MATTH AUSPA S SION chor & orchester der j. s. bach-stiftung unter der leitung von rudolf lutz inhalt / content

Titelliste/Tracklist...... Seite 2 Bachs Matthäuspassion BWV 244 – Entstehungskontext, Werkkonzept und Ausstrahlung eines epochalen Meisterwerkes...... Seite 8 Anselm Hartinger im Gespräch mit Rudolf Lutz...... Seite 16 Der gesamte vokale Bach...... Seite 20 Die Künstler in dieser Aufnahme/Artists in this recording...... Seite 23

Text Matthäuspassion: Erster Teil – CD 1...... Seite 32 Text Matthäuspassion: Zweiter Teil – CD 2...... Seite 42 Text Matthäuspassion: Zweiter Teil (Fortsetzung) – CD 3...... Seite 52

Bach’s St Matthew Passion BWV 244 – compositional background, musical conception and legacy of a masterpiece...... Page 60 Anselm Hartinger in discussion with Rudolf Lutz...... Page 68 The complete vocal Bach...... Page 72 Soloist biographies...... Page 74

Impressum...... Seite 80

1 matthäuspassion: erster teil – cd 1 BWV 244

01 01. Chor – kommt, ihr töchter, helft mir klagen...... 06:15 02 02. Rezitativ (Evangelist, Jesus) – da jesus diese rede vollendet hatte...... 00:39 03 03. Choral – herzliebster jesu, was hast du verbrochen...... 00:45 04 04. Rezitativ (Evangelist, Jesus) und Chor – da versammleten sich die hohenpriester...... 03:05 05 05. Rezitativ (Alt) – du lieber heiland du...... 00:51 06 06. Arie (Alt) – buss und reu...... 03:54 07 07. Rezitativ (Evangelist, Judas) – da ging hin der zwölfen einer...... 00:34 08 08. Arie (Sopran) – blute nur, du liebes herz!...... 04:32 09 09. Rezitativ (Evangelist, Jesus) und Chor – aber am ersten tage der süssen brot...... 02:13 10 10. Choral – ich bins, ich sollte büssen...... 00:45 11 11. Rezitativ (Evangelist, Jesus, Judas) – er antwortete und sprach...... 02:56 12 12. Rezitativ (Sopran) – wiewohl mein herz in tränen schwimmt...... 01:29 13 13. Arie (Sopran) – ich will dir mein herze schenken...... 03:22 14 14. Rezitativ (Evangelist, Jesus) – und da sie den lobgesang gesprochen hatten...... 01:02 15 15. Choral – erkenne mich, mein hüter...... 00:55 16 16. Rezitativ (Evangelist, Petrus, Jesus) – petrus aber antwortete und sprach zu ihm...... 01:04 17 17. Choral – ich will hier bei dir stehen...... 00:59 18 18. Rezitativ (Evangelist, Jesus) – da kam jesus mit ihnen zu einem hofe...... 01:55

2 (1685—1750) 19 19. Rezitativ (Tenor) und Choral – o schmerz! hier zittert das gequälte herz...... 01:40 20 20. Arie (Tenor) und Chor – ich will bei meinem jesu wachen...... 04:59 21 21. Rezitativ (Evangelist, Jesus) – und ging hin ein wenig...... 00:43 22 22. Rezitativ (Bass) – der heiland fällt vor seinem vater nieder...... 00:56 23 23. Arie (Bass) – gerne will ich mich bequemen...... 04:29 24 24. Rezitativ (Evangelist, Jesus) – und er kam zu seinen jüngern...... 01:22 25 25. Choral – was mein gott will, das g’scheh allzeit...... 01:01 26 26. Rezitativ (Evangelist, Jesus, Judas) – und er kam und fand sie aber schlafend...... 02:30 27 27. Arie (Sopran, Alt) und Chor – so ist mein jesus nun gefangen...... 04:18 28 28. Rezitativ (Evangelist, Jesus) – und siehe, einer aus denen...... 02:13 29 29. Choral – o mensch, bewein dein sünde gross...... 05:28 ...... 67:09

j. s. bach-stiftung st. gallen (schweiz), www.bachstiftung.ch 3 matthäuspassion: zweiter teil – cd 2 BWV 244

01 30. Arie (Alt) und Chor – ach! nun ist mein jesus hin!...... 03:37 02 31. Rezitativ (Evangelist) – die aber jesum gegriffen hatten...... 00:58 03 32. Choral – mir hat die welt trüglich gericht’...... 00:42 04 33. Rezitativ (Evangelist, Zeugen, Hohepriester) ...... und wiewohl viel falsche zeugen herzutraten...... 01:07 05 34. Rezitativ (Tenor) – mein jesus schweigt...... 01:07 06 35. Arie (Tenor) – geduld! wenn mich falsche zungen stechen...... 03:28 07 36. Rezitativ (Evangelist, Hohepriester, Jesus) und Chor ...... 03:25 und der hohepriester antwortete...... 02:06 08 37. Choral – wer hat dich so geschlagen...... 00:46 09 38. Rezitativ (Evangelist, 1. & 2. Magd, Petrus) und Chor...... 00:51 petrus aber sass draussen im palast...... 02:19 10 39. Arie (Alt) – erbarme dich...... 05:46 11 40. Choral – bin ich gleich von dir gewichen...... 00:57 12 41. Rezitativ (Evangelist, Judas, Hohepriester) und Chor...... 00:51 des morgens aber hielten alle hohepriester...... 01:44 13 42. Arie (Bass) – gebt mir meinen jesum wieder!...... 02:54 14 43. Rezitativ (Evangelist, Pilatus, Jesus) – sie hielten aber einen rat...... 02:19

4 johann sebastian bach (1685—1750) j. s. bach-stiftung st. gallen (schweiz), www.bachstiftung.ch 15 44. Choral – befiehl du deine wege...... 00:57 16 45. Rezitativ (Evangelist, Pilatus, Pilati Weib) und Chor ...... 00:51 auf das fest aber hatte der landpfleger gewohnheit...... 02:23 17 46. Choral – wie wunderbarlich ist doch diese strafe!...... 00:45 18 47. Rezitativ (Evangelist, Pilatus) – der landpfleger sagte...... 00:18 19 48. Rezitativ (Sopran) – er hat uns allen wohlgetan...... 01:08 20 49. Arie (Sopran) – aus liebe will mein heiland sterben...... 05:01 21 50. Rezitativ (Evangelist, Pilatus) und Chor – sie schrieen aber noch mehr...... 01:55 22 51. Rezitativ (Alt) – erbarm es gott!...... 01:01 23 52. Arie (Alt) – können tränen meiner wangen...... 06:52 ...... 50:20

j. s. bach-stiftung st. gallen (schweiz), www.bachstiftung.ch 5 matthäuspassion: zweiter teil (fortsetzung) – cd 3 BWV 244

01 53. Rezitativ (Evangelist) und Chor – da nahmen die kriegsknechte des landpflegers...... 01:05 02 54. Choral – o haupt voll blut und wunden...... 02:25 03 55. Rezitativ (Evangelist) – und da sie ihn verspottet hatten...... 00:51 04 56. Rezitativ (Bass) – ja freilich will in uns das fleisch und blut...... 00:34 05 57. Arie (Bass) – komm, süsses kreuz...... 05:31 06 58. Rezitativ (Evangelist) und Chor – und da sie an die stätte kamen...... 03:27 07 59. Rezitativ (Alt) – ach golgatha, unselges golgatha!...... 01:28 08 60. Arie (Alt) und Chor – sehet, jesus hat die hand...... 03:01 09 61. Rezitativ (Evangelist, Jesus) und Chor – und von der sechsten stunde an...... 02:29 10 62. Choral – wenn ich einmal soll scheiden...... 01:08 11 63. Rezitativ (Evangelist) und Chor – und siehe da, der vorhang im tempel zerriss...... 02:49 12 64. Rezitativ (Bass) – am abend, da es kühle war...... 02:04 13 65. Arie (Bass) – mache dich, mein herze, rein...... 05:50 14 66. Rezitativ (Evangelist, Pilatus) und Chor – und joseph nahm den leib...... 02:44 15 67. Rezitativ (Bass, Tenor, Alt, Sopran) und Chor – nun ist der herr zur ruh gebracht...... 01:56 16 68. Choralchor – wir setzen uns mit tränen nieder...... 05:29 ...... 42:58

6 johann sebastian bach (1685—1750) j. s. bach-stiftung st. gallen (schweiz), www.bachstiftung.ch j. s. bach-stiftung st. gallen (schweiz), www.bachstiftung.ch 7 bachs matthäuspassion bwv 244 – entstehungskontext, werkkonzept und ausstrahlung eines epochalen meisterwerkes Anselm Hartinger

«das ganze werk ist so aus dem innigsten bunde des I. herzens mit der kunst hervorgegangen, dass es als Die zweichörige Matthäuspassion, die bereits ein gleich hohes denkmal der gläubigen frömmigkeit im posthumen Andenken der Bach-Familie als und demuth, wie des selbstschaffenden genius und «grosse Bassion» bezeichnet wurde, gehört nicht der ursprünglichen kraft des menschen dasteht.» nur zu Bachs umfangreichsten und gewichtigs- (ludwig rellstab, 1830) ten Kirchenkompositionen. Sie hat auch seit den spektakulären, dabei allerdings auf einer stark gekürzten Version beruhenden Wiederauffüh- rungen Mendelssohns und Zelters 1829 die neu- zeitliche Wahrnehmung des Komponisten we- sentlich geprägt. Zu dieser besonderen Wert- schätzung trug wesentlich bei, dass die Passion überwiegend auf dem von Luther übersetzten Bibeltext sowie reformatorischen Choralstro- phen beruht und nur die betrachtenden Arien und Chöre auf jene barocken Neudichtungen zurückgehen, die von vielen Bachianern des ro- mantischen Zeitalters als «verruchte deutsche

8 Kirchentexte» und polemischer «Glaubens- hasserfüllten Handlungen und Leidenschaften qualm» (Carl Friedrich Zelter) geschmäht wur- um das Martyrium des Herrn mit grosser Skep- den. Bachs Zeitgenossen hingegen schätzten ge- sis. Andererseits war mit dem auch von Bach rade diese geschliffenen Verse, weil sie die bibli- vertonten Dichter einer sche Handlung bildkräftig aktualisierten und der Stammväter der modernen «geistlichen damit in ihre Lebenswelt übersetzten. Diese Cantaten» selbst lutherischer Superintendent Spannung zwischen konträren Textebenen, und Hauptpastor in Weissenfels und Hamburg. Hörerwartungen und Vertonungstraditionen Und nur zwei Jahre vor Bachs Dienstantritt war erklärt nicht nur die kontroversen Zeugnisse der in Leipzig eine Streitschrift erschienen, die im Rezeption dieses jede Dimension sprengenden Dienste einer bewegenden Wortausdeutung Werkes in den vergangenen nahezu drei Jahr- stürmisch für die modernen «theatralischen» hunderten. Nur vor diesem Hintergrund lässt Stilmittel eintrat (Johann Ephraim Scheibel, sich auch ermessen, wie schwer die Bach gestell- Zufällige Gedancken von der Kirchenmusik). Dass te Aufgabe war und wie überzeugend und indi- auch Bach bei seiner Vereidigung als Thomas- viduell er sie zu lösen verstand. kantor versichern musste, sich einer allzu opern- Denn obwohl die Matthäuspassion heute als haften Tonsprache zu enthalten, war daher exemplarisches Beispiel der Bachschen Kunst mehr als eine Standardfloskel, sondern Aus- und des barocken Kirchenstils gilt, handelte es druck gravierender Kontroversen im Bereich sich bei der dramatischen Schilderung der Lei- der gottesdienstlichen Figuralmusik. Obwohl densgeschichte Jesu um ein zu Bachs Zeit noch bereits 1717 in der Leipziger Neukirche mit Ge- heftig umstrittenes Vorhaben. Nicht ohne org Philipp Telemanns «Brockespassion» eine Grund betrachteten viele Theologen ein mit der moderne Vertonung der Passionsgeschichte er- ganzen Drastik der barocken Poesie und Klang- klungen war, gelang es im stark von der lutheri- rede ausgemaltes Panorama der heilsamen wie schen Orthodoxie geprägten Leipzig erst 1721,

9 eine oratorische Passionsdarbietung auch in der hannespassion BWV 245 dargeboten hatte und offiziellen Stadtkirchenmusik zu verankern, die 1726 eine lange Reinhard Keiser zugeschriebene dann im Vespergottesdienst am Karfreitag im Markuspassion erklungen war, brachte der Tho- jährlichen Wechsel zwischen den Hauptkirchen maskantor wahrscheinlich zu Karfreitag 1727 St. Nikolai und St. Thomas dargeboten wurde. und wohl unter Einbeziehung älterer Vorlagen Offenbar war es nicht länger möglich, den Wün- eine erste Version seiner Matthäuspassion (die schen der weltgewandten Leipziger Handels- sogenannte Frühfassung BWV 244b) zur Auffüh- bourgeoisie nach einer eleganten Kirchenmusik rung, die Andreas Glöckner im Rahmen der höfischen Zuschnitts zu widerstehen – ein verän- Neuen Bachausgabe in einem eigenen Band re- dertes Anforderungsprofil, dem sich auch die konstruierte. Die Textgrundlage dazu stellte Berufung des Köthener Kapellmeisters Bach Bachs bewährter Librettist Christian Friedrich nach Leipzig verdankte. Einschliesslich der Henrici, genannt Picander, bereit, der dafür auf zwischen den beiden Teilen einer Passion einge- Passionsdichtungen u.a. von Barthold Hinrich schobenen mindestens einstündigen Predigt Brockes und Johann Friedrich Hunold sowie ei- handelte es sich bei diesen Karfreitagsvespern nen Predigtzyklus des Rostocker Theologen um einen wahren Gottesdienstmarathon, der an- Heinrich Müller zurückgreifen konnte. Im März/ gesichts der riesenhaften Ausmasse gerade der April 1729 stand Bach dann vor der doppelten Bachschen Kompositionen den Zuhörern wie Herausforderung, sowohl eine Trauermusik für Ausführenden alles abverlangt haben dürfte. seinen verstorbenen früheren Dienstherrn Leo- Die Entstehungsgeschichte der Matthäuspas- pold von Anhalt-Köthen zu schreiben («Klagt, sion ist dabei weniger gesichert, als es die Be- Kinder, klagt es aller Welt», BWV 244a) als auch rühmtheit des Stückes vermuten liesse. Nach- die reguläre Passionsaufführung vorzubereiten. dem Bach 1724 und 1725 zunächst zwei stark Ohne dass sich die Beziehungen zwischen welt- voneinander abweichende Fassungen seiner Jo- licher und geistlicher Fassung mit letzter Sicher-

