Norbert Sdiausberger

Die Bedeutung Österreichs für die deutsche Rüstung während des Zweiten Weltkrieges

In der letzten Zeit haben wissensdiaftlidie Untersuchungen über die Wediselwir- kungen zwischen Wirtschaft und Kriegführung vor und während des Zweiten Weltkrieges erfreulicherweise an Tiefgang und Perspektive gewonnen sowie eine Fülle an aussagekräftigen Quellen zugänglich gemacht Dadurch wird es möglich, die entscheidende Bedeutung der Wirtschaft und des Wirtsdiaftspotentials für Politik und Kriegführung zu erkennen und einen bisher vemaciilässigten Gesichts- punkt bei der Beurteilung des Zweiten Weltkrieges, seines Ausbruches, seines Ver- laufes und seiner Folgen besser in den Griff zu bekommen. Die vorliegende Studie versucht, am Beispiel der zwar bescheidenen, aber gerade dadurch gut überblickbaren Rüstungsindustrie in Österreich die cliarakteristisdien Phasen der deutschen Rüstungswirtsdiaft und ihre Problematik sowie ganz allge- mein die Bedeutung Österreichs für die deutsche Rüstung herauszuarbeiten. Sie stützt sich in erster Linie auf die geheimen Kriegstagebüdier der Rüstungsinspek- tionen und Rüstungskommandos der beiden Wehrkreise XVII und XVIII sowie auf Aktenbestände des Reidiswirtsdiaftsministeriums, des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion, des Reichsluftfahrtministeriums, des Oberkom- mandos der Wehrmad« sowie der Reichswerke AG Hermann Göring. Als ver- läßlichste Quellen können dabei die Kriegstagebücher der Rüstungsinspektionen angesehen werden, während bei den anderen Quellen und der verwendeten Sekun- därliteratur die Zuverlässigkeit der Angaben nicht ohne weiteres unterstellt wer- den kann. Eine quellenkritische Arbeit über das komplizierte Gebiet der Rüstungs- daten des Zweiten Weltkrieges steht leider nodi aus. Ansätze zu einer kritischen Überprüfung der Kriegswirtschaftsstatistik zeigt im wesentlidien nur W. A. Boelcke^. Anstelle einer mit zahlreichen Detailangaben versehenen chronologisdien Darstel- lung, die zu unübersichtlich wäre, wurde eine Gliederung nach leitenden Aspekten gewählt: in den beiden ersten Abschnitten wird die rüstungswirtsdiaftlidie Rele- vanz sowohl der Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich als audi seiner Rolle im Krieg selbst dargelegt; im dritten Teil wird die Entwicklung der wich- tigsten Produktionszweige separat behandelt und in der Schlußbetrachtung die

' Deutsdilands Rüstung im Zweiten Weltkrieg. Hitlers Konferenzen mit Albert Speer 1942—1945. Hrsg. u. eingel. von W. A. Boelcke, Frankfurt/M. 1969 (zit. Speer-Protokolle); D. Eidiholtz: Gesdiidite der deutsdien Kriegswirtsdiaft 1939—1945, Bd I, 1969; D. Irving: Die Tra- gödie der Deutsdien Luftwaffe. Aus den Akten und Erinnerungen von Feldmarschall Mildi, Frankfurt/M. 1970 (zit. Mildi); G. Janssen: Das Ministerium Speer. Deutsdilands Rüstung im Krieg, Berlin, Frankfurt/M., Wien 1968 (zit. Janssen); A. Milward: Die deutsdie Kriegswirt- sdiaft 1939—1945, 1966 (= Sdiriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgesdiidite ([VJZG], 12) (zit. Milward); N. Sdiausberger: Rüstung in österreidi 1938—1945, Bd 8, Wien 1970 (= Publikationen d. österreidiisdien Inst. f. Zeitgesdiidite u. d. Instituts f. Zeitgesdiidite d. Univ. Wien) (zit. Sdiausberger: Rüstung); vgl. die Annotation in: MGM 2/1971, S. 254 f. 2 Speer-Protokolle, passim. Die Unterlagen der Wehrkreise sowie der Reidisministerien, der Reidiswerke Hermann Göring u. des OKW sind im Inst. f. Zeitgesdiidite d. Univ. Wien auf 57 MGM 1/72 Mikrofilm (zit. MF) vorhanden. österreidiisdie Kriegserzeugung mit der gesamtdeutsdien in Beziehung gesetzt, um ihre Bedeutung erkennbar zu machen.

I Der Anschluß und seine Bedeutung Es ist heute bekannt, wie sidi die NSDAP und Kreise der deutsdien Großindustrie während der Weltwirtschaftskrise die Wiederherstellung eines starken Deutschen Reiches und die weitere Entwicklung zur »Neuordnung Europas« vorstellten. Als ein probates Mittel, um diese Ziele zu erreichen, betrachtete man die Blitzkriegs- konzeption, die zugleich als Versuch anzusehen ist, wirtschaftliche Schwächen Deutschlands durch militärische Aktionen zu beheben. Es war nicht zu übersehen, daß das deutsche Wirtschaftspotential zu den weitreichenden Herrschaftsplänen der Führung in unlösbarem Widersprudi stand; daher sollte es durch schrittweise wirtschaftliche Expansion beziehungsweise — wenn diese nicht mehr möglidi sein würde — durch rasche militärische Eroberung gestärkt werden. Andererseits war man sich darüber im klaren, »daß Deutschland auf eigener Rohstoffgrundlage keinen Krieg führen konnte, sondern daß es wichtig war, auch für den Krieg zu- mindest in dem gesicherten Mitteleuropa die fremden Rohstofflieferanten zu er- halten« Die Blitzkriegsstrategie basierte wirtsdiaftspolitisch zunächst auf dem Vierjahres- plan, der durdi maximale Aussdiöpfung der deutschen Rüstungs- und Wirtschafts- möglichkeiten eine solide Ausgangsbasis und einen ausreichenden Vorsprung zur Führung isolierter Blitzkriege verschaffen sollte. Indem sich das Deutsche Reich dann in Etappen das Wirtschaftspotential ganz Europas einschließlich der Sowjet- union dienstbar machen würde, hoffte man einen blockadefesten und verteidigungs- fähigen Großraum zu gewinnen, reich und groß genug, um auch eine globale Aus- einandersetzung durchstehen zu können. Vierjahresplanpolitik, Aufrüstung und die Interessen der deutschen Großindustrie, vor allem die der Großchemie, standen dabei in engem Zusammenhang, wie das von A. Schweitzer * und D. Petzina' nachgewiesen wurde. Die Rolle, die österreidi in den deutschen Autarkie- und Aufrüstungsplänen spielte, ist lange Zeit durdi die alle anderen Motive überdeckende nationale Pro- paganda nicht deutlich geworden. Inzwischen liegen Untersuchungen vor, die zeigen, daß Österreich sdion sehr frühzeitig als ein Ziel deutscher wirtschaftlicher Ausweitungsbestrebungen betrachtet wurde®. Ende des Jahres 1937, als infolge der überdimensionalen Aufrüstung der wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands an seiner natürlichen Grenze angelangt war und die ersten größeren Sdiwierig- keiten auftraten — sie äußerten sich vor allem in der angespannten Devisenlage, in einem Tiefstand der kriegswichtigen Rohstoffvorräte sowie in einem spürbaren Mangel an Arbeitskräften und Industriekapazitäten — entschloß sich Hitler, den Plan zur Ausweitung der deutschen Rohstoffbasis in die Tat umzusetzen. Im benachbarten österreidi gab es manches von dem, was die deutsche Kriegswirt- schaft dringend benötigte, zum Beispiel beachtliche Gold- und Devisenbestände,

