0 o SportSirene SportSirene | Ausgabe 03 | April 2009 Ausgabe 03 | SportSirene | Der Sport – bunter, facettenreicher und überraschend THEMA ANGST

AUSGABE | 01 | 2007 © baumann 03 Editorial #3

Das SportSirene-Redaktionsteam (von links): Christoph Haas, Kim-Kristin Gerbing, Henner Thies, Simona Della Penna, Johannes Knuth, Julian Glonnegger, Justus Wolf, Felix Czerny, Tamara Steinmetz, Jens Leutenecker, Verena Burk

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

ANGST – wer kennt sie nicht? Immer wieder taucht sie auf: vor der Prüfung, beim Anblick von Spinnen und Schlangen, vor dem Einstieg in ein Flugzeug, bei drohender Arbeitslosigkeit, in der Einsamkeit. Angst hat viele Facetten und jeder hat sie mehrfach erlebt. Die Handflächen werden feucht, man schwitzt, die Knie zittern, Unwohlsein macht sich breit – typische Symptome von Angst, denen man sich im Alltag immer wieder stellen muss.

Auch im Sport wird man mit Ängsten konfrontiert. Die Angst der Schüler im Sportunterricht vor dem Sprung über den Kasten oder vom 3 m-Brett, die Angst vor Verletzungen und Schmerzen, die Angst der Profisportler um ihre Existenz. Es gibt auch Sportler, die bewusst lebensbedrohliche Situationen am Fels und in der Wüste suchen. Doch welche Ängste haben Sportler? Wie gehen sie mit ihrer Angst um? Welche Strategien wenden sie an, um ihre Angst zu überwinden und in welchen Situati- onen kann Angst positiv eingesetzt werden? Diesen Fragen gehen Studierende des Bachelor-Studi- engangs Sportpublizistik in der 3. Ausgabe der SportSirene nach. Boxer, Surfer und Extrembergstei- ger kommen zu Wort, Polizisten berichten von Einsätzen bei Fußballspielen, Sportpsychologen und Kinesiologen werden bei der Arbeit beobachtet, Selbstverteidigung als Mittel zur Angstbewältigung ausprobiert, die Angst des Outings im Sport unter die Lupe genommen und Ängste im Sportstudium beschrieben.

Auch wir hatten Angst bei der Fertigstellung dieses Magazins. Sagt der Interviewpartner zu? Finde ich die richtigen Bilder? Wird mein Artikel rechtzeitig fertig? Die Angst in den Gesichtern des Redaktionsteams ist der Erleichterung und Zufriedenheit gewichen – nicht zuletzt durch die Hilfe vieler Menschen. Besonders zu erwähnen sind Prof. Dr. Helmut Digel, Dr. Roger Repplinger, Fabian Schmidt, Heike Sloboda, Melanie Weber, Valentin Marquardt, Moritz Menacher und die Agentur köckritzdörrich. Auch den Sportfoto-Agenturen Baumann und imago danken wir. Das Projekt SportSirene geht im Sommersemester 2009 weiter – mit spannenden, schillernden und außergewöhnlichen Einblicken in die Welt des Sports.

Viel Spaß mit der 3. Ausgabe der SportSirene! Das Redaktionsteam SportSirene 03|2009 startsirene 04 : 05

TOP 10

Der Weg ist lang. Schier unendlich. Du spürst die Blicke, die dich .. fixieren. Tausend Gedanken schießen dir durch den Kopf. „Was ist wenn …?“ Du versuchst dich zu konzentrieren. Da liegt er. Die Angst des SchutzenAutor: Julian Glonnegger Bilder: imago Der Ball. Es sind nur elf Meter. Und doch – das Tor ist so klein. vormViele können ein Lied davon singen.Elfmeter Von der Angst beim Straf- Rennen um den Klassenverbleib halten können. Beim Stand von ausgerechnet der amtierende Weltfußballer Roberto Baggio. Das heutige Sprachrohr des FC Bayern war für einen Moment stoß. Da spielt es keine Rolle, um was es geht. Der eine enttäuscht 1:1 schoss er den Ball am linken Pfosten vorbei und 1860 stieg Sein Schuss ging deutlich über das Tor und Brasilien wird erst- kleinlaut. Im Finale der EM wollte Uli Hoeneß das Problem vom seine Mannschaftskollegen im Kampf um die Kreismeisterschaft, ab. mals seit 24 Jahren Weltmeister. Elferpunkt mit Gewalt lösen. Dabei jagte er den Ball deutlich über der andere vergibt vor einem Millionenpublikum im WM-Finale. ywww.youtube.com/watch?v=-LSMqrZjnzI die Latte. Und dennoch – die Gefühle vor dem oft entscheidenden Schuss 22. April 1986: 33. Spieltag 1. Bundesliga sind die gleichen. Zittrige Knie und lähmende Unentschlossen- Bremer Weserstadion: Werder Bremen – FC Bayern 0:0 9. Juli 2006: WM-Finale 23. Mai 2001: Champions League-Finale heit machen dem Schützen oft einen Strich durch die Rechnung. 40 Mal ist Michael Kutzop in der Bundesliga vom Punkt aus an- Berliner Olympiastadion: Italien – Frankreich 5:3 n. E. Guiseppe-Meazza Stadion Mailand: FC Bayern – FC Valencia 5:4 n. E. Damit auch du in Zukunft gelassener an die Aufgabe „Elferschie- getreten. 39 Mal war er erfolgreich. Beim wichtigsten Schuss traf Oft wird die eigentliche Entscheidung im WM-Finale 2006 ver- Es ist nicht unbedingt Mauricio Pellegrino, der im Gedächtnis ßen“ rangehen kannst, hier der Beweis, dass auch die ganz Gro- er nur den Pfosten. Hätte Kutzop in der 94. Minute getroffen, wäre gessen. Zu dominant war der Ausraster von Zinedine Zidane. blieb. Vielmehr war es Oliver Kahn, der gleich drei Strafstöße ßen des Geschäfts gescheitert sind. Also stell dich deiner Angst. Bremen Deutscher Meister geworden. So verspielten die Werde- Dass es David Trezeguet vorbehalten war, den entscheidenden entschärfte, darunter den entscheidenden des Argentiniers in Nur Mut! raner am letzten Spieltag den Titel. Meister wurde der FC Bayern. Elfmeter an die Latte zu setzen, ist den meisten heute nicht mehr Diensten des FC Valencia. präsent. ywww.youtube.com/watch?v=mnJHnhZOW-w 26. Juni 1996: EM-Halbfinale 21. Mai 2008: Champions League-Finale ywww.youtube.com/watch?v=A31ftz3yE_A&feature=related Londoner Wembleystadion: – Deutschland 5:6 n. E. Luzhnikistadion in Moskau: FC Chelsea – Manchester United 6:7 n. E. 7. Oktober 2005: WM-Qualifikation Es sollte die Revanche für die Halbfinalniederlage bei der Das Final-Trauma von Michael Ballack ging weiter. Dabei war der 24. Juni 2004: EM-Viertelfinale Omnisports Ahmadou-Ahidjo Stadion in Yaounde: Kamerun – WM 1990 werden. Doch im eigenen Land versagten dem sechs- Triumph nur noch einen Schuss entfernt. Doch John Terry rutsch- Estadio da Luz in Lissabon: England – Portugal 5:6 n. E. Ägypten 1:1 Pierre Wome, bekannt aus der Bundesliga, war die ten Schützen Gareth Southgate die Nerven. te auf dem nassen Rasen aus und setzte den Ball an die Torum- Neben seinen einzigartigen Freistößen und seinem popstarähn- tragische Figur in Kamerun. In der Nachspielzeit vergab er den y www.youtube.com/watch?v=a4kO2T1cu8s&feature=related randung. ManU nutzte die Gunst der Stunde und holte sich den lichen Auftreten ist David Beckham für seinen Fehlschuss in Por- Elfmeter und Kamerun verpasste die Qualifikation zur WM in Henkeltopf. tugal bekannt. Selten wurde ein Elfmeter so in den Nachthimmel Deutschland. Stattdessen hatten wir im Sommer 2006 die Elfen- 15. Mai 2004: 33. Spieltag 1. Bundesliga gedroschen. beinküste zu Gast. Münchner Olympiastadion: 1860 München – Hertha BSC 1:1 17. Juli 1994: WM-Finale Francis Kioyo, Stürmer der Münchner Löwen, hatte es in der Rose Bowl Stadium Los Angeles: Italien – Brasilien 2:3 n. E. 20. Juni 1976: EM-Finale Hand. Drei Minuten vor dem Ende hätte er sein Team weiter im Erneut scheiterte einer der besten Spieler. Im Finale verschoss Stadio Crvene Zvezda in Belgrad: Deutschland – CSSR 3:5 n. E. SportSirene 03|2009 Inhalt inhalt 06 : 07 Inhalt #3

04:05 StartSirene Die Angst des Schützen vorm Elfmeter. Die Angst des Tormanns Anyone can do it!? Ohnmacht auf dem Friedhof Angst im Sport ist für mich … Big-Wave-Surfer sind Sportler am Limit. Nico Keinath ist ein Talent im deutschen Neun Spitzensportlerinnen und beim Elfmeter. Doch auch die Schützen verspüren Angst, wenn sie zum Elfmeter Haben sie keine Angst? Sind sie lebens- Radsport. Doch seine Sportart ist auf dem -sportler der Universität Tübingen antreten – und scheitern. Die Top 10 der vergebenen Elfmeter in der SportSirene. müde? Die SportSirene sucht Antworten Weg nach unten – und mit ihm Profiteams, schildern, was für sie persönlich Angst auf diese Fragen – unter anderem in einem die ihm einen Vertrag für die nächste im Sport bedeutet. 12:19 ZoomSirene Bilder sagen oft mehr als Worte – auch wenn es um Angst im Gespräch mit dem Big-Wave-Surfer Saison geben können. Existenzangst bei Sport geht. Die SportSirene hat in der Rubrik ZoomSirene Momente der Angst und Manoa Drollet. Sportlern, die auf dem Weg nach oben sind. Ängstlichkeit von Sportlern bildlich festgehalten. 24:25 AktionsSirene Hilft Selbst- 08:11 20:23 26:27 verteidigung gegen die Angst vor Angreifern? Frauen kennen es nur zu gut: Die Angst vor Angriffen auf der Straße, im Park, in der U-Bahn. Können Selbstver- teidigungskurse den Betroffenen die Angst nehmen und sie auf diese Situationen vorbereiten? Die SportSirene geht diesen Fragen in einem Selbstversuch nach. 32:33 PrivatSirene Der Löwe ist noch hungrig! Boxen ist ein harter Sport. Angst scheint fehl am Platz. Ist dies tatsächlich so? Luan Krasniqi, Profiboxer im Schwer- Ruhe bewahren und Ja, ich liebe ihn … Alles in Balance – gewicht, spricht über Karriere, Pläne, Angst und Schmerzen inner- und außerhalb Kontrolle behalten Outing, das Bekenntnis zur Homo- Wie Wettkampfangst besiegt Woche für Woche sind Polizisten in sexualität ist beliebt und chic zugleich. werden kann des Rings. 35 LifeSirene Nackte Angst, nackte Hintern – Der Tanzabend. Des einen Deutschland bei Fußballspielen im Einsatz. Politiker, Schauspieler und Sänger tun es – Die Kinesiologie gibt vor, Wettkampf- Freud, des anderen Leid. Der Tanzabend im Sportstudium. Die SportSirene blickt hin- Die SportSirene sprach mit ihnen über nicht jedoch Sportler. Warum Sportler angst beseitigen und mentale Blockaden ihren Dienst, gegnerische Fans, gefährliche Angst vor dem Outing haben und Sport- lösen zu können. Was steckt hinter ter die Kulissen und deckt humorvoll auf, welche Angst die Studenten begleitet und Situationen, Angst und entschlossenes lerinnen offen mit ihrer lesbischen Liebe der Methode, die selbst Bodybuilder welche Situationen sie zu meistern haben. 58 SchlussSirene Die Waffe das Mikrofon, Auftreten. umgehen – die SportSirene sucht zum Erfolg führt? nach Antworten. der Gegner Matthias Sammer oder wovor haben Sportjournalisten eigentlich Bammel? Sportjournalisten sind selbstbewusste Menschen. Doch auch sie treffen auf Interview- 28:31 36:39 40:43 partner, die ihnen in nichts nachstehen. Dann heißt es: allen Mut zusammennehmen und nicht den Rückzug antreten. Schwer genug – wie euch die SchlussSirene zeigt.

Freeclimbing – ein Leben am Limit Am seidenen Faden Druck, Angst und Hartmut Gabler Freeclimber sind Grenzgänger im Das Überqueren des Hohenzollern- Sportpsychologen werden gerufen, Lebensgefühl und immer auf der Suche grabens ist Teil einer Lehrveranstaltung wenn Athlet oder Team nicht mehr die nach dem eigenen Limit. im Diplomsportstudium. Schon der gewünschte sportliche Leistung erzielen. „Angst ist wichtig, um zu überleben“ – Anblick der Schlucht setzt Angst bei den Die Interventionsmöglichkeiten sind Der Extremkletterer Thomas Huber Studenten frei. Wie gehen die Teilnehmer groß. Auch beim Einsatz gegen die schildert der SportSirene seine Ängste des Seminars mit ihrer Angst um und Angst. Die SportSirene hat den Sport- am Fels in einem Interview. welche Grenzen lernen sie dabei psychologen Hartmut Gabler bei bei sich kennen? seiner Arbeit begleitet. 44:47 48:51 52:55 SportSirene 03|2009 08 : 09

Heimvorteil für Manoa Drollet. Keiner wirkt in Teahupoo so beherrscht und entspannt wie der 30-jährige Tahitianer. Er kennt die Welle in- und auswendig. Trotzdem kann er sie nie beherrschen. Aber er hat sich selbst unter Kontrolle.

Sie sind so groß, dass der Beobachter klein vor Ehrfurcht wird. Es gibt Menschen, die sich diesen Wellen aussetzen: Big-Wave-Surfer. Extremsportler, „Anyone can do it!?“ die sich von Jet Skis in Wellen ziehen lassen, die zu Big-Wave-Surfer zwischen Leben und Tod, groß sind, um sie aus eigener Kraft anzupaddeln.

Augenblick und Ewigkeit Autor: Henner Thies, Bilder: Billabong XXL Haben diese Sportler den Verstand verloren? Sind sie lebensmüde? Haben sie keine Angst? Die Belharra, Cortes Bank, Cyclops, Dungeons, Ghost SportSirene suchte Antworten auf diese Fragen – Tree, Jaws, Shipstern Bluff, Todos Santos, Teahupoo. unter anderem in einem Gespräch mit dem Big- Das sind einige der größten Wellen der Welt. Wave-Surfer Manoa Drollet (Tahiti). SportSirene 03|2009 10 : 11 „Man stelle sich eine Welle vor, die für alle Ende der Straße“ erfüllt sich Laird Hamil- Stress auslösen.“ Für Drollet geht es da- und mich physisch auf möglicherweise auf- »Your preparation makes größten Tubes ab, die in Teahupoo jemals Wellen der Schöpfung Modell gestanden tons Traum von der perfekten Welle. rum, „die Angst zu beherrschen, nicht da- tretende, gefährliche Situationen vorzube- gesurft wurden. „Surfen ist eine Kunst und hat. Eine Welle, die aus der Tiefe auftaucht rum keine Angst zu verspüren! Ein Mensch reiten.“ Mit der Zeit merkte Drollet, dass es all the difference in the out- zugleich ein Sport, den ich als Polynesier wie eine sich aufrichtende Kobra, an dem Aufnahmen dieser „Millennium-Wave“ ver- ohne Angst kann nicht mutig sein!“ Zu den ihm „mehr Spaß und Befriedigung bereite- come.« sehr genieße und schätze. Surfen gab mir Punkt, an dem die überwältigende und be- schlagen uns den Atem. Man bestaunt nicht schwierigsten Dingen für Drollet gehört es, te“ sich in „Extremsituationen zu pushen“. die Möglichkeiten, mich kennenzulernen, drohliche Dünung von Süden her auf eine nur die Ausmaße der Welle. Man fragt sich, „herauszufinden, wovor man Angst hat und Drollet sieht dies als eine Art Selbsterfah- Heute ist der 30-jährige Drollet einer der mich immer wieder auf die Probe zu stel- unterseeische Mauer von Feuerkorallen wie es einem Menschen möglich sein soll, sich dann zu entscheiden, ob es sich lohnt, rung: „Man bekommt die Möglichkeit, sich begnadetsten Dompteure in der Big-Wave- len und einen gesunden Lebensstil in stän- trifft. Wenn sich der gesamte Pazifische Oze- einem solchen Monster zu entkommen. Wer sich damit auseinanderzusetzen, oder ob selbst zu erforschen und zu entdecken. Ich Arena von Teahupoo. Das war nicht immer diger Verbindung zur Natur zu pflegen.“ an mit aller Wucht gegen dieses Hindernis kommt auf die Idee, sein Leben einer solch man es eher meiden sollte. Ich habe tie- kann mich noch gut an meine ersten großen so: „Als gebürtiger Tahitianer bin ich mit Was geht in ihm vor, wenn er ein solches wirft, wird das Wasser aus dem Riff geso- Ehrfurcht gebietenden Macht entgegenzu- rische Angst vor Schlangen, also halte ich Tage als Teenager erinnern, an denen ich Wellen groß geworden. Sie haben mich Ding reitet? „Wenn ich eine verrückte Wel- gen, der Meeresspiegel senkt sich extrem stellen? Lähmt die Angst nicht alle Sinne? mich fern von ihnen. Es ist eine Urangst, eine mich fragte, warum ich nicht einfach zu immer fasziniert und geängstigt. Ich wollte le reite, bekomme ich einen unglaublichen ab. Die Welle rollt sich in Zeitlupe auf und Phobie. Die Angst, die man vor großen Wel- Hause geblieben bin, um normale Dinge zu sie unbedingt reiten, also lernte ich sie ken- Adrenalinstoß. Es macht süchtig! Darüber bildet eine ebenso hohe wie tiefe Höhle, »I couldn‘t accept it!« len hat, ist die Angst vor dem Unbekannten. tun, genau wie andere Kinder auch. Dieser nen, sammelte Erfahrungen und lernte von hinaus ist es eine enorme Befriedigung für