10 heit klären lassen, scheint Bach seine Kompositi- Sinnbild der Bachschen Religiosität und Musik- on dabei so umfassend revidiert zu haben, dass theologie wurde. Wie viel dem Komponisten an man seit dem 19. Jahrhundert das Jahr 1729 als der Kodifizierung dieses Werkes gelegen haben das eigentliche Entstehungsdatum der Matt- muss, wird durch den Umstand verdeutlicht, häuspassion ansah. Der Ausbau der zunächst of- dass er das Manuskript nach einer späteren Be- fenbar nur einchörigen Passion zu einem Werk schädigung eigenhändig restaurierte. Eine ver- mit zwei Chören und Orchestern geht dement- gleichbar endgültige Niederschrift der Johannes- sprechend wohl auf diese Neueinrichtung zu- passion, die Bach 1739 in Angriff genommen hat- rück. 1736 schliesslich liess Bach das bis heute er- te, brach der Komponist hingegen nach wenigen haltene «neue» Aufführungsmaterial der Passi- Sätzen zunächst ab; während die Johannespassi- on erstellen, wobei nach einem Bericht des on ihren veränderlichen Charakter während Küsters Johann Christoph Rost das Werk «mit Bachs gesamter Leipziger Wirkungszeit nie völ- beyden orgeln» der Thomaskirche einschliess- lig ablegte, mag die früh nachweisbare Hoch- lich des über dem Chor angebrachten und seit schätzung der Matthäuspassion auch darauf zu- 1727 wieder spielbaren «Schwalbennest»-Instru- rückzuführen sein, dass der Komponist ihr eine mentes – mit geteilter und räumlich getrennter weitgehend abgeschlossene Werkgestalt verlieh. Continuogruppe also – dargeboten wurde. In Wahrscheinlich im Zuge einer späteren Wie- Gestalt des Choralchors «O Mensch, bewein dein deraufführung 1742 ergänzte Bach u.a. noch Sünde gross» bezog Bach nun auch den Eröff- eine Stimme für Cembalo. Die mittlerweile zu nungssatz der II. Fassung seiner Johannespassi- einer eigenen Tradition gewordene Mitwirkung on von 1725 an zentraler Stelle mit ein. Im Zuge eines Knabenchores für den Choral «O Lamm dieser Aufführung fertigte Bach dann jene be- Gottes, unschuldig» geht hingegen auf die Auf- rühmte Partitur, die auch dank der für die Evan- führungspraxis des 19. Jahrhunderts zurück, als gelistenpartie verwendeten roten Tinte zum man nach Wegen suchte, die Ausführung der

11 Chorpartien durch die moderneren gemischten II. Vokalensembles mit dem Klangbild der baro- Dem monumentalen Einheitscharakter des Wer- cken Schulchöre zu vereinen. Dabei fühlten sich kes zum Trotz hat Bach auf seine Passion auch die Musikdirektoren der Romantik offenbar be- im Detail jede erdenkliche Sorgfalt angewandt. müssigt, Bachs noch immer weithin als unkirch- Dazu gehörte etwa die Entscheidung, die dop- lich und allzu naturalistisch angesehene Musik pelchörige Anlage nicht zum dominierenden durch die Einbeziehung von «unschuldigen» Prinzip der Klangregie zu machen. Bach spart Knabenstimmen gewissermassen zu «vergeistli- den effektvollen Gegensatz der geteilten Vokal- chen». Bachs Matthäuspassion tritt uns insofern ensembles für jene zentralen Stellen auf, bei de- heute als ein Gesamtkunstwerk gegenüber, in nen die dramatische Rede und Gegenrede für dem die konzeptionelle Arbeit des Komponisten den szenischen Realismus unverzichtbar ist – und die über viele Generationen hin gewachse- etwa den Eingangschor, bei dem die bangen Fra- ne Auseinandersetzung der Musiker und des gen des Chores II direkt auf die Aufforderung Publikums eine noch immer spannungsvolle des ersten Chores reagieren («Kommt, ihr Töch- Verbindung eingegangen sind. ter, helft mir klagen. Sehet! – Wen?»), oder für den «Blitze/Donner»-Chor, der zur Strafe für die Qual des Gottessohnes gewaltige Naturer- scheinungen heraufbeschwört. Dass in den meisten anderen Ensemblesätzen entweder bei- de Chöre in einem Quasi-Unisono vereinigt sind oder aber einzeln in Erscheinung treten, hat we- sentlich damit zu tun, dass mit den biblischen Akteuren und den späteren Mitempfindenden verschiedene Sphären gemeint sind. Der gross-

12 angelegte Eingangschor bringt dabei beide Di- wandelten Hörerwartung empfahl sich jedoch mensionen – die urchristliche Leidensgeschichte eine stärkere Individualisierung und Differen- und die spätere Reflexion – zugleich zum Klin- zierung. Dass Bach sämtliche Christusworte ari- gen und fügt damit der brutalen Passionshand- os vertonte und zusätzlich mit Streichern beglei- lung ein Moment der Distanzierung und Kritik tete, kann dabei als musikalische Lösung eines hinzu, das für die Wahrnehmung von Publikum theologischen Paradoxons verstanden werden: und Ausführenden bedeutsam gewesen sein Während Jesus bei Matthäus vor allem als (mit) dürfte. Dass der Satz zusätzlich noch als konzer- leidender Mensch erscheint, akzentuiert der tante Bearbeitung über «O Lamm Gottes, un- klingende Heiligenschein der Streicher seine schuldig» angelegt ist, versöhnt diese Gegensät- über allen Akteuren stehende Gottnatur. Eine le- ze durch die haltgebende Dimension des Cho- bendige Ausführung nach Massgabe des baro- rals und rechtfertigt sie im Kontext der cken Arsenals rhetorischer Figuren und Akzente lutherischen Kirchenliedtradition. vermag auch der Evangelistenpartie ihre ein- Von besonderer Ausdruckskraft sind Bachs komponierte Lebendigkeit zurückzugeben – Passionsrezitative. Angesichts der ausgedehn- nicht zufällig hiess es bereits in einer Konzertre- ten Erzählung – vertont sind immerhin zwei zension des Jahres 1847, diese Partie benötige vollständige Kapitel des Matthäusevangeliums «nicht nur einen gewandten, sondern auch ei- – bestand in diesem Bereich kompositorischer nen denkenden Sänger». Dass mit Mendels- Handlungsbedarf, sollte das Werk nicht in einer sohns Freund Eduard Devrient der Evangelist quälenden Wiederholung immergleicher For- der wegweisenden Wiederaufführung von 1829 meln erstarren. Die Choralpassionen des 16. und eigentlich ein Schauspieler war, der seine Partie 17. Jahrhunderts hatten sich diesem Dilemma mehr ausdrucksstark deklamierte als belcanto- durch die Verwendung der liturgischen Lekti- haft sang, erhält vor diesem Hintergrund einen onstöne entzogen; angesichts der nach 1700 ge- tieferen Sinn.

13 Die Einbeziehung von zwölf schlichten Choral- schichte mit Macht zu verändern. Der gerade sätzen mag mit dem Versuch zusammenhän- von den Chorälen, aber auch von Momenten gen, die gottesdienstliche Einbindung des Wer- wie den Zwischenrufen des Chores II «Lasst ihn! kes hervorzuheben und der Gemeinde Orientie- Haltet! Bindet nicht» verkörperte Dialog über rungspunkte in einer unüberschaubar langen die Handlungsebenen und Jahrhunderte hin- Komposition anzubieten. Doch fungieren diese weg erweist sich so als zeitlose Aufforderung exquisit harmonisierten Sätze zugleich als lei- zur Mitmenschlichkeit und aktiven Abwendung denschaftliche Kommentare zum Geschehen, von Leid, Not und Unrecht. Wie feinsinnig Bach die einen vorbildhaften Erkenntnisprozess be- derartige Entwicklungen nachzeichnet, zeigt schreiben, der mit dem in der früheren DDR ver- sich ebenfalls am Choralsatz «Ich will hier bei wendeten Begriff der «idealen Miterlebenden» dir stehen, verachte mich doch nicht!», der no- womöglich besser beschrieben ist, als es dessen tengetreu das vorangegangene «Erkenne mich, kirchenkritische Erfinder beabsichtigten. Wenn mein Hüter, mein Hirte, nimm mich an!» über- etwa die Choralisten auf Jesu Vorhersage, dass nimmt, dabei jedoch von E-Dur nach Es-Dur ge- ihn nach seiner Gefangennahme alle Jünger ver- rückt ist. Diese demonstrative «Erniedrigung» lassen würden, mit ihrem trotzig-flehentlichen um immerhin sieben Quinten kann nur mit der «Ich will hier bei dir stehen» antworten und die dazwischen stehenden Verleugnung des Petrus Verspottung und Misshandlung des Heilands und aller Jünger zusammenhängen – subtiler ein zorniges «Wer hat dich so geschlagen» pro- hätte Bach die diesem Geschehen gebührende voziert, das in die zerknirschte Erkenntnis «Ich, Demut und Scham kaum andeuten können. ich und meine Sünden» mündet, dann bricht Stets aufs Neue zu entdecken gilt es den lyri- sich hier das elementare Bedürfnis Bahn, in ein schen Grundton der Matthäuspassion. Dies be- trotz seiner heilsgeschichtlichen Bedeutung em- ginnt bei ihrem Eingangschor, der anders als das pörendes Geschehen einzugreifen und Ge- düster-majestätische Gotteslob «Herr, unser

14 Herrscher» der Johannespassion eine ergreifen- arie «Aus Liebe will mein Heiland sterben» de Trauerstimmung evoziert, und setzt sich fort diese Kernbotschaft auf unnachahmliche Weise in der Geduld und Ruhe, mit der Bach der Szene dem Gedächtnis ein. Und gewiss ist es diese in am Ölberg und überhaupt Jesu Empfindungen aller Entsagung königliche Haltung, die mehr und selbst seiner Verzagtheit Ausdruck verleiht. als die bei Bach zurückhaltend geschilderten Er- Dass – anders als der Adler des Johannes – das scheinungen nach dem Tod am Kreuz die Symbol des Evangelisten Matthäus der Mensch Kriegsknechte im Unisono beider Chöre blitzar- ist, haben Bach und Picander allenthalben auf tig begreifen lässt: «Wahrlich, dieser ist Gottes sensible Weise eingefangen. Es ist deshalb über- Sohn gewesen.» Wenn es überhaupt eine Stelle aus sinnfällig, dass der zweite Teil der Passion gäbe, die den Gehalt und die Qualität der ge- auf die Klage der gläubigen Seele («Ach, nun ist samten Passion zusammenfasst, dann könnten mein Jesus hin») mit einem Zitat aus dem Hohe- es diese zwei Takte von unbegreiflicher Schön- lied Salomonis antwortet («Wo ist denn dein heit sein. Das Werk mündet deshalb auch nicht Freund hingegangen, o du Schönste unter den wie die Johannespassion in Erleichterung über Weibern?»). Statt wie der kämpferische Christus das Ende des Leidens («Ruht wohl, ihr heiligen der Johannespassion inmitten der tobenden Gebeine»), sondern in einen schmerzerfüllten Menge um sein Recht, sein Leben und das Heil Tränenchor in c-Moll, der von den trauernden der Welt zu kämpfen, entwaffnet und bekehrt Jüngern des Neuen Testamentes über die Tho- der Jesus der Matthäuspassion seine Feinde maner der Bachzeit und die betroffenen Freunde durch sein edles Schweigen und seine grenzen- bei Mendelssohns Leipziger Totenfeier 1847 bis lose Liebe. Mit einer fragilen Bläserbesetzung zu den heutigen Musikern und Hörern alle mit aus Traversflöte und zwei Oboen da caccia aus- dem Werk Beschäftigten in ein gemeinschaftli- gestattet und ohne Basso-continuo-Stütze zu- ches Erleben einschliesst: «Wir setzen uns mit gleich haltlos wie schwebend, prägt die Sopran- Tränen nieder.»

15 anselm hartinger im gespräch mit rudolf lutz

Anselm Hartinger entierungslosen Fragerufe «Was?», «Wen?», du hast in der vorbereitung der aufführung die matt- «Wohin?» des Chores II im Eingangssatz). Na- häuspassion einmal als «mount everest» des bach- türlich ist die Passionsgeschichte ein besonders schen vokalwerkes bezeichnet. wie kommst du auf spannender und dankbarer Stoff. Dennoch hat dieses gewaltige bild? Bach gemeinsam mit seinem Textdichter Pican- der – meiner Meinung nach ein wirklich fähiger Rudolf Lutz Umsetzer der Bachschen Ideen – eine in jeder Zunächst einmal steht hinter diesem Werk ein Hinsicht ungewöhnliche Version vorgelegt, die gigantisches Konzept. Bach hat über Jahre hin- sensibel auf alle Entwicklungsstränge eingeht weg daran gearbeitet und die Idee der Zweichö- und trotzdem eine Einheitskonzeption von al- rigkeit immer mehr in den Mittelpunkt gerückt. lerhöchster Qualität verwirklicht. Ich kann Dabei geht es nicht nur um eine effektvolle durch meine zunehmende Erfahrung mit dem Klanganordnung, sondern um inhaltlich be- Bachschen Kantatenwerk mittlerweile recht gut stimmte Ebenen – die einzelnen Chöre stehen je- die ganz grossen von den auch mal kleineren weils für eine grössere Nähe oder Ferne zur bib- Gipfeln unterscheiden. Doch finde ich selbst lischen Handlung, sie sind unmittelbar Beteilig- nach diesem Kriterienraster kaum etwas an der te oder vom Geschehen und ihren Empfindungen Passion auszusetzen; ich könnte nicht einmal ein manchmal fast überforderte Betrachter (die ori- besonders gutes oder weniger gelungenes Stück

16 darin nennen. Diese souverän beibehaltene Stil- tur kommt mir dann vor wie ein perfektes Dreh- höhe beeindruckt mich sehr. buch, das ich als Regisseur bestmöglich zu in- szenieren habe: Wo muss ich warten und sozu- Anselm Hartinger sagen das Bild anhalten, wo kann ich mit dem das werk hat riesenhafte dimensionen. wie hält man Evangelisten energisch vorangehen, wo braucht über die lange dauer hinweg die nötige spannung bei es Zeit, um einer Empfindung ihren richtigen den mitwirkenden und dem publikum gegenüber auf- Ausdruck zu geben? Bach selbst hat sich ja auch recht? je nach der Situation mehr oder weniger viel Raum gegeben. Wenn es gelingt, sich so empa- Rudolf Lutz thisch auf das Werk einzulassen, wie Bach selbst Ich möchte das Bild vom Beginn noch einmal seiner Textvorlage vertraut hat, dann kann dies aufgreifen. Tatsächlich hat Bach uns mit der Pas- bei aller Anstrengung unendlich befriedigend sion auf eine Hochgebirgswanderung geschickt, sein. die einem wirklich alles abverlangt. Bach schreibt sozusagen nicht für Hobbybergsteiger, Anselm Hartinger sondern für erfahrene und konditionsstarke Al- wie schafft bach auf musikalische weise ordnung und pinisten. Das vorausgesetzt, ist der eigentliche zusammenhalt in der an nebensträngen und konträ- Weg durch seine Partitur jedoch bestens kartiert ren emotionen nicht eben armen passionshandlung? – wenn ich den einzelnen Visionen und Statio- nen der Musik folge, ist es gar nicht so schwer, Rudolf Lutz die Spannung aufrechtzuerhalten. Selbst das Dabei spielen neben der Verteilung auf verschie- Problem der scheinbaren Überlänge verschwin- dene Chöre wie so oft bei ihm Tonarten eine det, wenn man sich auf Bachs Timing einlässt wichtige Rolle. Bach kannte die Bibel genau, und und die richtigen Übergänge findet. Bachs Parti- er hatte präzise Vorstellungen, wie er eine be-

