den Maiapfel (Podophyllum peltatum) ist. Vgl. yronwode 1995-2003 89 Vgl. Eoghan Ballard, 2000; vgl. yronwode, 1995-2003 90 Vgl. Harris, 2010, S. 182; vgl. Anderson, 2010, S. 208 91 Alabama, Arkansas, Florida, Georgia, Illinois, Louisiana, Maryland, Mississippi, North Carolina, South Carolina, Tennessee, Virginia 92 Vgl. Hyatt, 1970, 1973, 1974, 1978

39 auf Hyatt nicht näher ein, da er für die Bearbeitung der Feldforschungsergebnisse keine große Relevanz hatte. Ich kann mir aber vorstellen, dass seine Schriften für zukünftige Forschungen, die sich auf die Ausbreitung von Hoodoo in Österreich bzw. Europa beziehen, eine Bedeutsamkeit erhalten könnten. Beim Erarbeiten seiner Schriften sind mir die Verbindungen zum Beispiel zur mitteleuropäischen Volksmagie aufgefallen, die ebenfalls eine Quelle des Hoodoo ist. Auf Umwegen und durch Veränderungen in der Anwendung kommen manche volksmagischen Anwendungen wieder zurück und es könnte sich so eine Verbindungen und Veränderung nachvollziehen lassen.

Hoodoo versteht sich selbst als Volksmagie und Volksheilkunde, die Pflanzen, Tiere, Mineralien, Äste, Steine, Magneten, Knochen, Wasser, Körperflüssigkeiten, persönliche Objekte, Kerzen, Räucherwerk und Öle zu magischen Zwecken gebraucht. Sie ist als reine Magie beziehungsweise als profane Magie zu verstehen. Hoodoo Praktiker haben oftmals eigene Geschäfte, in denen ihre Produkte vertrieben werden. Für jedes Problem im Leben gibt es eine eigene Kerze, ein Zauberöl, Räucherwerk, mojo bag, ein Zauberbad oder ein magisches Aufwaschwasser.93 Hoodoo versteht sich als amerikanische Tradition, die auf einer afrikanischen Kosmologie und der Anwendung von Pflanzen beruht, sowie Elemente aus dem Heilwissen der indigenen sowie aus europäischen Volkstraditionen übernimmt.94 Europäische Einflüsse sind vor allem die Grimoires, wie die ägyptischen Geheimnisse des Albertus Magnus und John George Hohman: Pow-Wows or The Long-Lost Friend95, der Gebrauch von Psalmen zur magischen Anwendung, Kraftworte wie das SATOR-AREPO Quadrat, der Gebrauch von Mondphasen, Sigillen, Talismane und Symbole aus dem Schlüssel Salomon sowie des sechsten und siebten Buch Moses. 96

Man geht davon aus, dass nach der haitianischen Revolution im 19. Jahrhundert Exilhaitianer sich in Louisiana niedergelassen und Praktiken aus Haiti mitgebracht haben. Hoodoo ist

93 Vgl. Dorsey, 2005, S. 6; vgl. Harris, 2010, S. 182; vgl. Anderson, 2010, S. 208 94 Vgl. Anderson, 2010, S. 208; vgl. Harris, 2010, S. 182 95 Die englische Ausgabe von Hohmann, Johann: Der lange verborgene Freund, oder: Getreuer und Christlicher Unterricht für jedermann: Enthaltend: Wunderbare und probmäßige Mittel und Künste; sowohl für die Menschen als das Vieh. 1820 96 Vgl. yronwode, 1995-2003

40 allerdings keine Religion wie Santeriá, Vodu, Candomble oder andere afrokaribische Praktiken sondern die Anwendung von Magie.97

In manchen Regionen waren es die Protestanten, die diesem Prozess eine prägende Kraft gaben, in diesem Fall bediente man sich verstärkt der Bibel um damit Magie und Zauber zu betreiben, zum Beispiel der Kraft der Psalmen. Viele Praktizierende wirkten zugleich als protestantische Minister.98 Hoodoo existiert bis heute und erlebt gerade einen Aufschwung. Die Gläubigen bedienen sich der Literatur um selbst diverse Öle, Räucherwerk, Bäder und Essenzen zu mischen, andere eröffnen Läden, in denen man sowohl selbst hergestellte Produkte erwerben kann, als auch kommerziell produzierte.99

Kommerzielle Hoodoo Produkte lassen sich auch jetzt schon in Österreich finden. Bei meiner Recherche zu dieser Diplomarbeit bin ich auch auf die magischen Öle und Kerzen der Geschäftsfrau Dorothy Spencer, die unter dem Alias Anna Riva diverse Produkte und Bücher auf den Markt gebracht hat, gestoßen. Im Geschäft Om Esoterik in Wien100 kann man Öle, Kerzen und Bücher erstehen sowie auch im Onlineshop fündig werden. Im Kosmetikbereich des Prosi Exotic Supermarket in der Wimbergergasse 5, 1070 Wien101 erhält man auf Anfrage das agua florida und ich erstand ein Money House Blessing Spray/Benedición de dinero al hogar sowie in Lateinamerika gebräuchliche Kerzen zur Anrufung von Heiligen.

7.3.1 Money House Blessing

Diese Raumerfrischungssprays werden als Duft versprüht und sollen das darauf Abgebildete und Beschriebe anziehen. Sie werden nicht nur im Hoodoo Bereich verwendet, sondern auch in den 21 Divisionen, dem dominikanischen Vodu, "...zur spirituellen Reinigung von Orten und Plätzen im Vorfeld einer Zeremonie bzw. zum Auftakt der selbigen...."102 Dazu werden die Anwesenden,

97 Vgl. Harris, 2010, S. 182 98 Vgl. Anderson, 2010, S. 208 99 Vgl. Anderson, 2010, S. 209 100 http://www.om-esoterik.at [7. Februar, 2012] 101 www.prosi.at [7. Februar, 2012] 102 Tölke, 2011, S.177

41 der Raum und der Altar eingesprüht. Das Spray enthält eine englische und spanische Beschriftung:

Money HouseTM 100% genuine! Contains Genuine "9 Indian Potpourri"TM Oil, Money House Blessing®, air refreshener, Potpurri, Indian Spirit®103

Der darauf abgebildete Indianer stellt eine Verbindung zu den für spirituelle Reinigungen oftmals angerufenen Geistwesen der indigenen Bewohner her. Die Abbildung von Indianern soll eine Hoodoo Tradition sein und auf die Zusammenhänge der indigenen Bevölkerung mit dem Heilkräuterwissen und ihrer Unabhängigkeit sein. catherine yronwode beschreibt auf ihrer Homepage das Spray als eine Kombination aus zwei Hoodoo Produkten: "Peaceful Home" und Abbildung 2: Magisches Raumspray "Money Drawing". Sie meint dazu, dass mit einem sicheren Versprüht soll dieses 104 Einkommen auch der Hausfrieden gesichert sei. Das "9 Indian Raumspray Segen und TM Potpourri" Öl, welches im Spray enthalten ist, hat einen Bezug zur Geld in das Haus bringen. Nummer 9, die Friede in das Haus bringt. Das darauf abgebildete Füllhorn, welches mit violetten, gelben und rosa Blumen gefüllt ist, soll Glück und Reichtum bringen.

7.3.2 Agua florida

Das agua florida ist ein beliebtes Mittel in den karibischen Behandlungen und dient als körperliches Erfrischungsmittel, als Zusatz in magischen Bädern, zur Kräftigung der Energien sowie als Opfergabe für Geistwesen. Das agua florida wird entweder gekauft oder selbst hergestellt, wie das von Georg Gschwandler. Er beschreibt es als harmonisierendes Werkzeug,

103 In Spanisch: Money HouseTM, 100% Legítimo!, Contiende Aceite Legítimo "9 Mezcla de Flores del Indio"TM, Bendición de dinder al hogar®, aromatizante, mezcla de Flores, Espíritu IndioTM. Made in USA by /Hecho en E.U.A. por E. Davis Watertown, NY 13601-0719, ©2004 by Julius Sämann Ltd. Zum Zeitpunkt des Kaufes kostete das Spray € 5, 50. 104 Vgl. yronwode, 1995-2003

42 beruhigend, ausgleichend und erdend. Dabei betont er die Kraft der individuell hergestellten agua de floridas, die das Wissen und die Kraft der Curanderos erhalten und den industriell hergestellten Massenprodukten gegenüber stehen.105

Das Label des gekauften Produktes zeigt ein Blumen Potpourri, Vögel, Musiker und in der Mitte einen Jungbrunnen. Von ihm stammt auch der Name Floridawasser- agua florida, da man glaubte, dass sich dieser Brunnen in Florida befinden soll. Der Spanier Juan Ponce de Leon war 1512 auf der Suche nach dem Jungbrunnen und entdeckte dabei Florida. Das Label wurde vom französischen Designer Du Maurier gestaltet. Die Firma Lanman & Kemp, die dieses Produkt vertreibt, wurde 1808 von Robert I. Murray in New York gegründet. Im Jahre 1835 trat D.T Lanman der Firma bei und der Firmenname

Abbildung 3: Agua florida wurde zuerst auf Murray and Lanman geändert und später auf David

Das agua florida ist ein T. Lanman and co. Im Jahre 1861 erfolgte eine erneute Änderung und Cologne welches mit der Firmenname lautete seitdem Lanman Kemp. Das Floridawasser magischen Attributen wurde am 14. Februar 1808 auf den Markt gebracht und erlangte ausgestattet wird und sofortigen Erfolg, laut der Information auf der Homepage wohl auch gerne in karibischen 106 Ritualen Verwendung wegen den mehr als 20 Anwendungsmöglichkeiten. Es wird als findet. Badezusatz, als Abreibung nach dem Bad, Astringent, Hautlotion, Deodorant, Deodorant für das Krankenzimmer, Abreibungshilfe für

Kranke, vor dem Rasieren, als Aftershave, gegen Insektenstiche, Parfum, Nervenmittel, Haarmittel bei juckender Kopfhaut, Wäscheduft, gegen Erkältung, müde Füße und generell als Massagemittel genutzt.107 Florida Wasser wird als amerikanische Variante des Kölnisch Wasser gesehen. Auch das Kölnisch Wasser kam mir als spirituelles Parfum in der Feldforschung unter. Dem Kölnisch Wasser werden ähnliche Effekte zugeschrieben wie dem agua florida, es ist heute nur mehr in der Parfumabteilung diverser Drogerieläden erhältlich.

105 Vgl. Gschwandler, 2009: Agua de Florida; vgl. Gschwandler, 2012: Agua Espirituales: was sie sind - warum sie wirken. 106 Vgl. Lanman & Kemp, 2011: History 107 Vgl. Lanman & Kemp, 2012: Florida Water

43 Johann Maria Farina, ein Parfümeur aus Italien schuf 1709 das "Farina agua mirabilis", ein Duftwasser oder agua mirabilis, das später zur Ehre von Köln als Eau de Cologne108 bekannt wurde.109 Johann Maria Farina machte damit Köln als Duftstadt im 18. und 19. Jahrhundert bekannt und weltberühmt. Zur selben Zeit wurden jedoch auch die Rezepturen nachgebaut, daher gab es viele Anbieter an Eau de Cologne. Das Kölnisch Wasser 4711 der Muelhens GmbH Co.KG in Köln ist eine eigene Kölnisch Wasser Marke, die heute in Drogerien zu finden ist. Im Jahre 1792 bekam der Kaufmann Willhelm Muehlens von einem Kartäusermönch ein Rezept eines agua mirabilis für die innere und äußere Anwendung. Er eröffnet kurz danach ein Geschäft in der Glockengasse, in der die Firma bis heute ihren Sitz hat.110 Interessanterweise haben sie im Erdgeschoß des Geschäftes einen Brunnen stehen, der tagtäglich Kölnisch Wasser ausgießt und den Duft verbreitet. Im Jahre 1810 veranlasste Napoleon, dass alle Heilmittelrezepturen offengelegt werden mussten. Willhelm Muehlens, der sein geheimes Rezept nicht preisgeben wollte, änderte die Bezeichnung seines Wassers. Es wurde fortan nicht mehr als Medikament, sondern als Duftwasser vertrieben. Damit konnte die geheime Zusammensetzung des Kölnisch Wassers 4711 bewahrt bleiben.111 Die Grunddestillate sollen jedoch aus Limetten, Bergamotte, Neroli, Petitgrain, Orangen, Zitronen, Pampelmuse und Cedrat bestehen.112

7.3.3 La Milagrosa

Die blaugefärbte Kerze zeigt auf der Vorderansicht La Milagrosa und ist oben und unten mit dem Kreuzweg Jesu dekoriert. Auf der Rückseite ist eine Novene abgedruckt, in Spanisch und in Englisch, dabei handelt es sich um das Ave Maria, das neun Tage lang gebetet werden soll. Hergestellt wurde die Kerze in den U.S.A., Texas, von der Miracle Candle Company.113 Diese Kerzen brennen ungefähr eine Woche lang und werden je nach der Bedeutung der Farbe

108 Wasser aus Köln 109 Vgl. Farina, 2011: Eau de Cologne 110 Vgl. Mäurer & Wirt, 2011: Historie 111 Vgl. Wirth, 2009: Die Geschichte des "Eau de Cologne" 112 Vgl. Springer, 2012: Eau de Cologne – Das kleine Schwarze der Parfümwelt 113 Aufdruck: Made in U.S.A/Hecho en E.U.A, Stations of the cross Design is a trade mark of M.C.CO, 1980 Miracle Candle Company, Laredo, Texas 78050

44 ausgesucht, zu dem Heiligen zu dem man beten möchte oder zu dem mit diesem Heiligen assoziierten Geistwesen. Andere Kerzen beziehen sich weniger auf die religiöse Ebene, sondern sind direkt mit dem zu erreichenden Wunsch versehen, zum Beispiel die Kerze Attraction zum Anziehen einer geliebten Person, Jinx Removing zum Entfernen schlechter Einflüsse, Money Drawing für das Anziehen von Geld.

"Anything may be conjure and nothing may be conjure, according to the doctor, the time and the use of the article"114, schreibt Zora Neal Hurston. Die Zauberartikel beinhalten wohl eine endlose Liste, was denn nun Kraft und Magie hat und was nicht. Im Hoodoo versuchen viele Autoren und VertreterInnen eine gewisse

Ordnung und Systematik der verwendeten Gegenstände zu erfassen. Aufgrund dieser Ordnungen ergeben sich auch Abbildung 4: La Milagrosa Rezepturen, die als wirksamer als andere angesehen werden. Die Eine gewöhnliche blaue, gefärbte, Kerze im Glas erhält kommerziellen Produkte punkten sicher auch durch ihr durch die Zugabe von Bild eindringliches Design, die Farben und die Verfügbarkeit. und Text zauberhafte Eigenschaften.

7.4 Vodu in Haiti

Die heute als Haiti und Dominikanische Republik bekannte Insel, wurde ursprünglich von geschätzten 400.000 Menschen, die wahrscheinlich aus dem östlichen Südamerika migriert sind, bewohnt. Dabei wurde der östliche Teil von den Kariben bewohnt, der westliche Teil von den Taino. Als die Insel von den Europäern entdeckt wurde, wurde die Insel von fünf Kaziken115 unter sich aufgeteilt und beherrscht.116 Die zweitgrößte Insel der Antillen wurde 1492 von Christoph Kolumbus für die spanische Krone in Besitz genommen und auf den Namen isla

114 Hurston, 2008, S.277 115 Eine Bezeichnung aus der Taino Sprache für einen Adeligen Anführer, ein Häuptling. 116 Vgl. Tölke, 2011, S. 55 ff.

45 española getauft. Später, im Jahr 1697, wurde der westliche Teil der Insel in französischen Besitz gebracht und in Saint-Dominique umgetauft. Saint-Dominique stieg durch den Anbau von Zuckerrohr schnell zu einem weltweit wichtigen Zuckerproduzenten auf. Durch die rasch wachsende Wirtschaft und der raschen Dezimierung der Kariben und Taino wurden vermehrt neue Arbeitskräfte benötigt, die man durch den Import von Sklaven aus Afrika bereitstellte. Die indigene Bevölkerung wurde zuvor durch die Europäer ausgebeutet und als Arbeitskraft in den Minen herangezogen. Die Ausbeutung nahm so stark zu, dass indigene Bewohner in den Minen verstarben, es gab jedoch auch massenhaft Abtreibungen, Kindstötung und Selbstmorde seitens der Bevölkerung, um der Herrschaft der Europäer zu entgehen.117 Die Zahl der indigenen Einwohner verringerte sich rapide, im Jahre 1518 verzeichnete man nur mehr 3000 Menschen.118 Nicht nur Zuckerrohr stellte ein wichtiges Anbauprodukt dar, sondern im 18. Jahrhundert auch Kaffee, der durch französische Einwanderer kultiviert wurde. Den Sklaven wurde es ermöglicht kleine Hanggrundstücke zu kultivieren, daraus ergaben sich kleinbäuerliche Subsistenzwirtschaften.119 Im späten 18. Jahrhundert begann der Unabhängigkeitskampf gegen Frankreich, ausgelöst durch die Französische Revolution. Jede Bevölkerungsgruppe verfolgte dabei ihre eigenen Interessen. Die eingewanderten Europäer versuchten sich aus der Steuerpflicht zu befreien und sich von der französischen Kolonialverwaltung zu emanzipieren. Eine Gleichstellung aller Menschen, sowohl der Sklaven als auch der Mulatten, verfolgten sie jedoch nicht. Die der Französischen Revolution zugeordnete Parole égailté- Gleichheit nahmen die Sklaven zur Grundlage für eine rechtliche Gleichstellung aller Menschen. Da dies von der verfassungsgebenden Versammlung in Frankreich jedoch nicht gewährleistet wurde, kam es zu einem Sklavenaufstand auf Haiti am 14. August 1791, der bis zur Unabhängigkeitserklärung am 1. Januar 1904 dauerte. Haiti stellt damit das erste karibische Land dar, das die Unabhängigkeit von den Kolonialherrschern erreichte und die Sklaverei aufhob.120 Die erwähnten kleinbäuerlichen Subsistenzwirtschaften erfuhren nach der Revolution einen Aufschwung. Die parzellierten Plantagen wurden zu einer Lebensgrundlage für viele Sklaven und gaben ihnen eine zukünftige Existenz. Der Vodu entstand, im Gegensatz zu anderen afrokaribischen Religionen, in

117 Vgl. Tölke, 2011, S. 56 ff. 118 Vgl. ebda, S. 57 f. 119 Vgl. Reuter, 2003, S.29 ff. 120 Vgl. ebda, S. 30

46 diesem ländlichen Umfeld und gelangte erst durch die Landfluchten im 20. Jahrhundert ins städtische Milieu.121

Ein weiteres wichtiges Element, das zur Formung des Vodu beitrug, war die schon frühzeitige Abnabelung zu Afrika. In Brasilien und Kuba wurden noch hundert Jahre später Sklaven eingeführt, die durch kulturelle und religiöse Erinnerungen für eine Art Auffrischung der jeweiligen Religion angesehen werden können.122 Auch in der Dominikanischen Republik, dem spanischen Teil der isla española, bildete sich eine Tradition des Vodu. Inwieweit sich der Haitianische vom dominikanischen Vodu unterscheidet, darüber scheinen sich die einzelnen ForscherInnen nicht ganz klar zu sein.

7.5 Vodu in der Dominikanische Republik

In Haitis Nachbarland existiert ebenfalls eine Variante des Vodu. Die dominikanische Variante ist gleichfalls durch die verschiedenen Einflüsse aus Afrika, Europa und der Karibik geprägt und schuf die Volksheilkunde der dominikanischen Republik. Die Methoden reichen von Handauflegen, Exorzismen, Besessenheitsritualen bis hin zur Pflanzenmedizin. Beinahe alle HeilerInnen haben Kontakt zu spirituellen Kräften, die man misterios nennt und Affinitäten an die lwa des haitianischen Vodu haben, sowie an die orisha der Santería. Diese misterios werden ebenfalls durch katholische Heilige repräsentiert und bilden die Grundlage der spirituellen Arbeit des Landes.123 Leider ergab sich während meiner Feldforschungszeit kein Interview mit Vertretern dieser Vodu Richtung. Allerdings ergab der längere Kontakt und die Zusammenarbeit mit einer servidora bzw. caballo des dominikanischen Vodu, lange vor der Diplomarbeit, die Themenrichtung dieser Arbeit, die als Reflexion am Beginn steht. Diese servidora beendete ihre Arbeit als Heilerin und verwarf sämtliche Kontakte mit dem dominikanischen Vodu. Im Weiteren erschien ein misterio aus dem dominikanischen Pantheon beim Ritual am Tag der heiligen Klara bei Lena Salvani, aus diesem Grund erwähne ich den dominikanischen Vodu in dieser Arbeit.

121 Vgl. Reuter, 2003, S. 31 f. 122 Vgl. ebda, S. 32 f. 123 Vgl. Schaffler, 2009, S. 6 f.

47 Die als la 21 divisiones bezeichnete Variante des Vodu dominicano, nennt man auch Santería dominicana. Ihre religiösen Spezialisten sind als brujo/as, creyentes, servidore/as, espiritisitas, caballos, papá bocó, clarividente, curioso/a, curandero/a124 bekannt, tragen jedoch auch viele weitere Bezeichnungen.125 Genau diese Vielfalt und die wechselnden Selbstbezeichnungen im spanischsprachigen Raum haben mich zur Suche für diese Arbeit angeregt. Dabei möchte ich auf die dringende Notwendigkeit hinweisen, dass man auf die Eigenbezeichnung und das Selbstverständnis des/der Vertreters/Vertreterin unbedingt eingehen und verstehen soll. Mit jeder Bezeichnung lassen sich gewisse Inhalte verknüpfen, die sich jedoch von Praktizierenden zu Praktizierenden wieder erheblich durch das Eigenverständnis unterscheiden können. Während der Begriff curandero/a in der Dominikanischen Republik eher eine wertfreier Begriff ist, der schlicht einen Heiler, eine Heilerin bezeichnet, ist zum Beispiel ein/e curandero/a im Kapitel "Curanderismo" der Heiler oder die Heilerin schlechthin.

Alle Praktizierenden des Vodu wenden sich bei ihren Arbeiten an spirituelle Kräfte, die ihnen mit Rat und Hilfe zur Seite stehen, sie bilden den Mittelpunkt des Glaubens.

7.6 Die lwa

Das zentrale Element des Vodu sind die lwa, die Geistwesen, die man auch als mysté, misterios, santos, luases, seres, Wächter, Geister oder als Engel126 bezeichnet. Diese Geistwesen sind Boten, Stellvertreter oder Aspekte einer höchsten Gottheit, die man als Bondye127 kennt Aus diesem Grund versteht sich Vodu auch als monotheistische Religion, wenn auch die lwa immer wieder in der Literatur als Gottheiten bezeichnet werden. Bondye mischt sich nach allgemeinen Vorstellungen nicht in das menschliche Leben ein oder ist für den Menschen eine zu abstrakte Entität, daher wendet man sich für alltägliche Dinge an die lwa. Die lwa werden durch

124 Spanisch für: Hexe/r, Gläubige/r, Diener/in, Spiritisten, Pferd (jemand er sich von den Geistwesen reiten lässt), bocó bedeutet Hexer und ist in dieser Form mit einem haitianischen Hintergrund verknüpft, Seher/in bzw. Wahrsager/in, Heiler/in, curandero/a ist ebenfalls der/die Heilerin und ist ein allgemein verwendeter Begriff ohne Wertung. 125 Vgl. Schaffler, 2009, S. 285 f. 126 Vgl. Métraux, 1972, 82; vgl. Fichte, 1976, S. 139 127 Französisch für "Bon Dieu": der gute Gott.

48 Heiligenbilder repräsentiert, die wichtigsten und allgemein bekannten lwa werden großteils durch dieselben Heiligen repräsentiert, allerdings gibt es auch hier keine allgemeine Einigkeit und diese Assoziationen können sich je nach Region, Tempel, Familientraditionen und von Person zu Person erheblich unterscheiden. Dazu kommen noch die Unterschiede in der Beschreibung der Eigenschaften der lwa, die sich ebenfalls nur kurz umreißen lässt. Alfred Métraux erwähnt: "all the saints are loa which is not to say all loa are saints"128, was insofern wichtig ist, da lwa und Heilige als getrennte Wesen gesehen werden, und für die lwa lediglich die Abbilder der Heiligen zur Repräsentation verwendet werden. Dennoch lassen sich gewisse Verschmelzungen nicht von der Hand weisen, so lässt sich beobachten, dass die lwa oftmals Charaktere, Eigenschaften und Attribute der Heiligen übernehmen oder mit ihnen in Verbindung stehen. Die Festtage der lwa richten sich auch oftmals am Heiligenkalender.129

Im Vodu existieren zusätzlich noch lokale lwa und neue lwa werden ständig geboren, kreiert und auch wieder vergessen, was Vodu zu einer äußerst lebendigen Religion werden lässt. Neue lwa erscheinen in der rituellen Besessenheit sowie in Träumen und Visionen der Gläubigen.130 Aus diesem Grund werde ich für diese Arbeit die wichtigsten und bekanntesten lwa zur Erklärung einfügen und kurz auf vorhandene Unterschiede eingehen, die sich aus länderspezifischen Ansichten ergeben.

