Heft 2 66. Jahrgang Österreichische Zeitschrift für Verkehrswissenschaft – ÖZV (bis 1989 Verkehrsannalen)

Gedruckt mit Unterstützung unserer Kuratoriumsmitglieder

Medieninhaber und Herausgeber: Österreichische Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft (ÖVG); 1090 Wien, Kolingasse 13/7, Telefon: +43 / 1 / 587 97 27, Fax: +43/ 1 / 585 36 15

Redaktion: Chefredakteur: Sektionschef Prof. Mag. Dr. Gerhard H. Gürtlich Redaktionsbeirat: ao. Univ. Prof. Dr. Günter Emberger, Univ.-Prof. Dr. Norbert Ostermann, em. Univ.-Prof. Dr. Klaus Rießberger, em. Univ.-Prof. Dr. Gerd Sammer, Dr. Csaba Szèkely, Dr. Karl Frohner, Dr. Karl-Johann Hartig, Florian Polterauer, MBA alle 1090 Wien, Kolingasse 13/7 Redaktion Mag. Thomas Kratochvil, Simone Egle

Hersteller: OUTDOOR PRINT-MANAGEMENT Getreidemarkt 10, 1010 Wien

Bezugsbedingungen: Der Bezug der Österreichischen Zeitschrift für Verkehrswissenschaft ist an die Mitgliedschaft bei der ÖVG gebunden.

Jahresbeitrag: Jungmitglieder € 18,— ordentliche Mitglieder (Einzelpersonen) € 42— fördernde Mitglieder € 190,— Unternehmensmitglieder unter 100 Mitarbeiter € 450,— Unternehmensmitglieder über 100 Mitarbeiter € 900,— Kuratoriumsmitglieder € 2.500,—

Darüber hinaus kann die Österreichische Zeitschrift für Verkehrswissenschaft zu einem Kaufpreis von € 8,00 je Einzelheft zuzüglich Versandspesen erworben werden.

Auskünfte erteilt das Sekretariat der ÖVG, 1090 Wien, Kolingasse 13/7, Telefon: +43 / 1 / 587 97 27, Fax: +43 / 1 / 585 36 15 E-Mail: [email protected], Homepage: www.oevg.at

Die Österreichische Zeitschrift für Verkehrswissenschaft erscheint viermal jährlich.

Manuskripte müssen druckfertig, wenn möglich in einem gängigen Textverarbeitungssystem, verfasst sein. Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann keine Gewähr übernommen werden. Über die Annahme eines Beitrages entscheidet die Redaktion.

Der Nachdruck von Artikeln ist, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion gestattet.

Offenlegung gemäß Mediengesetz:

Ziel der Österreichischen Zeitschrift für Verkehrswissenschaft ist es, die Verkehrswissenschaft zu fördern, -ver kehrswissenschaftliche, -technische und -politische Themen zu behandeln, Lösungen aufzuzeigen sowie neue Erkenntnisse der verkehrswissenschaftlichen Forschung bekannt zu machen.

ÖZV 2/2019   ÖZV 2/2019 Der Verkehrspolitische Standpunkt

Andreas Matthä

Die Anspannung im Eisenbahngüterverkehr ist port auf Schiene. Alleine die Österreichischen nicht mehr zu übersehen. Erstmals seit Jahr- Bundesbahnen sparen mit den Mengen, die sie zehnten ist der Anteil des Schienentransports in Österreich transportieren, jährlich rund 1 Mil- am Güterverkehr in Österreich unter die Mar- lion Tonnen CO2 ein. Angesichts dieser Zahlen ke von 30 % gesunken – ein Alarmsignal. Noch stellt sich daher die Frage, wie lange Politik und 2014 lag der Wert bei 32 %. Auch ein Blick auf Gesellschaft diese Schieflage zwischen Straße die jüngsten Jahreszahlen, nicht nur der ÖBB, und Schiene noch zulassen wollen. sondern de facto des ganzen Sektors zeigt: Es ist in den vergangenen Jahren nicht leichter gewor- Das Transportaufkommen wird in Europa weiter den, Güter auf der Schiene zu transportieren. wachsen, Prognosen gehen derzeit von rund 30 % Wir stehen bei jährlich rund 113 Millionen Ton- Zuwachs bis 2030 aus. Das entspricht bis zu 1 nen Fracht für die ÖBB Rail Cargo Group. Insge- Millionen mehr LKW, die täglich auf den europä- samt ist der Gütertransport auf der Straße 2018 ischen Straßen unterwegs sein werden. Dieses um 5,5% gewachsen, der Schienentransport um Wachstum zu großen Teilen auf die Schiene zu 2,6% gesunken. verlagern, ist DAS Gebot der Stunde. Andernfalls wird Österreich die EU-Klimaziele nicht errei- Diese Entwicklung ist ausgesprochen kritisch, chen. Gelingen wird uns die notwendige Verla- weil sie uns in die komplett falsche Richtung gerung auf die Schiene nur, wenn wir gleichzeitig führt. Vertreter von Wirtschaft und Politik in Ös- an mehreren Schrauben drehen: terreich und auf EU-Ebene reden laufend über die dringend notwendige „Mobilitätswende“, 1. Die Bahnen müssen ihre Hausaufgaben ma- chen und wettbewerbsfähiger werden. Und um den Anstieg der CO2-Emissionen und der da- raus folgenden Erderwärmung auf 2 Grad zu be- zwar sowohl bei den Kostenstrukturen und schränken. Auf unseren Straßen geschieht der- der technischeren Standardisierung, sowie zeit aber genau das Gegenteil des Vernünftigen bei der Digitalisierung. Vor allem letztere ist und Notwendigen! Der Verkehr auf der Schiene ein wesentlicher Hebel, um multimodale Logi- geht zurück, der Straßentransport wächst über- stiklösungen marktfähig zu machen. proportional. 2. Österreich und vor allem Europa sind gefordert, Die Kosten für dieses Wachstum in die falsche einen fairen wirtschaftlichen Wettbewerb zwi- Richtung tragen zu einem guten Teil die Steuer- schen Schiene und Straße herzustellen, indem zahler und die Volkswirtschaft – wie ein Beispiel sie den massiven Vorteil der Bahn bei den ex- zeigt: ternen Kosten auch für den Versender spürbar machen. Allem voran gilt es, das Dieselprivileg Der Transport von 10 Tonnen Güter über 100 abzuschaffen und damit auch den teuren und Kilometer verursacht auf der Straße per LKW 87 belastenden LKW-Tanktourismus in Österrei- Euro Gesamtkosten. Davon sind 32 Euro (37%) ch zu beenden. Im Gegenzug muss die Ener- externe Kosten für Lärm, Emissionen, Staubbela- gieabgabe für Bahnstrom zumindest auf den stung, Boden- und Wasserverschmutzung, Staus EU-Durchschnitt gesenkt werden. Denn -der und Unfälle. Der Großteil dieser externen Kosten zeit hat Österreich die höchste Energieabgabe wird den Verursachern, also den Versendern auf Bahnstrom in der gesamten EU – und das, oder den Frächtern, nicht zugeschieden, sondern obwohl die ÖBB-Infrastruktur ihre Bahnstrom- geht zu Lasten der Bevölkerung. kunden seit Frühsommer 2019 mit 100% grü- nem Strom versorgt, ebenso wie sämtliche Derselbe Transport auf der Schiene kostet 75 ÖBB Bahnhöfe, Büros und Containerkräne. Euro. Mit 9 Euro sind die externen Kosten der Schiene deutlich niedriger – und werden größ- 3. Insbesondere die Europäische Union ist ge- tenteils durch die Bahnunternehmen getra- fordert, einheitliche Standards auf der euro- gen, u.a. über flächendeckende Schienenmaut. päischen Schieneninfrastruktur herzustellen (Quelle: Herry 2016: Berechnung beihilfefähiger – einen Zug durch Europa zu fahren darf nicht Kosten für den Schienengüterverkehr 2016 – i.A. komplizierter sein als einen LKW. Lokwechsel BMVIT) an den Grenzen müssen der Vergangenheit angehören genauso wie unterschiedliche Besonders hervorzuheben ist der beträchtliche Sprachen oder Ausbildungserfordernisse. CO -Vorteil der Schiene, denn jeder Transport per 2 Zentral ist auch eine abgestimmte Infrastruk- LKW verursacht 21mal mehr CO2 als ein Trans-

ÖZV 2/2019  turoffensive für den Schienengüterverkehr in Zwei Bereiche sind hier entscheidend: Europa zu setzen. Dazu gehört eine mehrjäh- rige Finanzierungsplanung für die Erhaltung Zum einen die Weiterentwicklung und der roll- und den Ausbau der europäischen Rail Freight out alternativer Antriebstechnologien – allen Korridore. Als Best Practice Beispiel ist hier voran Wasserstoff und Hybridantriebe – auf der Österreich mit seinen sechsjährigen Rahmen- Schiene wie auch auf der Straße. Und zum ande- plänen zu nennen, die einen berechenbaren, ren die Entwicklung von CO2-neutralen City Logi- zuverlässigen Ausbau der Bahninfrastruktur stik Lösungen zur Flächenverteilung der Güter in ermöglichen, ohne den Bahnbetrieb zu behin- Ballungsräumen. dern. Der andere Punkt ist: Der LKW und die Stra- Weiters gilt es, im Rahmen der Connecting ße sind in diesem Kontext nicht als Feind der Europe Facility (CEF) endlich auch EU-Förder- Schiene, sondern vielmehr als komplementärer mittel für den Erhalt der vorhandenen Bahnin- Partner zu sehen. Ein zukunftsorientierter, nach- frastruktur, insbesondere in Ost- und Südost- haltiger Güterverkehr wird alle Transportmodi europa bereitzustellen. In dieser Region finden nutzen müssen – gut aufeinander abgestimmt sich etliche für die Industrie in Österreich und und im wohldosierten Mix. Langstreckentrans- Zentraleuropa entscheidende Zubringerlinien. porte sind dabei ganz klar über die CO2-neutrale, Der Güterverkehr auf diesen „Feeder Lines“ massentransportfähige Schiene zu führen. Die am Balkan wird durch schadhafte Infrastruktur Feinverteilung von Gütern ab Terminal in die Flä- behindert und im wahrsten Sinne des Wortes che wird auch weiterhin eine Domäne der Straße gebremst – teilweise auf untragbare 20 km/h und damit der künftig wasserstoff- oder batterie- Durchschnittsgeschwindigkeit. betriebenen LKW bleiben. Neben diesem Maßnahmenbündel für fairen Wettbewerb zwischen Schiene und Straße – wirt- schaftlich und infrastrukturell – braucht es aber vor allem Innovation im Transportsektor.

 ÖZV 2/2019 Hochwertige Verkehrsinfrastruktur im Spannungsfeld zwischen Standortentwicklung und Nachhaltigkeit Andreas Juhasz

Die diesjährige Jahrestagung der Österreichischen Als Rahmenprogramm wurde den Tagungsteil- Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft fand am nehmern eine Besichtigungstour am Flughafen 22. Mai 2019 am Flughafen Wien-Schwechat Wien-Schwechat geboten. statt. ÖBB-Vorstandsdirektor Andreas Matthä be- Die von der ÖVG-Landesstelle Niederöster- richtete in seinem Vortrag über aktuelle und reich gemeinsam mit dem ÖVG-General- zukünftige Schieneninfrastrukturprojekte in der sekretariat organisierte Veranstaltung widme- Ostregion. te sich dem umfassenden Thema „Hochwertige Verkehrsinfrastruktur im Spannungsfeld zwischen Durch die österreichische Ostregion (Burgen- Standortentwicklung und Nachhaltigkeit“. land, Niederösterreich und Wien) führen drei wichtige europäische Korridore, der „Rhein- Im Rahmen dieser Tagung wurden die Infrastruk- Donau Korridor“, der „Baltisch-Adriatische Kor- turellen Aspekte sämtliche Verkehrsträger er- ridor“ sowie der „Balkan/Ost-Med Korridor“. örtert. Zu diesen Themen konnten hochrangige Diese Hauptmagistralen bedingen naturgemäß Vertreter der Schiene, der Straße, der Schifffahrt die gesonderte Betrachtung der Schieneninfra- sowie des Flugverkehrs gewonnen werden. In struktur in dieser Region insbesonders im Hin- einem weiteren Vortragsblock erfolgte die wis- blick auf zukünftig ausreichende Kapazitäten. senschaftliche Beleuchtung der verschiedenen Zudem ist dem wachsenden Beförderungs- und Verkehrsträger aus logistischer Sicht. Einge- Transportbedarf Rechnung zu tragen. So stiegen leitet wurde die Jahrestagung durch den niede- beispielsweise in den letzten 30 Jahren die Per- rösterreichischen Landesrat Dipl.-Ing. Ludwig sonen-Kilometer von 7,4 auf 11,2 Milliarden (mit SCHLERITZKO, dem „Hausherrn“ Flughafen- Stand 2019) und die Güterverkehrsleistung von Vorstand Dr. Günther OFNER sowie dem ÖVG- 11 auf 21 Mrd. Tonnen-Kilometer. Dieses stark Präsidenten Vorstandsdirektor Ing. Mag. (FH) gestiegene Aufkommen führt insbesonders im Andreas MATTHÄ und dem Leiter der ÖVG-Lan- südlichen und östlichen Umland von Wien zu desstelle Niederösterreich Univ.-Prof. Friedrich Kapazitätsengpässen. ZIBUSCHKA. Im Rahmen umfangreicher Baumaßnahmen Inhaltlich abgeschlossen wurde die heurige Jah- sind ausschnittsweise aktuell der zweigleisige restagung mit einer wissenschaftlichen Beleuch- Ausbau (samt Elektrifizierung) des Marchegger tung der Logistik als Standortfaktor durch den Astes, der durchgehend zweigleisige Ausbau der Vortragenden Mag. Martin POSSET (thinkport VI- Pottendorfer Linie sowie die Erhöhung der Stre- ENNA – smart urban logistics lab) sowie einer aus- ckengeschwindigkeit auf der Nordbahn auf 160 führlichen Podiums- und Publikumsdiskussion. km/h vorgesehen. Im Planungsstadium befindet

Abbildung 1: Teilnehmer der ÖVG-Jahrestagung 2019

ÖZV 2/2019  sich zudem die sogenannte Flughafenspange, ei- Neben der Passagierschifffahrt und den Fluss- ner Verbindung zwischen der Flughafen-Schnell- kreuzfahrten, welche sich zunehmender Beliebt- bahn (S7) und der Ostbahn im Bereich Bruck an heit erfreuen, stellt der Gütertransport auf der der Leitha. Mit dieser neuen Eisenbahnstrecke Donau schon alleine wegen der energieeffizi- soll für den Großraum Bratislava sowie auch Bu- enten Transportart eine große Bedeutung dar. dapest und Győr eine rasche Verbindung zum Daher sind auch ständige Verbesserungen der Flughafen Wien-Schwechat geboten werden. Fahrwasserverhältnisse erforderlich. Im Zuge der Stabilisierung der Wasserspiegellagen ist Der Geschäftsführer des Verkehrsverbund - Ost auch auf sensible Lebensräume im Bereich bei- region (VOR) Mag. Wolfgang SCHROLL führte in spielsweise der Donau-Auen Rücksicht zu neh- seiner Präsentation neben dem Ausbau der S- men. Diesbezüglich ist der Donaubereich östlich Bahn insbesonders Überlegungen zur „Zweiten von Wien zu erwähnen. Naturgemäß umfasst S-Bahnachse“ in Wien aus. das Maßnahmengebiet auch die anderen Do- S-Bahnen dienen insbesonders für den Zulauf nauanrainerstaaten, um dem internationalen aus dem suburbanen, sowie für die Verteilung Schiffsverkehr Rechnung zu tragen. In diesem im städtischen Bereich. Daher stellen die S-Bah- Zusammenhang unterzeichneten die Donau- nen in Großstädten als durchgebundene Durch- Anrainerstaaten im Dezember des vergangenen messerlinien ein wesentliches Rückgrat für den Jahres einen Masterplan zur Sanierung und In- innerstädtischen Verkehr dar. standhaltung der Fahrrinne. Wie etwa auch in anderen Großstädten teilweise Ebenfalls zum Thema Schifffahrt berichtet der bereits realisiert sind – neben einer Angebots- Geschäftsführer des Wiener Hafens Mag. Fritz steigerung – derzeit konzeptionelle Planungen LEHR über die Entwicklung im internationalen auch in Wien zu einer „Zweiten S-Bahn-Achse“ Schiffsgüterverkehr. im Gange. Zunächst wird nochmals auf die Vorteile der Neben einem Ausbau der Bestandstrassen, wie Binnenschifffahrt hingewiesen. So liegt der spe- der Schnellbahnstammstrecke sowie der Verbin- zifische Energieverbrauch im Vergleich zur Bahn dung der nördlichen Ostbahn über die Stadlauer rund bei der Hälfte, zum LKW sogar bei einem Brücke sind völlig neue Querungen in Diskussi- Fünftel je abgewickelten Transport. Gesamtheit- on. Ausgehend vom „Knoten Wien“ (Hauptbahn- lich betrachtet liegen die Kosten bei einem Drit- hof/Meidling) wären folgende (Grob-)Varianten tel des Eisenbahnverkehrs, und rund bei 13 % denkbar: die „Stadtquerung“ als direkte Verbin- der LKW-Kosten (je Tonnenkilometer). dung zur Franz-Josefs-Bahn im Bereich Spittelau Neben der „reinen“ Funktion als Anlegestelle ist sowie eine neue Verbindung zur Wiener Donau- der Hafen Wien auch wesentlicher Standort der uferbahn und weiter Richtung Wien Nußdorf. City-Logistik und trägt zu Hochwasserschutzmaß- Dipl.-Ing. Hans-Peter HASENBICHLER, Geschäfts- nahmen bei; diesbezüglich wird auf die Hoch- führer der „via donau“, erörterte in seinem Vor- wasserschutzanlagen in den Häfen Freudenau trag Internationaler Transportweg Donau die Be- und Albern hingewiesen. deutung dieser Europäischen Wasserstraße und Von einem interessanten und zukunftsweisenden deren Herausforderungen. Ansatz zur Standortentwicklung berichteten

Abbildung 2: Podiumsdiskussion mit Martin Posset, Wolfgang Schroll, Günter Emberger, Hans-Peter Hasenbichler, Alexander Walcher und Wolfgang Scheibenpflug  ÖZV 2/2019 Mag. Wolfgang SCHEIBENPFLUG (Geschäftsbe- Dr. Alexander WALCHER, Geschäftsführer der AS- reichsleiter Immobilien- und Standortentwick- FINAG Bau Management GmbH, griff in seinem lung) und Friedrich ZIBUSCHKA (hier als Ge- Vortrag „Infrastrukturprojekte in der Ostregion“ schäftsführer der Airport Region). die Straßenbauprojekte insbesonders in den Bun- desländern Wien und Niederösterreich auf. Der Flughafen Wien-Schwechat sieht sich nicht nur als Infrastrukturanlage zur Abwicklung des Auch als wesentlicher Faktor zur Standortent- „üblichen“ Flugverkehrs sondern auch als maß- wicklung der Airportregion ist beispielsweise der gebliche Institution für eine nachhaltige Stand- Ausbau der A4-Ostautobahn zu erwähnen. Die ortentwicklung der Airportregion, die aus den Maßnahmen beinhalten insbesonders Verkehrs- sieben Anrainergemeinden besteht. Oberziel ist sicherheitsaspekte sowie den durchgehenden der Ausbau und die Entwicklung der Airportre- dreispurigen Ausbau zwischen Flughafen und gion als bedeutender Wohn- und Wirtschafts- Neusiedl am See. standort im Bezirk Bruck an der Leitha. Erreicht soll dieses Ziel mit der Intensivierung des regi- Mit der Herstellung der Lobau-Querung (S1-Ver- onalen und internationalen Standortmarketings, bindung Schwechat – Süßenbrunn) können die Nutzung des Flughafens als internationalen Wer- restlichen 19 Kilometer des insgesamt 203 km beträger sowie mit der Verbesserung der Er- langen Regionenringes um Wien (St. Pölten – S33 reichbarkeit und Mobilität. Als Vorgabe werden – S5 – Stockerau – Korneuburg – S1 – Süßenbrunn diese Maßnahmen in Einklang mit der Natur und – Schwechat – A21 – Alland – Westautobahn A1 der Ökologie gebracht. – St. Pölten) fertigstellt werden. Beim Tunnelpro- jekt Lobau wird in Anbetracht des Nationalparks Diese Vorhaben zur Standortentwicklung gehen Donau-Auen allergrößter Wert auf die Einhaltung naturgemäß Hand in Hand mit dem Ausbau bzw. wasser- und naturschutzrechtlicher Belange ge- der Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur. In legt. diesem Zusammenhang sind beispielsweise die Fernbahnverbindung Richtung Bratislava und Weitere Infrastrukturprojekte sind die Fertigstel- Budapest, die S1-Lobau-Querung sowie Landes- lung der Nordautobahn (A5) samt Umfahrung straßenumfahrungen zu nennen. Drasenhofen sowie die Errichtung der Schnell- straße S8 durch das Marchfeld.

ÖZV 2/2019  10 ÖZV 2/2019 Die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte: Besteht Verbesserungsbedarf? Teil 1

Gerhard SARIA

I. Themenstellung Nach Art 16 Abs 1 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 hat jeder Mitgliedstaat eine für die Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich mit den Durchsetzung dieser Verordnung in Bezug auf Auswirkungen der Entscheidung des EuGH in den Flüge von in seinem Hoheitsgebiet gelegenen 1 verb Rs C-145/15 und C-146/15 auf die Dogmatik Flughäfen und Flüge von einem Drittland zu die- der unionsrechtlich vorgeschriebenen nationalen sen Flughäfen zuständige Durchsetzungsstelle zu Durchsetzungs- und Beschwerdestellen. Obwohl benennen. Diese Durchsetzungsstelle hat gege- diese Thematik den Verfasser in – einschließlich benenfalls die notwendigen Maßnahmen zur Si- des vorliegenden Jahrbuchs – sechs von neun cherstellung der Wahrung der Fluggastrechte zu bisher erschienenen Jahrbüchern beschäftigt hat ergreifen. und somit offenkundig eine gewisse Praxisrele- vanz besitzt, ist das Erkenntnis auf eine überra- Art 16 Abs 2 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. schend geringe Resonanz in der österreichischen 261/2004 gibt jedem Fluggast grundsätzlich und v.a. in der dt Literatur gestoßen. Diese Lücke das Recht, bei einer Durchsetzungsstelle ge- soll nunmehr durch diese Arbeit geschlossen wer- mäß Art 16 Abs 1 FluggastrechteVO – VO (EG) den. Zudem ist die Bedeutung der Entscheidung Nr. 261/2004 oder einer sonstigen von einem für die österreichische Agentur für Passagier- und Mitgliedstaat benannten zuständigen Stelle Be- Fahrgastrechte zu untersuchen, mangelt es doch schwerde wegen eines behaupteten Verstoßes in der österreichischen Lehre an entsprechenden gegen diese Verordnung zu erheben. Stellungnahmen. Zunächst ist aber mit einer Ana- lyse der hier interessierenden Ausführungen des Art 16 Abs 3 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. EuGH und des Generalanwalts in den verb Rs C- 261/2004 wiederum normiert explizit, dass die 145/15 und C-146/15 zu beginnen. von den Mitgliedstaaten für Verstöße gegen die FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 festge- II. Das Erkenntnis des EuGH 17. 03. 2016, verb Rs legten Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und C-145/15 und C-146/15 abschreckend sein müssen. Die hier vorgenommene Exegese der Entschei- Zur Auslegung des Art 16 FluggastrechteVO – VO dung des EuGH in den verb Rs C-145/15 und C- (EG) Nr. 261/2004 zog der EuGH weiters ua den 146/15 verfolgt nicht nur das Ziel, dem Leser an sich den Regelungsinhalt des Art 16 Abs 3 einen Überblick über die Aussagen des EuGH zu FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 bloß vermitteln, sondern soll v.a. dazu dienen, die sich wiederholenden EG 21 FluggastrechteVO – VO aus diesem Erkenntnis ergebenden rechtlichen (EG) Nr. 261/2004 sowie EG 22 FluggastrechteVO Eckpunkte schärfer zu fassen, als es eine deskrip- – VO (EG) Nr. 261/2004 heran. EG 22 Fluggast- tive Wiedergabe der Entscheidung oder bloße rechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 hält diesbezüg- Verweise auf die Aussagen des Erkenntnisses er- lich fest, dass die Mitgliedstaaten die generelle lauben würde. Dementsprechend folgen die nach- Einhaltung der FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. folgenden Ausführungen nicht in jedem Fall dem 261/2004 durch ihre Luftfahrtunternehmen si- Aufbau der Entscheidung; vielmehr wird eine Glie- cherstellen und überwachen sowie eine geeig- derung nach sachlichen Gesichtspunkten vorge- nete Stelle zur Erfüllung dieser Durchsetzungs- nommen. Darüber hinaus werden die vom EuGH aufgaben benennen sollen. Diese Überwachung entwickelten Ansichten jenen des Generalanwalts lasse das Recht von Fluggästen und Luftfahrtun- in seinen Schlussanträgen gegenübergestellt, um ternehmen unberührt, ihre Rechte nach den im auf diese Weise den mit dem Erkenntnis des EuGH nationalen Recht vorgesehenen Verfahren ge- gegenwärtig im Unionsrecht zur maßgeblichen richtlich geltend zu machen. Problemstellung erreichten dogmatischen Stand möglichst vollständig zu dokumentieren. 2. Nationales Recht A. Der entscheidungsrelevante rechtliche Rahmen Vor dem Hintergrund dieser – als Verordnungs- recht an sich unmittelbar anwendbaren3 – uni- 1. Unionsrecht onsrechtlichen Vorgaben verweigerte der nie- derländische Staatssekretär in seiner Eigenschaft Im Mittelpunkt der Entscheidung des EuGH in den als nationale Durchsetzungsstelle gemäß Art 16 verb Rs C-145/15 und C-146/15 stand die Ausle- Abs 1 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/20044 gung des Art 16 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. ungeachtet entsprechender Anträge von Fluggä- 261/2004.2 ÖZV 2/2019 11 sten den Erlass von Durchsetzungsmaßnahmen unionsrechtlich zwingend zuzuweisenden Befug- gegen zwei Luftfahrtunternehmen zur Erzwin- nissen hält der EuGH explizit fest, dass diese – nur gung der Zahlung von Ausgleichsleistungen nach – „die generelle Einhaltung der Verordnung zu Art 7 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004.5 überwachen“ hat.9 In anderem Zusammenhang spricht der EuGH ferner von der „Ausübung ihrer Die verfahrensgegenständliche Weigerung des [dh der der Durchsetzungsstelle zukommenden] Staatssekretärs beruhte auf dem Umstand, dass allgemeinen Aufsicht nach Art. 16 Abs. 1“.10 Den der Staatssekretär auf Basis des einschlägigen Mitgliedstaaten steht es nach Ansicht des EuGH niederländischen Rechts zwar „eine mit Verwal- zwar frei, der Durchsetzungsstelle gemäß Art 16 tungszwang bewehrte Anordnung zur Einhaltung Abs 1 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 der durch oder aufgrund der Verordnung Nr. die Befugnis einzuräumen, Maßnahmen auf in- 261/2004 erlassenen Bestimmungen erlassen“ dividuelle Beschwerden hin zu ergreifen.11 Eine 6 kann. Ihm kommt insoweit eine allgemeine Be- diesbezügliche unionsrechtliche Verpflichtung fugnis zu, bei Verstößen gegen die Fluggastrechte- der Mitgliedstaaten zur Einräumung solcher VO – VO (EG) Nr. 261/2004 Durchsetzungsmaß- Kompetenzen besteht jedoch nach Ansicht des nahmen zu erlassen und insb. bei systematischer EuGH nicht.12 Verweigerung der Erfüllung von Verpflichtungen aus der FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 Diese knappen, auf den Punkt gebrachten Aus- durch ein Luftfahrtunternehmen einzuschreiten. führungen des EuGH zur unionsrechtlich gebote- Dagegen hat der Staatssekretär keine Kompe- nen Kompetenzzuweisung an die Durchsetzungs- tenz zum Erlass von Durchsetzungsmaßnahmen stelle gemäß Art 16 Abs 1 FluggastrechteVO – VO auf Antrag eines Fluggastes, falls ein Luftfahrtun- (EG) Nr. 261/2004 werden durch die Schlussan- ternehmen im Einzelfall eine Zahlung von Aus- träge von Generalanwalt Bot weiter mit Leben gleichsleistungen verweigert. Für die Durchset- erfüllt. Er sieht als „obligatorische Aufgabe“ zung eines konkreten Ausgleichsanspruchs sind der Durchsetzungsstelle die Überwachung der nach niederländischem Recht allein die Zivilge- ordnungsgemäßen generellen Einhaltung der richte zuständig. Offenbar zur Wahrung der in FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 an.13 den Niederlanden vorgesehenen Kompetenzver- Die nationale Durchsetzungsstelle verteidigt in teilung zwischen Zivilgerichten und Verwaltungs- dieser Funktion die kollektiven Interessen der behörden hat der niederländische Gesetzgeber Fluggäste.14 Demgegenüber ergebe sich aus dem somit dem Staatssekretär bewusst die Kompe- Wortlaut des Art 16 FluggastrechteVO – VO (EG) tenz verwehrt, von Fluggesellschaften im Namen Nr. 261/2004 kein Anhaltspunkt für eine Ver- der Passagiere Ausgleichsleistungen zu fordern, pflichtung der nationalen Durchsetzungsstelle, und ebenso bewusst in Kauf genommen, dass mittels Durchsetzungsmaßnahmen gegen - Luft derartige Durchsetzungsmaßnahmen des Staats- fahrtgesellschaften die Erbringung von nach der sekretärs möglicherweise die konkrete Entschä- FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 zuste- digung der Passagiere nicht gewährleisten.7 henden Ausgleichsleistungen zu erzwingen.15 Für die weiteren, an dieser Stelle anzustellenden Unter Berufung auf die Mitteilung der Europä- Überlegungen ist hervorzuheben, dass dem ischen Kommission zur Anwendung der VO (EG) Staatssekretär nach niederländischem Recht Nr. 261/2004 aus dem Jahr 201116 werden von daher offenkundig allein eine bloße „allgemei- Generalanwalt Bot als Bsp für die obligatorische ne Missbrauchsaufsicht“ über die Fluggesell- Aufgabe der Durchsetzungsstelle einer allgemei- schaften betreffend deren Umgang mit der Flug- nen Sicherstellung der Einhaltung der sich aus gastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 zukommt. der FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 er- Im Vorabentscheidungsverfahren war nun zu gebenden Verpflichtungen durch die Luftfahrtun- klären, ob diese vom mitgliedstaatlichen Gesetz- ternehmen die ordnungsgemäße Information der geber vorgenommene Kompetenzzuweisung an Fluggäste über ihre Rechte durch die Luftfahrt- die nationale Durchsetzungsstelle gemäß Art 16 unternehmen und darüber, an wen sie sich mit Abs 1 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 Beschwerden über Rechtsverletzungen wenden den unionsrechtlichen Vorgaben entspricht.8 müssen, angeführt. Zum obligatorischen Aufga- benkreis der Durchsetzungsstellen zählt ferner, B. Die Rolle der Durchsetzungsstelle aus Sicht dass diese etwaige Verstöße der Luftfahrtunter- des EuGH und des Generalanwalts nehmen gegen ihre Verpflichtungen identifizie- 17 1. Die der Durchsetzungsstelle gemäß Art 16 Abs ren und ihnen abhelfen. 1 Fluggastrechte-VO – VO (EG) Nr. 261/2004 2. Das Recht auf Beschwerde gemäß Art 16 Abs zuzuweisenden Kompetenzen 2 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 Zu den der Durchsetzungsstelle gemäß Art 16 Das in Art 16 Abs 2 FluggastrechteVO – VO (EG) Abs 1 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 Nr. 261/2004 vorgesehene Beschwerderecht des