* G. Thomas: Gesdiidite der deutsdien Wehr- und Rüstungswirtschaft (1918—1943/45). Hrsg. von W. Birkenfeld, Boppard 1966, S. 88 (= Schriften d. Bundesardiivs, 14) (zit. Thomas). * A. Sdiweitzer: Big Business in the Third Reich, Bloomington, 2. Aufl. 1965. ' D. Petzina: Autarkiepolitik im Dritten Reich. Der nationalsozialistische Vier jahresplan, Stutt- gart 1968 (= Schriftenreihe d. VJZG, 16). " S. dazu N. Schausberger: Wirtschaftliche Motive für den Anschluß, in: Österreich in Geschichte und Literatur 2/1969, S. 57 f.; ders.: Wirtsdiaftlidie Aspekte des Anschlusses Österreichs an das 58 Deutsche Reich. Eine Dokumentation, in: MGM 2/1970, S. 133—165. Rohstoffe wie Eisenerz, Holz, Magnesit und ErdöP sowie ein Arbeitslosenheer von 600 000 Menschen — zum Teil hochqualifizierte Kräfte — und zahlreiche stilliegende Industriebetriebe. Dazu kam die außerordentliche Verbesserung der strategischen Position des Deutschen Reiches im Falle einer Besetzung der Alpen- republik: die Gewinnung einer Basis zur völligen Umklammerung der Tsdiecho- slowakei und einer territorialen Brücke nadi dem Südosten zur wirtschaftlichen und politischen Durchdringung der rohstoffreichen Balkanländer. W. Bernhardt hat darauf hingewiesen, daß die Verbesserung der militärgeographischen Situation eines Landes als wesentlicher Aspekt der Aufrüstung gesehen werden muß und auch L. Jedlicka betont in seiner Untersuchung über die Vorgesdiichte des An- schlusses besonders die Dominanz wirtschaftlicher und strategischer Motive®. Eine Bestätigung der Wichtigkeit der österreichischen Ressourcen für die deutsche Wirtschaft waren die sofort nach dem am 12. März 1938 erfolgten Einmarsch deutscher Truppen in Angriff genommenen Maßnahmen wirtsdiaftlicher und mili- tärischer Art. Das von Göring als Beauftragtem für den Vierjahresplan verkün- dete »Aufbauprogramm für Österreich« " sah vor, die Leistungen auf allen Sek- toren kriegswichtiger Industrieproduktion zu steigern Auf dem Bergbausektor wurde die Aufsdiließungstätigkeit mit der Überführung der Aktienmajorität des größten österreidiisdien Bergbau- und Industriekonzerns, der Alpine Montan- Gesellschaft, in den Besitz der Reichswerke AG Hermann Göring kombiniert. Bereits 1938 wurde die Zahl der Arbeiter auf dem steirischen Erzberg verdop- pelt, mit dem Ziel, die Erzförderung von 1,8 Mill, t auf 4 Mill. t zu steigern Auch die Kupfer-, Blei-, Zink-, Antimon-, Arsen- und Graphitförderung wurde sofort energisch vorangetrieben, während die für Deutschland besonders wichtige Erdölförderung im niederösterreichischen Weinviertel erst nach Einführung des Deutschen Bitumengesetzes in Österreich" bis zum Raubbau gesteigert werden konnte. Das energiehungrige, in seiner stärksten wirtschaftlichen Expansionsphase stek- kende Deutsche Reich begann auch mit der weiteren Erschließung der alpenlän- dischen Wasserkräfte, indem Großprojekte an der Donau (Ybbs-Persenbeug), in

' Daß Österreich auf einigen Rohstoffsektoren ein wertvolles Ergänzungsgebiet f. d. devisen- u. rohstoffarme Deutschland war, zeigt folgende Gegenüberstellung: f 1937 in 1000 t) Deutsthe österreidiisAe Deutscher Produktion Produktion Einfuhrbedarf Eisenerz 8 520 1 885 20 000 Magnesit 15 380 200 Graphit 24 20 20 Talk 10 25 15 Erdöl 453 33 2 000 Antimon — 12 « W. Bernhardt: Die deutsche Aufrüstung 1934—1939, Frankfurt/M. 1969. • L. Jedlidia: Die außen- und militärpolitische Vorgesdiichte des 13. März 1938, in: öster- reidiisAe Militärische Zeitsdirift 2/1968, S. 77 f. " Darüber s. Sdiausberger: Rüstung, Anl. 1. " H. Göring erklärte im April 1938: Das Deutsche Reich wird unverzüglich sorgen »für den Ausbau der Energiewirtschaft, die Hebung der Bodenschätze und der für den Vierjahresplan in Betracht kommenden Wirtschaftszweige«. H. Göring: Wiederaufbau der Ostmark, in: Der Vierjahresplan 4/1938, S. 194 (zit. Göring). " German Records. Microfilmed at Alexandria, Va. (USA), MF; Aktenkomplex Reichswirt- schaftsministerium, Reichsstelle für Wirtschaftsausbau: Erste Ermittlung zur Aufstellung eines Vierjahresplanes für das Land Osterreich, T 71/110, 61 29 38. " Durch das »Deutsdie Bitumengesetz« verlor d. Shell-Vacuum-Gruppe ihre Freischürfe im Zistersdorfer Raum. Die Schürfkonzessionen wurden an dt. Bewerber vergeben. Vgl. H. Schön: Die Bedeutung der Gesetzgebung für die Erdölförderung der Ostmark und des Sudetengaues, 59 in: Petroleum 1939, H. 1/2, S. 2 f. den Hohen Tauern (Kaprun), sowie an Inn, Enns und Drau in Auftrag gegeben wurden Was den Industrieausbau betrifft, standen die Grundstoff- und Pro- duktionsgüterindustrien neben der speziellen Rüstungsfertigung im Vordergrund. So wurde zum Beispiel auf Grund der Energiereserven ein großzügiger Ausbau der Aluminiumproduktion (Ranshofen), der Stidistoffproduktion (Linz) und der Zellwolleproduktion (Lenzing) angeordnet. Der Gewinn der österreichischen Eisen- und Stahlindustrie war insofern ein be- deutender Aktivposten für die deutsche Wirtschaft, als die Edelstahlerzeugung, die in Österreich traditionell einen besonderen Rang einnimmt^®, in erster Linie Lieferant der Rüstungsindustrie ist. Die Umstellung dieser Sparte auf Erzeugung von Kriegsgerät war eine der ersten Maßnahmen nadi dem Anschluß. In diesem Zusammenhang müssen besonders Böhler Kapfenberg, Sdioeller-Bledunann Ternitz und die Werke der Alpine Montan in Donawitz, Judenburg und Zeltweg ge- nannt werden. Von den übrigen Rüstungsbetrieben arbeiteten die Hirtenberger Patronenfabrikdie Enzesfelder Metallwerke und die -Daimler-Pudi AG in Steyr bereits im April 1938 mit 70% ihrer Kapazität für die Rüstung". Die beiden größten Rüstungsvorhaben, deren Bau noch 1938 in Auftrag gege- ben wurde, deuteten bereits den künftigen Schwerpunkt der Rüstungsindustrie im österreichischen Raum an: Die Reichs werke Hermann Göring in Linz als Hüt- tengroßprojekt mit einem später angeschlossenem Panzerwerk und die Wiener Neustädter Flugzeugwerke als Lizenzbetrieb der Messerschmitt-Werke. Schließ- lich sei noch das besondere Interesse an der chemischen Industrie erwähnt, da die Pulver- und Sprengstofferzeugung sclion damals zu den Engpässen der deutschen Kriegswirtschaft gehörte. Auf Betreiben der IG-Farben und der Dynamit-Nobel- AG wurde die Kapazität der österreichischen Betriebe sofort ausgeweitet. Für den Großteil der österreichischen Wirtschaft dauerte der Prozeß der Anglei- chung an den deutschen Wirtschaftskörper beinahe ein ganzes Jahr. Die Rüstungs- industrie lief — von den Neubauten abgesehen — zunächst mit der österreichi- schen Fertigung weiter und stellte sich schrittweise auf deutsche Produktion um. Am sdinellsten ging die Umstellung vom Spätsommer 1938 an bei den Pulver- und Sprengstoffwerken vor sich, auf deren Sektor der »Kraudiplan« und der ebenfalls von Göring befohlene sogenannte »Schnellplan« eine wesentliche Stei-