Die haitianischen lwas werden in Nationen bzw. nanchons131 gegliedert, im dominikanischen Vodu spricht man von divisiones. Im haitianischen Vodu geht man von zwei Hauptgruppen aus, den radá lwa und den petró lwa, manchmal gesellen sich in der Literatur noch die lwa der guedé Familie dazu.132 Im dominikanischen Vodu spricht man von vier Hauptdivisionen: radá, petró, guedé und india.

Die Gruppe der radá lwa umfassen lwa, die einerseits aus dem alten Königreich Dahomey/Guinea sowie aus Nigeria stammen, andererseits auch lwa kennzeichnen die man als hoch, moralisch stark, rein und mit Spiritualität verknüpft ansieht. Die Bezeichnung radá stammt

128 Métraux, 1972, S.326 129 Vgl. Métraux, 1972, S. 328 f; vgl. Herskovitz, 1937, S. 637 130 Vgl. Vgl. Schaffler, 2009, S. 47 ff, vgl. Reuter, 2003, S. 36- 41., vgl. Métraux, 1972, S. 82 -95 131 Vgl. Desmangles, 1992, S. 94 132 Vgl. Brown, 1975, S. 22 ff.

49 von der Stadt Arada/Arará/Alada in Dahomey, die im 18. Jahrhundert auch eine Bezeichnung für alle Einwohner Dahomeys war.133

Die petró lwa bezeichnen lwa aus anderen Teilen Afrikas, als auch lwa, die in der Karibik geboren wurden, sowie Geistwesen, die man mit einem aggressiven und feurigen Charakter kennzeichnet. Die lwa dieser Gruppe tragen oftmals die Namen der radá lwa, haben jedoch einen Zweitnamen um ihren Charakter zu kennzeichnen, wie zum Beispiel Flangbo, Je Rouge oder Zarenyen.134 Im Allgemeinen gelten diese lwa als starke Beschützer, arbeiten jedoch auch im Bereich der Magie und rufen im Großen und Ganzen Ängste hervor und werden daher mit großem Respekt behandelt. Petró lwa sind heiße lwa und man erwartet sich von ihnen eine schnelle und rapide Lösung von Problemen. Sie werden auch oft in politische Geschehen eingebunden sowie zur Erlangung von Geld.135

Als guedé bezeichnet man lwa, die mit dem Tod in Zusammenhang stehen. Sie sind vulgär und unberechenbar, jedoch wird ihr Erscheinen mit Freude aufgenommen, da sie auch die Komiker und die Trickster der lwa sind.136

Die lwa der india Division, die auch als division agua dulce137 bekannt ist, ist eine Eigenheit in der Dominikanischen Republik. Diese Gruppe aus Geistwesen beinhalten lwa und indigene Persönlichkeiten aus der Geschichte der Dominikanischen Republik, wie Anacaona und Caonabo sowie andere indigene Persönlichkeiten wie Maria Lionza aus Venezuela und lwa des Wassers wie zum Beispiel Yemaya.138

In meiner Feldforschung bei Lena-Salvani und Karine La Bel habe ich beobachtet, dass die wichtigsten lwa die in der Literatur erwähnt sind, auch zugleich die beliebtesten meiner Interviewpartnerinnen sind. Im Folgenden gehe ich auf die wichtigsten und prominentesten lwa ein und beschreibe sie im Allgemeinen. Die lwa werden in den jeweiligen Ländern, in welchen sie verehrt werden, teilweise auch recht unterschiedlich betrachtet, ich werde diese Unterschiede

133 Vgl. Métraux, 1972. S. 39, vgl. Desmangles, 1992, S. 95 f. 134 "Flammen", "rotes Auge", "Spinne". Vgl. Desmangles, 1992, S. 95 135 Vgl. Métraux, 1972, S. 86- 95, vgl. Schaffler, 2009. S. 61, vgl. Desmangles, 1992, S. 95f., vgl. Brown, 1995, S. 212 f. 136 Vgl. Métraux, 1972, S. 112 - 116, vgl. Schaffler, 2009. S. 60 137 Süßwasser 138 Vgl. Schaffler, 2009, S. 59

50 in der Ausführung so gut es geht anschneiden. Auch in den einzelnen Ländern gibt es unterschiedliche Sichtweisen auf die lwa, die sich auch von Haus zu Haus und von Praktizierenden zu Praktizierenden beträchtlich unterscheiden können.

Papa Legba ist der lwa, der den Kontakt zwischen der menschlichen Welt und der Welt der lwa herstellt. Ohne ihn können diese beiden Welten nicht miteinander kommunizieren und es kann kein Austausch stattfinden. Er ist der lwa der Straßen, der Straßenkreuzungen, der Grenzen, sowohl der weltlichen als auch der spirituellen. Papa Legba ist einer der erste lwa, der in Vodu Ritualen angerufen werden muss, denn ohne ihn kann kein Kontakt hergestellt werden. Dargestellt wird er durch viele verschiedene Heilige, die jeweils einen bestimmten Aspekt von Papa Legba kennzeichnen. Beliebte Assoziationen sind zum Beispiel der heilige Petrus, der zwei Schlüssel in der Hand hält, der heilige Lazarus sowie der heilige Antonius.139

Mit Ogou bezeichnet man eine ganze Familie an lwa, die eine Vorliebe für Feuer, Metalle, Kampf, Krieg und Kraft haben. Sie tragen meist eine Machete, ein Schwert oder einen Säbel mit sich. Sie rauchen gerne Zigarre und Abbildung 5: Mater Dolorosa trinken Rum und werden als Soldaten und Krieger Mater Dolorosa dient als Repräsentation angesehen. Ogou sagt man auch eine Nähe zu den für die Dominikanische Metrésilí und Freimaurern nach.140 für die Haitianische Erzulie Freda. Beide sind lwa der Schönheit, der Liebe Erzulie ist der lwa der Liebe, der Schönheit, des und des exquisiten Lebens. Reichtums und der Emotionen. Wie bei den Ogou tragen Bild entnommen von: viele lwa den Namen Erzulie und jede von ihnen hat http://21divisionen.de.tl/Metresili.htm ihren eigenen Charakter und Vorlieben. Erzulie liebt [6. Dezember 2012] Geschenke, Männer und die guten und teuren Dinge im

139 Vgl. Métraux, 1972, S. 101 f., S. 325; vgl. Deren, 2004, S. 96- 102, S.203, vgl. Fichte, 1976, S. 141 f; vgl. Herskovitz, 1937, S. 637 f. 140 Vgl. Métraux, 1972, S. 109 f.; vgl. Deren, 2004, S.130- 137; vgl. Fichte, 1976, S. 142 f.

51 Leben. In Haiti wird Erzulie Freda Dahomey mit dem Bild der Mater Dolorosa abgebildet, in der Dominikanischen Republik ist es das misterio Metrésilí, die mit der Mater Dolorosa dargestellt wird. Metrésilí setzt sich dabei aus der Verbindung von Metres Erzulie zusammen, die wiederum ein lwa der Erzulie Familie ist.141

Damballah-wèdo ist einer der populärsten lwa und wird als große, weiße Schlange angesehen, der mit seiner Frau Aida-wédo, die Regenbogenschlange, bei der Erschaffung der Welt beteiligt war. Damballah gilt als der Vater der Welt. Seine Farbe ist weiß und er gehört zur den radá lwa, in der Dominikanischen Republik wird er auch den guedé lwa zugeordnet, da er auch mit den Ahnen verknüpft ist. Seine Opfergaben bestehen aus einem Ei, dem symbolischen Weltenei, das auch auf seinem vévé abgebildet ist.142

Die Simbi sind lwa der Quellen, Moore, Sümpfe, des Salz- und Süßwassers. Sie werden ebenfalls als Schlangen angesehen und ihr wichtigstes Element ist frisches Wasser. Simbi wird sowohl den radá als auch den petró lwa zugeordnet und sie sind für ihre magischen Fähigkeiten bekannt.143

Die guedé lwa stehen unter der Leitung des Baron, der in drei Hauptaspekten auftreten kann: Baron Samdi, Baron la Croix und Baron Cimetière, sie können als drei Aspekte eines lwa aufgefasst werden oder als drei separate lwa. Baron Samdi ist der lwa, der in Haiti am beliebtesten ist, in der Dominikanischen Republik ist es Baron del Cementerio (Baron Cimetière in Haiti). Das erste Grab auf einem Friedhof wird dem Baron geweiht, wenn darin ein Mann bestattet wurde. Ist es eine Frau, dann wird es Maman Brigitte geweiht, der Frau von Baron. Baron und Maman Brigitte sind die Autoritäten der guedé lwa. Die guedé lieben die Farbe schwarz und starken Rum. Die guedé gelten als Grenzgänger, als lwa des Todes und der Fruchtbarkeit gleichermaßen, sie werden sowohl in Totenriten als auch zur Heilung angerufen.144

Die lwa beschützen, führen und helfen ihren Gläubigen. Die Beziehung besteht aus einem Nehmen und Geben. Die angebotenen Opfergaben bestehen meist aus Kerzen, Speisen, Düften, Getränken und Blumen. Die Opfergaben stehen im Zusammenhang mit dem Charakter und den

141 Vgl. Métraux, 1972, S. 110 ff., S. 325; vgl. Deren, 2004, S.137- 145; vgl. Tölke, 2011, S.127 f; vgl. Herskovitz, 1937, S. 638 142 Vgl. Métraux, 1972. S. 104 f.; vgl. Deren, 2004, S. 114 ff; vgl. Herskovitz, 1937, S. 638 143 Vgl. Métraux, 1972. S. 105 f.; vgl. Deren, 2004, S. 116 ff. 144 Vgl. Métraux, 1972. S. 112 - 116; vgl. Deren, 2004, S. 102- 114; vgl. Fichte, 1976, S. 143

52 Vorlieben der lwa oder der Gruppe, welcher der lwa angehört. Die Ogou bevorzugen Rum, Erzulie bevorzugt Süßigkeiten und Champagner, guedé bevorzugen stark gewürzten Rum und bitteren Kaffee.145

Träume sind neben Orakelmethoden und der Besessenheitstrance, das bekannteste Mittel wie sich die lwa ihren Gläubigen mitteilen können. Die lwa geben in den Träumen Informationen über Heilmittel und Rituale, erteilen Ratschläge oder warnen vor einem bevorstehenden Ereignis oder negativen Ereignissen, wie zum Beispiel Hexerei.146

7.6.1 "Heilige Klara, ich bitte für Klarheit..."

Lena Salvani bezeichnet ihr Vodu als österreichischen Vodu. Sie arbeitet in keiner traditionellen Linie, sondern nimmt sich die Informationen, die sie braucht. Für sie passt sich Vodu an, auch hier in Österreich.147

Dementsprechend waren für mich auch die Rituale und Ansichten interessant, bei denen sich für eine Heilige mehrere Interpretationen anbieten. So geschehen im August 2011. Für den Tag der heiligen Klara wurde ich von Lena Salvani zu einem Ritual eingeladen:

"...Tag der heiligen Klara. Ich sitze bei Lena Salvani bei einem Kaffee in ihrer Wohnung in Wien und wir diskutieren, welcher lwa die heilige Klara nun ist. Es stehen zur Auswahl: Klemezin, Clementina und La Señorita. Lena Salvani will den Tag Klemezin widmen, weil sie für diesen Lwa auch ein vévé aus einem Buch hat..."148

Das Ritual haben wir für den nächsten Tag, dem Donnerstagmorgen, angesetzt. Während der Nacht hatte Lena Salvani einen Traum der bestimmte, dass das Ritual nicht für Klemezin gemacht werden sollte, sondern für la Señorita, ein lwa aus dem Pantheon des dominikanischen Vodu.149

145 Vgl. Métraux, 1972, S. 176 f. 146 Vgl. ebda, S. 141- 146 147 Vgl. Interview Lena Salvani, 10. August 2011 148 Tagebucheintrag 149 Vgl. Schaffler, 2009, S. 80, S. 85, S. 168

53 "Wenn mehrere Geister an einem Bild sind, warte ich was kommt, meistens klärt sich das knapp vor dem Ritual, wer da was will..."150

Vor dem Ritualbeginn besorgten wir uns noch etwas zu essen und fuhren anschließend noch zum Prosi um agua florida und Kampfer zu besorgen, sowie weiße Rosen. Am Weg zurück sahen wir, als wir mit dem Auto bei einer Straßenkreuzung halten mussten, aus dem Fenster und dort lag ein älterer Mann am Boden. Direkt neben dem Auto, in altem Gewand, etwas ungepflegt und gebrechlich. Wir wollten aussteigen, da dreht sich der Mann und wir sahen, dass er telefoniert und dass es ihm gut ging. Er sah uns kurz an, kam wieder hoch, da fuhren wir auch schon wieder weiter. Lena Salvani ist sich sicher, dass dies Papa Legba war, der sein O.K. für die Arbeit gab.151

Die lwa können durch verschiedene Methoden mit den Anhängern sprechen, in einer rituellen Besessenheit oder durch Hellsicht, verschiedenen Orakeltechniken wie das Kartenlegen, Lesen aus einem Glas mit Wasser, Lesen einer Zigarre, Kaffeesatz, das Lesen aus dem Harn oder einem 152 Spiegel. Sie können sich in materieller Form den Gläubigen Abbildung 6: Altar für die heilige Klara zeigen, ohne den Körper eines Die heilige Klara soll als lwa Klarheit und Reinheit bringen. Ihre Menschen zu besetzen, jedoch zugeordnete Farbe ist Weiß, die sich am gesamten Altar wiederfindet. einen Menschen als

150 Lena Salvani, Tagebucheintrag 151 Tagebucheintrag 152 Vgl. Schafler, 2009, S. 148 f.

54 Verkörperung oder als Symbol ihrer selbst schicken. Métraux bezeichnet dieses Phänomen als "Epihany of the Gods".153

Lena Salvani errichtete den Altar in ihrem Wohnzimmer, mit einem gerahmten Bild der heiligen Klara sowie unzählige Opfergaben für la Señorita. Ich sah ein Aloe Vera Gelee, Wasser mit Kampfer versetzt, Wasser mit Zucker versetzt, weißen Baiser, Kerzen, die weißen Rosen und Räucherwerk. Zu Beginn des Rituals luden wir unsere Ahnen mit einem Trankopfer ein, dabei verschütteten wir drei Tropfen Wasser auf dem Boden und riefen unsere Ahnen und Vorfahren an, damit sie uns helfen und das Ritual begleiten. Anschließend gingen wir zu ihrem Altar von Papa Legba, um ihn für die Öffnung der Türen zu bitten. Lena Salvani gab ihm Zigaretten, Schnaps, Palmwein, Wasser sowie Sesamkekse und drei Münzen.

Lena Salvani spricht mit Papa Legba durch ein Muschelorakel, das Orakel fiel für die Arbeit sehr günstig aus. Für weitere Hilfe und Beistand wurde auch ihr afrikanischer Fetisch miteinbezogen und sie rief anschließend die vier Richtungen mit einem Glas Wasser und einer Kerze an, nach den Richtungen Osten, Westen, Norden und Süden, begleitend durch eine Invokation aus Milo Rigauds Buch "Secrets of Voodoo":

Osten: Apolihsahgbadya

Westen: Ahouengan

Norden: Sih-Ye to Menan

Süden: Bo Dan Guimin154

Wobei die Worte selbst in Milo Rigauds Buch nicht erklärt werden. Einfacher ist es mit einem folgenden Gebet, das man auch auf der Internetseite vom Verein "AYBOBO" findet. Lena Salvani hat das Gebet für sich allerdings etwas abgeändert, denn sie ändert die Dinge "...an was ich eben glaube, ich glaube ja an die Sachen, die ich da sage..."155

153 Métraux, 1972, S. 141 ff. 154 Vgl. Rigaud, 1985, S. 149 155 Lena Salvani, Tagebucheintrag

55 I believe in Bondye

I believe in Bondye, the Almighty Father of the sky, who manifests his spiritual nature in me; in a large number of spirits; and in all things visible and invisible. I believe in the lwas, the gods of Africa, and all the saints of the . Masters of the universe, they are manifestations of Bondye, who see all things and direct the course of all things; that some have made themselves known to us through our ancestors in Africa, and that others we have come to know, emulate, and serve in our new home in Haiti; that these lwas are potent enough to mount us, their children, in spirit possession; and that through their mounting, they can inspire us as to the needs of our community; that our moral duty is to faithfully serve them; that the lwas are capable, like us, of gentleness and mercy, but also of anger and revenge.

I believe in the power of ancestors who watch over us and serve us before the lwas; that they must be remembered and served faithfully. I believe in the right granted to us by the lwas to interfere through magic in the normal flow of events as established by Bondye's will; in the efficacy of the medicines derived from the local fauna endowed to us by the lwas. I believe in the Holy Roman Catholic Church, in the communion of saints, and in life everlasting.156

Der Altar wird noch mit Pompeïa Lotion157 gereinigt, diese Lotion verteilten wir auch auf uns, danach roch ich stark nach Parfum, nach einem erdigen-Rosenduft. Anschließend erfolgte eine Kommunikation mit La Señorita vor dem Altar, ohne Orakel, ohne Possession. In Gedanken versunken baten wir um Klarheit, Reinigung und offene Sinne. Dafür stellten wir noch eine Opfergabe auf den Altar, ein Glas mit einem aufgeschlagenen Eiweiß darin, das Klarheit bringen soll. Am Ende wurde noch ein Bad zur Reinigung und für die Weisheit hergestellt, welches Wasser, Kampfer, spirituelle Parfums, eine Kerze sowie eine Rose von Jericho enthielt. Dieses Bad bekam ich nach dem Ritual in eine Flasche abgefüllt mit nachhause. Der Abschluss des

156 Vgl. http://aybobo.at.tt. Das Gebet, das auch als Credo angesehen wird, stammt von: Desmangles, 1992, S. 63 157 Ein Parfum der Firma L.T. PIVER - PARIS mit einem erdigen Rosenduft das in Ritualen zur Reinigung und für Liebeszauber Verwendung findet.

56 Rituals wurde wieder bei Papa Legba gemacht, damit er die Türen wieder schließt, als Dank erhielt er wieder eine Zigarette.

Abbildung 7: Zauberbad

Zauberbäder erhalten ihre Kraft durch das Zusammenfügen von unterschiedlichen, mit Bedeutung aufgeladenen, Zutaten. Für jeden Aspekt im Leben existieren unzählige und verschiedene Rezepte.

57 7.6.2 "Papa Legba, öffne meine Wege..."

"...ich bin wieder bei Lena Salvani. Sie hat ein Fest für eine Reinigung angesetzt und mich eingeladen. Ich musste harte Zuckerl mitbringen und eine Zigarre. Andere haben Kondensmilch und eine Haltbarmilch mit. Wir werden eine Reinigung machen, mit Hilfe von Papa Legba, damit er uns die Wege öffnet."158

Zuerst wurde wieder ein magisches Bad gemischt, es bestand aus Milch, Sternanis, Floridawasser und Salz. Dieses Bad diente zur Reinigung des Lebensweges. Das Ritual führten wir diesmal direkt vor dem rituellen Platz von Papa Legba aus, damit er uns hilft, unsere Lebenswege zu öffnen und zu klären. Wir, insgesamt vier Personen, riefen abermals unsere Ahnen mit einer Libation aus Wasser an und baten sie um Beistand. Danach rief Lena Salvani wieder Papa Legba an und gab ihm vor der Eingangstüre Opfergaben aus Maismehl, Palmöl, Eidotter, Zuckerl, Keksen, Münzen, sowie Schnaps und Zigarren.

Wir stellten uns auf das vévé von Papa Legba und rieben uns gegenseitig mit einem braunen Papiersackerl ab, welches jeweils ein Ei, drei Zuckerl und Palmöl enthielt. Die Eier wurden vorher mit Rum gereinigt, mit Palmöl abgerieben sowie mit Zigarrenrauch angeblasen. Dies diente zur Reinigung der Eier, zur Öffnung des Weges und ist gleichzeitig ein weiteres Opfer für Papa Legba.

Nachdem jeder von uns gereinigt wurde, befragten wir die Kaurimuscheln und jeder konnte sich mit Papa Legba unterhalten, Fragen stellen oder Antworten auf einen Wunsch erhalten. Der Abschluss des Rituals bestand darin, dass wir alle Opfergaben, die braunen Papiersackerln und die Kerze zu einer Straßenkreuzung brachten und dort nieder legten. Das gefüllte Papiersackerl warfen wir auf einen Baum, um schlechte Energien in die Erde zu leiten.

Lena Salvani verriet mir, dass sie sich bei dem Ritual an die Beschreibung eines Rituales aus einem Buch gehalten hat, das eigentlich im Rahmen der Santería für eine Reinigung mit Hilfe von Elegguá geschrieben wurde. Sie hatte es für sich adaptiert und für Papa Legba verwendet:

158 Tagebucheintrag

58 "...a cleansing before Elegguá, this ebó159 will help remove negative energies from the client. Three fresh eggs must be purchased from the market, and these are brought to Elegguá with a container of epó160, a bottle of rum, and a cigar. Before Elegguás shrine, the client must pray for release from osogbo161, greasing the eggs with the red palm oil while he prays. Once he is done, he sprays each egg with a mouthful of rum and a mouthful of cigar smoke and puts each into a single brown paper bag. Standing tall before Eshu162, the supplicant rubs the bag over his entire body, making sure that the paper touches every part. He should repeat this several times, and with each pass he must pray that takes the osogbo predicted by Obí163. This bag is left with Elegguá overnight, and the following morning it is taken to the crossroad with a derecho164 of twenty-one cents."165

An diesem Beispiel sieht man sehr schön, wie sich die Ansichten für Lena Salvani anpassen und ändern. Für sie gibt es auch ein österreichisches Vodu, für sie passt sich der Vodu an, weil sie eben auch die Plätze, wie Kirchen, Friedhöfe und Dinge von hier benutzt. Sie besucht den Baron am nahegelegenen Friedhof, kennt eine Erzulie mit roten Fußnägeln und besucht die Simbi bei einem nahen Fluss. Lena Salvani verwendet auch gerne Hoodoo Produkte wie Öle, Pulver, Tinkturen und Kerzen, diese wendet sie auch für die Arbeit mit den lwa an, wie zum Beispiel in Öllampen oder Zauberkerzen. Zum lwa Erzulie hegt sie eine besondere Beziehung, während des Interviews haben wir sogar schon scherzhaft über eine Wiener Variante der Erzulie gesprochen, denn sie erhält neben den bekannten Opfergaben auch Milchkaffee, Goldsekt oder pinke Kekse vom türkischen Fachgeschäft. Das spirituelle Weltbild ist für sie sehr ähnlich, wie das in der Literatur beschriebene. Es gibt eine oberste Gottheit, die jedoch nicht viel Einfluss auf die Arbeit zu haben scheint, dagegen haben die Ahnen einen bevorzugten Platz und werden zum Beginn jeder Arbeit eingeladen. Wichtig für sie ist Papa Legba, der die Türen öffnet und jene lwa, die

159 Ebó bezeichnet in der Santería eine Opfergabe an einen orisha. Vgl. Lele, 2001, S. 161 160 Palmöl. Vgl. Lele, 2001, S. 163 161 Osogbo bezeichnet etwas Schlechtes, kann durch ein Orakel prophezeit werden. Vgl. Lele, 2001, S. 173 162 Eshu ist ein anderer Name für Elegguá. Eshu bezeichnet auch einen bestimmten Aspekt Elegguás, von denen es 101 Aspekte in der Santería gibt. Vgl. Lele, 2001, S. 162 163 Obí bezeichnet das Kokosnussorakel mit vier Stücken einer Kokosnuss, sowie auch einen orisha, welcher denselben Namen trägt. Vgl. Lele, 2001, S. 9-20, sowie S. 170 164 Derecho ist ein rituelles Entgelt. Vgl. Lele, 2001, S. 160 165 Lele, 2001, S. 129 f.

59 sich für eine bestimmte Arbeit bemerkbar machen oder für einen bestimmten Zweck eingeladen werden.166

Abbildung 8: Reinigung mit Papa Legba

In den braunen Papiertüten befinden sich rituell gereinigte Eier sowie Zuckerl und Palmöl. Damit wird der Körper abgerieben und für einen offenen Lebensweg gebeten. Davor steht ein Teller mit Opfergaben, ein Kaffee mit einer Zigarre, alles zusammen steht am vévé von Papa Legba.

166 Vgl. Interview Lena Salvani, 10. August 2011

60 7.6.3 Corn Lanbi und getanzte lwa

Am Freitag, dem 1. Juni 2012 besuchte ich "Der Ruf der Corn Lanbi"- ein haitianisches Ritual in Wien. Zusammen mit dem in Paris lebenden haitianischen Trommler, Musiker und Komponisten Atissou Loko sowie den beiden Haitianern Réal Piard und Jean Fontus, Christian Martinek (Venezuela), Aliou Dione (Senegal), DJ Leon (Elfenbeinküste) sowie Lorenzo Gangi (Italien) trat die aus Haiti stammende Tänzerin und Choreographin Karine LaBel im Lokal Replugged167 auf.