12 ÖZV 2/2019 Fluggastes an die Durchsetzungsstelle oder an sicht nach Art. 16 Abs. 1 aufdeckt, und nicht ver- eine eigene Beschwerdestelle wird vom EuGH waltungsrechtliche Durchsetzungsmaßnahmen, einschränkend verstanden. Es sei „eher“ als die in jedem Einzelfall zu ergreifen sind.“22 Recht jedes Passagiers zu verstehen, „Hinwei- se“ zu geben, „die zur ordnungsgemäßen An- Er folgt insoweit Generalanwalt Bot, der zu die- wendung der Verordnung im Allgemeinen bei- ser Frage ausführt, dass die in Art 16 Abs 1 Flug- tragen sollen, ohne dass die Stelle verpflichtet gastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 erwähnte wäre, aufgrund solcher Beschwerden tätig zu Wendung von den „notwendigen Maßnahmen“ werden, um das Recht jedes einzelnen Fluggasts sowie der in Art 16 Abs 3 FluggastrechteVO auf Erhalt einer Ausgleichsleistung zu gewährlei- – VO (EG) Nr. 261/2004 verwendete Begriff der sten.“18 Der nationale Gesetzgeber ist somit nach „Sanktionen“ sich ausschließlich auf die - Über Ansicht des EuGH unionsrechtlich durch Art 16 wachungsfunktion der Durchsetzungsstelle- be FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 gerade ziehen. Sanktionen werden demnach allein bei nicht verpflichtet, eine Durchsetzung konkreter, Verletzungen der Verpflichtungen aus der Flug- individueller Ansprüche von Fluggästen nach der gastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 durch das FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 – sei Luftfahrtunternehmen verhängt. Sie seien aber es durch Einräumung entsprechender Kompe- nicht einschlägig bei einer Verletzung subjektiver tenzen zugunsten der Durchsetzungsstelle ge- Rechte, die einem Fluggast auf Grund eines mit mäß Art 16 Abs 1 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. dem Luftfahrtunternehmen geschlossenen Ver- 261/2004, sei es durch Schaffung einer eigenen trags auf Basis der FluggastrechteVO – VO (EG) 23 Beschwerdestelle – sicherzustellen. Vielmehr Nr. 261/2004 zustehen. kann der Fluggast dafür allein auf eine entspre- 4. Die methodische Vorgangsweise chende Befassung der ordentlichen Gerichte verwiesen bleiben.19 Die Überzeugungskraft der Ausführungen des EuGH steht und fällt mit der Stichhaltigkeit der Während sich der EuGH mit dem Inhalt des Be- von ihm zur Begründung seiner Rechtsansicht schwerderechts gemäß Art 16 Abs 2 Fluggast- herangezogenen Argumente. Diesbezüglich rechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 beschäftigt, stützt sich der EuGH in der entscheidenden hat Generalanwalt Bot in seinen Schlussanträgen Frage der unionsrechtlich gebotenen Kompe- noch an der durch diese Vorschrift vorgesehenen tenzzuweisung an die Durchsetzungsstelle auf Beschwerdestelle angeknüpft. Ausgehend da- den Wortlaut von Art 16 Abs 1 Fluggastrechte- von, dass nach dem Wortlaut des Art 16 Abs 2 VO – VO (EG) Nr. 261/2004 und – in historischer FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 die Be- und systematischer Interpretation – auf EG 22 arbeitung der Beschwerden von Fluggästen der FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 mit nationalen Durchsetzungsstelle oder auch einer seiner Forderung nach Sicherstellung und Über- anderen Stelle übertragen werden könne, sei wachung der generellen Einhaltung der Flug- eine mögliche – aber nicht zwingende – zweite gastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 durch eine Aufgabe der Durchsetzungsstelle die allfällige Be- Durchsetzungsstelle.24 Er steht damit im Einklang fassung mit individuellen Beschwerden der Flug- 20 mit den Schlussanträgen von Generalanwalt Bot, gäste. Diesbezüglich sieht der Generalanwalt der sich in dieser Frage ebenfalls auf den Wort- weitgehende mitgliedstaatliche Spielräume: Die laut des Art 16 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. Stelle könne mit der außergerichtlichen Streitbei- 261/2004 bezieht.25 legung betreffend Streitigkeiten zwischen- Luft fahrtunternehmen und Fluggästen nach der Art Für das von ihm entwickelte einschränkende Ver- eines Mediators betraut sein. Es könne ihre Rolle ständnis des Beschwerderechts nach Art 16 Abs 2 aber auch auf die Information des beschwerde- FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 einer- führenden Fluggastes, insb. zu den möglichen seits sowie des Sanktionenbegriffs nach Art 16 Vorgangsweisen, beschränkt werden.21 Abs 3 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 andererseits beruft sich der EuGH in systema- 3. Die Anforderungen an das Sanktionierungs- tischer Interpretation weiters darauf, dass die recht der Durchsetzungsstelle gemäß Art Bestimmungen des Art 16 FluggastrechteVO 16 Abs 3 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. – VO (EG) Nr. 261/2004 „ein kohärentes Ganzes 261/2004 bilden“. Art 16 Abs 2 und 3 FluggastrechteVO Ebenfalls restriktiv versteht der EuGH den in Art – VO (EG) Nr. 261/2004 seien so zu verstehen, 16 Abs 3 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 dass sie „die verschiedenen Gesichtspunkte prä- verwendeten Begriff „Sanktionen“. Sanktionen zisieren“, die sich aus den Aufgaben der in Art 16 sind nach Ansicht des Gerichtshofs Maßnahmen, Abs 1 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 26 „die als Reaktion auf Verstöße ergriffen werden, genannten Durchsetzungsstelle ergeben. Zum die die Stelle in Ausübung ihrer allgemeinen Auf- Begriff der Sanktionen iSd Art 16 Abs 3 Fluggast- rechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 führt der EuGH

ÖZV 2/2019 13 überdies noch einen Rückgriff auf EG 21 Flug- lässig. gastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 durch.27 Generalanwalt Bot stützt seine diesbezügliche In Ausnützung der solcherart dem nationalen Ge- Argumentation zur Beschwerdestelle insb. auf setzgeber eröffneten Gestaltungsspielräume ist es den Wortlaut des Art 16 Abs 2 Fluggastrechte- angesichts des diesbezüglich eindeutigen Wort- VO – VO (EG) Nr. 261/200428 und zum Sankti- lauts des Art 16 Abs 2 FluggastrechteVO – VO (EG) onenbegriff auf EG 22 FluggastrechteVO – VO Nr. 261/2004 unionsrechtlich zweifellos möglich, (EG) Nr. 261/2004 im Allgemeinen und die da- der nationalen Durchsetzungsstelle die Funktion rin gewählten Formulierungen v.a. von der einer Beschwerdestelle nach Art 16 Abs 2 Flug- „generelle[n] Einhaltung dieser Verordnung“ im gastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 zu über- Besonderen.29 tragen. Die Beschwerdestelle – sei sie nun in die nationale Durchsetzungsstelle integriert oder als Der EuGH sichert die von ihm erzielten Ausle- eigenständige Stelle eingerichtet – kann durch den gungsergebnisse schließlich mit verschiedenen Mitgliedstaat unterschiedlich ausgestaltet wer- teleologischen Überlegungen ab. Zunächst den. Ungeachtet der divergierenden Ausgangs- verweist er darauf, dass die von ihm zu Art 16 punkte von EuGH und Generalanwalt – Anknüpfen FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 ent- am Beschwerderecht einerseits und Anknüpfen an wickelten Rechtsansichten in ihrer Gesamtheit der Beschwerdestelle andererseits – ist es dabei nicht gegen die Ziele der FluggastrechteVO – VO nach insoweit zumindest im Ergebnis überein- (EG) Nr. 261/2004 zur Sicherstellung eines ho- stimmender Ansicht von EuGH und Generalanwalt hen Schutzniveaus für Fluggäste verstoßen und unionsrechtlich ausreichend, dass die Beschwer- den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im destelle die Beschwerden des Fluggastes entge- Allgemeinen in vollem Umfang Rechnung tra- gennimmt und ihn allgemein in seinem Anliegen gen.30 Er hält weiters fest, dass durch die unmit- unterstützt. Es ist damit zulässig, dass das mit- telbare Anwendbarkeit der FluggastrechteVO gliedstaatliche Recht die Durchsetzung konkreter, – VO (EG) Nr. 261/2004 ohnedies ein wirksamer individueller Ansprüche des Fluggastes nach der gerichtlicher Rechtsschutz der Fluggäste ge- FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 allein währleistet ist.31 Der EuGH beruft sich zu guter einem Verfahren vor den ordentlichen Gerichten Letzt darauf, dass mit seinem Verständnis des vorbehält. Art 16 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 im Einklang mit den Ausführungen des Gene- Aus den Ausführungen des Generalanwalts geht ralanwalts in der vorliegenden Rechtssache, der überdies hervor, dass er einer Durchsetzung sub- bisherigen Rsp des EuGH sowie mit EG 22 S 2 jektiver, sich aus der FluggastrechteVO – VO (EG) FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 wi- Nr. 261/2004 ergebender Rechte des Fluggastes dersprechende Entscheidungen zwischen den durch die nationalen Durchsetzungsstellen nicht nationalen Gerichten einerseits und der Durch- bloß skeptisch gegenüberstehen dürfte, sondern setzungsstelle nach Art 16 FluggastrechteVO sie vielmehr – arg „keine Durchsetzungsmaß- – VO (EG) Nr. 261/2004 andererseits verhindert nahmen gegen ein Luftfahrtunternehmen erlassen werden.32 darf“ – offenkundig wegen der dadurch entstehen- den Gefahren für die einheitliche Auslegung und C. Ergebnisse und Würdigung der Entschei- Anwendung des Unionsrechts im Grunde für un- dung des EuGH 17. 03. 2016, verb Rs C- zulässig erachtet.33 Auf diesen Aspekt ist der EuGH 145/15 und C-146/15 in seinem Erkenntnis allerdings nicht unmittelbar eingegangen, obwohl er explizit auf die insofern Zusammenfassend lässt sich somit feststel- maßgeblichen Ausführungen des Generalanwalts len, dass nach insoweit übereinstimmender Bezug nimmt.34 Der EuGH hält es aber jedenfalls für Auffassung von EuGH und Generalanwalt der zulässig, dass die Mitgliedstaaten ein individuelles nationalen Durchsetzungsstelle auf Basis der Beschwerderecht der Fluggäste an die Durchset- einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften zungsstelle vorsehen und der Durchsetzungsstelle nur eine allgemeine, generelle Aufsicht betref- die Kompetenz zur Setzung allgemeiner Aufsichts- fend die Einhaltung der Vorgaben der Fluggast- maßnahmen in Reaktion auf derartige Beschwer- rechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 durch die den geben. Da die Frage nach einem allfälligen Luftfahrtunternehmen vom nationalen Gesetz- unionsrechtlichen Verbot einer Durchsetzung in- geber zugewiesen werden muss. Demgegenü- dividueller, konkreter Ansprüche von Fluggästen ber ist es unionsrechtlich nicht geboten, dass durch die nationalen Durchsetzungsstellen nicht die Durchsetzungsstelle gemäß Art 16 Abs 1 entscheidungserheblich war, ist es unklar, ob der FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 mit EuGH einem derartigen Verbot eine Absage erteilt individuellen Anträgen von Fluggästen befasst oder das Problem mangels Relevanz für das vor- werden können muss. Die Einräumung derar- liegende Vorabentscheidungsverfahren lediglich tiger Befugnisse ist jedoch unionsrechtlich zu- offen gelassen hat.

14 ÖZV 2/2019 Sanktionen iSd Art 16 Abs 3 FluggastrechteVO tete Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte – VO (EG) Nr. 261/2004 sind nach dem insoweit – die „apf“ – sei. Diese sei aber nicht zur be- übereinstimmenden Verständnis von EuGH und scheidmäßigen Durchsetzung der Fluggastrechte Generalanwalt Maßnahmen der allgemeinen im Einzelfall gegenüber den Luftfahrtunterneh- Aufsicht der nationalen Durchsetzungsstellen men befugt.37 über die Luftfahrtunternehmen betreffend die Einhaltung der sich aus diesem Rechtsakt erge- Der Verfasser des vorliegenden Beitrags hat im benden Verpflichtungen für Fluggesellschaften. letztjährigen Jahrbuch zunächst ebenfalls einen Sie sind dagegen keine Mittel zur Durchsetzung Zusammenhang zwischen dem Erkenntnis des individueller Ansprüche von Fluggästen. EuGH in den verb Rs C-145/15 und C-146/15 und der nach dem PFAG eingerichteten apf her- All diese, schon unmittelbar aus dem Erkenntnis gestellt und danach die wesentlichen Aussagen des EuGH in den verb Rs C-145/15 und C-146/15 der Entscheidung wiedergegeben. Er hält zudem ableitbaren und in den Schlussanträgen des Ge- jedoch fest, dass dieses Erkenntnis vor dem Hin- neralanwalts bereits grundgelegten Ergebnisse tergrund der bisherigen unionsrechtlichen Ent- der Auslegung des Art 16 FluggastrechteVO – VO wicklungen und der diesbezüglichen Diskussion (EG) Nr. 261/2004 sind überzeugend, weil sie in in der rechtswissenschaftlichen Literatur „etwas enger Anlehnung an Wortlaut und Systematik der überraschend ist“. Angesichts der geltenden einschlägigen unionsrechtlichen Bestimmungen österreichischen Rechtslage bestehe aber kein entwickelt wurden. Demgegenüber haben die unmittelbarer Handlungsbedarf für den -öster als Einfallspforte für manchmal nur schwer ob- reichischen Gesetzgeber. Ferner weist er darauf jektivierbare rechtspolitische Wertungen des hin, dass durch diese Entscheidung ein Deregu- EuGH besonders anfälligen teleologischen Über- lierungspotential für den österreichischen- Ge legungen im Rahmen der vorliegenden Entschei- setzgeber eröffnet worden sei, dessen Nutzung dung eine vergleichsweise geringe Rolle gespielt, als rechtspolitische Frage an dieser Stelle nicht wurden sie doch im Grunde nur als Bestätigung näher zu behandeln sei.38 für die auf Basis von Wortlaut und Systematik erzielten Auslegungsergebnisse herangezogen. In Deutschland führt Führich zum hier interessie- Mögen die Ausführungen des EuGH somit bei renden Erkenntnis aus, dass nach § 63d LuftVZO manchen vielleicht auf rechtspolitisch moti- die Durchsetzungsstelle gemäß Art 16 Fluggast- vierten Widerwillen stoßen, so sind sie doch als rechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 das dt Luft- auf sicherem juristischen Fundament stehend fahrt-Bundesamt sei und in Übereinstimmung anzusehen. mit den vom EuGH in den verb Rs C-145/15 und C-146/15 aufgestellten Grundsätzen das Luft- III. Die bisherige Aufnahme des Erkenntnisses fahrt-Bundesamt nur öffentlich-rechtliche Aufga- in der rechtswissenschaftlichen Literatur ben zur generellen Überwachung wahrnehme. und durch die Europäische Kommission Die Durchsetzung individueller Ansprüche gegen die Fluggesellschaft obliege vielmehr den Zivilge- Es fällt auf, dass der Entscheidung des EuGH in richten und den Schlichtungsstellen. Dem EuGH den verb Rs C-145/15 und C-146/15 kaum Auf- sei hinsichtlich der von ihm entwickelten Rollen- merksamkeit in der österreichischen und dt Leh- verteilung zwischen den nationalen behördlichen re gezollt wurde. In Österreich beschränkt sich Durchsetzungs- und Beschwerdestellen und den Ofner – im Hinblick auf die von ihm gewählte Zivilgerichten grundsätzlich zuzustimmen. Der Auseinandersetzung mit dem hier interessie- EuGH hätte jedoch Veranlassung gehabt, stärker renden Erkenntnis im Rahmen eines Editorials auf die Möglichkeit einer Verhängung von wirk- wenig überraschend – darauf, die Entscheidungs- samen und abschreckenden Sanktionen gegen 35 gründe des EuGH wiederzugeben. Das gleiche Fluggesellschaften durch die Durchsetzungsstel- gilt für Wukoschitz, und zwar sowohl im Hinblick len hinzuweisen, wenn für diese durch Beschwer- auf die sich auf eine Wiederholung der Ausfüh- den von Fluggästen die systematische Weigerung rungen des EuGH inhaltlich beschränkende Wür- zur Befolgung der sich aus der FluggastrechteVO digung des Erkenntnisses als auch bezüglich des – VO (EG) Nr. 261/2004 ergebenden Pflichten er- Umstandes, dass die Natur seines Beitrags keine kennbar sei.39 Degott wiederum referiert in sei- 36 tiefergehenden Ausführungen erlaubt. Lehofer ner Kommentierung des Art 16 Fluggastrechte- referiert in seinem „Hinweis“ zur Entscheidung VO – VO (EG) Nr. 261/2004 mehrfach die in den des EuGH nicht mehr als deren Inhalt und er- verb Rs C-145/15 und C-146/15 gemachten gänzt dies bloß noch um die Information, dass Ausführungen, geht aber selbst in seinen rechts- in Österreich die Durchsetzungsstelle iSd Art 16 politischen Wertungen nie über die der- Ent FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 die scheidung oder den Schlussanträgen zu entneh- nach dem Bundesgesetz über die Agentur für menden Aussagen hinaus.40 Offenbar auf Grund Passagier- und Fluggastrechte (PFAG) eingerich- des Zeitpunkts des Abschlusses seiner Kommen-

ÖZV 2/2019 15 tierung des Art 16 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. schreiben. Es wäre letztlich angesichts ihrer Stel- 261/2004 konnte Keiler nur die Schlussanträge in lung im Gefüge der verschiedenen Organe der den verb Rs C-145/15 und C-146/15 berücksichti- Europäischen Union offenkundig auch zu viel von gen und bezieht sich auf sie als Beleg dafür, dass ihr verlangt, eine kritische rechtliche Auseinan- grundsätzlich weder die Durchsetzungs- noch die dersetzung mit den Ausführungen des EuGH vor- Beschwerdestelle für die Durchsetzung zivilrecht- zunehmen. Dass die Europäische Kommission in licher Ansprüche nach der FluggastrechteVO – VO rechtspolitischer Hinsicht über die eigentlichen (EG) Nr. 261/2004 „prädestiniert“ sei.41 unionsrechtlichen Vorgaben hinausgehende ver- braucherschützende Ansätze verfolgt und dies Die Europäische Kommission hat die Entscheidung mit einer Berufung auf „Grundsätze[n] guter Ver- des EuGH in den verb Rs C-145/15 und C-146/15 waltung“ und auf „eine[r] vorbildliche[n] Praxis“ bereits in ihren Leitlinien für die Auslegung der maskiert, kann ihr im Hinblick auf ihre Rolle als 42 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 be- Motor der Integration im Grunde ebenfalls nicht rücksichtigt. Sie referiert dabei offensichtlich vorgeworfen werden. Die Verfolgung derartiger mit gewissem Bedauern – arg „Der Gerichtshof politischer Ziele mag einem je nach politischer vertritt allerdings die Auffassung, dass …“ – die Ausrichtung gefallen oder nicht; sie liegt im po- wichtigsten Aussagen des EuGH in den verb Rs litischen Ermessens- und Gestaltungsspielraum C-145/15 und C-146/15 zur Rolle der nationalen der Europäischen Kommission. Durchsetzungsstellen als Organe der allgemei- nen Aufsicht nach Art 16 Abs 1 Fluggastrechte- Demgegenüber überrascht die vergleichsweise VO – VO (EG) Nr. 261/2004, die unionsrechtlich geringe Aufmerksamkeit, die dem Erkenntnis in nicht mit einer Durchsetzung individueller, kon- der österreichischen und dt Literatur zuteil wur- kreter Ansprüche einzelner Fluggäste betraut de. Es ist müßig, über die Gründe für die verhal- werden müssen. Sie weist in weiterer Folge da- tene Aufnahme der Entscheidung in der dt und rauf hin, dass der EuGH den Mitgliedstaaten aber österreichischen Lehre zu spekulieren. Ob der die Möglichkeit offengelassen habe, den natio- geringe Widerhall in der rechtswissenschaft- nalen Durchsetzungsstellen auch diese Aufgabe lichen Literatur Folge der Überzeugungskraft zu übertragen, und dass die nationalen Durch- der Argumentation des EuGH, einer möglicher- setzungsstellen ungeachtet des Erkenntnisses in weise unterschätzten praktischen Bedeutung den verb Rs C-145/15 und C-146/15 „verpflichtet des Erkenntnisses oder rechtspolitischer Vorbe- sind, Beschwerdeführern im Einklang mit den halte gegen die vom EuGH entwickelten Ausle- Grundsätzen guter Verwaltung und mangels al- gungsergebnisse ist, kann dahingestellt bleiben. ternativer Streitbeilegungsstellen eine fundierte Entscheidend ist vielmehr, dass es gegenwärtig Antwort auf ihre Beschwerden zu erteilen. Zu ei- zum einen an einer eingehenden Auseinander- ner vorbildlichen Praxis würde nach Auffassung setzung in der Literatur mit den Auswirkungen der Kommission auch gehören, dass die Fluggäste der Entscheidung des EuGH in den verb Rs C- über Rechtsbehelfe und sonstige Maßnahmen 145/15 und C-146/15 auf den bisher zu den unterrichtet werden, falls sie mit der Bewertung maßgeblichen unionsrechtlichen Bestimmungen ihres Falls nicht einverstanden sind.“ Darüber hi- in der deutschen und österreichischen Rechts- naus – und für die vorliegende Problemstellung wissenschaft vertretenen Meinungsstand fehlt. von bloß untergeordneter Bedeutung – empfiehlt Zum anderen wurde bisher auf eine Prüfung die Europäische Kommission, die Fluggäste zu ei- verzichtet, ob das in Umsetzung ua des Art 16 ner Beschwerde bei der zuständigen nationalen FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 erlas- Durchsetzungsstelle innerhalb einer angemes- sene nationale österreichische Recht mit den senen Frist anzuhalten, auf eine Erhebung von sich aus dem Erkenntnis des EuGH in den verb Beschwerden durch die Fluggäste erst nach vor- Rs C-145/15 und C-146/15 ergebenden unions- heriger Befassung des Luftfahrtunternehmens rechtlichen Vorgaben vereinbar ist. Beides soll hinzuwirken, und eine Beantwortung der Be- nunmehr erfolgen. Dabei wird auch auf allfällige schwerden durch das Luftfahrtunternehmen in- weitere, in der Lehre früher aufgezeigte Defizite nerhalb von zwei Monaten in jeder Amtssprache des nationalen österreichischen Rechts erneut der Europäischen Union. Sie betont das Recht des einzugehen sein. Fluggastes, sich für eine Vertretung durch eine an- dere Person oder Einrichtung zu entscheiden.43 IV. Die Bedeutung der Entscheidung für das Unionsrecht Die Reaktion der Europäischen Kommission in ihren Leitlinien für die Auslegung der Fluggast- A. Der Stellenwert des Erkenntnisses rechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 auf die Ent- Die Stringenz der Argumentation des EuGH und scheidung des EuGH in den verb Rs C-145/15 und des Generalanwalts, die Übereinstimmung zwi- C-146/15 lässt sich wohl am besten als formale schen der Entscheidungsbegründung des EuGH Akzeptanz bei rechtspolitischem Widerstand be- einerseits und den Ausführungen in den Schluss-

16 ÖZV 2/2019 anträgen des Generalanwalts andererseits so- sollen weiterhin die Beschwerdestellen zustän- wie die Kürze der Begründung des Erkenntnisses dig sein.51 Die Beibehaltung der schon in Art 16 durch den EuGH – von den insgesamt bloß 39 Rn FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 grund- der Entscheidung umfasst die eigentliche Begrün- gelegten „funktionelle[n] Trennung zwischen dung in den Rn 27 bis 38 nur zwölf Rn – und der allgemeiner Durchsetzung und der Bearbeitung Schlussanträge von Generalanwalt Bot, dessen ei- individueller Beschwerden“ ist somit eine expli- gentliche Analyse der Rechtslage sich auf die Rn zit angesprochene Konstante auch des Reform- 22 bis 41 und damit auf nicht mehr als zwanzig vorschlags.52 Erreicht werden soll das Ziel des von 42 Rn beschränkt, legen die Vermutung nahe, Reformvorschlags durch eine bessere Kooperati- dass das Erkenntnis des EuGH in den verb Rs C- on von Durchsetzungs- und Beschwerdestellen, 145/15 und C-146/15 keine besonders schwie- durch eine inhaltliche Ausdehnung der Überwa- rigen Rechtsfragen zu behandeln hatte. chungsaufgaben der Durchsetzungsstellen so- wie durch einen verbesserten Informationsaus- Dieser erste Eindruck täuscht allerdings. Vielmehr tausch und förmliche Koordinierungsverfahren erging die Entscheidung des EuGH in den verb Rs zwischen den nationalen Durchsetzungsstellen C-145/15 und C-146/15 in einem Rechtsgebiet untereinander und mit der Europäischen Kom- voller Unsicherheiten. Die Quelle der Probleme mission.53 Derartige Reformvorschläge würden liegt dabei im Umstand, dass die Vorschriften sich aber erübrigen, wenn das bisherige, durch zur Durchsetzung der Fahrgastrechte nach der Art 16 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004, aber normierte Durchsetzungssystem anstandslos ebenso nach anderen Rechtsvorschriften – auch funktionieren würde. wenn sie in unmittelbar geltenden unionsrecht- lichen Verordnungen normiert sind – jeweils Weiter erschwert wurde die Lage durch das im noch der Umsetzung und Ausführung in den Mit- Grunde vollständige Fehlen einschlägiger Vor- gliedstaaten bedürfen.44 Die Reichweite und der judikatur des EuGH. Obwohl sich der EuGH in Inhalt der damit den Mitgliedstaaten eröffneten den verb Rs C-145/15 und C-146/15 auf seine Gestaltungsspielräume werden von manchen se- Entscheidungen sowohl in der Rs C-12/1154 als kundärrechtlichen Unionsrechtsakten zwar näher auch in der Rs C-83/1055 als Beleg für die von determiniert. Gerade Art 16 FluggastrechteVO – ihm in dem hier gegenständlichen Erkenntnis VO (EG) Nr. 261/2004 beschränkt sich jedoch auf postulierte Rollenverteilung zwischen den nati- eine vergleichsweise knappe Regelung der in die- onalen Durchsetzungsstellen und den mitglied- sem Zusammenhang auftretenden Ordnungspro- staatlichen Gerichten bezogen hat,56 trägt weder bleme, die mangels hinreichender inhaltlicher Be- die von ihm zitierte Rn des Erkenntnisses in der stimmtheit in manchen Detailfragen praktische45 Rs C-12/11 noch die Entscheidung in der Rs C- und rechtliche Schwierigkeiten hervorruft. 83/10 in ihrer Gesamtheit die vom Gerichtshof nunmehr gemachte Aussage zur Aufgabenver- Bestätigt wird dieser Befund nicht zuletzt- da teilung zwischen der Durchsetzungsstelle gemäß durch, dass der Reformvorschlag der Europä- Art 16 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 ischen Kommission zur FluggastrechteVO – VO einerseits und den mitgliedstaatlichen Gerich- 46 (EG) Nr. 261/2004 insb. in seinen Art 16 bis 16b ten andererseits. Der bereits von Generalanwalt durchaus im Gleichklang mit anderen einschlä- Bot in seinen Schlussanträgen festgehaltene gigen unionsrechtlichen Rechtsakten insb. zu den Befund, dass die Erkenntnisse des EuGH in der Passagier- und Fahrgastrechten in einer komple- Rs C-12/11, in der Rs C-264/06 sowie in der Rs xen Art und Weise auch und gerade die Rolle der C-333/06 Art 16 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. nationalen Durchsetzungsstellen zu präzisieren 261/2004 nur erwähnt haben, ohne jedoch auf 47 versucht. Ausgehend davon, dass nach der Be- die entscheidungswesentliche Rechtsfrage ein- gründung des Vorschlags eines der zentralen Pro- zugehen, ist somit zutreffend.57 Die Entscheidung bleme die Durchsetzung der FluggastrechteVO des EuGH in der Rs C-264/06 betraf schließlich 48 – VO (EG) Nr. 261/2004 ist, wird als wesentliches ausweislich der im Amtsblatt wiedergegebenen Ziel des Vorschlags die bessere, weil wirksame Klagsgründe ein Vertragsverletzungsverfahren und einheitliche Durchsetzung der Fluggastrechte gegen Luxemburg wegen Nichteinhaltung der 49 definiert. Eine der Maßnahmen zur Erreichung sich aus Art 16 Abs 3 FluggastrechteVO – VO (EG) dieses Ziels ist nach dem Vorschlag die Verstär- Nr. 261/2004 ergebenden Verpflichtung zur Ein- kung und bessere Koordinierung der Durchset- führung wirksamer, verhältnismäßiger und ab- 50 zungsmaßnahmen auf nationaler Ebene. Dem- schreckender Sanktionen58 und endete mit einer entsprechend soll nach diesem Vorschlag die Rolle diesbezüglichen Verurteilung von Luxemburg.59 der nationalen Durchsetzungsstellen präzisiert Nichts anderes gilt für das Erkenntnis des EuGH werden, indem ihnen allgemeine Durchsetzungs- in der Rs C-333/06. Dieses betraf ein letztlich aufgaben zugewiesen werden. Für die außerge- mit einer Verurteilung von Schweden endendes richtliche Behandlung individueller Beschwerden Vertragsverletzungsverfahren wegen Verletzung