" Darüber s. Sdiausberger: Gesdiidite der österreidiisdien Elektrizitätswirtsdiaft, in: österreidi in Gesdiidite u. Literatur 2/1970, S. 75 f. " Die Statistik zeigt d. Größen- u. Strukturuntersdiiede zwisdien d. deutsdien u. österr. Sdiwer- industrie: Produktion in Deutsdtes Reich Osterreid) Österreich in ®/o 1000 t (1937) d. Dt. Reiches Roheisen 15 958 389 2,4 Rohstahl 19 800 698 3,5 Edelstahl 625 102 16,3 Edelstahl in % d. r Rohstahlproduktion 3,1 17 — Vgl. H. Malzadier: Bergbau und Hüttenindustrie im Aufbau, in: Die Wirtsdiaft d. Ostmark (Ein Jahr im Reidb), Die Dt. Volkswirtsdiaft 11/1939, S. 415 f. " Die Hirtenberger Patronenfabrik war als ehemals jüdisdier Besitz Streitobjekt zwisdien d. IG- Farben u. dem Parteikonzern d. Gustloff-Werke. Sdiließlich setzte sidi Gauleiter F. Saudiel als Stiftungsführer d. Gustloff-Werke durdi: »Idi bin der Meinung, daß die IG-Farben nidit alles haben müssen.« Deutsdies Zentralardiiv Potsdam, Gustloff-Werke, Nr. 16, Bl. 3 f., audi in: Anatomie des Krieges. Hrsg. von D. Eidiholtz u. W. Sdiumann, Berlin 1969, S. 170/71 (zit. Anatomie). " MF: Aktenkomplex OKW, Wirtsdiaftsberidite d. Wehrwirtsdiaftsinspektion XVII, T 77/752, 60 198 78 34. gerung der Produktion vorsahen'®. Die gespannte internationale Situation nadi der Besetzung des Sudetenlandes durch Deutschland schlug sich im »großen Rü- stungsprogramm« vom 14. Oktober 1938 nieder, in dem Göring unter anderem forderte, daß die Luftwaffe »sdinellstens zu verfünffachen« und daß für das Heer »große Mengen an Angriffswaffen, vor allem sdiwere Artillerie und schwere Tanks, herzustellen« seienSo ist es zu verstehen, daß die Luftrüstung die größ- ten Fortschritte machte und die Wiener Neustädter Flugzeugwerke drei Monate früher als zu dem ursprünglich vorgesehenen Anlauftermin am 30. März 1939 die »Fertigstellung des ersten allein aus den Mitteln der Ostmark« erzeugten Flug- zeuges meldeten^®. Inzwischen war der durch den Anschluß Österreichs gewonnene Kapazitätszu- wachs von der deutschen Wirtschaft »verdaut« und audi der nächste Expan- sionsschub gegen die Rest-Tschechei war, wie Göring zugab, unter anderem er- folgt, um durdi Ausnützung der dortigen Industrie das deutsche Kriegspotential zu steigern ^^ Dadurch hatte sich aber auch die weltpolitische Lage erheblich ver- düstert. Die Westmächte gaben deutlich zu verstehen, daß sie nun weiteren Aggres- sionen Deutschlands entgegentreten würden. In Deutschland setzte um diese Zeit die Phase der »kriegsmäßigen Friedenswirtschaft« ein, das heißt man hielt die Rüstungsindustrie für flexibel und den erzielten Rüstungsvorsprung für groß ge- nung, um im Falle einer bewaffneten Auseinandersetzung den Beanspruchungen gewachsen zu sein. Die Friedensproduktion lief ungestört weiter, um das Volk bei der Stange zu halten. Hitler wollte beides: »Kanonen und Butter«! Die für einen etwaigen langandauemden Krieg notwendigen Rohstoff- und Produktions- kapazitäten sollten — wie schon erwähnt — die einzeln zu führenden Blitzkriege bringen. Diese, am Vorabend des Kriegsausbruches in der deutschen Führung maßgebende Ansicht sprach am deutlichsten Carl Krauch vor dem Generalrat des Vierjahresplanes aus: »Heute wie 1914 sdieint die deutsche politische und wirtschaftliche Lage — eine von der Welt belagerte Festung — eine rasche Kriegs- entscheidung durch Vernichtungsschläge gleich zu Beginn der Feindseligkeiten zu verlangen.« Da der »Wirtschaftsraum in Großdeutschland zu klein« sei, müsse eine »Großraumplanung« unter »Einbeziehung des südosteuropäischen Wirt- schafts- und Rohstoffraumes« durchgeführt werden. »Deutschland muß das eigene Kriegspotential und das seiner Verbündeten so stärken, daß die Koalition den Anstrengungen fast der ganzen übrigen Welt gewachsen ist®®«. Auch Generalmajor Thomas, der Chef des Wehrwirtschaftsstabes, sah vor allem die weitere Expansion als Mittel an, um aus dem Dilemma der ungenügenden Tiefenrüstung herauszukommen. Er forderte »eine Ausnützung der Hilfsquellen der nordischen Staaten«; auch müsse »der Balkan mit seinen Vorräten und Vor- kommen zur Verfügung« stehen