17 stimmte Szene oder Affektlage klanglich färben Anselm Hartinger oder auch eine Entwicklung hörbar machen was wollte bach mit der matthäuspassion erreichen konnte. Die Passion geht durch alle Tonarten – und zeigen, und was bedeutet diese einspielung für vom mitleidigen e-Moll des Eingangschores bis die bachstiftung und für dich persönlich? zum zerknirschten h-Moll des «Erbarme dich» verkörpern die Kreuztonarten oft eine bussferti- Rudolf Lutz ge Stimmung, während plötzliche Wechsel in Bach hat mit der Matthäuspassion zweifellos ein den Bereich der B-Tonarten einen affektmässi- ultimatives, gültiges Werk schaffen wollen. gen Umschwung bewirken – etwa, wenn die Wenn ich an die seinerzeitigen Aufführungsbe- Jünger plötzlich jedes Vertrauen in sich selbst dingungen denke, kann ich nur darüber stau- und ihre Nächsten verlieren («Herr, bin ich’s?»). nen, welche immensen Risiken er mit der B-Tonarten können jedoch auch weich und ent- mehrchörigen Grossbesetzung einging. Er hat rückt sein – wenn Bach das gewaltige Erdbeben für sich eine architektonische Vision der Passion nach Jesu Tod urplötzlich nach As-Dur wendet, entwickelt und sie dann gegen alle Schwierig- so beschreibt er einen schockartigen Erkenntnis- keiten kompromisslos durchgesetzt. prozess, der das Weltbild der am Kreuz versam- Die Auseinandersetzung mit der Matthäus- melten Hüter völlig umzuwälzen scheint passion ist ein Höhepunkt für die Stiftung und («Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen»). für mich als Aufführungsleiter. Ohne die Passi- Das finstere gis-Moll erscheint mir demgegen- on hätte es unser Bachprojekt vielleicht gar nicht über als regelrechte «Verräter-Tonart» – ein wei- gegeben. Die Idee dazu entstand schliesslich tes, spannendes Feld. Ob Bach konträren Affek- nach einer Chorfreizeit in den St. Galler Alpen, ten dann auch unterschiedliche Stilidiome – bei der wir vor vielen Jahren im tiefen Schnee etwa in den Chorsätzen – zuordnete, wäre mit Studenten der Basler Hochschule und enga- ebenfalls ein lohnendes Untersuchungsfeld. gierten Laiensängern Bachs Meisterwerk einstu-

18 dierten. Bei dieser Gelegenheit habe ich erstmals Konrad Hummlers Organisationstalent und sei- ne Begeisterung für Bach kennengelernt – eine für mich sehr wichtige Begegnung. Seitdem habe ich das Glück, mit herausragenden Musi- kern arbeiten zu können, die bereit und fähig sind, sich Monat für Monat auf das Abenteuer Bach einzulassen. Unser Evangelist Charles Da- niels etwa erklärte sich aufgrund einer Absage kurzfristig bereit, die gesamte Tenorpartie der Passion zu übernehmen – für ihn wie für uns eine enorme und bereichernde Herausforde- rung.

19 der gesamte vokale bach Arthur Godel

Die Matthäuspassion bildet zusammen mit der ten Mitteln finanzierte J. S. Bach-Stiftung St. Gal- h-Moll Messe das Herzstück der Bachschen Vo- len trägt das auf rund 25 Jahre Dauer angelegte kalmusik. Beide Werke gehören zum «Weltkul- Projekt. turerbe» und sind im Konzertleben gut veran- Seit Oktober 2006 wird in der Barockkirche kert. Wie aber steht es mit den über 200 Kanta- von Trogen, einem Appenzeller Dorf in der ten? Sie bilden einen eigenen musikalischen Nähe von St. Gallen, monatlich eine Kantate vor- Kosmos, der weder in die heutige Gottesdienst- gestellt. Die dafür entwickelte Form findet beim praxis noch in den Konzertsaal so richtig passt. Publikum, das aus der ganzen Schweiz und dem Nur die bekanntesten Stücke leuchten ab und zu benachbarten Ausland zu den Aufführungen auf. Wie kann dieses Kulturgut ersten Ranges anreist, grossen Anklang. In einer Einführung dennoch den Hörern von heute und vor allem stellen der Dirigent Rudolf Lutz und der Theolo- auch der kommenden Generation nahegebracht ge Karl Graf das Werk im lebendigen Dialog mit werden? Entscheidend bleibt das Konzerterleb- dem Publikum vor. Dabei zeigt Rudolf Lutz am nis. Der Musiker Rudolf Lutz und der Unterneh- Keyboard spielend und singend die musikali- mer Konrad Hummler haben sich zusammenge- schen Eigenheiten und lädt zum Mitsingen der funden, um Bachs gesamtes Vokalwerk – mit Choräle ein. Im Konzert wird die Kantate zwei- seinen über 200 Kantaten als Zentrum – in einer mal gespielt, zwischen den beiden Aufführun- Konzertreihe neu zu erschliessen. Die aus priva- gen steht eine Reflexion. Die Referentinnen und

20 Referenten, Persönlichkeiten aus Kultur, Wirt- jeweilige Kantate. Die vorwiegend jungen Musi- schaft und Politik, greifen einen Gedanken oder kerinnen und Musiker kommen aus der ganzen Aspekt der Kantate auf und denken ihn auf ihre Schweiz, aus Süddeutschland und Österreich Weise weiter. Die zweite Aufführung des Werks und bringen Erfahrung in historischer Auffüh- erhält vor dem Hintergrund dieser Reflexion rungspraxis mit. Die Besetzung ist wechselnd; je eine zusätzliche aktuelle Dimension. nach Werk wird der Chor mal grösser (bis zu Diese Musiker und Zuhörer gleichermassen zwanzig Stimmen), mal solistisch besetzt. Die inspirierende Abfolge wird vollumfänglich auf Solistinnen und Solisten, darunter bekannte Na- DVD dokumentiert. Pro Jahr werden zusätzlich men, stellen sich ihrerseits ganz in den Dienst ei- mehrere Kantaten auch auf CD veröffentlicht. ner auf Lebendigkeit und Werktreue abge- Die Texte der Reflexionen sind wenige Tage stimmten Gesamtleistung. nach dem Konzert erhältlich und werden so- wohl in gedruckter als auch elektronischer Form herausgegeben. Einen lebendigen Bach für die Hörer von heute auf der Basis historischer Erkenntnisse – das hat sich der musikalische Leiter Rudolf Lutz vorgenommen. Als Improvisationslehrer an der auf Alte Musik spezialisierten Schola Cantorum Basiliensis versteht er die Barockmusik und ihre Entstehung von innen, von ihrem Erfindungs- prozess her. An zwei Probentagen erarbeitet er jeden Monat zusammen mit dem speziell für diese Reihe zusammengestellten Ensemble die

21 22 biografien / biographies: www.bachstiftung.ch die künstler in dieser aufnahme / artists in this recording

Solisten Evangelist...... Charles Daniels Jesus...... Peter Harvey Sopran...... Joanne Lunn Alt...... Margot Oitzinger Tenor...... Charles Daniels Bass...... Wolf Matthias Friedrich

1. & 2. Magd...... Mirjam Berli, Susanne Frei Pilati Weib...... Guro Hjemli Pilatus...... Wolf Matthias Friedrich Zeugen...... Jan Börner, Walter Siegel Judas...... Philippe Rayot Petrus...... Manuel Walser 1. Hohepriester...... Chaspar Mani 2. Hohepriester...... Valentin Parli

...... Knabenkantorei Basel (Einstudierung: Markus Teutschbein)

biografien / biographies: www.bachstiftung.ch 23 Chor der J. S. Bach-Stiftung chor I: Sopran...... Lia Andres, Mirjam Berli, Susanne Frei, Noëmi Sohn, Noëmi Tran-Rediger Alt...... Jan Börner, Antonia Frey, Olivia Fündeling, Damaris Nussbaumer, ...... Susanne Rohn, Lea Scherer Tenor...... Raphael Höhn, Nicolas Savoy, Walter Siegel, Tobias Wicky Bass...... Valentin Parli, Oliver Rudin, Simon Saxer, Manuel Walser chor II: Sopran...... Leonie Gloor, Guro Hjemli, Mami Irisawa, Madeline Trösch, Alexa Vogel Alt...... Judith Flury, Katharina Jud, Simon Savoy, Aurelia Weiser Tenor...... Marcel Fässler, Manuel Gerber, Matthias Lüdi Bass...... Michael Blume, Matthias Ebner, Chasper Mani, Philippe Rayot

Orchester der J. S. Bach-Stiftung orchester I: 1. Violine...... Renate Steinmann, Christine Baumann, Sabine Hochstrasser, Ildiko Sajgo 2. Violine...... Martin Korrodi, Petra Melicharek, Christoph Rudolf, Salome Zimmermann Viola...... Susanna Hefti, Emmanuel Carron, Xiao Ma Violoncello...... Maya Amrein, Claire Pottinger Violone...... Iris Finkbeiner Fagott...... Susanne Landert Oboe, Oboe d’amore, Oboe da caccia...... Kerstin Kramp, Andreas Helm Traversflöten...... Claire Genewein, Renate Sudhaus

24 biografien / biographies: www.bachstiftung.ch Flauto dolce...... Armelle Plantier, Gaelle Richeux Viola da gamba...... Martin Zeller Cembalo...... Thomas Leininger Orgel...... Norbert Zeilberger orchester II: 1. Violine...... Monika Baer, Alessia Menin, Olivia Schenkel 2. Violine...... Mechthild Karkow, Simone Flück, Eveleen Olsen Viola...... Martina Bischof, Matthias Jäggi, Emily Yaffe Violoncello...... Martin Zeller, Hristo Kouzmanov Violone...... Markus Bernhard Fagott...... Dorothy Mosher Oboe, Oboe d’amore...... Ingo Müller, Dominik Melicharek Traversflöten...... Maria Mittermayr, Keiko Kinoshita Viola da gamba...... Martin Zeller Cembalo...... Thomas Leininger Orgel...... Norbert Zeilberger

Leitung ...... Rudolf Lutz

biografien / biographies: www.bachstiftung.ch 25 Rudolf Lutz – künstlerische Leitung Folia» in Rougemont und am Orpheus-Institut Rudolf Lutz, geboren 1951, ist Dozent für Im- in Gent. provisation an der Hochschule für Alte Musik Im Herbst 2007 hat er an einer vom Bach-Ar- – Schola Cantorum Basiliensis und für General- chiv Leipzig organisierten Tagung «Felix Men- bass an der Hochschule für Musik Basel. Zu- delssohn Bartholdy und die europäische Orgel- dem unterrichtete er von 1998 bis 2008 das Fach landschaft seiner Zeit» als Dozent und Improvi- Oratorienkunde an der Hochschule Zürich. In sator teilgenommen. Bereits mehrmals wurde er St. Gallen ist Rudolf Lutz seit 1973 Organist der zur Ansbacher Bachwoche als Interpret und Im- evangelischen Stadtkirche St. Laurenzen. Er lei- provisator eingeladen. In enger Kooperation mit tete zwischen 1986 und 2008 den Bach-Chor dem DRS-2-Kulturclub wurden literarisch-mu- und stand dem St. Galler Kammerensemble sikalische Projekte und liturgische Tagungen re- 1986 bis 2010 vor. In Konzerten und Work- alisiert. Im Jahr 2006 erhielt Rudolf Lutz den shops ist er ein gefragter Spezialist für histori- Kulturpreis des Kantons St. Gallen. sche Improvisationspraxis. Ausserdem ist er Rudolf Lutz wurde 2006 zum künstlerischen regelmässig als Klavierbegleiter, Cembalist Leiter der J. S. Bach-Stiftung, St. Gallen berufen. und Komponist tätig. Im Jahr 2002 wurde sein Im Hinblick auf die geplante Gesamtaufführung viel beachtetes Oratorium «An English Christ- von Bachs Vokalwerk hat Rudolf Lutz in Zu- mas» in der St. Laurenzenkirche uraufgeführt. sammenarbeit mit anderen Musikern den Chor Rudolf Lutz gibt zahlreiche Konzerte und refe- und das Orchester der J. S. Bach-Stiftung sowie riert an internationalen Kongressen über Im- ein ständiges Ensemble von Solisten aufgebaut. provisation und Aufführungspraxis. So ist er regelmässiger Gastdozent und Konzertimpro- Joanne Lunn – Sopran visator am Conservatoire national supérieur Joanne Lunn studierte am Royal College of Mu- musique et danse in Lyon, am Festival «La sic in London und gewann dort die renommierte