Safety first. Pete Cabrinha auf der Flucht vor einer 70 Fuß hohen Wasserwand vor Jaws auf Maui. Sein Hossegore, Frankreich: Der Franzose Vincent Lartizien Mike Parsons ist ein weiterer Vertreter der Big-Wave-Garde. 105 Meilen von der kalifornischen Küste ent- Tow-In-Partner beobachtet die circa 80 km/h schnelle Fahrt Cabrinhas von seinem Jet-Ski aus. auf Europas größter Welle – Belharra. fernt, mitten im Pazifischen Ozean befindet sich Cortes Bank. Parsons war an einem der gewaltigsten Tage genau dort, wo er seiner Meinung nach hingehört. eine Kathedrale aus Licht und Wasser, in Seit Laird Hamiltons Jahrhundert-Welle jagt Sie ist normal und gesund. Hochenerge- Moment schockierte und frustrierte mich ihnen, bis ich mich schließlich in der Lage mich, das zu erreichen, was ich mir vorge- die manchmal ein erleuchteter Wellenreiter im Big-Wave-Surfen ein Rekord den an- tische Systeme sind Angst einflößend, wenn zugleich. Ich konnte das nicht akzeptieren. fühlte, sie, egal wie groß, sicher reiten zu nommen habe. Durch ständiges Lernen und gleitet, um am heiligen Ort die Suche nach deren. Die Natur ist Rekorden gegenüber man sie nicht versteht! Große Wellen sind Es brachte mich dazu, noch härter zu trai- können.“ Drollet erkennt eine Entwicklung, Sammeln von immer neuen Erfahrungen es der perfekten Welle abzuschließen. Sie ha- gleichgültig. Trotzdem fühlen sich Extrem- etwas, das ich mittlerweile verstehe und an nieren, weiter zu beobachten und zu lernen, die ihn zu den großen Wellen geführt hat: schließlich zu schaffen, die Angst zu besie- ben sich entschieden, das eigene Leben surfer wie der Amerikaner Laird Hamilton, das ich mich gewöhnt habe.“ bis ich so weit war, diese Wellen sicher und gen, sie nicht zwischen mich und mein Ziel der Perfektion Teahupoos entgegenzustel- der Hawaiianer Shane Dorian oder der mit einem guten Gefühl im Bauch zu rei- „Ich bin nicht etwa eines Tages aufgewacht kommen zu lassen, fühlt sich großartig an! len.“ Dieser Beschreibung der berühmten Tahitianer Manoa Drollet von ihr herausge- »With enough knowledge ten.“ Drollet findet, dass der Ritt auf großen und habe entschieden: ab heute reite ich Sich in solch einem kraftstrotzenden System Welle Tahitis durch den Surffotografen Tim fordert. Was für ein Verständnis von Angst to be safe, those situations Wellen „mit dem nötigen Hintergrundwis- große Wellen! Das kam vielmehr mit der zu entfalten, ist mehr als aufregend!“ McKenna ist nichts hinzuzufügen. haben diese Männer? get quite entertaining and sen recht unterhaltsam ist, vor allem aber Zeit. Ich glaube, das Vermögen und die macht es frei.“ Inzwischen ist er froh, dass Begabung, große Wellen zu reiten, resul- Manoa Drollet hat entschieden, sich seinen »It‘s a challenge!« »I get satisfaction doing liberating. Evolving in such er sich den Wellen gestellt hat: „Ich glaube, tiert hauptsächlich aus harter Arbeit, Er- Ängsten zu stellen und gelernt, seine Emo- what I said I was going to a powerful system is very meine Entscheidung, mich meinen Ängsten fahrung und dem Wissen der Älteren.“ tionen zu kontrollieren. Er führt dies auf sein Teahupoo hat das moderne „Big-Wave-Sur- exciting.« zu stellen, wurde zu einem großen Teil von Angstbewältigung durch Arbeit, Erfahren Training und die Vorbereitung zurück. Wer fen“ revolutioniert. Es ist Montag, der 17. Au- do. Not letting fear get meinem Umfeld und meinen Freunden be- und Zuhören? Manoa Drollet macht uns gut vorbereitet ist, hat weniger Furcht: „Es gust 2000, als Laird Hamilton, einer der Pi- in the way of my goals Die meisten Menschen – auch diejenigen, einflusst.“ Mut. „Generell glaube ich schon, dass jeder ist eine Herausforderung! Ich habe gelernt, oniere des modernen Tow-In-Surfens (Anm. feels great!« die Angst vor Schlangen haben – würden die Fähigkeiten in sich trägt, seine Ängste dass man sehr gut vorbereitet sein muss, d. R.: Tow-In-Surfen bezeichnet das Surfen sich eher einer Boa nähern als einem flüs- »I didn‘t wake up one day zu überwinden, auch wenn das stark von um mit anspruchsvollen Situationen umge- von Wellen, die zu groß sind, um sie aus Manoa Drollet weiß das Gefühl der Angst zu sigen T-Rex. Wie kommt Drollet dazu, sich der Persönlichkeit abhängt und von Person hen zu können. Deine Vorbereitung macht eigener Kraft anzupaddeln. Die Surfer las- beschreiben: „Zum einen kann es sich bei in Wellen, so groß wie ein Basketballfeld zu and decided to ride big zu Person unterschiedlich ausfällt. Mentale am Ende den Unterschied!“ Manoa Drollet sen sich von motorisierten Jet Skis an einer Angst um das schlichte Misstrauen gegenü- stellen und zu behaupten, er habe sich da- waves. It came with time. Stärke ist eine Frage von Wissen, Erfahrung, liebt, was ihm einst Angst machte. Aber das langen Leine (Tow) in die Wellen ziehen), ber dem Unbekannten handeln. Zum ande- ran gewöhnt? „Als ich anfing, größere Wel- The ability comes mostly Fitness und Kondition. Wenn du all das hast, bedeutet nicht, dass wir es auch so halten die Welle reitet, die als „Millenium Wave“ ren um die plötzliche Gewahrwerdung, sich len zu reiten, war ich ein überdurchschnitt- musst du nur noch die Risiken abwägen, müssen. in die Annalen der Surfgeschichte eingeht. in einer Situation zu befinden, die meine lich guter Surfer. Ich vertraute auf meine from work, experience and wissen, was du willst und los geht’s!“ Der Eine Welle, die monströs und gewaltig, per- physische und mentale Integrität aufs Spiel Fähigkeiten. Alles, was ich tun musste, war knowledge.« Big-Wave-Surfer muss es wissen, denn er „Anyone can do it!“ soll heißen: Was man fekt und unwirklich ist. Mit Tahitis Welle „am setzt. Sie kann lähmend wirken oder aber mich mit dem Umfeld vertraut zu machen hat es erlebt. Erst kürzlich ritt er eine der tun kann, kann man auch lassen. 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© imago

Die Angst steht ihm ins Gesicht geschrieben. Bei jedem Boxkampf muss sich Ansgar Brinkmann (li.) und Dexter Langen mussten erleben, wie wenige Zentimeter vor ihnen eine Leuchtrakete einschlug. Jürgen Brähmer (re.) den Angriffen seiner Gegner stellen. Hier weicht er im Kampf Beim Zweitliga-Spiel Dynamo gegen Energie Cottbus am 5. Dezember 2005 versetzte das Wurfgeschoss aus dem Cottbuser um den Weltmeistertitel im Supermittelgewicht vor Schlägen seines Gegners Fanblock die beiden Dynamo-Akteure kurzzeitig in Angst und Schrecken. Mario Veit ängstlich zurück. SportSirene 03|2009 ZoomSirene 14 : 15

Jeder kleine Fehler kann im Alpinen Skisport zu Stürzen mit schweren Verletzungen führen. Äußerste Konzentration vor dem Start ist daher nicht nur für Massimiliano Blardone Pflicht. Der Skirennläufer muss sich vor jedem Lauf die Gefahren des Hanges ins Bewusstsein rufen. SportSirene 03|2009 ZoomSirene 16 : 17

Der „große Wall“ ist beim Deutschen Springderby in eine besondere Zuschauerattraktion. Der Sprung aus Würfe im Handball erreichen Geschwindigkeiten von mehr als 120 Kilometer pro Stunde. Die deutschen Nationalspieler drei Metern Höhe verlangt sowohl von Pferd als auch von Reiter einige Überwindungskraft. Auch für Marco Kutscher, Medaillengewinner Christian Schwarzer und Oliver Roggisch (re.) stellten sich bei der Weltmeisterschaft 2007 mutig den Bällen des Gegners in den Weg. bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen, ist dieser Sprung eine Herausforderung. A_SIDS 05.03.2009 14:34 Uhr Seite 1

18 : 19 Stiftung Sport in der Schule in Baden-Württemberg Wir bewegen was

„Zweck der Stiftung ist die Förderung sportpädagogischer Vorhaben im Bereich des außerunterrichtlichen Schulsports in Baden-Württemberg.“

© Baumann

Partner und Förderer:

Die Angst des Torwarts. Nur wenige Zentimeter trennen den Keeper von Poseidon Hamburg vom Cannstatter Jürgen Rüdt (weiße Kappe). Mit hochgerissenen Armen wartet er, um blitzschnell auf den Wurf reagieren zu können.

Das Familien-Mineralwasser. SportSirene 03|2009 20 : 21

Grabesstille: Der deutsche Radsport liegt im Sterben. Zahlreiche Rundfahrten und Mannschaften haben sich in den vergangenen Monaten aufgelöst. Darunter leiden vor allem die Radrennfahrer am unteren Ende des Profigeschäfts.

Während der talentierte Radrennfahrer Nico Keinath nach oben will, befindet sich seine Sportart auf einer rasanten Talfahrt. Autor: Johannes Knuth , Bilder: imago, Florian Hopp

Ohnmacht auf dem Friedhof

Noch bevor die erste Frage fällt, ist das Interview beinahe vorbei. Im selben Jahr vereinbart sein Teamchef Hartmut Täubler eine Ko- Denn als Nico Keinath die Restauranttür öffnet, saust ein Junge samt operation mit dem deutschen Profiteam Gerolsteiner. Fortan darf Bobbycar auf ihn zu. Keinath springt zur Seite. Er lässt den Nach- Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer den jungen Keinath wuchspiloten ins Leere sausen wie ein Torero den Stier. Seine Wan- in seiner Mannschaft einsetzen, ohne dass Keinath im Team ange- gen sind rot von der Tübinger Kälte. Oder vom Schreck? Keinath stellt ist. Stagiaire nennt man einen solchen Fahrer. Ende Juli erhält © imago setzt sich. Er ist 21 Jahre alt und erzählt von seiner Radsport-Karrie- Keinath einen Anruf von Gerolsteiner. Er soll das traditionsreiche re, die bald beendet sein könnte, bevor sie richtig angefangen hat. Erfurter Rennen „Rund um die Hainleite“ fahren. Zwei Wochen spä- ter rollt Keinath über die Erfurter Straßen, zum ersten Mal im hell- Nico Keinath ist zehn Jahre alt, als der 23-jährige Radrennfahrer blauen Profitrikot. Jan Ullrich die Tour de France gewinnt. Ullrich stürmt die steilen Pyrenäen-Pfade so schnell hinauf, dass keiner seiner Konkurrenten Keinaths Weg ins Profigeschäft scheint vorgezeichnet. Er fährt in mithält. Wenige Tage später, während der Schlussetappe nach Pa- der Bretagne, in Kroatien, in Asien. Im Februar 2008 nimmt er mit ris, findet bei den Keinaths in Tübingen ein Straßenfest statt. Die Er- seinem Ista-Team an der Tour de Langkawi, einer berühmten Rund- wachsenen haben auf der Straße ein Fernsehgerät aufgebaut. Sie fahrt in Malaysia teil. Vor der Schlussetappe durch Kuala Lumpur wollen nicht verpassen, wie Ullrich als erster sperren die Veranstalter eine Autobahn, um Deutscher die Tour de France gewinnt. Die- den begeisterten Fans alle Fahrer in einem sen Sieg stellt Nico Keinath elf Jahre später in Autokorso vorzustellen. Im Rennen ist Keinath Frage: „Einen Tour-Sieg sauber zu fahren, das Einen Tour- umgeben von Radfahrern, die ihren Lebens- geht nicht“, behauptet er. Doch an diesem unterhalt als Angestellte bei großen Rennstäl- Julitag des Jahres 1997 ahnt der junge Nico Sieg sauber len verdienen – bei Ag2r, Crédit Agricole nichts von den dunklen Schatten des Rad- oder Bouygues Télécom. Er weiß, dass er sports. Schon bald interessiert er sich für Jan zu fahren, das bald dazugehören wird, denn Hans-Michael Ullrich und den Radsport. Holczer, der Teamchef von Gerolsteiner, hat geht nicht. ihm gesagt: „Du brauchst dich nicht umschau- Vier Jahre später bestreitet Nico sein erstes en. Du kriegst einen Profivertrag von uns. Ver- Radrennen im württembergischen Wendels- lass dich auf mich.“ heim – auf dem Rennrad seines Onkels. Er wird Siebter. Als er das Rennen im Jahr darauf Neun Monate später holt Keinath seine rest- als Zweiter beendet, fragt ihn ein Vertreter des Tübinger Radsport- lichen Ersatzteile aus dem Gerolsteiner-Lager in Herrenberg ab. vereins, ob er nicht Lust hätte, im Verein zu fahren. Nico hat Lust. Die Profimannschaft Gerolsteiner gibt es nicht mehr. „Tut mir leid“, Schon bald ist er im Landeskader, dann sogar im Nachwuchs-Nati- sagt Holczer. Intensiv hat der Herrenberger nach einem neuen onalteam. Im Jahr 2006 unterschreibt der 19-Jährige einen Vertrag Hauptsponsor für seinen Rennstall gesucht, nachdem Gerolsteiner beim Amateurteam „Ista“. Er kriegt ein Rennrad gestellt und muss sein Engagement gekündigt hatte – vergeblich. weder Ersatzteile noch Trainingslager bezahlen. Weil er nun auch zur Sportfördergruppe der Bundeswehr gehört, steht er finanziell Die Erfolge von Stefan Schumacher und Bernhard Kohl bei der Tour Abenddämmerung: Nach den jüngsten Dopingfällen auf eigenen Beinen. „Da habe ich zum ersten Mal geglaubt, dass es de France, sie zählen nicht – denn die beiden Gerolsteiner-Fahrer geht nicht nur im deutschen Radsport langsam das Licht aus. © imago zum Profi reichen könnte“, sagt Keinath. sind bei ihren Siegen gedopt. Das schreckt Sponsoren ab. SportSirene 03|2009 22 : 23

Nico Keinath ist verärgert und verunsichert. Doch nach ein paar Fälle“, sagt er. Das Fernsehen benutze die Dopingfälle, um am Rad- Tagen schaut er optimistisch nach vorne. Er wird einfach ein wei- sport ein Exempel zu statuieren. teres Jahr beim Team Ista verbringen, für das er schon seit vier Jahren fährt. Irgendwann wird sich schon etwas ergeben. Im Oktober 2008 rollt das Unheil wie eine Lawine über den Rad- sport hinweg. Mit dem Fernsehen verlassen auch Geld, Sponsoren Zwei Monate später klingelt Keinaths Telefon. Ista-Teamchef und die Zuschauer den Radsport. Keinath hat Angst. Er hat noch Hartmut Täubler sagt ihm, dass „Ista“ sich aufgelöst hat. Zwei Spon- immer keinen Arbeitgeber. Die Kader der verbliebenen deutschen soren sind kurzfristig abgesprungen, am 20. Oktober 2008 steht Rennställe sind voll, die Lizenzierungsunterlagen verschickt. Mitte Nico Keinath ohne Mannschaft auf der Straße. November läuft Keinath die Zeit davon. Die Radsport-Landschaft, in der er sich bewegt, erscheint ihm wie ein Friedhof. Ein Rennveran- Am Abend des Anrufs versucht er seinen Schock zu verdrängen. stalter nach dem anderen muss seine Rundfahrt zu Grabe tragen. Er trifft sich mit Freunden, sie gehen in Tübingens größte Disco, um Darunter ist auch das älteste Ein-Tagesrennen Deutschlands, „Rund den Frust wegzufeiern. Nach einer Woche greift Nico Keinath zum um die Hainleite“, wo Nico Keinath seinen ersten Auftritt im Gerol- Telefonhörer. Die Suche nach einer neuen Mannschaft beginnt. steiner-Trikot gefeiert hatte.