ÖZV 2/2019 17 der sich aus Art 16 Abs 3 FluggastrechteVO – VO – VO (EG) Nr. 261/2004 und nicht unmittelbar (EG) Nr. 261/2004 ergebenden Pflicht des -Mit mit dem Fehlen einer Durchsetzungs- oder Be- gliedstaats zur Normierung von Sanktionen für schwerdestelle gemäß Art 16 Abs 1 und 2 Flug- Verstöße gegen Art 14 FluggastrechteVO – VO gastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 oder der (EG) Nr. 261/2004.60 In beiden Fällen fand – in unzureichenden Ausgestaltung der Rechtspositi- Anbetracht des Streitgegenstands wenig überra- on derartiger Stellen begründet hat. Auf diesen schend – keine erkennbare inhaltliche Auseinan- Umstand wird in weiterer Folge noch zurückzu- dersetzung mit Art 16 FluggastrechteVO – VO kommen sein.65 (EG) Nr. 261/2004 statt, sodass sich aus diesen Entscheidungen keinerlei Anhaltspunkte betref- Das Vorhandensein einer unionsrechtlich vorge- fend die aus Art 16 FluggastrechteVO – VO (EG) sehenen Durchsetzungs- und Beschwerdestelle Nr. 261/2004 abzuleitenden materiellen Anfor- war jedoch unzweifelhaft in Verbindung mit an- derungen an das unionsrechtliche System der deren unionsrechtlichen Rechtsakten betreffend Durchsetzungs- und Beschwerdestellen erge- Passagier- und Fahrgastrechte von Relevanz. ben. So wurde wegen des Fehlens einer Durchset- zungs- und Beschwerdestelle gemäß VO (EU) Nr. Die Liste der Art 16 FluggastrechteVO – VO (EG) 181/2011 über die Fahrgastrechte im Busver- Nr. 261/2004 betreffenden Vertragsverletzungs- kehr66 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen verfahren lässt sich fortsetzen: Gegen Belgien Österreich eingeleitet; zudem drohte wegen des wurde im Jahr 2006 unter Berufung darauf, die Fehlens einer solchen Stelle gemäß VO (EU) Nr. von Art 16 Abs 3 FluggastrechteVO – VO (EG) 1177/2010 über die Fahrgastrechte im Schiffs- Nr. 261/2004 geforderten wirksamen, verhält- verkehr67 ein weiteres Vertragsverletzungsver- nismäßigen und abschreckenden Sanktionen fahren.68 Ferner hat die Europäische Kommission im nationalen Recht nicht vorgesehen zu ha- gegen Italien wegen des Fehlens einer Behörde ben, ein Vertragsverletzungsverfahren zur Rs zur Überwachung der Anwendung der VO (EG) C-65/06 eingeleitet.61 Dieses wurde unter Ver- Nr. 1371/2007 über die Rechte und Pflichten der pflichtung Belgiens zum Kostenersatz vor Fällung Fahrgäste im Eisenbahnverkehr69 und der un- eines Erkenntnisses beendet.62 Ebenfalls im Jahr terlassenen Festlegung der Unrechtsfolgen bei 2006 wurde gegen Österreich zur Rs C-235/06 Verstößen gegen diese Verordnung ein Vertrags- ein Vertragsverletzungsverfahren unter Beru- verletzungsverfahren eingeleitet und Klage vor fung auf eine Verletzung von Art 16 Fluggast- dem EuGH erhoben.70 Abgesehen davon, dass rechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 ausweislich diese Verfahren zu keinen Erkenntnissen des der Klagsgründe deshalb eingeleitet, weil nach EuGH mit inhaltlichen Aussagen geführt haben dieser Bestimmung wirksame, verhältnismäßige und ohnedies bei allfälligen materiellen Aussa- und abschreckende Sanktionen für Fluggesell- gen in derartigen Entscheidungen noch deren schaften für den Fall vorzusehen sind, dass keine Allgemeingültigkeit und inhaltliche Übertragbar- Ausgleichszahlung geleistet, keine anderweitige keit auf jeweils andere unionsrechtliche Rechts- Beförderung angeboten oder kein Erstattungsan- akte zu prüfen wäre,71 hätten Urteile des EuGH spruch gewährt wird, und Österreich nach Infor- in solchen Verfahren wohl keine besonderen mationen der Europäischen Kommission keine Aufschlüsse für das vorliegend interessierende derartigen wirksamen, verhältnismäßigen und Rechtsproblem geben können. Fehlen unions- abschreckenden Sanktionen festgelegt habe.63 rechtlich vorgeschriebene Durchsetzungs- oder Auch hier wurde die Rechtssache durch deren Beschwerdestellen gänzlich, so besteht schließ- Streichung unter Verpflichtung Österreichs zum lich keine Veranlassung für den EuGH, zu Fragen Kostenersatz erledigt, ohne dass es zu einer in- der notwendigen inhaltlichen Ausgestaltung haltlichen Entscheidung des EuGH kam.64 derartiger Stellen Stellung zu nehmen. Allerdings indizieren all diese Verfahren zumindest, dass Insoweit es in der Rs C-65/06 sowie in der Rs Fragen der Einrichtung von Durchsetzungs- und C-235/06 zu keiner Entscheidung in der Sache Beschwerdestellen offenkundig ein rechtsaktsü- durch den EuGH gekommen ist, versteht es sich bergreifendes Problem darstellen. von selbst, dass diese Verfahren keine Hinweise für das rechtliche Verständnis des Art 16 Flug- Immerhin hat der EuGH aber in seinem schon gastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 geben früher ergangenen Erkenntnis in der Rs C-12/11 können. Von Interesse ist jedoch, dass die Euro- ausgeführt, Art 16 FluggastrechteVO – VO (EG) päische Kommission in allen vier Verfahren, also Nr. 261/2004 dürfe nicht so ausgelegt werden, die Rs C-264/06, die Rs C-333/06, die Rs C-65/06 dass allein den nationalen Durchsetzungsstellen und die Rs C-235/06, die Vertragsverletzung letz- die Ahndung von Verstößen gegen die in Art 5 ten Endes mit der fehlenden Normierung wirk- Abs 1 lit b und Art 9 FluggastrechteVO – VO (EG) samer, verhältnismäßiger und abschreckender Nr. 261/2004 geregelten Betreuungspflichten Sanktionen iSd Art 16 Abs 3 FluggastrechteVO vorbehalten sei. Vielmehr könne sich der Flug-

18 ÖZV 2/2019 gast auch vor einem nationalen Gericht auf eine österreichischen und dt Literatur verwundert. derartige Verletzung dieser Betreuungspflichten berufen.72 Dass diese Ablehnung eines Sankti- B. Zur Übertragbarkeit des Erkenntnisses auf onsmonopols der Durchsetzungsstelle in Anbe- andere Rechtsakte tracht von EG 22 FluggastrechteVO – VO (EG) Manche der in der Literatur bezüglich der Rol- Nr. 261/2004 nicht sonderlich überraschend ist, le der Durchsetzungs- und Beschwerdestellen ändert nichts an der Nützlichkeit der damit vom 73 aufgetretenen Unsicherheiten haben ihre Ursa- EuGH explizit vorgenommenen Klarstellung. che unzweifelhaft darin, dass das Unionsrecht Ferner hat der EuGH in der Rs C-509/11 zur VO weit davon entfernt ist, eine einheitliche, in den (EG) Nr. 1371/2007 über die Rechte und Pflich- verschiedenen Rechtsakten übereinstimmend ten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr festge- geregelte Position zur Kompetenzverteilung zwi- halten, dass Art 30 Abs 1 Unterabs 1 VO (EG) Nr. schen Durchsetzungsstellen, nationalen Gerich- 1371/2007 kein Mittel zur Erweiterung von nach ten und Beschwerdestellen entwickelt zu haben. dem relevanten nationalen Recht beschränkten Allein auf dem Gebiet der Passagier- und Fahr- Kompetenzen der Durchsetzungsstelle ist. Die gastrechte finden sich mit EG 21 und EG 22 sowie zuständigen nationalen Stellen sind jedoch ver- Art 16 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 pflichtet, das nationale Recht so weit wie mög- inhaltlich vergleichbare, aber im Detail durch- lich im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der aus abweichende, idR ausdifferenziertere -Be Verordnung auszulegen und anzuwenden, um stimmungen etwa in EG 22 und in den Art 30 bis das mit ihr gewünschte Ergebnis zu erreichen.74 32 VO (EG) Nr. 1371/2007 über die Rechte und Mehr zu verschiedenen in Verbindung mit Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr, Durchsetzungsstellen auftretenden Problem- in den EG 22 bis 26 und den Art 25 bis 28 VO stellungen lässt sich den Schlussanträgen des (EU) Nr. 1177/2010 über die Fahrgastrechte im Generalanwalts Jääskinen in dieser Rechtssache Schiffsverkehr sowie in den EG 20 bis 22 und 24 entnehmen. Dessen diesbezügliche Ansichten und in den Art 28 bis 31 VO (EU) Nr. 181/2011 wurden jedoch nur im Rahmen eines unter der über die Fahrgastrechte im Busverkehr. Zwar Überschrift „C – Ergänzende Bemerkungen“ aus- entspricht es auf der einen Seite dem Grundsatz geführten obiter dictum entwickelt und haben systematischer Interpretation, zur Auslegung im Grunde bloß die Ausführungen von EuGH und eines bestimmten Rechtsakts vergleichbare Re- Generalanwalt in den verb Rs C-145/15 und C- gelungen anderer Rechtsakte heranzuziehen. 146/15 vorweggenommen.75 Sie wurden und Auf der anderen Seite erschweren die in den ver- werden daher ebenso wie die Aussagen des schiedenen unionsrechtlichen Rechtsakten vor- EuGH in der Rs C-509/11 an den jeweils pas- zufindenden Unterschiede betreffend die Ausge- senden Stellen dieser Untersuchung noch näher staltung an sich vergleichbarer Problembereiche gewürdigt.76 über den einzelnen Rechtsakt hinausgehende allgemeine Aussagen zu den unionsrechtlichen Im Hinblick auf den sich aus der bisherigen spär- Anforderungen an die dem mitgliedstaatlichen lichen und auf Einzelfragen beschränkten Rsp er- Gesetzgeber obliegende konkrete Einrichtung gebenden dogmatischen Stand hat die Entschei- von Durchsetzungs- und Beschwerdestellen. dung des EuGH in den verb Rs C-145/15 und C-146/15 somit insgesamt betrachtet eindeutig Diese Schwierigkeiten finden ihre Fortsetzung in eine Lücke betreffend die Auslegung und das der Frage der Übertragbarkeit der im Erkenntnis Verständnis des Art 16 FluggastrechteVO – VO des EuGH in den verb Rs C-145/15 und C-146/15 (EG) Nr. 261/2004 im Besonderen und des In- gemachten Ausführungen auf andere Rechtsak- stituts der Durchsetzungs- und Beschwerdestel- te. An sich liegt es nämlich angesichts der inhalt- len im Allgemeinen wenigstens in weiten Teilen lichen Verwandtschaft nahe, diese Entscheidung geschlossen. Dies ist umso höher zu bewerten, zur Auslegung vergleichbarer unionsrechtlicher als die Europäische Kommission in ihren nach Vorschriften heranzuziehen. Das gilt umso mehr, dem Erkenntnis in den verb Rs C-145/15 und C- je allgemeiner und grundsätzlicher der Charakter 146/15 erlassenen Leitlinien für die Auslegung der Aussagen des EuGH in den verb Rs C-145/15 der FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 und C-146/15 ist. auf weitere, über die Entscheidung hinausge- Einer solchen Vorgangsweise können jedoch zu- hende Auslegungshinweise im Grunde vollstän- 77 nächst schon abweichende sekundärrechtliche dig verzichtet hat. Es handelt sich insoweit Regelungen entgegenstehen. So hat der EuGH bei der Entscheidung des EuGH in den verb Rs etwa auf Basis entsprechender expliziter unions- C-145/15 und C-146/15 unzweifelhaft um einen rechtlicher Vorgaben in der Rs C-489/15 festge- entscheidenden dogmatischen Fortschritt, -des halten, dass den nationalen güterverkehrsrecht- sen bislang stiefmütterliche Behandlung in der lichen Regulierungsstellen eine grundsätzlich ausschließliche Zuständigkeit zukommt, die nur

ÖZV 2/2019 19 unter dem Vorbehalt einer späteren gerichtlichen setzungs- und Beschwerdestellen gemeinsamen Überprüfung steht.78 Damit ist in diesem Fall kein Teleologie nicht oft der Fall sein; gänzlich aus- Platz für eine Übertragung des sich aus dem Er- zuschließen ist es aber nicht. Unter Berücksich- kenntnis des EuGH in den verb Rs C-145/15 und tigung all dieser Überlegungen sollte insgesamt C-146/15 ergebenden Grundsatzes, dass das aber mehr dafür als dagegen sprechen, dass die mitgliedstaatliche Recht die Durchsetzung kon- in den verb Rs C-145/15 und C-146/15 gemach- kreter, individueller Ansprüche einem Verfah- ten Ausführungen zu unionsrechtlich vorgege- ren vor den ordentlichen Gerichten vorbehalten benen Durchsetzungs- und Beschwerdestellen darf. Umgekehrt lässt sich die Aussage des EuGH jedenfalls grundsätzlich – insb. soweit ihnen all- in der Rs C-489/15 zur ausschließlichen Zustän- gemeiner Charakter zukommt – zumindest auf digkeit einer Regulierungsstelle wohl kaum auf die verschiedenen unionsrechtlichen Rechtsakte Art 16 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 zu Passagier- und Fahrgastrechten sinngemäß übertragen, ist doch spätestens seit der – hier anwendbar sind. bereits näher gewürdigten79 – Entscheidung des EuGH in der Rs C-12/11 unbestreitbar, dass es C. Einzelfragen kein Sanktionsmonopol der Durchsetzungsstel- Nachstehend sollen nun einige, in der österrei- le gemäß Art 16 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 80 chischen und dt Literatur vor dem Erkenntnis 261/2004 geben darf. des EuGH in den verb Rs C-145/15 und C-146/15 In einem anderen telekommunikationsrecht- vertretene Hypothesen zur Ausgestaltung von lichen Erkenntnis hat der EuGH festgehalten, Durchsetzungs- und Beschwerdestellen vor dem dass auf Basis entsprechender sekundärrecht- Hintergrund des nunmehr durch die Entschei- licher Vorgaben die diesbezüglich unionsrecht- dung des EuGH erreichten dogmatischen Stan- lich vorgesehenen Streitbeilegungsverfahren des kritisch überprüft werden. Dabei wird sich eine aktive Intervention eines Dritten zur Beile- zeigen, dass die meisten insb. in der dt Lehre un- gung der Streitigkeit durch Vorschlag oder Vor- ter Berufung auf Unionsrecht postulierten Anfor- schreiben einer Lösung erfordern und sich nicht derungen an das Durchsetzungs- und Beschwer- auf Versuche beschränken dürfen, eine Annähe- destellenwesen nicht – mehr – haltbar sind. rung der Parteien zu dem Zweck herbeizuführen, 1. Verpflichtende Einrichtung echter Schlich- dass diese selbst eine einvernehmliche Lösung tungsstellen? finden.81 Demgegenüber ergibt sich aus dem Er- kenntnis des EuGH in den verb Rs C-145/15 und Besonders in Dtld findet sich ein auch durch C-146/15, dass es hinsichtlich der Beschwerde- organisatorische Trennung verwirklichter Du- stelle nach Art 16 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. alismus zwischen Durchsetzungsstellen und 261/2004 unionsrechtlich ausreichend ist, falls Schlichtungseinrichtungen. So werden Schlich- die Beschwerdestelle die Beschwerden des Flug- tungsstellen nicht als nationale Durchsetzungs- gastes entgegennimmt und ihn allgemein in sei- stellen gemäß Art 16 FluggastrechteVO – VO nem Anliegen unterstützt. Dies ist als Folge der (EG) Nr. 261/2004, sondern als Mittel des zivil- mangels entsprechender sekundärrechtlicher rechtlichen Schutzes des Fluggastes eingerichtet Vorgaben den Mitgliedstaaten zustehenden Ge- und verstanden.85 Durchsetzungsstelle iS dieser staltungsfreiheit anzusehen, unter Wahrung der unionsrechtlichen Bestimmung ist dagegen das praktischen Wirksamkeit des jeweils einschlä- mit Mitteln des Ordnungswidrigkeitenrechts wie gigen Sekundärrechts sowie der Grundsätze der Bußgeldern – also nach österreichischem Ver- Äquivalenz, der Effektivität und des effektiven ständnis mit Mitteln des Verwaltungsstrafrechts gerichtlichen Rechtsschutzes die näheren Mo- – handelnde Luftfahrt-Bundesamt.86 dalitäten derartiger Verfahren festzulegen.82 Bei der konkreten Ausgestaltung insb. durch Einräu- Diese Vorgangsweise zur Umsetzung der ein- mung von Kompetenzen zur Prüfung und Setzung schlägigen unionsrechtlichen Vorgaben wird von Maßnahmen auf individuelle Beschwerden aber nicht allein im Anwendungsbereich der hin sind ferner sich aus den Grundrechten der FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 prak- Europäischen Union, namentlich aus Art 47 GRC, tiziert. Vielmehr gilt für die in den unionsrecht- ergebende Schranken zu beachten.83 lichen Rechtsakten zu den Passagier- und Fahr- gastrechten vorgesehenen Durchsetzungs- und Darüber hinaus können einer Übertragbarkeit Beschwerdestellen allgemein, dass nach dt Ver- von in der Entscheidung in den verb Rs C-145/15 ständnis den jeweiligen nationalen Durchset- und C-146/15 gemachten Aussagen weiters tele- zungsstellen „eine gewerberechtliche Aufsicht“ ologische Überlegungen entgegen gehalten wer- obliegt, die von der privatrechtlichen Schlichtung den, die Berechtigung allein in Verbindung mit zu unterscheiden ist.87 Durchsetzungsstellen ha- einem bestimmten Rechtsakt haben.84 Dies wird ben gerade nicht „über die Begründetheit von In- in Anbetracht der wohl allen Arten von Durch- dividualansprüchen der Reisenden als Schlichter

20 ÖZV 2/2019 zu entscheiden, sondern sollen mit Mitteln des gastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 jedenfalls öffentlichen Rechts die generelle Umsetzung der Boden entzogen. Es ist aber fraglich, ob es der Rechte der Verordnungen durchsetzen.“88 einer derartigen Rechtsgrundlage überhaupt be- Durchsetzungsstelle für die Fahrgastrechte nach darf. Vielmehr ist es Sache der Mitgliedstaaten, der VO (EG) Nr. 1371/2007 betreffend den Eisen- eine Beschwerdestelle im Einklang mit ihren in- bahnverkehr sowie für jene nach der VO (EU) nerstaatlichen Rechtsvorschriften – etwa durch Nr. 181/2011 betreffend den Busverkehr ist in eine entsprechende Zertifizierung oder ähnliche, Deutschland das Eisenbahn-Bundesamt.89 dem nationalen Recht bekannte Maßnahmen – so zu organisieren, dass sie als dem Staat zu- Dagegen erfolgt die Schlichtung privatrechtlicher rechenbar anzusehen ist. Das gilt umso mehr, Ansprüche in Dtld regelmäßig durch eine eigene als Art 16 Abs 2 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 90 Schlichtungseinrichtung. So ist für den Luftver- 261/2004 als Zurechnungskriterium nur eine Be- kehr primär die unternehmensgetragene Schlich- nennung dieser Stelle durch den Mitgliedstaat tungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr verlangt und insoweit keine besonders hohen 91 e.V. (söp) sowie subisidiär eine behördliche Anforderungen gestellt werden. Schlichtungsstelle beim Bundesamt für Justiz zu- ständig.92 Für den Busverkehr, den Bahnverkehr Darüber hinausgehend wurde in Deutschland zu- sowie den Schiffsverkehr wird die Funktion der dem von manchen von einer unionsrechtlichen Schlichtungseinrichtung nunmehr ebenfalls von Pflicht zur Ausgestaltung der Beschwerdestelle der söp wahrgenommen.93 als echte Schlichtungseinrichtung mit der Aufga- be ausgegangen, konkrete, individuelle Ansprü- Der in Deutschland verfolgte Ansatz zur Erfül- che durchzusetzen. Anknüpfend an der schon lung der einschlägigen unionsrechtlichen Anfor- im Unionsrecht angelegten Differenzierung zwi- derungen ist an sich rechtlich unbedenklich. Es schen der Aufgabe der Durchsetzung einerseits ist nämlich nach in den verb Rs C-145/15 und C- und jener der Bereitstellung einer Beschwer- 146/15 geäußerter, insoweit übereinstimmender demöglichkeit andererseits haben einzelne Auffassung von EuGH und Generalanwalt zum ei- – wenn auch wohl nicht unwidersprochen96 – die nen zulässig, dass der mitgliedstaatliche Gesetz- unionsrechtlich vorgeschriebene Eröffnung einer geber der nationalen Durchsetzungsstelle bloß Beschwerdemöglichkeit weit als Möglichkeit zur eine allgemeine, generelle Aufsicht betreffend Schlichtung zivilrechtlicher Ansprüche verstan- die Einhaltung der unionsrechtlichen Vorgaben den und daraus eine unionsrechtliche Pflicht zur als Kompetenz zuweist. Auch eine organisato- Einführung einer echten Schlichtungsstelle abge- rische und funktionelle Trennung von Durchset- leitet.97 Andere halten im Hinblick auf Art 16 Flug- zungs- und Beschwerdestelle ist zum anderen gastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 und sowie unionsrechtlich insb. in Anbetracht des Art 16 Art 30 f VO (EG) Nr. 1371/2007 zwar fest, dass aus Abs 2 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 diesen Vorschriften keine Pflicht zur Einrichtung nicht zu beanstanden. Dass der Beschwerde- eines außergerichtlichen Schlichtungsverfah- stelle unionsrechtlich die Funktion einer außer- rens folge. Dahinter steht die Auffassung, dass gerichtlichen Streitbeilegung nach der Art eines Schlichtungsstellen eben keine unionsrechtlich Mediators durch den nationalen Gesetzgeber zu- vorgeschriebenen Durchsetzungsstellen sind.98 gewiesen werden darf, hat der Generalanwalt in Eine Pflicht zur Einführung eines Schlichtungs- seinen Schlussanträgen zu den verb Rs C-145/15 stellenverfahrens soll sich jedoch daraus erge- 94 und C-146/15 explizit klargestellt. ben, dass andernfalls angesichts der im vorlie- Unklar ist jedoch, ob einer privat organisier- genden Zusammenhang regelmäßig relevanten ten echten Schlichtungseinrichtung als solches geringen Streitwerte und der darauf beruhenden die Rolle einer Beschwerdestelle iSd unions- Hürden einer gerichtlichen Geltendmachung sol- rechtlichen Vorgaben zukommen kann. Keiler cher Ansprüche für den Fahrgast die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts nach dem Grund- versucht derartige Vorgangsweisen offenbar 99 dadurch rechtlich abzusichern, dass er unter Be- satz des effet utile gefährdet wäre. rufung auf Art 16 Abs 2 FluggastrechteVO – VO Derartige Versuche, einen unionsrechtlichen (EG) Nr. 261/2004 neben den Durchsetzungs- Zwang zur Ausgestaltung von Beschwerdestellen stellen und den Beschwerdestellen noch eine als echte Schlichtungseinrichtungen zu begrün- weitere Kategorie von unionsrechtlich grundge- den, lassen sich nunmehr nicht mehr aufrecht- legten nationalen Stellen anerkennen möchte. erhalten. Aus den Ausführungen von EuGH und Zu diesen zählt er offenkundig die privat organi- Generalanwalt in den verb Rs C-145/15 und C- 95 sierten echten Schlichtungseinrichtungen. Mit 146/15 folgt vielmehr eindeutig, dass die unions- den von EuGH und Generalanwalt in den verb Rs rechtlich vorgesehenen Beschwerdestellen vom C-145/15 und C-146/15 gemachten Aussagen ist mitgliedstaatlichen Gesetzgeber auf die Rolle ei- einer solchen Auslegung des Art 16 Abs 2 Flug- ner Information des Beschwerdeführers etwa zu

ÖZV 2/2019 21 möglichen Vorgangsweisen beschränkt werden Art 30 Abs 1 Unterabs 2 VO (EG) Nr. 1371/2007 können und die Durchsetzung individueller, kon- weder als vom Unabhängigkeitsgebot begünsti- kreter Ansprüche den nationalen, ordentlichen gte Einrichtung noch als Institution erwähnt, von Gerichten allein vorbehalten werden darf.100 deren Einfluss die Durchsetzungsstelle durch das Unabhängigkeitsgebot bewahrt werden muss. 2. Verpflichtende Trennung von Durchsetzungs- Dazu kommt, dass EG 25 und Art 25 Abs 1 Un- stelle und Schlichtungseinrichtung? terabs 2 VO (EU) Nr. 1177/2010 ein vergleich- Eine weitere in der dt Literatur behandelte Pro- bares Unabhängigkeitsgebot kennen. Dieser blemstellung im Hinblick auf die unionsrechtlich Rechtsakt dürfte aber ausweislich von EG 25 VO vorgegebenen Anforderungen zur Ausgestaltung (EU) Nr. 1177/2010 von der Zulässigkeit einer von Durchsetzungsstellen auf der einen Seite Vereinigung der Funktionen von Durchsetzung und von Beschwerdestellen auf der anderen und Schlichtung in einer Institution ausgehen. Seite ist die Frage nach der Notwendigkeit ei- Dementsprechend trägt Art 30 Abs 1 Unterabs 2 ner Trennung dieser beiden Einrichtungen. Dazu VO (EG) Nr. 1371/2007 in Anbetracht seines Re- wird auf dem Boden des deutschen Rechts und gelungsgehalts schon nicht die Annahme eines wegen der unterschiedlichen Aufgabenzuwei- Gebots zur Trennung von Durchsetzungs- und sungen, aber auch unter Berufung auf Art 30 Abs Beschwerdestelle im Anwendungsbereich der 1 Unterabs 2 VO (EG) Nr. 1371/2007 sowie un- VO (EG) Nr. 1371/2007. Umso weniger lässt sich ter Heranziehung zusätzlicher unionsrechtlicher auf diese Bestimmung eine allgemeine, rechts- Argumente eine strikte Trennung der Durchset- aktsübergreifende Pflicht zur Trennung von zungsstelle von der Schlichtungsstelle verlangt.101 Durchsetzungs- und Beschwerdestelle stützen. Auch bei subsidiärer Zuweisung der Aufgaben Dies bedeutet nun keineswegs, dass bei der einer Schlichtungsstelle an eine Behörde sei Art Ausgestaltung von Beschwerdestellen keinerlei 30 Abs 1 Unterabs 2 VO (EG) Nr. 1371/2007 zu Schranken zu beachten wären. Vielmehr sind Art 102 beachten. 30 Abs 1 Unterabs 2 VO (EG) Nr. 1371/2007 so- Dabei ist von vornherein wohl ohne weiteres wie EG 25 und Art 25 Abs 1 Unterabs 2 VO (EU) einsichtig, dass sich auf das nationale Recht be- Nr. 1177/2010 Hinweise darauf, dass derartige ziehende Überlegungen für die Rechtslage im Stellen insb. bei einer Ausgestaltung als echte betreffenden Mitgliedstaat Bedeutung haben Schlichtungseinrichtungen eine entsprechende mögen, aber für die Ermittlung der einschlägigen Unabhängigkeit von solchen Institutionen -auf unionsrechtlichen Vorgaben außer Betracht zu weisen müssen, bei denen im Rahmen einer bleiben haben. Schlichtung die Gefahr einer Verfolgung eigener Interessen besteht. Diese Anforderung ist aller- Aus den – letztlich auf dem Sekundärrecht be- dings nichts, was sich nicht bereits aus den allge- ruhenden – unterschiedlichen Aufgabenzuwei- meinen unionsrechtlichen Vorgaben zur Ausge- sungen an Durchsetzungs- und Beschwerdestel- staltung derartiger Stellen ergeben würde.103 len wird sich wiederum ein derartiges Gebot einer strikten Trennung beider Einrichtungen Auf Basis dieser Überlegungen ist offenkundig, nicht ableiten lassen. So ergibt sich etwa aus dass ein Trennungsgebot rechtfertigende Ge- Art 16 Abs 2 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. fahren für die Unabhängigkeit von Beschwer- 261/2004 explizit die Zulässigkeit einer Vereini- destellen sich nicht aus ihrer organisatorischen gung von Durchsetzungs- und Beschwerdestelle Vereinigung mit Durchsetzungsstellen ergeben in einer einzigen Institution, und zwar ungeach- werden. Beide Stellen verfolgen schließlich mit tet der auch im Anwendungsbereich der Flug- unterschiedlichen Ansätzen und Mitteln das glei- gastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 unzwei- che Ziel einer effektiven Durchsetzung unions- felhaft unterschiedlichen Funktionen der beiden rechtlicher Vorgaben. Dementsprechend bringt Stellen. Beide Aufgabenzuweisungen sind somit die Europäische Kommission in ihren Leitlinien nach Ansicht des Unionsgesetzgebers zumindest für die Auslegung der FluggastrechteVO – VO (EG) insoweit als miteinander kompatibel anzusehen, Nr. 261/2004 gerade eine gewisse Sympathie für dass die Stellen in einer Einrichtung zusammen- eine Zusammenlegung von Durchsetzungs- und geführt werden können. Beschwerdestellen in einer Einrichtung zum Ausdruck.104 Dagegen bestehen unzweifelhaft Zudem ist die Berufung auf Art 30 Abs 1 Unterabs derartige Gefahren bei unternehmens- oder ver- 2 VO (EG) Nr. 1371/2007 zur Rechtfertigung eines braucherschutzgetragenen Institutionen, denen solchen Trennungsgebots verfehlt. Diese Bestim- die Aufgabe einer Beschwerdestelle zugewiesen mung normiert nämlich ein Unabhängigkeitsge- wird. Selbst bei derartigen, von einer der beiden bot zugunsten der Durchsetzungsstelle gemäß Marktseiten getragenen Einrichtungen wird aber diesem Sekundärrechtsakt. Die Beschwerde- unionsrechtlich zur Wahrung der gebotenen oder Schlichtungsstelle wird demgegenüber in Unabhängigkeit keine strikte, dh vollständige

22 ÖZV 2/2019 Trennung von der jeweiligen organisierenden die Einleitung des Vertragsverletzungsverfah- oder finanzierenden Institution verlangt- wer rens maßgeblich. Dies dokumentiert auch der den müssen. Ausreichend sollten hinreichende Umstand, dass das Verfahren nach Einführung Vorkehrungen zur Wahrung der Unabhängigkeit eines Streitbeilegungsverfahrens für Streit- und der Beschwerdestelle sein. Diese werden umso Beschwerdefälle wegen behaupteter Verstöße strenger sein müssen, je mehr Aufgaben einer gegen die VO (EG) Nr. 261/2004 sowie eines ein- echten Schlichtungseinrichtung die Beschwerde- schlägigen Verwaltungsstraftatbestandes einge- stelle auf Grund ihrer konkreten Ausgestaltung stellt wurde.107 zu übernehmen hat. Ein Verständnis der in Art 16 Abs 3 Fluggast- 3. Die Sanktionierung von Verstößen rechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 und vergleich- baren Bestimmungen anderer unionsrechtlicher Vor dem Hintergrund der von EuGH und Gene- Rechtsakte niedergeschriebenen Verpflichtung ralanwalt in den verb Rs C-145/15 und C-146/15 zur Normierung wirksamer, verhältnismäßiger vorgenommenen Auslegung des Sanktionenbe- und abschreckender Sanktionen als Ansatzpunkt griffs gemäß Art 16 Abs 3 FluggastrechteVO – VO für ein Vertragsverletzungsverfahren auch wegen (EG) Nr. 261/2004 kann nicht mehr zweifelhaft des völligen Fehlens einer unionsrechtlich vorge- sein, dass sich die in dieser Bestimmung getrof- schriebenen Durchsetzungs- oder Beschwerde- fenen Anordnungen nicht auf die Beschwerde- stelle dürfte indes angesichts der vom EuGH und 105 stelle, sondern allein auf die Durchsetzungs- vom Generalanwalt dieser Vorschrift in den verb stelle beziehen. Damit stellen sich hier nur mehr Rs C-145/15 und C-146/15 gegebenen Deutung zwei Fragen: ausscheiden. Demnach ist der Begriff der Sankti- a. Verstoß gegen Art 16 Abs 3 Fluggastrechte- onen nämlich auf solche Maßnahmen beschränkt, VO – VO (EG) Nr. 261/2004 bei Fehlen einer die eine Durchsetzungsstelle in Reaktion auf Durchsetzungsstelle? Verletzungen von unionsrechtlichen Pflichten des Verkehrsträgers gegen diesen ergreift.108 Er Es wurde bereits an anderer Stelle der vorlie- erstreckt sich somit nicht auf die Ausgestaltung genden Arbeit darauf hingewiesen, dass die des Wegs der Rechtsdurchsetzung und fordert Europäische Kommission in einer Vielzahl von insb. kein auf Grund eigener organisatorischer Vertragsverletzungsverfahren eine Klage letzt- Vorkehrungen besonders wirkungsvolles Verfah- lich auf die Nichteinhaltung der sich aus Art 16 ren. Das gilt ungeachtet der Tatsache, dass das Abs 3 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 vollständige Fehlen einer Durchsetzungsstelle oder aus anderen vergleichbaren Bestimmungen die unionsrechtlich geforderte Sanktionierung verwandter Rechtsakte betreffend die Passagier- des Verkehrsträgers von vornherein unmög- und Fahrgastrechte ergebenden Verpflichtung lich macht und insoweit die sekundärrechtliche zur Einführung wirksamer, verhältnismäßiger Pflicht zur Einführung wirksamer, verhältnismä- und abschreckender Sanktionen gestützt hat.106 ßiger und abschreckender Sanktionen ebenfalls Zwar ist auf Basis der diesbezüglich allgemein verletzen muss. Ein allfälliges Fehlen einer uni- zugänglichen Unterlagen meist nicht nachvoll- onsrechtlich gebotenen Durchsetzungs- oder Be- ziehbar, welche Umstände die Europäische schwerdestelle wird daher in einem Vertragsver- Kommission im Detail zur Annahme einer sol- letzungsverfahren zukünftig allein als Verletzung chen Verletzung veranlasst haben. Es gibt je- einer sekundärrechtlich konkret vorgegebenen doch – wie schon dargestellt – Hinweise darauf, mitgliedstaatlichen Pflicht zur Einrichtung einer dass auch das vollständige Fehlen einer Durch- derartigen Stelle zu relevieren sein. setzungs- oder Beschwerdestelle oder die un- zureichende Ausgestaltung der Rechtsposition b. Allgemein zur Verfügung stehende zivil- oder derartiger Stellen als Verletzung des Gebots zur unternehmensrechtliche Behelfe als hinrei- Einführung wirksamer, verhältnismäßiger und chende Sanktionen? abschreckender Sanktionen angesehen wurde. Schon im Jahr 2009 hat der Verfasser unter Be- Nicht zuletzt das im Jahr 2006 gegen Österreich rufung auf das auch in der vorliegenden Arbeit zur Rs C-235/06 wegen Verletzung des Art 16 Abs wiederholt gewürdigte Vertragsverletzungsver- 3 FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 ein- fahren gegen Österreich in der Rs C-235/06 da- geleitete Vertragsverletzungsverfahren bestätigt rauf hingewiesen, dass die Möglichkeit allein ei- diese Auffassung. Ausweislich der Klagsgründe ner gerichtlichen Durchsetzung von sich aus den war dafür – wie ebenfalls bereits referiert – nicht einschlägigen unionsrechtlichen Verordnungen das Fehlen einer Durchsetzungs- oder Beschwer- ergebenden Ansprüchen der dem Sekundärrecht destelle als solches, sondern offenbar primär die entspringenden Forderung nach wirksamen, ver- vor dem Hintergrund des Unionsrechts als nicht hältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen hinreichend effektiv angesehene Sanktionierung für sich genommen nicht genügt.109 Diese Erkennt- von Verstößen allein durch die Zivilgerichte für