26 biografien / biographies: www.bachstiftung.ch Tagore-Goldmedaille. Als Solistin konzertiert Ihre Discografie umfasst Vivaldis «Laudate Pue- sie regelmässig mit Ensembles wie den English ri» mit The King’s Consort, Haydns Messen mit Baroque Soloists, der Akademie of Ancient Mu- Sir John Eliot Gardiner und dem Monteverdi sic, dem Hilliard Ensemble, Philipp Herreweg- Choir, John Rutters «Mass of the Children» mit hes Collegium Vocale Gent, dem King’s Consort der City of London Sinfonia und Sir John Eliot oder dem Gabrieli Consort. Auch war sie unter Gardiners Bach-Kantaten-Zyklus. anderem oft gehörter Gast in der «Bach Cantata Pilgrimage» von Sir John Eliot Gardiner und Margot Oitzinger – Alt dem Monteverdi Choir. Ihr Operndebüt gab Jo- Margot Oitzinger wurde in Graz geboren und anne Lunn an der English National Opera in studierte Sologesang an der Universität für Mu- Monteverdis «L’Incoronazione di Poppea» un- sik und darstellende Kunst in Graz. Sie absol- ter Harry Christophers. Sie sang in Venedig die vierte Meisterkurse bei Emma Kirkby und Peter Helena in Brittens «A Midsummer Night’s Kooij. Sie ist Preisträgerin des Internationalen Dream» unter Sir John Eliot Gardiner und wirk- Johann-Sebastian-Bach-Wettbewerbes in Leip- te in Paris und Peking in Jonathan Millers Insze- zig 2008 und des Internationalen Barockge- nierung von Monteverdis «Orfeo» unter der Lei- sangswettbewerbs in Chimay (Belgien) 2006. tung von Philip Pickett mit. Im Rahmen von ora- Ihr Repertoire reicht von den Werken Bachs torischen Partien von Bach, Händel und Haydn und Händels mit Schwerpunkt auf Oratorium arbeitet sie mit Dirigenten wie Roger Norring- über Mozart und Haydn bis zur Romantik und ton, Frieder Bernius, Marc Minkowski und Ma- Moderne. Sie war bislang mit Orchestern und saaki Suzuki und gastierte z. B. bei den Händel- Ensembles wie dem Collegium Vocale Gent, festspielen in Göttingen und Halle, bei den Concerto Copenhagen, dem L’Orfeo Barockor- Proms der BBC in London und den Salzburger chester, Sette voci, dem Dunedin Consort and Festspielen. Players, der Wiener Akademie oder Le Concert

biografien / biographies: www.bachstiftung.ch 27 Lorrain zu hören. Neben zahlreichen Chanson- Charles Daniels war 2012 erstmals bei einem und Liederabenden, Festival delle Crete Senesi Konzert der J. S. Bach-Stiftung zu hören. Sein Re- unter Philippe Herreweghe (Brahms) war sie pertoire, das sich über mehr als 1000 Jahre auch vor allem in Barockopernpartien in der Musikgeschichte spannt, wird in zahlreichen Kammeroper Graz, Kammeroper Wien, bei den Aufnahmen dokumentiert. Dazu gehören mehr Donaufestwochen auf Schloss Greinburg und als 20 Aufnahmen mit Musik von Purcell, vor- der Styriarte zu sehen. rangig mit The King’s Consort sowie CDs mit Werken von Händel, Schütz, Haydn und Bach. Charles Daniels – Evangelist, Tenor Der englische Tenor Charles Daniels studierte am Peter Harvey – Jesus King’s College, Cambridge, sowie am Royal Col- Peter Harvey studierte am Magdalen College lege of Music. Zu den Höhepunkten seiner Lauf- in Oxford und an der Guildhall School of Music bahn zählen Luigi Nonos «Canti di Vita e Amo- and Drama in London. Im Mittelpunkt seines re» (Edinburgh International Festival), Montever- Repertoires steht die Barockmusik. Er trat un- dis «Vesper» mit dem Gabrieli Consort und Paul ter anderem mit Harry Christophers und The McCreesh und Händels «Messias» mit Nikolaus Sixteen, Christopher Hogwood und der Acade- Harnoncourt im Musikverein Wien. my of Ancient Music, Sir John Eliot Gardiner Seine solistische Tätigkeit als Konzertsänger und den English Baroque Soloists, Gérard umfasst die Zusammenarbeit mit renommier- Lesne und Il Seminario Musicale, dem Orches- ten Ensembles, der Niederländischen Bach-Ge- tra of the Age of Enlightenment und dem Gab- sellschaft, verschiedenen Originalklang- und rieli Consort auf. philharmonischen Orchestern. Diverse Opern- Er trat in Bachs Matthäuspassion und Johan- auftritte, zuletzt beim Festival in Aix-en-Pro- nes-Passion sowie in Schuberts Es-Dur-Messe vence. sowie zahlreichen Bach-Kantaten auf. Im Ver-

28 biografien / biographies: www.bachstiftung.ch laufe von Gardiners «Bach Cantata Pilgrimage» Mendelssohn Bartholdy in Leipzig. 1980 war er (2000) absolvierte er allein siebzig Liveauftritte. Preisträger des Dvorák-Wettbewerbs. Daneben singt Harvey auch Werke zeitgenössi- Verpflichtungen unter Dirigenten wie Kurt scher Komponisten. So trat er als St. John in einer Masur, Fabio Luisi, Marek Janowski, Rafael Fernsehaufführung von John Taveners «The Cry Frühbeck de Burgos, Michel Corboz, Roy Good- of the Ikon» auf. 2007 unternahm er eine USA- man, Howard Arman, Jan Willem de Vriend Tournee mit der Netherlands Bach Society und und vielen anderen führten ihn in Opern- und absolvierte eine Reihe von Aufführungen von Konzerthäuser aller Kontinente. Gabriel Faurés Requiem mit dem Ensemble Vo- Ausserdem wirkte er an zahlreichen Ur- und cal de Lausanne unter Michel Corboz in Japan. Erstaufführungen von Werken zeitgenössischer Mit Roger Vignoles führte er bei den Festivals Komponisten mit, wie bei Zimmermanns «Weis- von Cambridge und Lugo Schuberts «Winterrei- ser Rose» und Shihs «Vatermord». Weit über 50 se» auf. Rundfunk-, CD- sowie DVD-Produktionen zeu- Harvey hat mehr als 80 Alben aufgenom- gen von seiner grossen Variabilität, die von der men, darunter die Bach-Passionen und zahlrei- Musik des Frühbarocks bis zur Moderne reicht. che seiner Kantaten, Kantaten von Buxtehude, Seit dem Studium nimmt die Musik Händels Motetten von Lully und Rameau, Faurés und eine besondere Stellung in Wolf Matthias Fried- Mozarts Requiem sowie geistliche Musik von richs Schaffen ein. Neben den Opern (u. a. «Dei- Monteverdi. Er unterrichtet als Gastprofessor damia», «Semele», «Orlando» und «Admeto») am Royal College of Music in London. sind die Oratorien einer seiner Schwerpunkte.

Wolf Matthias Friedrich – Bass Knabenkantorei Basel Wolf Matthias Friedrich studierte Gesang bei Die Knabenkantorei Basel ist aus den 1927 ge- Eva Schubert an der Hochschule für Musik Felix gründeten «Singknaben der evangelisch-refor-

biografien / biographies: www.bachstiftung.ch 29 mierten Kirche Basel-Stadt» hervorgegangen. Seit 2007 steht die Knabenkantorei unter der Heute ist der Chor konfessionell neutral, gesun- musikalischen Leitung von Markus Teutsch- gen werden geistliche und weltliche Werke. Be- bein. Er hat an den Musikhochschulen in Ros- reits 1938 wirkte der Chor in der Uraufführung tock, Stuttgart und Weimar studiert. Diverse En- von Arthur Honeggers «Jeanne d’Arc au bûcher» gagements als Dirigent, Zusammenarbeiten mit in Basel unter Paul Sacher mit. Ensembles sowie Meisterkurse und Hospitatio- Die Knabenkantorei besteht aus den Chor- nen runden sein Profil ab. gruppen Vorkurs, Grundkurs und Konzertchor. Der Chor setzt sich aus rund 45 Knaben- sowie 35 Männerstimmen zusammen. Die Männer- stimmen sind in der Regel ehemalige Knaben- stimmen, die auf eine langjährige Chorerfah- rung zurückblicken können. Die Knabenkanto- rei ist bisher in Frankreich, Belgien, Holland, England, Deutschland, Polen, Russland (St. Pe- tersburg), USA (New York, Philadelphia), Süd- afrika, Brasilien und Ungarn (Budapest, Pan- non-halma) aufgetreten. Daneben hat der Chor auf Einladung an bedeutenden Musikfestivals teilgenommen. Die A-cappella-Literatur reicht von der Renaissance bis zur Moderne. Schwer- punkte bilden die Aufführungen von Oratorien, Messen und Kantaten von Bach, Händel, Haydn, Mozart, Mendelssohn, Britten, Bernstein.

30 biografien / biographies: www.bachstiftung.ch 31 MATTH Evangelist (tenor) Jesus (bass) AUSPAS Judas (bass) SION Petrus (bass) ERSTER 01 1. Chor Kommt, ihr Töchter, helft mir klagen, TEIL sehet – Wen? – den Bräutigam, seht ihn – Wie? – als wie ein Lamm. CD 1 O Lamm Gottes, unschuldig am Stamm des Kreuzes geschlachtet, BWV 244 Sehet, – Was? – seht die Geduld, Figuralmusik zur Karfreitagsvesper allzeit erfunden geduldig, wiewohl du warest verachtet. Textvorlage seht – wohin? – auf unsre Schuld; Matthäus 26/27, Christian Friedrich Henrici All Sünd hast du getragen, (Picander), (1531), Johann sonst müssten wir verzagen. Heermann (1630), Paul Gerhard (1647 und Sehet ihn aus Lieb und Huld 1656), Albrecht von Preussen (1547), Sebald Holz zum Kreuze selber tragen. Heyden (1525) Erbarm dich unser, o Jesu!

Erste Aufführung 02 2. Rezitativ (tenor, bass) Frühfassungen Leipzig 1727(?)/1729; evangelist: Spätere Fassung Leipzig 1736 Da Jesus diese Rede vollendet hatte, sprach er

32 zu seinen Jüngern: Simonis des Aussätzigen, trat zu ihm ein Weib, jesus: die hatte ein Glas mit köstlichem Wasser und Ihr wisset, dass nach zweien Tagen Ostern goss es auf sein Haupt, da er zu Tische sass. Da wird, und des Menschen Sohn wird überant- das seine Jünger sahen, wurden sie unwillig wortet werden, dass er gekreuziget werde. und sprachen: chor: 03 3. Choral Wozu dienet dieser Unrat? Dieses Wasser hätte Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen, mögen teuer verkauft und den Armen gegeben dass man ein solch scharf Urteil hat gesprochen, werden. was ist die Schuld, in was für Missetaten evangelist: bist du geraten? Da das Jesus merkete, sprach er zu ihnen: jesus: 04 4. Rezitativ (tenor, bass) und Chor Was bekümmert ihr das Weib? Sie hat ein gut evangelist: Werk an mir getan. Ihr habet allezeit Armen Da versammleten sich die Hohenpriester und bei euch, mich aber habt ihr nicht allezeit. Dass Schriftgelehrten und die Ältesten im Volk in den sie dies Wasser hat auf meinen Leib gegossen, Palast des Hohenpriesters, der da hiess Kaiphas, hat sie getan, dass man mich begraben wird. und hielten Rat, wie sie Jesum mit Listen griffen Wahrlich, ich sage euch: Wo dies Evangelium und töteten. Sie sprachen aber: geprediget wird in der ganzen Welt, da wird chor: man auch sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie Ja nicht auf das Fest, auf dass nicht ein Aufruhr getan hat. werde im Volk. evangelist: 05 5. Rezitativ (alt) Da nun Jesus war zu Bethanien, im Hause Du lieber Heiland du,

33 wenn deine Jünger töricht streiten, evangelist: dass dieses fromme Weib Und sie boten ihm dreissig Silberlinge. Und mit Salben deinen Leib von dem an suchte er Gelegenheit, dass er ihn zum Grabe will bereiten, verriete. so lasse mir inzwischen zu, von meiner Augen Tränenflüssen 08 8. Arie (sopran) ein Wasser auf dein Haupt zu giessen. Blute nur, du liebes Herz! Ach! ein Kind, das du erzogen, 06 6. Arie (alt) das an deiner Brust gesogen, Buss und Reu droht den Pfleger zu ermorden, knirscht das Sündenherz entzwei, denn es ist zur Schlange worden. dass die Tropfen meiner Zähren angenehme Spezerei, 09 9. Rezitativ (tenor, bass) und Chor treuer Jesu, dir gebären. evangelist: Aber am ersten Tage der süssen Brot traten die 07 7. Rezitativ (tenor, bass) Jünger zu Jesu und sprachen zu ihm: evangelist: chor: Da ging hin der Zwölfen einer, mit Namen Wo willst du, dass wir dir bereiten, das Judas Ischarioth, zu den Hohenpriestern und Osterlamm zu essen? sprach: evangelist: judas: Er sprach: Was wollt ihr mir geben? Ich will ihn euch jesus: verraten. Gehet hin in die Stadt zu einem und sprecht zu ihm: Der Meister lässt dir sagen: Meine Zeit

34 ist hier, ich will bei dir die Ostern halten mit 11 11. Rezitativ (tenor, bass) meinen Jüngern. evangelist: evangelist: Er antwortete und sprach: Und die Jünger täten, wie ihnen Jesus befohlen jesus: hatte, und bereiteten das Osterlamm. Und am Der mit der Hand mit mir in die Schüssel tau- Abend satzte er sich zu Tische mit den Zwölfen. chet, der wird mich verraten. Des Menschen Und da sie assen, sprach er: Sohn gehet zwar dahin, wie von ihm geschrie- jesus: ben stehet; doch wehe dem Menschen, durch Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird welchen des Menschen Sohn verraten wird! mich verraten. Es wäre ihm besser, dass derselbige Mensch evangelist: noch nie geboren wäre. Und sie wurden sehr betrübt und huben an, ein evangelist: jeglicher unter ihnen, und sagten zu ihm: Da antwortete Judas, der ihn verriet, und sprach: chor: judas: Herr, bin ich’s? Bin ich’s, Rabbi? evangelist: 10 10. Choral Er sprach zu ihm: Ich bins, ich sollte büssen, jesus: an Händen und an Füssen Du sagest’s. gebunden in der Höll. evangelist: Die Geisseln und die Banden Da sie aber assen, nahm Jesus das Brot, dankete und was du ausgestanden, und brach’s und gab’s den Jüngern und sprach: das hat verdienet meine Seel. jesus: Nehmet, esset, das ist mein Leib.

35 evangelist: senke dich, mein Heil, hinein! Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen Ich will mich in dir versenken; den und sprach: ist dir gleich die Welt zu klein, jesus: ei, so sollst du mir allein Trinket alle daraus; das ist mein Blut des neuen mehr als Welt und Himmel sein. Testaments, welches vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden. Ich sage euch: 14 14. Rezitativ (tenor, bass) Ich werde von nun an nicht mehr von diesem evangelist: Gewächs des Weinstocks trinken bis an den Und da sie den Lobgesang gesprochen hatten, Tag, da ich’s neu trinken werde mit euch in gingen sie hinaus an den Ölberg. Da sprach Je- meines Vaters Reich. sus zu ihnen: jesus: 12 12. Rezitativ (sopran) In dieser Nacht werdet ihr euch alle ärgern an Wiewohl mein Herz in Tränen schwimmt, mir; denn es stehet geschrieben: Ich werde den dass Jesus von mir Abschied nimmt, Hirten schlagen, und die Schafe der Herde so macht mich doch sein Testament erfreut: werden sich zerstreuen. Wenn ich aber aufer- Sein Fleisch und Blut, o Kostbarkeit, stehe, will ich vor euch hingehen in Galiläam. vermacht er mir in meine Hände. Wie er es auf der Welt mit denen Seinen 15 15. Choral nicht böse können meinen, Erkenne mich, mein Hüter, so liebt er sie bis an das Ende. mein Hirte, nimm mich an! Von dir, Quell aller Güter, 13 13. Arie (sopran) ist mir viel Guts getan. Ich will dir mein Herze schenken, Dein Mund hat mich gelabet

36 mit Milch und süsser Kost, 17 17. Choral dein Geist hat mich begabet Ich will hier bei dir stehen; mit mancher Himmelslust. verachte mich doch nicht! Von dir will ich nicht gehen, 16 16. Rezitativ (tenor, bass) wenn dir dein Herze bricht. evangelist: Wenn dein Herz wird erblassen Petrus aber antwortete und sprach zu ihm: im letzten Todesstoss, petrus: alsdenn will ich dich fassen Wenn sie auch alle sich an dir ärgerten, so will in meinen Arm und Schoss. ich doch mich nimmermehr ärgern. evangelist: 18 18. Rezitativ (tenor, bass) Jesus sprach zu ihm: evangelist: jesus: Da kam Jesus mit ihnen zu einem Hofe, der hiess Wahrlich, ich sage dir: Gethsemane, und sprach zu seinen Jüngern: In dieser Nacht, ehe der Hahn krähet, wirst du jesus: mich dreimal verleugnen. Setzet euch hie, bis dass ich dort hingehe und evangelist: bete. Petrus sprach zu ihm: evangelist: petrus: Und nahm zu sich Petrum und die zween Söhne Und wenn ich mit dir sterben müsste, so will Zebedäi und fing an zu trauern und zu zagen. ich dich nicht verleugnen. Da sprach Jesus zu ihnen: evangelist: jesus: Desgleichen sagten auch alle Jünger. Meine Seele ist betrübt bis an den Tod, bleibet hie und wachet mit mir.