Während er sucht, schleichen sich Angst und Zweifel bei ihm ein. Es hat lange gebraucht, aber jetzt, wo sich die Tür zur nächsten Die Angst kommt langsam und nagt dann immer mehr an ihm. Als Saison langsam schließt, sitzt ihm die Existenzangst im Nacken. Sie er die ersten Gespräche mit Teams führt, denkt er. „Die zahlen aber lähmt ihn. Das ist eine Angst, die er nicht kennt – ganz anders als die wenig. Das können sie gleich vergessen, für so wenig Geld fahre ich in einem Massensprint, bei dem den Zuschauern und manchmal Ach, du bist nicht mehr.“ Es dauert, bis ihm klar wird, dass fast alle Radsport- sogar dem Radrennfahrer Nico Keinath der Atem stockt. Im teams finanziell am Abgrund stehen. schlimmsten Fall verhakt man sich beim Vordermann, stürzt und Radfahrer. schleppt sich mit ein paar Schürfwunden ins Ziel. „Das ist eine Nach ein paar Tagen erhält Keinath die Nachricht, dass ein Angst, die einen anspornt“, sagt Keinath. Die Teamsuche spornt ihn Mit oder ohne zahlungswilliges belgisch-irisches Team an ihm interessiert sei. überhaupt nicht an. Die zieht ihn runter. Ein Verbindungsmann stellt den Kontakt zur Teamleitung her. Als Doping? Keinath sich zum ersten Mal persönlich in Belgien meldet, sagt ihm die Teamführung, dass er für sein Engagement kein Geld bekom- Bergetappe: Nico Keinath kämpft um seine Profikarriere. men werde. Also wieder nichts. Keinath bleibt eigentlich nur ein Ausweg – der Weg ins Ausland. Keinath ist frustriert. Obwohl er eine starke Saison gefahren ist und Nach drei Wochen erfolgloser Suche hat Keinath noch einen Trumpf zahlreiche sportliche Referenzen gesammelt hat, muss er um seine im Ärmel. Der heißt Dany Hirs, ist Teammanager einer Mannschaft sportliche Zukunft bangen. Ohne die Auflösung des Gerolsteiner- aus Schweizern und Italienern und will Keinath unbedingt für sein Teams, ohne die zahlreichen Dopingfälle würde sich Keinath mitt- Team verpflichten. Vom sportlichen Programm der Schweizer ist lerweile „Radprofi“ nennen, mit einem hohen Jahreseinkommen. Keinath schnell überzeugt. Allein bei der Gehaltsforderung ist er Die Mannschaften, mit denen er nun verhandelt, können oder wol- vorsichtig geworden. Er fragt sich: „Wenn das mit den Schweizern Seit Oktober studiert Keinath Sportmanagement an der Universi- len nicht viel zahlen. „Ich konnte denen ja noch so viel erzählen – nicht klappt, was mache ich dann?“ Hirs akzeptiert seine erste For- tät Tübingen. Weil es ihm „zu blöd“ war, in der Winterpause nur die boten einfach nicht mehr“, erinnert sich Keinath. derung sofort. Vier Wochen nach der Auflösung des Ista-Radteams „rumzuhängen“. Noch betrachtet er die Universität nicht als Karrie- treffen sich Keinath und Dany Hirs in einem Bahnhofskaffee in Schaff- reoption. Noch setzt er auf die Karte Radsport. Dessen Ruf verfolgt Keinath ist sauer. Auf Radprofis wie Lance Armstrong, der trotz ei- hausen. Keinath unterzeichnet einen Einjahresvertrag. Sein Grund- ihn bis an die Universität. Als er einem Kommilitonen von seinem ner positiven A-Probe wieder für die Tour de France trainiert. Auf gehalt ist nicht viel höher als der BAföG-Höchstsatz. Nur mit guten Leben als Radrennfahrer erzählt, fragt der ihn: „Ach, du bis Radfah- Jan Ullrich, der seine Dopingvergehen trotz erdrückender Beweise Platzierungen kann Keinath zusätzliche Prämien einstreichen. Sein rer. Mit oder ohne Doping?“ leugnet. Sie haben Keinaths Situation erzeugt. neuer Arbeitgeber ist ein drittklassiges Continental-Team, genau wie sein ehemaliges Team Ista. Er ist immer noch Amateur. Aber er Die laufende Saison wird zeigen, ob Keinath auch weiterhin mit Das gilt auch für Stefan Schumacher, den Hoffnungsträger für einen ist gerade noch untergekommen. seinem Sport Geld verdienen kann. Keinath denkt ans Aufhören, sauberen Radsport. Doch Schumacher wurde während der Tour de und diesmal ist es etwas anderes als 2007. Damals, nach einem France 2008 die Einnahme der Ausdauer fördernden Dopingsub- Andere Fahrer bleiben auf der Strecke. Während seiner Zeit bei glänzenden Einstand in der Männerklasse, nahm Keinath an einer stanz „Cera“ nachgewiesen. Der Fahrer leugnet bis heute, das Mit- Gerolsteiner freundet sich Nico mit Sven Kraus an. Kraus, 25, ist Rundfahrt in Italien teil. Bei der ersten Etappe verlor er zehn Mi- tel eingenommen zu haben. Mittlerweile bereitet sich Schumacher schon zwei Mal die Tour de France und vier Mal den Giro d’Italia nuten auf die Führungsgruppe. Nach der Zieldurchfahrt setzte er auf die neue Saison vor. Das bringt Nico Keinath in Rage: „Der soll gefahren. Auch er muss sich eine neue Mannschaft suchen. sich frustriert ins Auto und wollte sofort ins Hotel. Bloß weg von einfach still sein und aus dem Radsport verschwinden. Wenn der jetzt Keinath steht neben Kraus, als der einen Anruf vom Team Milram der Rennstrecke. Bloß weg vom Radsport. Aber das war vorüber- wieder fährt, nimmt er dem Radsport den letzten Rest an Glaub- erhält, der letzten verbliebenen deutschen Profi-Equipe. Es ist gehend. Er ist nicht acht Jahre lang früh ins Bett gegangen, hat sich würdigkeit.“ Kraus´ letzte Chance. Er erhält eine Absage. Natürlich könnte Kraus gesund ernährt und mehrere Stunden am Tag trainiert, um seinen für ein drittklassiges Team fahren, ein Mannschaftskamerad von Traum vom Profisport so schnell aufzugeben. Schumacher hat es geschafft, die schon zweifelnden Fernsehsen- Nico Keinath werden. Doch wer die Karriereleiter hinaufgeklettert der ARD und ZDF endgültig zu vergraulen. Ab nächster Saison ist, will nicht mehr zurück. Auch auf die Gefahr hin, dass da keine Doch wenn die Sponsoren den Radsport weiter meiden, wird es wird die Tour de France nicht mehr bei den Öffentlich-Rechtlichen Leiter mehr ist. für Keinath ernst. Er redet vom Fahren am Existenzrand, er redet gezeigt. Die Fernsehsender wollen mit ihren Gebühren keine Do- von Vernunft. „Wenn ich sehe, es macht keinen Sinn mehr, dann muss pingsünder mehr finanzieren. Das versteht Keinath trotzdem nicht, Vor Kurzem kündigte der Milchlieferant Milram an, sein Engage- ich einen Schlussstrich ziehen“, sagt er. Er sieht das ziemlich nüch- so sehr er auch die Dopingsünder verurteilt: „ARD und ZDF haben ment beim letzten deutschen Profi-Rennstall im kommenden tern für einen 21-Jährigen. Aber hinter dieser nüchternen Aussage mehr Dopingkontrollen gefordert, mehr Kontrollen haben sie be- Herbst zu überprüfen. „Wenn die auch aussteigen, ist der Radsport steckt mehr. Es könnte das Fazit von einer oder gar zwei verlorenen kommen. Wenn dann mehr kontrolliert wird, gibt es mehr positive in Deutschland endgültig kaputt“, weiß Keinath. Radsportgenerationen sein.  SportSirene 03|2009 AktionsSirene 24 : 25 Hilft Autorin & Bilder: Simona Della Penna Selbstverteidigung gegen die Angst vor Angreifern? Fast alle Frauen haben schon einmal von diesen Tricks gehört. Den Schlüssel in die Augen des Angreifers stechen, in den Unterleib treten,

Ziemlich unangenehm für den Angreifer! Mit einem gezielten Griff ins Gesicht Fest im Griff – was nun? Kräftig ziehe ich mein Kinn auf die Brust am Ohr ziehen. Doch in Wirklichkeit stehen wir, wenn es drauf ankommt, drückt Trainer Karlheinz feste in die Augen, presst die Nase zu Boden und findet und blockiere so den Angreifer. vor lauter Schock wie angewurzelt da. Weil es meistens dann passiert, den richtigen Nerv. wenn wir am wenigsten damit rechnen. Und bis wir unseren Schlüssel in der Tasche gefunden haben, ist der Täter längst über uns hergefallen. ein, aus den Boxen ertönt Musik der achtziger Jahre und los geht das schon. Deshalb möchte ich die Würge-Übung mit dir demons- es mit einem kleinen Fitnessprogramm. Wir gehen auf der Stelle, trieren. Stelle dir vor, du wirst gegen die Wand gedrückt und der wir hüpfen auf und ab, wir schwingen unsere Beine nach links und Angreifer schlingt seine Hände um deinen Hals. Fangen wir an! Du rechts. Statt wie bei Meister Tan Do fühlte ich mich jetzt wie in der spielst den Gegner.“ Er zieht mich auf die Matten und ich packe ihn Wie schützen wir uns also? Aerobicstunde. Zuletzt kommen Kräftigungsübungen und Sit-Ups. am Hals. „Fester“, brüllt er. „Wir wollen uns zwar nicht verletzen, Dann beginnt das eigentliche Selbstverteidigungstraining. aber meine Leute wissen, was Schmerzen bedeuten und der An- Damit sich Frauen in gefährlichen Situationen schützen können, gibt greifer soll das auch wissen“, erklärt er mir. „Wenn es dir zu sehr es mittlerweile ein großes Angebot an Selbstverteidigungskursen. Wie falle ich richtig? weh tun sollte, klatsche einfach mit der Hand auf die Matte“, fügte Doch helfen mir diese Kurse wirklich? Die Realität ist ja kaum mit ei- er hinzu. Als ich seinen Hals fest zwischen meinen Händen zusam- ner Übung zu vergleichen. Werde ich mich danach sicherer fühlen? Fallschule: Die Mitglieder der Gruppe lassen sich nach rechts, links, mendrücke, zieht er sein Kinn kräftig auf seine Brust, so bekommt Um Antworten auf meine Fragen zu bekommen, habe ich beschlos- vor und zurück fallen. Jedes Mal, wenn sie auf den Boden stürzen, man mehr Luft. Dann ergreift er meinen Arm, reißt seine Hüfte und sen, einen Selbstversuch zu starten. Durch Recherche im Internet gibt es einen dumpfen Knall. „Tut das nicht weh?“, frage ich be- Schultern mit Schwung nach links. Unverzüglich stellt er sein Bein bin ich auf die „Anti-Terror-Kampf-Gruppe“ von Trainer Karlheinz sorgt. „Nein, überhaupt nicht“, antworten mir alle gleichzeitig. Dann hinter meins und mit einem kräftigen Zug zieht er mich zu Boden. gestoßen. Nach einem Telefongespräch mit dem Trainer bekam ich nimmt mich der Trainer an die Hand und erklärt mir, dass ich, wäh- Schließlich umklammert er mich mit seinem Schenkel, drückt mir die Erlaubnis, an einem Training seiner Selbstverteidigungsgruppe rend ich falle, die Beine anziehen soll. So sei der empfindliche Ge- seine Fingern in meine Augen, presst meine Nase zu Boden und teilnehmen zu dürfen. nitalbereich geschützt, falls der Angreifer auf mich eintreten sollte. findet eine Stelle an meinem Kinn, an der ein Nerv sitzt. Immer Außerdem soll ich mein Kinn auf die Brust nehmen, um meinen fester greift er zu, bis ich vor Schmerz meine Hand auf die Mat- Der Selbstversuch beginnt Kopf vor dem Aufprall zu schützen, meinen Arm in einen 45 Grad te klatsche. „Jetzt weiß ich, was Schmerzen bedeuten, besonders Winkel ausstrecken, damit ich mir nicht die Schulter breche und wenn der richtige Nerv getroffen wird“, denke ich. Später erzählt Ich fahre also montagabends nach Dußlingen zu einem Sportzen- beim Aufprall mich kräftig vom Boden abdrücken, um weicher auf mir Karlheinz, dass zum Programm der Anti-Terror-Kampf-Gruppe trum, wo das Training immer stattfindet. Ich ziehe mich um und gehe zukommen. „Verstanden, Simona?“, fragt mich der Trainer. Ich nicke auch Informationen über bestimmte Nervenpunkte und ihre Wir- in die . Mich begrüßen ein Mädchen, ein Junge und Trainer und zack bekomme ich einen Stoß. Wie war das noch? Erst Arme kungen gehören. Karlheinz – alle tragen einen schwarzen Anzug mit gelber Kralle oder Beine, ach und mein Kinn nicht vergessen! Doch bevor ich auf dem Rücken. An den Händen tragen sie schwarze Handschuhe mich und meine Gedanken ordnen kann, knalle ich auf dem Boden Alles eine Frage der Übung und an den Füßen dünne schwarze Schlappen. Um ihre Hüften ver- auf. Ich rieche das Gummi der Matten und denke: „Puh, gut, dass schiedenfarbige Gürtel, gelb, grün und schwarz. Ihr Outfit erinnert es nicht der Asphaltgeruch ist, der mir in die Nase steigt.“ Im Anschluss versuche ich mich auch aus den Zwängen meines mich an Ninja-Filme. Gegners zu befreien. Doch es klappt nicht auf Anhieb. Statt meinem Wie entwische ich den Armen Kollegen Andi Schmerzen zuzufügen, schmunzelt er eher über Unerwartet von hinten! So wehren wir uns, wenn der Angreifer von hinten packt. Zunächst bauen wir eine quadratische Fläche aus lauter kleinen, meines Gegners? meine Anstrengungen. Zum Schluss demonstrieren mir Andi und viereckigen Matten, ähnlich wie beim Judo. Dann stellen wir uns in Daniela die Pflichtübung zum Bestehen eines Gürtels und wir ver- zwei parallelen Reihen hintereinander auf und begrüßen uns, in- Als Zweites stehen sogenannte „freie Techniken“ auf dem Pro- abschieden uns wieder durch eine Verbeugung. dem wir die Hände zusammenschlagen und uns vor dem Trainer gramm. Mit ihrer Hilfe kann man sich aus den Armen des Gegners verbeugen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich im richtigen Kurs befreien – besonders, wenn der Angreifer körperlich überlegen ist. Ich habe den Eindruck, dass solche Techniken hilfreich sein kön- bin. Erwartet mich statt Selbstverteidigung nun doch eine neue Karlheinz schaut zu mir rüber. Ich ahne, was auf mich zukommt. nen. Doch ich werde viel Übung brauchen, um gegen einen Angrei- Variante japanischer Kampfkunst? Dann legt der Trainer eine CD Dann sagt er „Komm Simona, du bist dran. Meine Schüler kennen fer wirklich gewappnet zu sein.  SportSirene 03|2009 26 : 27 Text und Bilder: Julian Glonnegger und Justus Wolf

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im Sport ist für mich … Patricia Stefani (22 Jahre) Handball Martin Kutscher (24 Jahre) Schwimmen Patrick Sieger (23 Jahre) Judo (bis (2. Bundesliga), Aufstieg in die 1. Bundes- (100 m und 200 m Freistil), Teilnahme an 66 kg), 5-facher Deutscher Meister, 7. Platz Um Einblicke in die Gefühlswelt von Spitzensportlern zu bekommen, liga 2006/2007 den Olympischen Spielen 2004 in Athen bei den Olympischen Jugendspielen und 2008 in Peking für Uruguay wissen, was sie mit Angst im Sport verbinden. „Im Sport selbst darf man keine Angst „Angst hat jeder – auch jeder Sportler. haben wir neun herausragende Sportler und Sportlerinnen der Universität haben – jedoch macht man sich ab und zu „Bei meiner verletzungsarmen Sportart Nur wie wir damit umgehen, unterscheidet Tübingen zu unserem aktuellen Thema befragt. Wir wollten von ihnen unschöne Gedanken über schwere Ver- würde ich nicht von Angst sprechen. Ich uns. Dies entscheidet auch über Sieg und letzungen und deren Konsequenzen.“ habe aber großen Respekt vor der Laktat- Niederlage.“ belastung auf der 200 m-Strecke.“

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Julia Hochmuth (21 Jahre) Schießen Falco Ruppert (24 Jahre) Mountainbike Denise von Eynatten (21 Jahre) Marius Broening (25 Jahre) Leichtathle- Nico Keinath (22 Jahre) Radsport Felix Lobedank (24 Jahre) Handball (Pistole), 5-fache Deutsche Meisterin, WM- (Downhill), 5. Platz bei den Deutschen Leichtathletik (Stabhochsprung); Deutsche tik (100 m), Teilnahme an den Olympischen (Straße), 2008: Sieger Nachwuchstrikot (1. Bundesliga), Aufstieg in die 1. Bundes- Sechste und 4-malige EM-Teilnehmerin Meisterschaften 2007 und 23. Platz bei den Juniorenmeisterin 2008 Spielen 2004 in Athen und 2008 in Peking, Tour de Bretagne, Sieger Züri Metzgete, liga 2005/06 Europameisterschaften 2007 5. Platz 2006 bei der EM, 7. Platz 2007 bei Stagiaire im Team Gerolsteiner „Die Angst vor Misserfolg. Zu versagen „Obwohl ich sonst eher der ängstliche Typ „Angst, wie ich sie aus dem Alltag, aus der WM mit der Deutschen 4x100 m-Staffel und die Leistung nicht abrufen zu können, „Angst ist für mich ein unnötiges Hinder- bin, verspüre ich beim Stabhochsprung „Vor allem Existenzangst. Dass man dem privaten Bereich kenne, ist im Sport die ich eigentlich erbringen kann.“ nis. Ängste hat man nur, wenn man etwas keine Angst – höchstens Angst vor dem „Ich bin ein positiv denkender Mensch – trotz guter Leistungen nicht mehr fehl am Platz. In meinem Sport kann man nicht durchblickt. Wenn man die Sache Versagen.“ dennoch mache ich mir Sorgen über Ver- vorwärtskommt.“ eher von Respekt, zum Beispiel gegenüber aber versteht, wird aus Angst Respekt und letzungen. Davon hängt alles andere ab. dem Gegner sprechen. Das Thema Ver- man kann seine Leistung, egal in welchen Leider bin ich an der hinteren Ober- letzungen ist natürlich auch immer prä- Situationen, abrufen.“ schenkelmuskulatur sehr anfällig.“ sent.“

SportSirene 02|2008 SportSirene 03|2009 Autor: Julian Glonnegger Bilder: imago 28 : 29 Auch knapp elf Jahre nach der schrecklichen Tat hat Nivel mit den Folgen zu kämpfen. Gehen und Sprechen fallen dem heute 54-Jährigen schwer. Er hat keine Erinnerung „Ruhe bewahren an den Vorfall in Lens. Auf Videoaufnahmen, die von den und Kontrolle Tätern selbst stammen, waren Brutalität und Unmensch- lichkeit des Überfalls unverkennbar. Der französische behalten!“ Gendarm liegt am Boden, als ihn die etwa 20 Hooligans Am 21. Juni 1998 wurde der französische Polizist Daniel Nivel mit Tritten gegen den Kopf an den Rand des Todes treten. am Rande des Vorrundenspiels der Fußball-Weltmeisterschaft Diese Videoaufnahmen verschlagen dem Betrachter die Deutschland gegen Jugoslawien von deutschen Hooligans brutal niedergeschlagen. Der zweifache Familienvater erlitt schwerste Sprache und machen den Sport vergessen. Gehirnverletzungen und war wochenlang in Lebensgefahr.