Der »Kraudiplan«, offiziell »Wehrwirtsdiaftlidi neuer Erzeugungsplan«, so genannt nach Carl Kraudi, dem »Generalbevollmäditigten f. Sonderfragen d. diemisdien Erzeugung« u. Ver- trauensmann d. IG-Farben, wurde am 12. 7. 1938 von Göring in Karinhall bestätigt. Der »Sduiellplan« sah vor allem die rasdte Steigerung d. Pulver- u. Sprengstoffproduktion bis zum Herbst 1939 vor. " Protokoll einer Konferenz zwisdien Göring u. seinem Stab f. industrielle Planung v. 14. 10. 1938, in: Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbredier vor dem Internationalen Militärgeridits- hof (zit. IMT), 42 Bde; Nürnberg 1949, Bd XXVII, S. 160 f. MF: T 77/750, 984 512. « IMT: Bd III, S. 193, Dok. R-133. " C. Kraudi am 28. 4. 1939. Wilhelmstraßenprozeß Nr. 408, Dok. EC-282. 61 IMT: Bd XXXVI, S. 125—130, Dok. EC-028. Die »kriegsmäßige Friedenswirtschaft« führte zu einem steilen Anstieg der Wehr- machtproduktion. Im Sommer 1939 arbeiteten in österreidi bereits 243 Rüstungs- betriebe. Ihr Schwerpunkt lag bei der Erzeugung von Hindernismaterial, Stel- lungsbaugerät, Ausrüstungsgegenständen vor allem für das Heer und von Uni- formen. Von den traditionellen österreichisdien Rüstungsfirmen wurden nun die ersten Produkte der umgestellten Erzeugung abgeliefert: zum Beispiel von Sdioeller-Bledunann in Ternitz Aufbauten für Panzerspähwagen und von den Steyrwerken die ersten Karabiner K 98. Die Ausbautätigkeit erreichte knapp vor Kriegsbeginn ihren bisherigen Höhepunkt. Drei Werke für die Panzer- bezie- hungsweise Panzerteileproduktion (Nibelungenwerk St. Valentin, Böhler Kapfen- berg und Eisenwerke Oberdonau in Linz), drei Werke für die Gesdiützfertigung (Sdioeller-Bleckmann Ternitz, Gußstahl Judenburg und Elin Weiz), zwei Werke für Flugzeugteile (Heinkel Jenbadi und Messerschmitt Kematen) sowie zahlreiche Betriebe für die Munitions-, Bomben- und Nachriditengerätefertigung wurden in Bau gegeben. Angesichts der drohenden Kriegsgefahr setzte in den Monaten vor Kriegsaus- bruch auch eine hektische Aktivität in der Erkundung und Neuaufschließung von Erz- und Minerallagerstätten ein. In Österreich wurde vor allem die Eisenerz- und Erdölförderung forciert; die erstere stieg seit 1937 um über 1 Mill. t, die letztere sogar um 350°/»®^. Aber auch völlig unbedeutende oder als unrentabel bekannte Vorkommen wurde nun wieder in Abbau genommen.

II Die österreichisdie Rüstungsindustrie im Rahmen der Gesamtentwiddung während des Krieges Bei Kriegsausbruch im September 1939 hatte Deutsdiland auf Grund des frühe- ren Beginns der Aufrüstung eine deutliche Überlegenheit an modernen Angriffs- waffen; dagegen gab es auf dem Munitionssektor Schwierigkeiten. Auf Grund des Blitzkriegskonzepts, nach dem mit einem schnellen Sieg gerechnet wurde, war die langfristige Planung und Vorbereitung der Munitionserzeugung gegenüber der Produktion von Waffen vernachlässigt worden. Auf diesem Gebiet zeigten sich aber sehr bald die Grenzen der von Hitler geforderten Flexibilität der Rüstung. Die Vorbereitung des Munitionsanlaufes erfordert rechtzeitige Bereitstellung der entsprechenden Meßlehren und Kokillen sowie des notwendigen Füllgutes. Jede Änderung der Munitionsprogramme — Hitler verfügte sie ad hoc nadi seinem Urteil über den augenblicklichen Bedarf, was zu fortwährenden Umstellungen führte — beeinträchtigte den Ausstoß. Die unbefriedigende Situation in der Muni- tionserzeugung, die trotz Zuteilung zu der höchsten Dringlichkeitsstufe nicht behoben werden konnte, gab letzten Endes den Ausschlag zur Errichtung eines Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition am 17. März 1940 unter der Führung von Dr. Todt. Nadi dem Scheitern eines Ausgleiches mit Großbritannien und der Koalitions- kriegsplanungen gegen das Inselreich war die deutsche Führung entschlossen, einen Blitzkrieg gegen die Sowjetunion zu führen, um nicht in die Nachhand zu gera-

" Produktion in österreiA (in 1000 t) 1937 1938 1939 Eisenerz 1880 2660 2971 Erdöl 32,9 56,7 144,3 Damit betrug d. Anteil Österreichs a. d. gesamten deutsdien Erdölproduktion im Juni 1939 bereits 17,4®/o. MF: T 77/749, 984 410 f. 62 !5 Milward, S. 35. ten^®. Für den Ostfeldzug war die deutsche Rüstungswirtschaft aber nidit in ihrer Kapazität erweitert worden, man hatte lediglich andere Prioritäten gesetzt: Die Erzeugung von Angriffswaffen, wie Panzern und Flugzeugen, sund absolut im Vordergrund. Die hödiste Dringlidikeitsstufe hatte die Flugzeugproduktion, weil Hitler, der von einem schnellen Sieg über Rußland überzeugt war, die Luftwaffe auch in verstärktem Ausmaß für die mögliche Sdilußauseinandersetzung mit Eng- land brauchte In den bisher vom Luftkrieg völlig verschonten Donau- und Alpengauen setzte auf Grund dieser neuen Konstellation eine verstärkte Ausbau- tätigkeit ein, so daß die Rüstungsinspektion in Wien beriditete: »Wie nirgend anderswo im Reidi sind im Wehrkreis XVII eine Reihe von großen Werken des Kraudiplanes, des Panzerwagen- und Flugmotorenprogrammes zum Teil im An- laufen, teils im Bau, deren Kräftebedarf eine ungeheure Belastung bringt ^s.« Das Blitzkriegskonzept funktionierte bis zur deutschen Niederlage vor Moskau im Winter 1941/42 ohne Umstellung der Gesamtwirtschaft auf Kriegsproduktion. Infolge der vorangegangenen Fehldisposition — man rechnete sicher damit, den Sieg über Rußland in wenigen Monaten erringen zu können — trat gerade wäh- rend der ersten großen militärischen Krise der deutschen auch der Tiefstand in der Waffen- und Munitionsproduktion ein. Da der Blitzkrieg vor Moskau gescheitert war und man sich auf einen langandauemden Krieg umstel- len mußte, war audi eine Änderung des bisherigen Kriegswirtschaftssystems not- wendig. Todt und Thomas, die schon bisher gegen die kurzatmige Blitzkriegswirt- schaft opponiert hatten, brachten Hitler schließlich dazu, die grundlegende Wei- sung zur »Rüstung 1942« zu erlassen derzufolge die neue kriegswirtschaftliche Konzeption auf längere Fristen abgestellt und die Zentralisierung der Rüstungs- steuerung befohlen wurde. Am 13. Januar 1942 erklärte Todt, daß hierzu »die Selbstverwaltung der Wirtschaft« nötig sei: »Die Wirtschaft selbst hat Vorschläge zu machen, wie die Konzentration der Fertigung, d. h. die rationellste Aus- beute, erzielt wird®®.« Somit wurden die schon Ende 1941 für jedes Produktions- gebiet gebildeten Hauptausschüsse, an deren Spitze bewährte Industriemanager berufen wurden, zu den eigentlichen Leitungsgremien der deutschen Rüstungs- industrie. Als nach dem Flugzeugabsturz Todts Albert Speer die Leitung des Mini- steriums für Bewaffnung und Munition übernahm, führte er beschleunigt die Maßnahmen seines Vorgängers weiter. Alle waffentechnischen Entwicklungen wurden untersagt, um die Kräfte auf einen möglichst hohen Ausstoß zu konzen- trieren®^. Dazu meinte Speer, daß »der Krieg in kürzester Zeit beendet werden muß . .. Wir können ihn aber nur mit den Waffen gewinnen, die wir jetzt haben und nicht mit denjenigen, die wir nächstes Jahr haben könnten Durch die feh- lende Rüstungsplanung und die mangelnde Erkenntnis der Notwendigkeit einer dauernden Weiterentwicklung verlor Deutschland schon 1942/43 seine bis dahin