ÖZV 2/2019 23 nis führte in weiterer Folge zur Schlussfolgerung, her entwickelten Ansichten des Verfassers zu dass eine bloß lauterkeitsrechtliche Sanktionie- Inhalt und Reichweite der sekundärrechtlichen rung von Verstößen gegen die Preisinformations- Pflicht zur Einführung wirksamer, verhältnismä- pflichten gemäß der VO (EG) Nr. 1008/2008110 im ßiger und abschreckender Sanktionen durch die Allgemeinen und Art 24 VO (EG) Nr. 1008/2008 im Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen in Besonderen unzureichend ist und entsprechende der Rs C-509/11 insofern, als dieser in Verbindung Verwaltungsstraftatbestände vorzusehen sind.111 mit den §§ 78a, 78b und 167 EisenbahnG obi- Im Jahr 2015 wurde weiters von Authried das vor ter dicta unter der Überschrift „C – Ergänzende dem Erlass des österreichischen Bundesgesetzes Bemerkungen“ den Verdacht äußerte, dem ös- über die Agentur für Passagier- und Fahrgast- terreichischen Recht fehle es an angemessenen rechte (PFAG) geltende und aus der Möglichkeit Sanktionen für eine ordnungsgemäße Durchset- zur Erhebung von Unterlassungsklagen bestehen- zung von Art 17 VO (EG) Nr. 1371/2007. Gene- de Sanktionssystem als wenig effektiv angesehen ralanwalt Jääskinen sprach diesbezüglich sehr und daher die Umsetzung der unionsrechtlichen plastisch davon, „dass es offenbar keine natio- Verpflichtung als fraglich bezeichnet.112 nalen Vorschriften gibt, die ausreichenden ‚Biss‘ haben, um die wirksame Durchsetzung von Art. Aber nicht nur die Sanktionierung von Verstößen 17 der Verordnung Nr. 1371/2007 zu gewährlei- gegen unionsrechtliche Vorgaben allein durch sten.“ Er regte ferner undeutlich, aber doch die allgemein zur Verfügung stehende gerichtliche Einleitung eines entsprechenden Vertragsver- Rechtsbehelfe zur Durchsetzung von Leistungsan- letzungsverfahrens an.116 Darüber hinaus hielt sprüchen und im Wege ohnedies in der Rechts- er fest, dass eine zivilgerichtliche Durchsetzung ordnung vorgesehener lauterkeitsrechtlicher allfälliger auf der VO (EG) Nr. 1371/2007 beru- Verfahren wurde als unionsrechtlich bedenklich hender Ansprüche nicht zuletzt wegen der ge- eingestuft. Der Verfasser hat im Jahr 2010 unter ringen Streitwerte und des mit einem Verfahren Hinweis auf die sich aus EG 22 und v.a. Art 32 VO verbundenen hohen Aufwands keine praktikable (EG) Nr. 1371/2007 ergebende unionsrechtliche Alternative sei.117 Verpflichtung zur Festlegung wirksamer, -ver hältnismäßiger und abschreckender Sanktionen Der EuGH selbst ist in seiner Entscheidung in der weiters festgehalten, dass die das Inkrafttreten Rs C-509/11 auf die Problematik einer allfälligen der VO (EG) Nr. 1371/2007 begleitende Nor- unzureichenden Durchsetzbarkeit des Art 17 VO mierung von Verwaltungsstraftatbeständen in (EG) Nr. 1371/2007 mangels Existenz wirksamer, § 167 EisenbahnG als solche zwar grundsätzlich verhältnismäßiger und abschreckender Sank- den unionsrechtlichen Anforderungen genügen tionen im nationalen, österreichischen Recht dürfte. Die konkret gewählte Ausgestaltung der nicht eingegangen.118 Dessen ungeachtet war einzelnen Verwaltungsstraftatbestände lasse - je spätestens mit diesem Erkenntnis die Frage all- doch Zweifel an der Unionsrechtskonformität der fälliger Durchsetzungsdefizite Gegenstand -ver österreichischen Umsetzung der einschlägigen tiefter Betrachtungen auch der dt Lehre,119 ohne unionsrechtlichen Vorgaben aufkommen.113 Die dass daraus aber besondere Erkenntnisse für die damals gesetzlich in § 78a und § 78b EisenbahnG hier interessierende Problemstellung gewonnen vorgesehene Ausgestaltung der Befugnisse und werden könnten. Möglichkeiten der Schienen-Control GmbH als Schlichtungsstelle wurde als im Einklang mit Art Abgesehen von den vom Verfasser geäußerten 17 Abs 2 und 27 VO (EG) Nr. 1371/2007 stehend und von Generalanwalt Jääskinen geteilten und beurteilt, weil das Unionsrecht keine Verant- insoweit bestätigten Zweifeln an der Unions- wortlichkeit der Durchsetzungsstelle für die Un- rechtskonformität der §§ 78a, 78b und 167 Eisen- terstützung der Durchsetzung von dem Fahrgast bahnG in ihrer damaligen Fassung sind noch zwei zustehenden zivilrechtlichen Ansprüchen ver- Hypothesen des Verfassers bezüglich der sich lange.114 Wegen ihres unverbindlichen Charak- aus der unionsrechtlichen Pflicht zur Normie- ters und der inhaltlichen Beschränktheit der der rung wirksamer, verhältnismäßiger und abschre- Schlichtungsstelle nach österreichischem Recht ckender Sanktionen ergebenden Anforderungen zukommenden Kompetenzen könne diese aber vor dem Hintergrund der sich aus den verb Rs die unionsrechtswidrigen Durchsetzungsdefizite C-145/15 und C-146/15 ergebenden Rechtslage betreffend § 167 EisenbahnG nicht ausgleichen. auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Zum einen geht Dies gelte ungeachtet des Umstandes, dass nach es dabei um die Annahme, dass der nationalen österreichischem Recht unzweifelhaft eine Mög- Durchsetzungsstelle nach den unionsrechtlichen lichkeit zur gerichtlichen Geltendmachung allfäl- Vorgaben vom nationalen Gesetzgeber keine Ver- liger nach der VO (EG) Nr. 1371/2007 bestehen- antwortung für die Durchsetzung konkreter indi- der Ansprüche existiere.115 vidueller Ansprüche des Fluggastes, Fahrgastes oder Passagiers übertragen werden muss. Dies- Bestätigt wurden die hier referierten, schon frü- bezüglich reicht der Hinweis, dass die Klärung

24 ÖZV 2/2019 dieser Frage gerade der eigentliche Gegenstand EuGH und Generalanwalt auf Maßnahmen der des Verfahrens in den verb Rs C-145/15 und C- Durchsetzungsstelle im Rahmen ihrer allgemei- 146/15 war und sich dieser Grundsatz daher un- nen Aufsicht bezogen.125 mittelbar aus den Ausführungen von EuGH und Generalanwalt in den verb Rs C-145/15 und C- 4. Explizite mitgliedstaatliche Normierung des 146/15 ableiten lässt.120 kumulativen Zugangs zu Durchsetzungs- und Beschwerdestelle Zum anderen hat der Verfasser – wie hier be- reits referiert wurde – die Meinung vertreten, In der dt Literatur wird schließlich im Hinblick dass eine Durchsetzung der Sekundärrechtsakte auf das unmittelbar aus Art 30 Abs 2 VO (EG) allein mit allgemein zur Verfügung stehenden zi- Nr. 1371/2007 folgende Recht des Fahrgastes vil- und unternehmensrechtlichen gerichtlichen zur Beschwerde über Verletzungen der Verord- Maßnahmen dem Gebot einer wirksamen, ver- nung an die Durchsetzungsstelle oder an eine hältnismäßigen und abschreckenden Sanktio- Beschwerdestelle davon ausgegangen, dass eine nierung nicht genügt. Diese Rechtsansicht wird deklaratorische nationale Regelung unionsrecht- nicht nur offenkundig von Generalanwalt Jää- lich wohl unzulässig sei, nach der eine Anrufung skinen ebenfalls geteilt, sondern ergibt sich nun- einer anerkannten Schlichtungsstelle den Kun- mehr in aller Deutlichkeit aus den Ausführungen den nicht an der Erhebung einer Beschwerde bei 126 des EuGH sowie des Generalanwalts Bot zum der Durchsetzungsstelle hindere. Sanktionsbegriff in den verb Rs C-145/15 und C- Zur Prüfung dieser Rechtsansicht ist zunächst auf 146/15. Demnach sind Sanktionen Maßnahmen, die sich aus der Rsp des EuGH ergebende Rechts- die als Reaktion auf durch die Durchsetzungsstel- lage hinsichtlich der Zulässigkeit mitgliedstaatli- le in Ausübung ihrer allgemeinen Aufsicht aufge- cher Umsetzungsmaßnahmen betreffend die deckte Verstöße ergriffen werden. Sie beziehen Vorgaben unionsrechtlicher Verordnungen ein- sich ausschließlich auf die Überwachungsfunk- 121 zugehen. Diesbezüglich hält der EuGH in stRsp tion der Durchsetzungsstelle. Generalanwalt fest, dass eine Bestimmung einer unionsrecht- Bot weist darüber hinaus ausdrücklich darauf lichen Verordnung für ihre unmittelbare Geltung hin, dass sich der obligatorische Aufgabenkreis und Verbindlichkeit keiner zusätzlichen Bekannt- der Durchsetzungsstellen auf die Identifizierung gaben durch den jeweiligen Mitgliedstaat oder von Verstößen der Luftfahrtunternehmen gegen sonstiger Maßnahmen zur Umwandlung in- na ihre Pflichten und darauf erstreckt, dass „die- 127 122 tionales Recht bedarf. Darauf aufbauend ist se Stellen … ihnen abhelfen.“ Dies setzt aber nach seiner Auffassung eine Transformation von voraus, dass die Durchsetzungsstelle selbst die Normen des Unionsrechts durch nationales Ge- Befugnis zur Verhängung derartiger Sanktionen setz in innerstaatliches Recht unzulässig, sofern hat. Das hier vertretene Verständnis hat eine durch solche Praktiken die Normadressaten über unmittelbare Stütze in Art 16 Abs 1 Fluggast- den unionsrechtlichen Charakter einer Rechts- rechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004, der explizit norm und die sich daraus ergebenden Wirkungen die nationale Durchsetzungsstelle zur Setzung im Unklaren gelassen werden oder diese Eigen- der notwendigen Maßnahmen beruft. Zudem schaften dem einzelnen verborgen bleiben.128 wird diese Auffassung von der einschlägigen dt 129 123 Eine daher grundsätzlich unzulässige Wieder- Literatur geteilt. holung des Inhalts einer unionsrechtlichen Ver- Gegen die Vorstellung, dass die Durchsetzungs- ordnung in einem nationalen Rechtsakt ist aber stelle selbst zur Verhängung wirksamer, verhält- nach Ansicht des EuGH dann kein Verstoß gegen nismäßiger und abschreckender Sanktionen be- Unionsrecht, wenn diese Wiederholung im In- fähigt sein muss und damit eine Durchsetzung teresse des Zusammenhangs und der besseren des Sekundärrechts bloß im Wege der Ergreifung Verständlichkeit der nationalen Regelung für ihre 130 allgemein zur Verfügung stehender insb. gericht- Adressaten erfolgt. Ebenso dürfen bei Ausle- licher Rechtsbehelfe nicht hinreichend ist, kann gungsschwierigkeiten unter Beachtung des Uni- nicht eingewendet werden, dass sich aus den onsrechts von den Mitgliedstaaten Maßnahmen verb Rs C-145/15 und C-146/15 das mitgliedstaat- zur Durchführung von unionsrechtlichen Verord- liche Recht ergibt, die Durchsetzung konkreter, nungen ergriffen und bei dieser Gelegenheit ent- individueller Ansprüche des Fluggastes nach der standene Zweifel behoben werden, ohne dass FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 einem derartige nationale Auslegungsregeln bindende 131 Verfahren vor den ordentlichen Gerichten vor- Wirkung aufweisen würden. 124 zubehalten. Dieses mitgliedstaatliche Recht Da die hier einschlägigen unionsrechtlichen Ver- betrifft nämlich die Durchsetzung individueller ordnungen den Mitgliedstaaten entsprechende Ansprüche. Der unionsrechtliche Sanktionen- Gestaltungsspielräume für die Ausgestaltung begriff ist dagegen nach der in den verb RsC- der Rechtsstellung von Durchsetzungs- und Be- 145/15 und C-146/15 entwickelten Ansicht von schwerdestellen lassen,132 die Festlegung der

ÖZV 2/2019 25 Kompetenzen dieser Stellen Gegenstand des C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. Reformvorschlags der Europäischen Kommission H. Dees-Erf/Staatssecretaris van Infrastruc- zur FluggastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004133 tur en Milieu“, Rn 8. sowie ihrer Leitlinien für die Auslegung der Flug- gastrechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004 war und in 7. EuGH 17. 03. 2016, verb Rs C-145/15 und diesen Leitlinien darüber hinaus eine Unterrich- C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. tung der Fluggäste durch die Durchsetzungsstel- H. Dees-Erf/Staatssecretaris van Infrastruc- len über Rechtsbehelfe und sonstige Maßnah- tur en Milieu“, Rn 9, 17, vgl auch Rn 15 f. 134 men als vorbildliche Praxis angesehen wird, 8. Vgl EuGH 17. 03. 2016, verb Rs C-145/15 und scheint es nicht angebracht, den Mitgliedstaaten C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. nationale Regelungen unter Berufung auf angeb- H. Dees-Erf/Staatssecretaris van Infrastruc- lich entgegenstehende unionsrechtliche Prin- tur en Milieu“, Rn 19, 27; SA/EuGH 14. 01. zipien zu verbieten, die auf die Möglichkeit einer 2016, verb Rs C-145/15 und C-146/15, „K. kumulativen Befassung von Durchsetzungsstelle Ruijssenaars, A. Jansen und J. H. Dees-Erf/ einerseits und Beschwerdestelle andererseits Staatssecretaris van Infrastructur en Mili- hinweisen. Eine solche Bestimmung des natio- eu“, Rn 18, 22. nalen Rechts sollte in aller Regel weder deren unionsrechtlichen Charakter und Ursprung noch 9. EuGH 17. 03. 2016, verb Rs C-145/15 und die sich daraus ergebenden Wirkungen verschlei- C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. ern, sondern zur besseren Verständlichkeit der H. Dees-Erf/Staatssecretaris van Infrastruc- nach nationalem Recht den jeweils zuständigen tur en Milieu“, Rn 29. Stellen eingeräumten Aufgaben und Befugnisse beitragen. Das gilt insb. für den Fall, dass der mit- 10. EuGH 17. 03. 2016, verb Rs C-145/15 und gliedstaatliche Gesetzgeber den Durchsetzungs- C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. und Beschwerdestellen entsprechende Informa- H. Dees-Erf/Staatssecretaris van Infrastruc- tionspflichten zugunsten der Beschwerdeführer tur en Milieu“, Rn 32. auferlegt und in diesem Zusammenhang deren explizite Aufklärung auch über die Zulässigkeit 11. EuGH 17. 03. 2016, verb Rs C-145/15 und einer kumulativen Inanspruchnahme beider Ein- C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. richtungen anordnet. (Ende Teil 1) H. Dees-Erf/Staatssecretaris van Infrastruc- tur en Milieu“, Rn 36. Literatur- und Quellenverzeichnis: 12. EuGH 17. 03. 2016, verb Rs C-145/15 und C- 1. EuGH 17. 03. 2016, verb Rs C-145/15 und 146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. H. C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. Dees-Erf/Staatssecretaris van Infrastructur H. Dees-Erf/Staatssecretaris van Infrastruc- en Milieu“, Rn 38 und Tenor der Entschei- tur en Milieu“. dung. 2. Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europä- 13. SA/EuGH 14. 01. 2016, verb Rs C-145/15 ischen Parlaments und des Rates vom 11. und C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen Februar 2004 über eine gemeinsame Re- und J. H. Dees-Erf/Staatssecretaris van In- gelung für Ausgleichs und Unterstützungs- frastructur en Milieu“, Rn 23, 25. leistungen für Fluggäste im Fall der Nicht- beförderung und bei Annullierung oder 14. SA/EuGH 14. 01. 2016, verb Rs C-145/15 großer Verspätung von Flügen und zur Auf- und C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen hebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91, und J. H. Dees-Erf/Staatssecretaris van In- ABl 2004, L 46/1. frastructur en Milieu“, Rn 28. 3. Vgl zu den diesbezüglichen Einschrän- 15. SA/EuGH 14. 01. 2016, verb Rs C-145/15 kungen noch unter Punkt IV A. und C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. H. Dees-Erf/Staatssecretaris van In- 4. EuGH 17. 03. 2016, verb Rs C-145/15 und frastructur en Milieu“, Rn 24, 32. C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. H. Dees-Erf/Staatssecretaris van Infrastruc- 16. Mitteilung der Kommission an das Europä- tur en Milieu“, Rn 8. ische Parlament und den Rat über die An- wendung der Verordnung 261/2004 über 5. EuGH 17. 03. 2016, verb Rs C-145/15 und eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. und Betreuungsleistungen für Fluggäste im H. Dees-Erf/Staatssecretaris van Infrastruc- Falle der Nichtbeförderung und bei Annul- tur en Milieu“, Rn 2, 10 ff. lierung oder großer Verspätung von Flügen, KOM(2011) 174 endg. vom 11. 04. 2011. 6. EuGH 17. 03. 2016, verb Rs C-145/15 und

26 ÖZV 2/2019 17. SA/EuGH 14. 01. 2016, verb Rs C-145/15 frastructur en Milieu“, Rn 25 ff, 28. und C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. H. Dees-Erf/Staatssecretaris van In- 30. EuGH 17. 03. 2016, verb Rs C-145/15 und frastructur en Milieu“, Rn 27. C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. H. Dees-Erf/Staatssecretaris van Infrastruc- 18. EuGH 17. 03. 2016, verb Rs C-145/15 und tur en Milieu“, Rn 33. C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. H. Dees-Erf/Staatssecretaris van Infrastruc- 31. EuGH 17. 03. 2016, verb Rs C-145/15 und tur en Milieu“, Rn 31. C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. H. Dees-Erf/Staatssecretaris van Infrastruc- 19. Vgl idS EuGH 17. 03. 2016, verb Rs C-145/15 tur en Milieu“, Rn 37. und C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. H. Dees-Erf/Staatssecretaris van In- 32. EuGH 17. 03. 2016, verb Rs C-145/15 und frastructur en Milieu“, Rn 37. C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. H. Dees-Erf/Staatssecretaris van Infrastruc- 20. SA/EuGH 14. 01. 2016, verb Rs C-145/15 tur en Milieu“, Rn 34 f mwN. und C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. H. Dees-Erf/Staatssecretaris van In- 33. Vgl SA/EuGH 14. 01. 2016, verb Rs C-145/15 frastructur en Milieu“, Rn 22 f, insb Rn 23. und C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. H. Dees-Erf/Staatssecretaris van In- 21. SA/EuGH 14. 01. 2016, verb Rs C-145/15 frastructur en Milieu“, Rn 35 ff, insb Rn 39 f und C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen sowie Rn 41 f, die das im Text wörtlich wie- und J. H. Dees-Erf/Staatssecretaris van In- dergegebene Zitat enthalten. frastructur en Milieu“, Rn 32. 34. So verweist EuGH 17. 03. 2016, verb Rs C- 22. EuGH 17. 03. 2016, verb Rs C-145/15 und 145/15 und C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. Jansen und J. H. Dees-Erf/Staatssecretaris H. Dees-Erf/Staatssecretaris van Infrastruc- van Infrastructur en Milieu“, Rn 34 auf Rn tur en Milieu“, Rn 32. 39 der Schlussanträge des Generalanwalts. 23. SA/EuGH 14. 01. 2016, verb Rs C-145/15 35. Ofner, Fluggastrechteverordnung – Rech- und C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen te der nationalen Beschwerdestellen, ZfRV und J. H. Dees-Erf/Staatssecretaris van In- 2016, 49. frastructur en Milieu“, Rn 25 ff, insb Rn 28. 36. Wukoschitz, Unionsrechtliche und inter- 24. EuGH 17. 03. 2016, verb Rs C-145/15 und C- nationale Entwicklungen im Reiserecht, in 146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. H. Saria (Hg), Jahrbuch Tourismusrecht 2017 Dees-Erf/Staatssecretaris van Infrastructur (2017) 15 ff (35). en Milieu“, Rn 29. 37. Lehofer, Hinweis zu EuGH 17. 03. 2016, verb 25. SA/EuGH 14. 01. 2016, verb Rs C-145/15 Rs C-145/15 und C-146/15, ÖJZ 2016, 475. und C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. H. Dees-Erf/Staatssecretaris van In- 38. Saria, Unternehmensrechtliche Entwick- frastructur en Milieu“, Rn 24, 32. lungen im Tourismusrecht, in Saria (Hg), Jahrbuch Tourismusrecht 2017 (2017) 181 26. EuGH 17. 03. 2016, verb Rs C-145/15 und ff (188). C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. H. Dees-Erf/Staatssecretaris van Infrastruc- 39. Führich, Anm zu EuGH 17. 03. 2016, verb Rs tur en Milieu“, Rn 30. C-145/15 und C-146/15, EuZW 2016, 384 f, insb 385. 27. EuGH 17. 03. 2016, verb Rs C-145/15 und C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. 40. Vgl Degott in R. Schmid (Hg), Fluggastrechte- H. Dees-Erf/Staatssecretaris van Infrastruc- VO – Kommentar (2018) Art 16 Rz 3, 7, 12. tur en Milieu“, Rn 32. 41. Keiler in Staudinger/Keiler (Hg), Fluggast- 28. Vgl SA/EuGH 14. 01. 2016, verb Rs C-145/15 rechte-VO – Kommentar (2016) Art 16 Rz und C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen 5. und J. H. Dees-Erf/Staatssecretaris van In- 42. Leitlinien für die Auslegung der Verordnung frastructur en Milieu“, Rn 22 f. (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Par- 29. Vgl SA/EuGH 14. 01. 2016, verb Rs C-145/15 laments und des Rates über eine gemein- und C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen same Regelung für Ausgleichs- und Unter- und J. H. Dees-Erf/Staatssecretaris van In- stützungsleistungen für Fluggäste im Fall

ÖZV 2/2019 27 der Nichtbeförderung und bei Annullierung liche und internationale Entwicklungen im oder großer Verspätung von Flügen und der Reiserecht, in Saria (Hg), Jahrbuch Touris- Verordnung (EG) Nr. 2027/97 des Rates über musrecht 2014 (2014) 15 ff (21 ff und insb die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei 22 zur Rolle der Durchsetzungsstellen); fer- Unfällen in der Fassung der Verordnung (EG) ner , Schlichtung im Luftverkehr als Nr. 889/2002 des Europäischen Parlaments Alternative Streitbeilegung, RRa 2014, 210 und des Rates, C(2016) 3502 final vom 10. ff (213); Führich, Reiserecht7 (2015) § 43 Rz 06. 2016, ABl 2016, C 214/5. 19 f; Keiler in Staudinger/Keiler (Hg), Flug- gastrechte-VO – Kommentar (2016) Art 16 43. Leitlinien für die Auslegung der Fluggast- Rz 14. rechteVO – VO (EG) Nr. 261/2004, S 25; diesbezüglich referierend Wukoschitz, Uni- 48. Vgl Vorschlag, COM(2013) 130 final vom 13. onsrechtliche und internationale Entwick- 03. 2013, Begründung S 2 ff mwN. lungen im Reiserecht, in Saria (Hg), Jahr- buch Tourismusrecht 2017 (2017) 15 ff (25 49. Vorschlag, COM(2013) 130 final vom 13. 03. f). 2013, Begründung S 7. 44. Darauf hinweisend etwa Freise, Grenzen der 50. Vorschlag, COM(2013) 130 final vom 13. 03. Fahrpreisentschädigung bei Zugverspätung, 2013, Begründung S 7. TranspR 2014, 135 ff (140); Chr. Schmidt, 51. Vorschlag, COM(2013) 130 final vom 13. 03. Die neue Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 2013, Begründung S 8, EG 2, EG 21. über Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr, RRa 2008, 154 ff (159); 52. Vorschlag, COM(2013) 130 final vom 13. 03. vgl idS auch Tonner, Zur Zukunft der Passa- 2013, Begründung S 6. gierrechte: Folgerungen aus dem EU-Weiß- buch zum einheitlichen europäischen Ver- 53. Vorschlag, COM(2013) 130 final vom 13. 03. kehrsraum, RRa 2012, 162 ff (166); Tonner, 2013, Begründung S 9, EG 24. Fluggastrechte und der EuGH, VuR 2009, 209 ff (213); dies haben für die VO (EG) Nr. 54. Und zwar auf EuGH 31. 01. 2013, Rs C- 1371/2007 auch schon detailliert EuGH 26. 12/11, „Denise McDonagh/Ryanair Ltd“, Rn 09. 2013, Rs C-509/11, „ÖBB-Personenver- 51. kehr AG, Schienen-Control Kommission, 55. Und zwar auf EuGH 13. 10. 2011, Rs C-83/10, Bundesministerin für Verkehr, Innovation „Aurora Sousa Rodriguez, Yago Lopez Sou- und Technologie“, Rn 58 ff sowie SA/EuGH sa, Rodrigo Manuel Puga Lueiro, Luis Angel 14. 03. 2013, Rs C-509/11, „ÖBB-Personen- Rodriguez Gonzalez, Maria del Mar Pato verkehr AG“, Rn 46 ff herausgearbeitet. Barreiro, Manuel Lopez Alonso, Yaiza Pato 45. Vgl etwa eingehend Mitteilung der Kommis- Rodriguez/Air France SA“, Rn 44. sion an das Europäische Parlament und den 56. EuGH 17. 03. 2016, verb Rs C-145/15 und Rat über die Anwendung der Verordnung C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen und J. 261/2004 über eine gemeinsame Regelung H. Dees-Erf/Staatssecretaris van Infrastruc- für Ausgleichs- und Betreuungsleistungen tur en Milieu“, Rn 35. für Fluggäste im Falle der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspä- 57. SA/EuGH 14. 01. 2016, verb Rs C-145/15 tung von Flügen, KOM(2011) 174 endg. und C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen vom 11. 04. 2011, S 6 f, 9 f, 13 ff, 17. und J. H. Dees-Erf/Staatssecretaris van In- frastructur en Milieu“, Rn 19. 46. Vorschlag für eine Verordnung des Europä- ischen Parlaments und des Rates zur Än- 58. Und zwar ABl 2006, C 190/12. derung der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 über eine gemeinsame Regelung für Aus- 59. EuGH 19. 04. 2007, Rs C-264/06, „Kommis- gleichs- und Unterstützungsleistungen für sion der Europäischen Gemeinschaften/ Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und Großherzogtum Luxemburg“, insb Rn 6 f, bei Annullierung oder großer Verspätung Urteilstenor 1; vgl auch ABl 2007, C 96/17. von Flügen und der Verordnung (EG) Nr. 60. EuGH 14. 06. 2007, Rs C-333/06, „Kommis- 2027/97 über die Haftung von Luftfahrtun- sion der Europäischen Gemeinschaften/Kö- ternehmen bei der Beförderung von Flug- nigreich Schweden“, insb Rn 3, 8 ff, Urteils- gästen und deren Gepäck im Luftverkehr, tenor 1; vgl auch ABl 2007, C 183/14 sowie COM(2013) 130 final vom 13. 03. 2013. die Veröffentlichung der Klagsgründe in ABl 47. Vgl dazu im Detail Wukoschitz, Unionsrecht- 2006, C 224/13.