Catania, knapp neun Jahre nach bislang nicht gegeben. Trotz- Kategorien freundlich (grün), den Ereignissen in Lens. Am Basta! dem denken Vereine und Poli- fair (gelb) und feindlich ge- 2. Februar 2007 brennen Au- Diese Aus- zei über das Thema Gewalt und stimmt (rot) eingeordnet. „Na- tos, Rauchbomben und Steine Fußball nach. türlich gibt es immer wieder fliegen, Tränengas, flüchtende schrei- Ausnahmen, aber grundsätzlich Menschen. Es ist wie im Bür- „Das ist für uns inzwischen Rou- können wir uns an den gewon- gerkrieg. Mittendrin die Polizei. tungen tine.“ Guido Passaro, Einsatz- nenen Daten orientieren“, sagt Nicht zu fassen, dass es nur um leiter der Stuttgarter Polizei, Guido Passaro. ein Fußballspiel geht. töten schaut gelassen auf das bevor- stehende Bundesliga-Spiel zwi- An diesem Samstag also „grün“. In der italienischen Serie A emp- unseren schen dem VfB und Bo- Die Gladbacher Fans gehören in fängt Catania Calcio den US russia Mönchengladbach. Dies der Liga zu den friedvollen, sie Palermo. Anlässlich früherer Sport! ist nicht der einzige Fußball- haben keine schlechten Bezie- Begegnungen der beiden sizi- Einsatz der Stuttgarter Polizei. hungen zu den Anhängern des lianischen Clubs gab es Ausei- Neben dem VfB Stuttgart wollen VfB. Dennoch rückt die Stuttgar- nandersetzungen zwischen den auch deren Amateurmannschaft ter Polizei mit einer guten Hun- Anhängern und zahlreiche Ver- sowie die Stuttgarter Kickers in dertschaft an. letzte. Was sich am 2. Februar der neu gegründeten Dritten 2007 aber abspielte, brachte den Liga betreut werden. Die Lage rund um die Stuttgar- italienischen Fußball zum Ste- ter Arena ist entspannt. Auch hen. Filippo Raciti, Chefinspek- Es ist 13.30 Uhr. Noch zwei eine Stunde vor Spielbeginn tor der Polizei von Catania, wur- Stunden bis zum Anpfiff des ers- gibt es für die Polizei kaum et- de bei einem Einsatz nach dem ten Spiels der Rückrunde der was zu tun. Hier und da ein paar Spiel verletzt. Er war von einem Bundesliga in der Stuttgarter Schlachtrufe einzelner Gruppen, aus den Stadiontoiletten he- Mercedes Benz-Arena. Langsam dennoch wird die Lage an die- rausgerissenen Waschbecken aber sicher gehen die ersten sem Spieltag wie erwartet ruhig getroffen worden und starb im Fans Richtung Stadion. Es ist ru- bleiben. Für Guido Passaro und Garibaldi-Krankenhaus eine hig. Die Polizei ist präsent, mehr seine Leute eine erfolgreiche Stunde, nachdem er eingelie- auch nicht. „Unser Einsatzge- Woche, denn bereits vier Tage fert worden war, an den Folgen biet sind die Straßen rund ums zuvor ging das DFB-Pokalspiel eines Leberrisses. Der Spiel- Stadion“, erklärt Guido Passaro. des VfB gegen die ungelieb- betrieb wurde vorübergehend Heute sei ein ruhiger Arbeitstag ten Bayern aus München ohne eingestellt, die Sicherheitsaufla- zu erwarten. VfB gegen Glad- Zwischenfälle über die Bühne. gen für die maroden und baufäl- bach ist ein „Grünspiel“, eine „Hier handelte es sich um ein

ligen Stadien wurden verschärft. Gedenktafel für den Polizisten Begegnung mit geringem Risi- Derby. Da geht es um die Vor- Für den 40-jährigen Polizisten Filippo Raciti, der bei Fanausschreitungen kofaktor. herrschaft im Süden. Deshalb ist Raciti kam das zu spät. „Basta! nach dem sizilianischen Derby in dieser Partie immer beson- ums Leben kam. Diese Ausschreitungen töten Passaro: „Seit Jahren werden die dere Brisanz“, so Passaro. Die unseren Sport“, sagte der Bra- Spiele und das Verhalten der Bayern gehören zur Kategorie silianer Kaká, Spielmacher des Fans rund um die Begegnungen „rot“. Erfreulich für die gut 500 AC Milan. dokumentiert und ausgewertet. Einsatzkräfte am letzten Diens- So erstellen wir vor jeder Saison tag, dass es auch gegen die Im deutschen Fußball hat es der- Prognosen.“ Dabei werden die Bayern zu keinen ernsthaften artige Auseinandersetzungen gegnerischen Fanlager in die Zwischenfällen kam. SportSirene 03|2009 30 : 31

In der Vergangenheit hat sich die gefährlich werden können Karlsruhe oder auch Frankfurt“, bereits an der Anreise zu Aus- gezeigt, dass auch in Stuttgart bzw. sind. Doch dank der Er- sagt Passaro. Keine wärtsspielen zu hindern.“ etwas passieren kann. fahrung unserer Einsatzkräfte ist die Situation nicht eskaliert“, Teile dieser Frankfurter Anhän- Sonder- Angesprochen auf das teils an- Vor gut einem Jahr, am 23. Feb- berichtet Passaro. Erfahrung ger haben bei deutschen Ord- behand- gespannte Verhältnis zwischen ruar 2008, gastierte der Karls- ist für die Polizei im Umgang nungshütern einen schlechten Fans und Polizei lächelt Passaro: ruher SC in der Landeshaupt- mit Fußball-Fans ein entschei- Ruf. Rund um die Stadien fallen lung „Wir kennen diese Bilder. Aber stadt. Diese Paarung gehört zu dender Faktor. In heiklen Situa- sie immer wieder durch Gewalt wir bleiben da locker. Das ist den brisantesten Auseinander- tionen, in denen Emotionen und auf. Auch für Guido Passaro ist für Kolle- einfach die Trotzhaltung man- setzungen und birgt jedes Mal Alkoholeinfluss der Fans eine der Tag, an dem die Eintracht cher Leute, die Ursache und Risikopotenzial. Außerhalb des Rolle spielen, müssen die Be- in Stuttgart spielt, ein kritischer: ginnen. Wirkung verwechseln. Denn Stadions kam es nach der Partie amten Ruhe bewahren und die „Bereits zum dritten Mal in Folge wir handeln nur, wenn es auch zu teils heftigen Schlägereien Kontrolle behalten. In speziellen spielen die Frankfurter während einen Anlass dazu gibt. Dann zwischen den Lagern. Gegen- Übungen werden sie daher des Frühlingsfestes in Stuttgart. natürlich konsequent. Aber mit stände flogen. Bereits im Stadi- auf ihre Einsätze vorbereitet. Das macht für uns die Aufgabe solcher Kritik können wir gut le- on hatte es Zwischenfälle gege- „Es gibt beispielsweise in der natürlich um einiges schwerer.“ dass Angst bei unseren Leuten ben, denn wir wissen, dass wir ben. Leuchtraketen wurden aufs Ausbildung speziell für solche Passaro weiß, wovon er spricht. keine Rolle spielt“, sagt Passaro. immer nach unserem besten Spielfeld geworfen, bengalische Ereignisse Rollenspiele. Dabei Alle Einsatzkräfte sind spezi- Gewissen vorgehen.“ Feuer gezündet. Die Partie muss- übernehmen Kollegen die Rolle Beim letzten Gastspiel der ell ausgebildet, daher gebe es te für einige Minuten unterbro- des Fans oder Hooligans. Zu- Frankfurter Eintracht hatte Pas- zwischen männlichen und weib- Für Guido Passaro, seine Kolle- chen werden. Die Bilanz: Einige dem wird durch eingespielten saro seinen schwierigsten Ein- lichen Polizisten keinerlei Unter- gen und den Fußballsport ist zu beschädigte Sitze und Toiletten Lärm und Sirenen die richtige satz. Nicht etwa im oder um schiede. „Die Frauenquote liegt hoffen, dass es nur noch „grü- sowie 24 festgenommene Ran- Kulisse geschaffen. Auch Holz- das Stadion, sondern auf dem bei uns so um die 30 Prozent.“ ne“ und „gelbe“ Spiele gibt. dalierer. Beide Vereine wurden klötzchen werden geworfen, um Gelände des Frühlingsfestes. Sonderrollen oder eine Sonder- Auf alle anderen können wir gut vom DFB zu hohen Geldstrafen eine möglichst reale Szenerie Auf dem Wasen. „Die Gäste- behandlung gibt es für die Kol- verzichten.  verurteilt. zu erschaffen“, erklärt Passaro. fans haben sozusagen das hal- leginnen nicht. „Es gibt keine be Festgelände auseinander- spezielle Ausrüstung. Im Einsatz Ein halbes Jahr später kam es Trotzdem schwer vorstellbar, genommen. Als wir dann vor Ort machen wir keine Unterschiede zur Neuauflage des Derbys. Vor dass sich damit der Ernstfall ANgst im Einsatz waren, gab es einige zwischen Mann und Frau“, be- und während des Spiels blieb trainieren lässt. Doch der Stutt- Probleme.“ Er habe erstmals ein kräftigt Passaro. Keiner seiner es vergleichsweise ruhig. Die garter Einsatzleiter versichert: spielt keine mulmiges Gefühl gehabt, gibt Mitarbeiter hat aus Angst oder enorme Polizeipräsenz, ver- „Glauben Sie mir, auch bei Guido Passaro zu. „Wir standen aufgrund der steigenden Belas- stärkt durch eine Reiterstaffel, meiner Ausbildung war es da- Rolle. einer Vielzahl von Frankfurter tung seinen Dienst quittiert. hatte die Krawallmacher vorerst mals so, dass die angehenden Bild 1: Wenn es darauf ankommt, wird Fans gegenüber, die sehr ag- abgeschreckt. Nach dem Spiel Einsatzkräfte bereits nach fünf durchgegriffen: Am Rande des brisanten gressiv waren. Plötzlich flogen Dass sich die Polizei mit ih- Minuten vergessen hatten, dass Warschauer Derbys nimmt ein polnischer kam es zu kleineren Auseinan- Polizist einen Hooligan fest. Stühle. Es herrschte eine ange- rem entschlossenen und er- dersetzungen, die von der be- es sich hier um eine Übung spannte Atmosphäre.“ Haupt- folgreichen Auftreten nicht nur rittenen Polizei aber schnell un- und eigene Kollegen handel- Bild 2: Dortmunder Fans, von der Leis- aufgabe der Polizisten ist in sol- Freunde macht, wird beim Blick te. Insgesamt bekommen wir tung ihrer Mannschaft enttäuscht, haben ter Kontrolle gebracht wurden. eine Sitzblockade organsiert. Sie werden chen Momenten, das durch den in Teile der Fanszene deutlich. Diesmal lautete die Bilanz: neun durchaus eine vergleichbare von der Polizei beobachtet. Körper schießende Adrenalin „Polizei: Ihr macht euch eine Bild 4: Deutsche Fans entschuldigen Festnahmen, 24 Leichtverletzte. Stresssituation hin, in der die und die Gedanken zu kontrol- ganze Generation zum Feind“, sich für das, was ihre Landsleute am Bild 3: Ein Mitglied der für ihre Bruta- Für die Polizei ein recht zufrie- Polizisten wichtige Erfahrungen lieren. Sie müssen sich auf das, teilten Ende der Hinrunde die 21. Juni 1998 dem französischen lität gefürchteten Ultras von Roter Stern Gendarmen Daniel Nivel in Lens denstellendes Ergebnis, „auch sammeln.“ Belgrad attackiert den Zivilipolizisten was sie in den Übungen gelernt Karlsruher Fans auf einem Pla- angetan haben. wenn es das ein oder andere Nebojsa Trajklovic mit einem benga- haben, konzentrieren. „Gut, kat mit. Auslöser für derartige lischen Feuer. Mal schon zu brenzligen Situa- Wie haben die deutschen Poli- dass all unsere Kräfte über eine Aktionen sind die zunehmenden Bild 5: Bereits während des Spiels zwischen Catania Calcio und dem tionen kam“, wie Guido Passaro zisten auf die Ereignisse in Ita- gute Ausbildung und enorm Stadionverbote. Die Vereine US Palermo kam es zu Ausschreitungen sich erinnert. lien reagiert? Bekommen sie viel Erfahrung verfügen“, sagt sprechen diese in Absprache auf den Rängen. Es musste unter- Angst, wenn sie die Bilder aus Passaro. Dieser Vorfall war für mit der Polizei für gewaltbe- brochen werden.

„Gefährliche Situationen kom- Catania sehen? Natürlich seien Passaro, mit seinen gut 20 Jah- reite Fans aus. „Hier helfen uns Bild 6: „Polizei: Ihr macht euch eine men vor. Doch darauf sind wir Vorfälle wie in Catania scho- ren Berufserfahrung, bislang die szenekundigen Kollegen, ganze Generation zum Feind“. Auf gut vorbereitet.“ ckierend, doch „bei uns geht der einzig heikle am Rande die in den jeweiligen Fanlagern solche Aussagen, hier von Fans des Karlsruher SC, reagieren die die Tendenz eindeutig dahin, eines Fußballspiels. undercover für uns arbeiten. So Ordnungshüter gelassen. „Beim KSC-Spiel sahen sich dass die Gewaltbereitschaft gelingt es uns erfreulicherweise ein paar meiner Kollegen einer nicht weiter steigt. Ausnahmen „Ich kann hier natürlich stets immer besser, Hooligans und Bild 7: Karlsruher Fans zünden während des Derbys bengalische Feuer im Fan- Überzahl gewaltbereiter Fans sind eben die sogenannten nur für unseren Standort spre- gewaltbereite Fans aus den Sta- block. Das Spiel wurde unterbrochen, gegenüber. Das sind Momente, „Highrisk-Spiele“ wie VfB gegen chen. Aber ich bin mir sicher, dien zu verbannen bzw. diese die Vereine zur Kasse gebeten. SportSirene 03|2009 PrivatSirene 32 : 33 Der Interview: Christoph Haas Bilder: Sportfoto Baumann

Bild 1: Löwe Luan Krasniqi will seine Boxhandschuhe noch lange nicht an den Nagel hängen – zunächst möchte er Weltmeister werden.

Bild 2: ist noch Einstecken und Austeilen – Luan Krasniqi gegen den US-Amerikaner bei der Universum Championsnight 2007. hungrig!