37 19 19. Rezitativ (tenor) und Choral 20 20. Arie (tenor) und Chor tenor: tenor: O Schmerz! Hier zittert das gequälte Herz; Ich will bei meinem Jesu wachen, wie sinkt es hin, wie bleicht sein Angesicht! chor: chor: so schlafen unsre Sünden ein. Was ist die Ursach aller solcher Plagen? tenor: tenor: Meinen Tod Der Richter führt ihn vor Gericht. Da ist kein büsset seine Seelennot; Trost, kein Helfer nicht. sein Trauren machet mich voll Freuden. chor: chor: Ach! meine Sünden haben dich geschlagen; Drum muss uns sein verdienstlich Leiden tenor: recht bitter und doch süsse sein. Er leidet alle Höllenqualen, er soll vor fremden Raub bezahlen. 21 21. Rezitativ (tenor, bass) chor: evangelist: Ich, ach Herr Jesu, habe dies verschuldet, Und ging hin ein wenig, fiel nieder auf sein was du erduldet. Angesicht und betete und sprach: tenor: jesus: Ach, könnte meine Liebe dir, mein Heil, dein Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch Zittern und dein Zagen vermindern oder helfen von mir; doch nicht wie ich will, sondern wie du tragen, wie gerne blieb ich hier! willt.

22 22. Rezitativ (bass) Der Heiland fällt vor seinem Vater nieder;

38 dadurch erhebt er mich und alle jesus: von unserm Falle Könnet ihr denn nicht eine Stunde mit mir wa- hinauf zu Gottes Gnade wieder. chen? Wachet und betet, dass ihr nicht in Er ist bereit, Anfechtung fallet! Der Geist ist willig, aber den Kelch, des Todes Bitterkeit das Fleisch ist schwach. zu trinken, evangelist: in welchen Sünden dieser Welt Zum andernmal ging er hin, betete und sprach: gegossen sind und hässlich stinken, jesus: weil es dem lieben Gott gefällt. Mein Vater, ist’s nicht möglich, dass dieser Kelch von mir gehe, ich trinke ihn denn, so 23 23. Arie (bass) geschehe dein Wille. Gerne will ich mich bequemen, Kreuz und Becher anzunehmen, 25 25. Choral trink ich doch dem Heiland nach. Was mein Gott will, das g’scheh allzeit, Denn sein Mund, sein Will, der ist der beste, der mit Milch und Honig fliesset, zu helfen den’n, er ist bereit, hat den Grund die an ihn gläuben feste. und des Leidens herbe Schmach Er hilft aus Not, der fromme Gott, durch den ersten Trunk versüsset. und züchtiget mit Massen. Wer Gott vertraut, fest auf ihn baut, 24 24. Rezitativ (tenor, bass) den will er nicht verlassen. evangelist: Und er kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend und sprach zu ihnen:

39 26 26. Rezitativ (tenor, bass) evangelist: evangelist: Und küssete ihn. Jesus aber sprach zu ihm: Und er kam und fand sie aber schlafend, und jesus: ihre Augen waren voll Schlafs. Und er liess sie Mein Freund, warum bist du kommen? und ging abermal hin und betete zum dritten- evangelist: mal und redete dieselbigen Worte. Da kam er Da traten sie hinzu und legten die Hände an zu seinen Jüngern und sprach zu ihnen: Jesum und griffen ihn. jesus: Ach! Wollt ihr nun schlafen und ruhen? Siehe, 27 27. Arie (sopran, alt) und Chor die Stunde ist hie, dass des Menschen Sohn in sopran, alt: der Sünder Hände überantwortet wird. Stehet So ist mein Jesus nun gefangen. auf, lasset uns gehen; siehe, er ist da, der mich chor: verrät. Lasst ihn, haltet, bindet nicht! evangelist: sopran, alt: Und als er noch redete, siehe, da kam Judas, Mond und Licht der Zwölfen einer, und mit ihm eine grosse ist vor Schmerzen untergangen, Schar, mit Schwertern und mit Stangen, von weil mein Jesus ist gefangen. den Hohenpriestern und Ältesten des Volks. chor: Und der Verräter hatte ihnen ein Zeichen gege- Lasst ihn, haltet, bindet nicht! ben und gesagt: «Welchen ich küssen werde, sopran, alt: der ist’s, den greifet!» Und alsbald trat er zu Jesu Sie führen ihn, er ist gebunden. und sprach: chor: judas: Sind Blitze, sind Donner in Wolken verschwun- Gegrüsset seist du, Rabbi! den?

40 Eröffne den feurigen Abgrund, o Hölle, bin ich doch täglich bei euch gesessen und zertrümmre, verderbe, verschlinge, habe gelehret im Tempel, und ihr habt mich zerschelle nicht gegriffen. Aber das ist alles geschehen, mit plötzlicher Wut dass erfüllet würden die Schriften der Propheten. den falschen Verräter, das mördrische Blut! evangelist: Da verliessen ihn alle Jünger und flohen. 28 28. Rezitativ (tenor, bass) evangelist: 29 29. Choral Und siehe, einer aus denen, die mit Jesu waren, O Mensch, bewein dein Sünde gross, reckete die Hand aus und schlug des Hohen- darum Christus seins Vaters Schoss priesters Knecht und hieb ihm ein Ohr ab. Da äussert und kam auf Erden; sprach Jesus zu ihm: von einer Jungfrau rein und zart jesus: für uns er hie geboren ward, Stecke dein Schwert an seinen Ort; denn wer das er wollt der Mittler werden. Schwert nimmt, der soll durchs Schwert um- Den Toten er das Leben gab kommen. Oder meinest du, dass ich nicht könnte und legt darbei all Krankheit ab, meinen Vater bitten, dass er mir zuschickte bis sich die Zeit herdrange, mehr denn zwölf Legion Engel? Wie würde aber dass er für uns geopfert würd, die Schrift erfüllet? Es muss also gehen. trüg unsrer Sünden schwere Bürd evangelist: wohl an dem Kreuze lange. Zu der Stund sprach Jesus zu den Scharen: jesus: Ihr seid ausgegangen als zu einem Mörder, mit Schwerten und mit Stangen, mich zu fahen;

41 MATTH Evangelist (tenor) Jesus (bass) AUSPAS 1. & 2. Magd (sopran) Pilati Weib (sopran) SION Pilatus (bass) ZWEITER Zeugen (alt, tenor) Judas (bass) TEIL Petrus (bass) 1. & 2. Hohepriester (bass) CD 2 01 30. Arie (alt) und Chor alt: BWV 244 Ach! nun ist mein Jesus hin! Figuralmusik zur Karfreitagsvesper chor: Wo ist denn dein Freund hingegangen, Textvorlage o du Schönste unter den Weibern? Matthäus 26/27, Christian Friedrich Henrici alt: (Picander), Christian Keymann (1658), Adam Ist es möglich, kann ich schauen? Reusner (1533), Paul Gerhard (1653), Johann chor: Rist (1642) Wo hat sich dein Freund hingewandt? alt: Erste Aufführung Ach! mein Lamm in Tigerklauen. Frühfassungen Leipzig 1727(?)/1729; Ach! wo ist mein Jesus hin? Spätere Fassung Leipzig 1736

42 chor: Herr, nimm mein wahr in dieser G’fahr, So wollen wir mit dir ihn suchen. b’hüt mich für falschen Tücken! alt: Ach! was soll ich der Seele sagen, 04 33. Rezitativ (tenor, alt, bass) wenn sie mich wird ängstlich fragen? evangelist: Ach! wo ist mein Jesus hin? Und wiewohl viel falsche Zeugen herzutraten, funden sie doch keins. Zuletzt traten herzu zween 02 31. Rezitativ (tenor) falsche Zeugen und sprachen: evangelist: zeugen: Die aber Jesum gegriffen hatten, führeten ihn Er hat gesagt: Ich kann den Tempel Gottes ab- zu dem Hohenpriester Kaiphas, dahin die brechen und in dreien Tagen denselben bauen. Schriftgelehrten und Ältesten sich versammlet evangelist: hatten. Petrus aber folgete ihm nach von ferne Und der Hohepriester stund auf und sprach zu bis in den Palast des Hohenpriesters und ging ihm: hinein und satzte sich bei die Knechte, auf dass hohepriester: er sähe, wo es hinaus wollte. Die Hohenpriester Antwortest du nichts zu dem, das diese wider aber und Ältesten und der ganze Rat suchten dich zeugen? falsche Zeugnis wider Jesum, auf dass sie ihn evangelist: töteten, und funden keines. Aber Jesus schwieg stille.

03 32. Choral 05 34. Rezitativ (tenor) Mir hat die Welt trüglich gericht’ Mein Jesus schweigt mit Lügen und mit falschem G’dicht, zu falschen Lügen stille, viel Netz und heimlich Stricke. um uns damit zu zeigen,

43 dass sein Erbarmens voller Wille jesus: vor uns zum Leiden sei geneigt, Du sagest’s. Doch sage ich euch: von nun an und dass wir in dergleichen Pein wird’s geschehen, dass ihr sehen werdet des ihm sollen ähnlich sein Menschen Sohn sitzen zur Rechten der Kraft und in Verfolgung stille schweigen. und kommen in den Wolken des Himmels. evangelist: 06 35. Arie (tenor) Da zerriss der Hohepriester seine Kleider und Geduld! sprach: Wenn mich falsche Zungen stechen. hohepriester: Leid ich wider meine Schuld Er hat Gott gelästert; was dürfen wir weiter Schimpf und Spott, Zeugnis? Siehe, itzt habt ihr seine Gottesläste- ei, so mag der liebe Gott rung gehöret. Was dünket euch? meines Herzens Unschuld rächen. evangelist: Sie antworteten und sprachen: 07 36. Rezitativ (tenor, bass) und Chor chor: evangelist: Er ist des Todes schuldig! Und der Hohepriester antwortete und sprach evangelist: zu ihm: Da speieten sie aus in sein Angesicht und schlu- hohepriester: gen ihn mit Fäusten. Etliche aber schlugen ihn Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, ins Angesicht und sprachen: dass du uns sagest, ob du seiest Christus, der chor: Sohn Gottes? Weissage uns, Christe, wer ist’s, evangelist: der dich schlug? Jesus sprach zu ihm:

44 08 37. Choral evangelist: Wer hat dich so geschlagen, Und er leugnete abermal und schwur dazu: mein Heil, und dich mit Plagen petrus: so übel zugericht’? Ich kenne des Menschen nicht. Du bist ja nicht ein Sünder evangelist: wie wir und unsre Kinder; Und über eine kleine Weile traten hinzu, die da von Missetaten weisst du nicht. stunden, und sprachen zu Petro: chor: 09 38. Rezitativ (tenor, sopran, bass) und Chor Wahrlich, du bist auch einer von denen; denn evangelist: deine Sprache verrät dich. Petrus aber sass draussen im Palast; und es trat evangelist: zu ihm eine Magd und sprach: Da hub er an, sich zu verfluchen und zu 1. magd: schwören: Und du warest auch mit dem Jesu aus Galiläa. petrus: evangelist: Ich kenne des Menschen nicht. Er leugnete aber vor ihnen allen und sprach: evangelist: petrus: Und alsbald krähete der Hahn. Da dachte Petrus Ich weiss nicht, was du sagest. an die Worte Jesu, da er zu ihm sagte: Ehe der evangelist: Hahn krähen wird, wirst du mich dreimal ver- Als er aber zur Tür hinausging, sahe ihn eine leugnen. Und ging heraus und weinete bitterlich. andere und sprach zu denen, die da waren: 2. magd: 10 39. Arie (alt) Dieser war auch mit dem Jesu von Nazareth. Erbarme dich, mein Gott, um meiner Zähren willen!

45 Schaue hier, und Ältesten und sprach: Herz und Auge weint vor dir judas: bitterlich. Ich habe übel getan, dass ich unschuldig Blut verraten habe. 11 40. Choral evangelist: Bin ich gleich von dir gewichen, Sie sprachen: stell ich mich doch wieder ein; chor: hat uns doch dein Sohn verglichen Was gehet uns das an? Da siehe du zu! durch sein’ Angst und Todespein. evangelist: Ich verleugne nicht die Schuld; Und er warf die Silberlinge in den Tempel, hub aber deine Gnad und Huld sich davon, ging hin und erhängete sich selbst. ist viel grösser als die Sünde, Aber die Hohenpriester nahmen die Silberlinge die ich stets in mir befinde. und sprachen: hohepriester: 12 41. Rezitativ (tenor, bass) und Chor Es taugt nicht, dass wir sie in den Gotteskasten evangelist: legen; denn es ist Blutgeld. Des Morgens aber hielten alle Hohepriester und die Ältesten des Volks einen Rat über Jesum, 13 42. Arie (bass) dass sie ihn töteten. Und bunden ihn, führeten Gebt mir meinen Jesum wieder! ihn hin und überantworteten ihn dem Land- Seht, das Geld, den Mörderlohn, pfleger Pontio Pilato. Da das sahe Judas, der ihn wirft euch der verlorne Sohn verraten hatte, dass er verdammt war zum zu den Füssen nieder. Tode, gereuete es ihn und brachte herwieder die dreissig Silberlinge den Hohenpriestern