Corn Lanbi bezeichnet auf Kreolisch das Muschelhorn, das auch eine wichtige Rolle im Sklavenaufstand gespielt hat und dazu diente, beziehungsweise noch immer dient, Menschen zusammenzubringen. Das Muschelhorn wurde während des Rituales zum Beginn der einzelnen Sequenzen geblasen und leitete so die verschiedenen Tänze ein. Corn Lanbi "...repräsentiert Hoffnung, Stärke und Widerstand der HaitianerInnen".168

Das Fest bestand aus einzelnen Tanzsequenzen von Karine LaBel mit ihren Tänzerinnen, wobei sie jeder Sequenz einem lwa oder einer Familie von lwa widmete, sowie deren dazugehörigen Tanz und Ritualelemente performte. Die einzelnen Sequenzen bestanden aus der Einstiegsperformance für Papa Legba, danach folgte der Tanz für die radá lwa mit einem Fokus auf Damballah, Agwe und La Siren. Danach kam der Nago Tanz für Ogou, anschließend die Nation der petró lwa mit einem Fokus auf die Simbi lwa, abschließend der Tanz für die guedé, Banda genannt.

Karine la Bel ist nicht in den Vodu initiiert, sie sagt, sie hat ein eigenes System um mit den lwa zu arbeiten. Sie passt ihre Arbeit auf jeden Fall der "Wiener Welt" an, denn vieles aus Haiti kann man hier nicht machen und zeigen. Sie meint auch, dass sie viele neue Elemente installieren kann, da sie sich an keine strenge Tradition halten muss. Vodu wird in Haiti oft versteckt, ihre Tante hatte einen Altar hinter dem Bett versteckt, sie allerdings hat ihren Altar gut sichtbar im Wohnzimmer stehen, sie will sich öffnen und muss sich nicht verstecken. Vodu ist Teil ihrer Kultur. Diese Aspekte der Kultur bringt sie auch in ihren Tänzen, den Teilnehmern und Schülern

167 Replugged, Lerchenfelderstrasse 23, 1070 Wien, www.replugged.at 168 Einladung des Vereines Aybobo

61 sowie Zusehern näher. Durch den Tanz fühlt sie sich mit den Tänzern des Vodu verbunden.169 Karine lehrt die Tänze für die lwa, dabei bedient sie sich aus Elementen des Vodu. Stephanie Schmiederer schreibt über dieses Phänomen:

"A typically Haitian form of dance art is created based on the essence and symbolism of the Vodou, related to the original socio-religious context. Movements and drum patterns may not longer necessarily correspond, variations and changes depending on choreographers' and musicians' style and yet still relating to their original source."170

Ein paar Mal im Jahr macht Karine auch Rituale für Damballah, für die guedé lwa, für die Kindergeister und für Erzulie. Im privaten Bereich arbeitet sie mit ihrem Altar, zu dem sie sich wendet, wenn sie Unterstützung braucht. Darauf gibt sie Opfergaben wie Wasser, Wein, Rum, Kaffe oder Kerzen. Ihr Zugang und ihre Arbeit sind in einer persönlichen Beziehung mit den lwa aufgebaut, Kontakt erhält sie zu ihnen durch Träume, Intuition und intuitive Eingaben, die auch spontan erfolgen können.

Der Tanz ist im Vodu ein wichtiges Element, deswegen bezeichnet man viele afrokaribische Religionen auch als „getanzte Religionen“. Durch den Rhythmus der Musik und der Bewegung der Tänzer können die lwa in einer rituellen Besessenheit herabgerufen werden, speziell wenn es sich um ihren spezifischen Tanz handelt. Diese rituelle Besessenheit ist meist das höchste Ziel einer Vodu Zeremonie.171

Jede Nation der lwa im haitianischen Vodu besitzt einen eigenen Tanzstil sowie eigene Trommelrhythmen, durch die sie gerufen werden können. Die Tanzstile und Rhythmen werden nach den Nationen oder der Kulte bezeichnet: Dahomey, Congo, Petró, Yanvalu usw. Diese können dann wiederum in weitere Untergruppen unterteilt werden.172

Die Tänze orientieren sich an dem Charakter des lwa. Tänze für Agwé, dem lwa des Meeres und des Wasser sind an den Wellenbewegungen und an Schwimmbewegungen zu erkennen. Tänze für Damballah Wedo weisen eine Schlangenbewegung auf. Die Tänze für Agwé und Damballah

169 Vgl. Interview Karine la Bel, 25. Januar 2012 170 Schmiderer, 2000, S. 106 171 Vgl. Schmiderer, 2000, S. 97 f. 172 Vgl. Métraux, 1972, S.188 f.

62 Wedo werden als Yanvalu bezeichnet und gehören in die Gruppe der Dahomey Tanzstile und sind die Haupttänze der radá lwa. Er hat einen ruhigen, ausgeglichenen und fließenden Charakter. Für Ogou, dem lwa des Feuers und des Kampfes bekommt der Tanz die Form eines Kriegertanzes, die Bewegungen sind feurig und schnell, der Tanz wird als Nago bezeichnet. Tänze für die guedé lwa bezeichnet man als Banda. Dabei werden die Hüften stark bewegt und die Tänzer stützen sich auf einen Stock, ihm haftet eine sexuelle Stimmung an. Für die petró lwa hat der Tanz einen strengen Charakter, mit schnellen und kräftigen Bewegungen und kreisenden Schultern.173

Diese Tänze werden grundsätzlich vom rituellen Tanz eines inkorporierten lwa getrennt. Die Tänze können einen lwa in ein Ritual einladen, sobald sich der lwa jedoch manifestiert, wird er selbstständig und muss sich nicht an die Tanzperformance halten, er agiert alleine und kommuniziert mit der Umwelt. 174

Abbildung 9: Yanvalou

Mit sanften und fließenden Bewegungen sowie mit der Farbe Weiß werden die lwa der radá Nation geehrt und tänzerisch perfomt.

173 Vgl. Schmiderer, 2000, S.97 ff. 174 Vgl. Métraux, 1972, S.190 ff; vgl. Schmiderer, 2000, S.98

63

Abbildung 11: Ogou und Nago

Heiß, feurig, kämpferisch und mit Schwertern in der Hand ruft man Ogou, den lwa der Kraft, des Feuers und des Mutes.

Abbildung 10: Feuer für Ogou und Guedé

Links: Mit agua florida und Rum entzündetes Feuer, das eine reinigende und kräftigende Wirkung hat.

Rechts: Die lwa des Friedhofes und des Todes tanzt man mit starken Hüftbewegungen und in einer dunklen- erotischen Stimmung.

64 7.7 Vévé - rituelle Zeichen

Im Ritual mit Papa Legba wurde ein vévé gezeichnet, genauso wie im Hintergrund der Trommler, beim Corn Lanbi, wurden vévés175 als Zierelemente eingefügt. Vévés sind rituelle Elemente, die während eines Rituales mit Mehl, Maismehl, Kaffee, Schießpulver und anderen Substanzen auf den Boden gezeichnet werden, aber auch als verzierende Elemente verwendet werden können. Die Symbole selbst orientieren sich an den Eigenschaften der lwa, Abbildung 12: Vévés als dekorative Elemente beim Corn Lanbi. sie sind oft geometrisch und in Links oben das vévé für Papa Legba, darunter Damballah- wedo und ihrer Form abstrakt gehalten. Ayida Wedo. Rechts das vévé für Erzulie Freda Dahomey. Mit Hilfe der auf den Boden gestreuten vévés lassen sich gezielt bestimmte lwa einladen und aktivieren, sie fungieren als To,r durch die ein lwa erscheinen kann. Sie erfüllen einen ähnlichen Zweck wie Statuen oder Bilder der lwa. Auf das vévé lassen sich auch die passenden Opfergaben stellen, wie Kerzen oder spezielle Speisen, und es werden darauf Trankopfer dargebracht um das Symbol gewissermaßen zu aktivieren. 176

175 Karen McCarthy Brown führt die Bezeichnung vévé auf das Fongbe Wort vôvô zurück, das die rote Farbe des Palmöls beschreibt. In Dahomey beschreibt es zeremonielle Kreise, die um die Teilnehmer mit Maismehl und Palmöl gezogen werden. Vgl. Brown, 1975, S. IX 176 Vgl. Brown, 1975, S. 49 f.; vgl. Métraux, 1972, S. 163- 166

65 Die Herkunft der Symbole ist nicht bekannt, Ursprünge lassen sich bei den Tainos finden, aus dem Kongo, sowie aus dem europäischen Raum, in Bezug auf Zauberbücher, Architekturdetails, sowie bei "...Siegeln und Geheimsymbolen der frühen europäischen Kleriker..."177, übernommene Symbole von katholischen Heiligen und Freimaurersymbole. Jeder lwa besitzt sein eigenes vévé.178 Brown spricht von drei essentiellen Elementen, die ein vévé ausmachen:

1. das Maismehl sowie andere rituell aufgeladene Substanzen

2. der richtige Aufbau des Zeichens

3. das richtige Abbild179

Vévés, die mit Kreide oder Stiften gezeichnet werden, sowie vévés, die mit Farben auf Trommeln oder Wände gezeichnet oder außerhalb eines rituellen Rahmens angefertigt worden sind, gelten als reine Dekoration.

Abbildung 13: Vévé von Papa Legba

Links: Papa Legbas vévé erkennt man an der Symbolik des zentralen Kreuzes und einem stilisierten Stock oder Krücke auf der rechten Seite.

Rechts: Mit Hilfe des vévés, durch das Papa Legba im Ritual angerufen wurde, wird ein Zauberbad rituell geladen.

177 Keller, 2000, S. 57 178 Vgl. Keller, 2000, S. 57 f; vgl. Rigaud, 1996, S.67 ff., S. 99 -103 179 Vgl. Brown, 1975, S. 45 f.

66

Abbildung 14: Vévés für Damballah Wedo, Ayida Wedo und Erzulie Freda Dahomey.

Links: Die lwa Damballah Wedo und Ayida Wedo werden als Schlangen dargestellt und mit einem stilisierten Wasserbecken, aus dem sie sich emporwinden. Dazwischen befindet sich ein Ei, das auch eine beliebte Opfergabe für Damballah Wedo und Ayida Wedo ist. Entnommen von: Rigaud, 1992, S. 168

Rechts: Das vévé von Erzulie besticht durch das Herzmotiv, welches das zentrale Symbol aller Erzulies kennzeichnet. Entnommen von: Rigaud, 1992, S. 229

67 8 Santería

Die Santería ist eine Religion, die auf Kuba entstand. Im Jahr 1492 erreichte Christoph Kolumbus die größte der Antilleninseln, die zu Beginn der Kolonialisierung noch recht uninteressant für die nachfolgenden Europäer war. Erst nach 1510 begann die Eroberung dieser Insel, auf der auch die indigene Bevölkerung versklavt wurde. Diejenigen indigenen Sklaven, welchen die Flucht aus der europäischen Sklaverei gelang, suchten ein geschütztes Leben in den Bergen, in denen sich im Laufe der Zeit palenques180 bildeten, in denen später auch afrikanische Sklaven Zuflucht fanden.181 Der afrikanische Sklavenhandel kam in Kuba erst im späten Drittel des 18. Jahrhunderts auf, als man die Zuckerproduktion ausweitete, welche im 19. Jahrhundert zum wichtigsten Exportgut der Insel wurde. Die Einfuhr von neuen Sklaven im 18. Jahrhundert war so hoch, dass die Bevölkerung in Kuba explodierte und es später bereits mehr Menschen aus Afrika als aus Europa gab. Dies sorgte für Unruhen, einerseits unter den Sklaven die ihre Unabhängigkeit wollten, andererseits unter den Europäern, die sich durch die große Anzahl von nicht-Europäern und durch die Berichte der Sklavenaufstände auf Haiti gefährdet sahen. Die Sklaverei wurde zwar 1886 abgeschafft, dennoch gelang es den Sklaven nicht, eine führende Rolle einzunehmen. Nach dem Abzug der Spanier übernahm Amerika eine leitende Rolle in den Konflikten, welche erst durch die kubanische Revolution unter Fidel Castro in 1959 ein Ende nahmen. Die Santería hatte ihre Ursprünge in den cabildos182 und cofradías183, in denen sich Sklaven unter der Weisung der katholischen Kirche und der Kolonialadministration zusammenschlossen. In den cabildos wurden die Traditionen und Regeln weitergegeben. Der starke Einfluss der auf Kuba stammt von im 19. Jahrhundert als Sklaven verschleppten AfrikanerInnen, die zu den Yoruba gehörten und die die Grundsteine für die Santería legten. Dazu kamen verschiedenen Elemente aus anderen afrikanischen Religionen sowie des Katholizismus.184 Die Santería wird in Kuba auch Regla de Lucumí und Regla de Ocha

180 Spanisch für: Palisade, Einzäunung. Eine Gemeinschaft von entflohenen Sklaven. 181 Vgl. Reuter, 2003, S. 55 182 Spanisch für: Stadträte. Eine Gemeinschaft von Sklaven gebildet um Bräuche und Überlieferungen auszuüben. 183 Spanisch für: Laienbruderschaft. 184 Vgl. Reuter, 2003, S. 56 f., vgl. González-Wippler, 2004, S. 16

68 genannt.185 Die Regela de Ocha wird im Allgemeinen auch mit der Verehrung der Orisha in Zusammenhang gebracht. Lucumí bezieht sich dabei auf einen anderen Namen für das Königreich Oyó nämlich Ulcumy. Ocha dürfte sich auf eine Abwandlung des Begriffes der Orisha beziehen, den Gottheiten und Geistern des Santería Pantheons, Mary Ann Clark deutet Lucumí auch als eine Yoruba Redewendung: oluku mi -mein Freund.186 Regla leitet Astrid Reuter von den reglamentos - den Satzungen ab, die in den cabildos gebräuchlich waren.187

Die Bezeichnung Santería stammt wahrscheinlich aus der Zeit um die Jahrhundertwende, als die Regla de Ocha die Orishas mit den Heiligen der katholischen Kirche in Zusammenhang gebracht hat.188 Die Eigenbezeichnung der Gläubigen als Santeros (männlich) und Santeras (weiblich) stammt ebenfalls aus diesem Zusammenhang und bezieht sich auf die im 16. Jahrhundert bekannten Hüter von Heiligenschreinen.189

Jede cabildo verehrte vorerst nur einen Orisha, so wie es auch in Afrika üblich war. In späteren Jahren übernahmen die einzelnen Gruppen dann auch andere Orishas von anderen Gruppen und es entstand eine neue Religion mit einer differenten Struktur und erweitertem Pantheon.190

Die mit der Regla de Ocha in Verbindung stehende Linie Regla de ifá ist eine eigenständiger, aber dennoch von der Santería getrennter Zweig. Der Regla de ifá Zweig ist in Kuba und Amerika generell nur heterosexuellen Männern vorbehalten und konzentriert sich auf die Verehrung von Orula, dem Orisha des ifá Orakels. Allerdings gibt es dazu immer wieder auftauchende Diskussionen. In Afrika gibt es iyanifa191 oder iyalawo192, die als weibliche Priesterinnen von ifá gelten. Gleiches gilt für homosexuelle Männer, welche schon lange als Babalawos193 initiiert sind.194 Die Priester, genannt, stehen über den Priestern der Santería, den Iyalochas und Babalochas. Das ifá- Orakel steht auch über den Orakeln der

185 Weitere Bezeichnungen sind: "Religión de Ifá", "Religión de Orichas", "Religión de los Yoruba en Américas". Vgl. Schmidt 1995, S. 248 186 Vgl. Clark, 2007, S. 4 187 Vgl. Reuter 2003, S. 56 f., vgl. Clark, 2007, S. 4, regla in Spanisch bedeutet "die Regel". 188 Vgl. Schmidt, 1995, S. 256 189 Vgl. Reuter, 2003, S.58, vgl. Clark, 2007, S. 5 190 Vgl. Reuter, 2003, S. 57 sowie Rossbach de Olmos, 2001, S. 222 191 Mutter von ifá. 192 Mutter der Geheimnisse. 193 Vater der Geheimnisse. 194 Vgl. Clark, 2007, S. 5, S.24 f., S. 77, S.124 f.

69 Santería Priester: diloggún und obí.195 In der Literatur tauchen immer wieder verschiedene Beschreibungen der Konflikte und der gegenseitigen Zuschreibung der Positionen zwischen den Anhängern der Regla de ifá und der Regla de Ocha auf. Dabei handelt es sich meist um die Position der einzelnen Gruppen im Initiationsprozess.196

Die Santería ist die vorherrschende Praktik in Kuba, daneben haben sich jedoch weitere Praktiken und Religionen entwickelt, die auf Kuba praktiziert werden, die ich jedoch in Österreich (noch nicht) finden konnte. Eine bekannte Richtung wird als palo mayombe bezeichnet. Man nennt sie auch palo monte, mayombe oder schlicht palo sowie regla de congo, womit die Herkunft genauer bekannt wird: es handelt sich um religiöse Ansichten aus der Kongoregion in Afrika. Ob es Verknüpfungen zwischen der Santería und palo mayombe gibt, ist nicht ausreichend untersucht. Palo mayombe stellt zumindest für die Praktiker der Santería eine Form der brujeria197 dar, die mit schwarzer Magie in Zusammenhang gebracht wird.198 Diese gegenseitige Diffamierung mit Negativbildern ist mir bereits im gesamten Bereich der afrokaribischen und lateinamerikanischen Praktiken untergekommen und dient wahrscheinlich der Aufwertung des eigenen Handelns.

Rossbach de Olmos beobachtete die Ausbreitung der Santería und zeigt auch die unterschiedlichen Probleme auf. Auf der einen Seite sieht sie eine Heterogenisierung der Santería durch die Aufnahme oder die Übernahme durch andere Religionen und Kulte, andererseits beschreibt sie die Versuche einer Retraditionalisierung der Santería. Wobei diese vor allem von den Bemühungen der Anhänger der Regla de ifá ausgehen, die sich bemühen an die Traditionen anzuknüpfen, welche direkt mit den Sklaven aus Afrika gekommen sind, sowie eine Vermeidung von christlichen Einflüssen anstrebt. Dennoch ist jedes Casa de Santos199 individuell und spiegelt auch die Einflüsse wider, die der/die jeweilige Santero/a zusammengetragen hat. 200

195 Vgl. Rossbach de Olmos, 2001, S. 223 196 Vgl. Clark, 2007, S. 25 ff. Zur Situation der Santeriá in Puerto Rico und die Beschreibung von Santería mit oder ohne ifá vgl. Schmidt, 1995, S. 268 f., S.275 197 Spanisch für: Hexerei. 198 Vgl. Reuter, 2003, 57 f. 199 Eine Santería Gemeinde, im Folgenden einfach als "Haus" bezeichnet. 200 Vgl. Rossbach de Olmos, 2001, S. 221 -225; vgl. Weaver, 1994, S. 27

70 Eine weitere Besonderheit der Santería ist die Übernahme von Gedankengut des europäischen Spiritismus, welcher seine Ausbreitung im 19. Jahrhundert auch in den lateinamerikanischen Ländern hatte.201 Zunächst wanden sich Gläubige der Mittel- und Oberschicht dem Spiritismus zu. Später fand er eine weite Verbreitung und ging mit afrikanischen Elementen sowie mit Elementen aus dem katholischen Volksglauben eine neue "hybride religiöse Subkultur"202 ein. Diese neue Form an Glauben öffnete auch für weiße KubanerInnen die Welt von afrikanisch geprägten religiösen Vorstellungen und Elementen. Den meisten Einfluss hatte der europäisch geprägte Spiritismus in der Form der misa espiritual.

Die Revolution im Jahre 1959 war auch für die Santería prägend. Sie erlebte eine Zäsur und selbst für ausländische Forscher wurde die Forschung über die Santería erschwert. Es wurde eine eigene staatliche Behörde geschaffen, die Forschungslizenzen vergab, sowie Kontakte mit ausgewählten InterviewpartnerInnen bereitstellte. Astrid Reute verweist darauf, dass man sich danach auf die Erforschung der Santería in Amerika beschränkte und sich dieser Erkenntnisgewinn nicht ganz auf die Santería, wie sie in Kuba gelebt wird, übertragen lässt.203

8.1 Von Kuba nach Amerika

Durch Musiker verbreitete sich die Santería in den 1940ern zuerst in die USA, wobei New Jersey und New York sich als ein Zentrum herausstellten. In New York verband sich ein Teil der Santería mit weiteren Praktiken des Spiritismus204, danach breitete die Santería sich unter puertoricanische Migranten weiter nach Puerto Rico aus.205 In den 1960ern wurde Miami und die Umgebung ein zentraler Punkt der Santería. Babalawos suchten von dort aus vertiefenden Kontakt nach Westafrika und unter den in den USA lebenden Priestern aus Nigeria.

201 Vgl. Reuter, 2003, S. 58 202 Ebda, S. 59 203 Vgl. ebda, 2003, S. 59 f. 204 Rossbach de Olmos bezeichnet diese Verbindung als Santerismo. Vgl. Rossbach de Olmos, 2001, S. 224; vgl. Schmidt, 1995, S. 296 ff. 205 Zur Santería in Puerto Rico vgl. Schmidt, 1995

71 Venezuela übernahm ebenfalls Elemente aus der Santería, die sich in die lokale Religion der María Lionza einfügten. Die Orishas bilden dabei einen eigenen Corte206 im Pantheon um Mariá Lionza. Die Santería immigrierte ebenfalls nach Mexiko durch Musiker in den 1940ern, wobei auch hier die Santería oft in lokale Religionen aufgenommen oder einzelne Elemente übernommen wurden, wie zum Beispiel in den Kult der santa muerte.207

Santería ist eine Religion, die sich grundsätzlich auf die Probleme des Diesseits konzentriert und den Gläubigen mit Magie und Ritualen bei der Bewältigung der täglichen Probleme beisteht. Die Aufgabe der Santeros besteht auch darin, das umfangreiche Repertoire an magischen und heilpflanzlichen Anwendungen zu erlernen.208 Bei größeren Problemen wendet man sich an die Orishas. Die Orishas, die man auf Kuba auf ungefähr um die 40 schätzt, sind die zentralen Wesenheiten der Santería, mit eigenen Aufgabengebieten, individuellen Charakterzügen sowie Vorlieben, die sich auch in den Gläubigen in ihrem Charakter und der Lebensweise widerspiegeln. Eine Tochter von Ochun, dem Orisha der Liebe und des Süßwassers sol eine Tendenz zu Eitelkeit, Weiblichkeit und der Verführung haben, während Kindern der Yemayá, dem Orisha der Meere ein mütterliches und aufbrausendes Temperament zuschrieben wird.209

Den Orisha ordnet man Gegenstände und Attribute zu, damit sie erfahrbar und identifizierbar werden, ebenso gibt es eine Gleichsetzung mit katholischen Heiligen. Changó, der Orisha des Donners und des Blitzes, wird im Bild der heiligen Barbara verehrt, durch die Übereinstimmung mit der Farbe Rot sowie der Blitzlegende der heiligen Barbara. Die Orishas wohnen auch in heiligen Steinen, otanes genannt, diese werden in entsprechenden Porzellanterrinen untergebracht und rituell verehrt.210

206 Spanisch für: Hof. 207 Vgl. Rossbach de Olmos, 2001, S. 224 f. 208 Vgl. Weaver, 1994, S. 27 209 Vgl. Rossbach de Olmos, 2001, S. 222 f. 210 Vgl. ebda, 2001, S. 223

72 8.2 Orisha

Die Orisha sind die höchsten Geistwesen der Santería. Ihre genaue Anzahl ist unbekannt, manche Autoren gehen jedoch von 401 verschiedenen Orisha aus, im Allgemeinen wird jedoch nur eine Handvoll von ihnen in Santería Häusern verehrt. Die Orisha stammen aus der Yoruba Kosmologie und jeder Orisha hat eine eigene zugeordnete Farbe, rituellen Tag, Opfergaben, rituelle Kette, Pflanzen, Speisen, Getränke, Trommelrhythmen sowie katholischen Heiligen, die jedoch von einigen Häusern wieder abgelehnt werden. Orishas besitzen auch unterschiedliche Aspekte, die man caminos211 nennt, dadurch können die Orishas in verschiedenen Formen, Arten und Erscheinungen auftreten.

Der oberste Orisha ist , auch als Olorun und bekannt. Olodumare ist immanent und omnipräsent. Olodumare wird nicht immer als Orisha angesehen, da er nie erschaffen wurde, da er immer schon existent war. Als Olorun ist er der Eigentümer des Himmels, als Olofi bezeichnet er die Erschaffung selbst sowie auch der eigene, innere, göttliche Teil. Olodumare, Olorun und Olofi werden als drei Aspekte eines göttlichen Wesens angesehen. Bildlich stellt man ihn sich auch als zwei ausgehölte Kürbishälften vor, die obere Kürbishälfte symbolisiert den Kosmos und die darin wohnenden Orishas, die untere Hälfte ist die Erde mit den Menschen. Dazwischen befinden sich die egun212 bzw. die muertos213.