Schwergewichtler Luan Krasniqi hat in seiner Karriere alles erlebt. Die Höhen und Tiefen des Boxsports kennt er ge- » Ihren Gegnern treten Sie immer mit Respekt gegenüber. Verbale nau. Auf eindrucksvolle Kämpfe des Löwen, wie der im schwäbischen Rottweil lebende Boxer genannt wird, folgten im- Schlagabtausche vor dem Kampf spielen für Sie keine Rolle und auch Infokasten mer wieder schmerzhafte Niederlagen. Letzter Tiefpunkt war die Niederlage gegen seinen elf Jahre jüngeren Stallkolle- in der Öffentlichkeit gelten Sie als einer der höflichsten Kämpfer. Was gen . Im Alter von 37 Jahren will Luan dennoch weiterboxen, um sich seinen Traum, Weltmeister zu denken Sie über Boxkollegen, die Pressekonferenzen vor dem Kampf werden, endlich zu erfüllen. In der SportSirene spricht Krasniqi über seinen Weg zum Boxsport, Herausforderungen seiner bereits als Bühne nutzen? Karriere, Angst und seine Zukunft. Gewichtsklasse: Schwergewicht Größe: 192 cm Da ist viel Show dabei und das ist auch gut fürs Geschäft. Aber ich Geburtsdatum: 10. Mai 1971 bin nicht der Typ, der Show macht und ich will mich auch nicht ver- Geburtsort: () » Sie sind im Kosovo geboren und verbrachten dort Ihre Kindheit. » Wie sind Sie in der Anfangszeit Ihrer sportlichen Karriere mit der biegen müssen. Einige Boxer können das ohne Probleme, ich kann Wohnort: Rottweil Größte Erfolge: Deutscher Meister im Schwergewicht 2001-2002 Seit 1987 leben Sie in Deutschland. Wie kam es dazu? Angst vor Schlägen, Gegnern und Schmerzen umgegangen? es nicht. Europameister im Schwergewicht 2002, 2004, 2005 Interkontinentaler Meister der WBO 2007 Das ist leicht zu erklären. Mein Vater hat als „Gastarbeiter“ in Ich habe gar nicht daran gedacht. Ich wollte mich beweisen, wollte » Wie unterscheidet sich der Mensch Krasniqi von dem Boxer? Deutschland gearbeitet. Meine Mutter ist ihm später gefolgt. Als Erfolg. Und (lacht) Gott sei Dank musste ich nicht viel Angst haben, ich dann meine Grund- und Hauptschule im Kosovo beendet hatte, da ich sehr beweglich und schlagstark bin. Ich wurde also selten In nichts. Ich bin Boxer. Ich verstelle mich nicht. Ich versuche immer 16 Wochen Vorbereitung! konnte ich auch nach Deutschland zu getroffen. Und bei einer K.-o.-Quote der zu sein, der ich bin. meinen Eltern ziehen. von über 80 Prozent hatten die Geg- » Haben Sie Angst vor durch den Boxsport ner auch nur wenig Zeit, mich zu tref- » Bei Ihren Kämpfen haben die Krasniqi-Fans meist die Oberhand. verursachten gesundheitlichen Folgeschäden? » Boxer kommen häufig aus schwierigen Im Ring fen. Inwiefern bekommt man während eines Boxkampfes die Unter- sozialen Verhältnissen. Armut und Ge- steht ein Boxer stützung mit und was bringt sie letztendlich? Nein, davor habe ich keine Angst. Bevor es so weit kommen kann, walt prägten die Jugend berühmter » In Ihrer Karriere ging es auf und höre ich auf. Das größte Gut, das man hat, ist seine Gesundheit. Boxer. Wie war es bei Ihnen? Hatten Sie immer allein. ab. Nach dem Kampf 2002 gegen Ich bin froh, dass mich so viele Leute unterstützen. Das motiviert eine glückliche Kindheit? Saleta, wurden Sie in der Branche mich sehr. Aber im Ring steht ein Boxer immer allein. » Sie haben Abitur. Welchen beruflichen Weg hätten Sie eingeschla- schon zum Psychofall abgestempelt, gen, falls aus der Profiboxkarriere nichts geworden wäre? Oh ja. Ich hatte eine wundervolle Kind- weil Sie aufgaben, obwohl der Kampf » Viele Sportler bestätigen, dass ein gewisses Maß an Angst vor heit. Mein Vater kam ja immer wieder nach Junik und besonders an lange von Ihnen beherrscht wurde. Dann der große Kampf gegen wichtigen Wettkämpfen ein gutes Zeichen ist. Was sagt Ihnen Ihre Ich bin gelernter Großhandelskaufmann. Vielleicht hätte ich damit Weihnachten hatte ich die tollsten Geschenke. Mir hat es an nichts WBO-Champion . Trotz der Niederlage durch tech- Erfahrung aus zahlreichen Schwergewichtskämpfen? Verspüren Sie weitergemacht, oder ich hätte studiert. Ich weiß es wirklich nicht. gefehlt und ich war sehr glücklich. Aber natürlich war ich über- nischen K.o. verstummten alle Kritiker, nach einer strategisch und eher eine stärkende oder lähmende Wirkung durch Angst? Ich bin Profiboxer und das mit Leib und Seele. glücklich, nach Deutschland zu gehen und mit meinen Eltern zu technisch starken Leistung. Denken Sie noch oft über vergangene leben. Armut und Gewalt kenne ich in diesem Sinne nicht. Kämpfe nach und daran, wie Ihre Karriere bei möglichen Siegen ver- Angst ist gut. Aber lähmen darf sie dich nicht. Man muss immer » Was sind Ihre sportlichen Ziele für die nächsten Jahre? laufen wäre? frei atmen können. » Was hat Sie inspiriert, mit dem Boxen anzufangen? Ich habe nur ein Ziel – meinen Traum zu verwirklichen: Hatten Sie ein Vorbild aus dem Bekannten- oder Familienkreis? Über die Vergangenheit zu grübeln bringt nichts. Man muss nach » Sehen Sie ein Problem darin, wenn während eines Kampfes Weltmeister zu werden. vorne schauen. Natürlich analysiere ich Kämpfe. Aber der nächste Angst in Wut umschlägt? Mein Vorbild war immer Mohammad Ali. Aber zum Boxen bin ich Gegner ist wieder anders und auf den muss man sich einstellen. » Wie sehen Sie Ihre Zukunft nach der aktiven Boxkarriere? eher durch Zufall gekommen. Ich wollte eigentlich Leichtathlet wer- Wer wütend ist, kann keinen Erfolg haben. Man muss sich immer den, aber die Laufschuhe waren so teuer, dass ich mich nicht traute, » Welchen Ihrer Kämpfe würden Sie als den bisher einen Weg herausarbeiten können und einen klaren Kopf haben. Positiv. Ich habe viel vor, werde aber sicher dem Sport treu blei- meinen Vater darum zu bitten. Mein Bruder Agim brachte mich auf schwierigsten einschätzen? Deshalb werde ich nie wütend. ben. Wenn ich die Zeit habe, endlich alles umzusetzen, werde ich den Gedanken, doch mit dem Boxen anzufangen. Da wurden die es auch tun. Sportsachen gestellt. Boxen klappte auf Anhieb und schnell feierte Im Schwergewicht sind alle Kämpfe schwierig. Aber vielleicht war » Die mentale Stärke eines Boxers nimmt im Kampf eine be- ich Erfolge. So blieb ich dabei. Mein Bruder hat mich also zum Bo- der WM-Kampf gegen Lamon Brewster der schwerste, weil es da deutende Rolle ein. Haben Sie eine bestimmte mentale Übung, Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für dieses Interview xen gebracht und steht bis heute in meiner Ecke. um das meiste ging: Den WM-Gürtel, den ich so gerne haben will. mit der Sie sich stark machen? genommen haben! 

SportSirene 03|2009 LifeSirene 34 : 35

Mal wieder Weihnachten. und die Unversehrtheit des Inventars unserer ehr- In jedem Winkel des Instituts würdigen Anlagen dar. Manch ein Reifen überlebt Nackte Dein persönlicher verzweifelte Studenten, das nicht. SchweiSSperlen auf der Stirn, Angst im Gesicht. Frustriert wird das gebrochene Sportgerät in die Angst – Ecke gefeuert – Symbol der zerbrochenen Hoff- Sportkalender Gruppen, die aufgeregt diskutieren, leise tu- nungen. Flugs wird zum Band gegriffen. Doch nackte scheln, Blätter rascheln, Köpfe schütteln, abwin- schon nach wenigen Minuten und etlichen Knoten Auf www.sportfoto-baumann.de kannst du deinen ganz persönlichen kende Handbewegungen, Die Gymnastik- und bewegt sich dieses immer behäbiger und bald Hintern: Sportkalender mit deinen Lieblingsbildern und deinem Text zusammenbasteln Tanzprüfung steht bevor. Sie allein ist für einen wickelt es sich gefährlich um das Bein des Sport- und bestellen. Im Format 45 x 47 cm ist der Kalender für alle Freunde des Sports gut trainierten Sportstudenten nur eine Prüfung lers. Vielleicht besser der Ball, aber der hüpft wie unter vielen, doch mit ihr ist der Höhepunkt des verhext quer durch die Halle und macht nie das, Der und der Sportfotografie ein tolles Geschenk – zum Geburtstag, zum Jubiläum, Wintersemesters verbunden: Der Tanzabend. was er soll. Oder womöglich ist das Seil ... Schon als Dankeschön für besondere Leistungen oder einfach für dich selbst. Ein Muss im Leben eines jeden Tübinger Sport- geht der Erste wie zufällig am in der Ecke lie- studenten. Ich hab es schon hinter mir und kann genden Reifen vorbei, nimmt ihn in die Hand und Tanz- Sportfoto-Baumann deshalb entspannt zuschauen, wie es den ande- holt Tape, das eigentlich für die Knöchel gedacht Königsallee 43 ren ergeht. ist. Nun beginnen die Reparaturarbeiten. Wie ein abend 71638 Ludwigsburg Operationsteam, das dem Chirurgen bei der Ar- Tel.: 0 71 41 / 44 00 87 Unablässig werden Lieder gehört, bis die Grup- beit zusieht, versammeln sich alle Trainierenden Autorin: Kim-Kristin Gerbing Fax: 0 71 41 / 44 00 88 pe eines gefunden hat, das alle packt. Aber was um den Reifen herum. Nach dem Eingriff: Fast wie Bild: Sportfoto Baumann E-Mail: [email protected] wird dazu getanzt? Ab in die Halle! Und wird die neu. Vielleicht hoppelt er ein bisschen, aber wo- www.sportfoto-baumann.de Choreographie geheim gehalten? Schließlich möglich passt das ganz gut zur Choreo. möchte jede Gruppe ihre Idee exklusiv haben und einzigartig sein. Überall lauern Spione. Ge- Und dann ist er gekommen. Der Tanzabend. Hin- heimniskrämerei bricht aus. Die Türen der Hallen, ter den Kulissen steigt das Lampenfieber in unge- sonst sperrangelweit offen, sind plötzlich zu. Die ahnte Höhen. Mancher sagt sich: Ein Schlückchen Frage: „Sag mal, was macht ihr so?“, wird mit der Sekt hilft gegen Aufregung. Das gekoppelt mit Gegenfrage beantwortet: „Und ihr?“ dem Scheinwerferlicht und der tosenden Menge und dann ups ... ist bei der Kampfszene der Stab Kurz vor der Prüfung ist die Lage immer ange- doch nicht schützend vor dem Gesicht. Blessuren spannter, wie kriegen wir die Choreo nur bis zum einzustecken hat man schließlich von Anfang an Prüfungstag hin? Die Hallen sind bis oben hin gelernt. belegt und selbst an den Wochenenden geht das Licht in den Hallen nicht mehr aus, der Westein- Doch es passieren Missgeschicke, auf die selbst gang ist immer offen. Also werden zwischen Tür der Härteste nicht gefasst ist. Der Hintern ist, bis und Angel die neuen Ideen ausgetauscht und im auf ein knappes Höschen, das bei jedem Schritt Wohnzimmer ausprobiert. kleiner und kleiner wird, entblößt. Auch hier heißt es: Augen zu und durch. Zwischen den Gruppen, bei denen schon jedes Detail des Kostüms steht, und Einzelkämpfern, Großer Jubel im Publikum. Kleine Pannen gehören tummeln sich immer wieder ein paar, die unko- dazu, jeder Auftritt war großartig und einmalig, die ordiniert die Reifen quer durch die Halle pfeffern. Akteure haben alles gegeben und das Publikum Man muss sich in Acht nehmen. Sie stellen eine begeistert. Die nackten Hintern haben die nackte Gefahr für Gesundheit und Leben aller anderen, Angst souverän aus dem Feld geschlagen. SportSirene 03|2009 36 : 37

Über die Angst vor dem Outing als homosexueller Sportler.

Ja, ich

© Baumann

Wir leben in einer aufgeklärten Gesellschaft. Jeder die sonst als konservativ abgestempelten Politiker darfliebe tun und lassen, was erihn will – auch lieben, … wen einen deutlichen Schritt voraus sind. Gerade der er mag. Die Freiheit eines jeden ist im Grundge- Sport, der sich gerne an neuen Trends orientiert, setz verankert und Homosexualität scheint heute frech und fortschrittlich sein will, muss in diesem kein großes Problem mehr zu sein. Doch wie sieht Punkt hinten anstehen. Muss man als homosexu- die Realität aus? Unsere Hauptstadt Berlin hat ei- eller Sportler Angst haben? Und warum ist schwul nen schwulen Bürgermeister, was von viel Toleranz sein im Sport scheinbar nicht akzeptiert, während zeugt. Aber blickt man auf andere Bereiche des ge- lesbisch sein nichts Außergewöhnliches darstellt? sellschaftlichen Lebens, muss man feststellen, dass Autorin: Felix Czerny Bilder: imago, Sportfoto Baumann SportSirene 03|2009 38 : 39

„Mindestens die Hälfte der Erlebnissen: „Ich wurde teil- Woher kommt diese ablehnen- Doch Felix Engel spricht vielen Mannschaft ist lesbisch“, weise mies beschimpft und de Haltung? Nach Degele liegt aus der Seele, wenn er sagt: erzählt eine U20-Fußball- meine Freundin verließ im da- ein wichtiger Grund im Alltag „Ein Coming-out würde von nationalspielerin und rauffolgenden Jahr die Uni. Es der Jugendlichen. Oft sind Belei- unglaublicher Charakterstär- bestätigt, dass dies aber war für sie dort einfach nicht digungen im Zusammenhang ke zeugen. Ich finde, es sollten kaum ein Thema sei. mehr auszuhalten.“ In Deutsch- mit „Schwulsein“ zu hören: mehr Leute den Mut haben, land, findet Woody, werde mit „Homo“, „Gaylord“, „Homo- sich zu outen!“ Heiko Schaffartzik, Basketball dem Thema entspannter um- fürst“, „Schwuchtel“, „Schwu- A-Nationalspieler, kennt hinge- gegangen. „Die Leute fragen lette“ oder „Popopirat“. Sie Und da ist es, das Hauptprob- gen keine schwulen Mit- oder einmal nach und dann ist das werden sogar in Hollywood- lem: ANGST. Bei vielen Gesprä- Gegenspieler. Heiko spielte o.k. für sie. Ich mag das sehr.“ Produktionen (z. B. „Gaylord chen und Recherchen wurde bereits bei fünf Erstligaverei- Schwule Sportler sind ihr nicht Focker“) verwendet. Aber sind klar: Männer dürfen im Sport nen und in allen Jugendnatio- bekannt, doch glaubt sie, dass Worte derart gewichtig? Be- nicht schwul sein! Aber war- nalmannschaften. Er glaubt, es bestimmt welche gebe. Und nutzt man nicht selbst diese um? Wo liegt der Unterschied dass lesbisch sein im Frau- für diese empfindet sie Mitleid. Begriffe ohne groß darüber zum Rest der Gesellschaft? Es ensport völlig normal sei und „I just feel bad for the guys“, nachzudenken? könnte eine Gewohnheitssache findet seine eigene Erklärung: schließt die Amerikanerin. sein. Und dieser Zustand der „Bereits im Mädchenalter ist es Homoerotische Vorlieben tre- Tabuisierung lässt sich ändern, kein Problem, sich Händchen So sieht das auch Heiko ten bei Frauen im Sport häufi- wenn Männer sich der Angst haltend oder knutschend in der Schaffartzik: „Es ist ein trauri- ger auf, so dass sie als normal stellen und sich öffentlich zu Öffentlichkeit zu zeigen. In der ger Zustand.“ Der in der Haupt- akzeptiert werden. „Am An- ihrer Neigung bekennen. Ein Gesellschaft scheint das aner- Sportler, der in der Öffentlich- kannt zu sein.“ keit steht, wäre prädestiniert, solch einen Schritt zu wagen. Nina Degele, Professorin der Ein Coming-Out würde Warum folgt der Sport nicht der allgemeinen Soziologie und Politik? Klaus Wowereit und Gender Studies von der Univer- Von unglaublicher Guido Westerwelle wagten das sität Freiburg, beschäftigt sich Outing und es scheint nieman- seit Langem mit diesem The- Charakterstärke zeugen. den mehr zu stören, wenn der ma. Der Unterschied zwischen Ich finde, es sollten mehr Berliner Bürgermeister mit sei- Lesben und Schwulen im Sport nem Freund zu einem Empfang ist aus ihrer Sicht eindeutig: Leute den Mut haben, e r s c h e i n t . D i e m ö g l i c h e n F o l g e n „Männer begehen einfach den i m Spor t machen A ngst. Schei n- viel größeren Tabubruch. In sich zu outen! bar zu viel Angst. Das Me- dem Moment, in dem eine Frau dieninteresse, hämische und Fußball spielt, bricht sie das beleidigende Gesänge der erste Tabu, denn Fußball ist Fans und der große Druck ha- in den Augen der Gesellschaft stadt Berlin aufgewachsene fang fand ich es seltsam, aber ben es bisher keinem deut- Männersache. Ist sie dazu noch Basketballer wurde immer wie- inzwischen habe ich mich da- schen Profisportler erlaubt, zu- lesbisch, wird das als logische der mit Gleichgeschlechtlich- ran gewöhnt“, erzählt eine zugeben, dass er Männer liebt. Konsequenz angesehen.“ „Ein keit konfrontiert und bezeich- U20-Fußballnationalspielerin. Dafür braucht man(n) Mut und Mann, der Leistungssport be- net sich als tolerant. Trotzdem Bei männlichen Jugendlichen die Menschheit Einzelperso- treibt, erfüllt das Ideal der meint er, dass ein Bekenntnis ist das Thema ein völliges nen, die ohne Rücksicht auf Männlichkeit, er misst sich mit zur Homosexualität einem Tabu. Im Gespräch mit Talen- persönliche Folgen handeln. anderen und stellt seine Kraft Sportler schaden würde. „Ich ten des Urspringer Basketball- Nur so kann eine gesellschaft- unter Beweis. Schwul zu sein glaube, es würden ihn viele Leistungszentrums ließ sich liche Akzeptanz entstehen. passt überhaupt nicht dazu“, Menschen meiden und einige Überraschendes beobachten. erklärt Degele. Teams unter Umständen sogar Hoffentlich haben schwule nicht verpflichten. Die Chemie Auf die Frage, ob sie sich vor- Sportler bald den Mumm, zu Emily Woody, Basketballpro- innerhalb einer Mannschaft ist stellen könnten, einen schwulen ihrer Neigung zu stehen. Wir fispielerin des Zweitligisten enorm wichtig.“ Mitspieler zu haben, zeigten leben in einer demokratischen, KuSG Leimen, ist US-Amerika- sich alle tolerant. „Man müsste toleranten Gesellschaft. Wann nerin. Sie erzählt von ihrer Zeit In einer Liga, die von konser- sich halt dran gewöhnen“, sagt werden wir homosexuelle Ath- am College im konservativen vativen, ihr „Player-Image“ der 17-jährige Mario Blessing. leten endlich akzeptieren? Bundesstaat Montana. Die Be- pflegenden US-Amerikanern „Solange er hart spielt, wäre es Wann werden sie keine Angst © imago ziehung zu einer Mitspielerin dominiert wird, ist ein Be- mir egal“, schränkt Ben Brei- mehr haben müssen? Vielleicht hielt sie geheim, bis sie ihren kenntnis zur Männerliebe kei- ling ein. Einer der Spieler gibt wäre es schon so weit. Was fehlt, Collegeabschluss in der Ta- ne intelligente Idee. Man(n) zu: „Ich ekele mich vor Schwu- scheint für Außenstehende nur