" Aus der Beurteilung der Gesamtlage vom 9.1.1941: »Der russisdbe Riesenraum berge unermeß- liche Reiditümer. Deutsdiland müsse ihn wirtsdiaftlidi und politisdi beherrschen . . . Damit ver- füge es über alle Möglichkeiten, in Zukunft audi den Kampf gegen Kontinente zu führen, es könne dann von niemand mehr geschlagen werden.« Kriegstagebudi des Oberkommandos der Wehrmadit. Hrsg. von P. E. Schramm, Bde MV, Frankfurt/M. 1961—1965 (zit. KTB/OKW), Bd I, S. 258. " Führerbefehl v. 20. 6.1941; Milward, S. 43. Lagebericht d. Rüstungsinspektion XVII v. 14. 1. 1942, MF: T 77/749, 983 860. " Vom 10.1.1942, s. KTB/OKW, Bd II, S. 1265—1267. Todt a. d. Sitzung d. Großen Beirates d. Reichsgruppe Industrie am 13.1.1942, in: Betriebsardiiv VEB Carl Zeiss Jena, Nr. 9725, auch in: Anatomie, S. 373. '' »Führer legt Wert darauf, daß die Friedensplanungen und Entwicklungen bei allen Firmen ab sofort eingestellt werden.« Speer-Konferenz v. 19. 2. 1942, in: Speer-Protokolle, S. 66. 63 3« A. Speer: Erinnerungen, Frankfurt/M., Berlin 1969, S. 229 (zit. Speer). vorhandene waffentechnische Überlegenheit. Durch rüdtsichtslose Mobilisierung der Reserven durdi einen zentralen Planungsstab, der die Produktion durch Roh- stoffzuteilung diktierte, und durch Rationalisierungsmaßnahmen erwies sich Speers System als sehr wirksam und erreidite bald eine enorme quantitative Stei- gerung der Rüstung. Das Jahr 1942 brachte einen weiteren Aufschwung der Rüstungsindustrie in Österreich. Die mit immer größerer Vehemenz geführten englisdien Luftangriffe gegen das Deutsche Reich veranlaßten viele Betriebe, aus den luftgefährdeten Gebieten Verlagerungen durchzuführen. Trotz des Widerstandes der Gauleiter, die fürchteten, daß ihre Gaue selbst Ziele von Bombardements werden könnten, setzte eine sich ständig steigende Ausweichbewegung deutscher Industrieanlagen nadi Österreich ein, was den Alpen- und Donaugauen die Bezeichnung »Reichs- luftsdiutzkeller Ostmark« eintrug. Vor allem die Konstruktions- und Entwick- lungsabteilungen großer Unternehmen hofften, hier ungestörte Arbeitsbedingun- gen vorzufinden. So verlegten Heinkel-Werke von Rostock nach Heidfeld-Schwe- chat und Dornier nach Bregenz In den Spätsommertagen des Jahres 1942 nach dem Scheitern der deutschen Offen- sive gestand sich auch Hitler die Wendung des Krieges ein. Der Führerbefehl vom 8. September 1942 über »Grundsätzliche Aufgaben der Verteidigung«®^ war das Signal für den Übergang zu einer fanatischen Defensivstrategie. Die »Festung Europa« sollte solange an der Peripherie verteidigt werden, bis qualitativ über- legene Waffen den Sieg bringen würden®®. Die Voraussetzungen dafür — lang- fristige Planung und wissenschaftliche Entwicklungsforschung — waren in den Zeiten des Blitzkrieges aber versäumt beziehungsweise bewußt eingestellt worden. Die Niederlage von Stalingrad schließlich war der Anlaß, im Rahmen einer stär- keren Zusammenfassung aller Kräfte die Rüstungsproduktion zu weiteren Lei- stungssteigerungen voranzutreiben und den Ausstoß — allerdings vor allem den der herkömmlichen Waffen — auf eine bis dahin unbekannte Höhe zu bringen. Charakteristisch für den Übergang zur Verteidigungsstrategie ist nun der starke Anstieg in der Erzeugung von Defensivwaffen. Die Bedeutung Österreichs für die deutsche Rüstungsproduktion begann im Jahre 1943 stark zuzunehmen. Dafür waren vor allem zwei Gründe maßgebend: einerseits zwang die Verschärfung der Kriegslage, alle vorhandenen Ressourcen maximal auszunützen, und andererseits erweiterte sich durch verstärkte Betriebsverlagerungen in den als luftsicher betrach- teten Donau- und Alpenraum ständig die Produktionskapazität in Österreich. Am 4. Februar 1943 verfügte Speer die »Sofortverlagerung von durch Luftan- griffe bedrohten einmaligen Fertigungen« aus den Gebieten westlich der Linie Stettin — Berlin — München in stilliegende Betriebe®®. Da ein Teil Tirols und Vorarlberg selbst westlich dieser Linie lagen, versuchten die lokalen Parteibehör- den gegen den Verlagerungsbefehl Widerstand zu leisten, wurden aber abgewie- sen und der ganze Alpenraum in die Verlagerungsaktion einbezogen. Besonders

" Am 19. 12. 1942 hieß es in einem Erlaß Speers an die gesamte Rüstungsindustrie: »Die zuneh- mende Stärke der feindlidien Luftangriffe zwingt dazu, beschleunigt Vorkehrungen für die Verlagerung rüstungswirtsdiaftlidi wichtiger Fertigungen zu treffen.« Ebd., S. 299. " KTB/OKW, Bd II, S. 1292 f. 35 Das Prinzip der qualitativen Überlegenheit skizzierte Speer folgendermaßen: »Deutschland müsse zwar dem Gegner eine umfassende quantitative Überlegenheit in der Rüstungsproduktion zugestehen; aber es könne dennodi in einem Krieg der Massenproduktionsmöglichkeiten siegen, wenn es seiner Technik und Wissenschaft gelänge, bei zahlreichen Einzelwaffen eine qualitative Überlegenheit zu behalten.« (Milward, S. 91 f.). 64 3s MF: T 77/746, 979 238 f. Verteilung der Rüstungsindustrie in Österreich 1938-1945

Zeichenerklärung:

# = Kanonen-u. iibrige Heeresindustrie

-J#=Luft Waffenindustrie

^ 0 = Munitronsindustrie

-Marineindustrie

»= Grenzen von 1955

• : Wehrkreisgrenze 1938-1945

die großen und modern ausgestatteten Werkanlagen der Vorarlberger Textilindu- strie wurden nun zu begehrten Verlagerungsobjekten Für Österreich brachte das Jahr 1943 damit nicht nur den bisherigen Höhepunkt der Rüstungsfertigung, sondern zugleidi eine völlig veränderte Situation in der luftstrategischen Lage und damit das Ende eines begünstigten Zustandes. Eine der wichtigsten Folgen der militärisdien Ereignisse im Mittelmeerraum war, daß nun audi der Alpen- und Donauraum in den Operationsbereich amerikanisdier Fernbomber geriet und somit eine zweite Luftfront gegen das Deutsche Reich errichtet werden konnte. Der erste schwere Luftangriff, der am 13. August 1943 von den nordafrikanischen Basen gegen österreidi geflogen wurde, riditete sich gegen Wiener Neustadt, das Zentrum der österreichischen Luftrüstung. Das war aus zwei Gründen kein Zufall: einmal hatte die alliierte Strategie des Bomben- krieges nodi kein überzeugendes Konzept gefunden und begnügte sich mit selek- tiven Angriffen gegen die Flugzeugendfertigung, andererseits war mit den Wiener Neustädter Flugzeugwerken als »größten Jägerwerken des Reidies« eine unbe- kümmerte Propaganda im In- und Ausland entfaltet worden Die Einbeziehung des österreidiischen Raumes in den Luftkrieg, die nach Erobe- rung der italienisdien Flugbasen im Raum von Foggia stark an Intensität zunahm, betraf 1943 vor allem die Me 109- und die Raketenfertigung, Die erstere wurde dezentralisiert und in zahlreiche Standorte der näheren und weiteren Umgebung von Wiener Neustadt verlagert, letztere übersiedelte in die Harzstollen. Die 15. US-Luftflotte flog 1943 nodi zwei weitere Angriffe gegen Wiener Neustadt", was zur vorübergehenden Stillegung der Me 109-Produktion in Österreich führte. Bis zur Ausschaltung von Wiener Neustadt liefen hier rund ein Drittel aller 1943 erzeugten Me 109-Maschinen von den Fließbändern". Mit der weiteren Verschlechterung der Kriegslage für Deutschland und dem Ver- lust wichtiger Rohstoffgebiete im Osten gründete die deutsche Führung ab 1944 ihre Hoffnungen mehr und mehr auf den Masseneinsatz primitiver Waffen. In der Rüstung stand daher ohne Rücksicht auf zukunftsträchtige neue Fertigungen die Massenproduktion im Vordergrund. Speer, der im Sommer 1944 nach langen, internen Auseinandersetzungen die volle Macht über die Kriegswirtschaft erlangt hatte, konnte trotz massiver alliierter Luftangriffe auf deutsche Städte durdi Rationalisierungs- und Konzentrationsmaßnahmen die Rüstungsproduktion so steigern, daß sie im Sommer und Herbst 1944 ihren quantitativen Höchststand erreichte. Allerdings war das von Speer apostrophierte »Wunder der Rüstung« nur mehr eine Notlösung auf die erdrückenden Quantitäten der alliierten Rü- stungsindustrie. Der Krieg war produktionstechnisch längst verloren. Die 1944 aufgestellten deutschen Produktionsrekorde wurden bei Waffen und Geräten er- zielt, die zum Großteil bereits audi qualitativ den gegnerischen Erzeugnissen nicht mehr gewachsen waren. So wurden 1944 zwar 14 765 Flugzeuge des Typs Me 109 und 5001 FW 190, aber nur 564 Me 262 gefertigtIn der Panzerproduktion

" MF: T 77/740, 741 u. 747. ^ Die Propagandakampagne ging auf eine Anregung d. Reidispropagandamlnijteriums zurüdi, die Göring als Oberbefehlshaber d. Luftwaffe aufnahm. Nodi 1941 gestattete er amerikanisdien, später sdiwedisdien u. türkisdien Journalisten, die Me 109-Produktion zu besiditigen. Hitler selbst sdiließlidi veranlaßte, daß im Oktober 1942 ein »Arbeitsstab für Rüstungspropaganda« gegründet wurde. Speer-Protokolle, 7.-9. 9.1942, S. 183 f. Sdiausberger: Rüstung, Anl. 13. Von insgesamt 6388 Me 109-Jägern, die 1943 in Deutsdiland hergestellt wurden, stammten 2143 aus Wiener Neustadt. Im Juli 1943 erreidite das Werk mit 280 Masdiinen die bisher hödiste Monatsproduktion; ebd., Anl. 5. " Ploetz: Gesdiidite des Zweiten Weltkrieges, 2. T.: Die Kriegsmittel, Würzburg 1960, S. 128 65 (zit. Ploetz). sah es nidit viel anders aus, wenn man den Ausstoß alter und neuer Typen mit- einander vergleicht. Es wurden gebaut: an Panzern: 3360 Panzer IV gegenüber 4950 »Tigern« und »Panthern« an Selbstfahrlafetten: 1250 alte Typen an Sturmgesdiützen: 5750 alte Typen an Jagdpanzern: 3320 alte Typen gegenüber 290 neuen Typen Das heißt, 13 680 eher veralteten Panzerfahrzeugen standen nur 5 240 über- legene, moderne Typen gegenüber. So gesehen, ist der »Zahlenrausdi des Rü- stungsministeriums« nur ein großer Bluff gewesen. In Wirklidikeit begann — trotz Ausrufung des »totalen Krieges« und der vollen Mobilisierung aller Kräfte — zum selben Zeitpunkt, als die höchsten Fertigungszahlen erreidit wurden, die deutsche Kriegswirtschaft in das Stadium der Agonie einzutreten. Ursache für diesen Prozeß war die Zerschlagung des deutschen Transport- und Treibstoff- systems durcli die alliierten Bomberströme. Obwohl sich der Luftkrieg immer stärker auszuwirken begann und die Rohstoff-, Transport- und Arbeitskräftelage ständig schwieriger wurde, erreichte die Rü- stungsproduktion 1944 audi in Österreich knapp vor ihrem Zusammenbruch noch einen Hödiststand. Bis in den Sommer hielt auch die Ausweichbewegung von Rüstungsbetrieben nach dem Alpenraum an, allerdings bereits kombiniert mit der innerösterreichischen Verlagerungswelle von den Industriezentren in die weniger luftgefährdeten Gebiete^®. In der ScWußphase des Krieges, als sich die Versorgimg mit Legierungsmetallen zu einem Hauptengpaß der deutschen Kriegswirtschaft entwickelte, wurde die Schürf- und Prospektierungstätigkeit im Donau- und Alpenraum wieder aufge- nommen. Speer hatte Hitler im Februar 1944 eine Denkschrift über die Bedeu- tung der Legierungsmetalle überreicht, aus der hervorging, daß Deutschland den Bedarf an Wolfram noch elf, an Molybdän noch acht und an Chrom noch sechs Monate decken könne Ein angeblich reiches Nickelvorkommen bei Krems in Niederösterreich erwies sich als nicht abbauwürdig, dagegen konnte die Molyb- dängewinnung in Kärnten als Nebenprcxiukt der Blei- und Zinkerzförderung von Bleiberg-Kreuth ständig gesteigert werden. In den Zillertaler Alpen wurde ange- sichts der Notlage sogar im Hochgebirge ein Molybdänschurf unter schwierigsten Verhältnissen angelegt, ohne daß eine nennenswerte Ausbeute erzielt wurde. Be- sondere Bedeutung für die deutsche Kriegswirtschaft hatte 1944 auch das öster- reichische Erdöl gewonnen^®. Der Anstieg der deutschen Erdölgewinnung war in erster Linie auf die Steigerung im Zistersdorfer Revier zurückzuführen*® und nach Verlust der rumänischen ölfelder wurde das niederösterreichische Erdöl von geradezu lebenswichtiger Bedeutung für die deutsche Kriegswirtschaft. Steigende Wertschätzung gewann in diesem Zusammenhang auch die österreichische Treib- stoffproduktion.