8.2.1 Los Guerreros

Elleguá, , Ochosi und Osun formen eine spezielle Gruppe von Orisha, die als Ayaguns beziehungsweise als Los Guerreros214 bekannt sind. Diese Orisha werden als Brüder gesehen und werden am Anfang des Initiationsweges in die Santería mithilfe der Orakel verliehen. Diese

211 Spanisch für: Wege 212 Yoruba für: Ahnen, Tote 213 Spanisch für: die Toten 214 Spanisch für: die Krieger.

73 Orishas bringen den Anhängern der Santería Schutz, einen offenen Lebensweg und schützen gegen Unglück.215

Elleguá216 ist der Orisha der Wege, der Straßenkreuzungen, eine Tricksergestalt. Er wird mit einem rituell aufgeladenen Tonkopf dargestellt, aber auch als Kokosnuss oder als große Muschel, die man bei oder hinter der Eingangstüre aufgestellt. Man bewirtet Elleguá montags und er wird generell bei jeder großen Entscheidung um Hilfe gebeten. Seine Farben sind rot und schwarz und er genießt ein hohes Ansehen. Zu ihm betet man um offene Lebenswege und er spielt eine wichtige Rolle in den Orakeln sowie in der Funktion als Botschafter zwischen den Menschen und den Orishas. Elleguá wird mit vielen Heiligen assoziiert: mit dem heiligen Antonius, dem Jesuskind von Atocha, dem heiliger Petrus, der Anima Sola und dem heiligen Benedikt.

Ogun ist der Orisha des Eisens, der Schmied, des Krieges und der Technologie. Ogun wird mit den Wäldern assoziiert, den Krankenhäusern und den Eisenbahnschienen. Ogun wohnt in einem Eisentopf, in dem sich sein Otan befindet sowie sieben verschiedene Eisenwerkzeuge. Sein Tag ist der Dienstag, seine Farben Grün und Schwarz. Der heilige Petrus ist sein katholischer Heiliger.

Ochosi ist der Orisha der Jagd und der Gefängnisse. Er wohnt zusammen mit Ogun im Eisentopf und wird durch einen Pfeil und Bogen dargestellt. Seine Kräfte sind auch in der Anwendung von Pflanzen, Kräutern und Bäumen und Hölzern zu finden. Angerufen wird er auch bei Problemen mit dem Gesetz und wenn es um Gerechtigkeit geht. Ochosi gehört auch zu den Orishas, die in Kuba weiterhin verehrt werden, während er in seiner Heimat Nigeria nur mehr wenig Anhänger besitzt.217 Seine Farben sind Gelb, Blau, Grün und Braun. Sein katholischer Heiliger ist der heilige Norbert sowie der heilige Isidor.

Osun ist ein Wächter der gegen Hexerei schützt und den Gläubigen dabei hilft aufrecht zu sein. Er wird durch einen kleinen silbernen Metalltopf, auf dem ein Hahn und kleine Glöckchen

215 Vgl. Omi Yomi; Omi Iraguo, 2007: Guerreros; vgl. Murphy, 1993, S. 11- 15, S. 70 f. 216 Auch bekannt als Eshu, Elegbara und Esu. Eleggua gilt als die Kraft der Möglichkeiten, Elegbara gilt als der Ausüber der Macht, als Eshu sieht man ihn als Wanderer in der Welt an. Omi Yomo erklärt mir auch das Eshu außerhalb des Hauses ist und Eleggua innerhalb des Hauses verehrt werden kann. Vgl. González-Wippler, 2004, S. 28 f., vgl. Clark, 2007, S. 123 und Interview Omi Yomi, 23. Januar 2012; vgl. Murphy, 1993, S. 71 217 Vgl. González-Wippler, 2004, S. 14. In Kuba wurden die einzelnen Oricha zusammengefasst und bildeten ein Ganzes, während es in Nigeria üblich war, jeweils nur einen Oricha zu verehren.

74 angebracht sind, dargestellt. Er wird am höchsten Punkt des Hauses aufgestellt, damit er darüber wachen kann. Falls er umfällt gilt dies als Warnung und es muss eruiert werden, woher das angezeigte Unglück stammt. Er wird mit dem heiligen Johannes dem Täufer assoziiert. 218

8.2.2 Siete potencias africanas

Sehr gerne spricht man heute in der Literatur von den siete potencias africanas219, die sieben der wichtigsten und bekanntesten Orisha der Santería zusammen fassen sollen.220 Dazu gehören Elegguá, Ogun, Obatala, Ochun, Yemaya, Chango und . Diese sind zugleich die beliebtesten und bekanntesten Orisha, sie sind jedoch nicht die einzigen, die als Kopforisha bestimmt werden können. Fünf dieser Orishas spielen auch eine wichtige Rolle bei der Vergabe der Ilekes, der Schutzketten. Diese können nur von den Olorishas vergeben werden und dienen als Schutz. Die wichtigsten fünf Ilekes gehören zu Elleguá (rot und schwarz), Obatala (weiß), Chango (rot und weiß), Ochun (gelb und gold) sowie Yemaya (blau und weiß). Die Ketten können auch erhalten werden, wenn man nicht initiiert ist, sie verlangen jedoch einen Respekt vor den Orisha sowie ein reges Interesse an der Santería.221

Um die siete potencias africanas zu vervollständigen hier die weiteren Orishas:

Obatala wird oft als androgyner Orisha aufgefasst, viele seiner/ihrer Aspekte beinhalten männliche und weibliche Erscheinungsformen. Obatala steht für Frieden, Reinheit und Sauberkeit. Die zugeordnete Farbe ist weiß, dieser Orisha gilt auch als König des weißen Tuches und sein ritueller Tag ist Sonntag. Obatala gilt auch als Orisha des Kopfes und der Gedanken sowie aller weißen Substanzen und der Knochen. Er wohnt in einem weißen Topf, zusammen mit

218 Vgl. González-Wippler, 2004, S. 24 -75, vgl. Schmidt, 1995, S. 270 -273 219 Spanisch für: Sieben afrikanische Kräfte 220 Andere Quellen deuten die sieben afrikanischen Kräfte anders. Sie sollen sieben Stämme symbolisieren, die in Kuba als Sklaven angekommen sind. Diese sieben Stämme sind Yoruba, Congo, Takua, Kissi, Calabar, Dahomey und Mandika. Vormals verfeindet, schlossen sie sich in Kuba zusammen und beeinflussten sich gegenseitig in ihren religiösen Praktiken. Vgl. Lele 2003, S. 330. Diese Deutung soll die Richtigere sein. Im Folgenden bleibe ich bei der populären Deutung, weil die Darstellungen der siete potencias africanas meist zusammen mit den Namen der Orishas auftreten. 221 Vgl. González-Wippler, 2004, 165 f.

75 seinen/ihren heiligen Symbolen der Sonne, des Mondes, Elefant, Schnecke und einer silbernen Schlange. Obatalas katholische Entsprechung ist die Virgen de la Merced.

Ochun gilt als die Mutter von Kuba. Sie ist der Orisha der Liebe, der Gefühle, des Geldes, von Honig, Gold, dem Wasser und der Wasserfälle. Ochun mag gelbe Blumen, Fächer, Pfauenfedern, Spiegel und Honig. Sie wird angerufen wenn es um die Liebe geht sowie auch wenn es um Sexualität, Tränen und um Geldangelegenheiten geht. Verehrt wird sie am Freitag und ihre katholische Heilige ist die Virgen de la Caridad del Cobre.

Yemayá ist der Orisha der Meere, der Fruchtbarkeit, die Mutter aller. Zusammen mit dem Orisha , der als ihr Partner oder als Aspekt Yemayás gilt, regiert sie das Meer. Dann gilt Yemayá als das Meer an der Oberfläche und Olokun als die Tiefe des Meeres. Montag ist Yemayás Tag und die Heilige ist die Jungfrau von Regla.

Chango ist Männlichkeit, Leidenschaft, Feuer, Donner und Blitz. Zu ihm gehören auch die kräftigen Trommelschläge sowie die männliche Sexualität. Chango bringt Schutz und Glück und seine Präsenz wird im Donner und dem Blitz wahrgenommen. Er soll einst ein König von Oyó gewesen sein. Changos Tage sind Freitag, Samstag und Montag, sein katholisches Pendant ist die heilige Barbara.

Oyá ist eine der Frauen von Chango (neben Ochun und Obba- dem Orisha der Ehe sowie der hoffnungslosen Fälle). Oyá ist der Orisha der Winde, der Wirbelstürme und des Blitzes, den sie ihrem Mann Chango gestohlen hat. Oyá gilt als Kriegerin und sie hat eine besondere Verbindung zu Marktplätzen, aber auch zu Friedhöfen und den Ahnen. Ihr katholisches Pendant ist die heilige Theresia, die Virgen de la Candelaria sowie die heilige Martha.222

Ein weiterer und sehr wichtiger Orisha in der Santería ist Babalú Ayé, der Orisha der Krankheiten, vor allem der ansteckenden Krankheiten, traditionell der Pocken. Zu ihm beten die Anhänger auch, damit ein Heilmittel gegen AIDS gefunden wird, sowie für alle neu

222 Vgl. González-Wippler,2004, S. 24- 75; vgl. Dorsey, 2005. S. 78- 90; vgl. Reuter, 2003, S.60- 64; vgl. Omi Iraguo; Omi Yomi, 2007: "Orishas mayores"

76 auftauchenden Plagen und Erkrankungen. Sein katholischer Heiliger ist der heilige Lazarus und seine rituellen Tage sind der Freitag und der Mittwoch.223

8.3 Heilungssuche in der Santería

Die rituellen Spezialisten in der Santería werden auch zur Heilung von physischen, spirituellen sowie religiösen Erkrankungen aufgesucht. Die Diagnosemittel setzen sich aus den Orakelmethoden und/oder medialen Praktiken zusammen. Die physischen, sozialen und psychologischen Probleme werden oft auf den Einfluss der Orisha, der Ahnen und anderer Geistwesen zurückgeführt, die einen direkten Einfluss auf die Menschen ausüben können. Die Heilmethoden umfassen rituelle Arbeit, die Arbeit mit Pflanzen sowie spirituelle Reinigungen in einer Possession mit einem Geistwesen, etwa bei einer misa espiritual.

Die Anhänger der Santería haben gegenüber ihren Geistwesen, Ahnen und Orisha Pflichten und Regeln einzuhalten, diese sorgen dann für den Schutz und das Wohlergehen der Gläubigen. Menschen die keinen Kontakt zu spirituellen Kräften und der spirituellen Welt haben, fehlt daher, aus der Sicht der Santería, ein wichtiger Teil ihres eigenen Lebens. Dies kann zu Ungleichgewicht und Unglück sowie Krankheiten führen. Die Orisha werden als lebendige Entitäten gedacht, die in das alltägliche Leben eingreifen können und einen alltäglichen Teil des Lebens darstellen.224

Meine Informantin Maria bewirtet daher ihren Santo San Lazaro, der in der kubanischen Santería mit dem Orisha Babalú Ayé gleichgesetzt wird. Der Santo wird am Montag und am Freitag bewirtet, dazu erhält er den Rauch einer Zigarre, Rum, manchmal ein Glas mit Wasser und Münzen. Allgemein dient dies dem Glück im Leben, der persönlichen Reinigung sowie dem Schutz der Familie. Wenn man ein Problem hat, kann man auch zum Santo gehen und mit ihm darüber sprechen. Maria benutzt keine Orakel für den Kontakt mit dem Santo, vieles wird medial

223 Vgl. González-Wippler,2004, S. 24- 75; vgl. Dorsey, 2005. S. 78- 90; vgl. Reuter, 2003, S.60- 64; vgl. Omi Iraguo; Omi Yomi, 2007: "Orishas mayores" 224 Vgl. Kremser, 2009, S. 310 f.; vgl. González-Wippler, 2004, S. 15

77 übermittelt.225 Meine Informantin Omi Yomi besitzt zuhause auch Santos, in der Form von Töpfen, die jeweils einen Orisha beherbergen. Diese Töpfe erhalten rituelle Speisen am Festtag des Orisha, am Santo Geburtstag oder wenn sie etwas Bestimmtes benötigt. Dazu muss Omi Yomi auch bestimmte Tabus beachten, Abbildung 15: Tronos die bei Nichtbefolgen zu Unfällen Am jährlichen Festtag, an dem man eingeweiht worden ist, werden oder Schicksalsschlägen führen die Terrinen/Suppenschüsseln mit den otanes in der Farbe des können. Ein Tabu bezieht sich auf jeweiligen Orisha gekleidet und auf eine Art Podest bzw. Thron, den die Farben gelb, rot und schwarz tronos, gestellt. Davor werden die Lieblingsopfergaben der Orisha und auf das Gebot, alles zu gegeben. Im Bild von links nach rechts sind zu sehen: Olokun, vermeiden, was damit in Yemaya und .

Zusammenhang steht. Dazu Bild entnommen von: http://www.Santería.at/uploads/pics/Yemaya_Ochun- zählen zum Beispiel Essen, Trono_2008_DSC09097_kl.jpg [6.Dezember 2012] Kleidung und Getränke. Weitere Tabus sind zum Beispiel das Essen von Tomaten sowie das Fahren mit Fahrrädern oder Motorrädern. Diese Tabus garantieren einen Schutz. Man hält sich im Allgemeinen schon streng an die Regeln "...will aber nicht keuscher als der Papst sein."226

González-Wippler meint, dass vier Dinge die Santería kennzeichnen: Wasser, Pflanzen, Kaurimuscheln und Otanes. Ohne diese vier Elemente wäre die Santería nicht komplett. Die Otanes sind die heiligen Steine in der Santería, die als Sitze der Orishas gedacht werden und ihre Kraft beherbergen. Die Otanes werden in Suppenschüssel aufbewahrt und regelmäßig beopfert, mit entsprechenden Opfergaben vor oder auf der Schüssel oder mit Blutopfer, mit denen die Otanes direkt genährt werden. Die Kaurimuscheln sind ein zentrales Element in der Santería, sie

225 Vgl. Interview Maria, 23. November 2012; vgl. Murphy 1993, S. 90 226 Omi Yomi, Interview, 23. Januar 2012

78 werden als Orakel benutzt, als Diloggún sowie als Obi. Jeder Orisha hat seine eigens Set an Kaurimuscheln mit denen man sich an ihn wenden kann. Die Kaurimuscheln sind ein wichtiges und sehr zentrales Element in der Santería, denn mit ihnen werden alle Probleme erkundet und befragt. Das Wasser ist ein essentielles Element in beinahe allen karibischen und lateinamerikanischen Praktiken. Es dient zum Erfrischen für die Geistwesen und die Orisha. Wasser ist auch ein Medium, das die Kommunikation mit der geistigen Welt herstellen kann und wirkt heilend und vermittelnd. Pflanzenkenntnisse sind für alle Santeros wichtig: für Heilbäder, als Abreibungen und als Heilmittel generell. Pflanzen werden daher einem oder mehreren Orisha zugeordnet und sie können daher energetisch auf den Menschen einwirken. Wie bereits erwähnt, versucht Omi Yomi auch einheimische Pflanzen und ihre Heilkräfte zu erlernen und in das System der Santería einzubringen. Die wichtigste Flüssigkeit die es in der Santería gibt, ist omiero. Es wird durch Auspressen von frischen Pflanzen in Wasser hergestellt und anschließend mit anderen heiligen Zutaten vermischt, wie verschiedene Wässer und Blut eines geopferten Tieres. Omiero wird bei Initiationen benutzt, die Ilekes werden damit gewaschen und es wird für Heilung getrunken.227

8.4 Initiation

Wenn man sich mit der Santería beschäftigt, bemerkt man sehr schnell, dass es aus einem großen System an Initiationen besteht. Durch die Initiation wird man nicht nur den Orishas geweiht, sondern lernt auch stufenweise die Praktiken, Vorstellungen und Methoden der Santería.

Die erste Stufe der Santería ist mit dem Überreichen der elekes/ilekes/collares verknüpft. Diese fünf, bereits besprochenen, rituellen Ketten dienen als Schutz und müssen mit dem nötigen Respekt behandeln werden und in manchen Santería Häusern gilt "... Von diesem Moment an steht man unter dem Schutz und dem Segen der Orishas seiner Madrina oder seines Padrinos". Die Ketten reißen, wenn der Orisha den/die TrägerIn vor einer unglücklichen Situation beschützt

227 Vgl. González-Wippler, 2004, S. 20 -23

79 hat.228 Die Guerreros, die Krieger der Santeros, stellen meist die zweite Stufe dar und stehen dem Gläubigen bei allen Kämpfen des Lebens zur Seite und dienen auch der Orientierung. Der nächste Schritt ist nicht für alle gedacht, es ist der Schritt um "den Heiligen zu machen". Dies ist ein spiritueller Ruf und kann bei Nichtbefolgen mit Strafen seitens der Orishas geahndet werden.229 Im rituellen Schritt der mano de Orunla genannt wird, erhält man die Bestimmung des eigenen Orisha, sowie sein eigenes Schicksal, durch das Orakel bestimmt. Je nach Haus wird dazu das dillogun oder ifá benutzt. Dieses orakelte Schicksal bleibt einem für das Leben erhalten und ist mit Ratschlägen und Tabus verbunden. Der nächste Schritt beinhaltet die Zeremonie, mit der man mit seinem Orisha bekrönt wird, asiento, hacerse santo oder Kariocha genannt230, und mit vielen Ratschlägen, Tabus und Regeln in Zusammenhang steht, so wie zum Beispiel das oft zitierte Jahr in Weiß. Von da an nennt man die eingeweihten Olorisha231 oder Aborisha. Wenn man andere initiiert hat, werden Frauen als Iyalorisha232 bezeichnet, Männer als Babalorisha.233 Asiento bezeichnet auch die Anschauung, dass der Orisha von nun an in seinen Initianten in ritueller Besessenheit erscheinen kann, das bedeutet, er kann spirituell im Kopf Platz nehmen und so mit den Gläubigen kommunizieren.234

8.5 Misa espiritual

Tambores finden laut Omi Yomi in Wien keine statt, es werden jedoch misas espirituales235 abgehalten. Der Ahnenkult aus Afrika hat es nicht, wie die Santería, mit all seinen Elementen nach Kuba geschafft. Aus diesem Grund hat sich in Kuba eine eigene Praktik rund um die egun entwickelt, die neben den spiritistischen Einflüssen auch afrikanische Elemente beherbergen. Grundlegend werden zwei Arten von eguns unterschieden, die der eigenen Familie

228 Omi Yomi; Omi Iraguo, 2007: Ilekes; vgl. Murphy, 1993, S. 77 ff. 229 Vgl. González-Wippler, 2004, S. 16 ff. 230 Asiento- Spanisch für: der Sitz, der Sitzplatz. Hacerse santo- Spanisch für: den Heiligen machen. Kariocha- Yoruba für: den Orisha auf den Kopf setzen 231 Jemand der einen Orisha hat, vgl. Clark, 2007, S. 5 232 Auch iyalosha (Mutter der Oricha) und babalosha (Vater der Orisha), vgl. Clark, 2007, S. 5 233 Vgl. Clark, 2007, S. 125 ff., vgl. Omi Yomi ; Omi Iraguo, 2007: mano de Orunla 234 Vgl. González-Wippler, 2004, S. 14; vgl. Murphy, 1993, S. 90 f. 235 Spanisch für: Spirituelle Messen

80 beziehungsweise des eigenen Clans und eguns aus fremden Familien und Clans. Diese fremden eguns können Mitglieder der spirituellen Familie sein, wie padrinos oder madrinos oder eine Schwester beziehungsweise ein Bruder aus derselben Gruppe, in die man initiiert wurde.

Die Bóveda ist der Platz an dem die egun verehrt werden. Ein Tisch wird Weiß gedeckt und die wichtigsten Elemente finden darauf Platz: eine ungerade Anzahl an Gläsern mit frischem Wasser, Opfergaben, Kerzen, Zigarren, weiße Blumen, ein Kreuz, Räucherwerk, agua florida, ein Gebetsbuch und, je nach Haus, ein palo de los muertos236, mit dem zur Anrufung der Ahnen auf den Boden geklopft wird. Rund um die Bóveda findet die misa espiritual statt, bei der die eguns eingeladen werden.

Die Wassergläser haben ebenfalls eine wichtige Aufgabe, sie werden grundsätzlich in ungerader Anzahl auf den Altar gestellt, also 3, 7 oder 9 Stück und können je nach Position für unterschiedliche Zwecke eingesetzt werden. Eine runde Form, also mit einem zentralen Glas in der Mitte und die anderen im Kreis herum, dient dem Schutz. Eine V- Form für spezieller Gebete und schickt die Geister zum Arbeiten aus. Eine aus den Gläsern gebildete Pyramide dient der spirituellen Entwicklung der Geister, speziell für verstorbene Familienmitglieder. Eine H-Form mit dem zentralen Glas in der Mitte dient der Herstellung von Harmonie und Ruhe. Auch jedes einzelne Glas kann eine eigene Bedeutung bekommen, so dient das zentrale Glas sehr oft dem eigenen Schutzgeist oder der göttlichen Kraft, andere Gläser werden Geistführern, wie den Indios oder Madamas, geweiht oder stehen für Geistern, die Liebe brauchen.237

Eine Bóveda kann vieles sein:

1. Platz des Gebets

2. Platz der Dankbarkeit

3. Raum für Meditation oder Magie

4. Platz der inneren Einkehr und des Selbstfindens

5. Platz des Friedens

236 Spanisch für: Stab der Toten 237 Vgl. Ventos, 2008, S. 21, vgl. Omi Yomi ; Omi Iraguo, 2007: Die Bòveda

81 6. Heiliger Raum

7. Ausdruck der Schönheit

8. Kreativer Ausdruck

9. immer veränderlich238

Wie erwähnt, findet man in der Gruppe der egun nicht nur verstorbene Familienmitglieder, sondern auch andere Geistwesen. Diese werden häufig durch Bilder, Figuren oder Puppen auf der Bóveda plaziert. Maria, meine Informantin, hat selbst zwar keine Bóveda in ihrer Wohnung, allerdings einen afrikanischen Geist, in Form einer Puppe im Wohnzimmer sitzen, die sie la negra239 nennt. Diese Geistwesen, die als höhere Geister gedacht werden, nennt man im Allgemeinen auch la Madamas oder el Congo und sollen verstorbene afrikanische SklavInnen gewesen sein, die den Gläubigen nun mit

Rat und Tat zur Seite stehen. Andere Geistwesen sind Abbildung 16: Bóveda indianischen Ursprungs, wie die Tainos oder Arawak, Die Bóveda, ein Tisch zur Ehren der los Indios genannt, oder Sinti und Roma Geistwesen, los Geistwesen, in Weiß gedeckt. Gläser mit ciganos.240 frischem Wasser sorgen für die Erfrischung der Geistwesen. Die Bóveda Die Bóveda ist ein Ort, an dem die Geistwesen täglich ist den Ahnen gewidmet als auch anderen begrüßt und der auch von nicht-Santeros verwendet Geistwesen. Omi Yomi nennt die in weiß werden kann, daher gibt es im Allgemeinen gekleidete Puppe: la Francesca. unterschiedliche Varianten und Formen der Bóveda.241 Foto entnommen von: 242 Ikú lobi ocha ist ein wichtiges Prinzip innerhalb der http://www.Santería.at/ahnen/ahnenaltar- Santería und bedeutet, dass es wichtig ist, die Ahnen zu boveda/ [6. Dezember 2012]

238 Omi Yomi ; Omi Iraguo, 2007: Die Bòveda 239 Spanisch für: die Schwarze 240 Vgl. Ventos, 2008, S. 15 f. 241 Vgl. ebda, S. 16 242 Yoruba für: Der Tod gebar den Heiligen

82 ehren. Die Bóveda ist ein Platz der Meditation sowie zur spirituellen Weiterentwicklung und ein Ort, an dem man mit den Ahnen Kontakt aufnehmen kann. Der Kontakt geschieht ebenfalls in beide Richtungen, denn wenn man regelmäßig am Altar arbeitet, dann "... wird man Antworten auf die gestellten Fragen sehen, fühlen oder hören. Man lernt auf seine Träume zu achten, denn auch so kommen die Ahnen zu uns, um Nachrichten zu übermitteln."243

Eine misa espiritual dient einerseits dazu, die Sorgen und Wünsche der Ahnen und Geistwesen anzuhören, andererseits auch um mit ihnen in Kontakt zu treten und um Ratschläge für das Leben zu erhalten. Die verschiedenen Geister können in Séancen beziehungsweise in einer misa espiritual mit der Welt der Lebenden Kontakt aufnehmen um einen günstigen und wohlwollenden, wie auch einen negativen Einfluss auszuüben.244

In einer misa espiritual werden die Geister direkt angesprochen und herbeigerufen und sie manifestieren sich in den Körpern der Medien, durch die sie ihre Botschaften weiter geben können. Dabei können sie auch um Rat und um Unterstützung für alle Lebensbereiche gefragt werden.245 Ein Geistwesen in einer Possession herabzurufen ist ein Segen für die Gruppe und wird auch meistens für das Wohl einer Gruppe gemacht und um das Bewusstsein dieses Wesens zu verbreiten.246

Das Herabrufen von Geistwesen kann auch einen anderen Zweck erfüllen, wie ich im nächsten Kapitel zeigen werde. Dabei geht es weniger um Rat für die Lebenden, als um die Unterstützung von Menschen, die durch den Umgang mit niederen Geistwesen, Probleme haben oder Geistwesen die Probleme verursuchen und sich an Menschen angehängt haben.