Der© britische Baumann ehemalige NBA-Basketballer John Amaechi hat sich zu seiner Homosexualität bekannt. sche hatte. Das späte Bekennt- würde sich selbst Steine in den len und ich will mit Schwulen ein kleiner Schritt, für die Be- Damit ist er der erste NBA-Star, der seine sexuelle Orientierung öffentlich diskutiert. nis führte zu einschneidenden Karriereweg legen. absolut nichts zu tun haben“. troffenen ist er umso größer.  SportSirene 03|2009 40 : 41

Der Körper ist eingeölt Der Körper ist entwässert. Ein Blick in den Spiegel: Sieht gut aus. Muskeln und Sehnen sind sichtbar. Viele Muskeln. Der Mann ist bereit, auf die Bühne zu gehen. Wäre da nicht das, was keiner sieht. Es geht im Inneren vor: Die Angst vor dem Wettkampf, vor dem Versagen, die alles lähmt. Auch die gröSSten Muskeln. Der Kampf gegen die Angst ist der erste Wettkampf, den ein Athlet gewinnen muss. Ge- winnt die Angst, war die Schinderei umsonst. Verwunderlich, dass ein Mann mit einem so gewaltigen Körper so verwundbar ist. Doch selbst Bodybuilder haben Angst, oder ist die Angst gerade bei ihnen besonders groSS?

Autorin: Tamara Steinmetz Bilder: imago, Thomas Lorez

Der Muskeltest - damit beginnt Thomas Lorez seine Behandlungen.

Christian Billinger hatte schon immer den Traum, der Größte und Sportler mit schwachen Nerven sind „Trainingsweltmeister“. Sie und Verhaltensmuster werden unbewusst erzeugt. Dies ist eine Stärkste zu sein. Darum hat der gebürtige Schweizer früh begon- versagen in Drucksituationen und schöpfen ihr Potenzial nicht aus. Muskeln befinden Schutzreaktion des Körpers. Jeder hat schmerzvolle Erinnerungen nen, dieses Ziel zu verwirklichen. Mit zehn Jahren begann er zu trai- Sie bringen im Training bessere Leistungen als im Wettkampf. „So aus der Kindheit und Pubertät, niemand möchte jeden Tag an sie nieren, seit 36 Jahren geht der 46-jährige Billinger auf Wettkämpfe. etwas macht einen fertig“, sagt Billinger „wenn man genau weiß, sich in einer erinnert werden. Erinnerungen, an die wir uns nicht erinnern wol- Da sollte doch eine gewisse Routine und Wettkampfhärte entstan- man kann es viel besser, aber diese Leistung im Wettkampf nicht len, werden unbewusst gespeichert. Obwohl uns diese Ereignisse den sein. Doch jahrelang gehörte der Bodybuilder zu denen, die abrufen kann.“ der Vergangenheit nicht mehr bewusst sind, beeinflussen sie unser trotz vieler Wettkämpfe Angst vor dem Auftritt hatten. UNtrennbaren Verhalten. Eine Technik, die Sportkinesiologen anwenden, um an Es gibt Sportler, die sich mit ihrer Wettkampfangst abfinden. An- die unbewussten Muster heranzukommen, ist der Muskeltest. Da- Wettkämpfe sind für Sportler Stresssituationen, in denen physiolo- dere gehen zu einem Psychologen. Christian Billinger dagegen Wechselbeziehung mit sollen individuelle Blockaden gefunden und gelöst werden. gische und mentale Prozesse ablaufen. Dazu gehören ein erhöhter arbeitet seit Februar 2008 mit Thomas Lorez zusammen, einem Blutdruck und Puls und die gedankliche Auseinandersetzung mit Sportkinesiologen. Lorez, der in Liechtenstein lebt, sucht die Grün- zu den Emotionen. Im Mittelpunkt der Arbeit von Sportkinesiologen steht die Musku- der sportlichen Aufgabe. Diese Prozesse sind hilfreich, weil sie die de von Bewegungseinschränkungen, für Leistungsschwankungen latur. „Muskeln befinden sich in einer untrennbaren Wechselbezie- natürlichen Alarmreaktionen des Körpers für die Aufgabe aktivie- und mentale Probleme wie etwa die Wettkampfangst in der feh- hung zu den Emotionen“, erklärt Lorez und „Muskeln geben stets ren. Der in Alarm versetzte Körper stellt Energie bereit und befindet lenden Muskelbalance. Manche Muskeln sind schwach oder schal- eine ehrliche Antwort darüber, was im Unterbewusstsein vor sich sich in einem Zustand hoher Aufmerksamkeit. Zum Problem wird ten sich komplett ab. Je mehr Muskeln dies tun, desto schwächer geht.“ Beim Muskeltest arbeitet Lorez am liebsten mit dem Ober- die Stressreaktion, wenn sie, wie bei Billinger, zu heftig ausfällt, die die Gesamtleistung des Sportlers. Oft sind mentale Faktoren, etwa armmuskel, der Arm wird seitlich in Schulterhöhe ausgestreckt und Gedanken sich nicht mehr mit der Aufgabe beschäftigen, sondern Versagensängste, für die fehlende Muskelbalance verantwortlich. vom Sportkinesiologen leicht nach unten gedrückt. Getestet wird nur noch mit der Angst. Das kann einem Sportler wie Billinger den „Etwa 85 Prozent dieser Dysbalancen haben ihre Ursache im Unbe- dabei nicht die Kraft, sondern die Reaktion des Muskels auf einen Sieg kosten. Vor allem bei der engen Leistungsdichte unter pro- wussten und sind nur mit speziellen Techniken zugänglich“, erklärt Reiz. Das kann ein Gedanke, eine Aussage, ein Bild oder Musik fessionellen Bodybuildern. Die besten haben die gleichen körper- Lorez die Schwierigkeit. Jahrelang blieben Billinger seine Versa- sein. Der Reiz soll den Probanden an die zu untersuchende Situ- lichen Voraussetzungen. Umso wichtiger ist die mentale Stärke, vor gensängste unbewusst, er bekam nur die Auswirkungen in Form E æ ä ation erinnern. Billinger sollte beim Muskeltest an das Gefühl vor allem sie entscheidet über Sieg oder Niederlage. von Wettkampfangst zu spüren. Viele unserer alltäglichen Denk- dem Wettkampf denken. Ein Muskel kann bei diesem Test „stark“ SportSirene 03|2009 42 : 43 Christian Billinger (rechts): Vize- Europameister im Schwergewicht 2008 – dank der Sport- kinesiologie!?

Muskeln stehen bei Kinesiologen im Mittelpunkt: Sie geben ihnen Aufschluss darüber, was im Unbewussten vor sich geht.

sondern auf einem Bein steht und die Arme vor dem Körper ver- Muskeln schränkt.

Christian Billinger ist kein Trainingsweltmeister mehr, sondern wur- geben stets de im vergangenen Jahr Dritter beim Mr. Universum-Wettkampf, Zweiter bei der Europameisterschaft und Erster beim Swiss Cup. eine ehrliche „Dass ich mich in einer so ausgezeichneten Form befinde, verdan- ke ich Thomas Lorez und seinen speziellen Trainingsmethoden“, Antwort erzählt er. Lorez hat ihm nicht nur geholfen, seine Wettkampfangst zu überwinden, sondern auch ein Trainingsprogramm zusammen- gestellt. Dabei setzt Lorez auf stressfreie Muskeln. Um zu wachsen, darüber, was brauchen Muskeln alle Energie. Lorez versucht, mit dem Muskeltest die Ursachen von Energieblockaden zu erkennen. Nachdem bei im Unterbe- Billinger die mentalen Blockaden gelöst wurden, schöpfte er sein Potenzial aus. „Am Anfang war ich von diesen neuen Methoden wusstsein vor nicht ganz überzeugt. Heute muss ich aber sagen, es ist das Beste, was mir passiert ist. Ich finde mich in der Form meines Lebens.“ Und für einen Schwergewichtler bedeutet das: 5 Prozent Körper- sich geht. fettanteil bei einem Gewicht von 103 Kilo.

Die Sportkinesiologie gilt seit ihren Anfängen in den 60er Jahren als Pseudowissenschaft. Der amerikanische Chiropraktiker Geor- ge Goodheart stellte damals erste Theorien auf, nach denen ge- schwächte Muskeln die Ursache für Schmerzen seien. Heutzutage wird die Sportkinesiologie von Kritikern als Esoterik bezeichnet. „Beim Muskeltest können Fälschungen auf Seiten des Kinesiologen, aber auch des Klienten aufkommen“, kritisiert Sportpsychologe © imago Dr. Bernd Stiegel. „Der Kinesiologe kann mit seiner eigenen Mus- kelkraft das Ergebnis so beeinflussen, wie er es gern hätte. Er kann oder „schwach“ reagieren. Ein starker Muskel hält dem Druck, Die linke Gehirnhälfte steuert die Bewegung und empfängt die sozusagen bestimmen, ob der Muskel seines Klienten ‚schwach’ der auf ihn ausgeübt wird, stand, ein schwacher Muskel gibt nach. Meldungen der rechten Körperseite. Die rechte bekommt die Infor- oder ‚stark’ reagiert.“ Auch der Klient kann das Ergebnis mit sei- Der Muskeltest dient daher als Biofeedback. Nach dem Muskeltest mationen über die linke Seite. Beide Hälften sind weder in ihren Fä- ner eigenen Muskelkraft beeinflussen. Beides kann unwissentlich wird mit speziellen Übungen für Körper und Geist die physische higkeiten noch in ihrer Organisation identisch. Links werden Wahr- geschehen. Dann wird aus der Kinesiologie ein Placebo. Für Stie- und mentale Koordination optimiert. Sportkinesiologen nennen nehmungen digital und logisch erfasst und daraufhin wird abstrakt gel „ist nicht nachvollziehbar, dass jeder Kinesiologe werden kann. das: „Zusammenspiel der linken und rechten Gehirnhälfte zu ver- und zielgerichtet gehandelt. Die rechte Gehirnhälfte dagegen ist Man braucht keine Vorbildung oder Voraussetzung, allein das In- bessern.“ „Wir müssen beide Seiten in Balance bringen. Dieses nonverbal und ganzheitlich orientiert. Sie erfasst Dinge analog, in- teresse genügt.“ Die Sportkinesiologie kann sicher nicht jedem Gleichgewicht erzeugt Konzentration und dadurch Leistungsfähig- tuitiv, gefühlsorientiert und kreativ. So kann es schon mal sein, dass à © E ¹ Sportler helfen. Kinesiologe Lorez sagt es so: „Das Verfahren kann keit“, erklärt Lorez. bei den Kinesiologen ein Bodybuilder nicht nur Gewichte stemmt, nur denen helfen, die daran glauben.“  SportSirene 03|2009 44 : 45

------, nur mit unserer Grenzgän Einfalscher . Sie bezwingen , aber auch in an Ohne Ohne Hilfsmittel und immerSuche aufder Thomas und Alexander ge Alexander und Thomas wissen, welche Rolle für sie die die sie für Rolle welche wissen, Ängste am Hang extremste Felswände Deshalb wollte das Redaktionsteam der

kommandos. Das Unglaubliche ist, dass nach circa einem Monat Arbeit, nach etlichen Besteigungen der Wand man in einen Bewegungsfluss reinkommt und alles wie von selbst geht. Man fliegt regel Die Die Huberbuam hören zu den besten Bergsteigern Wände in nur wenigen Stunden wofür andere Tage brauchen. So brachen sie z. B. 2007 den Im anSchnelldurch Speedrekord der „Nose“. lauf bezwangen sie den Berg in2 Stunden und 45 sindMinuten. Sie gerade mal imLebensgefühl ger nach dem eigenen Limit. Kaum jemand ande Abgrund dem nahe. so stets ist res ben. SportSirene Angst beim Speedklettern In einem Ge spielt. spräch mit Thomas Huber erfuhren wir mehr über seine Lebensbereichen. deren Wie wichtig ist Klettern für Sie? Es war früher eine Lebensphilosophie und es ist meine absolute Leidenschaft.ein Mittlerweile Mittel, um das ist zu es finden, was ich im Leben suche. Es hilft mir, zum inneren GipfelLeuchten zu am finden, Ende meiner Tage. Es gibt zum viele und Wege einer davon führt über den Berg – ich gehe überden Weg den Berg. fürWar Sie schon immer klar, dass Sie hauptberuflich klettern wollen? Nein, das war eher Zufall. Klettern war zwar schon immer meine große Leidenschaft. Mein größtes Idol war mein und Vater schon als kleines Kind sind mein Bruder und ich an Bäumen hochgeklettert. Später kletterten wir dann am Fels. Wir haben eine ganz normale schulische Laufbahn eingeschla gen. Unser Glück war es, dass Sponsoren auf uns aufmerksam geworden sind. Wir haben dann Vorträge gehalten und festgestellt, dass wir mit dem Klettern gut Geld verdienen können. Das war es eigentlich, was uns bewegt hat, hauptberuflich Extremkletterer zu werden. macht fürWas Sie den Reiz des Speedkletterns aus? Das Speedklettern ist etwa ganz Besonderes. Es ist eine radikale Form des Kletterns.Team absolut herausgefordert. Da wird Am das Anfang glaubt man zwar, dass es überhaupt nicht möglich ist, weil alles so schwerfällig geht und alles so kompliziert erscheint – die Seiltechniken und die Seil recht die Wand hinauf und das, was am Anfang unvorstellbar war, ist plötzlich realisierbargigantisch! – einfach RolleWelche spielt für Sie beim Freeclimben Angst? Angst ist wahnsinnig wichtig, um zu überleben. Man kann wirklich sagen,Die Angst, Angst die wir ist beim ein Bergsteigen Regulativ. bekommen, unterscheidet sich von der Angst, die der normale Bürger empfindet. Es ist keine lähmende Angst, sondern man ist in der Angst hellwach.sehr schnellMan muss eine Entscheidung treffen, wie z. B. nach links, nach rechts, nach oben oder umdrehen. Das ist beim Bergsteigen oft das Allerwichtigste. Wenn aber die Angst beim Bergsteigen zu einer lähmenden Angst wird, dann ist man schon über dem Limit. Ist Angst ein Hauptgrund, sich neuen und größeren Herausforderungen zu stellen? Nein. Das hat damit überhaupt nichts zu tun. Angst ist ein wichtiger aber Begleiter, es ist nicht die Suche nach der Angst. Es ist die Suche nach einer wahnsinnigen Leidenschaft, die wir in uns tragen oder besser gesagt, die Suche nach dem absoluten Glücksmoment! Zeit und gelten als die weltbesten Sport- und Schritt kann fatale Folgen für die beiden ha Alpinkletterer. Seit frühster sie Kindheit die eigenen Grenzen suchen am Berg. Sie immer und Mut diewieder durch scho ckieren Welt Risikobereitschaft bei atemberaubenden Ak tionen an der Wand. Händen und Füßen erklettern die Brüder seit Jahren Freeclimbing – ein Leben am Limit am Leben ein – Freeclimbing

Verständigung ohne Worte: Die Huberbuam beim Aufstieg am El Capitan.