« F. M. V. Senger und Etterlin: Die deutsdien Panzer 1926—1945, Mündien, 2. Aufl. 1965, S. 342—345 (zit. Senger und Etterlin). " SAausberger: Rüstung, Anl. 15. ** Speer. S. 329. ^ »Führer weist eindringlich auf die entsdieidende Bedeutung der Förderungssteigerung von Erdöl insbesondere audi im Gaubereidi Niederdonau hin.« Speer-Protokolle 13./14.10.1942, S. 195. Die Erdölförderung im Zistersdorfer Revier ist seit 1938 kontinuierlidi gesteigert worden: 1938: 56 680 t 1939:144 560 t 1940: 412 454 t 1941: 623 815 t 1942: 867 797 t 1943: 1 103 783 t Im Jahre 1944 wurde mit 1 213 515 t der Höhepunkt während d. Krieges erreidit. (Erdöl in 66 Osterreich. Hrsg. von der Gesellsdiaft für Natur und Technik, Wien 1957, S. 73). Die alliierte Luftoffensive gegen die deutschen Hydrierwerke und Raffinerien erfaßte allerdings audb die Anlagen in Österreich. Diese bestanden aus den Raf- finerien in Sdiwediat, Wien-Kagran, Wien-Floridsdorf, Wien-Vösendorf, Korneu- burg und Moosbierbaum sowie den Tanklagern in Wien-Lobau (audi Destilla- tionsanlagen) und Linz. Am wichtigsten für die deutsche Kriegswirtschaft war die Raffinerie in Moosbierbaum bei Tulln, deren Hydroforminganlage zu den wenigen Flugtreibstoffproduzenten des Deutschen Reiches zählte*^. Sie wurde im Verlauf des Luftkrieges bis Ende 1944 ebenso ausgeschaltet wie die anderen Treibstoffwerke in Österreich. Die Unmöglichkeit, Raffinerien wirksam gegen die Luftbedrohung zu schützen, führte schließlich zum Versuch, das Minimum des deutschen Kraftstoffbedarfes in luftsicheren unterirdischen oder wenigstens stark dezentralisierten und getarnten Betrieben herzustellen. In Nieder- und Ober- österreich wurden im Rahmen des Mineralölsicherungsplanes vom 1. August 1944 daher 20 Kleindestillationsanlagen mit einem monatlichen Durchsatzvermögen von je 3000 t Rohöl errichtet acht davon in unterirdischen, von Mauthausener KZ-Häftlingen gebauten Anlagen in Ebensee. Sie kamen aber nur mehr teilweise in Vollbetrieb. Der Luftkrieg erfaßte im Jahre 1944 aber auch alle anderen Produktionszweige der Rüstungsindustrie in Österreich. Neben der Ölindustrie waren alle Luftwaf- fenfabrikationsstätten Hauptziele der alliierten Luftoffensive. Die Antwort der deutschen Führung auf die verstärkten Luftangriffe war das »Programm Nr. 225« für die Luftrüstung, das ab 1. März 1944 galt und weitere Erhöhungen der Aus- stoßzahlen an Jagdflugzeugen, aber auch an Bombenflugzeugen zu Vergeltungs- zwecken vorsah^®. Ein »Jägerstab« unter der Führung von Otto Saur wurde ins Leben gerufen, um die Jägerproduktion mit allen Mitteln zu steigern. Auf der Suche nach neuen Produktionsstätten für den Jägerstab wurden trotz der Luft- gefährdung die Kapazitäten in Österreich restlos ausgeschöpft®". Kaum war der Wiener Raum als Ausweichgebiet für die Rüstungsindustrie bezeichnet worden, richteten die Alliierten schwere Luftangriffe dorthin imd zwangen zu abermaligen Verlagerungen. Was die Munitions- und Sprengstoffindustrie in Österreich betrifft, so wurde auch sie 1944 in zunehmendem Maße vom Luftkrieg in Mitleidenschaft gezogen. Gerade zu dem Zeitpunkt, als sie auf Hödistlauf kam und alle noch verfügbaren Kapazitäten mit Munitionsaufträgen belegt waren, verhinderten immer neue Typenumstellungen, fehlerhafte Zulieferungen und mehrere Unglücksfälle sowie Luftschäden die erwartete, von Hitler ununterbrochen geforderte überdimensio- nale Produktionssteigenmg®^. Die im August 1944 von Speer befohlene 60%ige Erhöhung der Ausstoßleistung bis September®* konnte in Österreich auch von den Spitzenwerken im Wiener Becken nicht erbracht werden.