28 ÖZV 2/2019 61. Vgl ABl 2006, C 86/15. TranspR 2014, 135 ff (137, 139); Prassl, Anm zu EuGH 26. 09. 2013, Rs C-509/11, Tran- 62. Beschluss des Präsidenten des EuGH 29. spR 2014, 164 ff (166); insoweit bloß refe- 11. 2006, Rs C-65/06, „Kommission der rierend Yang, Die Fahrgastrechte im Eisen- Europäischen Gemeinschaften/Königreich bahnverkehr bei Verspätung, Ausfall oder Belgien“, insb Urteilstenor 1 und 2; vgl ABl Anschlussversäumnis, VuR 2014, 201 ff 2006, C 331/24. (204); vgl ferner referierend Karsten/Schu- 63. Vgl ABl 2006, C 165/22. ster-Wolf, Entwicklungen im EU-Passagier- recht 2011/2012, VuR 2012, 463 ff, 2013, 6 64. Beschluss des Präsidenten des EuGH 21. 11. ff (2013, 9). 2006, Rs C-235/06, „Kommission der Euro- päischen Gemeinschaften/Republik Öster- 75. SA/EuGH 14. 03. 2013, Rs C-509/11, „ÖBB- reich“, insb Rn 4, Urteilstenor 1 und 2; vgl Personenverkehr AG“, insb Rn 61 ff. ABl 2006, C 331/26. 76. Vgl insb unter Punkt IV C 3 b dieser Arbeit. 65. Vgl noch unter Punkt IV C 3 a. 77. Dazu schon oben unter Punkt III. 66. Verordnung (EU) Nr. 181/2011 über die 78. EuGH 09. 11. 2017, Rs C-489/15, „CTL Logi- Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr stics GmbH/DB Netz AG“, Rn 3, 13 und insb und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. Rn 86 f, ferner Rn 94; vgl zu dieser Entschei- 2006/2004, ABl 2011, L 55/1. dung allgemein auch Berger/Pelzl, Hinweis 67. Verordnung (EU) Nr. 1177/2010 über die zu EuGH 09. 11. 2017, Rs C-489/15, ÖJZ Fahrgastrechte im See- und Binnenschiffs- 2017, 1099 f. verkehr und zur Änderung der Verordnung 79. Vgl dazu bereits oben unter Punkt IV A. (EG) Nr. 2006/2004, ABl 2010, L 334/1. 80. EuGH 31. 01. 2013, Rs C-12/11, „Denise 68. So Authried, Das Passagier- und Fahrgast- McDonagh/Ryanair Ltd“, Rn 23 f. rechteagenturgesetz (PFAG) – Schaffung einer zentralen österr (Anlauf-)Stelle für 81. EuGH 18. 03. 2010, verb Rs C-317/08, C- Passagiere, ZVR 2015, 232 ff (233) unter Be- 318/08, C-319/08 und C-320/08, „Rosalba rufung auf die Mat zum PFAG. Alassini/Telecom Italia SpA, Filomena Cali- fano/Wind SpA, Lucia Anna Giorgia Iacono/ 69. Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Euro- Telecom Italia SpA, Multiservice Srl/Tele- päischen Parlaments und des Rates vom 23. com Italia SpA“, Rn 35. Oktober 2007 über die Rechte und Pflich- ten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr, ABl 82. Vgl idS EuGH 18. 03. 2010, verb Rs C- 2007, L 315/14. 317/08, C-318/08, C-319/08 und C-320/08, „Rosalba Alassini/Telecom Italia SpA, Filo- 70. Urlesberger, Europarecht: Das Neueste auf mena Califano/Wind SpA, Lucia Anna Gior- einen Blick, wbl 2014, 261 ff (265); dies refe- gia Iacono/Telecom Italia SpA, Multiservice rierend bereits Saria, Unternehmensrecht- Srl/Telecom Italia SpA“, Rn 44 f, 47 ff, 61 ff; liche Entwicklungen im Tourismusrecht, in EuGH 14. 06. 2017, Rs C-75/16, „Livio Meni- Saria (Hg), Jahrbuch Tourismusrecht 2015 ni, Maria Antonia Rampanelli/Banco Popo- (2015) 119 ff (123). lare Societá Cooperativa“, Rn 51 f, 53 ff, insb 71. Vgl noch unter Punkt IV B. Rn 61. 72. EuGH 31. 01. 2013, Rs C-12/11, „Denise 83. Vgl EuGH 27. 09. 2017, Rs C-73/16, „Peter McDonagh/Ryanair Ltd“, Rn 23 f. Puškár/Finančné riaditeľstvo Slovenskej re- publiky, Kriminálny úrad finančnej správy“, 73. Dazu gleich im Anschluss unter Punkt IV B. Rn 54 ff, insb Rn 54, 60, 70 ff, 76 mwN. 74. EuGH 26. 09. 2013, Rs C-509/11, „ÖBB- 84. Vgl idS aus dem Bereich der Fluggast-, Pas- Personenverkehr AG, Schienen-Control sagier- und Fahrgastrechte etwa EuGH 10. Kommission, Bundesministerin für Verkehr, 01. 2006, Rs C-344/04, „The Queen, Inter- Innovation und Technologie“, Rn 56 ff, insb national Air Transport Association, Europe- 63 ff; grundsätzlich zustimmend Krüger, Die an Low Fares Airline Association/Depart- strenge Haftung für Verspätungen im Bahn- ment for Transport“, Rn 94 ff; EuGH 31. verkehr und ihre Bewertung, NJW 2013, 01. 2013, Rs C-12/11, „Denise McDonagh/ 3407 ff (3408); Freise, Grenzen der -Fahr Ryanair Ltd“, Rn 54 ff; EuGH 26. 09. 2013, preisentschädigung bei Zugverspätung, Rs C-509/11, „ÖBB-Personenverkehr AG,

ÖZV 2/2019 29 Schienen-Control Kommission, Bundesmi- 90. Zu Schlichtungseinrichtungen vor Einrich- nisterin für Verkehr, Innovation und Tech- tung der söp und diesbezüglichen rechts- nologie“, Rn 46 ff; SA/EuGH 14. 03. 2013, Rs politischen Fragen vgl allgemein R. Schmid, C-509/11, „ÖBB-Personenverkehr AG“, Rn Schlichtung im Reiserecht – eine Alternati- 39 ff; allgemein kritisch zu derartigen -ver ve zum Prozess?!, VuR 2006, 340 ff; Zandke- kehrsträgerspezifischen Differenzierungen Schaffhäuser, Schlichtung im öffentlichen aus teleologischen Gründen aber Krüger, Fernverkehr – Erfahrungen aus mehr als Die strenge Haftung für Verspätungen im zwei Jahren „Schlichtungsstelle Mobilität“, Bahnverkehr und ihre Bewertung, NJW VuR 2007, 214 ff; Staudinger, Licht am Ende 2013, 3407 ff (3409). des Tunnels? – Streitfragen zur Verordnung 1371/2007/EG im Eisenbahnverkehr sowie 85. Vgl Führich, Neues Gesetz zur Schlichtung zur außergerichtlichen Streitbeilegung, in im Luftverkehr, MDR 2013, 749 ff (749); Keiler/Stangl/Pezenka (Hg), Reiserecht – Eu- 7 Führich, Reiserecht (2015) § 36 Rz 4, § 43 ropäisches Reiserechtsforum 2008 (2009) Rz 7; Führich, Anm zu EuGH 17. 03. 2016, 141 ff (151 ff); Metz, Streitschlichtung statt verb Rs C-145/15 und C-146/15, EuZW Prozessführung: Die Schweizer Erfahrung, 2016, 384 f (385); Degott in R. Schmid (Hg), in Keiler/Stangl/Pezenka (Hg), Reiserecht Fluggastrechte-VO – Kommentar (2018) Art – Europäisches Reiserechtsforum 2008 16 Rz 3. (2009) 209 ff; Vogel, Die Reiseschiedsstelle 86. Vgl im Detail Führich, Reiserecht7 (2015) – Innovative Mechanismen der außerge- § 36 Rz 4, § 43 Rz 6; ferner Müller-Rostin, richtlichen Streitschlichtung im deutschen Verordnung (EG) Nr. 261/2004: Ein Zwi- Reiserecht – Ein Überblick, in Keiler/Stan- schenruf, RRa 2007, 256 ff (257); Tonner, gl/Pezenka (Hg), Reiserecht – Europäisches Fluggastrechte und der EuGH, VuR 2009, Reiserechtsforum 2008 (2009) 219 ff; Iser- 209 ff (212 f); Isermann/Berlin, Durchset- mann/Berlin, Durchsetzungsstellen und zungsstellen und Schlichtungsstellen für Schlichtungsstellen für Fluggastrechte in Fluggastrechte in Europa, RRa 2010, 207 ff Europa, RRa 2010, 207 ff (209 ff); Gaedtke, (208); Bollweg, Die Kundenrechte des Flug-, Fahrgastrechte im öffentlichen Personen- Bahn- und Busverkehrs im Vergleich, RRa verkehr und ihre Durchsetzung in der Praxis 2010, 106 ff (115); Führich, Neues Gesetz (2011) 145 ff, 156 ff, 163 ff, 167 ff; Berlin, zur Schlichtung im Luftverkehr, MDR 2013, Schlichtung im Luftverkehr als Alternative 749 ff (749); Isermann, Das neue Gesetz zur Streitbeilegung, RRa 2014, 210 ff; Tonner, Schlichtung im Luftverkehr, RRa 2013, 158 ff Die Auswirkungen der Richtlinie über alter- (159); Führich, Anm zu EuGH 17. 03. 2016, native Streitbeilegung auf das Reiserecht, verb Rs C-145/15 und C-146/15, EuZW RRa 2014, 234 ff (235 ff). 2016, 384 f (384 f); Keiler in Staudinger/Kei- 91. Vgl zur söp im Detail auch Führich, Neues ler (Hg), Fluggastrechte-VO – Kommentar Gesetz zur Schlichtung im Luftverkehr, MDR (2016) Art 16 Rz 10; Degott in R. Schmid 2013, 749 ff (750 ff); Isermann, Das neue (Hg), Fluggastrechte-VO – Kommentar Gesetz zur Schlichtung im Luftverkehr, (2018) Art 16 Rz 3 ff. RRa 2013, 158 ff (161 ff); Führich, Reise- 7 87. So Bollweg, Die Kundenrechte des Flug-, recht (2015) § 36, § 43 Rz 7; Isermann, söp Bahn- und Busverkehrs im Vergleich, RRa – Schlichtung: Wie funktioniert das?, RRa 2010, 106 ff (115); idS etwa zur VO (EG) Nr. 2016, 106 ff; Schröder/Rickes, Tagungsbe- 1371/2007 Tonner, Aktuelle Entwicklungen richt vom 25. Reiserechtstag der Deutschen im Flug- und Fahrgastrecht, VuR 2010, 209 Gesellschaft für Reiserecht e.V., RRa 2017, ff (214). 315 ff (316 f); K. Schmidt, söp-Schlichtung Bahn: Erfahrungen, Probleme, Lösungen, 88. Gaedtke, Fahrgastrechte im öffentlichen RRa 2017, 274 ff. Personenverkehr und ihre Durchsetzung in der Praxis (2011) 154; idS auch Führich, 92. Bollweg, Die Kundenrechte des Flug-, Reiserecht7 (2015) § 43 Rz 6; Tonner, Zur Bahn- und Busverkehrs im Vergleich, RRa Zukunft der Passagierrechte: Folgerungen 2010, 106 ff (115); Führich, Neues Gesetz aus dem EU-Weißbuch zum einheitlichen zur Schlichtung im Luftverkehr, MDR 2013, europäischen Verkehrsraum, RRa 2012, 162 749 ff (750); Isermann, Das neue Gesetz zur ff (166). Schlichtung im Luftverkehr, RRa 2013, 158 ff (161 f); Führich, Reiserecht7 (2015) § 36 89. Führich, Reiserecht7 (2015) § 44 Rz 23, § 45 Rz 7 f; Führich, Anm zu EuGH 17. 03. 2016, Rz 54. verb Rs C-145/15 und C-146/15, EuZW 2016, 384 f (385); Isermann, söp – Schlich-

30 ÖZV 2/2019 tung: Wie funktioniert das?, RRa 2016, 106 103. Zur Wahrung der praktischen Wirksamkeit ff (107); Keiler in Staudinger/Keiler (Hg), des jeweils einschlägigen Sekundärrechts, Fluggastrechte-VO – Kommentar (2016) Art der Grundsätze der Äquivalenz, der Ef- 16 Rz 10; Degott in R. Schmid (Hg), Flug- fektivität und des effektiven gerichtlichen gastrechte-VO – Kommentar (2018) Art 16 Rechtsschutzes sowie der Grundrechte der Rz 6. Europäischen Union bei der Ausgestaltung von Durchsetzungs- und Beschwerdestellen 7 93. Führich, Reiserecht (2015) § 36 Rz 2, § 44 vgl schon oben unter Punkt IV B. Rz 23, § 45 Rz 55, ferner § 46 Rz 55. 104. Vgl dazu bereits oben unter Punkt III. 94. Vgl schon oben unter Punkt II B 2. 105. So aber noch Keiler in Staudinger/Kei- 95. So Keiler in Staudinger/Keiler (Hg), Flug- ler (Hg), Fluggastrechte-VO – Kommentar gastrechte-VO – Kommentar (2016) Art 16 (2016) Art 16 Rz 6, dessen Ansicht zum da- Rz 6. maligen Zeitpunkt nicht unvertretbar war. 96. Offenbar aA schon Müller-Rostin, Verord- 106. Vgl die detaillierte Darstellung unter Punkt nung (EG) Nr. 261/2004: Ein Zwischenruf, IV A. RRa 2007, 256 ff (257 f). 107. Dazu im Detail schon Saria, Unternehmens- 97. Tonner, Fluggastrechte und der EuGH, VuR rechtliche Entwicklungen im Tourismus- 2009, 209 ff (212 f); weniger deutlich idS recht unter besonderer Berücksichtigung auch Tonner, Zur Zukunft der Passagier- wettbewerbs- und immaterialgüterrecht- rechte: Folgerungen aus dem EU-Weißbuch licher Fragestellungen, in Saria (Hg), Jahr- zum einheitlichen europäischen Verkehrs- buch Tourismusrecht 2009 (2009) 117 ff raum, RRa 2012, 162 ff (166). (136 mwN); idS ferner nunmehr Authried, 98. So explizit Gaedtke, Fahrgastrechte im öf- Das Passagier- und Fahrgastrechteagentur- fentlichen Personenverkehr und ihre Durch- gesetz (PFAG) – Schaffung einer zentralen setzung in der Praxis (2011) 153 f; vgl idS österr (Anlauf-)Stelle für Passagiere, ZVR schon Schmidt-Bendun, Haftung der Eisen- 2015, 232 ff (233). bahnverkehrsunternehmen (2007) 161. 108. Vgl bereits unter Punkt II B 3 oben. 99. Gaedtke, Fahrgastrechte im öffentlichen 109. Eingehend Saria, Unternehmensrechtliche Personenverkehr und ihre Durchsetzung in Entwicklungen im Tourismusrecht unter der Praxis (2011) 154, 180; idS schon Stau- besonderer Berücksichtigung wettbe- dinger, Licht am Ende des Tunnels? – Streit- werbs- und immaterialgüterrechtlicher Fra- fragen zur Verordnung 1371/2007/EG im gestellungen, in Saria (Hg), Jahrbuch Touris- Eisenbahnverkehr sowie zur außergericht- musrecht 2009 (2009) 117 ff (136 mwN). lichen Streitbeilegung, in Keiler/Stangl/Pe- zenka (Hg), Reiserecht – Europäisches Rei- 110. Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Euro- serechtsforum 2008 (2009) 141 ff (152). päischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame 100. Vgl oben unter Punkt II B 2; so schon SA/ Vorschriften für die Durchführung von Luft- EuGH 14. 03. 2013, Rs C-509/11, „ÖBB-Per- verkehrsdiensten in der Gemeinschaft, ABl sonenverkehr AG“, Rn 73 im Rahmen eines 2008, L 293/3. obiter dictum. 111. Mit eingehender Begründung Saria, Un- 101. So Staudinger, Licht am Ende des Tunnels? ternehmensrechtliche Entwicklungen im – Streitfragen zur Verordnung 1371/2007/ Tourismusrecht unter besonderer Berück- EG im Eisenbahnverkehr sowie zur außerge- sichtigung wettbewerbs- und immaterial- richtlichen Streitbeilegung, in Keiler/Stan- güterrechtlicher Fragestellungen, in Saria gl/Pezenka (Hg), Reiserecht – Europäisches (Hg), Jahrbuch Tourismusrecht 2009 (2009) Reiserechtsforum 2008 (2009) 141 ff (152 117 ff (135 f). f). 112. Authried, Das Passagier- und Fahrgast- 102. So Staudinger, Licht am Ende des Tunnels? rechteagenturgesetz (PFAG) – Schaffung – Streitfragen zur Verordnung 1371/2007/ einer zentralen österr (Anlauf-)Stelle für EG im Eisenbahnverkehr sowie zur außerge- Passagiere, ZVR 2015, 232 ff (236). richtlichen Streitbeilegung, in Keiler/Stan- gl/Pezenka (Hg), Reiserecht – Europäisches 113. Im Detail Saria, Unternehmensrechtliche Reiserechtsforum 2008 (2009) 141 ff (155). Entwicklungen im Tourismusrecht, in Saria

ÖZV 2/2019 31 (Hg), Jahrbuch Tourismusrecht 2010 (2010) rechte in Europa, RRa 2010, 207 ff (208) 111 ff (117 f). sowie das oben unter Punkt IV C 1 wörtlich wiedergegebene Zitat. 114. Näher Saria, Unternehmensrechtliche Ent- wicklungen im Tourismusrecht, in Saria 124. Vgl oben unter Punkt II B 2. (Hg), Jahrbuch Tourismusrecht 2010 (2010) 111 ff (118 f). 125. Vgl oben unter Punkt II B 3. 115. Vgl eingehend Saria, Unternehmensrecht- 126. So Staudinger, Licht am Ende des Tunnels? liche Entwicklungen im Tourismusrecht, in – Streitfragen zur Verordnung 1371/2007/ Saria (Hg), Jahrbuch Tourismusrecht 2010 EG im Eisenbahnverkehr sowie zur außerge- (2010) 111 ff (119). richtlichen Streitbeilegung, in Keiler/Stan- gl/Pezenka (Hg), Reiserecht – Europäisches 116. SA/EuGH 14. 03. 2013, Rs C-509/11, „ÖBB- Reiserechtsforum 2008 (2009) 141 ff (155). Personenverkehr AG“, insb Rn 62 f; vgl dazu schon Saria, Unternehmensrechtliche Ent- 127. EuGH 07. 11. 1972, Rs 20/72, „Belgischer wicklungen im Tourismusrecht, in Saria Staat/NV Cobelex“, Rn 22; EuGH 10. 10. (Hg), Jahrbuch Tourismusrecht 2010 (2010) 1973, Rs 34/73, „Fratelli Variola S.p.a./Ita- 111 ff (142 f). lienische Finanzverwaltung“, Rn 10; EuGH 31. 01. 1978, Rs 94/77, „Fratelli Zerbone 117. SA/EuGH 14. 03. 2013, Rs C-509/11, „ÖBB- S.n.c./Amministrazione delle Finanze dello Personenverkehr AG“, Rn 67. Stato“, Rn 22/27. 118. Vgl EuGH 26. 09. 2013, Rs C-509/11, „ÖBB- 128. So EuGH 10. 10. 1973, Rs 34/73, „Fratelli Personenverkehr AG, Schienen-Control Variola S.p.a./Italienische Finanzverwal- Kommission, Bundesministerin für Verkehr, tung“, Rn 11; EuGH 31. 01. 1978, Rs 94/77, Innovation und Technologie“, Rn 53 ff, insb „Fratelli Zerbone S.n.c./Amministrazione Rn 59 ff; darauf hinweisend schon Saria, delle Finanze dello Stato“, Rn 22/27. Unternehmensrechtliche Entwicklungen im Tourismusrecht, in Saria (Hg), Jahrbuch 129. EuGH 07. 02. 1973, Rs 39/72, „Kommission Tourismusrecht 2010 (2010) 111 ff (143). der Europäischen Gemeinschaften/Italie- nische Republik“, Rn 16 f. 119. Vgl dazu schon Saria, Unternehmensrecht- liche Entwicklungen im Tourismusrecht, in 130. EuGH 28. 03. 1985, Rs 272/83, „Kommissi- Saria (Hg), Jahrbuch Tourismusrecht 2015 on der Europäischen Gemeinschaften/Itali- (2015) 119 ff (122 f mwN). enische Republik“, Rn 27. 120. Vgl dazu oben unter Punkt II B 1. und 2. 131. EuGH 31. 01. 1978, Rs 94/77, „Fratelli Zer- bone S.n.c./Amministrazione delle Finanze 121. Vgl die entsprechenden oben unter Punkt II dello Stato“, Rn 22/27. B 3 referierten Ausführungen. 132. Vgl dazu schon oben unter Punkt IV A. 122. SA/EuGH 14. 01. 2016, verb Rs C-145/15 und C-146/15, „K. Ruijssenaars, A. Jansen 133. Vgl oben unter Punkt IV A. und J. H. Dees-Erf/Staatssecretaris van In- 134. Vgl dazu bereits oben unter Punkt III. frastructur en Milieu“, Rn 27. 123. Vgl idS Isermann/Berlin, Durchsetzungsstel- len und Schlichtungsstellen für Fluggast-

32 ÖZV 2/2019 Logistische Probleme bei der Vorbereitung der Piaveschlacht (Juni 1918) Gerhard Artl

1. Der Entschluss zum Angriff sammelt war. Darüber hinaus war noch ein vor- gestaffelter Entlastungsangriff am Tonalepass in Mit dem Durchbruch in der 12. Isonzoschlacht im Westtirol geplant.2 November 1917 und dem siegreichen Ende des Krieges an der Ostfront mit den Friedensschlüs- 2. Der Eisenbahnaufmarsch beginnt sen von Brest-Litowsk im März 1918 schien die Am 23. März 1918 informierte das k.u.k. Armee- Kriegslage für die Mittelmächte im Frühjahr 1918 oberkommando (AOK) die Heeresgruppe Conrad, nicht so schlecht zu sein. Allerdings machten sich dass die Lage an der Ostfront nunmehr erlaube, zunehmend Versorgungsschwierigkeiten, Hun- die für einen großen Schlag gegen die italienische gersnot und Streiks im Hinterland bemerkbar. Armee erforderlichen personellen Mittel der So entschloss sich das Deutsche Reich, vor dem Südwestfront zuzuführen. Mit Rücksicht auf die Eintreffen großer amerikanischer Verstärkungen Bahnlage könne dies jedoch nur allmählich er- eine Entscheidung in Europa zu erzwingen. Am folgen.3 Eine Woche danach erging der grundle- 21. März 1918 begann die große Frühjahrsoffen- gende Transportbefehl für die Verschiebungen an sive an der Westfront. Auf österreichisch-unga- die Südwestfront. Der Beginn des Antransportes rischer Seite entschied man sich auf deutschen wurde mit 8. April festgelegt, da noch Zeit für die Druck hin dazu, zur Bindung alliierter Streitkräfte gründlichen Vorbereitungen4, insbesondere für einen begrenzten Zangenangriff im Raume Grap- die Lokomotivdirigierungen benötigt wurde. Dem pa und am Piave zu unternehmen, um das Ge- Kalkül zufolge kamen insgesamt 700 operative biet bis zur Brenta zu gewinnen. und etwa 350 materielle Züge innerhalb eines Das italienische Heer hatte unterdessen seinen Zeitraums von 50 Tagen in Betracht. Täglich wa- materiellen Wiederaufbau abgeschlossen und ren daher vierzehn operative und sieben materi- umfasste sieben Armeen mit 56 Infanterie- und elle Züge zu führen. Dazu kamen noch zwei Züge vier Kavalleriedivisionen, worunter sich drei mit schwerer Artillerie aus dem Westen. Sieben englische, zwei französische sowie eine tsche- operative und fünf materielle Züge sollten dabei chische Division befanden. Es hatte nicht nur sei- nach Südtirol, sieben operative und zwei materi- ne Kampfkraft erheblich verstärkt, es konnte sich elle Züge nach Venetien gehen. Gegenüber den auch auf sehr gut ausgebaute Stellungen stützen. bisher nach dem Südwesten gefahrenen bedeu- Die Soldaten der k.u.k. Armee litten dagegen un- tete dies eine Erhöhung von täglich sechzehn Zü- ter einer ständig anwachsenden Hungersnot. Die gen.5 dauernde Unterernährung schwächte stark die Der Abtransport aus dem Osten wurde dadurch Kampfkraft, die Kampfmoral der Fronttruppen erschwert, dass von den geplanten 700 opera- war allerdings noch ungebrochen. Die Artillerie tiven Zügen allein 365 – mehr als die Hälfte also – hatte viel von ihrer Beweglichkeit eingebüßt, da aus der Bukowina auf einer Linie über Czernowitz es auch an ausreichenden Futtermengen für die – Kolomea abrollen mussten. Im selben Zeitraum Pferde mangelte. Das Lagebild sollten eine rück- waren über diese Linie noch etwa 50 materielle läufige Munitionsproduktion und das ungenü- Züge herauszufahren. Deshalb sollte auf Anforde- gende Leistungsvermögen der Eisenbahn noch rung der Quartiermeisterabteilung zuallererst mit weiter beeinträchtigen.1 28 materiellen Zügen, beladen mit Autokolonnen Im Tauziehen um den Operationsplan bean- und Staffeln, begonnen werden. Beim Transport spruchte Feldmarschall (FM.) Franz Conrad v. von 60 Zügen aus Rumänien waren wiederum Hötzendorf das Schwergewicht des Angriffs an der Abtransport von fünf deutschen Divisionen der Tiroler Gebirgsfront zwischen Piave und As- sowie die Einfuhr rumänischen Getreides zu be- tico Richtung Vicenza. FM. Svetozar Boroevic rücksichtigen. Leichter durchzuführen sollten 210 wiederum nahm das Schwergewicht für seine Züge auf drei Abgangslinien aus Ungarn, 40 aus Heeresgruppe in Anspruch, indem er für die Wolhynien und Galizien und 25 aus dem Hinter- Forcierung des Piave eintrat. Der endgültige Ent- land sein.6 schluss des Armeeoberkommandos entsprach An Truppenkörpern waren zu verschieben: Im schließlich buchstäblich einem faulen Kompro- Laufe des Monats April die 18. Feld-, die 64. Hon- miss: Ein Zangenangriff ohne echtes Schwerge- vedartilleriebrigade, die 3. Kavallerie-, die 16. In- wicht durch eine stark befestigte Waldzone bzw. fanteriedivision und die Reste der 7. und 51. In- über das ebenfalls gut ausgebaute Grappa-Mas- fanterie- sowie der 40. Honveddivision7. Im Mai siv bei gleichzeitiger Überwindung des Piave, sollten die 5., die 36. Infanterie-, die 74. Honved-, hinter dem die italienische Reservearmee ver-

ÖZV 2/2019 33 die 10. und 11. Kavalleriedivision, die 12. Feld- militärischen Urlaube und Absentierungen ohne artilleriebrigade sowie die Reste der 39., der 40. jede Einschränkung zu verbieten und sämtliche Honved-, der 51. und der 53. Infanteriedivision Urlauberzüge vorübergehend aufzulassen. Der folgen. Damit war beabsichtigt, der Heeresgrup- Verkehr mit Baustoffen wäre ebenfalls vollstän- pe Boroevic 54.000 Mann und 28.000 Pferde, der dig einzustellen und der übrige Militärverkehr Heeresgruppe Conrad 195.000 Mann und 94.000 weitgehend einzuschränken. Dies alles sollte Pferde zuzuführen. Der Gesamtstand sollte nach aber unter besonderer Rücksicht auf die bereits Abschluss der Transporte bei der HG Boroevic auf das äußerste Maß eingeschränkte Bevölke- 921.00 Mann, 169.500 Pferde, bei der HG Con- rung durchgeführt werden. rad 860.00 Mann, 191.000 Pferde umfassen.8 Am Ende seines Schreibens verwies der Mini- Der geradezu ungeheuerliche Niedergang des ster noch auf ein besonders wichtiges Anliegen. österreichisch-ungarischen Feldeisenbahnwe- Die Unterernährung der gesamten Eisenbahn- sens (FEW) wird bei einem Zahlenvergleich ver- bediensteten durfte nicht weiter fortschreiten. gangener Transportleistungen mehr als deutlich. Dies bildete seiner Ansicht nach die wichtigste Das Kalkül für den Aufmarsch zur Südtiroloffen- Voraussetzung dafür, Arbeitseinstellungen wirk- sive im Frühjahr 1916 sah eine tägliche Trans- sam bekämpfen zu können. Die Verpflegung der portleistung von 45 Zügen9 über Brenner und Eisenbahner war unbedingt sicherzustellen. Er Pustertal vor. Für die 12. Isonzoschlacht rollten ersuchte deshalb darum, möglichst unbürokra- 2400 Züge innerhalb von 30 Tagen, rund 60 da- tisch etwa fehlende Lebensmittel aushilfswei- von täglich im September/Oktober 1917 über se durch die nächstgelegene militärische Stelle die Südbahn.10 Nunmehr, Anfang April 1918, wa- raschestens zur Verfügung zu stellen.12 ren über beide Aufmarschlinien in 50 Tagen 1050 GM. Johann Straub, der Chef des Feldeisenbahn- Züge vorgesehen: Also ganze 21 Züge täglich! wesens, informierte daraufhin den Minister über Das entsprach nur noch etwa 20 % des früheren die beabsichtigten Streckennutzungen und fügte Leistungsvermögens! hinzu, dass an Mehrleistungen sieben bis neun Ganz in diesem Sinne folgte noch ergänzend der Züge aus der Bukowina, acht bis zehn Züge nach Befehl: „Während dieser Transportbewegung Südtirol und fünf bis sieben Züge täglich zur Hee- müssen alle sonstigen Verschiebungen von Trup- resbahn Südwest über Laibach laufen werden. Da pen und Gütern auf ein unbedingtes Minimum Ungarn durch die erhöhte Transportbewegung herabgesetzt werden, denn die bevorstehenden sehr stark beansprucht werden wird, würde man Verschiebungen bedeuten naturgemäß eine stär- von einer Aushilfe mit ungarischen Lokomotiven kere Beanspruchung einzelner Eisenbahnlinien. absehen. Straub versicherte jedoch, die Zentral- Im Interesse der glatten Abwicklung der Trans- lokomotivdirigierung der Zentraltransportlei- portbewegung müssen die Bahnen, wo dies nur tung werde sich mit dem Ministerium in Verbin- zulässig ist, entlastet werden. Jeder einzelne dung setzen, da beabsichtigt sei, „aus Galizien ersparte Waggon ist für den Gesamteisenbahn- eine größere Anzahl Maschinen abzuziehen.“ verkehr ein Gewinn. Auch das Kriegsministerium Hinsichtlich der Verpflegung des Bahnpersonals wird ersucht, Verschiebungen jener Truppen, die betonte er abschließend, sei die Versorgung des im Innern der Monarchie sind, im Einvernehmen Transportbegleitpersonals bereits gesichert, und mit der Zentraltransportleitung (ZTL) und nur das Kriegsministerium sei schon ersucht worden, dann durchzuführen, wenn sie unbedingt erfor- im Hinterland die gleiche Verfügung zu treffen.13 derlich ist.“11 Mit 4. April 1918 ordnete die Österreichische 3. Die Vorschläge des k.k. österreichischen Ei- Lokomotivdirigierung der ZTL die Verstärkung senbahnministers der Feldtransportleitungen (FTL) 7 Innsbruck, 8 Villach, 9 Laibach sowie der Heeresbahn Süd- Der österreichische Eisenbahnminister Karl von west an. Die FTL 7 erhielt aus den Bereichen der Banhans, der am 30. März vom k.u.k. General- Staatsbahndirektionen Lemberg, Stanislau und stabschef Artur Arz von Straußenburg über den der Heeresbahn Nord insgesamt 43 Lokomoti- beabsichtigten Aufmarsch erstmals informiert ven, je 62 Lokführer und Heizer. Der FTL 8 wur- worden war, bat bereits am folgenden Tag um den von den Staatsbahndirektionen Prag, Olmütz nähere Information über Beginn, Dauer und Um- Lemberg Stanislau, der Nordbahndirektion und fang der geplanten Transporte. Um die erhöhten der Nordwestbahndirektion insgesamt 40 Loko- Transportbewegungen sicherzustellen, schlug motiven, 52 Lokführer und 72 Heizer zugescho- er vor, auf den Lokomotivüberschuss in Galizien ben. Die Staatsbahndirektionen Pilsen, Lemberg und auf den ungarischen Lokomotivpark zurück- und Stanislau, die Südbahn sowie die ungarische zugreifen. Um wenn möglich noch Lokomotiven Staatsbahn MAV hatten der FTL 9 30 Lokomoti- zu gewinnen, stellte er eine weitere Drosselung ven sowie je 38 Lokführer und Heizer zur Verfü- des Personen- und Güterverkehrs in Aussicht. gung zu stellen. Die Heeresbahn Südwest wurde Dabei verwies er darauf, in gebotener Dauer alle