Kinowelt Filmverleih, Fotograf: Heinz Zak Heinz Fotograf: Filmverleih, Kinowelt Bilder: Penna, Della Simona utorin: A SportSirene 03|2009 46 : 47 - - - - - Sie können auf eine langjährige Erfahrung beim Klettern zurückblicken. sich Hat Ihr Angstgefühl in den vergangenen Jahren verändert? Das Angstgefühl hat sich nicht verändert, aber man ist vorsichtiger geworden. Also Angst wird ja gefüttert durch Erfahrung. Wenn man dann diese Erfahrung über Jahre hinweg aufbaut, entwickelnsich mehr Parameter, die man abrufen kann, wenn man Angst bekommt. So kann man z.entscheiden, B. besser die ob Angst, die man fühlt, begründet ist oder nicht. Das heißt aber nicht, dass man nicht mehr so schnell Angst empfindet. Denn Angst ist immer ein Gefühl, das man hat und man sollte es immer zulassen. Denn viele, die keine Angst haben oder sich beim Bergsteigen überhauptdabei nichts denken, sind gefährlich unterwegs. Ihr Bruder Alexander ist Ihr Partner beim Klettern. Kann er Ihnen Angst nehmen? Mein Bruder ist mein bester Partner und Weggefährte und ich habe absolutes Vertrauen zu ihm.Dennoch kann er mir die Angst nie nehmen. Im Gegenteil, wenn wir beide gemeinsam unterwegs sind, kann uns dieses Angstgefühl gegenseitig helfen. Wenn z. B. Alexander diese Angst zu spüren bekommt, frage ich ihn: „Warum hast du denn Angst?“ Und er antwortet: „Schau mal herhast Thomas, du die Lawine gesehen!“ oder er bemerkt, „da kommen Steine runter, also lass uns nach rechts Grundsätzlichgehen.“ ist es eben so: Ich habe keine Angst, dem vor Abgrund zu stehen! Ich habe keine Angst einer vor 1 000 Meter hohen senkrechten Wand! Wenn ich Angst bekomme, dann in der Situation. Das heißt also, wenn ich wirklich Angst habe, bin ich an der Grenze, es wo extrem gefähr lich wird. Haben Sie schon solch eine extreme Situation erlebt? Ja, das war eine Situation am Shüttling, mir wo fast ein Haken wieder raus gekommen wäre und wenn ich da gestürzt wäre, hätte das fatalste gehabt. Folgen Aber das ist das Unglaubliche – wenn es wirk lich lebensgefährlich wird und diese Ängste da sind, kommt es zu einer absoluten Konzentration. Herr Sie Huber, haben eine Familie, was geht Ihnen dann in solch einer Situation am Limit durch den Kopf? In dem Moment ist die Familie sekundär. Wenn ich in der Situation bin, zählt nur der nächste Moment,der nächste Schritt und das ist auch total wichtig. Wenn ich aber am Anfang Angst habe, z. B. wenn ich unten im Zelt ein schlechtes Gefühl habe, denke ich immer an meine Kinder und esmeine das wert Frau. ist? Ob Ob ich gehen soll? Ich sag mir auch immer wieder, meine Kinder und meine Familie sind die einzige und beste Lebensversicherung, die ich habe. Das hat aber nichts mit Angstsondern das zu liegt tun, daran, dass ich einfach gewisse Dinge hinterfrage. Ich sage es noch mal: Angst ist für uns wichtig! Das passiert in der Situation, direkt an der Wand! Wie gehen Ihre Frau und Ihre Kinder damit um? Zum einen haben sie sich schon daran gewöhnt. Zum anderen haben sie auch Vertrauen zu mir, dass ich im richtigen Zeitpunkt umdrehe. Denn ich gehe nicht um jeden Preis zum Gipfel. Das Neinsagen gehört im Extrembergsteigen zum Wichtigsten überhaupt. Ist die Angst in anderen Lebensbereichen größer als die am Hang? Das sind einfach die ganz alltäglichen Ängste, die man hat. Die Ängste vorm Leben,Umfeld dass was passiert, deinem dass deinen Kindern etwas zustößt. Diese Ängste hat aber die jeder, kann man eigentlich nur bewältigen, indem man sie nicht zulässt. Da muss man so fatalistischselber sein sagen: und „Da wird zu sich schon nichts passieren.“ Dean S. Potter meinte im Film „Am Limit“: „Ich glaube, wir können nur wachsen, wenn wir uns unseren Ängsten stellen. Beim Klettern ist die Angst einfach zu erkennen. In anderen Lebensbereichen ist das schwieriger, in Beziehungen, Freundschaften, in der Liebe, der Familie. Aber wennnur, du dich deinen Ängsten stellst, wächst du daran. Klettern ist eine Ihnen Hat Metapher dafür.“ das Klettern die Angst in anderenLebensbereichen genommen? Nein, das würde ich so nicht sagen. Andere Ängste im normalen Leben sind genauso vorhanden.Wenn z. B. ein finanzieller Engpass hatte war, ich auch Ängste, wie es weitergehen soll. Diese exis tentiellen Ängste habe ich aber normalerweise im Alltag nicht, die hat man eigentlich nur in einer Ex tremsituation. Dennoch hat es sich insoweit verändert, dass früher die Ängste noch lähmend waren. Heute sind die Ängste dazu da, ganz klar kalkulieren zu können, was ich tue. 2007 haben Sie den Rekord an der „Nose“ gebrochen, 2008 die Patago - Es steht den Brüdern ins Gesicht geschrieben – verbissen suchen sie die Herausforderung und kommen dabei oft ans Limit. wand des El Capitan. Einfach atemberaubend! Nur mit einem Seil, Händen und Füßen bezwingt Thomas Huber die Steil

Ein klasse Team: Alexander Huber (links) und Thomas Huber (rechts) am Gipfel der Nose. Nach- dem sie den Rekord an der 1000 m hohen Granitwand des El Capitan im Yosemite National Park in Kalifornien gebrochen haben. SportSirene 03|2009 48 : 49

Es ist ein regnerischer Morgen im August, einer nach dem ande- Psychomotorische Praxis ist eine Pflichtveranstaltung im Rahmen ren trifft am Parkplatz der Uni-Sporthalle ein. Mein Blick schweift in unseres Diplomstudiums. In diesem Fach kann man überraschende, verschlafene Gesichter. Wir warten auf die Entscheidung, ob wir aufbrechen oder auf Grund des trüben und wechselhaften Wetters neue Erfahrungen machen. Der Hohenzollerngraben ist für die meis- alles verschieben müssen. Dozent Patrick entscheidet: wir schauen ten eine komplett neue Erfahrung. uns die Lage vor Ort an. Unser Auto schlängelt sich die enge Straße zum Raichberg hinauf. Die Autos werden am Nägelehaus geparkt und jeder lädt sich die Utensilien für die kommenden Stunden auf. Voll bepackt machen wir uns auf den Weg. Ich laufe auf einem Trampelpfad in der Mitte der Gruppe über eine weite Wiese auf einen Aussichtspunkt am Rand des Hohenzollerngrabens zu. Noch ist die Stimmung entspannt, an einer kleinen Bank mit grandiosem Blick übers Zollernalbtal breiten wir unsere Sachen aus. Das Wetter ist auf unserer Seite.

Bevor wir mit der Lösung der uns gestellten Aufgaben beginnen können, müssen wir uns mit Knoten beschäftigen. Wir versuchen uns an Hand von Eselsbrücken zu merken, wie die Knoten gemacht werden. „Die Schlange taucht aus dem See um den Baum herum und wieder zurück in den See.“

Und dann geht`s los. Wir schultern noch einmal unsere Rucksäcke und folgen einem Trampelpfad zwischen zwei großen Bäumen hin- durch in ein Wäldchen. Bis wir am Rande des Grabens stehen. Er ist 20 Meter tief. Die Gespräche verstummen, für einen Moment ist Die Hohenzollernschlucht. Ein Blick nur das Rauschen der Blätter im Wind zu hören. Mein Blick geht in über die Kante in den Abgrund den Abgrund der Hohenzollernschlucht. der 20 Meter tiefen Schlucht.

Der Bau der Seilbrücke. Zwei aus Hier haben wir den Punkt des Grabens erreicht, an dem wir eine unserem Team befestigen die Seile Seilbrücke bauen werden, über die wir uns zur anderen Seite auf die andere Seite der Schlucht. hangeln werden. Beim Anblick der 20 Meter tiefen und 30 Meter breiten Schlucht wird mir mulmig. Wir sind an der tiefsten und Die angespannte Stimmung löst sich. Wir breiten Seile, Karabiner breitesten Stelle des Grabens. Ich schiebe mich an den Rand vor, und Klettergurte am Boden aus. Patrick stellt uns die erste Aufga- halte mich aber doch lieber an einem nahe stehenden Baum fest. be: die Überquerung der Schlucht. Wir entscheiden uns, aus den Ich kann nicht bis auf den Boden der Schlucht sehen. Ich lehne mich mitgebrachten Seilen eine Seilbrücke zu bauen, die uns über die ein Stück weiter über den Rand und sehe nun abgebrochene mit Schlucht verhilft und wir so die andere Seite erreichen. Wir bekom- A Moos bewachsene und von Laub bedeckte Äste am Boden der men nur den Tipp, welche Bäume zur Befestigung der Seile geeignet Schlucht liegen. sind. Danach sind wir auf uns gestellt. „Wie war das noch … See … Schlange …? Palstek ... Halbmastwurf oder doch Mastwurf? Wel- m „Und da sollen wir drüber?“, höre ich eine Stimme aus der Gruppe. chen Knoten wann für was?“ Puh. In die Leere zwischen den Rändern der Schlucht sind zwei große schlanke Birken hineingewachsen. Sonnenstrahlen dringen durch Wir sind uns schnell einig, wie wir die Brücke bauen wollen. Da- s das Laub und lassen den Boden der Schlucht glitzern. rauf konzentrieren wir uns jetzt. Das Wetter passt sich unserer ei den en F Kopf voraus. Nur noch wenige Züge a bis zum sicheren Boden auf der d Autorin: Kim-Kristin Gerbing anderen Seite. e n Bilder: Andreas Dietrich und Patrick Engel SportSirene 03|2009 50 : 51

Gemütslage an. Mal pfeift uns ein kalter Wind um die Ohren, mal lässt die Sonne die Blätter funkeln. Zwei von uns gehen über einen versteckten, steilen und matschigen Pfad auf den gegenüberlie- genden Fels.

Kaum ist die Brücke fertig, wird allen klar, dass dies der leichtere Teil der Aufgabe war. Nun müssen wir rüber. In einigen Gesichtern kehrt die Angst zurück. Tränen fließen. Ein Gruppenmitglied wird von der Situation überwältigt. Wir stehen hinter der Kommilitonin und sprechen ihr Mut zu. Wir wollen jeden über die Schlucht bringen.

Ihr Klettergurt wird festgezogen, und ich helfe, beide Karabiner in Mit festem Griff klammern wir uns an den Ästen fest die Seile einzuhaken. Sie wischt die Tränen ab und holt tief Luft. und versuchen unsere Angst zu vergessen. Langsam tastet sie sich an den Rand des Grabens heran, immer näher an den Abgrund. Dann kommt die Stelle, an der sie den Kon- Wie kleine Äffchen klammern wir uns an die Äste oder an den takt zum Boden lösen muss und sich auf unsere Seilkonstruktion Baumstamm. Sicher ist sicher. Mit jedem Ast schwindet die Angst verlassen muss. Ihr Leben hängt am seidenen Faden. und irgendwann klettern wir selbstsicher im Baum herum.

Sie zieht sich mit vorsichtigen Zügen über den Abgrund. Auf der Oben ist die Aussicht atemberaubend. Auf der einen Seite sehe ich anderen Seite wird sie von denen erwartet, die es schon geschafft die Bäume an der Schlucht, über die wir uns kurz zuvor hinüber- haben. Sie lächelt, sie ist stolz, die Situation bewältigt zu haben. geseilt haben. Auf der anderen Seite sehe ich eine weite Wiese und die Silhouette der Alb. Der Himmel klart auf und Sonnenstrahlen Jeder von uns geht anders mit der Angst vor dem Graben um. Ei- dringen durch den Baumwipfel. Ich sehe eine Gruppe Wanderer, nige werden still, sind in sich gekehrt, die Augen werden glasig. die über den Baum mit seinen ungewöhnlichen „Bewohnern“ stau- Andere erzählen, was sie beim letzten Fußballspiel erlebt haben. nen.

Nun bin ich an der Reihe. Ich hake meinen Karabiner ein und rut- Auf dem Baum herrscht inzwischen Hochbetrieb. Die einen sind auf sche über die Kante ins Nichts. Mit einem Ruck rutscht die Seilbrü- dem Weg hinauf, die anderen auf dem Weg hinunter. Manchmal hel- cke einen Meter tiefer und ich hänge frei in der Luft. Mit kräftigen fen da nur artistische Verrenkungen. Der eine Fuß am oberen, der Zügen ziehe ich mich bis in die Mitte der Schlucht und genieße andere am unteren Ast, und der Oberkörper um den dazwischen den Augenblick und Ausblick. Auch den nach unten. Dort liegen liegenden herumgeschlungen, versuchen wir uns aneinander vor- Felsbrocken, Äste und jede Menge Laub. Es fühlt sich toll an, über beizuschieben. Unten höre ich einen Aufschrei. Ich sehe runter und der Schlucht an der sicheren Konstruktion zu hängen. dabei Finger, auf die ich mit meinen Stiefeln getreten bin.

Nachdem alle den sicheren Boden der anderen Grabenseite unter Ohne Teamarbeit kommt hier keiner auch nur einen Ast vor- oder den Füßen spüren, breitet sich ein Glücksgefühl aus. Wir haben es rückwärts. als Team geschafft, jeden über die Schlucht zu bringen. Der Abbau der Konstruktion ist einfach, die Schlucht hat ihr Damoklesschwert Ich verstehe nun, wieso Patrick sich eine Matratze mitgebracht, und verloren. es sich auf derselben mit Brot und Käse gemütlich gemacht hat. Nach zwei Stunden betritt der Letzte unseres Teams wieder festen Das war die erste Aufgabe, die wir zu bewältigen hatten. Boden.

Für die zweite Aufgabe bilden wir eine Seilschaft. In kurzen Abstän- Auch die zweite Aufgabe haben wir als Team bewältigt. Nein – nicht den aneinander geseilt sollen wir eine Eiche bis auf 15 Meter Höhe ganz. Mitten in der Aufregung, der Angst und der Freude, ist für erklettern. Patrick legt die mitgebrachte Matratze bereit. Nicht etwa viele von uns unbemerkt ein Mitglied am Boden zurückgeblieben als Sicherung, sondern für ihn, denn die nächsten Stunden verbrin- und hat die Schlaufe zur Seilschaft gelöst. Mit Tränen in den Augen. gen wir auf dem Baum. Die Angst war stärker.