46 14 43. Rezitativ (tenor, bass) pilatus: evangelist: Hörest du nicht, wie hart sie dich verklagen? Sie hielten aber einen Rat und kauften einen evangelist: Töpfersacker darum zum Begräbnis der Pilger. Und er antwortete ihm nicht auf ein Wort, also, Daher ist derselbige Acker genennet der Blut- dass sich auch der Landpfleger sehr verwunderte. acker bis auf den heutigen Tag. Da ist erfüllet, das gesagt ist durch den Propheten Jeremias, 15 44. Choral da er spricht: «Sie haben genommen dreissig Sil- Befiehl du deine Wege berlinge, damit bezahlet ward der Verkaufte, und was dein Herze kränkt welchen sie kauften von den Kindern Israel, und der allertreusten Pflege haben sie gegeben um einen Töpfersacker, als des, der den Himmel lenkt. mir der Herr befohlen hat.» Jesus aber stund vor Der Wolken, Luft und Winden dem Landpfleger, und der Landpfleger fragte gibt Wege, Lauf und Bahn, ihn und sprach: der wird auch Wege finden, pilatus: da dein Fuss gehen kann. Bist du der Jüden König? evangelist: 16 45. Rezitativ (tenor, bass, sopran) und Chor Jesus aber sprach zu ihm: evangelist: jesus: Auf das Fest aber hatte der Landpfleger Gewohn- Du sagest’s. heit, dem Volk einen Gefangenen loszugeben, evangelist: welchen sie wollten. Er hatte aber zu der Zeit Und da er verklagt war von den Hohenpriestern einen Gefangenen, einen sonderlichen vor an- und Ältesten, antwortete er nichts. Da sprach dern, der hiess Barrabas. Und da sie versam- Pilatus zu ihm: mlet waren, sprach Pilatus zu ihnen:

47 pilatus: chor: Welchen wollet ihr, dass ich euch losgebe? Barrabam! Barrabam oder Jesum, von dem gesaget wird, evangelist: er sei Christus? Pilatus sprach zu ihnen: evangelist: pilatus: Denn er wusste wohl, dass sie ihn aus Neid Was soll ich denn machen mit Jesu, von dem überantwortet hatten. Und da er auf dem Richt- gesagt wird, er sei Christus? stuhl sass, schickete sein Weib zu ihm und liess evangelist: ihm sagen: Sie sprachen alle: pilati weib: chor: Habe du nichts zu schaffen mit diesem Gerech- Lass ihn kreuzigen! ten; ich habe heute viel erlitten im Traum von seinetwegen! 17 46. Choral evangelist: Wie wunderbarlich ist doch diese Strafe! Aber die Hohenpriester und die Ältesten über- Der gute Hirte leidet für die Schafe, redeten das Volk, dass sie um Barrabas bitten die Schuld bezahlt der Herre, der Gerechte, sollten und Jesum umbrächten. Da antwortete für seine Knechte. nun der Landpfleger und sprach zu ihnen: pilatus: 18 47. Rezitativ (tenor, bass) Welchen wollt ihr unter diesen zweien, den ich evangelist: euch soll losgeben? Der Landpfleger sagte: evangelist: pilatus: Sie sprachen: Was hat er denn Übels getan?

48 19 48. Rezitativ (sopran) sondern dass ein viel grösser Getümmel ward, Er hat uns allen wohlgetan, nahm er Wasser und wusch die Hände vor den Blinden gab er das Gesicht, dem Volk und sprach: die Lahmen macht er gehend, pilatus: er sagt uns seines Vaters Wort, Ich bin unschuldig an dem Blut dieses Gerech- er trieb die Teufel fort, ten, sehet ihr zu. Betrübte hat er aufgericht’, evangelist: er nahm die Sünder auf und an. Da antwortete das ganze Volk und sprach: Sonst hat mein Jesus nichts getan. chor: Sein Blut komme über uns und unsre Kinder. 20 49. Arie (sopran) evangelist: Aus Liebe will mein Heiland sterben, Da gab er ihnen Barrabam los; aber Jesum liess von einer Sünde weiss er nichts. er geisseln und überantwortete ihn, dass er ge- Dass das ewige Verderben kreuziget würde. und die Strafe des Gerichts nicht auf meiner Seele bliebe. 22 51. Rezitativ (alt) Erbarm es Gott! 21 50. Rezitativ (tenor, bass) und Chor Hier steht der Heiland angebunden. evangelist: O Geisselung, o Schläg, o Wunden! Sie schrieen aber noch mehr und sprachen: Ihr Henker, haltet ein! chor: Erweichet euch Lass ihn kreuzigen! der Seelen Schmerz, evangelist: der Anblick solches Jammers nicht? Da aber Pilatus sahe, dass er nichts schaffete, Ach ja! ihr habt ein Herz,

49 das muss der Martersäule gleich und noch viel härter sein. Erbarmt euch, haltet ein!

23 52. Arie (alt) Können Tränen meiner Wangen nichts erlangen, o, so nehmt mein Herz hinein! Aber lasst es bei den Fluten, wenn die Wunden milde bluten, auch die Opferschale sein!

50 51 MATTH Evangelist (tenor) Jesus (bass) AUSPAS Pilatus (bass) SION 01 53. Rezitativ (tenor) und Chor ZWEITER evangelist: Da nahmen die Kriegsknechte des Landpfle- TEIL fortsetzung gers Jesum zu sich in das Richthaus und samm- leten über ihn die ganze Schar und zogen ihn CD 3 aus und legeten ihm einen Purpurmantel an und flochten eine dornene Krone und satzten sie auf sein Haupt und ein Rohr in seine rechte Hand und beugeten die Knie vor ihm, und spotteten ihn und sprachen: BWV 244 chor: Figuralmusik zur Karfreitagsvesper Gegrüsset seist du, Jüdenkönig! evangelist: Textvorlage Und speieten ihn an und nahmen das Rohr und Matthäus 26/27, Christian Friedrich Henrici schlugen damit sein Haupt. (Picander), Paul Gerhard (1656) 02 54. Choral Erste Aufführung O Haupt voll Blut und Wunden, Frühfassungen Leipzig 1727(?)/1729; voll Schmerz und voller Hohn, Spätere Fassung Leipzig 1736 o Haupt, zu Spott gebunden

52 mit einer Dornenkron, 04 56. Rezitativ (bass) o Haupt, sonst schön gezieret Ja freilich will in uns das Fleisch und Blut mit höchster Ehr und Zier, zum Kreuz gezwungen sein; jetzt aber hoch schimpfieret, je mehr es unsrer Seele gut, gegrüsset seist du mir! je herber geht es ein.

Du edles Angesichte, 05 57. Arie (bass) dafür sonst schrickt und scheut Komm, süsses Kreuz, so will ich sagen, das grosse Weltgewichte, mein Jesu, gib es immer her! wie bist du so bespeit; Wird mir mein Leiden einst zu schwer, wie bist du so erbleichet! so hilfst du mir es selber tragen. Wer hat dein Augenlicht, dem sonst kein Licht nicht gleichet, 06 58. Rezitativ (tenor) und Chor so schändlich zugericht’? evangelist: Und da sie an die Stätte kamen mit Namen 03 55. Rezitativ (tenor) Golgatha, das ist verdeutschet Schädelstätt, evangelist: gaben sie ihm Essig zu trinken mit Gallen Und da sie ihn verspottet hatten, zogen sie ihm vermischet; und da er’s schmeckete, wollte er’s den Mantel aus und zogen ihm seine Kleider nicht trinken. Da sie ihn aber gekreuziget hatten, an und führeten ihn hin, dass sie ihn kreuzig- teilten sie seine Kleider und wurfen das Los ten. Und indem sie hinausgingen, funden sie darum, auf dass erfüllet würde, das gesagt ist einen Menschen von Kyrene mit Namen Simon; durch den Propheten: «Sie haben meine Kleider den zwungen sie, dass er ihm sein Kreuz trug. unter sich geteilet, und über mein Gewand haben sie das Los geworfen.» Und sie sassen

53 allda und hüteten sein. Und oben zu seinen 07 59. Rezitativ (alt) Häupten hefteten sie die Ursach seines Todes Ach Golgatha, unselges Golgatha! beschrieben, nämlich: «Dies ist Jesus, der Jüden Der Herr der Herrlichkeit muss schimpflich König.» Und da wurden zween Mörder mit hier verderben, ihm gekreuziget, einer zur Rechten und einer der Segen und das Heil der Welt zur Linken. Die aber vorübergingen, lästerten wird als ein Fluch ans Kreuz gestellt. ihn und schüttelten ihre Köpfe und sprachen: Der Schöpfer Himmels und der Erden chor: soll Erd und Luft entzogen werden, Der du den Tempel Gottes zerbrichst und bau- die Unschuld muss hier schuldig sterben, est ihn in dreien Tagen, hilf dir selber! Bist du das gehet meiner Seele nah; Gottes Sohn, so steig herab vom Kreuz! ach Golgatha, unselges Golgatha! evangelist: Desgleichen auch die Hohenpriester spotteten 08 60. Arie (alt) und Chor sein samt den Schriftgelehrten und Ältesten alt: und sprachen: Sehet, Jesus hat die Hand, chor: uns zu fassen, ausgespannt, Andern hat er geholfen und kann ihm selber kommt, nicht helfen. Ist er der König Israel, so steige er chor: nun vom Kreuz, so wollen wir ihm glauben. Er Wohin? hat Gott vertrauet, der erlöse ihn nun, lüstet’s alt: ihn; denn er hat gesagt: Ich bin Gottes Sohn. in Jesu Armen evangelist: sucht Erlösung, nehmt Erbarmen, Desgleichen schmäheten ihn auch die Mörder, suchet, die mit ihm gekreuziget waren.

54 chor: chor: Wo? Der rufet dem Elias! alt: evangelist: in Jesu Armen. Und bald lief einer unter ihnen, nahm einen Lebet, sterbet, ruhet hier, Schwamm und füllete ihn mit Essig und stek- ihr verlass’nen Küchlein ihr, kete ihn auf ein Rohr und tränkete ihn. Die an- bleibet dern aber sprachen: chor: chor: Wo? Halt! lasst sehen, ob Elias komme und ihm hel- alt: fe? in Jesu Armen. evangelist: Aber Jesus schriee abermal laut und verschied. 09 61. Rezitativ (tenor, bass) und Chor evangelist: 10 62. Choral Und von der sechsten Stunde an war eine Fins- Wenn ich einmal soll scheiden, ternis über das ganze Land bis zu der neunten so scheide nicht von mir, Stunde. Und um die neunte Stunde schriee Je- wenn ich den Tod soll leiden, sus laut und sprach: so tritt du denn herfür! jesus: Wenn mir am allerbängsten Eli, Eli, lama asabthani? wird um das Herze sein, evangelist: so reiss mich aus den Ängsten Das ist: Mein Gott, mein Gott, warum hast du Kraft deiner Angst und Pein! mich verlassen? Etliche aber, die da stunden, da sie das höreten, sprachen sie:

55 11 63. Rezitativ (tenor) und Chor den Leichnam Jesu. Da befahl Pilatus, man soll- evangelist: te ihm ihn geben. Und siehe da, der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stück von oben an bis unten aus. Und 12 64. Rezitativ (bass) die Erde erbebete, und die Felsen zerrissen, Am Abend, da es kühle war, und die Gräber täten sich auf, und stunden auf ward Adams Fallen offenbar; viel Leiber der Heiligen, die da schliefen, und am Abend drücket ihn der Heiland nieder. gingen aus den Gräbern nach seiner Auferste- Am Abend kam die Taube wieder hung und kamen in die heilige Stadt und er- und trug ein Ölblatt in dem Munde. schienen vielen. Aber der Hauptmann und die O schöne Zeit, o Abendstunde! bei ihm waren und bewahreten Jesum, da sie Der Friedensschluss ist nun mit Gott gemacht; sahen das Erdbeben und was da geschah, er- denn Jesus hat sein Kreuz vollbracht. schraken sie sehr und sprachen: Sein Leichnam kömmt zur Ruh, chor: Ach! liebe Seele, bitte du, Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen. geh, lasse dir den toten Jesum schenken, evangelist: o heilsames, o köstlichs Angedenken! Und es waren viel Weiber da, die von ferne zu- sahen, die da waren nachgefolget aus Galiläa 13 65. Arie (bass) und hatten ihm gedienet, unter welchen war Mache dich, mein Herze, rein, Maria Magdalena und Maria, die Mutter Jacobi ich will Jesum selbst begraben. und Joses, und die Mutter der Kinder Zebedäi. Denn er soll nunmehr in mir Am Abend aber kam ein reicher Mann von Ari- für und für mathia, der hiess Joseph, welcher auch ein Jün- seine süsse Ruhe haben. ger Jesu war, der ging zu Pilato und bat ihn um Welt, geh aus, lass Jesum ein!

56 14 66. Rezitativ (tenor, bass) und Chor pilatus: evangelist: Da habt ihr die Hüter; gehet hin und verwah- Und Joseph nahm den Leib und wickelte rets, wie ihr’s wisset! ihn in ein rein Leinwand und legte ihn in sein evangelist: eigen neu Grab, welches er hatte lassen in einen Sie gingen hin und verwahreten das Grab mit Fels hauen, und wälzete einen grossen Stein Hütern und versiegelten den Stein. vor die Tür des Grabes und ging davon. Es war aber allda Maria Magdalena und die andere 15 67. Rezitativ (bass, tenor, alt, sopran) und Chor Maria, die satzten sich gegen das Grab. bass: Des andern Tages, der da folget nach dem Nun ist der Herr zur Ruh gebracht. Rüsttage, kamen die Hohenpriester und Phari- chor: säer sämtlich zu Pilato und sprachen: Mein Jesu, gute Nacht! chor: tenor: Herr, wir haben gedacht, dass dieser Verführer Die Müh ist aus, die unsre Sünden ihm ge- sprach, da er noch lebete: Ich will nach dreien macht. Tagen wieder auferstehen. Darum befiehl, dass chor: man das Grab verwahre bis an den dritten Tag, Mein Jesu, gute Nacht! auf dass nicht seine Jünger kommen und steh- alt: len ihn und sagen zu dem Volk: er ist aufer- O selige Gebeine, standen von den Toten, und werde der letzte seht, wie ich euch mit Buss und Reu beweine, Betrug ärger denn der erste! dass euch mein Fall in solche Not gebracht! evangelist: chor: Pilatus sprach zu ihnen: Mein Jesu, gute Nacht!

57 sopran: Habt lebenslang vor euer Leiden tausend Dank, dass ihr mein Seelenheil so wert geacht’. chor: Mein Jesu, gute Nacht!

16 68. Choralchor Wir setzen uns mit Tränen nieder und rufen dir im Grabe zu: ruhe sanfte, sanfte ruh! Ruht, ihr ausgesognen Glieder! Euer Grab und Leichenstein soll dem ängstlichen Gewissen ein bequemes Ruhekissen und der Seelen Ruhstatt sein. Höchst vergnügt schlummern da die Augen ein.