34 ÖZV 2/2019 um 23 Lokomotiven, je 30 Lokführer und Heizer könnten ihr Personal in Innsbruck mangels Mehl der Staatsbahndirektionen Pilsen, Lemberg, der nicht mehr mit Brot versorgen. Das Personal sei Nordwestbahndirektion und der Heeresbahn zwar noch ruhig, es müsse jedoch schleunigst Nord verstärkt.14 Abhilfe geschafft werden.21 Die Abdirigierung aus dem Bereich der FTL 5 Am folgenden Tag sprachen Vertreter der Gene- Lemberg ging relativ problemlos vor sich. Noch raldirektion der k.k. priv. Südbahngesellschaft vor Eintreffen der telegraphischen Weisung der bei GM. Straub vor. Sie informierten ihn über die ZTL waren von Lemberg aus die Außendienst- unzureichende Versorgung ihrer Bediensteten stellen bereits am Spätnachmittag des 3. April mit Lebensmitteln, die bereits zu bedenklichen informiert worden. Bis 10. April konnten 51 der Minderleistungen geführt hätte. Straub ersuchte 55 angeforderten Lokomotiven abrollen. Vier daraufhin das k.k. Eisenbahnministerium, die mussten noch in Reparatur. Dies alles war inso- dortige Hauptwirtschaftsstelle zu veranlassen, fern recht bemerkenswert, da die zur Abgabe die Südbahn mit zureichenden Lebensmitteln bestimmten Lokomotiven erst aus dem Betrieb zu beteilen. In den Morgenstunden des 18. April gezogen werden mussten.15 Ungleich schlechter legte schließlich das Stations-, Heizhaus- und lief die Absendung der Lokomotiven aus dem Werkstättenpersonal Innsbruck die Arbeit nie- Bereich der FTL 6 Stanislau ab. Die Lokomotiven der, worauf als Sofortmaßnahme der Zulauf über kamen von den Heizhäusern Stanislau, Czort- Salzburg auf sechs Züge täglich reduziert werden kow, Kolomea und Czernowitz. Es sollten zwar musste. Nach der Zusicherung, für einen regel- nur vollkommen dienstfähige Lokomotiven ab- mäßigen Lebensmittelzuschub zu sorgen, nahm gesendet werden, aber gerade jene insgesamt die Arbeiterschaft um 15.00 Uhr die Arbeit wie- 30 Stück der Reihen 260, BEB und ATE waren der auf. Das Eisenbahnministerium hatte acht besonders reparaturanfällig. Noch dazu waren Wagen Mehl binnen 48 Stunden zugesichert.22 zunächst keine Ersatzteile vorrätig und die Werk- Das AOK wies daraufhin die Verköstigungsstati- statt in Stanislau „in Retablierung begriffen“. onen an, auch das Fahrpersonal der Transporte Obendrein mussten andere Loks ersatzweise den zu versorgen und intervenierte beim Volksernäh- verschiedenen Heizhäusern zugewiesen werden, rungsamt und beim Eisenbahnministerium. Doch um den laufenden Verkehr, insbesondere jener alle halben Maßnahmen halfen nichts. Am 22. der Truppentransporte, nicht ins Stocken zu brin- April traten die Innsbrucker Eisenbahner in den gen. Weitere zehn seitens Lemberg zudirigierte Hungerstreik. Der Ausstand sollte bis zum 26. Lokomotiven waren überhaupt nicht dienstfä- andauern. Hauptbetroffen war die HG Conrad, hig…16 Die ZTL bemängelte jedenfalls gegenüber deren Nachschub tagelang buchstäblich stehen der FTL 6, dass die Vorbereitungen zur Absen- blieb.23 Unterdessen hatte man auch die militä- dung der Lokomotiven und ihrer Mannschaften rische Abgabe von Fleisch an die Eisenbahnbe- zu lange Zeit in Anspruch genommen hätten. Die diensteten in St. Michele, Mezzolombardo und Zentrallokomotivdirigierung wäre erst zehn Tage Trient zehn Tage lang eingestellt. Die Intendanz nach ergangenem Auftrag, am 14. April, über die des Militärkommandos Innsbruck, davon in abgegangenen Transporte informiert worden.17 Kenntnis gesetzt, hatte jedoch das Ernährungs- Die k.k. Staatsbahndirektionen Innsbruck, Villach referat der Südbahn nicht informiert.24 und Triest waren in der Zwischenzeit seitens des k.k. Eisenbahnministeriums bereits angewiesen Endlich wurden nun Verpflegssonderzubußen worden, alle Vorkehrungen für die rasche Bewäl- losgeschickt, aus Pola kamen neun, aus Linz ein tigung vermehrter Reparaturen zu treffen.18 Waggon Mehl, der Maiszuschub aus Ungarn sollte sogar dauernd erfolgen.25 4. Die Ernährungssituation des Bahnpersonals Anfang April musste die FTL 9 Laibach erkennen, Die Versorgungskrise des Heeres hatte schon Mit- dass sich in den Heizhäusern Laibach und be- te Januar 1918 eingesetzt. Die Kost war nicht nur sonders auch in Marburg die Krankenstände des höchst unzulänglich, sie war obendrein noch ein- Lokpersonals besonders häuften. Als festgestellt tönig. Im März hatte die Krise ihren Höhepunkt wurde, dass von 49 Kranken 30 nicht einmal zu erreicht. Das Durchschnittsgewicht des Mannes Hause waren, beantragte die FTL 9 die Ablösung sank auf 50 kg.19 Dem Personal der Eisenbahn des Südbahnarztes durch einen Militärarzt. Die ging es nicht besser. Noch am 3. April 1918 ord- Südbahngesellschaft wurde daraufhin von der nete das AOK zunächst an, dem Zugbegleitper- Generalinspektion der österreichischen Eisen- sonal aller Transporte, die in die erhöhte Trans- bahnen aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, un- portbewegung inbegriffen waren, unentgeltlich beschadet der bereits eingeleiteten Kontrollmaß- aus den militärischen Verköstigungsstationen zu nahmen den Chefarzt bzw. seinen Stellvertreter versorgen.20 Mitte April begann sich die Situation wenigstens einmal monatlich in die Stationen mit zuzuspitzen. Der Chef des FEW erhielt die tele- großem Personalstand zur Durchführung ambu- graphische Mitteilung, Staatsbahn und Südbahn lanter Untersuchungen zu entsenden. Über das

ÖZV 2/2019 35 Ergebnis dieser Untersuchungen war umgehend Transporte zur Südwestfront einschränkte. Es schriftlich zu berichten.26 durften nur Züge zu 96 Achsen bzw. mit einem Höchstgewicht von 600 t an die FTL 7, 8 und 5. Die prekäre Kohlenlage 9 übergeben werden. Damit sollte verhindert Zur klaglosen Durchführung der geplanten Bewe- werden, dass die Übernahmefähigkeit dieser gungen waren dringend ausreichende Kohlenvor- FTL überschritten würde.30 räte erforderlich. Von vornherein war anzuneh- Allerdings stellte der Mangel an Zugförderungs- men, dass sich die Verkehrsverhältnisse im Bereich ingenieuren und an Verkehrsorganen eine un- der FTL 7, 8 und 9 sowie auf der Heeresbahn Süd- gleich größere Bedrohung der Verkehrslage dar. west besonders schwer gestalten würden. Das Am 16. April sprachen deshalb Vertreter der Ge- Augenmerk war dabei nicht nur auf die Besserung neraldirektion der k.k. priv. Südbahngesellschaft der Kohlenlage der Südbahn zu legen, das Eisen- bei GM. Straub vor. Straub wies daraufhin die bahnministerium wurde auch darum ersucht, die ZTL an, der Südbahn vorübergehend Zugförde- im Bereich der genannten drei FTL gelegenen Lini- rungsingenieure zu überlassen und das bereits en bei der Verteilung der Staatsbahnkohle derart gestellte Ansuchen der Südbahn, namentlich 32 zu bevorzugen, „dass die volle Zugkraft der Loko- Beamte und fünfzehn Unterbeamte vom Front- motiven ausgenutzt werden kann und ihre scho- dienst entheben zu lassen.31 nende Behandlung durch sachgemäße Feuerung möglich ist“. Gleichzeitig wurde Ende März seitens Der Chef des FEW hatte bereits am 5. April darauf des Chefs des Feldeisenbahnwesens die Forderung hingewiesen, dass sich unter den aus Russland, erhoben, innerhalb einer Woche den zusätzlichen Rumänien und der Ukraine schon heimgekehr- Kohlenzuschub in der Höhe eines achttägigen Koh- ten und noch heimkehrenden Kriegsgefangenen lenverbrauchs sicherzustellen.27 viele Berufseisenbahner, Maschinenschlosser und Metallprofessionisten befinden mussten. Er Drei Wochen später waren wegen des langen Streiks ersuchte daher den Chef des Ersatzwesens, die der Bergarbeiter in Dabrowa die Kohlenvorräte der Berufseisenbahner bei der Betriebsersatzabtei- Heeresbahn Südwest vollkommen aufgebraucht. lung in Klein-München bei Linz und alle übrigen Der Betrieb konnte nur mehr mit geborgter Staats- qualifizierten Professionisten beim Eisenbahn- bahnkohle aufrechterhalten werden. Die Heeres- Ersatzbataillon in Korneuburg einzuteilen.32 bahn Süd lieh sich zu diesem Zeitpunkt die Kohlen bei den ungarischen Staatsbahnen, während die Am 19. April richtete die Südbahn-Maschi- Reserven der Heeresbahn Nord nur noch für drei nendirektion ein alarmierendes Telegramm an bis vier Tage reichte und danach die Einstellung des die ZTL. Eingangs wurde darauf hingewiesen, Betriebs drohte. GM. Straub beantragte deshalb, dass der Reparaturstand bei der Südbahn am den Zivilbedarf des Militärgeneralgouvernements 10. April durchschnittlich 35 Prozent33 betra- Lublin von täglich 820 auf 410 t Kohlen so lange gen hätte. Besonders hoch wären diese in den zu halbieren, bis wieder ein vierwöchiger Kohlen- Heizhäusern Wien (50 %), Mürzzuschlag (46 %) vorrat angesammelt und die Kohlenschulden den und Wr. Neustadt (41%). Abhilfe könne nur die Staatsbahnen zurückgegeben wären.28 schon im November angesprochene Zuweisung von insgesamt rund 600 brauchbaren Professi- Bis Anfang Juni sollte sich die Lage leicht ent- onisten, die aushilfsweise Zuweisung von fünf- spannen. Im Vergleich mit dem Stand vom 1. zehn Ingenieuren anderer Bahnen, die reich- April hatten sich die Kohlenvorräte in Österreich liche Zuweisung von Lebensmitteln sowie die von 225.000 auf 411.000 Tonnen, in Ungarn von Übernahme reparaturbedürftiger Loks durch 96.000 auf 116.000 Tonnen erhöht. Die erforder- Lokomotivfabriken schaffen. Die Zuweisung von lichen minimalen Reserven waren aber deshalb Leihlokomotiven sei deshalb derzeit nur schäd- noch lange nicht vorhanden. Diese sollten wenig- lich. Das Schreiben schloss mit den Worten: stens 885.000 t Kohlen (für 27 Betriebstage) für „Verhältnisse spitzen sich von Woche zu Woche Österreich und mindestens 351.000 t Kohlen (für zu und es kann für weitere Entwicklung keine etwa 22 Betriebstage) für die ungarischen Bahnen Verantwortung übernommen werden, wenn betragen. Um diese Zahlen bis 1. Oktober 1918 zu angeregte Aushilfen nicht unverzüglich beige- erreichen, waren monatlich in Österreich 120.000 stellt werden, da Verhältnisse vollkommen klar t, in Ungarn 60.000 t Kohlen einzulagern. Die Zulie- liegen und zufolge wiederholter Berichterstat- ferungen mussten daher entsprechend gesteigert tung allenthalben bekannt sein müssen, kann werden.29 kommissionelle Untersuchung der Reparatur- 6. Der große Mangel an Eisenbahnpersonal, der verhältnisse vielleicht unterbleiben.“34 Lokomotivreparaturstand und minderwertiges Dieses Telegramm sollte allerdings nicht ge- Schmieröl eignet sein, die beabsichtigte nähere Unter- Mit dem Beginn der Transporte erging eine grund- suchung der hohen Reparaturstände bei der legende Weisung, die Länge und das Gewicht der Südbahn fallenzulassen. Nach Ansicht der ZTL

36 ÖZV 2/2019 entsprach die vorliegende Begründung nicht den würden. Das Eisenbahnministerium lehnte dies Tatsachen. Den Anforderungen vom November jedoch unter Hinweis auf die Verkehrssituation 1917 entsprechend wären 505 Professionisten kategorisch ab. zugewiesen worden. Über allfällige Rückstän- Feldzeugmeister Leopold v. Schleyer, der Tech- de seien laufend Informationen ergangen. Die nische Referent des Kaisers, der am folgenden Überweisung reparaturbedürftiger Lokomoti- Tag davon informiert wurde, hatte vor allem ven an Privatfabriken hätte sich verzögert, weil wegen der wichtigen Kriegsindustrien wie Bo- die Südbahn die wiederholt verlangten Angaben ehler in Kapfenberg, Schoeller in Ternitz, der nicht eingesendet hat. „Jedenfalls trägt die Ma- Pulverfabrik Blumau und dem Hochofenwerk schinendirektion der Südbahn zum großen Teile Donawitz schwere Bedenken. Schleyer hielt da- selbst die Verantwortung für den hohen Loko- raufhin Rücksprache mit dem Verkehrsdirektor motivreparaturstand, da sie die von Seite der ZTL der Südbahn, der diese Einschränkung ebenfalls und des Eisenbahnministeriums sowie der Gene- für unbedingt notwendig hielt, „insolange die ralinspektion angeregten Maßnahmen nicht mit Aushilfe mit Lokomotiven seitens der Staats- der nötigen Raschheit und Tatkraft fördert. Die bahn eine derartige wie bisher bleibt. Von acht Abwälzung der Verantwortung für die gegenwär- zur Unterstützung des Verkehrs zugewiesenen tige kritische Situation auf die ZTL oder andere Lokomotiven der Staatsbahn habe nämlich die Stellen muss daher entschieden zurückgewiesen Südbahn sofort vier Stück, bevor sie noch in Tä- werden.“35 tigkeit traten, in die Reparaturwerkstätte abge- Die Personallage wurde zunehmend immer drü- ben müssen, während die fünfte bald nach An- ckender. Am südwestlichen Kriegsschauplatz tritt ihres Dienstes auf der Strecke liegen blieb.“ standen gegen Ende April mehrere Kleinbahnen Der Feldzeugmeister schloss seine Mitteilung an vor ihrer Fertigstellung. Die ZTL war aber man- den Chef des Generalstabes mit dem Hinweis, gels Personal nicht in der Lage, für die zeitge- der Verkehrsdirektor hätte ausdrücklich mitge- rechte Inbetriebnahme zu sorgen.36 Was dies im teilt, so weitgehende Einschränkungen wären Falle des Fortschreitens der eigenen Offensive dann nicht unbedingt notwendig, wenn wirklich verbunden mit einer Erweiterung des Schienen- brauchbare und dienstfähige Lokomotiven als netzes bedeuten musste, lag nur zu deutlich auf Aushilfe beigestellt würden.38 der Hand. Der Chef des FEW antwortete Ende April, die vo- Besonders ungünstig lagen die Verhältnisse bei rübergehende Verkehrseinschränkung sei wegen der Südbahn. Rasche Reparaturen – war kom- zu geringer Leistungsfähigkeit der Lokomotiven missionell festgestellt worden – waren nur durch über den Semmering notwendig gewesen. Mit eine Vermehrung des sehr knappen technischen der Zuweisung von zwölf Staatsbahnlokomotiven und administrativen Personals zu erzielen. Der an die Südbahn-Heizhäuser Wiener Neustadt, damit Hand in Hand gehende Lokomotivmangel Gloggnitz und Mürzzuschlag wäre mit 24. April verursachte die größten Schwierigkeiten. Au- die Kohlen- und Koksversorgung der kriegswich- ßerdem litt der Verkehr der Südbahn unter dem tigen Industriestandorte wiederaufgenommen großen Mangel an erfahrenen, eingearbeiteten worden. Zugexpedienten. Deshalb wandte sich der Chef Zur Klage der Südbahn über die zugewiesenen FEW mit einer langen Personalliste und der drin- Lokomotiven bemerkte Straub, der vorhandene genden Bitte an das Kriegsministerium, dem Chef Lokomotivpark reiche für die gewaltigen, von den des Ersatzwesens sowie an drei Armeekomman- Bahnen geforderten Leistungen kaum aus. Die dos, das angeführte Personal bis auf weiteres verfügbaren dienstfähigen Lokomotiven seien von der militärischen Dienstleistung zu entheben daher infolge übermäßiger Inanspruchnahme und der Südbahn zur Verfügung zu stellen.37 stark abgenützt. Dazu komme noch die ungün- So hatten bereits am 19. April Vertreter des Ei- stige Wirkung zahlreicher Ersatzmittel, die die senbahnministeriums in einer Sitzung des Trans- Widerstandsfähigkeit der Lokomotiven wesent- portausschusses erklärt, auf eigene Verantwor- lich herabsetzen (Eiserne Feuerbüchsen, eiserne tung aufgrund der Lage eine weitestgehende Stehbolzen, eiserne Rohrstutzen, minderwertige Verkehrsbeschränkung auf der Südbahnstrecke Lagermetalle und Schmieröle). Jede Lokomotiv- zwischen Wien und Triest zu erlassen. Ausge- abgabe sei daher für die abgebende Bahnver- nommen davon sollten nur Transporte für Gas-, waltung mit sehr großen Schwierigkeiten ver- Wasser- und Elektrizitätswerke sein. Das Arbeits- bunden. Deshalb wäre es ganz ausgeschlossen, ministerium erklärte, dieser Maßnahme auf die immer nur vollkommen tadellose Lokomotiven Dauer von fünf Tagen zuzustimmen, sofern alle abzugeben.39 rollenden Kohlenlieferungen, Rotationsdruck- Am 31. März 1918 meldete die ZTL dem Chef des fabriken, Lokomotiv- und Waggonfabriken und FEW das Ergebnis eines Inspektionsberichtes Kokslieferungen für Donawitz ausgenommen

ÖZV 2/2019 37 des Heizhauses Innsbruck. Als Ursache des dort wagen und Güterwagen mit 15 t Tragfähigkeit herrschenden hohen Reparaturstandes an Ma- und darüber und schließlich einer zinnärmeren schinen von 42 bis 48 Prozent (!) hatte man die Mischung bestehend aus Antimon-Zinn-Blei im Verwendung minderwertigen Schmieröls fest- Verhältnis 15-19/5-10/Rest Blei. Anstelle des gestellt.40 GM. Straub wandte sich daraufhin dritten Lagermetalls wurde fallweise noch eine mit dem dringenden Ersuchen telegraphisch an Zink-Zinn-Blei Kupfermischung (64:21:12:3) die Generaldirektion der k.k. priv. Südbahn-Ge- verwendet. Bei den k.k. Staatsbahnen waren sellschaft, unverzüglich zu veranlassen, dass in deshalb strenge Regeln erlassen worden, deren Hinkunft nur noch vollkommen geeignete Öle Einhaltung auch laufend kontrolliert wurden, für die Schmierung der Lokomotiven verwendet um trotz der herrschenden Weißmetallknapp- werden.41 heit eine anständige Lagermetallversorgung zu gewährleisten. Die Linien der Südbahngesell- Unterdessen hatten die Staatseisenbahnver- schaft kannten solche strengen Regeln offen- waltungen mit den aus staatlich bewirtschaf- sichtlich nicht.44 teter Produktion stammenden Vulkanölen gute Erfahrungen gemacht. Die Fälle von Heißlaufen Weitere Erhebungen der Mineralölgruppe des waren in ihren Bereichen im vergangenen Win- Kriegsministeriums ergaben, dass auch andere ter erheblich zurückgegangen. Im k.k. Eisen- Umstände wie mangelhafte Pflege und - War bahnministerium war man deshalb zum Schluss tung der Dochte und Schmiervorrichtungen, gekommen, dass die Südbahn auf ihren Linien ungenügende Reinigung der Triebwerksteile in anderweitig beschaffte Schmieröle verwendete. Ermangelung entsprechend geschulten Arbeits- Tatsächlich konnten Organe des Kriegsministeri- personals neben dem minderwertigen Schmier- ums/Mineralölgruppe feststellen, „dass seitens öl für die hohen Reparaturstände der Südbahn der Südbahn im Heizhaus Wien angeblich aus verantwortlich waren.45 früherer Periode stammende hochstockende, Am 10. Mai 1918 wurde unter dem Vorsitz des daher im Winter unbrauchbare Vulkanöle ver- Sektionschefs im k.k. Eisenbahnministerium wendet wurden.“42 Wenzel v. Burger eine Besprechung über die Das k.k. Eisenbahnministerium konnte darüber Schmierölversorgung der österreichischen Ei- hinaus den Nachweis erbringen, dass auch die senbahnen abgehalten. Vertreten waren dabei Beschaffenheit des Lagermetalls als Ursache das AOK durch die ZTL, das k.u.k. Kriegsmini- des Heißlaufens der Fahrbetriebsmittel auf den sterium/Mineralölgruppe, der Vorsitzende des Südbahnlinien eine nicht gerade geringe Rolle gemeinsamen Ernährungsausschusses, das k.k. spielte. „Ein Organ der Generaldirektion dieser Eisenbahnministerium, das k.k. Handelsmini- Bahnverwaltung hat im Eisenbahnministerium sterium, das k.k. Ministerium für öffentliche Departement 21a über eine diesbezügliche Fra- Arbeiten und die k.k. Nordbahndirektion. Der ge zugegeben, dass die Dienststellen der Süd- erste Punkt der Tagesordnung betraf die Frage bahn die Weißmetalle nicht derart behandeln, der Aufteilung der Produktion an Spezialölen. wie dies bei den k.k. Staatsbahnen vorgeschrie- Die wesentlichste Änderung betraf dabei die ben ist, so dass Vermengungen der einzelnen Staatseisenbahnverwaltung, die gemäß der Er- Legierungen eintreten und auf diese Art Legie- klärung des Eisenbahnministeriums neben der rungen verwendet werden, die sich tatsächlich Versorgung der Heeresbahn Nord mit Vulkanöl nicht eignen. Es ist daher der Mangel im Lager- und Zylinderöl nunmehr auch die Versorgung metall nicht auf die Zusammensetzung der vom der Heeresbahn Südwest zu übernehmen hatte. k.u.k. Kriegsministerium gelieferten Weißme- Der Bedarf der österreichischen Heeresbahnen talle zurückzuführen, die bei richtiger Behand- wurde mit ungefähr 125 Wagen Vulkanöl mo- lung gut verwendbar sind, sondern lediglich auf natlich angegeben. Davon konnten 90 Wagen eine nicht entsprechende Manipulation im Be- mit galizischem Spezialrohöl abgedeckt wer- triebe.“43 den. Der Rest sollte nach Ansicht des Handels- ministeriums ohne weiteres aus rumänischem Auf Kriegsdauer standen aufgrund von Ver- Rohöl gedeckt werden können. Zur Klärung der suchen des Kriegsministeriums drei verschie- Fragen nach einem höheren Ölpreis und nach dene Weißmetalllegierungen in Gebrauch. Eine Erprobung des rumänischen Öls im Betrieb Zinn-Antimon-Kupfermischung (75:15:10) für sollten die vertretenen Zentralstellen auf Vor- die besonders stark belasteten Achslager von schlag des Eisenbahnministeriums ein Komitee Schnellzuglokomotiven, eine Antimon-Zinn- bilden, um die Verarbeitung des rumänischen Bleimischung (20-21:12-14:Rest Blei) für die Rohöls in Vulkanöl in Laboratoriumsversuchen weniger beanspruchte Lager von Personen-, zu überprüfen und „alles weitere einleiten, da- Güterlokomotiven und deren Tender- Achs- mit das Vulkanöl im Eisenbahnbetriebe in ent- und Stangenlager, ferner für Achslager der sprechender Zeit erprobt werden kann.“46 Ein Personen- und Schnellzugwagen, Spezialgüter- Zeitrahmen wurde dabei nicht angegeben.

38 ÖZV 2/2019 7. Diebstähle und Ausschreitungen entlang der verschiedener Ersatzverbände zogen zunächst Südbahn plündernd durch die Stadt Judenburg und ka- men sodann zum Bahnhof, wo sie sämtliche Te- Ende März bzw. Anfang April 1918 sah man sich lephon- und Telegraphenapparate zerstörten. gezwungen, energische Maßnahmen gegen Ei- Der Sachschaden war enorm. Zwar wurde vom senbahn- bzw. Postdiebstähle zu ergreifen, die Bahnpersonal niemand getötet oder verwundet, inzwischen bereits einen erschreckenden Um- der ordnungsgemäße Personen- und Güterver- fang angenommen hatten. Das k.k. Ministerium kehr konnte allerdings erst am 14. Mai nach- für Landesverteidigung wies die Landesgendar- mittags nach notdürftigen Reparaturen wieder- meriekommandos an, unverzüglich im Einver- aufgenommen werden. Die Arbeiterschaft der nehmen mit den politischen Landesstellen ent- Berg- und Hüttenwerke in Leoben und Fohns- sprechende Anordnungen zu treffen und diese dorf hielt daraufhin am Nachmittag des 13. Mai schriftlich zu melden.47 Von diesen Diebstählen Sympathiekundgebungen ab. Die Militärrevolte waren vor allem Transporte mit Mannesver- griff auch auf das Feldjägerbataillon 7 in Murau pflegung, Rauchsorten, Krankenkost, Wein und über. Der Bezirkshauptmann konnte die Lage al- Hartfutter betroffen. Das Armeeoberkommando lerdings wieder beruhigen, indem er die Meute- befahl daraufhin den Heeresgruppenkomman- rer mit Speck und Brot bewirtete. Die Unruhen dos an der Südwestfront, Begleitdetachements griffen jedoch nicht auf das Eisenbahnpersonal mit zwei bis drei Offizieren und einer entspre- über.51 chenden Anzahl von Feldgendarmen bereitzu- stellen. Als Bewaffnung waren Repetierpistolen 8. Zur Versorgungslage der HG FM. Conrad oder Gewehr, Dolch und Schlagring vorzusehen. Am 26. April 1918 teilte des HGK Conrad dem Gendarmerieoffiziere sollten neu aufgestellte AOK mit, dass die Eisenbahn nicht zuerst die Detachements einige Tage für Verhaftungen und materiellen Transporte durchgeführt hätte. Nun Waffengebrauch gründlich instruieren.48 wären die Bahnen mit der Versorgung der he- In den Morgenstunden des 19. April wurde der rangeführten Truppen derart ausgelastet, dass Bahnhofkommandant von Nabresina Oberleut- das Durchbringen der ausstehenden materiel- nant Karl Landl telephonisch wegen grober Aus- len Transporte ernste Bedenken hervorrufe. Da schreitungen dreier Transporte von Honvedma- die Armeekörper mangels Unterkünfte abseits rschkompanien alarmiert. Die Honvedsoldaten der Bahnen untergebracht werden mussten, hatten einen Versorgungszug aufgebrochen und sind Transportmittel für deren Versorgung erfor- mit dem Plündern begonnen. Bei der nun fol- derlich, die nun für die materiellen Transporte genden Schießerei wurde der Gendarmeriepo- in die Frontabschnitte fehlen würden. Zur zwei stenkommandant erschossen und etliche weitere Wochen später (!!) vorliegenden Stellungnahme Soldaten mehr oder minder schwer verwundet. des stellvertretenden Chefs des Feldeisenbahn- Unter Einsatz des Etappenbataillons wurden da- wesens Obstlt. Emil Ratzenhofer stellte Oberst raufhin die Transporte entwaffnet und mehrere Pflug, der Chef der Artilleriegruppe im AOK fest, Honvedsoldaten seitens einer Kommission des dass in den 30 Tagen zwischen 7. April und 7. Mai Etappengruppenkommandos Görz verhaftet ab- statt 60 Munitionszügen bloß 37 die HG Conrad geführt. Die Transporte konnten sodann abends erreicht hätten. Die Artilleriegruppe sei nach wie ihre Fahrt wieder fortsetzen.49 vor in der Lage, schloss Pflug, für die Verladung von vier Munitionszügen täglich für die HG Con- Drei Tage später, am 22. April, meldete das Bahn- rad vorzusorgen, „falls der Chef des FEW diesel- hofkommando Salloch den Einbruch in einen ben abrollen lässt.“52 Bierwaggon. Nach der Verhaftung eines Solda- ten des Honved-Infanterieregiments 19 rotteten Tags darauf, am 13. Mai 1918, erfolgte eine Mel- sich 50 bis 60 Soldaten zusammen und forderten dung des Chefs des FEW über den Stand nicht dessen Freilassung. Im darauffolgenden Tumult abgerollter außerordentliche Zuweisungen an wurde ein Soldat von der Bahnhofswache ange- die Heeresgruppen. Mit Stand Mitternacht vom schossen. Nach dem Abtransport des Verwun- 9. auf den 10. Mai waren zur HG Conrad rund 48 deten stürmten etliche Soldaten das Bahnhofs- Züge, zur HG Boroevic rund 41 Züge noch nicht kommando und beschimpften im Beisein ihrer abgerollt. Für die Beurteilung der erbrachten Offiziere die Wachsoldaten. Erst das persön- Transportleistungen waren die abschließenden liche Einschreiten des wachhabenden Oberleut- Feststellungen zumindest bemerkenswert: nants konnte die Ordnung wiederherstellen. Die „Während vor Beginn der jetzigen Bewegungen schriftlichen Zeugeneinvernahmen wurden an für den laufenden Verpflegsbedarf täglich etwa das zuständige Feldgericht weitergeleitet.50 acht Züge zum HGK Conrad notwendig waren, beträgt der Durchschnitt der Verpflegszuschübe In der Nacht vom 12. auf den 13. Mai 1918 der letzten Woche 900 Achsen, das sind rund brachen schließlich in Judenburg größere mi- dreizehn Züge täglich, mithin eine Steigerung litärische Unruhen aus. Rund 2500 Soldaten

ÖZV 2/2019 39 bis zu fünf Zügen täglich. Aus den vorstehenden Die Bevorzugung der Lebensmitteltransporte Darlegungen wolle entnommen werden, dass hatte zur Folge, dass der Chef des FEW am 4. Juni die Zahl der anfänglich in Aussicht genommenen meldete, aus diesem Grunde könne seit 1. Juni materiellen Zuschübe schon jetzt wesentlich immer nur ein Munitionszug täglich abgehen. überschritten ist und die bisherigen Leistungen 9. Zur Versorgungslage der HG FM. Boroevic als sehr befriedigende bezeichnet werden müs- se.53 Am 28. Mai 1918 wies FM. Boroevic telegra- phisch in aller gebotenen Deutlichkeit darauf Ende Mai meldete die HG Conrad, der 11. Armee hin, „dass niemand es verantworten kann, eine fehlten noch 92 Batterien, von denen 70 mit der Operation mit unzulänglichen materiellen - Vor Bahn und 22 mittels Fußmarsch eintreffen sol- sorgen und mit Unterernährung und aus diesem len. Da mit der Bahn täglich drei Batterien rol- Grunde nicht leistungsfähigen Truppen zu begin- len und nach dem 6. Juni eintreffende Einheiten nen. Wenn man sich nicht in ein Abenteuer stür- nicht mehr rechtzeitig in Stellung gebracht wer- zen will, dessen Folgen die Moral der Truppe un- den können, müsse daher mit einem Ausfall von absehbar beeinflussen können, kann die einzige 50 Batterien gerechnet werden, dies entspreche Konsequenz der in der Orientierung des AOK dem Umfang dreier Feldartilleriebrigaden. Das geschilderten Zuschubverhältnisse nur die eine Armeekommando werde daher versuchen, den sein, dass mit dem Operationsbeginn zugewar- sehr empfindlichen Ausfall durch günstige Plat- tet wird, bis die Truppen wenigstens notdürftig zierung, gute Feuerleitung und Zuweisung der materiell ausgestattet und durch ausreichende für die fehlenden Batterien gerechneten Muni- Verpflegung den folgenden Leistungen gewach- tion teilweise wettzumachen. Sehr hart wurde sen sind“.56 die unzulängliche Ausstattung mit Gasmuniti- on empfunden. Je Kanone standen zwischen Die Quartiermeisterabteilung des AOK bemerk- 125 und 218, je Haubitze 81 bis 101 Granaten te dazu, dass die verstärkten Mehltransporte bei zur Verfügung. Das mochte voraussichtlich zur nicht verzögerter Zuschubsdauer in den ersten Dämpfung der feindlichen Artillerie während der Junitagen der HG Boroevic einzurollen beginnen Feuervorbereitung und beim Sturm genügen, für sollten. „Von da an ist die tägliche Ausgabe von die folgenden Operationen war allerdings dann 560 g Brot durch einige Zeit gesichert, auf wie keine Munition mehr vorrätig. Die vorhandenen lange kann derzeit nicht gesagt werden.“ Die Pferde reichten bloß als Minimalbedarf für die Quartiermeisterabteilung sprach sich deshalb Notbewegungsfähigkeit. Die Verpflegslage war abschließend dafür aus, den festgesetzten An- kaum besser. „Bei gegenwärtigem unzureichend, griffsbeginn nicht zu verschieben.57 unregelmäßigem Verpflegszuschub aus dem Hin- Drei Tage später legte der Stabschef der Heeres- terlande ist ein Kalkül über die weitere Ansamm- 54 gruppe einen aktuellen Stand des zwar zugewie- lung von Sicherheitsvorräten nicht möglich.“ senen, aber immer noch nicht eingetroffenen Das Heeresgruppenkommando beurteilte die technischen Überschiffungs- und Brückenmate- Beweglichkeit der Artillerie dahingehend, dass rials vor:58 gerechnet werden müsse, höchstens ein Viertel Mit AOK Nr. …. davon der mobilen Feld- und Gebirgsartillerie bewegen zugewiesen eingerollt avisiert zu können. Von den durchschnittlich 38 über Franzensfeste laufenden Zügen verblieben nur Op. 152.238 200 Zillen 147 8 acht für den materiellen und Truppenaufmarsch. Op. 152.238 5000 m 0 0 Damit sollte der erhöhte Verpflegsbedarf – das Etappen-Brückenmaterial bisher Zugeschobene war vielfach für die laufen- de Versorgung verwendet worden – der Hart- Op. 152.886 230 Zillen 0 0 futterbedarf für die 11. und ein Drittel der 10. Op. 152.868 Brückenwagen 0 0 Armee (etwa 70 Züge) sowie 100 Züge an „Ra- detzkytransporten“ herangeschafft werden. Schraubenwinden, Unterzüge „Wenn auch einige Radetzkytransporte zurück- Op. 153.093 5000 Handhacken 0 0 gestellt werden, so kann auf Munition, Pferde Op. 152.763 150 Zillen und Transportmittel nicht verzichtet werden. ... 500 Piloten 0 0 Die Radetzkyaktion wird auch am 15. Juni nicht genügend vorbereitet sein; die Mobilität bleibt 10. Die neuerliche Anregung des k.k. Eisenbahn- auch weiterhin mangelhaft. Da eine Verschie- ministers bung des Termins bis zu einer gründlichen Besse- Zehn Wochen später (!), der Aufmarsch für die rung der Lage nicht möglich ist, schließt sich das Offensive war recht und schlecht beendet,- ur HGK dem Antrage der 11. Armee an, als Termin gierte der Minister neuerlich, wegen des wei- den 15. Juni zu bestimmen.“55 ter zu erwartenden namhaften Lokomotiv- und