Ich befestige meine Bandschlinge und den Karabinerhaken am Auch das ist eine Erfahrung, lernen „nein“ zu sagen, die eige- Klettergurt, um mich an den Ästen sichern zu können. Ich bin an nen Grenzen kennenzulernen, ein wichtiges Ziel der Erlebnis- dritter Stelle der Seilschaft. Die ersten Meter rufen selbst bei mir, pädagogik.  einem alten Baumhausbesitzer und Obstpflücker, ein Kribbeln in der Magengegend hervor. Der Abstand zwischen den ersten bei- den Ästen ist groß. Ich muss den zweiten Ast ohne Sicherung er- klimmen. Schon bin ich in stattlicher Höhe angelangt. Erlebnispädagogik ist ein ganzheitliches Erzie- hungs- und Bildungskonzept zur Persönlichkeitsent- Diese Hürde zu Beginn der Aufgabe ist für einige von uns schwer wicklung von Jugendlichen und Erwachsenen. Unter zu überwinden. Zwar ist man noch in der Nähe zum Boden, doch anderem arbeitet sie mit Gruppenerfahrungen in der der Abstand zwischen den Ästen verlangt einem alles ab. Und das Natur mit anschließender Reflexion über dasE rlebte. sofort. Man kann sich nicht an die Aufgabe herantasten, sondern Ausgangspunkt ist die Annahme, dass Lernprozesse wird sofort mit der Angst konfrontiert. über Wahrnehmung und Bewegung angeregt werden. Hochbetrieb auf der alten Eiche. Stück für Stück klettern wir bis auf 15 Meter hoch. SportSirene 03|2009 52 : 53 Autor: Jens Leutenecker Prof. Dr. Hartmut Gabler, Sportpsychologe der Rottenburger Volleyballer Bilder: Sportfoto Baumann, imago

Druck, Angst und Hartmut Gabler Hartmut Gabler hat die Beine verschränkt, seine Hände ruhen auf dem Kopf. Eine alltägliche Geste. Bei Gabler steckt mehr dahinter, denn der Tübinger Professor beschäftigt sich haupt- beruflich mit Köpfen. Mit Sportlerköpfen …

Seine Blicke wandern durch den Raum, als ob er ihn nicht kennt. Verlieren des Spiels und die Furcht vor einer schlechten Leistung Gabler erzählt von seinen Erfahrungen im psychologischen Trai- einordnen. Diese Form ist ja jedem Sportler auf Wettkampfniveau ning. Seit fast 40 Jahren arbeitet er mit Mannschaften und Individu- bekannt. Die Furcht vor Versagen oder einer Blamage führt dem alsportlern zusammen. Gabler steht auf und holt einen Ordner aus Spektrum auch noch eine gesellschaftliche Komponente hinzu.“ Er seinem Schrank. „VfB“ steht auf dem Ordner, direkt daneben steht führt als Beispiel eine Biathletin an, die beim Schießen statt aus der einer mit der Aufschrift „Boris Becker II“. liegenden Position aus dem Stand geschossen hat. Eine Blamage vor den Augen der Kameras. Gabler erinnert sich: „1975 war der VfB Stuttgart in Abstiegsgefahr und der neue Präsident Mayer-Vorfelder engagierte mich als psy- Auf die Frage, wie er als Sportpsychologe an ein Problem heran- chologischen Betreuer.“ Er streckt mir ein Bild des heutigen Vize- geht, antwortet Gabler: „Man muss ganz genau herausfinden, was präsidenten der UEFA entgegen. Ein Blick auf die Frisur lässt keine das konkrete Problem ist. Das mache ich mit ausführlichen per- Zweifel: Dieses Foto stammt aus den 70er Jahren. „Das war mein sönlichen Gesprächen.“ Er verweist auf die Biathletin Magdalena erstes Engagement im Profifußball“, sagt Gabler. Neuner, die vor Weihnachten weit unter ihrem Vorjahresniveau ge- schossen hat. „Das hatte aber nichts mit ihrer mentalen Verfassung 32 Jahre später ist Gabler psychologischer Betreuer im Trainerstab zu tun, sie hat sich nur einen Virus eingefangen. Als sie sich wieder der EnBW TV Rottenburg. Die Volleyballer stehen derzeit auf einem von der Krankheit erholte, schoss sie genauso gut wie in den letz- gesicherten neunten Rang von insgesamt 14 Teams. „Mir hat die ten Jahren. Es war also ein rein physisches und kein psychisches Strategie sehr gut gefallen: Ich wollte nicht als Feuerwehrmann die Problem!“ Wogen glätten, sondern langfristig mit der Mannschaft arbeiten, bevor es zu spät ist“, erklärt Gabler. Eine Schützin, die im Training schlecht schießt, wird auch im Wett- kampf normalerweise nicht viel treffen. Erst wenn alle Trainings- Rottenburgs Trainer Hans Müller-Angstenberger erklärt, wie es zu möglichkeiten ausgereizt sind, der Athlet im Training gut und im dieser Kooperation gekommen ist: „Wir haben Hartmut in guten Wettkampf schlecht schießt, kann das psychologische Training ihm Zeiten geholt, da wir wissen, wie wichtig ein Sportpsychologe für helfen, sein Potenzial auszuschöpfen. „Ich hatte einmal einen Sport- die komplette Leistungsentfaltung eines Sportlers sein kann. Mit ler, der hat immer zu schnell und zu hektisch geschossen, wenn er ihm sind wir letztes Jahr dann auch aufgestiegen.“ nervös war. Daraufhin sagte ich ihm, er solle konstant im gleichen Rhythmus schießen.“ Unser Gespräch kommt auf das Thema Angst. „Angst bedeutet im-

© Baumann mer auch Furcht vor …“ sagt Gabler und gibt darauf gleich mehrere Die Bandbreite der Interventionsmethoden ist relativ groß. Da die Beispiele aus der Praxis: „In der einfachsten Form würde ich das Sportler verschieden sind, muss man herausfinden, welche Tech- SportSirene 03|2009 54 : 55 Erfolgreicher Rottenburger Doppelblock Rottenburger Erfolgreicher

© imago niken für den speziellen Fall geeignet sind. Der Spiel einzustimmen: „Auch ein Gegentor ist kein eine Athlet entspannt sich per Muskelentspan- Problem. Dann heißt es Brust raus und nachsetzen.“ nungsmethode nach Jacobson, andere beruhigen sich über die Atmung. „Bei der progressiven Mus- Die von Jürgen Klinsmann während der Fußball- kelentspannung nach Jacobson werden verschie- WM von seinen Jungs geforderte Körpersprache dene Muskelpartien angespannt und nach kurzer hält Hartmut Gabler gerade in Mannschaftssport- Zeit wieder losgelassen. Durch diesen Kontrast arten für wichtig. „Wenn ich als Spieler nach ei- der Muskelspannung nimmt man die eintretende nem Ballwechsel mit gesenktem Kopf über das Entspannung wesentlich intensiver wahr, als ohne Spielfeld trabe, sende ich gleich drei negative Zei- die vorherige Anspannung“, erklärt Gabler. chen: Allein die Tatsache, dass ich nicht motiviert bin, ist ja schon schlecht. Auch die Gefahr, dass Eine weitere Möglichkeit zur Psychoregulation ist meine Mitspieler sich von mir anstecken lassen, es, sich mit gewissen Ritualen von negativen Ge- ist besonders in Sportarten, in denen die Technik danken zu befreien. Vom deutschen NBA-Spieler eine wichtige Rolle spielt, sehr hoch. Und drittens: Dirk Nowitzki ist bekannt, dass er sich in kriti- Man motiviert die Gegenspieler, die sehen, dass schen Situationen an der Freiwurflinie mit Da- man in einer schwachen Position ist.“ vid Hasselhoffs „I’ve been looking for freedom“ in einen Wurfrhythmus bringt. Tommy Welz, der Man merkt Gabler an, dass es ihm Spaß macht, Zuspieler der EnBW TV Rottenburg, konzentriert sich über dieses spannende Feld zu unterhalten. sich zwischen den Ballwechseln immer mit Was er denn von naiven, nicht wissenschaftlichen einem ritualisierten Spruch: „Die Worte ‚nächs- Techniken halte, frage ich ihn. „Es ist äußerst ter Ball, nächster Ball` ist für mich wie ein wichtig, dass sich die Spieler gegenseitig motivie- Mantra geworden. Hier hat mir Hartmut sehr ren. Ein ‚Auf geht’s jetzt!’ oder ein motivierender geholfen. Dieser Spruch zeigt mir selbst, Schlag auf den Hintern vom Mannschaftskame- dass der letzte Ballwechsel abgeschlossen und raden ist absolut hilfreich für die Atmosphäre im nicht korrigierbar ist“, sagt Welz. Team“, sagt Gabler. Er warnt allerdings vor Schar- latanen: „Ein Mentaltrainer für Skispringer hat die Professor Gabler sieht die Herausforderung für Athleten vor dem Wettkampf immer durch ein ro- den Sportpsychologen darin, in Einzelgesprä- tes Zelt mit roter Beleuchtung laufen lassen. Wenn chen die richtigen Methoden herauszufinden, um die Skispringer dann tatsächlich weiter springen, damit mentale Stärke zu trainieren. Auf den Trai- dann kann man das nur auf einen Placebo-Effekt ningsaspekt legt Gabler sehr viel Wert: „Ich kann zurückführen. Das ist nicht wissenschaftlich und nicht im Training ohne Druck schießen und dann kann auf lange Zeit nicht funktionieren.“ erwarten, dass ich im Wettkampf alles treffe.“ Mit Placebos hat es eine eigene Bewandtnis: Mit Deutschland im Juni 2006. Der Mann hat die Ärmel einem Schmunzeln sagt Gabler: „Wenn der Sport- seines nassgeschwitzten Hemds hochgekrempelt. ler an die Methode glaubt, dann bringt auch das Müller-Angstenberger TV Rottenburg-Trainer EnBW © Baumann Er hält eine Ansprache, um seine Mannschaft auf das rote Zelt mit der roten Beleuchtung etwas.“  A_DSS 05.03.2009 14:30 Uhr Seite 1

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Motivation für Sporttalente Wir fördern den außer- unterrichtlichen Schul-

und Wettkampfsport © Baumann und veranstalten mit Augen auf und durch – wenn es im Wildwasserkanal gefährlich wird, müssen die Kajakfahrer, hier die Slovakin JUGEND TRAINIERT Gabriela Stacherova, der Angst ins Auge schauen. Denn der kleinste Fehler bringt nicht nur die Entscheidung über Sieg und Niederlage, sondern auch über die Gesundheit der Impressum FÜR OLYMPIA Sportler in den reißenden Wassermassen.

Ausgabe: Sommersemester 2009 den größten Herausgeber: Institut für Sportwissenschaft Tübingen, Prof. Dr. Helmut Digel Projektleitung: Dr. Verena Burk Chefredaktion: Simona Della Penna, Kim-Kristin Gerbing, Johannes Knuth Redaktionsteam dieser Ausgabe: Felix Czerny, Julian Glonnegger, Christoph Haas, Schulsportwettbewerb Jens Leutenecker, Fabian Schmidt (Gastbeitrag), Tamara Steinmetz, Henner Thies, Justus Wolf Redaktion: SportSirene, Institut für Sportwissenschaft Tübingen, Wilhelmstraße 124, 72074 Tübingen Kreativberatung: Thomas Schrempp, Nicole Breuer, köckritzdörrich GmbH der Welt. Bilderkooperationen: Sportfoto Baumann (www.sportfoto-baumann.de), Sportfotodienst Imago (www.imago-sportfoto.de) Gestaltung: köckritzdörrich GmbH, Thomas Schrempp, Nicole Breuer, Im Alten Wasserwerk, Obere Wässere 3, 72764 Reutlingen, E-Mail: [email protected], [email protected] Objektkoordination: Thomas Schrempp, Nicole Breuer, köckritzdörrich GmbH Partner und Förderer: Lektorat: Berthilde Rebstock Anzeigen: Simona Della Penna, Dr. Verena Burk Druck: Druckerei Deile, Tübingen SportSirene im Netz: www.uni-tuebingen.de/ifs, E-Mail: [email protected] Frequenz: Semesterweise Auflage: 2 000 Stück

Die SportSirene ist ein Produkt der Sportpublizistik-Studierenden des Instituts für Sport- wissenschaft der Universität Tübingen. Hat dir etwas nicht gefallen, kannst du gerne helfen, damit wir uns verbessern. Uns ist deine Meinung wichtig. Also melde dich. Danke. Die SportSirene-Redaktion. SportSirene 03|2009 Schlusssirene 58 : 58

Die Waffe das Mikrofon, der Gegner Matthias Sammer oder wovor haben Sport- journalisten eigentlich Bammel?

Autor: Fabian Schmidt Karikatur: Moritz Menacher „Im�Leben�geht�es�nicht�immer�nur Angst haben, übervorsichtig sein, schwarz malen – das wird Wirklich Angst vor dem nächsten Treffen hatte hingegen wohl Deutschen gerne unterstellt. Als Sammelbegriff heißt das in- ein SWR-Reporter, nachdem ihm Jürgen Klopp quasi Arbeitsver- geradeaus.�Mit�dem�VR-FinanzPlan�bin ternational „German Angst“. Dabei sollte diese Bezeichnung bot erteilte ywww.youtube.com/watch?v=4YfpQ3f1uSI&NR=1. Der ich�auch�auf�die�Kurven�vorbereitet.“ ausgewechselt werden. Denn gerade einige deutsche Sport- Sportjournalist ist pulstechnisch beim darauffolgenden Mainzer journalisten beweisen Mut zum Risiko – in Interviews mit Auswärtsspiel bestimmt auf der Überholspur gefahren. Ähnlich Felix�Krämer,�Fernmeldetechniker, Uli Hoeneß, Matthias Sammer und anderen Verbalbomben. ging es wahrscheinlich dem Interviewer im folgenden Fall, als er eines�unserer�Mitglieder. den Funktionär nach einem angeblich in die Schweiz überwiesenen „Sie sind wirklich vom FC-Bayern-TV? Sie müssen sich in der nächs- Geldbetrag fragte. ywww.youtube.com/watch?v=R5WSJVZc9-U. Er ten Woche einen neuen Job suchen“, raunzte der Bayern-Manager entging nur knapp einer körperlichen Attacke durch den „Ich-hau- im vergangenen Oktober einem Fernseh-Reporter laut der Online- Ihnen-in-die-Fress“-als-Antwort-geb-Fan. Ausgabe der Rheinischen Post entgegen. Doppelt peinlich war’s, da Journalistenkollegen daneben standen. Schlimmer geht’s nicht: Nicht nur im Profisport beweist der Journalist seine Waghalsigkeit. Anschiss vom Chef – und dann auch noch vor versammelter Mann- Angstschweiß fließt auch beim Dorfverein. Macht der Lokalrepor- schaft. Der mickrige Hauch leiser Kritik war für Hoeneß’ Gemüt wie ter einen Fehler, schlägt ihm prompt Häme der Sportler entgegen. Brause im Prosecco. Von den „Dusel-Bayern“ hatte der TV-Mann ge- Wagt er gar zu oft kritische Kommentare, darf er vielleicht gar sprochen – absolut verständlich nach dem knappen 1:0-Sieg beim nicht mehr in die Sporthalle oder es heißt trotz einiger brutzelnder Karlsruher SC. Kritische Fragen gehören zu einem seriösen, pro- Würste: „Nee, wir haben keine Rote mehr.“ Etwas subtiler wäre die fessionellen Medienmenschen – flauschiger Flies ist out, schroffes Rache in Form der Arbeitsbehinderung. Der Ergebnis-Nachfrage- Schmirgelpapier in. Hoeneß sah das anders. Trotzdem arbeitet der dienst ist ohnehin das schwärzeste Schwarzbrot journalistischer Bayern-TV-Reporter weiterhin beim Rekordmeister. Tätigkeit. Auf Lokalebene ist es aufgrund der teils embryonalen Strukturen der Pressearbeit noch härter. Wenn der Sportjournalist Als Matthias Sammer noch über die Fußballplätze furchte, schaffte dazu in Ungnade gefallen ist, reicht man ihn im Vereinsheim einfach der heutige DFB-Sportdirektor mit ähnlichen Wutausbrüchen die weiter. Das Telefon stört die klirrenden Biergläser dann nicht wirk- Aufnahme bei YouTube. Zu Sammers aktiver Kicker-Zeit war die lich. Insofern können Angst und Verunsicherung schon mal Körper Premiere-Konferenz das Aufwärmen. Danach ging’s erst richtig los. und Geist bei der Anwahl des Sportheims oder der Anfahrt zum Sammer als Interviewpartner nach dem Abpfiff – herrlich! Ausraster Dorfsportplatz durchlaufen. Muffensausen im Redaktions-Panda. vorprogrammiert. Journalisten mussten sich vor der Blutgrätsche fürchten. Schade, dass Sammer mittlerweile, durch die DFB-Schule Für den deutschen Sportreporter-Kader nominierte German Angst- weichgespült, besonnen antwortet. Dank YouTube geht die Show ler sollten aber stets bedenken: Verbale Prügelantworten sind ein aber weiter. Das Fürchten lernt ihr beispielsweise unter ywww.you- Segen. Sportler und Funktionäre könnten sich weitaus fieserer VR-FinanzPlan tube.com/watch?v=KDX5PCDY5wU. Toll ist der offensive Ich-knutsch- Techniken bedienen. Offensichtliche 22-Millimeter-Alustollen sind den-Reporter-gleich-ab-Antwortstil. Abtippen lohnt sich! Sammer allemal fairer als Multinocken mit Spike-Aufsatz. Denn: „Wie Sie ja und Hoeneß könnten die komplette TV-Total-Knopfleiste füllen. wissen“ oder „Wie ich schon gesagt habe“ outen den Reporter Jeder�hat�Wünsche,�Pläne�und�Ziele.�Wir�helfen�Ihnen,�diese�zu�verwirklichen. als schlechten Zuhörer und sagen gar nichts aus. Beliebt sind auch Abgestimmt�auf�Ihre�persönliche�Situation�entwickeln�wir�eine individuelle�Finanzplanung. Dennoch wagen sich Journalisten weiter an die beiden Explodier- „Ja“ oder „Nein“ als Segelwind-Klauer. Die geplanten 20 Antwort- Und�wenn�sich�etwas�ändert,�passen�wir�Ihren�VR-FinanzPlan�an. Ikonen heran. Wohl auch, weil sie nicht nur gequirlten PR-Mist ver- sekunden brechen in nur einem Augenblinzler weg. Na gut, dann breiten. Genial wäre es, wenn Sammer die Interview-Schulung der also nächste Frage – diesmal auch ohne einsilbige Antworten in Profis übernehmen und sich währenddessen an seine Spieler-Ära der Lösungsmenge. Und dann: „Na, was denken Sie denn“, fragt erinnern würde. Dann bekäme der Zuschauer wenigstens nicht nur der Interviewte zurück. Äh, halt, da hat einer was missverstanden. Honigkuchen-Parolen. „Es hat heute an Einsatz gefehlt“ oder „Einige Bibbern und zitternde Mikros sind in diesen Fällen viel eher ange- wissen wohl noch nicht, in welcher Lage wir uns befinden“ rangieren sagt als beim Mecker-Kamikaze. in der Beschimpfungs-Hitliste ja schon im oberen Drittel. Vielleicht www.volksbank-tuebingen.de werden manche Sportjournalisten auch deshalb wagemutig und Von daher lieber ein bisschen Angst haben und provozierende halten ihre Mikros Uli Hoeneß hin. Verbaldresche als Arbeitskick! Fragen stellen als nur Rosenduft ins Mikro hauchen!  IS EVERYTHING IS CONFIDENCE Thomas et Alexander Huber, et Alexander Thomas IMPOSSIBLE IS NOTHING IMPOSSIBLE athlètes de l’extrême athlètes

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