243 Omi Yomi ; Omi Iraguo, 2007: Die Bòveda 244 Vgl. Reuter, 2003, S. 58 245 Vgl. Reuter, 2003, S. 58, S. 64 f. 246 Vgl. Kremser, 2009, S. 311

83 9 Depossession

Die als Depossession oder auch als "weißer Tisch" bekannte Methode wird vom Brasilianer Carlos Sauer gelehrt. Diese spirituelle Technik wird als fortgeschrittene Technik betrachtet und von Eva Ruprechtsberger, eine Schülerin von Carlos Sauer, in Seminaren weiter gegeben. Die Arbeitsmethode stammt aus dem brasilianischen Schamanismus und enthält Elemente des Spiritismus nach Allan Kardec sowie aus brasilianischen Religionen.247

Das Zentrum der Arbeit besteht aus der Befreiung von verlorenen Seelen sowie Seelen, die nach ihrem Tod in ihrer spirituellen Entwicklung stecken bleiben und sich an die Umgebungen und an die Energiefelder von Menschen angehängt haben. Auch Traumen und negative Muster innerhalb der eigenen Familienlinie können Thema der Arbeit sein. Diese Energien und Geistwesen können einen positiven und negativen Einfluss auf das tägliche Leben und das Energiefeld der Lebenden haben.248 Depossession wird in Brasilien auch in der Psychiatrie zur Behandlung von Problemen eingesetzt, die durch Besetzungen von verirrten Seelen verursacht sind.249

Der weiße Tisch hilft diese Energien und Muster hervorzubringen um sie anschließend aufzulösen, zu reinigen und zu heilen. Dabei erstreckt sich die Möglichkeit der Behandlung auf einen selbst, das Umfeld, die Gemeinschaft und sogar auf ganze Orte.250

9.1 Verirrte Seelen

Beim Ritual des weißen Tisches stehen die Seelen Verstorbener im Mittelpunkt der Arbeit. Im Folgenden handelt es sich um eine Gruppeneinteilung der verirrten Seelen. Eine Seele kann sich in einer oder auch in mehreren Gruppen wiederfinden.

247 Vgl. Baumann, 2009, S. 2. Eine Diplomarbeit über brasilianischen Religionen in Graz, Candomblé und Umbanda, schrieb Damm, 2011 248 Vgl. Sauer, 2008 sowie Ruprechtsberger, 2012 249 Vgl. Baumann, 2009, S. 2 250 Vgl. Ruprechtsberger, 2012

84 Die erste Gruppe sind Verstorbene, die oftmals verwirrt und verängstigt sind:

- Seelen, die noch nicht wissen, dass sie ihren Körper bereits verlassen haben, da sie durch einen unerwarteten Tod oder bei Unglücksfällen gestorben sind.

-Seelen, die nicht in das Licht gehen wollen, da sie Angst vor Strafen eines rächenden und zürnenden Gottes haben.

Die zweite Gruppe Verstorbener ist Ortsgebunden und kann sich durch Klopfzeichen oder Geistererscheinungen bemerkbar machen:

-Seelen die man an einem bestimmten Ort findet und die sich dort aufhalten, weil sie dort gelebt haben oder sie den Ort aus unterschiedlichen Gründen sympathisch finden.251

Die dritte Gruppe an Verstorbenen findet man häufig während des weißen Tisches, sie sind personenfixiert:

- Seelen, die noch eine Aufgabe zu erledigen haben und dafür einen Körper, ein Medium, brauchen um ihre Aufgaben zu vermitteln.

- Seelen, die sich an Lebende hängen, da sie ihnen sympathisch sind.

Diese personenfixierten Geister erscheinen in Anhaftungen/Obsession und Besetzungen/Possession.

Die Obsession bezeichnet Geistwesen, die sich ständig um eine oder hinter einer Person befinden und sie zu beeinflussen versucht. Sie suggerieren Ideen und versuchen die Menschen zu leiten. Dies kann sich zum Beispiel in zwanghafter Beschäftigung ausdrücken.

Eine Possession, dem Besetztsein durch ein Geistweisen, kommt nicht so häufig vor. Sie bezeichnet das Phänomen, wenn ein Geistwesen tief in das Herz und den Verstand des Menschen eingedrungen ist und dadurch das Leben der Person komplett verändert. Diese Menschen verändern auf ungewöhnliche Weise ihr ganzen Leben, ihre Sprache, ihre Lebensführung. Sie leiden oft an Depression und haben einen Energiemangel, der daraus entsteht, dass sich zwei

251 Vgl. Baumann, 2009 und persönliche Notizen.

85 Seelen einen Körper teilen. Oftmals entsteht das Gefühl, dass sie sich von außen gesteuert fühlen oder den eigenen Willen verlieren.252

Das entspricht etwa dem Konzept von Allan Kardecs Lehren, der darauf hinweist, dass nur niedere Geistwesen die Menschen beherrschen und besetzen wollen. Sie machen sich durch Zwänge bemerkbar und bemächtigen sich des Opfers. Kardec unterscheidet ebenfalls verschiedene Formen an Besessenheit, die er in drei Grade einteilt:

Die einfache Besessenheit

Dabei stört ein niederer Geist das Medium und gibt sich für ein angerufenes Geistwesen aus und verhindert weitere spirituelle Arbeit. Bei dieser Besessenheitsvariante wird man von dem Geistwesen betrogen und blockiert, was einen unangenehmen Effekt hat.

Die Verblendung

In der Verblendung wird man direkt vom Geistwesen getäuscht, es manipuliert die Gedanken des Menschen und macht sie für diesen Menschen real. Dabei wird man von diesem niederen Geistwesen gelenkt und erfährt die Täuschungen als reale Wahrheit und absolute Wahrheit. Der Mensch, der einer Verblendung unterliegt, gilt als blind, weil er die Realität nicht erkennen kann.

Die Unterjochung.

Sie ist die stärkste Stufe der Besessenheit und soll direkt den Willen der Person brechen. Kardec spricht von Unterjochung im moralischen und körperlichen Bereich, die die Menschen zu Zwängen führt. Dies kennzeichnet die Besessenheit wie man sie im allgemeinen Sprachgebrauch verwenden würde.253

252 Vgl. Baumann, 2009 253 Vgl. Kardec, 2000³, 201- 204

86 9.2 Ablauf

Eva Ruprechtsberger lehrt das Ritual an einem Wochenende, wobei man am ersten Tag die Grundlagen lernt, wie man sich auf die geistige Welt einstellt, wie man die Arbeit steuert und es gibt erste Erfahrungen mit der Depossession. Am zweiten Tag arbeiten die Fortgeschrittenen in einer Gruppensitzung.254

Das Ritual, bei dem ich am 7. November 2009 dabei war, wurde an einem Tag abgehalten. Die wichtigsten Elemente setzten sich dabei aus der Vorbereitung des Raumes zusammen, der schamanischen Vorbereitung um sich ausreichend auf die Arbeit am weißen Tisch vorzubereiten und um einen persönlichen Schutz aufzubauen, am Nachmittag fand die Sitzung statt.

9.3 Der weiße Tisch

Die Farbe Weiß steht im Vordergrund, allgemein als Farbe der Reinheit angesehen, ist sie auch die Farbe der Hilfestellung. Ärzte tragen weißes Gewand und die verlorenen Seelen können diese Farbe wahrnehmen und erkennen die TeilnehmerInnen als Hilfesteller an.255 Aus diesem Grund ist der Tisch mit einem weißen Tischtuch bedeckt und die Teilnehmer Weiß gekleidet. Zusätzlich findet man am Tisch noch für jede Person ein Glas mit sauberem Wasser sowie Taschentücher.

Laut Carlos Sauer ist auch der Sessel, auf dem man sitzt, wichtig, er symbolisiert den Baum, der kosmischen Verbundenheit von oben mit unten. Während der Sitzung ist es generell verboten die Hände vom Tisch zu nehmen oder aufzustehen sowie den Tisch zu verlassen, bevor die Arbeit beendet ist.256

254 Vgl. Interview Eva Ruprechtsberger 24. Mai 2012 255 Vgl. ebda. 256 Vgl. ebda.

87

Abbildung 17: Der weiße Tisch

Zentrales Element ist die Farbe Weiß. Weitere Elemente sind der Holzstuhl (in diesem Falle war es eine Holzbank), Taschentücher und für alle TeilnehmerInnen ein Glas mit frischem Wasser, das nach der Sitzung getrunken wird.

9.4 Rituelle Reinigung

In der Vorbereitungsphase finden verschiedene spirituelle Reinigungen statt. Bei der als Extraktion, beziehungsweise Transmutation, genannten Technik befreit man sich selbst von negativer Energie durch Streichen der Hände am Körper und anschließendes Ableiten der aufgenommenen Energie in Salzwasser oder einem Feuer. Danach tankt man sich mit neuer spiritueller Energie auf. Im "Bone Dance" tanzt man zum Rhythmus einer Trommel um das eigene Fleisch abzustreifen und um sich selbst als hohler Knochen wahrzunehmen. Damit wird symbolisch dargestellt, dass man Energie weiterleiten kann, aber ohne dass an einem Selbst unerwünschte Energien haften bleiben. Dies ist eine wichtige Voraussetzung um als Medium mit den verirrten Seelen arbeiten zu können. Anschließend finden noch drei schamanische Reisen257 statt, die das Ziel haben, den beziehungsweise die eigenen Schatten zu erkennen. Die drei Themen, die es zu bereisen gilt, sind:

257 Ablauf, Bedeutung und Methode der schamanischen Reise mit Fokus auf den Neo-Schamanismus vgl. Harner, 2003³, S. 53 -77

88 -Ein früheres Leben, in dem man am meisten durch den Machtmissbrauch durch andere gelitten hat.

-Reise in das Leben beziehungsweise in die letzten zehn Minuten dieses Lebens, in der man die eigene Macht am meisten missbraucht hat.

-Reise in das Leben beziehungsweise in die letzten zehn Minuten dieses Lebens, in der man die eigene Macht zum besten Wohle aller verwendet hat.258

9.5 Die Sitzung

Die Sitzung selbst findet an einem weiß gedeckten Tisch statt, jedeR TeilnehmerIn hat seinen/ihren Platz und ein Glas mit frischem Wasser vor sich am Tisch. Alle TeilnehmerInnen sind in weiß gekleidet und betreten des Raum schweigend, setzen sich auf ihren Platz und legen ihre Hände auf den Tisch. Der Gruppenleiter spricht ein Gebet, in dem er oder sie bittet, dass nur Seelen zum Tisch erscheinen, die den Fähigkeiten der Gruppe entsprechen und dass die Seelen der Reihe nach erscheinen mögen.

Während der gesamten Sitzung ist es nicht erlaubt den Tisch zu verlassen, die Beine oder die Hände vom Tisch zu nehmen. Aus diesem Grund sollen auch alle Toilettengänge vor der Arbeit erledigt werden. Das Ritual selbst verlangt Disziplin und das Einhalten dieser Regeln, um die Sicherheit aller Teilnehmer zu gewährleisten.

Danach wartet man auf das Erscheinen einer Seele.

Die Seelen erscheinen oftmals sehr schnell und eindringlich:

"I kann net gehen!" - "Du kannst nicht gehen? Was hält dich zurück?" - Heftiges Weinen, dann "I kann net gehen --- i hab mei Frau umbracht!"259

258 Vgl. Baumann, 2009 S. 4, Interview Eva Ruprechtsberger, 24. Mai 2012 und persönliche Notizen. 259 Baumann, 2009

89 Die Seelen kommen oftmals mit ähnlichen verwirrenden und schmerzhaften Themen zum weißen Tisch, wo die Anwesenden versuchen die verlorene Seele zu beruhigen und sie zum Sprechen zu bewegen. Das meiste findet in einem Gesprächsrahmen statt, in welchem man der verlorenen Seele begegnet, auf sie eingeht und man versucht herauszufinden, wie man ihnen helfen und sie ins Licht schicken kann. Wenn man nicht weiter kommt und das Gespräch und die Ideen am Limit sind, bedient man sich auch des Gebets, das ein zentrales Element in dieser Arbeit ist. Das Gebet richtet sich entweder an die eigenen Hilfsgeister, damit sie der Seele oder einem Selbst helfen diese Aufgabe zu erledigen, oder an Gott beziehungsweise den Schöpfer, wie zum Beispiel: "...hilf dieser Seele, damit sie sich selbst verzeiht..."260 Die Arbeit wird so lange weiter gemacht, bis sich keine Seele mehr meldet, am weißen Tisch anwesend ist oder wahrgenommen wird.

Am Ende der Depossession sollen alle Anwesenden ihr Glas mit Wasser austrinken. Während der Arbeit treten oftmals intensive und emotionale Emotionen aus einem empor, die sich in Tränen oder in einer rinnenden Nase ausdrücken. Diese Substanzen werden von Carlos Sauer als Ektoplasma bezeichnet261 und sind während des weißen Tisches, bei dem ich anwesend war, am Ende verbrannt worden, nachdem sie in Taschentüchern gesammelt worden waren.

Meine eigenen Erfahrungen während der Sitzung kann ich schwer wiedergeben, einerseits habe ich mir zu den erschienen Geistwesen keine Notizen gemacht, das war auch nicht möglich. Andererseits kann ich den Zustand der Trance nicht in Worte fassen, da er auf mich wie eine Art Schlaf wirkt, wie ein Traum aus dem man weit hinten beobachtet, während ein Geistwesen anwesend ist. Mediale Trancen können jedoch in verschiedenen Tiefen erscheinen, von leichten bis tiefen Trancen, wobei das Medium mehr oder weniger von der Arbeit weiß.

260 Interview Eva Ruprechtsberger, 24. Mai 2012 261 Vgl. Baumann, 2009 sowie Interview Eva Ruprechtsberger, 24. Mai 2012

90 9.6 Die Medien

Medien sind Personen, die empfänglich für den Einfluss von Geistwesen sind. Aus spiritistischem Blickwinkel ist jeder Mensch medial veranlagt, doch es bildet sich die Veranlagung bei jedem Menschen unterschiedlich aus. Neben der Stärke der medialen Begabung besitzen die Menschen auch eine unterschiedliche Begabung an medialen Befähigungen.262 Eva Ruprechtsberger nennt folgende Arten von medialen Phänomenen während einer Depossession:

-körperliche: Dabei kann es zu Übelkeit kommen, der Nacken wird schwer und es können körperliche Spannungen entstehen.

-emotionelle: das Medium spürt Kummer und Trauer und beginnt zu weinen.

-materielle: das Medium weiß nicht, dass es bereits Kontakt zu einer Seele hat, "...es hat jemanden auf der Hucke..." und ist sich dieser Situation nicht bewusst. Erst durch Ansprache der helfenden Personen wird dem Medium dies klar.263

Die Aufgabe der Medien während einer Depossession ist es, die verwirrten Seelen in das Licht zu führen und ihnen die Angst und das Ungewisse vor diesem Schritt zu nehmen. Dies geschieht alleine durch das Gespräch mit dem Medium beziehungsweise mit der anwesenden Seele. Gebete und Energiearbeit können den Prozess unterstützen, sowie die Anweisung der Helfer, dass das Geistwesen nach oben blicken soll, um den Aufstieg zu erleichtern, und um nach oben in das Licht zu gehen. Störrische und aggressive Seelen brauchen oftmals eine längere Zeit um den Prozess zu vervollständigen. Kommt man mit der eigenen Überzeugungskunst nicht weiter, werden Gebete an das allerhöchste Wesen gemacht, an die eigenen Geisthelfer oder an Seelen, die bereits den Weg in das Licht gefunden haben.

Alfred Lehmann schreibt dazu: „Die Menschenseele ist unsterblich und vermag nach dem leiblichen Tode mit den Nachlebenden in Verbindung zu treten und eine Reihe physikalischer und psychischer Phänomene hervorzurufen, welche der Mensch wenigstens nach unserer gegenwärtiger Kenntnis der Naturkräfte und des Seelenlebens, nicht hervorrufen kann. Damit die

262 Vgl. Kardec, 2000³, S. 133 f. 263 Interview Eva Ruprechtsberger, 24. Mai 2012

91 Geister, die Seelen der Verstorbenen, mit der Menschenwelt in Verbindung treten können, ist ein besonders beanlagter Mensch, ein sogenanntes „Medium“, als Mittelglied erforderlich. Die Anlage, ein Medium zu werden, die „Mediumität“, findet sich bei jedem Menschen in höherem oder niedrigem Grade; aber selbst die besten Naturanlagen müssen durch Uebung [sic!] ausgebildet werden.“264

Allan Kardec schrieb ein ganzes Buch über Medien, ihre Ausbildung, ihre Fähigkeiten und die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit der geistigen Welt. Er geht davon aus, dass die meisten Menschen mediale Begabungen besitzen und sie den Menschen angeboren sind. Wie bei jedem Talent gibt es jedoch auch hier nur ein paar, die diese Fähigkeit weiter entwickeln und im höheren Maße besitzen. Kardec unterscheidet verschiedene Arten an medialen Fähigkeiten: die physikalischen Medien, die sensitiven oder eindrucksfähigen Medien, hörende, sprechende, sehende, somnambule, heilende, schreibende und pneumatographische Medien. Diese Gruppen von medialen Begabungen können wieder in Untergruppen unterteilt werden. Ebenfalls teilt er die Medien in weitere Kategorien ein, nach der Art, wie sich bei ihnen Geister bemerkbar machen, welche Sinnesorgane empfänglich für die Geistwesen sind, nach der Art der Arbeit und der Beschaffenheit der Durchsagen, nach Art der physischen Beschaffenheit und der moralischen Verantwortung der Medien.265

In der Depossession wie ich sie erfahren habe, sind die Teilnehmer mehrheitlich schon vorher schamanisch tätig gewesen und man geht daher von einem guten Kontakt zu den eigenen Geistführern sowie vont Erfahrungen von medialen Zuständen und Trancezuständen aus. Sie sind auch Voraussetzung, damit das Seminar besucht werden kann. Neuerungen sind vor allem die schamanischen Reisen zur Selbsterkennung der eigenen Schatten, der "Bone Dance". Eva Ruprechtsberger hat mit Hilfe ihres Geistführers Cali drei Hauptpunkte in die Arbeit eingeführt:

1. Nicht wertend sein. Da jedes Lebewesen nach spiritistischen Vorstellungen sich entwickeln will und nach Höherem strebt sowie Vollkommenheit sucht, sollen Wertungen der Geistwesen nicht gemacht werden, wie auch Einteilungen in gut und Böse sollen vermieden werden, da es diese Kategorien nicht gibt. Es gibt demnach nur unreife und reife Geister. Dieser Aspekt ist vor

264 Lehmann, 1925, S. 254 265 Vgl. Kardec, 2000³, S. 133- 162

92 allem in unserem Breitengrad wichtig, wenn man mit Seelen aus der Kriegszeit arbeiten will, wenn sie zum Beispiel mit Nazi Gedankengut erscheinen oder Seelen, die mit Gewalt oder Hexerei zu tun hatten. Gerade für diesen Punkt wurden die schamanischen Reisen eingeführt, als Selbsterkenntnis und Erkenntnisgewinn der eigenen, dunklen Seiten.

2. Mitgefühl für alle Wesen, die erscheinen.

3. Disziplin. Die strenge Disziplin die Arbeit nicht zu unterbrechen, die Hände am Tisch zu lassen und die Beine am Boden. Sollte dies nicht befolgt werden, bricht Eva Ruprechtsberger die Sitzung sofort ab.

Eva Ruprechtsberger macht sich ebenfalls Gedanken, wie man Menschen ohne spiritistische Tradition und Vorkenntnis diese Arbeit näher bringen und wie man sie in den Zustand für die Arbeit bringen kann. Auch die Vorstellungen von Geistwesen, die auch als Ideen oder Lebensaspekte erscheinen können, hat sie erweitert, sowie die passsenden Erklärungen für Menschen die diese Arbeit aus anderen Blickwinkeln heraus erlernen wollen, wie zum Beispiel SozialarbeiterInnen oder PsychologInnen. Mit ihnen arbeitet sie dann mit verschiedenen Erklärungsmodellen. Für Eva Ruprechtsberger ist es wichtig, den westlichen Menschen diese Arbeit näher zu bringen, sie arbeitet, wie sie selbst sagt, jedoch nach strenger brasilianischer Sichtweise, in der es um verlorene Seelen geht.266

266 Vgl. Interview Eva Ruprechtsberger, 24. Mai 2012

93 10 Curanderismo

Etwas außerhalb der beschriebenen Praktiken sind die in meine Arbeit mit eingeflossenen Ansichten der Curanderos, von denen ich einen in der Steiermark interviewt habe.

10.1 Curar

Curanderismo und Curandero/a leiten sich vom spanischen Verb curar ab, welches heilen bedeutet. Somit bezeichnet man als Curanderos Menschen, die sich mit der Kunst der Heilung beschäftigen und diese auch ausführen. Im lateinamerikanischen Verständnis ist einE Curandero/a einE in das historische und kulturelle Feld eingebetteteR HeilerIn.267 Der Curandero/die Curandera unterscheidet sich von seinen Mitmenschen durch das medizinische beziehungsweise das volksmedizinische Wissen und die Kraft zu heilen. Die Arbeitswerkzeuge sind mit den kulturell existierenden Praktiken eng verwoben. Die Arbeitsweise richtet sich nach dem Glaubenssystem der Hilfesuchenden und umfasst meistens das Feld der religiösen sowie der spirituellen Heilung.

Weaver geht davon aus, dass in Mexiko die Heilmethoden, die zuerst von Priestern und Mönchen der spanischen Konquistadoren ausgeübt wurden, später auf die Mütter und Großmütter der Familien übergingen. Im Laufe der Zeit übernahmen diese auch die volksreligiösen Praktiken der Kolonialisten sowie die Anwendung von Heilpflanzen der indigenen Bevölkerung und verschmolzen diese zu einem medizinisch-religiösen System.268 Ein wichtiges Element dabei war der gesunde Menschenverstand und der Glaube an die Kraft Gottes sowie der Heiligen.

267 Vgl. Trotter; Chavira, 1997, S. 1 f. 268 Vgl. Hartmann, 1997. S. 70

94 10.2 Varianten des Heilens

Der Curanderismo weist eine Vielzahl an so genannten Volkserkrankungen auf. Dazu gehören unter anderem: susto oder espanto269, mal ojo270, mal aire271 und viele mehr. Der Curanderismo leiht auch gerne Heilanwendungen von anderen Systemen, wenn sie der Heilung dienen.

Curanderos umfassen sobadoras, curanderas, parteras, herbolario/albolarios272. Die Praktiker dieser Systeme zeichnen sich durch eine starke Gottesgläubigkeit und ihre Heilkraft aus. Die Heilkraft Gottes ist so stark, dass die Medikation an sich nicht das wichtigste ist, sondern der alleinige Glaube an die Kraft Gottes.273

Georg Gschwandler unterscheidet im Interview ebenfalls verschiedene Arten von Curanderos. Der wohl umfassendste ist derjenige Curandero der alle Praktiken und Arten beherrscht, daneben gibt es noch die espiritistas274, sie kommunizieren und sprechen mit den Geistwesen und entsprechen am ehesten dem Bild des Schamanen, der oyente275, der durch das Zuhören heilt und dem Psychotherapeuten entspricht sowie dem herbalista276, der mit Pflanzen heilt.