40 ÖZV 2/2019 Personalbedarfs unbedingt eine Heranziehung Der Direktionsbereich Krakau verfügte über der galizischen Lokomotiven ins Auge zu fassen. insgesamt 455 Lokomotiven. Unter Berücksich- „In den drei galizischen Bezirken Krakau, Lemberg tigung des Reparaturstandes (29%) wurde- ge und Stanislau, woselbst im Frieden 338, 417 bzw. genüber dem Friedensstand von 1914 ein Plus 196 Lokomotiven stationiert waren, sind derzeit von 54 Lokomotiven erhoben. Da jedoch die 460, 660 bzw. 374 Stück Lokomotiven mit bedeu- Hauptheizhäuser Wola-Duchacka und Rzeszow tend größerer durchschnittlicher Leistungsfähig- gegenüber dem Vorjahr eine 25 bzw. 40 prozen- keit (Reibungsgewicht), d.h. um 122, 243 bzw. 178 tige Steigerung der geleisteten Bruttotonnenki- Stück mehr im Stande. In der Bukowina ist eine lometer aufwiesen, konnten nur die Heizhäuser Minderzahl gegenüber dem Frieden um achtzehn Zywiec und Neusandez um insgesamt zehn Lo- Lokomotiven zu verzeichnen. Insgesamt sind so- komotiven geschwächt werden. Da sich bereits mit im nordöstlichen Gebiet 525 Lokomotiven, fünf Lokomotiven leihweise im Bereich Lemberg d.h. um 49 % mehr als im Frieden vorhanden. befanden, konnte man aus diesem Bereich nach Diese Vermehrung steht, da überwiegend lei- Ansicht der Kommission bloß fünf Lokomotiven stungsfähige Lokomotiven hinzugekommen sind, abziehen. in keinem Verhältnis zur derzeitigen Leistung auf Im Direktionsbereich Lemberg befanden sich den dortigen Strecken … Noch greller tritt das 672 Lokomotiven, wobei unter Einrechnung des Missverhältnis zwischen Lokomotivstand und Lo- hohen Reparaturstandes von 41,5 Prozent ein komotivleistung beim Vergleich der gefahrenen Überschuss von 67 Lokomotiven bestand. „Die Zugkilometer hervor, indem letztere jetzt gegen- Direktion versteht sich zum Austausch von 67 über der letzten Friedenszeit um 17,6 % niedriger Lok leichterer Type Kategorie III-350 gegen 34 sind.“59 Abschließend regte der Minister an, die Loks der Kategorie III-400 zwecks Verminderung Sachlage durch eine Kommission, die aus Vertre- der Lok. Reihen“, lautete der Beschluss. tern des AOK, der Zentraltransportleitung und den interessierten Stellen des Eisenbahnministe- Aus dem Bereich Czernowitz konnte keine ein- riums an Ort und Stelle prüfen zu lassen. zige Lokomotive abdirigiert werden. Bei einem Lokomotivstand von 87 Loks und einem Repa- Der Chef des FEW stimmte der Bildung und Ent- raturstand von 38 Prozent existierte nämlich ein sendung einer Kommission aus Vertretern der Minus an 33 Loks gegenüber dem Vergleichsjahr zivilen und militärischen Eisenbahndienststellen 1914. nach Galizien zu. Zu den in Galizien zu viel stati- onierten Lokomotiven wurde festgestellt: „Auch Der Direktionsbereich Stanislau verfügte über hieramts wird die Anschauung vertreten, dass 354 Lokomotiven. Verglichen mit dem ersten für die derzeitige Verkehrsleistung der Bahnen Halbjahr 1914 blieben – unter Beachtung des Re- Galiziens daselbst zu viele Lokomotiven stati- paraturstandes von etwa 35 Prozent – 82 Loko- oniert sind. Die Zentraltransportleitung wurde motiven über dem Friedensstand von 191 Loks. hierauf bereits aufmerksam gemacht und hat Dies entsprach einem Überstand von 43 Prozent. schon sechs Lokomotiven der Reihe 260 aus dem Da die Leistung an Bruttotonnenkilometer jedoch Bereiche Stanislau nach Mähr. Ostrau abdirigiert im Vergleich um 30 Prozent gestiegen war, be- und den Abschub von weiteren sechs Lokomo- trug der tatsächliche Überschuss somit nur mehr tiven gleicher Reihe vorbereitet. Die ZTL wurde 13 Prozent, also 25 Lokomotiven. „In Anbetracht auch schon verständigt, dass für den Fall eines et- des Umstandes, dass Heizhaus Stanislau seiner- waigen Mehrbedarfs an Lokomotiven in anderen zeit eine mechanische Bekohlung hatte, welche Gebieten die Abdirigierung von Lokomotiven aus hinsichtlich Umsatzes der Lokomotiven minde- Galizien durchgeführt wird.“60 stens mit einer Ersparnis von fünf Loks bewertet werden muss, verringert sich diese Zahl auf 20 11. Späte und unzureichende Maßnahmen Loks, womit die Direktion einverstanden ist.“61 Schließlich wurde nach Rücksprache mit dem Dieser Direktionsbereich Stanislau bietet sich ab- Eisenbahnministerium am 17. Juni seitens des schließend als Beispiel dafür an, einen direkten AOK/FEW bzw. der ZTL der Generalstabsmajor und damit recht bemerkenswerten Einblick in Alois Fabian sowie zwei erfahrene Mitarbeiter die Berechnungsgrundlagen der Kommission zu der Zentralwagen- bzw. der Zentrallokomotivdi- gewinnen. Bei diesen Berechnungen bildete der rigierung entsendet. Das Eisenbahnministerium Friedensstand (191 Loks) die Ausgangsbasis von wiederum stellte dafür zwei Ingenieure der Sek- 100 Prozent. Die weiterführende Betrachtung tion Va bzw. Vb ab. Diese fünfköpfige Kommissi- zeigt, dass man es allerdings bei der Anwendung on wurde damit beauftragt, den Lokomotivstand der Prozentrechnung nicht so genau nehmen in den Bereichen der k.k. Staatsbahndirektionen sollte. Die 82 Loks (Überstand bei der Zwischen- Krakau, Lemberg, Stanislau und der k.k. Betriebs- rechnung) entsprachen mehr 44 als den ange- leitung Czernowitz zu überprüfen. Das Ergebnis gebenen 43 Prozent. Unterschied 1 % = 2 Loks. war in einer Niederschrift festzuhalten. Der Reparaturstand von 35 Prozent betraf – ge-

ÖZV 2/2019 41 nau genommen – 67 Loks. Zählt man nun 191, Sind Ratzenhofers Beiträge einschließlich des 82 und 67 zusammen, ergibt dies nur 340 Loks. Eisenbahnaufmarsches zur 12. Isonzoschlacht Der Gesamtbestand umfasste jedoch 354 Loks! durchwegs zumindest „schöngefärbt“, so fällt Macht zusammen sechzehn Lokomotiven, die im bei seiner Darstellung des Aufmarsches zur Pi- Zuge der Berechnungen „unter den Tisch gefal- aveschlacht zunächst auf, dass die Verkehrslage len sind“. So blieben bei einem Bruttoüberstand – nicht zu Unrecht – triste geschildert wird. Als von 163 Loks schließlich bloß zwanzig übrig, die Ursachen für die Herabsetzung der Gesamtför- abzugeben waren. Das Einverständnis der Direk- derung führt er „Mangel an Betriebskohlen, an tion des Heizhauses war daher nicht besonders Schmiermitteln und an Lagermetallen, starke überraschend… Abnützung des Rollmaterials und geminderte Leistungen des Personals“ an.66 Dies stellt aller- Nach Vorlage der Niederschrift erließ die ZTL dings bestenfalls die halbe Wahrheit dar. am 29. Juni Verfügungen hinsichtlich der Ver- teilung der in Galizien festgestellten Überschüs- Da im März 1918 der systematische Abbau der se. Danach hatten die Heizhäuser Lemberg und bisherigen Ostfront begonnen hatte, war damit Stanislau 36 bzw. sechzehn Lokomotiven sowie der Südwesten als Hauptkriegsschauplatz ver- insgesamt 57 Lokführer und 47 Heizer an die blieben. Die gesamte Versorgung aller an die- Direktionen in Wien, Linz, Innsbruck, Villach, Pil- ser Front eingesetzten Truppen hing nunmehr sen, Prag, Olmütz, der Nord- und der Nordwest- hauptsächlich vom Leistungsvermögen der bahn abzugeben.62 Mit dieser Maßnahme kamen Strecken über den Brenner bzw. über Triest ab, somit ziemlich genau zehn Prozent der (Brutto) die sich im Besitz der k.k. priv. Südbahngesell- überzähligen Lokomotiven zur Verteilung. schaft befanden. Wie sich allerdings zeigte, wa- ren die Führungsebenen der Südbahn nur sehr Bis zum 15. Juli hatte der Bezirk Lemberg zwanzig eingeschränkt in der Lage, ihre Mitarbeiter un- der verlangten 36 Lokomotiven abgeführt. Zwei ter den Rahmenbedingungen eines restriktiven Tage darauf meldete man der ZTL, eine weitere Blockadekrieges zum umsichtigen Umgang mit Lok wäre absendebereit, es fehle jedoch dafür den vorhandenen Ressourcen anzuhalten. Die das nötige Personal. „Weitere bemannte Loks Verwendung von billigem und daher völlig unge- können, wenn überhaupt dem Auftrage der eignetem Schmieröl, mangelnde Schulung und ZTL vollinhaltlich zu entsprechen möglich sein Aufsicht bei der zweckmäßigen Verwendung von wird, nur sukzessive abgegeben werden, weil Lagermetallen und dazu noch mangelhafte Pflege im ganzen Bereich Lok- und Personalmangel und Wartung machen es dem Betrachter kaum herrscht. Insbesondere ist der Heizermangel sehr mehr möglich, zwischen grober Fahrlässigkeit kritisch geworden. So beträgt heute im Heizhau- und zielgerichteter Sabotage zu unterscheiden. se Przemysl der Krankenstand an Führer 24 und Der gestiegene Reparaturstand war jedenfalls jener an Heizer 36 Prozent. Ursache: Entkräftung sicher teilweise selbstgemacht. Möglicherweise zufolge schlechter Ernährung. Großer Kranken- hätte eine gesteigerte Transportleitung auch den stand beim Lokpersonale besteht schon seit län- nagenden Hunger wenigstens etwas reduzieren gerem. … Den Anforderungen des Verkehrs kann können. nicht mehr voll entsprochen werden.“63 Die vorgelegten bzw. berechneten Zahlenanga- 12. Schlussbetrachtung ben sind nicht immer verlässlich, bei ihrer Zitie- Der Chef des Feldeisenbahnwesens GM. Johann rung ist daher stets große Vorsicht angebracht. Straub litt an schwerer Gicht.64 Seine Unterschrift Wenig überraschend fiel auch das Ergebnis der unter den Akten wurde deshalb stets gestempelt. kommissionellen Überprüfung der Lokomotiv- Wesentliche Stütze war ihm daher sein Stellver- stände in Galizien aus. Im Sinne einer Schwer- treter Oberst Emil Ratzenhofer, der bereits seit gewichtsbildung hätte es aber immerhin leicht November 1908 im Eisenbahnbüro des General- dafür gereicht, die Kohlentransporte an die stabes verwendet wurde. Ratzenhofer, Jahrgang Kriegsindustrie durchgehend sicherzustellen. 1877, wurde nach dem Krieg noch Sektionschef Der Führung des Feldeisenbahnwesens bleibt der technischen Sektion im Bundesministerium daher der Vorwurf nicht erspart, mehr verwaltet für Heerwesen und zum General befördert. Ende als geführt zu haben. Und dies viel zu behäbig. Februar 1926 pensioniert, war er von 1932 bis Zu einer erfolgreichen Stabsarbeit gehört vo- zum Ende des Zweiten Weltkrieges Leiter des rausschauende und damit zeitgerechte Planung Verlages der Militärwissenschaftlichen Mittei- sowie permanente und sachlich einwandfreie lungen und zählte damit zu den führenden öster- Dienstaufsicht, aber daran mangelte es beson- reichischen Militärpublizisten. Die Darstellungen ders. Der Truppe wurde damit nicht gedient. des Feldeisenbahnwesens im Werk „Österreich- Unter diesen logistischen Bedingungen wurde Ungarns letzter Krieg“65 stammen durchwegs aus im Juni 1918 mit unterernährten Soldaten ohne seiner Feder. ausreichende Artillerie- und Luftunterstützung

42 ÖZV 2/2019 eine Offensive ohne echtem Schwergewicht ge- 15. KA: KM ZTL Ktn. 356, 28-11/33-4, FTL 5 Exh. wagt. Ihr Scheitern sollte unwiderruflich das Ver- Nr. 4825/6, 14. Mai 1918. trauen in die höhere Führung erschüttern. 16. KA: KM ZTL Ktn. 356, 28-11/33-2, FTL 6 Exh. Literatur- und Quellenverzeichnis: Nr.119.156/16, 30. April 1918. 1. WAGNER, Anton, Der Erste Weltkrieg. Ein 17. KA: KM ZTL Ktn. 357, 28-36/4-5, ZTL Nr. Blick zurück. Herold Wien 1981, S. 339ff. 15.777, 24. April 1918. 2. Dazu Österreich–Ungarns letzter Krieg, 18. KA: KM ZTL Ktn. 357, 28-36/4-6, k.k. Eisen- (Ö.U.L.K.) hg. vom österreichischen Bun- bahnministerium Zl. 15.541/21a, 9. April desministerium für Landesverteidigung und 1918. vom Kriegsarchiv, Bd. 7. Verlag der Militär- 19. Dazu Ö.U.L.K. Bd. 7, S. 184f. wissenschaftlichen Mitteilungen Wien 1938, S. 221ff. 20. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- wesen Ktn. 2966, Eb. Nr. 7472, 3. April 1918. 3. Österreichisches Staatsarchiv/Kriegsarchiv (in Hinkunft: KA): NFA AOK-Op.-Abteilung 21. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- Ktn. 538 I.-Gruppe, AOK Op. Nr. 142.003, 23. wesen Ktn. 2969, Eb. Nr. 8751, 15. April März 1918. 1918. 4. Nach Ö.U.L.K. Bd. 7, S. 198 ruhten zu diesem 22. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- Zeitpunkt wegen Betriebsstockungen rund wesen Ktn. 2970, Eb. Nr. 9086, 19. April 1918, 18.000 beladene Wagen. Eb. Nr. 9114, 19. April 1918. 5. KA: NFA AOK-Op.-Abteilung Ktn. 538 I.-Grup- 23. KA: NFA AOK-Op.-Abteilung Ktn. 538 I.-Grup- pe, AOK Op. Nr. 142.014, 1. April 1918. pe, AOK Op. Nr. 142.057, Eb. Nr. 10.872, 6. KA: NFA AOK-Op.-Abteilung Ktn. 538 I.-Grup- 24. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- pe, AOK Op. Nr. 142.014. Bemerkungen zum wesen Ktn. 2971, Eb. Nr. 9187, 24. April Kalkül über den Aufmarsch im SW, 30. März 1918. 1918. 25. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- 7. Diese Reste umfassten alle jene Verbände, wesen Ktn. 2971, Eb. Nr. 9187, Pro domo, 24. die nicht unmittelbar zur Infanterie zählten. April 1918. Dazu auch Ktn. 2971, Eb. Nr. 9326, wonach das Eisenbahnministerium mitteilte, 8. KA: NFA AOK-Op.-Abteilung Ktn. 538 I.-Grup- zehn Wagen Kartoffel, einen Wagen Edelmehl pe, AOK Op. Nr. 142.014. und drei Wagen Mais zudirigieren. 9. ARTL, Gerhard: Die „Strafexpedition“. Ös- 26. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- terreich-Ungarns Südtiroloffensive 1916. A. wesen Ktn. 2969, Eb. Nr. 8569, k.k. Generaldi- Weger Brixen 2016, S. 122. rektion der österr. Eisenbahnen Zl. 2635/San., 10. ARTL, Gerhard: Die Südbahn und der Auf- 13. April 1918. marsch zur 12. Isonzoschlacht. In: Gerhard 27. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- Artl, Roman-Hans Gröger, Gerhard H. Gürt- wesen Ktn. 2966, Eb. Nr. 7217, Kohlenver- lich, Zug um Zug. 160 Jahre Südbahn Wien- sorgung der Bahnen für die Verschiebung zur Triest. Holzhausen Verlag Wien 2017, S. Südwestfront, 31. März 1918. Erging an AOK 402. Op. Abteilung (Artilleriegruppe) und an die 11. KA: NFA AOK-Op.-Abteilung Ktn. 538 I.-Grup- ZTL. pe, AOK Op. Nr. 142.017. AOK Eb. Nr. 7292 28. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- Truppenverschiebungen, 3. April 1918. wesen Ktn. 2971, Eb Nr. 9432, 23. April 1918. 12. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- 29. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- wesen Ktn. 2966, Eb. Nr. 7472, Schreiben wesen Ktn. 2983, Eb. Nr. 14.310, 10. Juni des Eisenbahnministers Z. 3/G.P., 31. März 1918. 1918. 30. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- 13. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- wesen Ktn. 2967, Eb. Nr. 7948, 9. April 1919. wesen Ktn. 2966, Eb. Nr. 7472, 3. April 1918. 31. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- wesen Ktn. 2970, Eb. Nr. 8772, 17. April 14. KA: KM ZTL Ktn. 356, 28-11/33, ZTL Zl. 1918. 100.000, telegraphische Dirigierung, 4. April 1918. 32. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- wesen Ktn. 2966, Eb. Nr. 7698, 5. April 1918.

ÖZV 2/2019 43 33. Dazu KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisen- 46. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- bahnwesen Ktn. 2971, Eb. Nr. 9431, 25. April wesen Ktn. 2978, Eb. Nr. 12.309, k.k. Eisen- 1918. Diese Angaben der Maschinendirekti- bahnministerium Zl. ad 20.438/21a, 14. Mai on der Südbahn vom 19. April steht in einem 1918. bemerkenswerten Gegensatz zu einem Ver- 47. KA: ZTL Ktn. 388, 99-58, Weisung der Abt. XX merk in den Akten des Feldeisenbahnwe- des Ministeriums für Landesverteidigung Nr. sens, wo - übrigens ohne jeden Bezug zum 287, 29. März 1918. Akteninhalt – von einem Lokomotivrepa- raturstand von mehr als 50 Prozent (!) die 48. KA: ZTL Ktn. 388, 99/75, AOK Q.Nr. 110.603, Rede ist! 11. April 1918. 34. KA: KM ZTL Ktn. 366, 48-1/3-18, ZTL Nr. 49. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- 15.356, Telegramm vom 19. April 1918. An- wesen Ktn. 2972, Eb. Nr. 9568, 21. April merkung: „fest zurückhauen“. 1918. 35. KA: KM ZTL Ktn. 366, 48-1/3-18, ZTL Nr. 50. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- 15.356, Antworttelegramm vom 21. April wesen Ktn. 2973, Eb. Nr. 9875, 22. April 1918. 1918. 36. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- 51. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- wesen Ktn. 2971, Eb. Nr. 9374, 22. April wesen Ktn. 2982, Eb. Nr. 13697, 3. Juni 1918. 1918. Meldung vom 18. Mai 1918. 37. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- 52. KA: NFA AOK-Op.-Abteilung Ktn. 538 I.-Grup- wesen Ktn. 2971, Eb. Nr. 9431, 25. April pe, AOK Op. Nr. 142.057, Bemerkungen der 1918. Art.Gr. zu Eb. Nr. 10.872. Vermerk Waldstät- tens auf die Stellungnahme Ratzenhofers: 38. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- „Viel zu wenig!“ wesen Ktn. 2971, Eb. Nr. 9391, Schreiben von FZM. v. Schleyer Zl. 60/66, 20. April 1918. 53. KA: NFA AOK-Op.-Abteilung Ktn. 538 I.-Grup- pe, AOK Op. Nr. 142.107. Eb. Nr. 11.330, 13. 39. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- Mai 1918. wesen Ktn. 2971, Eb. Nr. 9391, 30. April 1918. 54. KA: NFA AOK-Op.-Abteilung Ktn. 538 I.-Grup- pe, AOK Op. Nr. 142.175. HGK Conrad Op. 40. KA: ZTL Ktn. 407, 138-25, ZTL Nr. 12.597, Nr. 20.000/97a, 31. Mai 1918. 31. März 1918. „Wie aus dem Reisebericht eines Organs der ZTL hervorgeht, ist nach 55. KA: NFA AOK-Op.-Abteilung Ktn. 538 I.-Grup- übereinstimmender Ansicht aller beteiligten pe, AOK Op. Nr. 142.175. HGK Conrad Op. Faktoren (FTL 7, Zugförderungschef der Be- Nr. 20.000/97a, 31. Mai 1918. triebsinspektion Innsbruck, Heizhaus- und 56. NFA AOK-Op.-Abteilung Ktn. 538 I.-Gruppe, Werkstättenvorstand) der hohe Reparatur- AOK Op. Nr. 142.151, HGK Boroevic Op. Nr. stand an Maschinen des Heizhauses Inns- 1100/132, 28. Mai 1918. bruck in erster Linie und hauptsächlich auf das von der k.k. Südbahn (anscheinend aus 57. NFA AOK-Op.-Abteilung Ktn. 538 I.-Gruppe, Gründen der Wohlfeilheit) verwendete min- AOK Op. Nr. 142.151, Bemerkungen zu Op. derwertige Öl zurückzuführen.“ Nr. 142.151, 31. Mai 1918. 41. KA: ZTL Ktn. 407, 138-25/2, 4. April 1918. 58. NFA AOK-Op.-Abteilung Ktn. 538 I.-Grup- pe, AOK Op. Nr. 142.177. HGK FM Boroevic 42. KA: ZTL Ktn. 407, 138-25/4, k.k. Eisenbahn- Op.Nr. 1100/131b, 31. Mai 1918. Waldstät- ministerium Zl. 17.664/21a, 14. April 1918. ten vermerkte dazu am 3.6. für die Techn. Randbemerkung: Also doch!“ Gruppe im AOK: „Stimmt zumindest mit den 43. KA: ZTL Ktn. 407, 138-25/4, k.k. Eisenbahn- Meldungen der techn. Grp! – ref(erieren)! ministerium Zl. 17.664/21a, 14. April 1918. 59. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- Als Anmerkung rot unterstrichen und mit wesen Ktn. 2984, Eb. 14.362, Schreiben des einem Rufzeichen versehen. Eisenbahnminister Zl. 25.223/21, 6. Juni 44. KA: ZTL Ktn. 407, 138-25/4, k.k. Eisenbahn- 1918. ministerium Zl. 17.664/21a, 14. April 1918 S. 60. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- 2f. wesen Ktn. 2984, Eb. 14.362, 10. Juni 1918. 45. KA: NFA AOK-Qu.-Abteilung Feldeisenbahn- 61. KA: ZTL Ktn. 357, 28-120/3. Niederschrift wesen Ktn. 2974, Eb. Nr. 10.312, 15. April über die gemäß ZTL Nr. 22729 von 1918 … 1918.

44 ÖZV 2/2019 im Juni 1918 stattgehabte Überprüfung des Peter Broucek, Bd. 1. Böhlau Verlag Wien- Lokomotivstandes in den Bereichen der k.k. Köln-Graz 1980, S. 343. „Der immer lahmer Staatsbahndirektionen Krakau, Lemberg, werdende Straub war kein besonders hoff- Stanislau und der k.k. Betriebsleitung Czer- nungsreicher Repräsentant des von ihm ge- nowitz, 23. Juni 1918. leitenden Verkehrsmittels.“ 62. KA: ZTL Ktn. 357, 28-120/4. Verfügungen 65. Österreich-Ungarns letzter Krieg, hg. vom über die anlässlich der kommissionellen Österreichischen Bundesministerium für Überprüfung des Lok.-Standes in Galizien Landesverteidigung und vom Kriegsarchiv, festgestellten Überschüsse an Lokomotiven 7 Schrift-, 7 Kartenbände, ein Registerband. und Lok.-Mannschaften, 29. Juni 1918. Verlag der Militärwissenschaftlichen Mittei- lungen, Wien 1930-38. 63. KA: ZTL Ktn. 357, 28-120/5, 17. Juli 1918. 66. Österreich-Ungarns letzter Krieg, Bd. 7, S. 64. Dazu Ein General im Zwielicht. Die Erinne- 83. rungen Edmund Glaises von Horstenau, hg.

ÖZV 2/2019 45 46 ÖZV 2/2019 Logistik News

Zur Aufnahme der Tauern- und Pyhrn – Achse 5. Pontebbana – Achse Prag – Wien – Pontebba ins künftige TEN – Kernnetz – Udine. Es ist das Bestreben der Europäischen Union, Bei einer Konferenz 1994 in Kreta wurden insge- den Zusammenhalt der Unionsmitglieder un- samt 9 Paneuropäische Korridore, sowohl für die tereinander zu festigen und zwar auch am Ge- Schiene, wie für die Straße festgelegt, allein der biet des Verkehrsgeschehens. Dazu definierte Korridor VII umfasste bloß die Donau als Was- man Verkehrsachsen von europäischer Bedeu- serstraße. In Helsinki wurde 1997 der Korridor X tung, die auch, wenn nötig, bevorzugt ausge- hinzugefügt, mit dem Verlauf Salzburg – Villach – baut werden sollen und für deren Ausbau man Laibach – Zagreb – Belgrad – Niš – Skoplje – Veles auch Beiträge seitens der EU zu leisten bereit - Saloniki und den nördlichen Zulaufästen Graz ist. Diese Verkehrsachsen werden periodisch – Marburg – Zagreb und Budapest – Belgrad bzw. überprüft und allenfalls auch ergänzt. der Fortsetzung Niš – Sofia bzw. Veles – Florina. Vor diesem Hintergrund hielt Dipl. Ing. Dr. Hel- Im Generalverkehrsplan von 2002 wurden inne- mut Adelsberger am 23. Jänner 2019 im Rah- rösterreichisch die folgenden Achsen festgelegt: men des Vortragszyklus „Verkehrsinfrastruktur“, 1. Donau (München) – Salzburg – Linz – Wien der von der Sparte Industrie der Wirtschafts- – (Pressburg, Budapest) kammer Österreich, der Bundesvereinigung Logistik Österreich und der Österreichischen 2. Süd (Brünn) – Wien – Graz – (Laibach) bzw. Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft ge- Bruck – Villach (Udine) tragen wird, im Haus der Kaufmannschaft den 3. Pyhrn (Prag) – Linz – Bruck/Mur – Graz – (Lai- Vortrag „Zur Aufnahme von Tauern- und Pyhrn- bach, Zagreb) achse ins künftige TEN-Kernnetz“. 4. Tauern (München) – Salzburg – Villach – (Lai- Der Vortragende war seinerzeit im österrei- bach) chischen Verkehrsministerium und danach als Nationaler Experte in der Generaldirektion Mo- 5. Brenner (München) – Kufstein – Innsbruck bilität und Verkehr der EU-Kommission tätig, wo – Brenner – (Verona) er die Planungsmethode für das TEN-Kernnetz 6. Arlberg Innsbruck – Feldkirch – (Schweiz) – ( TEN = Trans European Network ) ausarbeitete Bregenz – (Deutschland). und an dessen konkreter Festlegung mitwirkte. 2012 entwickelte er das hier präsentierte strate- Während sich mit der EU-Osterweiterung 2004 gische Konzept für die Tauern- und Pyhrnachse und 2007 der Weg nach Südosten durch die EU- und brachte die diesbezügliche Zusammenar- Mitgliedsländer Ungarn, Rumänien und Bulgari- beit der vier an den beiden Achsen beteiligten en öffnete, hatte sich die Lage entlang des Kor- Bundesländer zustande. Im österreichischen EU-Bei- trittsvertrag waren die fol- genden Verkehrsachsen des Schienenverkehrs und des Kombinierten Verkehrs für den Alpentransit durch Ös- terreich verankert: 1. Brennerachse München - Verona – Bologna, 2. Tauernachse München – Salzburg – Villach– Udine bzw. – Laibach, 3. Pyhrn –Schober Achse Re- gensburg – Graz – Spiel- feld – Marburg, 4. Donauachse Nürnberg – Wien – Sopron (Öden- burg) bzw. – Pressburg, Abbildung 1: Kernnetz mit Relevanz für Österreich

ÖZV 2/2019 47 ridors X durch das ehemalige Jugoslawien durch wurden ausgehend vom TEN-Kernnetz und in Kriegsschäden und neue Grenzen drastisch ver- Anlehnung an die 9 bereits seit 2010 bestehen- schlechtert. Der ehemals stark befahrene Korridor den Güterverkehrskorridore gesamteuropäisch X wies nur noch wenig Verkehr auf, was die Rand- 9 Kernnetzkorridore der EU definiert, deren ad- lage auch unserer südlichen Bundesländer noch ministrative Struktur durch entsprechende „Kor- verschärfte. ridor-Foren“ und jeweils einem „europäischen Koordinator“ gekennzeichnet ist. Die Neukonzeption des Transeuropäischen -Ver kehrsnetzes Für Österreich direkt relevant sind davon: In den Jahren 2009 bis 2013 kam es zu einer Ge- Der Baltisch – Adriatische Korridor: Danzig samtrevision der EU-Verkehrspolitik: Es wurden – Warschau – Kattowitz bzw. Stettin – Breslau die bisherigen Paneuropäischen Korridore prak- – Kattowitz – Mährisch Ostrau – Brünn - Wien tisch abgeschafft und es wurde ein EU-weites „TEN und parallel dazu Kattowitz – Žilina –Pressburg – Kernnetz“ geschaffen. Dabei ging man von einem – Wien, weiter: Graz – Klagenfurt – Villach mit den Mitgliedsstaaten vereinbarten Gesamt- – Venedig – Bologna – Ravenna bzw. ab Graz netz aus und wählte daraus für die Bildung des – Laibach – Triest. „TEN-Kernnetzes“ die strategisch wichtigsten Ele- Der Skandinavisch – Mediterrane Korridor: Hel- mente aus. Dazu folgte man einem geographisch– sinki – Stockholm/Oslo – Malmö – Kopenhagen verkehrsplanerischen Ansatz. Die Elemente des – Hamburg – Hannover – Würzburg – Nürn- Netzes sollen Knoten verbinden. berg – bzw. Berlin – Nürnberg – München – Ku- Als primäre Knoten wurde definiert: fstein – Innsbruck – Verona – Bologna – Florenz – Rom – Neapel – Palermo / Bari – la Valletta. Typ 1-Knoten: die Hauptstädte und Großstädte der Mitgliedsländer der EU, Der Rhein-Donau – Korridor: Strassburg – Frank- furt – Würzburg – Nürnberg – Regensburg Typ 2-Knoten die wichtigsten Hafenstädte. – Linz bzw. Strassburg – – München Verbindungen wurden nach den maßgebenden – Salzburg – Linz – Wien - Pressburg – Buda- Verkehrsströmen ausgewählt: pest – Belgrad – Sofia bzw. Budapest – Arad - zwischen jeweils benachbarten Knoten, – Kronstadt – Bukarest – Constanţa. - Hafenstädte, die nicht Typ 1 sind, werden nur mit Die Rhein – Main – Donau – Schifffahrtsstraße dem jeweils relevanten Typ 1-Knoten desselben bis zum Schwarzen Meer gehört dazu. Mitgliedslandes verbunden. Der Orient – Ostmediterrane Korridor: Hamburg Sekundäre Knoten sind Binnenhäfen, Straße/ / Rostock – Berlin – Dresden – Prag – Brünn – Schiene – Terminals, Flughäfen, welche den Typ Wien – Budapest – Arad – Vidin – Sofia – Burgas 1-Knoten und entsprechenden Schnittpunkten des bzw. ab Sofia - Saloniki – Athen – Patras. Kernnetzes zugeordnet sind. Die Stadt Wien ist Knoten in 3 dieser 4 Korri- Grundsätzlich ist es im Schienennetz möglich, in- dore. nerhalb eines Korridors zwischen Strecken für den Zusätzlich zu diesen 9 schon bestehenden Schie- Personenverkehr und solchen für den Güterver- nengüterverkehrskorridoren wurde mit dem kehr zu unterscheiden. Durchführungsbeschluss der EU-Kommission Als Unterstützung zur Umsetzung für das TEN 2018/500 vom 22. März 2018 als zehnter der – Kernnetz hat die EU mit der „Connecting Europe „Alpen-Westbalkan-Schienengüterverkehrskor- Facility“ (CEF) die Möglichkeit von Zuschüssen in ridor“ formal eingerichtet. folgender Weise vorgesehen: Betrachtet man nun das Netz der TEN – Korridore Planungskosten: max. 50 % Zuschuss in den Ostalpen, so fällt auf, dass zwischen der Brennerstrecke München – Innsbruck – Verona Baukosten, gewöhnliche Projekte: max. 20 % Zu- im Westen ( Skandinavisch – Mediterraner Kor- schuss ridor ), dem Donaukorridor im Norden ( Salzburg Baukosten, Engpässe und Netzlücken: max. 30 % – Linz – Wien ) , dem Baltisch – Adriatischen Kor- Zuschuss ridor im Osten ( Wien – Graz – Klagenfurt – Udine – Venedig ) und dem Mediterranen Korridor im Baukosten, grenzüberschreitende Projekte: max. Süden ( Mailand – Verona – Venedig – Triest – 40 % Zuschuss Laibach – Budapest ) zwischen Wien und Verona Baukosten, in Kohäsionsländern: max. 85 % Zu- über rd. 520 km Luftlinie quer durch die Alpen in schuss. einer Breite von bis zu 180 km keine Netzverbin- dung besteht. Es ist das im sonst recht dichten Ebenfalls um die Realisierung des TEN-Kernnetzes Netz im Zentrum Europas eine ausgesprochene zu unterstützen (und deshalb im Rahmen der CEF),