58 59 bach’s st matthew passion bwv 244 – compositional background, musical conception and legacy of a masterpiece Anselm Hartinger, translation by Alice Noger-Gradon

“the entire work is born of such a deep union of the I. heart and art that it is an equally high testament to The double-choir St Matthew Passion, already christian piety and humility as it is to the creative ge- termed the “grosse Bassion” (great Passion) in nius and innate power of man.” an early posthumous tribute by the Bach family, (ludwig rellstab, 1830) is one of Bach’s most comprehensive and signif- icant sacred compositions. Indeed, since its spec- tacular reperformance by Mendellsohn and Zelter in 1829 (albeit of a substantially abridged version), it is the work that has most lastingly shaped modern perceptions of the great com- poser. One key to the Passion’s enduring success lies in its use of text: while the libretto primarily draws on Luther’s bible translation and chorales from the reformed church, the baroque verses so vilified by the Romantics as “abominable Ger- man church texts” and rancorous “religious hot air” (Carl Friedrich Zelter) are reserved for the contemplative arias and choruses. It was, how-

60 ever, precisely these highly stylised verses that Neumeister, a founder of the “sacred cantata” were particularly appreciated by the congrega- (whose work Bach had already set to music) tions of Bach’s time, mainly because they lent the and the Lutheran superintendent and Pastor biblical narrative a contemporary quality and Primarius in Weissenfels and Hamburg. And transported its message to their daily lives. This only two years before Bach’s appointment as interplay between contrasting textual levels, lis- Thomascantor in Leipzig, a controversial pam- tener expectations and compositional tradition phlet (Johann Ephraim Scheibel, Zufällige Ged- not only explains the contentious reception of ancken von der Kirchenmusik (General Thoughts this monumental work over the past 300 years, it on Church Music)) was published in that city, also allows us to grasp the complexity of at- arguing passionately for a dynamic interpreta- tempting such a composition, and to fully ap- tion of the biblical word using a modern “theat- preciate the distinction of Bach’s achievement. rical” style. It was a sign of the times that Bach, Although the St Matthew Passion is today upon being sworn in as Thomascantor, was re- considered an archetypal example of Bach’s art quired to confirm that he would refrain from an – and of baroque sacred music in general – in excessively operatic compositional style. This Bach’s time, composing a dramatic setting of Je- was not a mere nicety, but evidence of the sus’ hour of suffering represented a highly con- grave controversy surrounding the place of troversial undertaking. It was not without rea- concerted music in church services. Although a son that many theologians were highly scepti- modern musical setting of the Passion (Georg cal of a panoramic musical setting, replete with Philipp Telemann’s “Brockespassion”) had al- drastic baroque poetry and musical speech, of ready been performed in 1717 in Leipzig’s Neu- the redemptive yet vitriolic events of the cruci- kirche, the Lutheran Orthodoxy remained so fixion. The composition, however, also had nu- dominant that it was not until 1721 that an ora- merous advocates, including the poet Erdmann torio setting of the Passion was officially intro-

61 duced into the city’s church music calendar. (long attributed to Reinhard Keiser) in 1726, the This performance was scheduled for the vesper first version of his St Matthew Passion (known service on Good Friday, and alternated be- as the early version BWV 244b) was probably tween the two main churches, St Nikolai and performed on Good Friday in 1727. It is this St Thomas, from year to year. Evidently, the version – most likely based on older versions – wishes of Leipzig’s mondaine bourgeoisie for that Andreas Glöckner reconstructed in a sin- an elegant church music in courtly style could gle volume for the publication of the Neuen no longer be resisted, and it is to this new zeit- Bachausgabe (New Bach Edition). geist that Bach, at that time Kappelmeister in The text for the St Matthew Passion was Köthen, partially owed his appointment to written by Bach’s trusted librettist Christian Leipzig. With a sermon of at least one hour sit- Friedrich Henrici, known as Picander, who was uated between the two parts of the Passion, able to draw on the Passion verses of Barthold these Good Friday vespers would have been Hinrich Brockes and Johann Friedrich Hunold, protracted under any circumstances. When the among others, as well as a cycle of sermons by composer’s name was Bach, the services ex- the Rostock theologian Heinrich Müller. In panded into a veritable marathon, demanding March and April of 1729, Bach was faced with exceptional endurance from performers and the dual burden of writing the funeral music congregation alike. for his former employer Leopold von Anhalt- Despite its seminal place in sacred music, Köthen (“Klagt, Kinder, klagt es aller Welt” the compositional history of the St Matthew BWV 244a) and preparing the regular Passion Passion is less certain than the work’s popular- performance. Although there is no clear evi- ity would suggest. After Bach had performed dence that these worldly events affected Bach’s two highly contrasting versions of his St John perception of spiritual matters, he appears to Passion in 1724 and 1725, and a St Mark Passion have revised his composition so extensively –

62 from a single choir to a double choir, double or- the manuscript when it was later damaged is chestra work – that, since the 19th century, 1729 further testimony to the value he placed on it. has been considered the actual composition In contrast, a definitive score for the St John year of the St Matthew Passion. It wasn’t until Passion, which Bach began in 1739, was aban- 1736 that Bach had performance parts for this doned after only a few movements. Indeed, “new” version prepared; these parts survive to considering that a final version of the St John this day. According to a report of the sacristan Passion never materialised during Bach’s entire Johann Christoph Rost, the 1736 performance Leipzig period, it is possible that the early ap- took place with both organs of the St Thomas preciation given to the St Matthew Passion was church – including the instrument above the in part owing to its largely complete character. choir, the so-called schwalbennest, which had Bach later added other parts, including one been restored in 1727 – and thus with two sep- for , presumably for the Passion’s arately positioned continuo ensembles. In this reperformance in 1742. As an interesting devel- version, Bach also integrated the opening opment, the tradition of including a boy’s choir movement of the second version of his St John for the chorale “O Lamb of God, unspotted” Passion from 1725, the chorale “O Mensch, be- goes back to the performance practice of the wein dein Sünde gross”, into the heart of the 19th century, when musicians sought to render work. It was during preparations for this per- the baroque school-choir sound using the formance that Bach completed his famous fair mixed vocal ensembles of the day. It appears copy of the score. Written entirely in his own that music directors of the Romantic period felt hand with distinctive red ink for the part the purity of boys’ voices lent a more ecclesias- of the Evangelist, it has since been elevated to a tical touch to Bach’s music, which was still often symbol of Bach’s devoutness and musical perceived as unchurchlike and too naturalistic. theology. The fact that Bach himself restored In this sense, Bach’s St Matthew Passion as we

63 know it today is a gesamtkunstwerk that has II. evolved over the centuries through the fasci- The overarching unity of the St Matthew Passion nating connection between the conceptual easily belies the keen sense of detail Bach ap- work of the composer and its interpretation by plied to its composition. Of particular note is his musicians and audiences. handling of the double-choir scoring: instead of allowing it to dominate the work, Bach reserves the contrasting effect of the dual vocal ensemble for pivotal scenes that require a call-and-answer effect to secure the dramatic realisation of the narrative. These include the introductory move- ment in which choir II responds fearfully to the summons of choir I (“Come ye daughters, share my mourning, See ye! – Whom?”) and the “thun- der and lightning” chorus, in which the choirs invoke natural disasters as punishment for the torture of God’s son. In most other ensemble movements, however, the choirs are either melded in quasi-unison or appear individually, primarily because the main figures of the bible and the later sympathisers represent different spheres. Nonetheless, the expansive introduc- tory chorus incorporates both dimensions of the early Christian Passion and the later reflection thereon, thereby endowing the brutal events of

64 Christ’s suffering with both distance and a criti- sus is a (fellow) sufferer in the eyes of Matthew, cal perspective that may well influence how it is the radiant holiness of the strings’ sound under- experienced by performers and audiences. Con- scores his sublime divinity. A lively perfor- sidering the movement is structured as a concer- mance in the tradition of baroque rhetorical tante arrangement of “O Lamb of God, unspot- flourishes and accents succeeds in lending the ted”, these stark contrasts are reconciled by the Evangelist’s part an inherent vitality – it is thus stabilising dimension of the chorale and justified unsurprising that a concert critique from 1847 in the tradition of the Lutheran church song. noted that the part demanded “not only an ac- The recitatives of the St Matthew Passion complished, but also a thinking singer”. This possess a particularly expressive power. In light may well explain why the Evangelist in Men- of the narrative’s scope – the work sets no less delssohn’s seminal reperformance in 1829 was than two full chapters of the gospel according to played by his friend Eduard Devrient, an actor, St Matthew to music – these passages required whose performance tended more to the declam- exceptional compositional finesse to prevent the atory than the belcanto. work from deteriorating into a torturous repeti- By including twelve simple chorales in the tion of musical formulas. While the chorale pas- work, Bach may have intended to enhance its re- sions of the 16th and 17th centuries escaped this lation to the church service and provide the con- dilemma through the use of liturgical chant, a gregation with points of reference in the vast more individual and differentiated approach composition. At the same time, these exquisitely was required to suit listener expectations in the harmonised verses also act as an impassioned 18th century. Notably, Bach set all of Christ’s commentary on the narrative’s events and the words in an arioso style with string accompani- exemplary process of realisation it describes. In- ment. This approach can be interpreted as a mu- terestingly, this “process of realisation” is per- sical solution to a theological paradox: while Je- haps even better expressed by the former East

65 German concept of “ideale Miterlebende” (idea- same music as an earlier movement “Acknowl- logical companions) – although this nuance edge me, my keeper, My shepherd, make me could hardly have been intended by the term’s thine!” albeit in E-flat major, rather than the secularist proponents. When Jesus prophesises original E major. This harmonic “degradation” – that all his disciples will abandon him and the a distance of no less than seven perfect fifths – chorists stubbornly answer “I will here by thee can only be ascribed to the denial of Peter and stand now”, and when the mockery and ill- the disciples that occurred between these two treatment of the saviour provokes them to utter movements. It is difficult to conceive of more an angry “Who hath thee thus so smitten?”, cul- subtle means to evoke the shame and lowliness minating in the damning realisation “I, I and my of these actions. transgressions”, then an elementary need breaks The underlying lyrical tone of the St Mat- forth to intervene in the shocking events, al- thew Passion consistently embraces new possi- though they promise to lead to redemption, and bilities. This is evident as early as the introduc- to change the course of history by force. This di- tory choir, which, in contrast to the bleakly ma- alogue recurs not only in the chorales, but also in jestic “Lord, thou our master” of the St John moments such as the interjections of choir II of Passion, evokes a poignant atmosphere of “Free him, hold off, bind him not!” and repre- mourning. The work then proceeds with a pa- sents an active call for benevolence and the pre- tience and calm that permeates not just the scene vention of suffering, distress and injustice that at the Mount of Olives, but also Bach’s rendering transcends both the narrative and time. The fi- of Jesus’ emotions, including his despondency. nesse with which Bach interprets such develop- The fact that St Matthew’s symbol is a man (in ments is particularly evident in the chorale contrast to the eagle of St John) is captured sen- movement “I will here by thee stand now; O put sitively by Bach and Picander throughout the me not to scorn!”, which he set to exactly the work. It is thus fitting that in the second part of

66 the Passion, the lament of the faithful Christian St John Passion, the St Matthew Passion doesn’t heart (“Ah, now is my Jesus gone!”) is answered culminate in relief when the suffering ceases with a passage from the Song of Solomon (“Rest well, ye holy bones and members”), but (“Where has your beloved gone, most beautiful in a pain-filled choir of lament in C minor. This of women?”). Unlike the valiant Christ of the final movement seems to unify everyone in- St John Passion – a man who fights amidst the volved in the work across time – from the dis- raging crowd for his rights, his life and earthly traught disciples of the New Testament, the salvation – the Jesus of the St Matthew Passion boys of the St Thomas Choir in Bach’s own time, disarmingly wins over his enemies through his the grieving friends at Mendelssohn’s funeral in magnanimous silence and unconditional love. Leipzig, to today’s musicians and audiences – in Scored for a fragile wind section of transverse the concluding proclamation: “Wir setzen uns flute and two oboes da caccia (with no basso mit Tränen nieder.” (We lay ourselves with continuo), the bewildered yet ethereal soprano weeping prostrate). aria “For love now would my saviour perish” in- imitably instils this core message in the listeners’ mind. And it is no doubt this noble composure in the face of abandonment, rather than Jesus’ resurrection (which Bach treats with restraint), that precipitated the guards’ sudden revelation, declared by both choirs in unison: “Truly, this man was God’s own Son”. Were there a single moment in the Passion that epitomised the sub- stance and quality of the composition, it would be these two bars of sublime beauty. Unlike the

67 anselm hartinger in discussion with rudolf lutz Translation by Alice Noger-Gradon

Anselm Hartinger events and their own emotions, as heard in the during a rehearsal session for the st matthew passion, perplexed cries of “what?”, “who?” and “where?” you once described the composition as the “mount of choir II in the introductory movement. Of everest” of bach’s vocal works. what inspired your course, the story of the Passion is of timeless fas- colossal metaphor? cination and offers great possibilities for compo- sition. All the same, Bach and his librettist Pi- Rudolf Lutz cander (in my opinion, a brilliant interpreter of First and foremost, the sheer magnitude of the Bach’s ideas) present a unique rendition of the idea behind the work. Bach worked on the St story that subtly reflects the various strains of Matthew Passion over many years, and as it the narrative while achieving a unified concept evolved, the concept of the double choir became of extraordinary quality. more and more central. The large-scale scoring After many years of conducting and per- is, however, not just acoustically splendid, but forming Bach’s cantatas, I have gained enough also essential to the portrayal of the various insight to distinguish his great work from his players and their proximity – or distance – to the merely good work. And I can testify that I can biblical story. While one choir takes the role of hardly find a thing to criticise about the Passion: the direct participants, the other reflects the by- I could not even name an especially impressive standers who are at times overwhelmed by the or less effective movement in it. That Bach was

68 able to sustain such an extraordinary level of screenplay, which I, as the director, am called on compositional finesse throughout the entire to realise as effectively as possible. For instance, work is what impresses me the most. where do I pause and sustain an image? Where can I energetically lead the way with the Evan- Anselm Hartinger gelist? Where does it require space to allow a the passion is a work of mammoth dimensions. how particular emotion to achieve its full expression? do you maintain the attention and interest of the per- In the end, Bach, too, gave himself latitude as the formers and audience throughout the duration of the situation demanded. When performers and lis- work? teners empathise with the work as Bach did with the libretto, then the performance is – despite the Rudolf Lutz required effort – enormously satisfying. I would like to return to the metaphor of the mountain. With the Passion, Bach sends us on a Anselm Hartinger high-altitude climb that truly demands our all. the story of the passion is rich in sub-plots and con- The work is nothing for hobby climbers: it re- flicting emotions. how does bach maintain musical quires the fittest, most experienced mountain- order and coherency in the face of these challenges? eers. That said, however, the actual path through the score is exceptionally well mapped. When I Rudolf Lutz faithfully follow the various visions and stations I think the distribution of material across the of the music, it is not difficult to maintain the two choirs plays an important role, as do the to- suspense. Even the seemingly excessive length nalities; a typical approach for Bach. Bach knew of the work is no longer problematic when I rely his bible back to front, and he had a very pre- on Bach’s timing to find the right footholds. In- cise notion of how he should musically bring a deed, Bach’s score reminds me of a perfect scene, an emotional state or the narrative to life.