Georg Gschwandler sieht einen Curandero, eine Curandera, gerade als das an, was die Bezeichnung beschreibt: eineN HeilerIn. Dabei fügt er noch hinzu, dass jedeR HeilerIn anders arbeitet und es daher kein strenges System gibt, was Curanderismo nun sei.277 Er selbst hat bei Curanderos gelernt, bezeichnet sich selbst aber als Recuerdador "Erinnerer", da dieser Begriff noch unbelastet ist. Die Bezeichnungen Curandero und Schamane weisen für ihn bereits eine "groteske Verzerrung" in der Gesellschaft auf.278 Er selbst wurde von den Shuar Indianern in

269 Spanisch für: Schreck. Eine spirituelle Erkrankung ausgelöst durch Schreck. Vgl. Wörrle, 2002, S. 205 f. 270 Spanisch für: der böse Blick. Eine spirituelle Erkrankung ausgelöst durch Neid und Missgunst. Vgl. Wörrle, 2002, S. 243 ff. 271Spanisch für: Üble Luft. Eine spirituelle Erkrankung ausgelöst durch Luft, Wind und Temperaturschwankungen und den darin lebenden Geistern. Vgl. Wörrle, 2002, S. 205 f. 272 MasseureInnen, HeilerInnen, Hebammen, jemand der mit Hilfe von Kräutern angehexte Krankheiten behandelt. 273 Vgl. Weaver, 1994, S. 28 274 Spanisch für: Spiritist 275 Spanisch für: Zuhörer 276 Spanisch für: Kräuterkundiger 277 Vgl. Interview Georg Gschwandler 5.Dezember 2011 278 Vgl. Gschwandler, 2010

95 Ecuador als Uwishin und in Mexiko als Jiteveri bzw. als Curandero in der Tradition der Mayo- Yoreme initiiert.279

Der Curandero, die Curandera arbeiten ganzheitlich, mit einem breiten Spektrum an Möglichkeiten und Methoden auf Körper, Geist, Seele, Energetik und Spiritualität. Curanderos/as versuchen Energie wieder zum Fließen zu bringen, mit Heilpflanzen, Reinigungen, Segnungen, Zeremonien, Gebeten und Gesten, mit denen die Natur angerufen wird um Heilung zu bewirken. Curanderos/as sind Werkzeuge des großen Geistes. Sie werden vor allem zur Beratung bei Problemen herangezogen, die einen übernatürlichen Charakter haben, bei denen man eine andere Ursache des Leidens sucht. 280

Curandero/a kann man nicht werden, man kann es nicht in Seminaren erlernen, daher bildet Georg Gschwandler in seinen Seminaren auch niemanden zum Curandero zur Curandera aus, sondern vermittelt Techniken und Methoden. Curandero, Curandera wird nur diejenige Person, die durch die geistige Welt die Gabe dazu verliehen bekommt. Diese Gabe bezeichnet man als el don und sie stattet den/die Curandero/a mit der nötigen Kraft dazu aus. Georg Gschwandler hat diese Gabe in Mexiko und Ecuador erhalten. Danach hat er bei Lehrern gelernt, er hat Techniken zum Arbeiten erhalten und Wissen übermittelt bekommen. Durch den Erhalt der Gabe kann einE Curandero/a allerdings auch alleine weiter arbeiten und ist nicht auf die Techniken alleine beschränkt.281

Georg Gschwandler hat auch verschiedene Methoden in seine eigene Arbeit eingebaut, wie zum Beispiel energetische Beckenschiefstandkorrekturen. Manche Techniken kann er in seine Arbeit nicht einbauen, da sie einerseits für den europäischen Hilfesuchenden zu brutal wären, als Beispiel hierfür gab er an, jemanden für eine bestimmte Anzahl an Tagen in die Erde einzugraben um sie zu heilen oder die Verwendung von Pflanzen, die entweder zu giftig sind oder in Österreich sind und es keine brauchbaren Alternativen gibt. Weiteres möchte er auch nicht die Kultur übernehmen und etwas nachahmen, daher passt er seine Arbeit auch an, so integriert er zum Beispiel auch die heimischen Heilpflanzen. Allerdings, so meinte Georg Gschwandler, behandle man als Curandero auch Probleme im energetischen Bereich bevor sie körperlich

279 Vgl. Gschwandler, 2008, S. 239; vgl. Dengel, 2012, S. 34 280 Vgl. Gschwandler, 2011; vgl. Schweitzer de Palacios, 1997, S. 51-55; vgl. Hartmann, 1997, S. 72 f. 281 Vgl. Interview Georg Gschwandler 5.Dezember 2011

96 werden und entstehen.282 Curanderos/Curanderas erhalten ihre Gabe von der geistigen Welt, ihre Praktiken lernen sie aus Büchern oder von anderen Curanderos/as sowie durch Eingebungen. Im Allgemeinen arbeiten Curanderos/as für das Gute, sie versuchen den Menschen zu heilen. 283

10.3 Beckenschiefstand und Blockaden

Meine Erstbehandlung lief anders ab als gedacht, Georg Gschwandler redete die ganze Zeit, ich wusste nicht, ob ich mich auf die Behandlung oder die Erzählungen konzentrieren sollte:

[...] Ich betrete das Zimmer, es ist etwas dunkel. Rechts hinter der Türe befindet sich seine Mesa, die mir gleich ins Auge gefallen ist. Darauf befinden sich Kerzen, vier weiße, (wahrscheinlich die Himmelsrichtungen symbolisierend) und eine blaue in der Mitte, Blau kann viele Bedeutungen haben, deswegen kann ich mich nicht auf eine festlegen. Es befinden sich Masken an der Wand, Kreuze darauf, Bilder mit seinen Lehrern und eine große Holzschlange in der Mitte, mit Schlangen habe er eine gute Verbindung, meint er. Er zeigt mir auch ein kleines Kästchen mit Obsidianklingen darin, die er zum Arbeiten benutzt, die seien alt, echt, meint er. Daneben befindet sich eine große Couch, in rot. Unter bzw. leicht rechts neben der Mesa befindet sich ein Holzofen, der eine angenehme Wärme verstrahlt und das Zimmer in eine angenehme Wärme taucht. In der Mitte des Raumes ist ein Massagetisch, mit einer Decke in typischen Mexikanischen Farben und Mustern.

Er zeigt mir auch ein paar Behandlungen an mir selbst. Er befundente Beckenschiefstand, Probleme in der rechten Schulter und ein Blockade im Bauch.

Er maß meinen Beckenschiefstand an meinen Beinen, mit einer kinesiologischen Methoden bei der die Knöchelhöhe mit den Fingern gemessen wird. Ich lag, er maß und befundete den Beckenschiefstand. Er behandelte rein energetisch, indem er Energie wegnahm, daran zog und etwas herauszog. Dann musste ich mich aufsetzen, wieder hinlegen um zu kontrollieren. Der Beckenschiefstand war nun o.k. Als Nächstes war mein Bauch an der Reihe. Er drückte sehr fest

282 Vgl. Interview Georg Gschwandler 5.Dezember 2011 283 Vgl. Tölke, 2011, S. 283 ff.

97 in meine linke Darmgegend und fragte ob es Schmerzen verursachte. ... jemand drückt mir sehr fest in den Bauch, klar ist das schmerzhaft. Er hatte seine Diagnose gefunden! Nun musste er die Blockade entfernen, dazu legte er mir ein rotes Tuch auf den Bauch (das Tuch hat keine Heilbedeutung, es dient als Schutz vor Parfum und Schmutz), dann saugte er daran! Eine schamanische Saugbehandlung mit der schlechte Energien aus dem Körper gesaugt werden. Er spuckte bzw. würgte den Dreck dann in ein Papiertaschentuch, das dann im Ofen verbrannt wurde. Danach behandelte er mich mit zwei Messern von der Mesa. Er hielt sie kreuzweise über die Stelle am Bauch und machte Schneidebewegungen. Da muss wohl etwas abgeschnitten werden. Das war die ganze Erstbehandlung. 284

Ich habe nicht viel gemerkt bei meiner Erstbehandlung, nicht wie bei anderen Ritualen und Behandlungen, die meine Sinne forderten, durch Musik, Stimmen, Rituale, Parfums und Orakel. Hier lag ich auf einem Massagetisch und Georg Gschwandler war das Werkzeug, er als Mensch behandelte und führte die energetische Behandlung aus. Seine Geistführer mögen im Hintergrund für ihn da gewesen sein, waren für mich jedoch nicht so präsent wie bei anderen Interviews. Durch das Entfernen von eingedrungenen, negativen Energien können so auch Probleme behoben werden, die sich nach der indigenen Vorstellung auch schon in einer energetischen Störung bemerkbar machen. In traditionellen Krankheitsvorstellungen gibt es die Vorstellung, dass Erkrankungen auf natürlichen wie auch auf übernatürlichen Ursachen beruhen können. Eine Curandero/a kann in diesem Fall durch seine/ihre Art an Behandlung in diese Ursachen ausgleichend einwirken.285

10.4 Extraktion von krankmachenden Energien

Das Entfernen von energetischen Eindringlingen oder schlechter Energie gilt als schwierige schamanische Arbeit. Denn der Heiler, die Heilerin saugt die eingedrungene Energie physisch, mental und emotional heraus. Die ausgesaugte Energie, die als krankmachend angesehen wird, wird im Mund als Schleim gesammelt, zusammen mit der Kraft der Hilfsgeister kann sie dann

284 Tagebucheintrag 285 Vgl. Hartmann, 1997, S. 78 f.

98 auf Objekte übertragen werden, wie in meinem Beispiel auf das Taschentuch, das danach vernichtet wird. Die eingedrungene Energie wird durch verschiedene Methoden wahrgenommen, wie zum Beispiel durch Orakel, Hellsicht, psychoaktive Pflanzen oder durch das Empfinden mit der eigenen Hand. Als schwierige Arbeit gilt sie deswegen, weil der Heiler, die Heilerin, dabei achtgeben muss, die herausgesaugte Energie nicht in sich selbst aufzunehmen. Die Extraktion der krankmachenden Energie wird so lange fortgesetzt, bis der Heiler, die Heilerin, davon nichts mehr wahrnehmen kann.286

10.5 Tsentsak

Georg Gschwandler berichtet in seinem Buch "Auf den Spuren des Geisterjaguars" von seinen Erfahrungen, wie er durch eine schamanische Reise und darauffolgende Träume und Visionen nach Ecuador reist, um dort einem Curandero zu begegnen, der ihn bereits erwartet hat. Dieser übergibt ihm während eines Rituales die Tsentsak, magische Pfeile, die als Hilfsgeister angesehen werden und zum Heilen sowie auch als krankmachende und Unglück bringende Kräfte eingesetzt werden können. HeilerInnen benutzen Tsentsak um zu heilen und krankmachende Energien und fremde Tsentsak aus dem Körper zu ziehen, Schamanen, die negativ arbeiten, können diese Pfeile ausschicken, um diese in den Körper eines Opfers zu schicken und dort Krankheiten entstehen zu lassen. Tsentsak werden im Magen aufbewahrt und mit Hilfe von Tabakwasser, das durch die Nase aufgesaugt wird, gefüttert und am Leben gehalten. Tabak dient als Katalysator und gilt als starke psychoaktive Pflanze, die auch zum Erreichen von Trancezuständen eingesetzt wird. Tabak wird auch als Nahrung der Götter bezeichnet.287 Je mehr Tsentsak ein Heiler, eine Heilerin, besitzt umso mehr Kräfte besitzen sie. Ihre materielle Form kann die eines Steines,

286 Vgl. Harner, 2003³, S. 173- 183; vgl. Gschwandler, 2008, S. 214 f. 287 Vgl. Hultkrantz, 2002, S. 118 f.; vgl. Schweitzer de Palacios, 1997, S. 59

99 eines Insekts oder einer Pflanze sein, die verschluckt werden. Erst durch ayahuasca288 wird die geistige Form des Tsentsak sichtbar, zum Beispiel als Jaguar, Schlange, Vogel oder Affe.289

10.6 La Mesada und Consulta

Georg Gschwandler bietet auf seinem Grundstück im Südburgenland, das la Mesada genannt wird, Rituale und Behandlungen an. Mesada/Mesa ist ein abendliches Heilritual, durch welches es "...möglich ist zur eigenen Mitte zu finden, zur Ruhe zu kommen und im unvergleichlichen Zauber der Jurte jene Kräfte zu mobilisieren, die wir als Selbstheilungskräfte kennen."290 Eine Mesada ist ein Heilungsritual, das der Reinigung, Selbstfindung und Selbstheilung dient. Das Ritual findet abends statt und ist für alle offen, die ihre körpereigenen Selbstheilungskräfte aktivieren wollen sowie Antworten auf Fragen suchen.

Eine weitere Möglichkeit um Hilfe bei einem/einer Curandero/a zu finden, ist die Consulta. In einer Consulta besucht man den/die Curandero/a und wird anschließend behandelt. Georg Gschwandler schreibt über die in einer Consulta möglichen Anwendungen:

Unterstützung der körpereigenen Heilkräfte bei unterschiedlichen physischen Beschwerden.

Energiekörperarbeit: Deblockierung von Energiebahnen, Energiemassagen (Sobadas) und energetische Reinigungen (Limpias), Schamanische Heil- und Kraftrituale.

Lineare Energiearbeit: Begradigung energetischer Beckenschiefstände.

Harmonisierung des Energiehaushaltes bei Stress, Doppelbelastung oder Überlastung bzw. als Ausgleich zum Alltagsleben.

Begleitende Unterstützung in Lebenskrisen und Hilfestellung bzw. Wissensvermittlung in Phasen der Neuorientierung und Umstrukturierung des Lebens.

288 Eine psychoaktiver Trank der in Südamerika für Heilungen und schamanische Rituale genutzt wird. SchamanenInnen verwenden den Trank um in die geistige Welt zu reisen und um die spirituelle Ursache von Krankheiten zu ergründen. Vgl. Rätsch, 20015, S. 702 -715; vgl. Gschwandler, 2008, S. 27 ff. 289 Vgl. Gschwandler, 2008, S. 192 f.; vgl. Harner, 2003³, S. 49 ff.; vgl. Hultkrantz, 2002, S. 117 290 Gschwandler, 2009, S. 2

100 Ebenfalls bietet er Seminare an, die er "Innere Kreise I" und "Innere Kreise II" nennt. Der Inhalt der Seminare ist die schamanische Energiekörperarbeit sowie die Annäherung an die eigene Mitte, die Anwendung von Techniken zum Beeinflussen des Alltags sowie das Erlangen von Eigenverantwortung und persönliche Freiheit. Die "Inneren Kreise I" beziehen sich auf die Grundlagen der Energiearbeit, "Innere Kreise II" beinhaltet Aspekte der energetischen Kriegerarbeit, wie Kriegertechniken der Kraft und der Wahrnehmung.

Ein weiterer Punkt seiner Arbeit sind Limpias, energetische Reinigungen von Häusern und Geschäften. Das Angebot reicht von der energetischen Reinigung des Gebäudes, der Harmonisierung von störenden Einflüssen, Arbeit bei Sterbefällen, Neubezügen, Familienritualen und Schlichtungen, sowie Tipps zur Selbsthilfe und Einweisung in die Grundlagen von energetischen Reinigungen.291

Limpias sind zentrale Methoden der Curanderos, die wiederum individuell gestaltet sind. Sie haben zwei wichtige Aufgaben zu erfüllen, zuerst wird der/die Hilfesuchende gereinigt und die negativen Energien und Eindringlinge weggeschickt und entfernt, danach folgt eine Phase der Aufladung, wobei gute Energie und Glück herbeigeholt wird.292

Auf meine Anfrage, ob er auch schon fertige, in Lateinamerika hergestellte Zauberprodukte verwendet, öffnet er sofort eine Lade und zeigt mir verschiedene Gegenstände, wie zum Beispiel ein Amulett zum Schutz der Kinder, rituelle Seifen und ein Zaubersäckchen das noch in einem Plastikbeutel eingepackt ist. Ich war natürlich neugierig und hakte ein ob diese Dinge auch funktionierten. Er meinte: "...klar manche Curanderos verwenden sie auch, oder gemischt mit eigenen Produkten[...]es zählt die Kraft dahinter, das Anliegen, der Glaube..."293 Er selbst stellt jedoch alles, was er an Mittel braucht, wie Räucherwerk, Bäder, Tees, agua florida und agua benita, selbst her und benutzt keine der Massenprodukte.

291 Gschwandler, 2009, Informationsfolder 292 Vgl. Wörrl, 2002, S. 267- 291 293 Vgl. Interview Georg Gschwandler 5. Dezember 2011

101 11 Mexikanische Zauberartikel im Ethnoladen

Dieses Thema fand ich persönlich sehr interessant, denn was man in der Karibik und in Lateinamerika in speziellen Fachgeschäften für spirituelle Artikel erhält, fand ich in Österreich zweckentfremdet als Kunstwerk oder Kuriosum.

Im Kaufhaus Schiepek294 in Wien erstand ich eine interessante Fülle an mexikanischen Zauberartikeln, welche dort als Kuriosum, als kreative Geschenke oder einfach nur als "schräge" Artikel verkauft werden. In der Zeit der Ausstellung über Frida Kahlo295 gab es einen wahrlichen Hype um diese Gegenstände, die neben anderen Artikeln im Shop der Ausstellung verkauft wurden.296 Ich erwarb magische Seifen, eine Kerze, Zauberpulver, milagros297 (ex voto) und ein Amulett in Form eines kleinen Täschchens, alles inmitten weiterer Kunstobjekte aus Lateinamerika. Diese Produkte werden normalerweise in spirituellen Fachgeschäften verkauft, dienen aber hierzulande als Geschenkartikel und Kunstobjekte.

11.1 Milagros

Die als milagros oder als ex voto bekannten, kleinen Objekte aus Silber, Zinn, Gold, Holz, Blei, Knochen, Wachs in Form von Armen, Beinen, Augen, Herz, Tieren, Gemüse und Menschen kann man als Objekte zum Beispiel als Anhänger für eine Kette kaufen. In Lateinamerika werden die milagros nahe einer Kirche verkauft und werden in der Kirche bei einem Lieblingsheiligen oder bei einem Heiligen, der für das jeweilige Problem zuständig ist, hinterlegt, an den Heiligen gesteckt oder an einer nahen Wand angebracht.298 Es dürfte sich um einen Brauch handeln, welchen man anhand von Bildquellen bis in das 13. Jahrhundert in Europa zurückverfolgen

294 Kaufhaus Schiepek, Teinfaltstrasse 3 1010 Wien, online im WWW unter: http://shop.kaufhaus-schiepek.at/ [20.September 2012] 295 Frida Kahlo Retrospektive, 1.September 2010 bis 5.Dezember 2010, im Bank Austria Kunstforum, Freyung 8, 1010 Wien. 296 Tagebucheintrag mit persönlichen Notizen zu den spontanen Kurzinterviews im Kaufhaus Schiepek. 297 Spanisch für: Wunder 298 Vgl. Guitérrez, 2002², S. 31 f.; vgl. Egan, 2007

102 kann.299 Dabei kann es sich um einen Beleg handeln, dass ein Wunsch erfüllt oder ein Gebet beantwortet wurde. Oder es ist ein Wunsch oder ein Anliegen damit verbunden, das dem oder der Heiligen übergeben wird, wie zum Beispiel zur Sühne oder Buße von Verbrechen und Vergehen sowie die Bitte um Abwendung der Folgen daraus.300 Dabei wird ein milagros ausgewählt, welches dem Wunsch entspricht: Schmerzen im Arm werden durch den Arm dargestellt, Augenleiden durch Augen, ein Bauer, der einen guten Nachwuchs an Ferkel möchte, sucht sich ein milagros in Schweineform aus, Abbildung 18: Milagros

Liebesprobleme werden durch das Herz oder durch eine Mit dem Arm kann man bei Armleiden um 301 Person dargestellt. Hilfe bitten und mit den Augen bei Problemen mit den Augen. Im weiteren Lenz Kriss-Rettenbeck zeigt dabei eine unglaubliche Sinn bittet man zum Beispiel auch um eine Fülle an Bildquellen, lokalen Quellen sowie lokalen Weitsicht oder um Hellsicht. Befunden, welche mit den ex voto in Zusammenhang stehen. Dabei zeigen manche Quellen eine eindrucksvolle Ansammlung an dargebrachten ex voto, sei es in Bildwerken, Aufzeichnungen in Mirakelbüchern oder Votiv- bzw. Weihegaben an Altären und Gräbern von katholischen Heiligen.302

Neben der Anwendung als Opferobjekt im Rahmen eines Gebetes werden milagros auch als Amulette oder Talismane getragen oder als Objekte verwendet, die zwischen den Heiligen und Menschen vermitteln sollen. Der heiligen Luiza opfert man zum Beispiel das Augenpaar für eine bessere Sicht, in körperlicher Hinsicht wie auch in spiritueller und geistiger. In New Mexico entstanden auch neuere Anwendungen. Dort werden die mialagros an Kranke verschenkt. Zum

299 Vgl. Kriss-Rettenbeck, 1972, S. 113 f. 300 Vgl. ebda, S. 11 301 Vgl. Guitérrez, 2002², S. 32 f.; vgl. Egan, 2007; vgl. Kriss-Rettenbeck, 1972, S. 271 302 Vgl. Kriss-Rettenbeck, 1972, S. 76- 136

103 Beispiel schenkt man ein Lungenmilagros im Sinne von "Ich hoffe deine Erkältung wird besser", ein milagros in Form einer Axt dient zum Beenden einer Beziehung.303

11.2 Zauberseifen und Zauberpulver

Die Zauberpulver und Zauberseifen zeichnen sich vor allem durch die, auf die Wirkkraft verweisenden Bilder und Darstellungen aus. Sie tragen spanische Bezeichnungen wie "Jabón doblegado a mis Pies", "Jabón Atrayente", "Jabón Contra Envidia"304 oder "Polvo Legitimo Tentacion de Amor", "Legitimo

Abbildung 19: Jabón Doblegado a mis Pies und Jabón Atrayente Polvo Esposo Cumplidor", "Polvo Die Seife links zeigt eindringlich die Wirkung, die man sich von ihr Especial Siempre Conmigo", erhofft: Frauen wollen einen Mann dominieren und er soll demütigst "Super Polvo 7 Potencias" oder zu ihren Füßen kommen. Die Seife rechts dient dazu, Liebe und "Polvos del Olvido".305 Die sanft einen gewünschte Partner anzuziehen. Das Hufeisen steht für Glück. parfümierten Seifen sind mit dem Namen der Seife bedruckt und enthalten jeweils einen kleinen Zettel darin, mit einem dazu assoziierten Bild, sowie einem Anleitungstext oder einem Gebet. Die Seife "Doblegado am mis

Pies" enthält folgenden Text:

303 Vgl. Guitérrez, 2002², S. 32 f.; vgl. Egan, 2007 304 "Seife Verbeuge dich zu meinen Füßen", Seife Anziehend", "Seife Gegen Neid" 305 "Legitimes Pulver Versuchung der Liebe", "Legitimes Pulver Pflichtbewusster Ehemann", "Spezielles Pulver Immer mit mir", "Super Pulver 7 Kräfte","Pulver des Vergessens"

104 Jabón

Doblegado a mis Pies.

Este Jabón tiene propiedades ocultas, la mujer que lo use diariamente hará que su hombre li tenga siempre Doblegado a sus Pies. Es de resultados muy efectivos.

Seife

Gebeugt zu meinen Füßen

Diese Seife hat geheime Eigenschaften, die Frau die sie täglich benutzt wird bewirken, dass ihr Mann sich immer zu ihren Füßen verbeugt. Die Resultate sind sehr effektiv.

Unterstützt wird es durch das Bild einer selbstbewussten Frau im Abendkleid und einer Zigarette in der linken Hand sowie einer Handtasche in der rechten. Zu ihren Füßen umarmt ein Mann ihre Knie in demütiger Haltung.

Die Seife Atrayente in zartrosa mit sanftem Rosenduft zeigt ein küssendes Paar, welches von einem Hufeisen umgeben ist. Im Beipacktext heißt es:

Jabón Atrayente

Oracion

Para atrear a la persona amada, úselo constantemente y le dará buenos resultados. Atraerá a la persona que usted desea, diciendo su nombre 3 veces, a las 12 del dia. Uselo con mucha Fé.

Seife Anziehend

Gebet

Um die geliebte Person anzuziehen, verwenden Sie sie fortwährend und es wird gute Ergebnisse bringen. Sie wird die Person anziehen, die Sie begehren, wenn Sie ihren Namen 3 Mal um 12 Uhr sagen. Benutzen Sie es mit viel Glauben.

105 Die meisten Zauberpulver sind einfacher Natur. Die kleinen ca. 10x6 cm großen Briefchen bestehen meist wohl nur aus reinem Talkum und, wenn überhaupt, mit einer leichten Parfumnote versetzt. Die Anwendung und der Zweck ergeben sich aus dem Namen und der Abbildung und einer mehr oder weniger ausgeprägten Anleitung, die nur aus einem Satz bestehen kann: "Uselo polveandose todo el cuerpo" - Verwenden Sie sie, indem Sie das Pulver am ganzen Körper auftragen oder mit einer einfachen Handlungen, so zum Beispiel beim Pulver "Tentacion de Amor" verknüpft ist:

Polvo

Tentacion de Amor

Este Polvo lo puede usar para cautivar a los hombres, frotese en todo el cuerpo. Usese despues del baño.

Pulver

Versuchung der Liebe

Dieses Pulver können sie verwenden um die Männer zu fesseln, reiben Sie den ganzen Körper ein. Gebrauchen Sie es nach dem Baden.

Das Pulver "Super Polvo 7 Potencias" wird mit einem Gebet verknüpft:

Legitimo Polvo 7 Potencias

Abro mis puertas, con el fin y la buena fé, en los 7 espíritus de la fortuna que algún día, lleguen a mi casa, que la dicha y la salud, estén a mis puertas. Por los 7 libros sagrado, por los 7 huesos de la cabeza de Dios, por los santos Ángeles guardianes, San Miguel Arcángel, San Rafael, San Gabriel, guía y guardia de Dios. Y que la bendición de Dios Padre Omnipotente, del Hijo y del espíritu santo, descienda sobre nosotros. Amen.

No es para ingerir tomar o beber.

106 Legitimes Pulver 7 Kräfte

Ich öffne meine Türen, mit dem Ziel und dem guten Glauben, in die 7 Geister des Glücks, dass sie eines Tages zu mir nachhause kommen, damit Glück und Gesundheit an meinen Türen sind. Bei den 7 heiligen Bücher, bei den 7 Knochen vom Kopf Gottes, bei den heiligen Schutzengel, heiliger Erzengel Michael, heiliger Rafael, heiliger Gabriel, Führer und Wächter Gottes. Und der Segen des allmächtigen Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, steige auf uns herab. Amen.