48 ÖZV 2/2019 Anomalie! Schneidet doch diese Netzlücke die EU Die Pyhrn-Schober-Achse, die aufgrund der Länder Slowenien und Kroatien, aber auch die ös- TEN-Planungsmethode – zumal damals noch terreichischen Bundesländer Steiermark, Kärnten ohne Zagreb als Kernnetzknoten – nicht als Ver- und Osttirol von den wirtschaftsstarken Märkten in bindung von primären Kernnetzknoten infrage Deutschland und den Benelux-Ländern ab. Ebenso kommt, ist aber mit maximal 16 – 17 ‰ Steigung wird Salzburg und Oberösterreich, aber auch der nur etwa halb so steil wie die Tauernachse und böhmische Teil Tschechiens um einen günstigen bietet sich als Alternative („Tauern-Bypass“) für Zugang zu den Adriahäfen gebracht. den schweren Güterverkehr an. Das hat folgende Gründe: Das seinerzeit vom Vortragenden entwickelte strategische Konzept sieht daher eine Funktions- Obwohl ursprünglich von der EU für den Alpen- teilung zwischen den beiden großräumig paral- transit und den Kombinierten Verkehr vorgese- lelen Schienenachsen vor: Die Tauernbahn, die hen, befinden sich weder die Tauern-, noch die vor allem touristisch wichtige Regionen bedient Pyhrn-Schober-Achse im TEN-Kernnetz. Wohl wür- (Salzburg, Kärnten) soll vorwiegend den hoch- de die Tauernachse das Kriterium als Verbindung rangigen Personenverkehr übernehmen und für der primären Kernnetzknoten München und Lai- diesen ins TEN-Kernnetz aufgenommen werden. bach (seit dem EU-Beitritt Kroatiens auch Zagreb) Die Pyhrn-Schober-Strecke setzt die überwie- den Anforderungen der TEN-Planungsmethode gend vom Güterverkehr befahrene Strecke Nürn- entsprechen., jedoch weist – nicht zuletzt durch berg – Passau – Wels nach Süden fort, erschließt die zahlreichen Begradigungen der Südrampe die überwiegend industriell genutzte Regionen (obe- Tauernbahn Steigungen bis zu 30 ‰ auf, die ihre rösterreichischer Zentralraum Linz-Wels-Steyr, Eignung für schwere Güterzüge entscheidend Obersteiermark, Graz und Marburg) mit großen einschränkt. Die Eignung für den Güterverkehr Güterverkehrsknoten (Wels, die Häfen Linz und mit 740 m langen voll beladenen Zügen ist aber Enns, CCG Werndorf) und setzt sich in Richtung ein ausdrückliches Zusatzkriterium zur Aufnah- der Adriahäfen Koper und Rijeka fort. me in das TEN-Kernnetz (außer für Strecken, die ausdrücklich für den Personenverkehr vorgesehen Für beide Achsen kommt die zunehmende Be- sind). Die Scheitelhöhe von 1.226 m ist ebenfalls deutung der Adriahäfen in Koper und Rijeka und ein Nachteil für den schweren Güterverkehr. Eine das Interesse der Politik zur weiteren Heranfüh- Ertüchtigung für den schweren Güterverkehr wäre rung der Staaten des Westbalkans an die EU hin- nur durch Bau eines rund 40 km langen Basistun- zu. Letztlich entsteht auch mit der Erhöhung der nels von Schwarzach-St.Veit nach Obervellach Bedeutung des Hafens Piräus durch die chine- möglich und ist im Hinblick auf die hohen Ko- sischen Großreedereien, die dort den Endpunkt sten einer solchen Neutrassierung unrealistisch. ihres Containerverkehrs aus Ostasien festgelegt Überdies war bei der Fixierung des jetzigen TEN- haben und die Güterströme per Bahn ins euro- Kernnetzes Kroatien noch nicht EU-Mitglied, konn- päische Zentrum lenken wollen, eine völlig neue te daher bei der Konzeption überhaupt nicht be- Verkehrsbeziehung, die auch dann noch ergänzt rücksichtigt werden. wird, sobald die Chinesen sich auch in Triest eta- blieren. Da es sich dabei überwiegend um Güter- verkehr handelt, sind diese Umstände vor allem für die Pyhrnachse relevant. Die vier österreichischen Bundesländer Steier- mark, Kärnten, Salzburg und Oberösterreich samt den dortigen regionalen Sozialpartnern (Wirt- schaftskammer, Arbeiterkammer) haben ihre Be- strebungen zur Etablierung der Tauern- und der Pyhrn-Schober-Achse als künftige TEN-Kernnetz- strecken und folglich auch als alpenquerende Strecken eines 10. TEN – Kernnetzkorridors ko- ordiniert. Aufgrund ihrer Zusammenarbeit be- auftragten diese vier Bundesländer die Prognos AG, das Büro Dr. Herry/Wien und Dr. Adelsber- ger, der dazu das strategische Konzept geliefert Abbildung 2: Kernnetz - Mängel im Ostalpenraum hat, die betreffenden Untersuchungen zur Un- terstützung dieser Bestrebungen durchzuführen. Im Sinne der modalen Ausgewogenheit wurden die Die Prognos AG ermittelte beim Güterverkehr parallel führenden Autobahnen (Tauern-Autobahn auf der Tauernbahn Salzburg – Villach einen zu A 10 und Karawanken-Autobahn A 11) trotz ihrer erwartenden Anstieg von 6,2 Mill. t im Jahr 2010 Verbindungsfunktion München – Laibach – Zagreb auf 9,5 Mill. t für 2030, was eine Steigerung von nicht ins Kernnetz aufgenommen.

ÖZV 2/2019 49 53 % ist. Die Pyhrnbahn Linz/Wels nach Leoben bedingt. Auf der Strecke Bruck a. d. Mur – Graz hatte 2010 einen Güterverkehr von 5,4 Mill. t, der überlagert sich der Verkehr der Baltisch Adria- für 2030 auf 15,8 Mill. t steigen soll, also um 193 tischen Achse nach der Fertigstellung der Koralm- %, damit das 3-fache des gegenwärtigen Zustands bahn mit dem sehr entwicklungsfähigen Verkehr erreichen soll. Wenn die Balkanländer etwa den auf dieser Achse, vermehrt um den dort zuneh- wirtschaftlichen Standard erreichen, welchen heu- menden lokalen Schnellbahnverkehr. Es entsteht te Spanien aufweist, würde das weitere 20 Güter- hier eine Situation, wie im Unterinntal zwischen züge induzieren. Die Verkehrszunahme im Perso- Wörgl und Innsbruck vor dem dortigen vierglei- nenverkehr wird nicht dramatisch sein, sodass es sigen Streckenausbau mit dem Bedarf nach einer feststehen dürfte, dass der Güterverkehr für die entsprechenden dauerhaften Lösung. Südlich betroffenen Strecken das eindeutig bestimmende von Graz wird nach dem Bau des Flughafenteils Element sein wird! der Koralmbahn eine zunächst drei-, später vier- gleisige Strecke bis Werndorf verfügbar sein. Die anschließende Strecke Werndorf – Spielfeld ist noch großteils eingleisig, doch leicht zweigleisig auszubauen, was ohnehin geplant ist. Ganz drin- gend ist im Anschluss daran in Slowenien der Aus- bau nächst Marburg auf eine Achslast von 22,5 t, was längst auch für den Hinterlandverkehr von Koper zwingend ist. Wie wünschenswert danach eine Neubaustrecke von Marburg nach Zagreb über Krapina wäre, wurde bereits erwähnt. Die- se Streckenertüchtigung, die im Hinblick auf die kommende Totalsperre des Karawankentunnels jedenfalls nötig ist, ist derzeit bereits im Gange. Abbilung 3: Tauern/Pyhrn-Achse als Teil des Kernnetz-Korridors Als Ergebnis aller getroffenen Überlegungen ergibt sich die absolute Sinnhaftigkeit der Einrichtung Beide Bahnstrecken bedürfen für den künftigen eines neuen und zehnten TEN-Kernnetzkorridors Verkehr eines Ausbaus recht unterschiedlicher Art, entlang der Tauernstrecke für den Personenver- welcher auf Stärken und Schwächen beruht: kehr und der Pyhrn-Schober-Stecke für den Gü- Tauernbahn: Die Stärken der Tauernbahn beruhen terverkehr auf der Bahn. Dieser Korridor kann die auf ihrer günstigen Lage und Linienführung für den Bezeichnung „Alpen-Balkan-Kernnetzkorridor“ Verkehr von Süddeutschland nach den Adriahäfen erhalten. Die Straßen für diesen Korridor sind als Koper und Triest und nach Südosteuropa. Der Aus- Autobahnen, auch die Alpen überquerend, bereits bauzustand ist gut, die Südrampe ist durchgehend vorhanden. Die nach Personen- und Güterverkehr zweigleisig ausgebaut, an der Nordrampe gibt es getrennten Bahnstrecken können vergleichswei- noch zwei kleinere eingleisige Stellen (bei Loifarn se leicht und ohne unerschwinglich hohe Kosten und zwischen der Haltestelle Hofgastein und Bad- ausgebaut werden. Besonders für den Güterver- gastein bzw. Böckstein). Die Strecke ist, wie bereits kehr ist ein solcher Ausbau unter allen Aspekten erwähnt, touristisch bedeutsam. Die Karawanken- der EU-Verkehrspolitik erstrebenswert. Gerade bahn ab Villach ist bis Laibach eingleisig und auch das durch die Untersuchung der Prognos AG er- der jetzt zweigleisige Karawankentunnel wird nach mittelte hohe Potential dieser Strecken für den seiner Sanierung durch eine neue Innenschale nur Güterverkehr sollte Antrieb für die Errichtung mehr eingleisig befahrbar sein. Beim Nordzulauf dieses TEN-Kernnetzkorridors sein. Auch das He- im Salzachtal ist die Teilstrecke am Pass Lueg expo- ranführen der Staaten des Westbalkans, welche niert hinsichtlich Hochwasser (Salzach), Steinschlag noch nicht der EU angehören, an die Europäische und Lawinen. Hier ist eine Streckenkorrektur nötig, Union, sollte für diese Maßnahme sprechen. In- auch für den Salzburger Schnellbahnverkehr. nerhalb Österreichs wäre der entsprechende Die Pyhrn-Schober-Strecke: Die Trassenführung ist Ausbau ein bedeutender Vorteil, besonders für relativ flach, die Scheitelhöhe ist 849 m am Scho- die 4 Bundesländer, welche die Bestrebungen zur ber und am Pyhrn 727m. Als Schwäche ist anzu- Erlangung des TEN – Korridorstatus einhellig und sehen, dass teils lange Umwege zu machen sind, auf breiter Basis unterstützen. etwa 60 km zwischen Marburg und Zagreb über Die angeregte Diskussion am Ende des Vortrags Zidani Most. Der Ausbauzustand ist teilweise un- brachte keinerlei Argumente gegen die Aufnah- zureichend, so die eingleisigen Teilstrecken in Obe- me der beiden Achsen ins künftige TEN-Kernnetz rösterreich. Der Südzulauf von Selzthal zum Bos- sowie die Einrichtung eines neuen Alpen-Balkan rucktunnel am Pyhrn ist mit 21 %o ein zwar kurzes, Kernnetzkorridors der EU. aber zu steiles Teilstück, das dringend saniert Dr. Karl Frohner gehört, was einen Neubau des Bosrucktunnels

50 ÖZV 2/2019 Wir stellen vor

Neues aus der Eisenbahn-Kurier-Verlag GmbH, und Tabelle) enthält das Buch eine Einzelaufstel- Lörracher Straße 16, D - 79115 Freiburg/Breis- lung der Wagenbauverträge von 1921 bis 1931 gau, [email protected]; sowie eine Übersicht über die Beschaffungen von www.eisenbahn-kurier.de Personen- und Gepäckwagen nach Länderbahn- Zeichnungen. Lokomotivbau „Karl Marx“. Die Lokschmiede der DDR in Babelsberg Gegen über der im Jahre 1982 erstmals erschie- nenen Ausgabe wird das Buch um die Heiz wa- Udo KANDLER gen sowie einer Gegenüberstellung der Bauarten Potsdam mit dem Ortsteil Babelsberg erlangte der Vorcomputer- und Computernummernzeit nicht nur durch sein traditionsreiches Filmstu- erweitert. Durch das neue Format werden die dio, sondern ebenso im Lokomotivbau unter dem Wagen nun großzügiger abgebildet. Die Waggon- Markenzeichen „Lokomotiven aus Babelsberg“ zeichnungen sind im Maßstab 1:100 abgedruckt. weithin Bekanntheit. Im Jahre 1899 als Zweig- Das vorliegende Werk umfasst 240 Seiten, 114 werk der Märkischen Lokomotivfabrik Orenstein s/w-Abbildungen. und 89 Skizzen. & Koppel gegründet, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg daraus ein Volkseigener Betrieb. Über- Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland gangsweise als „Lokomotivfabrik Karl-Marx Ba- Band 19: Sachsen - 2 (West) belsberg“ geführt, ging im Jahre 1951 mit der Zusammenführung der Lokomotiv- und Waggon- Michael KOCHEMS, Rolf-Roland SCHOLZE fabriken unter dem Dach der Vereinigung Volksei- gener Betriebe des Lokomotiv- und Waggonbaus Der westliche Teil des Bundeslandes Sachsen bie- der DDR (VEB LOWA) daraus der „Lokomotivbau tet heute noch mehrere Betriebe mit teilweise Karl Marx Babelsberg“ hervor. umfangreichem Straßenbahnverkehr. Der größ- te von ihnen ist Leipzig, wo die Bahnen noch auf Das vorliegende Werk dokumentiert den Wie- einem sehr umfangreichen Netz selbst weiter deraufbau und die frühen Aktivitäten des Volks- entfernte Stadtteile anbinden. Deutlich kleiner, eigenen Betriebes, dem Bau von Feld- und aber durch den Überlandverkehr auf Eisenbahn- Grubenlokomotiven, feuerlosen Lokomotiven, strecken ins Umland nicht weniger interessant, Schmalspurdampfloks und dergleichen mehr. ist der Betrieb in Chemnitz. Unwiederbringliche Momentaufnahmen zeigen die Werktätigen an ihren Arbeitsplätzen im Um- Auch in den Städten Plauen und Zwickau gehö- gang mit mannigfaltigen Maschinen und Geräten, ren nach wie vor Straßenbahnen zum Stadtbild. an den Drehbänken und Fräsmaschinen, bei der Bei letztgenannter teilen sich die meterspurigen Wasserdruckprobe von Dampfzylindern, genauso Bahnen sogar ein Stück ihrer Strecke mit normal- wie bei der Lokomotivmontage. spurigen Dieseltriebwagen auf einem Mehrschie- nengleis. Heute nicht mehr aktiv sind leider die Der Blick zurück und hinter die Kulissen dieser be- früheren Überlandbahnen in Klingenthal und von rühmten Lokschmiede wird von einer gehörigen Hohenstein-Ernstthal nach Oelsnitz. Portion Zeitkolorit einer vergangenen Epoche be- stimmt. Alle Betriebe werden in ihrer Geschichte und mit ihren Fahrzeugparks in Wort und Bild detail- Das vorliegende Werk umfasst 128 Seiten und liert vorgestellt. Der wie immer üppig bebilderte 188 Abbildungen, teilweise in Farbe. Band enthält neben historischen und aktuellen Betriebs- und Fahrzeugaufnahmen auch einen Reisezugwagen der Deutschen Reichsbahn umfangreichen Farbteil. Band 1: 1921 bis 1931 Regelspur Das vorliegende Werk umfasst 344 Seiten und Joachim DEPPMEYER 363 Abbildungen, davon 40 in Farbe. Das Buch beschreibt die zwischen 1921 und 1931 EK-Special 131. Die DB vor 25 Jahren – 1993 gebauten Personen wagen der Deutschen Reichs- bahn-Gesellschaft. Eigene Kapitel dokumentieren Die Ausgabe berichtet über das letzte Jahr der dabei die verschiedenen Entwicklungsstufen der „alten“ DB vor der Zusammenführung mit der DR Bauarten. Darüber hinaus informiert das Buch zur Deutschen Bahn AG zum 1. Januar 1994. über die unterschiedlichen Entwicklungen der Baugruppen. Nach einer Beschreibung der Wa- Mit hochwertigen Fotos und dem ausführlichen gen (jeweils mit Foto und Zeichnung sowie Text Jahresbericht wird das vielfältige Geschehen prä-

ÖZV 2/2019 51 sentiert. Neben den letzten Schritten zur Verei- Das vorliegende Werk beschreibt die Entwick- nigung von DB und DR werden 1993 nicht nur lung, Konstruktion und Geschichte sowie die mit der Bahnreform, sondern auch mit weiteren Einsätze dieser populären und allgegenwärtigen Ausbauten die Weichen für die Zukunft gestellt. 1’C1’-Baureihe in der Reichsbahnzeit, während Eine Modernisierung mit weiteren Triebwagen der Nachkriegszeit in Ost- und Westdeutschland der Baureihe 6284 sowie Übernahmen durch sowie auch in anderen Ländern. In dieser aktuali- Privatbahnen bringen neuen Schwung im Per- sierten Neubearbeitung – mit zahlreichen Abbil- sonennahverkehr. dungen in hoher Qualität ausgestattet – würdigt das EK-Baureihenbuch in einem umfassenden Mit den DB-Doppelstockwagen tritt eine neue Portrait die bekannte Baureihe 64. Fahrzeuggeneration „ihren Siegeszug“ in ganz Deutschland an. Neben einer spektakulären Das vorliegende Werk umfasst 344 Seiten und USA-Werbetour des ICE heißt es auch Abschied 570 Abbildungen. nehmen von der Baureihe 403. und Landesverteidigung. EK-Themen 57. Die DR vor 25 Jahren – 1993 Katastrophenzüge, Lazarettzüge, sowjetische Der traditionelle EK-Rückblick steht diesmal ganz Militärzüge im Zeichen des allerletzten Jahres der Existenz der Deutschen Reichsbahn. Neben dem umfang- Klaus BOSSIG reichen Überblick über das Geschehen der DR im Die Landesverteidigung spielte in der DDR unbe- Jahr 1993 mit Zahlen, Daten und Fakten widmen stritten eine überragende Rolle. Ihr hatten sich sich mehrere Beiträge dem Einsatz der Dampflo- daher alle anderen öffentlichen Einrichtungen komotiven im Berichtsjahr: Ein großer Bilderrei- unterzuordnen – so auch die Deutsche Reichs- gen erinnert in eindrucksvollen Motiven an Son- bahn (DR). derfahrten und Plandampfveranstaltungen, zeigt den spektakulären Einsatz der i Jahre 1977 in die Mit dem neuen Buch wird die Einbindung der Bundesrepublik verkauften 58 311 auf DR-Glei- Deutschen Reichsbahn in das System der Lan- sen, erinnert an die „Gurkenzüge“ in den Spree- desverteidigung der DDR dokumentiert. Aus- wald und die im Reichsbahnausbesserungswerk führlich stellt Autor Klaus Bossig die Aufgaben - Raw Meiningen wieder aufgearbeitete erste der DR in diesem System sowie die Unterstüt- DFB-Zahnradlok. zung der Truppen der Sowjetischen Streitkräfte in der DDR vor. Neben dem Transport von Solda- Freunde der modernen Traktion erwarten -Fak ten und Kriegsgerät aller Art war die Reichs bahn ten und Bilder neuer und umgebauter Trieb- auch für die Beförderung von Verwundeten ver fahrzeuge, die angelaufene Rekonstruktion der antwortlich. Dazu dienten anfangs aufgefundene DR-LVT im Raw Halle, die für die Regentalbahn Lazarettzüge der , bevor sie ab Mitte aufgearbeiteten V 180 und ein Überblick über der siebziger Jahre durch Neubaufahrzeuge er- die noch im Einsatz befindlichen E-Loks der setzt wurden. Eingehend werden die Fahrzeuge Baureihen 109 und 142. Die Veränderungen im der Katastrophenzüge (oder kurz K-Züge) sowie Wagenpark und die Ausmusterung der letzten der Lazarettzüge (L-Züge) beschrieben, die nach LOWA-E5-Mitteleinstiegswagen komplettieren 1945 im Bestand der DDR-Bahnverwaltung vor- die Beiträge über die Schmalspurbahnen, die handen waren. Ein weiteres Kapitel widmet sich S-Bahn Berlin bis hin zum Unfallgeschehen und schließlich den Gefangenensammeltransport dem Tfz-Bestand der DR einen Tag vor ihrem Auf- wagen. gehen in die Deutsche Bahn AG. Hervorragende Abbildungen zahlreicher Fotografen lassen die Mit dieser Neuerscheinung schließt der Autor Erinnerungen an die letzten zwölf Monate der Klaus Bossig eine weitere bedeutende Lücke in Reichsbahn noch einmal wach werden. der Geschichte der Deutschen Reichsbahn. Die Baureihe 64. Die erfolgreiche deutsche 1’1’- Das vorliegende Werk umfasst 256 Seiten und Einheitstenderlok für Nebenbahnen 275 Abbildungen. Peter MELCHER Gera – Einst und Jetzt. Ostthüringens Bahnkno- ten im Wandel 1990 bis 2018 Die Einheitsdampflok-Baureihe 64 war eine- er folgreiche und vielgebaute Tenderlok der Deut- Thomas FRISTER schen Reichsbahn, die in ganz Deutschland über vier Jahrzehnte bis in die siebziger Jahre vor allem Seit 1859 bestimmt die Eisenbahn das Stadtbild vor Personenzügen zuverlässig ihren Dienst ver- der drittgrößten Stadt Thüringens, die heute sah. Schnittpunkt von fünf Eisenbahnstrecken ist und

52 ÖZV 2/2019 an der „Mitte-Deutschland-Verbindung“ liegt. cial gibt einen Überblick über die wichtigsten Pünktlich zur 160-jährigen Wiederkehr der Eröff- Bauartunterschiede sowohl der DB- als auch der nung der ersten Eisenbahnstrecke erscheint ein DR-Maschinen und dokumentiert die eindrucks- repräsentativer Bildband, der die wechselvolle volle Vielfalt der „Einheits-Lokomotiven“. Geschichte der Eisenbahn in der Stadt von 1990 bis 2018 nachzeichnet. In einem ausführlichen Die Baureihen E 11 und E 42. Einführungskapitel wird der Leser über die ein- Die erste Nachkriegsgeneration Elektrolokomo- schneidenden Veränderungen der vergangenen tiven drei Jahrzehnte detailreich informiert. Jan KOTZANEK, Dietmar SCHLEGL, Andreas STANGE Ein umfassender bildlicher Rückblick auf die Anfang der sechziger Jahre entwickelte der Lo- Veränderungen seit 1990 mit einer Vielzahl von komotivbau Elektrotechnische Werke (LEW) in „Einst und Jetzt“ – Gegenüberstellungen bildet Hennigsdorf als erste neuentwickelte Elektrolok den Schwerpunkt. Die ausgesuchten und größ- für die Deutsche Reichs-bahn der DDR die Bau- tenteils großformatigen Farbabbildungen doku- reihe E 11 (später 211), um die Altbauelloks ab- mentieren die hiesige Eisenbahn im Wandel der zulösen. Bis 1977 wurden insgesamt 96 Maschi- Zeit: Der Bildband zeigt die nicht mehr vorhan- nen gebaut und überwiegend im Reisezugdienst denen Stellwerke, den Umbau des Geraer Haupt- eingesetzt. Daraus abgeleitet entstand für den bahnhofs, erinnert an das Bahnbetriebswerk Güterzug- und langsameren Personenverkehr Gera sowie die 2016 erfolgte teilweise Verlegung die Baureihe E 42 (später 242), von der 292 Loks der Elstertalbahn und zeichnet darüber hinaus gebaut wurden, die sich ebenfalls viele Jahre auch die großen Veränderungen im Geraer Stra- lang bewährten und nach 1993/94 teilweise so- ßenbahnverkehr nach. Ausführliche Bildtexte gar den Weg in die Schweiz fanden. erinnern mit zahlreichen Fakten an viele kaum mehr bekannte Daten der Geraer und Ostthü- Das vorliegende Werk verfolgt die Geschichte, ringer Eisenbahngeschichte und benennen auch Technik und Bauartänderungen der als „Holzrol- die verkehrspolitischen Widersprüche seit der ler“ populären Loks sowie ihre vielfältigen Einsät- Bahn-Privatisierung – eine besondere Chronik ze bei der DR, der DB AG und auch im Ausland. des Schienenverkehrs der Stadt, illustriert mit einem Reigen außergewöhnlicher Bilder. Das vorliegende Werk umfasst 320 Seiten und 500 Abbildungen. Das vorliegende Werk umfasst 128 Seiten und 205 Abbildungen. Verkehrsknoten Lübeck EK-Special 132. Baureihe 50 Udo KANDLER Die Lokomotiven der Baureihe 50 waren mit Schon seit Jahrhunderten zählt die alte Hanse- 3.164 Maschinen die meistgebauten Einheits- stadt Lübeck zu den bedeutendsten Städten dampfloks der Deutschen Reichsbahn. Bedingt und Handelszentren an der Ostsee. Lübeck ist durch die Zwänge des Zweiten Weltkriegs wurde Deutschlands zweitgrößter Ostseehafen, der deren Konstruktion sukzessive vereinfacht,- da seit 1892 eine eigene Hafenbahn hat. Als Eisen- mit immer mehr Maschinen in immer kürzerer bahnknoten verbindet Lübeck die Bahnlinien Zeiträumen die Lokfabriken verlassen und für aus Richtung Schleswig-Holstein mit Mecklen- den Kriegsdienst zur Verfügung standen. Schließ- burg-Vorpommern. Die bereits 1850 gegründete lich wurde der Übergang auf die eng mit der Bau- Lübeck- Büchener Eisenbahn (LBE) machte sich reihe 50 verbundene Kriegslokomotive der Bau- als innovative Privatbahn einen Namen, als sie reihe 52 vollzogen. in den 1930er Jahren mit Stromliniendampfloks und Doppelstockwagen beschaffte, dem 1938 die Nach Ende des Krieges waren die vielseitigen Verstaatlichung der LBE folgte. Bis zur Aufnahme Loks der Baureihe 50 eine der Hauptstützen des elektrischen Betriebes im Jahr 2008 hatte Lü- des Wiederaufbaus und des anschließenden beck bei Eisenbahnfreunden einen besonderen Wirtschaftswunders. Sowohl die DB als auch Ruf als Dieselhochburg. Das Buch erinnert wei- die DR konnten lange Zeit nicht auf die univer- terhin an den städtischen Straßenbahnbetrieb, sell einsetzbaren 1’E-Maschinen verzichten. Die der 1959 endete, und den 1925 aufgenommen 50er gehörten sowohl in Ost und West zu den Omnibusbetrieb. allerletzten eingesetzten Dampflokomotiven. Die ständig vereinfachte Konstruktion beim Bau Das vorliegende Werk umfasst 112 Seiten und 79 und die vielfältigen Umbauten nach dem Krieg s/w-Abbildungen. führten schließlich dazu, dass so gut wie keine Lok der anderen glich. Der vorliegende EK-Spe-

ÖZV 2/2019 53 Stillgelegt! Das Nebenbahnsterben in Thürin- EK-Special 133: Die Eisenbahn in Berlin gen 1994 bis 2018 In den Gründerjahren längst zur Großstadt ge- Thomas FRISTER worden, entwickelte sich Berlin in wenigen Jahr- zehnten zur größten Industriestadt Europas. Der neue Band in der beliebten EK-Reihe „Ei- Einen entscheidenden Anteil daran trug die Ent- senbahn-Bildarchiv“ widmet sich auf vielfachem wicklung des Eisenbahnnetzes in der Stadt. Men- Wunsch den seit der Bahn-Privatisierung stillge- schen und Güter waren in dieser pulsierenden legten Nebenbahnen in Thüringen. Neben den Stadt zu bewegen, die Industrie musste versorgt zahlreichen Strecken, die infolge der Abbestel- werden. Bis zur Jahrhundertwende wuchs ein lung des Schienenpersonennahverkehrs seitens Streckennetz in und um die Stadt, das seinesglei- des Landes stillgelegt oder bereits abgebaut chen suchen konnte. Im Mittelpunkt des Perso- sind, werden auch jene Strecken behandelt, die nenverkehrs standen allein fünf Kopfbahnhöfe nur noch dem Güterverkehr dienten und heute und das einzigartige Stadtbahnnetz. ebenfalls in Vergessenheit geraten sind. Das EK-Special blickt zurück auf rund 50 Jahre Ein Übersichtskapitel informiert über den „groß- Eisenbahn in Berlin und schlägt den Bogen von en Aderlass“ bei den einst zahlreich vorhandenen Beginn des Ringbahnverkehrs bis zum Schnell- Nebenbahnen des Freistaates seit dem Jahr 1994 verkehr der dreißiger Jahre. Große Bahnhöfe und und beschreibt damit eine historische Zäsur des kleine Strecken werden porträtiert, Episoden aus Schienenverkehrs im „Grünen Herzen Deutsch- dem Berliner Verkehr beleuchtet. lands“ innerhalb eines Vierteljahrhunderts. In gewohnt informativer Weise erinnern hervor- ragende Bilder zahlreicher Fotografen an die vie- len heute nicht mehr existenten Nebenstrecken. Das Buch ist damit eine Chronik der früheren Vielfalt des Eisenbahnverkehrs der Region. Es zeigt Bahnanlagen, Betriebssituationen und Fahrzeuge, die heute längst von den Gleisen ver- schwunden sind. Das vorliegende Werk umfasst 96 Seiten und 95 Abbildungen.

54 ÖZV 2/2019