69 Unsurprisingly for Bach, the Passion works its Anselm Hartinger way through every key. From the pitiful E mi- what did bach wish to achieve with the st matthew nor of the introductory chorus through to the passion, and what does this recording mean for the repentant B minor of the “Have mercy” move- bach foundation and to you personally? ment, the sharp key signatures often typify a repentant mood, while unanticipated modula- Rudolf Lutz tions to flat key signatures signify an abrupt Without a doubt, Bach strove to compose a work change in affect, such as when the disciples of lasting value. When I think of the perfor- suddenly lose faith in themselves and each mance restrictions and conditions of his time, I other (“Lord, is it I?”). All the same, flat keys can only marvel at the immense risks he took can also have a tender and ethereal quality – with the large-scale, double-choir setting. Bach when Bach swiftly shifts to A-flat major to ren- had an architectonic vision for his rendering of der the mighty earthquake after Jesus’ death, the Passion, one which he pursued uncompro- he musically underscores the shock of realisa- misingly – despite every obstacle. tion (“Truly, this man was God’s own Son”) For the Foundation and for me as the Foun- that radically converts the guards assembled at dation’s artistic director, performing the St Mat- the cross. In contrast to this, Bach’s use of thew Passion represents a major milestone. Inci- G-sharp minor, so dark and ominous, is the dentally, without the St Matthew Passion, our perfect “key of betrayal” – yet another fascinat- whole Foundation may never have come into ing aspect. Whether he also assigned different being. The initial idea first came up during a stylistic idioms to specific affects – in the choir choir workshop in the St. Gallen Alps many movements, for example – would be most re- years ago, where we were studying Bach’s mas- warding to study. terpiece in a deluge of snow with students from the Basel University of Music and passionate

70 amateur singers. It was on this occasion that I first discovered Konrad Hummler’s organisa- tional talent and his enthusiasm for Bach – a very important encounter for me. Since that time, I have had the privilege of working with outstanding musicians who are ready and able to undertake the adventure of Bach month after month. Our “Evangelist” Charles Daniels, for instance, declared himself willing to take on the entire tenor part of the Passion after a late cancellation – an extraordinary and fulfilling experience for all involved.

71 the complete vocal bach Arthur Godel, translation by Alice Noger-Gradon

The St Matthew Passion and the B Minor Mass complete vocal works – first and foremost his form the heart of Bach’s vocal oeuvre. Both over 200 cantatas – in a new concert cycle. The works are recognised as compositions of global project, which will span approximately 25 years, cultural significance and are regularly per- is privately funded by the J. S. Bach Foundation formed. This is not the case, however, for Bach’s of St. Gallen. over 200 cantatas. Forming a musical cosmos of Since October 2006, the Bach Foundation has their own, the cantatas often struggle to find a performed one cantata per month in the baroque place in modern concert programmes and to- church of Trogen, an Appenzell village near day’s church services. Indeed, only the most St. Gallen. The concerts have proven popular popular cantatas receive occasional attention. with audiences, and concertgoers travel from How, then, can these extraordinary cultural throughout Switzerland and its neighbouring treasures be brought to life for today’s listeners countries to experience the unique programme. and preserved for future generations? Despite The evening begins with conductor Rudolf Lutz the wealth of Bach recordings available, the con- and theologian Karl Graf introducing the chosen cert experience remains vital to musical appreci- cantata in the form of a lively dialogue. Then, ation. In the interest of sustaining this tradition, singing and playing from the keyboard, Rudolf musician Rudolf Lutz and entrepreneur Konrad Lutz demonstrates the work’s musical hall- Hummler resolved in 1999 to re-interpret Bach’s marks and invites the audience to join in singing

72 the chorales. The cantata is then performed als, he prepares the month’s cantata with the twice, with a “reflection” lecture taking place in ensemble, a select group of primarily young mu- between. The speakers – well-known personali- sicians from the whole of Switzerland, Southern ties from the worlds of art, culture, economics Germany and Austria who have experience in and politics – select a motif or feature of the can- historical performance practice. The ensemble tata to develop from their personal standpoint. size varies according to the work in question: The insight gained from the lecture lends a new some cantatas require a choir of up to 20 voices and immediate dimension to the second perfor- while others are complemented only by soloists mance of the work – an inspiring experience for – many of whom are renowned artists. Regard- musicians and concertgoers alike. less of the ensemble’s composition, however, All the Bach Foundation’s concerts are fully each concert strives to provide a vibrant experi- documented and available on DVD. In addition, ence of Bach that breathes fresh life into his mu- several cantata recordings are released each year sic while remaining true to its inherent spirit. on CD. The texts of the “reflection” lectures are published shortly after each concert in both elec- tronic and print form. A living Bach experience for today’s listener founded on historical knowledge – that is the goal of artistic director Rudolf Lutz. As lecturer in improvisation at the Schola Cantorum Basil- iensis, Switzerland’s leading school for early music, Rudolf Lutz has a profound understand- ing of baroque music and its compositional de- velopment. During two days of intense rehears-

73 soloist biographies Translation by Alice Noger-Gradon

Rudolf Lutz critical acclaim. Rudolf Lutz is in great demand Rudolf Lutz (born 1951) is lecturer in improvisa- for concerts and international symposiums on tion at the “Schola Cantorum Basiliensis”, the improvisation and performance practices. He is University of Early Music, Basle; and in thor- a regular guest lecturer and concert improviser ough bass at the University of Music, Basle. at the “Conservatoire national supérieur mu- From 1998–2008 he taught oratorio studies at the sique et danse” in Lyon, the “La Folia” festival in University of Zurich. In St. Gallen, Rudolf Lutz Rougemont and the Orpheus Institute in Gent. is organist of the church “St. Laurenzen Kirche”, In late 2007, he was lecturer and improviser a post he has held since 1973. He also conducted at a symposium on European organ culture in the “Bach-Chor St. Gallen” from 1986 to 2008, the time of Mendelssohn organised by the Bach and led the “St. Galler Kammerensemble” from Archive in Leipzig. He has also been invited to 1986 to 2010. Rudolf Lutz is a highly-sought spe- the renowned Bach festival in Ansbach as a per- cialist in historical improvisation techniques for former and improviser on several occasions. In both concerts and workshops. He is also active close cooperation with the “DRS II Kulturclub” as a accompanist, harpsichordist and com- Rudolf Lutz has participated in several literary- poser. In 2002, the world premiere of his oratorio musical projects and liturgical symposiums. In “An English Christmas” was performed in the 2006, he was awarded the culture prize of the church “St. Laurenzen Kirche” in St. Gallen to canton of St. Gallen.

74 biografien / biographies: www.bachstiftung.ch Rudolf Lutz was appointed artistic director of and appeared in Paris and Peking in Jonathan the J. S. Bach Foundation of St. Gallen in 2006. In Miller’s production of Monteverdis “Orfeo” con- view of its plan to perform Bach’s complete vo- ducted by Philip Pickett. She is in demand as an cal works, Rudolf Lutz established the Choir oratorio soloist, having performed works by and Orchestra of the J. S. Bach Foundation as Bach, Handel and Haydn with conductors such well as a permanent ensemble of soloists. as Roger Norrington, Frieder Bernius, Marc Minkowski and Masaaki Suzuki. She has also Joanne Lunn, soprano made guest appearances at the Handel festivals Joanne Lunn studied at the Royal College of Mu- in Göttingen and Halle, at the BBC Proms in sic in London, where she was awarded the pres- London and the Salzburg Festival. tigious Tagore Gold Medal. As a soloist, she ap- Her discography includes Vivaldi’s “Lau- pears regularly with ensembles such as the Eng- date Pueri” with The King’s Consort, Haydn lish Baroque Soloists, the Academy of Ancient Masses with Sir John Eliot Gardiner and the Music, the Hilliard Ensemble, Philipp Herre- Monteverdi Choir, John Rutter’s Mass of the weghe’s Collegium Vocale Gent, the King’s Con- Children with the City of London Sinfonia and sort and the Gabrieli Consort. She has also been Sir John Eliot Gardiner’s Bach cantata cycle. a regular guest in Sir John Eliot Gardiner’s Bach Cantata Pilgrimage and performances with the Margot Oitzinger, alto Monteverdi Choir. Joanne Lunn gave her oper- Margot Oitzinger was born in Graz and studied atic debut at the English National Opera in Mon- solo voice at the University of Music and Per- teverdis “L’Incoronazione di Poppea” conducted forming Arts in Graz. She has participated in by Harry Christophers. She sang the part of masterclasses with Emma Kirkby and Peter Helena in Britten’s A Midsummer Night’s Kooij, and was a prize winner at the International Dream under Sir John Eliot Gardiner in Venice Johann Sebastian Bach competition in Leipzig

biografien / biographies: www.bachstiftung.ch 75 2008 and the international baroque vocal compe- (Edinburgh International Festival), Monteverdis tition in Chimay, Belgium, in 2006. “Vesper” with the Gabrieli Consort and Paul Her extensive repertoire spans the works of McCreesh, and Handel’s “Messiah” with Bach and Handel, particularly their oratorios, to Nikolaus Harnoncourt at the Musikverein, Vi- Mozart and Haydn as well as romantic and enna. modern composers. She has performed with re- He has appeared as a soloist with a range of nowned orchestras and ensembles such as the renowned ensembles including the Netherlands Collegium Vocale Gent, Concerto Copenhagen, Bach Society, various period instrument orches- the L’Orfeo Barockorchester, Sette voci, the tras and philharmonic orchestras. He is also in Dunedin Consort and Players, the Wiener Akad- demand as an opera singer, most recently per- emie and Le Concert Lorrain. In addition to nu- forming at the Festival d’Aix-en-Provence. merous chanson and lieder concert evenings, Charles Daniels first performed with the J. S. she has performed works by Brahms in the Fes- Bach Foundation in 2012. His repertoire spans tival delle Crete Senesi with Philippe Herre- over 1,000 years of music history and can be weghe and has appeared regularly in baroque heard in his numerous recordings. These in- operas with the Kammeroper Graz, Kammer- clude more than 20 recordings of music by Pur- oper Wien, at the “Donaufestwochen” at Schloss cell, primarily with the The King’s Consort as Greinburg and the Styriarte festival. well as CDs with works by Handel, Schütz, Haydn and Bach. Charles Daniels, Evangelist, tenor The English tenor Charles Daniels studied at Peter Harvey, Jesus King’s College, Cambridge, and at the Royal Peter Harvey studied at Magdalen College in College of Music. Highlights of his career have Oxford and the Guildhall School of Music and included Luigi Nono’s “Canti di Vita e Amore” Drama in London. The main focus of his reper-

76 biografien / biographies: www.bachstiftung.ch toire is baroque music. Major appearances in- cordings, including Bach’s Passions and numer- clude concerts with Harry Christophers and ous Bach cantatas, cantatas by Buxtehude, mo- The Sixteen, Christopher Hogwood and the tets by Lully and Rameau, the Requiems of Academy of Ancient Music, Sir John Eliot Gar- Fauré and Mozart as well as sacred music by diner and the English Baroque Soloists, Gérard Monteverdi. He teaches as a guest professor at Lesne and Il Seminario Musicale, the Orchestra the Royal College of Music in London. of the Age of Enlightenment and the Gabrieli Consort. Wolf Matthias Friedrich, bass Peter Harvey has performed Bach’s St Mat- Wolf Matthias Friedrich studied voice with Eva thew Passion and St John Passion, Schubert’s Schubert at the “Hochschule für Musik Felix Mass in E-flat major as well as numerous Bach Mendelssohn Bartholdy” in Leipzig. In 1980 he cantatas, including over 70 live performances in was a prize winner of the International Dvorák Sir John Eliot Gardiner’s “Bach Cantata Pilgrim- competition in Karlovy Vary. age” (2000). He has also taken on roles in various Engagements with conductors such as Kurt contemporary works, including the part of St Masur, Fabio Luisi, Marek Janowski, Rafael John in a television performance of John Taven- Frühbeck de Burgos, Michel Corboz, Roy Good- er’s “The Cry of the Ikon”. In 2007 he toured the man, Howard Arman, Jan Willem de Vriend and USA with the Netherlands Bach Society and per- many more have led him to perform in opera formed in a concert series of Gabriel Fauré’s Req- and concert halls on all continents. In addition, uiem with the ensemble Vocal de Lausanne un- he has performed in many world premieres and der Michel Corboz in Japan. He has also per- other debuts of contemporary compositions, in- formed Schubert’s “Winterreise” with Roger cluding Zimmermann’s “Weisser Rose” and Vignoles at the Cambridge and Lugo festivals. Shih’s “Vatermord”. Peter Harvey’s discography spans over 80 re- A highly versatile performer, Wolf Matthias

biografien / biographies: www.bachstiftung.ch 77 Friedrich has appeared in over 50 radio, CD and gium, Holland, England, Germany, Poland, DVD productions spanning music from the early Russia (St. Petersburg), the USA (New York, baroque to the modern period. Since his studies, Philadelphia), South Africa, Brazil and Hungary Handel’s music has held a particular place in his (Budapest, Pannonhalma). In addition, it has repertoire, especially the operas “Deidamia”, given guest performances at numerous re- “Semele”, “Orlando” and “Admeto”, and the nowned music festivals. Its a-cappella repertoire oratorios. spans works from the renaissance to the modern period. The choir is in high demand for perfor- Knabenkantorei Basel mances of oratorios, masses, and cantatas by The Knabenkantorei Basel, Basel’s famous boys’ Bach, Handel, Haydn, Mozart, Mendelssohn, choir, was originally founded as the Boys’ Choir Britten and Bernstein. of the Swiss Reformed Church of Basel City in The Knabenkantorei has been led since 2007 1927. Today, the choir is non-denominational by Markus Teutschbein, who studied music at and performs both sacred and secular music. the conservatoriums of Rostock, Stuttgart and The choir has a distinguished history, including Weimar. Aside from his various conducting en- an appearance in the world premiere of Arthur gagements, he works with various ensembles Honegger’s “Jeanne d’Arc au bûcher” in Basel and gives masterclasses and lectures. under Paul Sacher in 1938. The Knabenkantorei includes a preparatory course choir, a basic course choir and a concert choir that comprises around 45 boys’ and 35 men’s voices. The men are generally former boy choristers with extensive choir experience. The Knabenkantorei has performed in France, Bel-

78 biografien / biographies: www.bachstiftung.ch 79 Aufnahme und Bearbeitung / Recording and editing Texte (CD-Booklet)/Texts...... Anselm Hartinger, Arthur Godel, Rudolf Lutz Übersetzungen/English translations...... Alice Noger-Gradon Layout-Design/Layout design...... Fabian Walser Aufnahmejahr/Recording year...... 2012 Fotografien/Photography...... Hanspeter Schiess, Schweiz Aufnahmeleitung und Bearbeitung/Recording director and editor...... Stefan Ritzenthaler Aufnahmeassistenz/Recording assistant...... Johannes Widmer Produktion/Production...... GALLUS MEDIA AG, Schweiz Co-Produktion/Co-production...... Roland Wächter, Radio SRF 2 Kultur

English translations of cantata text excerpts from Z. Philip Ambrose, J. S. Bach: the Extant Texts of the Vocal Works in English Translations with Commentary Volume 1: BWV 1–200; Volume 2: BWV 201–(Philadelphia: Xlibris, 2005), reproduced with kind permission of the author.

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