Es ist nicht zum Einnehmen, Trinken oder zum Essen.

Abbildung 20: Polvo Legitimo Tentacion de Amor und Super Polvo 7 Potencias

Zauberpulver können verstreut oder auf dem Körper verrieben werden Pulver links dient dazu, einen Mann zu verführen und ihn zu fesseln. Das Pulver der sieben Kräfte zeigt das Bild der siete potencias africanas und soll Glück und Gesundheit in das Haus bringen.

Die sieben Kräfte beziehen sich auf eine Gruppe von Orishas aus der kubanischen Santería. Sie sind auch am Zauberpulver mit ihren assoziierten Heiligen abgebildet. Es gibt verschiedene Gruppierungen und Zusammenstellungen der sieben Kräfte, die abgebildete Gruppe ist die Gängigste: Changó als Santa Barbara (heilige Barbara), Oshún als die Virgen de la Caridad del

107 Cobre (barmherzige Jungfrau von Cobre), Yemayá als Virgen de Regla (Jungfrau von Regla), Obatalá als Virgen de la Merced (Schutzmantelmadonna), Orula als San Francisco de Asis (heiliger Franz von Assisi), Ogún als Juan el Bautista (Johanens der Täufer) und Ellegua als San Benito de Palermo (heiliger Benedikt von Palermo). Sie gelten als die wichtigsten orisha im Santería Pantheon.306 In der Mitte des Bildes unter dem Justo Juez (der gerechte Richter beziehungsweise als Arma Christi Kreuz bekannt) findet man das Wort Olofi, welches einen Aspekt Gottes in der Santería beschreibt. Hierbei ist es auch interessant, dass die siete potencias nicht auf Kuba alleine beschränkt bleiben, sondern auch durch diese Produkte eine Verbreitung finden. Auch in der la 21 Division werden sie als ein eigenes misterio angesehen, welches den Weg für die Durchführung von Ritualen ermöglicht.307

11.3 Mexikanische Heiligenbrieftäschchen

Die kleinen, mexikanischen Heiligenbrieftäschchen erinnerten mich schon beim Kauf an die europäischen Breverl308. Das Täschchen ist ungefähr 3x5 cm groß und beim Aufklappen ungefähr 12,5 cm lang. Ich habe eines in dunkelblau mit orangem Rand erstanden, welches sich mit einem Druckknopf öffnen und schließen lässt. Der Inhalt sieht aus wie kleine, aufgeklebte Schluckbildchen und zeigt auf der linken Seite das heilige Herz Jesu, gefolgt vom heiligen Erzengel Michael, mit drei kleinen, weiteren Heiligenbildern darunter: dem Erzengel Rafael, die Dreifaltigkeit und dem heiligen Kind von Atocha. Dazwischen sind ein kleiner mit orangen Perlen aufgehängter Anhänger einer Marienmedaille sowie rechts die Jungfrau von Guadalupe mit einem angebrachten Zettel mit einem Gebet in gelber Plastikfolie darauf. Ganz rechts befindet sich ein weiterer Zettel mit sechs verschiedenen Heiligen. Die Zusammenstellung der Heiligen ist bei jedem Täschchen anders. Im Gegensatz zu dem im 18. Jahrhundert verbreiteten Breverl besitzt dieses Heiligenfalttäschchen keine Samen, Korallenteile oder Erden und kann auch geöffnet werden, ohne dass die Wirkung zu verschwinden scheint und es besteht aus

306 Vgl. Reuter 2003, S. 63. 307 Vgl. Tölke, 2011, S.149 308 lat. breve für Brief, Breverl werden auch als prieff, priefflein, Agnus Dei, G'weichtel, geweihtes Kissele, Teifelsgeißel oder Teufelspeitsche bezeichnet. Vgl. Halbritter, 2004, S. 63

108 Kunststoff309. Ähnlich sind jedoch die gefaltete Form und die vielfachen Heiligendarstellungen, die an die Einzelamulette eines Breverls erinnern.

Abbildung 21: Mexikanisches Heiligenbrieftäschchen Zusammengefaltet lässt sich das mexikanische Heiligenbrieftäschchen bequem einstecken und als Schutzobjekt bei sich tragen.

12 Objekte als Träger sakraler Kräfte

Während der Forschung fiel mir auf, dass Objekte aus dem Alltag durch religiöse Zuschreibungen zu einem heiligen Objekt werden, das verehrt oder zur Ausübung von Magie gebraucht wird. Steine, Pflanzen, Muscheln, Wasser, Essenzen und Pulver sind für sich genommen nicht heilig, können aber Träger der Kraft sein, die man schätzt und an die man glaubt. Die Gläubigen glauben, dass diesen Objekten eine besondere Kraft innewohnt. Sie werden rituell gewandelt und sind eine Hierophanie des Heiligen, wie es Mircea Eliade bezeichnet, dabei fasst er zusammen, „…das , eine Realität, die nicht von unserer Welt ist, manifestiert sich in Gegenständen, die integrierte Bestandteile unserer , Welt sind.“310

309 Vgl. Beitl, 1978, Abb. 23 a, b und Halbritter 2004, S. 62 ff. Halbritter geht jedoch auch davon aus, das Breverl geöffnet wurden bzw. geöffnet werden dürfen. 310 Eliade, 1957, S.8

109 Die otanes der Santería, die Pflanzen in den Zauberbädern, die Gläser mit Wasser, die Zauberpulver und Seifen erhalten erst durch ihre Zuschreibung eine Kraft, die die Gläubigen magisch verwenden können.

Jedes Objekt erhält durch seine kulturelle Zuschreibung eine Bedeutung, welche auch mehrschichtig sein kann, dabei können diese Objekte auch der Schlüssel zur jeweiligen Kultur sein, die diese Deutungszuschreibungen macht.311 So mag die Kokosnuss, die bei meiner Informantin Maria in der Wohnung am Boden zu finden ist, auf den ersten Blick vielleicht ungewöhnlich erscheinen. Für jemanden der nicht in die Funktionen und

Bedeutungen der Kokosnuss eingeweiht ist, ist diese Kokosnuss eine Kokosnuss. Der Kokosnuss werden Abbildung 22: Die Kokosnuss als spirituelles in der Santería auch reinigende Eigenschaften Reinigungsobjekt zugeschrieben.312 Maria hat ständig eine Kokosnuss In den Wohnungen von den Gläubigen einer zuhause auf dem Boden, die durch die Räume karibischen Religion oder Praktik findet man oft Alltagsgegenstände, Pflanzen, Früchte, gekickt und nach einiger Zeit schließlich zu einer Spielzeug, Steine oder Objekte, die für andere Straßenkreuzung gebracht wird um sie dort auf den Zwecke als den angenommenen verwendet Boden zu werfen. Das soll schlechte Energien aus werden. der Wohnung entfernen. Elegguá ist mit der Kokosnuss verknüpft, er wird teilweise auch durch eine Kokosnuss repräsentiert. Auch der Ort, an dem man die Kokosnuss am Ende entsorgt ist der Platz von Elegguá und dorthin werden die aufgesammelten, negativen Energien gebracht und in seine Obhut übergeben.313

311 Vgl. McAlister, 1995, S. 306 312 Vgl. Dorsey, 1995, S.99 313 Vgl. Lele, 2001, S. 20 f.

110 13 Kommunikation mit den Geistwesen

Im Laufe der Feldforschung und der Recherche in der Literatur ergab sich, dass die Kommunikation mit den unterschiedlichen Geistwesen ein zentrales Element jeder Richtung ist. Dabei stellte sich heraus, dass es unterschiedliche Auffassungen gibt, wie denn nun Geistwesen mit dem Menschen kommunizieren und auf welchen Wegen. Es existieren dabei unzählige Methoden, wie das Lesen aus Karten, aus einem Glas Wasser, aus einer Kerze, einer Zigarre, aus dem Kaffeesatz, aus Spiegeln, Muscheln, Steinen, den Träumen, aus der Inkorporation und der Intuition.314 Durch diese Kommunikationsmittel kann sich das Heilige in der materiellen Welt zeigen und die Menschen können mit ihm kommunizieren. Dabei manifestiert es sich in Objekten und Gegenständen, die profan sind oder in Zuständen, die mit der anderen Welt symbolisch verknüpft werden, wie in Träumen und Trancezuständen.315

Im Folgenden gehe ich auf die Methoden ein, auf die ich im Feld am meisten gestoßen bin: der Traum, die Intuition, das Muschelorakel und die Inkorporation.

13.1 Träume und Intuition

Der Traum als Mittel der Kontaktaufnahme ist bei allen InterviewparterInnen zentral. Sein Stellenwert ist der Trance und den Visionen gleichgestellt und der Traum gilt als Schnittpunkt der geistigen und materiellen Welt. Dabei gilt als Traum nicht nur das Erlebnis im Schlaf, sondern auch Wach- und Traumvisionen fallen in diese Kategorie, die ebenfalls als eine Kontaktmöglichkeit mit der geistigen Welt angesehen werden.316 Der Kontakt zu den Ahnen kann über die eigene Wahrnehmung erfolgen. Omi Yomi gibt auf ihrer Internetseite den Rat, dass man in Stille bei der Bóveda Zeit verbringen soll und die Ahnen dann ihre Antwort und Präsenz in diesem Raum manifestieren. Im Laufe der Zeit lernt man so auch die Unterschiede von

314 Vgl. Schaffler, 2009, 148 f. ; vgl. Tölke, 2011, S. 221- 227; vgl. Métraux, 1972, S. 320 ff.; vgl. Wörrle, 2002, S. 254- 267 315 Vgl. Eliade, 1957,S. 8 f. 316 Vgl. Elsensohn, 2000, S. 12 -17; vgl. Wörrle, 2002, S. 259 ff.

111 eigenen Gedanken und den Eingebungen der Ahnen zu unterscheiden. Lösungen von Problemen tauchen auch in Träumen auf, sowie auch als Geistesblitze. Die Ahnen warnen so vor Problemen und geben Ratschläge.317 Karine la Bel kommuniziert vor allem durch Träume mit den lwa sowie auch durch die Intuition.318 Wie im beschriebenen Ritual mit der heiligen Klara kann sich der Traum und das Erlebte darin auf das folgende Ritual auswirken. Für Georg Gschwandler ist el don ausschlaggebend, wie auch Intuition, Hellsicht, das Gefühl und ebenfalls der Traum.319. Die Kommunikation durch Intuition ist ebenfalls ein wichtiges Element, welches alle InterviewparterInnen betonen.

13.2 Kauri Orakel

Für Omi Yomi sprechen hauptsächlich die Ahnen und andere Geistwesen durch die Intuition und das Gefühl. Mit den Orisha spricht sie hauptsächlich durch das dillogun und obí sowie in einer Inkorporation. Damit lassen sich Fragen stellen und der Willen der Orishas erkunden320. Für Maria kommen die Orisha und die Ahnen in den Träumen und geben dort Ratschläge weiter sowie auch im dillogun und im obí Orakel.321

Das diloggún Orakel ist ein wichtiges Mittel der Kommunikation in der Santería um mit den Orisha sowie den Ahnen Kontakt aufzunehmen. Dadurch erhalten die Santeros Antworten auf Probleme und Lösungsansätze, wie ebbos und Ratschläge, wie Unglück vermieden werden kann. Durch das diloggún können alle Orisha sprechen. Jeder Orisha erhält sein Set mit Kaurimuscheln, die aus 18 Kauris bestehen. Ellegua besitzt 21 Kauris, davon werden 16 zum Orakeln benutzt.322

317 Vgl. Omi Yomi ; Omi Iraguo, 2007: Die Bòveda; vgl. Interview Maria, 23. November 2012 318 Vgl. Interview Karine la Bel, 25. Januar 2012 319 Vgl. Interview Georg Gschwandler, 5.Dezember 2011; für einen Interessanten Einblick wie Träume in die schamanische Berufung einwirken vgl. Gschwandler, 2008 320 Vgl. Interview Omi Yomi, 23. Januar 2012 321 Vgl. Omi Yomi, Interview, 23. Januar 2012; vgl. Interview Maria, 23. November 2012 322 Omi Yomi; Omi Iraguo. 2007: Diloggún

112 Lena Salvani kommuniziert ebenfalls mit manchen lwa durch ein Muschelorakel, das sie in Afrika erlernt hat und dem obí Orakel323 ähnelt. Das obí der Santería kann von allen Gläubigen benutzt werden um eine Antwort auf eine Ja/Nein Frage zu erlangen. Dazu werden vier Kaurimuscheln, Kokosnussscheiben

Abbildung 23: Die Kauris sind gefallen oder Bitterkolanüsse benutzt.

Zwei Kauris offen, zwei geschlossen. Einer der besten Würfe, der Im Ritual für Papa Legba konnten als Antwort auf die Frage auch ein klares "Ja" gibt. wir im Anschluss mit Hilfe des Muschelorakels Fragen an ihn stellen, welches direkt auf sein vévé geworfen wurde. Das Orakel mit den vier Muscheln, Kokosstücken oder Bitterkolanüssen kennt fünf Antwortmöglichkeiten:

Alle Kauris offen324: Ja. Ein Ja mit Segen.

Drei Kauris offen, eine geschlossen: ein unsicheres Ja, bei dem zur Klärung nochmals geworfen werden muss.

Zwei Kauris zu, zwei geschlossen: Ja.

Eine Kauri offen, drei Kauris geschlossen: Nein.

Alle Kauris geschlossen: ein eindeutiges Nein. In der Santería gilt dieses Zeichen zusätzlich als Warnung und muss genauer betrachtet werden.325

323 Mit obí bezeichnet man im Allgemeinen nur das Orakel mit Hilfe von vier Kokosnussstücken. Obí ist auch ein Oricha in der Santería. Vgl. Lele, 2001, S. 9 -31 324 Auch hier gibt es bei den Kaurimuscheln unterschiedliche Deutungen welche Seite die offene repräsentiert, die Seite mit dem natürlichen Schlitz oder die geschliffene Seite. Bei der Version mit den Kokosnussstücken ist die weiße Seite die offene, die dunkle Seite, die Schale die geschlossene. Bei den Bitterkolanüssen wird eine Bitterkolanuss geviertelt. Der geschnittene innere Teil bedeutet offen, der äußere Rindenteil ist die geschlossene Seite. 325 Vgl. Lele, 2001, S. 53, S. 55 -79, vgl. González-Wippler, 2004, S. 123; vgl. Omi Yomi; Omi Iraguo, 2007: Obi

113 Durch wiederholtes Nachfragen und zu aufdringlichem Verhalten wurden die Antworten jedoch auch ungenauer bis der lwa auch die Antworten einstellen konnte. Lena Salvani kann neben den Ja/Nein Antworten mit der Deutung auch noch in die Tiefe gehen und bezieht dann zum Beispiel auch die Formen ein, in der die Kauris fallen können.

13.3 Inkorporation

„…der Schamane entspricht also genau dem Medium des zivilisierten Spiritismus.“326

Die Inkorporation ist mit dem Zustand der Trance verbunden. Im Schamanismus unterscheidet man zwei Arten von Trance, beziehungsweise Anwendungsweisen der Trance: die kataleptischen und die kinetische. Ersteres, die kataleptische, bezieht sich auf den auch als Reiseschamanismus bekannten Zustand. Dabei reist der/die SchamanIn aus seinem Körper hinaus, kämpft mit feindlichen Geistern oder holt entflohene oder geraubte Seelenkräfte wieder zurück in die Welt der Materie. In der kinetischen Trance versetzt sich der/die SchamanIn ebenfalls in Trance, dabei ruft und inkorporiert er bzw. sie die Geistwesen an, die sich anschließend im menschlichen Körper manifestieren.327 Mit Inkorporation hatte ich in der Feldforschung vor allem in der Depossession zu tun. Karine la Bel tanzt für die lwa, kann aber eine mögliche Inkorporation, wie sie selbst sagt, nicht lange halten. Mir schien, als ob es auch mehr Ausdruck der lwa über den Tanz gab, als in einer klassischen Inkorporation, wie in einem haitianischen Vodu Ritual.

326 Vgl. Lehmann, 1925, S. 254 327 Vgl. Elsensohn, 2000, S. 58

114 Inkorporationen beziehungsweise rituelle Besessenheit ist eine weitere Möglichkeit, wie Geistwesen mit den Menschen in Kontakt treten können. Wie im Kapitel Depossession beschrieben sind dafür mediale Voraussetzungen nötig, die jeder Mensch mehr oder weniger aufweist. Auch die Zeit, in der jemand in der Inkorporation bleibt sowie die Intensität sind je nach Praktiken und Person verschieden. Manche können sich an alles erinnern, manche befinden sich in einer Art Traumzustand und haben keine Erinnerungen. In der Inkorporation ist die Individualität des Menschen verschwunden und es tritt der Charakter des Geistwesens in den Vordergrund. Der Mensch ist in

dieser Zeit nicht verantwortlich für das was geschieht, Abbildung 24: Ekstatische Momente sondern er gilt als Verkörperung dieses Wesens. Simbi, ein lwa der mit Quellen, Wasser und Magie assoziiert wird zeigt sich in einem In der Inkorporation geben die Geistwesen Auskunft, rituellen Ritt während der Tanzperfomance. reinigen die Anwesenden, essen, trinken oder suchen ihr Seelenheil, wie bei der Depossession. Dabei kommt es auf die Art der Geistwesen an, was mit ihnen geschieht oder welche Maßnahmen ergriffen werden. Die Medien von spiritistisch ausgelegten Richtungen versuchen mit unterschiedlichen Geistwesen in Kontakt zu kommen. Oftmals werden die Geister der Verstorbenen oft als Geister eines zu niederen Ranges angesehen, als dass man mit ihnen in einen bedeutsamen Kontakt treten will. Die meisten suchen Kontakt zu mächtigeren, höheren Geistwesen, die den göttlichen Willen ausführen. Dies ist auch das Hauptstreben der meisten Richtungen.328 Eine Inkorporation, vor allem mit hohen Geistwesen, wie den lwa oder Orisha, gilt im Allgemeinen als Segen und Ehre, da sie in diesem Zustand den Menschen besonders nahe sind und helfen können. Die Ausbildung in den einzelnen Praktiken dient auch dazu, diesen Zustand kontrollieren zu können, eine Beziehung mit den Geistwesen einzugehen um das Geistwesen gezielt herbeirufen zu können und es für Beratungen, Segen und Zauber zu nutzen. Inkorporation ist in diesen Richtungen der

328 Vgl. Lehmann, 1925, S. 254

115 Hauptzustand, in dem ein Medium zu arbeiten versucht und in dem es sich versetzen muss oder sich versetzen lässt. Die mediale Arbeit ist beinahe immer mit der Arbeit an sich selbst verknüpft, denn wenig vollkommene und entwickelte Medien ziehen mehr niedere, lügnerische und boshafte Geister an, als Medien, die sich dem Seelenstudium widmen und durch ihre Entwicklungsstufen und durch das Erlernte auch höhere Geister herbeirufen können.329 Im Allgemeinen gilt die Inkorporation als eine besondere Form der Kommunikation mit den Geistwesen, im Alltag wird die allgemeine Kommunikation vor allem durch Orakel und Opfergaben aufrecht erhalten.330

14 Resümee

Im Resümee fasse ich die wichtigsten Punkte der Arbeit zusammen und arbeite anhand meiner Fragestellungen meine gefundenen Ergebnisse und Erkenntnisse aus. Neben der Fragestellung, die mit dem Transport und der Mobilität des Wissens und der Praxis zusammen hängt, gehe ich auf zentrale Punkte ein, die mir wesentlich erscheinen. Abschließend versuche ich einen Ausblick zu erstellen.

14.1 Verbindung zum spirituellen Gewebe

Während der Feldforschung stieß ich in der Literatur auf die Definitionen der religiösen Heilung und auf wissenschaftlichen Ansichten zu Ritualen und Heilungen. Ich musste feststellen, dass sie lediglich eine mögliche Definition von vielen sind, meist nur eine Deutung für die wissenschaftliche Welt. Diese legt gerne einen Filter der eigenen Disziplin über das Geschehen und deutet sie nach psychologischen, ethnologischen, medizinischen oder geschichtlichen

329 Vgl. Lehmann, 1925, S. 256 330 Vgl. Métraux, 1972, S. 120- 141; vgl. Tölke, 2011, S.210 -219; vgl. Dorsey, S. 8f., S. 52; vgl. Reuter, 2003, S. 42- 45, S.71; vgl. Schaffler, 2009, S. 229 - 235

116 Blickwinkeln. Wie auch Renaud von Queckelberghe meint, ist dies die Deutung für die jeweilige wissenschaftliche Disziplin. Eine Deutung der Heilpraktiken und Rituale als symbolisches Vorgehen „…macht deutlich, daß es sich vorrangig nicht um rein somatische oder biochemische Vorgänge handelt.“331 Für die Praktiker sind ihre Arbeiten, die Rituale und ihr Schaffen reale Vorgänge und keine symbolischen Heilhandlungen. Der Mensch wird dabei in ein kosmisches Gefüge eingewebt, das sich miteinander austauscht und untereinander kommuniziert. Die Trennung in einzelne Schichten ist daher fast unmöglich, da diese Trennung jeweils nur eine einzige Schicht des Erlebten beschreibt und nicht die ganzheitliche Sichtweise der HeilerInnen und PraktikerInnen.332 Diejenigen, die imstande sind mit diesem Gewebe zu interagieren und mit den Geistwesen zu kommunizieren haben unterschiedliche Bezeichnungen: SchamanInnen, HeilerInnen, Curanderos, Curanderas, servidores. Sie sind es, die dieses Kräftespiel erkennen und versuchen darauf einzuwirken, um Situationen und den Alltag zu beeinflussen. Renaud von Quekelberghe spricht dabei vom generalisierten Bonding. Dabei stehen die intensiven, emotionalen Bindungen im Mittelpunkt, die eben dieses Netz bezeichnet sowie die Möglichkeiten, dieses Netz zu nutzen, um es zu binden und zu entbinden, darin zu reisen und dabei tiefe Beziehungen aufzubauen. Dabei versucht man einzelne Kräfte, die in Ungleichgewicht sind, zu harmonisieren oder auf das Feld einzuwirken um daraus gewünschte Resultate zu ziehen. Die dabei verwendeten Symbole und Handlungen sind dazu in dieses Netz eingebunden und besitzen einen kulturellen Ausdruck.333 Die PraktikerInnen arbeiten mit diesem Netz an kulturellen Mustern und versuchen die Welt zu ordnen um Harmonie und Balance zu erreichen. Dabei ist der Schwellenzustand ein Mittel, die Situation von einem alten in ein neues Muster zu führen und die Menschen hin zu einem gedachten, höheren, Bewusstsein zu bewegen. Die Arbeit mit und am Schwellenzustand ist zentral in den Arbeitsmethoden und ist symbolisch und emotional erfahrbar.

331 Quekelberghe, 1997,S. 11 332 Vgl. Quekelberghe, 1997, S. 11 f.; vgl. Schweitzer de Palacios 1997, S. 51 333 Vgl. Quekelberghe, 1997, S. 13- 16. Quekelberghe spricht dabei auch einen Effekt in der Psychoneuroimmunologie an, wobei es um die Schwelle zwischen Ritualsymboliken und den dabei entstehenden biochemischen Veränderungen geht. Dies nennt sich: Placebogene Wirkung oder der Vodoo- Effekt. Man beachte dabei die differenzierte Schreibung des Wortes sowie die damit einhergehende Assoziierung.

117 14.2 Die Wiederverzauberung der rationellen Weltsicht

Die dargestellten Praktiken und Religionen werden meist mit der Wiederverzauberung der Welt in Zusammenhang gebracht, da sie mit einer spirituellen Weltsicht agieren. Die meisten Praktiken bestanden in ihrer Grundform entweder vor dem Christentum oder erhielten ihre heutige Form durch die Verschmelzung mit dem Christentum und können daher nicht als eine Variante dessen verstanden werden. Sie haben das Christentum und damit verbundene Rituale und Ansichten adaptiert und amalgiert. Wie Gabriele Ponisch meint, versteht man heute unter Spiritualität "...eine besonders starke Betonung der persönlichen Erfahrung und der Subjektivität, die Distanzierung von Dogmatik und den großen religiösen Organisationsformen, die Idee der Ganzheitlichkeit im Sinne einer Überbrückung der fragmentarischen Lebensbereiche, die Erfahrung "anderer Wirklichkeiten".334 In meiner Betrachtung sind diese Praktiken "neu" im Sinne davon, dass sie gerade jetzt in der europäische Welt erscheinen. Ein vermehrtes Auftreten von Menschen, die mit karibischen Religionen und Praktiken arbeiten und sich damit assoziieren, ist daher aus der Sicht derer neu, die davon vorher nichts wussten oder diese Praktiken nicht kennen. Der Inhalt dieser Praktiken ist jedoch nicht neu, sondern, meiner Meinung nach, einfach anders als die traditionellen und bekannten Religionen, zum Beispiel das Christentum. Das vorherige Zitat zeigt für mich auch zentrale Punkte der Praktiken, wenn ich sie von außen betrachte, sie sind jedoch von einer Wichtigkeit innerhalb dieser Praxis. Die persönlichen Erfahrungen und der Kontakt mit der Anderswelt sowie der anderen Wirklichkeit sind zentral und erwünscht und die eigentliche Kernkraft dieser Methoden. Die Distanz von den großen Religionen ist keine Pflicht. Christliche Elemente sind Bestandteil und ein Aspekt der Gesamtheit der Systeme. Sie bereichern die Praxis und stellen mehr eine Verbindung als eine Teilung her. Das Christentum, welches zwar gerade an Bedeutung verliert, gewinnt auch an neuen Sichtweisen. Vielmehr sehe ich die Distanz aus dem Blickwinkel der großen Religionen die, wie im Kapitel über Magie und Religion, auf "die Anderen" verweisen. Die Ansicht über die Ganzheitlichkeit der Welt ergibt sich aus der persönlichen Erkenntnis und der Einsicht in die Anderswelten, bei denen den Suchenden die Erfahrung zu Teil wird, dass die Welt durch ein Netzwerk hinter den wahrnehmbaren Dingen miteinander verbunden ist. Dies macht für die

334 Ponisch, 2006, S. 50

118 Gläubigen ihren Weg stark und prägnant, sie erleben die direkte Erfahrung der geistigen Welt und erfahren die daraus resultierenden Ergebnisse.

Verzaubert wird man auch durch magische Produkte, die durch ihre Bilder, Namen, Gebete und Anwendungsmethoden aus einem Alltagsgegenstand eine magische Anwendung hervorzaubern. Dabei bedienen sich die Produkte einfacher und effektiver Zuschreibungen, die den besagten Wunsch anziehen sollen oder negative Energien entfernen. Der Alltag wird durch diese Objekte verzaubert, die Seife die einen Liebhaber anziehen soll oder einen Mann an einen fesselt, das Pulver zum Öffnen der Türe für die sieben Geister des Glücks, Schutzobjekte aus Plastik und Parfums sind in ihrer Substanz alltäglich. Durch ihre Zuschreibung verwandeln sie sich in Magie und Zauberei und es wird ihnen eine magische Kraft angedacht. Die Produkte zeigen auch durch ihren Namen, die Probleme des Alltags, die man versucht dadurch zu beeinflussen: ein Liebhaber soll angezogen werden, mehr Geld oder das Unglück zerbrochen werden.

Bei den Produkten gibt es auch Wandlungen in der Anwendung. In den Heimatländern werden diese Pulver, Kerzen, Amulette, Parfums und Seifen in speziellen Geschäften für spirituelle Mittel verkauft, in Österreich fand ich sie in einem Kunstgeschäft oder in einem internationalen Supermarkt. Als ungewöhnliches Geschenk liegen sie bestimmt in einigen Haushalten.

14.3 Gerufene und Berufene

Seit der Beschäftigung mit dieser Arbeit ist in mir die Idee vorhanden, wieder zum Ursprung der Deutung zurück zu gehen. Bei keinem meiner InterviewpartnerInnen konnte ich einen Trend verorten, wo es für sie um das Aufgreifen einer esoterischen Welle oder einer neuen Religion ging. Daher vertiefte ich mich in die Grundlagen des Schamanismus und fand dort eine Idee: die Berufung ihre Arbeit zu tun, etwas das Mircea Eliade als "Verleihung der Schamanenkraft"335 oder "Rekrutierung"336 bezeichnet. Dabei werden Menschen aus der geistigen Welt, die für sie als reale Präsenz wahrnehmbar ist, gerufen um ihre spirituellen, magischen und heilerischen

335 Eliade, 1974, S. 22 336 Ebda, S. 24- 28

119 Tätigkeiten durchzuführen. Der Ruf oder die Entwicklung des Talents erfolgt in Träumen, in Erlebnissen, durch Orakel durch Schulung und durch die Weitergabe von Wissen durch andere Personen sowie innerhalb der eigenen Familie. Dabei folgen sie einer überlieferten Tradition, deren Regeln aus Erfahrungen und magisch-religiösen Ansichten der Praktiken besteht. Ich denke, durch die Säkularisierung und dem allmählichen Verschwinden von traditionellen HeilerInnen in Mitteleuropa, die ihre Praktiken wiederum auf europäisch-religiösen Vorstellungen und dem Volksglauben sowie auf alternativmedizinischen Ansichten gründeten, ist das Auftauchen von verwandten Praktiken aus dem karibischen Bereich ein interessantes Phänomen. Erfahrungsgemäß haben diese Praktiken einen Zustrom von Interessierten und werden von ihnen in Anspruch genommen. Die Praktiker sind auch nicht mehr verantwortlich für eine Gemeinschaft oder ein Dorfleben, sondern üben ihre Fähigkeit als Beruf aus oder nur privat für sich selbst.337

14.4 Zentrale Geistwesen

In all meinen untersuchten Praktiken sehe ich den großen Wert der geistigen Welt und die Arbeit mit Geistwesen für meine Informanten. Sei es, dass man ihnen hilft oder dass sie als hohe Geister angerufen werden, die das Leben und das Wohlbefinden der Menschen beeinflussen oder für sie verantwortlich sind. Sie sind zentral und vielleicht das wichtigste Element überhaupt. Für alle meine InterviewpartnerInnen sind sie erfahrbar und lebendig. Sie sind es, die in Träumen und Orakeln sprechen oder sich in ritueller Besessenheit zeigen um mit den Menschen zu interagieren. Ich möchte sogar vorsichtig behaupten, dass gerade dieser Punkt es ausmacht, was die Menschen bewegt und sie auf diese Traditionen bringt: Kommunikation und die Möglichkeit das Schicksal und das Leben mit Hilfe von außernatürlichen Kräften zu beeinflussen und in Harmonie zu bringen. Diese Geister sind Teil einer für sie erfahrbaren Wirklichkeit, die abseits der rationalen Welt beginnt. Sie offenbaren sich in Visionen, Träumen, Orakeln und medialen Eingebungen bis hin zur einer körperlichen Manifestation, die, wenn sie von hohen Geistern erfolgt, als Segen und wohltuend empfunden wird. Diese Geistwesen sind wandelbar, sie haben

337 Vgl. Schweitzer de Palacios, 1997, S. 66

120 es aus Afrika und Europa bis in die karibischen Praktiken gebracht um dort in ein neues System zu verschmelzen. Erweiterungen in ihrer Darstellung und Erfahrbarkeit zeigen sich auch in den Migrationsprozessen der Gläubigen. Die Geistwesen und ihre rituellen Praktiken erfahren Weiter- und Umdeutungen im jeweiligen neuen Kulturfeld. Dadurch sind sie in den alltäglichen Fragen und Problemen präsent und können so auch ihre Mythologien und zugeschriebenen Fähigkeiten erweitern.

Die Geistweisen und die damit verbundenen Praktiken sind in ein Netz eingewoben, das erlernt und erfahrbar gemacht werden kann. Die Beziehung besteht aus einem Prozess des Nehmens und des Gebens, wobei immer das Wohl der Menschen und der Geistwesen im Vordergrund steht. Disharmonien und unmoralische Taten führen zu Problemen, in einem energetischen Bereich, der bis in das Leben der Menschen fortschreiten kann. Dafür braucht es die religiösen Spezialisten, Medien oder Wissende, die in diesem Feld interagieren und vermitteln.

14.5 Ausblicke

Meine Ansicht über die zukünftige Entwicklung der Praktiken ergibt sich aus den Gesprächen. Ich sehe, dass dort, wo das Wissen über Seminare ganz oder teilweise weitergegeben wird, sich dieses Wissen verbreitet und über Interessierte weiterentwickelt. Meine InformantInnen, die Seminare, Workshops und Kurse geben, sind sehr bemüht die teils fremden spirituellen Vorstellungen für westliche, beziehungsweise auf rein rational getrimmte, Teilnehmer zu ändern und anzupassen. Die Essenz bleibt für sie jedoch dieselbe. Diese Anpassung ist meiner Erfahrung nach, eine der größten Stärken der lateinamerikanischen und karibischen Praktiken, die selbst auf eine große Zeit an Veränderungen und Einflüssen zurückblicken können.

Bei den Praktiken, die in sich selbst bereits eine Struktur haben, wie Einweihungsabläufe, Ritualabläufe und Handlungsrahmen, sehe ich keine Veränderung in der Struktur, sie werden weitertradiert und kaum geändert, da sie zu der jeweiligen Praktik als wichtiges Element gehören.

Somit bewegen sich die spirituellen Praktiken zwischen Tradition und Einfügung in westlichen Strukturen, sie benutzten zur Verbreitung des Wissens durchwegs Medien wie das Internet,

121 Telefon, Bücher und Seminare. Die Arbeit wird insofern verändert, als es die Struktur zulässt oder es die Umstände erfordern. Meistens versuchen die InterviewparterInnen auf die Vorstellungen der SeminarteilnehmerInnen einzugehen, wenn es darum geht ein spirituelles Weltbild zu erklären. In anderen Bereichen, wenn es nicht darum geht ein Seminar abzuhalten, wird das spirituelle und religiöse Weltbild nach und nach erklärt, erlebt und wahrgenommen. Diese Erkenntnisphasen sind auch Teil der Initiation, in der das Wissen vertieft und die Regeln und Verhaltensweisen der jeweiligen Praktik studiert werden. Es scheint, als entstünden auch hier, im übertragenen Sinne, Häuser, die öffentlich oder privat sind, in denen diese Praktiken erlernt und weitergelebt werden. Vielleicht werden wir auch in Zukunft von Häusern hören, die in dieser Zeit ihren Ursprung genommen haben. Manche von ihnen sind bereits mit einer Internetpräsenz vorhanden, andere bevorzugen die Arbeit im Privaten.

Die Zukunft der Weitergabe des Wissens, sowohl innerhalb der Gruppen als auch der Einzelpersonen, ist eine Frage die sich in den folgenden Jahren stellen wird. Auch ob sich die Geistwesen und ihre Mythologien hier verankern oder ob sie wieder verschwinden werden wird sich erst zeigen.

Dieses Feld wird durch neue karibische, spirituelle Praktiken in Zukunft sicher stärker genährt werden. Wie zu Beginn der Arbeit angeführt, gibt es noch viele Praktiken, Religionen und spirituelle Systeme, welche in Österreich noch nicht präsent sind, aber in anderen europäischen Ländern bereits Verbreitung finden. Auch hier könnte man einhaken und der Frage nachgehen, warum sich gewisse Praktiken in einigen Ländern stärker ausbreiten als in anderen, welche gemeinsame Geschichte es gibt und wie die Verbreitung erfolgt.

Zusammenfassend lässt sich der Schluss ziehen, dass auf die europäische Ethnologie noch viele interessante Fragestellungen und Aspekte der kulturellen Mobilität zukommen werden.

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134 Abbildungsverzeichnis

Alle Fotos sind, sofern nicht anders angegeben, vom Autor.

Abbildung 1: Gedankenmodell ...... 5 Abbildung 2: Magisches Raumspray ...... 42 Abbildung 3: Agua florida ...... 43 Abbildung 4: La Milagrosa ...... 45 Abbildung 5: Mater Dolorosa ...... 51 Abbildung 6: Altar für die heilige Klara ...... 54 Abbildung 7: Zauberbad...... 57 Abbildung 8: Reinigung mit Papa Legba ...... 60 Abbildung 9: Yanvalou ...... 63 Abbildung 10: Feuer für Ogou und Guedé ...... 64 Abbildung 11: Ogou und Nago ...... 64 Abbildung 12: Vévés als dekorative Elemente beim Corn Lanbi...... 65 Abbildung 13: Vévé von Papa Legba ...... 66 Abbildung 14: Vévés für Damballah Wedo, Ayida Wedo und Erzulie Freda Dahomey...... 67 Abbildung 15: Tronos ...... 78 Abbildung 16: Bóveda ...... 82 Abbildung 17: Der weiße Tisch ...... 88 Abbildung 18: Milagros ...... 103 Abbildung 19: Jabón Doblegado a mis Pies und Jabón Atrayente ...... 104 Abbildung 20: Polvo Legitimo Tentacion de Amor und Super Polvo 7 Potencias ...... 107 Abbildung 21: Mexikanisches Heiligenbrieftäschchen ...... 109 Abbildung 22: Die Kokosnuss als spirituelles Reinigungsobjekt ...... 110 Abbildung 23: Die Kauris sind gefallen...... 113 Abbildung 24: Ekstatische Momente ...... 115

135 Begriffserklärungen

agua florida Ein Parfum das für energetische und magische Arbeiten genutzt wird.

Agwé Lwa des Wassers und der Meere.

Aida-wédo Lwa aus dem Pantheon des Vodu. Partnerin von Damballah-wédo. Sie ist die Regenbogenschlange.

Anacaona Königin der Taino, sie wurde von den Spaniern erhängt und ist heute zu einem misterio im dominikanischen Vodu aufgestiegen. Sie war die Frau von Caonabo. asiento Zeremonie in der Santería, bei der man mit seinem Orisha gekrönt wird. ayahuasca Psychoaktiver Trank der Schamanen in Südamerika. Zu Heilzwecken gebraucht.

Babalawo Priester in der regla de ifá.

Babalocha Priester in der Santería.

Babalú Ayé Orisha der Krankheiten und der Heilung.

Banda Tanzform für die guedé lwa.

Baron Cimetière Baron des Friedhofs im haitianischen Vodu und ein guedé lwa

136 Baron del Cementerio Der Baron des Friedhofes im dominikanischen Vodu. Der Vorsteher aller guedé lwa.

Baron la Croix Baron des Kreuzes, ein Aspekt oder Bruder der anderen Barone.

Baron Samdi Baron Samstag, ein weitere Baron der guedé Familie.

Blanc Dani Geistwesen aus dem New Orleans Voodoo. Er wird als weiße Schlange angesehen und soll eine Verbindung zu Damballah haben.

Bondye "Der gute Gott". Höchste Gottheit im Vodu.

Bóveda Ein Altar, der vor allem der Ahnenverehrung dient und als Hauptelement eine ungerade Anzahl von Gläsern mit Wasser hat. brujeria Spanisch für Hexerei. cabildos Eine Gemeinschaft von Sklaven auf Kuba. Sie dienten auch dazu um Bräuche und Zeremonien auszuführen.

Candomblé Afrobrasilianische Religion mit Ursprüngen und Grundlagen von Yoruba Kosmologien.

137 Caonabo Kazike vor der Ankunft von Christoph Kolumbus. Er kämpfte gegen die Spanier und vernichtete ihre erste Siedlung. Er wurde von den Spaniern nach Spanien gebracht und starb auf der Rückfahrt. Heute ist er ein misterio in der agua dulce division. Ehemann von Anacaona.

Chango Ein Orisha in der Santería. Er repräsentiert Stärke, Feuer, Blitz, Donner und Männlichkeit. cofradías Spanisch für Bruderschaft. In den Bruderschaften wurden unter dem Deckmantel der Heiligenverehrung die Orisha verehrt.

Congo Name einer Vodu Nation mit Ursprung im Kongo.

Corn Lanbi Kreolisch für ein Muschelhorn.

Curanderismo Sammelbegriff für ein traditionelles Heilsystem in Lateinamerika. Auf religiösen und spirituellen Prinzipien beruhende Praktik, die stark mit indigenen Vorstellungen und Kosmologien verbunden ist.

Dahomey Ein antikes, afrikanisches Königreich und zugleich eine Nation im Vodu Pantheon.

Damballah-wèdo Ein weißer und weiser Schlangen-lwa, der unter anderem durch den heiligen Patrick dargestellt wird.

138 Depossesion Auch als "weißer Tisch" bezeichnetes Ritual mit Ursprüngen in Brasilien. Es dient zur Befreiung von Fremdenergien, verirrten Seelen und energetischen Anhaftungen. diloggún Ein Orakelsystem der kubanischen Santería mit 16 Kaurimuscheln. division Im dominikanischen Vodu bezeichnete Gruppe von misterios mit ähnlicher Herkunft, Attributen, Eigenschaften und Wesenszügen. division agua dulce Gruppe von misterios im dominikanischen Vodu, die mit dem Element Wasser im Zusammenhang stehen. ebbo Opfergabe an die Orisha in der Santería. eguns Yoruba Begriff in der Santería für die Ahnen.

Elleguá Orisha aus dem Santería Pantheon, er öffnet und schließt die Kommunikation zwischen Menschen und den Orisha.

Erzulie Freda Dahomey Lwa aus dem Vodu Pantheon. Sie ist der lwa der Schönheit und der Liebe. guedé Gruppe von lwa aus dem Vodu, die mit dem Tod, dem Friedhof und der Sexualität in Zusammenhang stehen.

Hoodoo Volksmagische Praxis aus den Südstaaten.

139 ifá Orakel Orakel der regla de ifá und der Yoruba. In Kuba arbeiten nur Babalawos mit diesem System. 2005 von der UNESCO zu einem Teil der Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit ernannt. ileke Rituell geweihte Ketten in der Santería, die Schutzfunktionen haben. Auch eleke, collares. india/indios Gruppe von misterios im dominikanischen Vodu. Sie sind mit der indigenen Bevölkerung verbunden sowie mit der agua dulce division. Ebenfalls Bezeichnung von Geistwesen in der Santería der indigenen Bevölkerung.

Iyalochas Mutter (iyá) der Heiligen (ocha). Priesterin der Santería. Auch Iyalorisha.

Kariocha Siehe auch asiento und hacerse santo.

Kuzin Zaka Lwa aus dem Vodu Pantheons. Lwa der Bauern, der Arbeit und Landwirtschaft. Er ist bekannt für seine harte Arbeit. la 21 Divisiones Anderer und populärer Name für Vodu dominicano.

La Señorita Misterio aus dem dominikanischen Vodu. Zuständig für Klarheit und Visionen. Wird durch die heilige Klara dargestellt.

140 Lasirén Lwa des Vodu Pantheons. Lasirén ist eine Meerjungfrau, Königin des Meeres und der Fische. Sie ist auch für ihre Schönheit bekannt.

Limpia Spirituelle Reinigung.

Lwa Bezeichnung eines hohen Geistwesen Vodu die wir als Gottheit beschreiben würden.

Los Guerreros Die Krieger Orisha aus dem Santería Pantheon.

Madama Geistwesen aus der Santería die verstorbene Santeras waren oder Haushälterinnen mit fürsorglichen Eigenschaften.

Madrina Patin in der Santería und auch im dominikanischen Vodu. Sie ist für die Ausbildung verantwortlich und eine Lehrerin.

Maman Brigitte Lwa aus der guedé Familie. Sie hat ihren Platz beim ersten Grab am Friedhof, wenn darin eine Frau begraben wurde. Maman Brigitte ist die Partnerin von Baron Samdi. mano de Orunla Ritual in der Santería zur Bestimmung des Kopforisha.

Maria Laveau Legendäre Vodupriesterin aus dem New Orleans Voodoo. Um sie ranken sich zahlreiche Legenden und ihr Grab dient auch heute noch für Rituale.

141 María Lionza Religion in Venezuela mit Elementen aus dem Spiritismus, dem Vodu und der Santería. Zentral ist die Verehrung der indigenen Königin María Lionza um die sich zahlreiche Legenden ranken.

Metrésilí Misterio aus dem dominikanischen Vodu, verwandt mit der haitianischen Erzulie. Sie ist das misterio der Reinheit, Liebe und kosmischen Schönheit. Eine typische Repräsentation ist die Mater Dolorosa. misa espiritual Spirituelle Messe in der Santería. Sie dient primär zur Interaktion mit egun und anderen Schutzgeistern. Sie entstand aus der Verschmelzung von Allan Kardecs Spiritismus sowie afrikanischen Elementen. misterio Bezeichnung eines hohen Geistwesens im dominikanischen Vodu, die wir als Gottheit beschreiben würden. Auch: lwa, Santo. mojo bag Kleines Säckchen, das mit Gegenständen, Pflanzen, Mineralien, Amuletten, Körperteilen von Mensch und Tier oder Münzen gefüllt ist und für einen magischen Zweck getragen wird. Sehr populär im Hoodoo.

Nago Gruppe von lwa im Vodu Pantheon als auch Tanzstil für Ogou. nanchons Bezeichnung von einer Gruppe von lwa im haitianischen Vodu, die auf ihre kulturellen Ursprünge hinweisen.

142 Obatala Ein Orisha aus dem Pantheon der Santería. Obatala ist mit der Farbe Weiß verbunden und steht für Frieden und Reinheit. obi Orakel mit vier Kaurimuscheln oder Kokosnussstücken in der Santería.

Ochosi Orisha der Jagd, des Waldes und der Gefängnisse.

Ochun Orisha des Süßwassers und der Flüsse, sie hat eine Vorliebe für Honig und ist für die Liebe und den Wohlstand zuständig.

Ogou/Ogun Lwa und Orisha. Steht für Eisen, Metall und Politik.

Olodumare Schöpfergottheit in Santería.

Omiero Rituelle Flüssigkeit in der Santería.

Orisha Bezeichnung eines hohen Geistwesens in der Santería, die wir als Gottheit beschreiben würden.

Osun Orisha aus dem Santería Pantheon, der für Schutz und Gesundheit verantwortlich ist und zusammen mit den los guerreros vergeben wird. otanes Rituell geweihte Steine in der Santería, die als Wohnstätte der Orisha dienen und in einer Terrine untergebracht sind.

143 Oyá Orisha aus dem Santería Pantheon. Sie ist eine der Frauen von Chango und wird mit Blitz, Wind und den Stürmen verbunden sowie mit dem Friedhofstor. Daher besitzt sie auch eine Verbindung zu den eguns. Auch: Iansã oder Yansa genannt.

Padrinos Pate in der Santería und auch im dominikanischen Vodu. Er ist für die Ausbildung verantwortlich und ein Lehrer. palenques Gemeinschaft von entflohenen Sklaven, zuerst indigene später afrikanische. palo mayombe Religion auf Kuba mit Ursprüngen aus dem Kongo.

Papa Lébat Die New Orleans Variante von Papa Legba. Mit dem heiligen Petrus verknüpft.

Papa Legba Ein lwa des Vodu Pantheons. Er wird immer als Erster angerufen und ist für die Kommunikation zwischen den Menschen und den lwa verantwortlich sowie für offene Wege. Papa Legba werden viele Heilige zugeordnet, die jeweils einen Aspekt dieses lwa hervorheben zum Beispiel der heilige Antonius, heilige Petrus, heilige Lazarus, Jesuskind von Atocha. petró Gruppe von lwa aus dem Vodu die mit Feuer, Stärke, Kraft, Wald und Hitze assoziiert werden. Viele lwa aus dieser Gruppe wurden in der Karibik geboren.

144 radá Gruppe von lwa aus dem Vodu, die mit Licht, Reinheit, Ruhe und hohen moralischen Werten assoziiert werden. Viele lwa dieser Gruppe stammen aus dem antiken Dahomey. regla de congo Religion auf Kuba mit Ursprüngen aus dem Kongo. Siehe auch palo mayombe.

Regla de ifá Religion in Kuba die hauptsächlich von Männern ausgeführt wird. Ihr zentrales Thema ist das ifá Orakel und die Verehrung von Orula. Ihre Priester stehen über denen der Santería.

Regla de Lucumí Religion in Kuba, deren Ursprünge und Kosmologie auf den Yoruba beruht.

Regla de Ocha Siehe Regla de Lucumí. santa muerte Auch: Santísima Muerte, eine weibliches Skelett als Verkörperung des heiligen Todes. Ursprünge lassen sich im indigenen Glauben der Azteken finden sowie in Vermischungsprozessen aus vorchristlichen und christlichen Elementen. Vor allem in Mexiko verbreitet.

Santería Religion in Kuba, mit Ursprüngen in der Religion der Yoruba.

Santerismo Verschmelzung der Santería mit dem Spiritismus, vor allem in Puerto Rico gebraucht.

145 sèvitè/serviteur/servitor/a Bezeichnung für eineN DienerIn der lwa, ein religiöser Spezialist im haitianischen und dominikanischen Vodu.

Siete potencias africanas Die sieben afrikanischen Kräfte sind sieben beliebte Orisha aus der Santería, die als eine Gruppe verehrt werden. Sie sind oft Namensträger von magischen Gegenständen wie Seifen, Zauberbädern, Räucherwerk und Pulvern.

Simbi Lwa aus dem Vodu Pantheons. Lwa des Wassers, der Sümpfe als auch der kommunikativen Kraft. Wird als kleine, grüne Schlange gedacht.

Tsentsak Magische Pfeile, die als Hilfsgeister fungieren.

Umbanda Afrobrasilianische Religion mit Ursprüngen und Grundlagen von Yoruba Kosmologien und starken Einflüssen des Spiritismus. vévé Rituelles Zeichen in einer Vodu Zeremonie zur Anrufung der lwa. Wird auf den Boden mit unterschiedlichen Substanzen gezeichnet.

Vodu Religion in Haiti, der Dominikanischen Republik, Louisiana und ihrer Diaspora. Vodu hat viele Ursprünge vorranging aus dem afrikanischen Westen.

Yanvalu Eine Tanzform für die radá lwa.

Yemaya Ein Orisha aus dem Pantheon der Santería. Yemaya ist Orisha der Meere und der Fische.

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