" Mit 7100 t Flugbenzin erreichte die Produktion in Moosbierbaum im Mai 1944 ihren Höhe- punkt; das waren allerdings nicht einmal 5% d. dt. Gesamtaufbringung. Nach der öloffen- sive d. Alliierten änderte sich das Bild: im Aug. 1944 bedeuteten die 3600 t Flugbenzin, die in Moosbierbaum erzeugt wurden, infolge d. Zerschlagung d. dt. Hydrierwerke rd. 20% d. Gesamtaufbringung. W. Birkenfeld: Der synthetische Treibstoff 1933—1945. In: Studien und Dokumente zur Gesdiidite des 2. Weltkrieges, Bd 8, Göttingen 1964, S. 228 f. " MF: T 71/110, 613 029. « Milward, S. 122. " Speer-Protokolle, 22., 23., 25. 5. 1944, S. 365: »Der Führer nimmt davon Kenntnis, daß trotz der bereits starken Massierung der Rüstungsfertigung im Wiener Raum im Obergang vorübergehend weitere zusätzlidie Verlagerungen des Jägerprogramms dorthin bis zur end- gültigen Unterbringung unter Sdiutz nidit zu umgehen waren.« " Ebd., 3.-5. u. 7. 6., 6.-8. 7. u. 21.—23. 9.1944. 67 M MF: T 77/743, 975 094. Inzwischen war der Krieg in seine letzte Phase getreten. Die militärische Ent- wicklung hatte bereits Ende 1944 zur teilweisen »Regionalisierung« der einzelnen Wirtschaftsbezirke geführt und damit das Deutsche Reich als kriegführende Ein- heit in wirtschaftlicher Hinsicht aufgelöst. Die letzten Versuche Hitlers und Speers, nodi eine Kontrolle über die Kriegswirtschaft auszuüben und das im Januar 1945 erlassene »Notprogramm für die Rüstungsendfertigung«®*, das das illusionäre »Siegesprogramm« vom Sommer 1944 abgelöst hatte, zu verwirk- lichen, bildete die Ernennung von Rüstungsbevollmächtigten mit kommissarischer Gewalt für die einzelnen selbständigen Rüstungskommissionsbereiche. Sie wurden eingesetzt, weil die Lage auf dem Gebiet der Rüstungsfertigung einen verstärkten Ausgleich der Erzeugungsvoraussetzungen zugunsten der vordringlichen Pro- gramme®* und zugleich vermehrte wirtsdiaftlidie Selbsthilfe in größeren Gebie- ten unter einer einheitlichen verantwortlichen Leitung erforderte. Das Notpro- gramm sollte die Zeit überbrücken helfen, bis das obersdilesische Industriegebiet zurückgewonnen war und das Ruhrgebiet wieder voll für die deutsche Rüstung eingesetzt werden konnte. Der österreichische Raum blieb in dieser Endphase der Kriegswirtschaft ebenfalls keine Einheit. Der »Industriebezirk Südost«, der unter Führung des Alpine Montan-Direktors Franz Leitner stand, umfaßte nur Wien, Nieder- und Oberösterreich, Salzburg, Kärnten und die Steiermark und hatte in Bruck/Mur im obersteirischen Industriegebiet seinen Sitz. Tirol und Vorarlberg dagegen wurden zusammen mit Bayern dem »Industriebezirk Süd« zugeschlagen. Die verinselte österreichische Rüstungsproduktion wurde in den letzten Monaten des Krieges sowohl durch den nun besonders massiven alliierten Luftkrieg als auch durch die zunehmende Rohstoff-, besonders Kohlenknappheit an einem nor- malen Ausstoß gehindert. Immerhin kamen 1945 aus Österreich noch »Volks- jäger« des Typs He 162, die in den schon erwähnten unterirdischen Anlagen in Hinterbrühl sowie Düsenjäger vom Typ Me 262, die in St. Georgen an der Gusen bei Mauthausen von den Fließbändern liefen. Die Panzer- und Gesdiützerzeugung funktionierte in österreidi bis in die letzten Kriegswochen. Die von Hitler immer wieder dringend geforderten »« ®® kamen allerdings nur mehr in einer Zahl von 22 Stück aus dem Nibelungenwerk, das sich auch jetzt noch auf die Panzer IV-Fertigung, beziehungsweise im Anschluß daran auf die Sturmgeschütze IV-Fertigung konzentrierte. Bei Böhler Kapfen- berg lief die 8,8 cm-Flakproduktion noch mit 100 Stück pro Monat, ebenso die leichte und schwere Feldhaubitzenerzeugung Trotz der bereits im Februar 1945 eingetretenen Regionalisierung des deutschen Wirtschaftskörpers betrachtete die oberste Führung die Eisenerz- und Erdölvor- kommen in Österreich wirklichkeitsfremd noch unter dem Gesichtspunkt ihrer gesamtdeutschen Bedeutung, So stellte Hitler Überlegungen an, welche Maßnah- men ergriffen werden könnten, um die Förderung des Erzberges wesentlich zu steigern®^. Als Dönitz am 5. Februar 1945 auf die entscheidende Bedeutung aus- reichender Dieselölzuteilung für die Weiterführung des U-Bootkrieges aufmerk- sam machte, operierte Hitler noch mit den Erdöllagern in Zistersdorf und Ungarn,

»» R. Wagenführ: Die deutsche Industrie im Kriege 1939—1945, Berlin, 2. Aufl. 1963, S. 117 f. (zit. Wagenführ). " Die »letzten« Rüstungsweisungen geben ein signifikantes Beispiel f. d. Traumwelt, in der sidi die oberste dt. Führung Anfang 1945 bereits befand: »Der Führer befiehlt eine Konzentration aller Kräfte, um in den nädisten Tagen und Wodien einen überhaupt möglidien Hödhstausstoß an Panzern und Sturmgeschützen zu gewährleisten.« Speer-Protokolle, 14.2. 1945, S. 468. » Ebd., 26. 2. 1945, S. 469. " Sdiausberger: Rüstung, Anl. 10 u. 18. 68 S7 Speer-Protokolle, 26. 2. 1945, S. 471. die zusammen 80% des damaligen ölaufkommens lieferten, und philosophierte über späte Erkenntnisse von der Bedeutung der Wirtsdiaft im modernen Krieg®®. In dieser Zeit verhinderten alliierte Großangriffe auch ein Wiederanlaufen einer der letzten Flugtreibstofferzeugungsstätten Deutschlands, des Werkes in Moos- bierbaum, so daß die nodi immer aus den Fabriken kommenden Jagdflugzeuge wegen Treibstoffmangels nidit aufsteigen konnten. Der endgültige Zusammenbruch der Kriegsproduktion in Österreich ist auf ver- schiedene Faktoren zurückzuführen. Zunächst konnten die Direktwirkungen des Bombenkrieges abgeschwächt werden, indem man die wichtigsten Produktions- stätten dezentralisierte und zum Teil unter Tage brachte. Erst die Krise auf dem Transportsektor, die sich seit Herbst 1944 abzuzeichnen begann und die mit dem alliierten Verniditungsschlag gegen das deutsche Verkehrswesen im Februar 1945 endete, führte zur völligen Desorganisation in der österreichischen Rüstungsindu- strie. Als die Kohlen- und Energieversorgung nicht mehr gewährleistet und infolge zerstörter Verkehrswege die Rohstoffzufuhr unterbunden war, andererseits aber die Fertigprodukte nicht abtransportiert werden konnten, war das Ende der Kriegs- wirtschaft gekommen. In Westösterreich vollzog sich dieser Prozeß erst im März und April 1945, während der Osten des Landes praktisch seit Februar paralysiert war und schließlich noch Kriegsschauplatz wurde. Die österreichische Industrie erlebte das Ende des Krieges in einer sehr untersdiiedlichen Situation. Während ihre Kapazitäten im Westen weitgehend intakt blieben, bot sich im Osten, ihrem Hauptkonzentrationsgebiet, ein Bild beinahe völliger Zerstörung. Was dort nicht dem Krieg zum Opfer fiel, wurde anschließend von den sowjetischen Truppen demontiert und außer Landes gebracht.

III Die Entwicklung der wichtigsten Produktionszweige a) Luftwaffenproduktion Bereits kurze Zeit nach dem Anschluß wurde Österreich von Göring zu einem Zentrum der deutschen Luftrüstung erklärt und ein großangelegtes Ausbaupro- gramm in die Wege geleitet. So waren im Rahmen des Krauchplanes für die Luft- rüstung neue Leichtmetallwerke vorgesehen, für deren überdimensionalen Ener- giebedarf allerdings erst die Voraussetzungen geschaffen werden mußten®®. 1940 befanden sich im Bau: die Ostmark-Flugmotorenwerke in Wiener Neudorf, die auf eine Monatsproduktion von 1000 Motoren ausgelegt waren, und die Hydro- forminganlage der IG-Farben in Mcxjsbierbaum, die der Erweiterung der deut- schen Treibstoffbasis als Spitzenwerk für die Erzeugung von Hochleistungsflug- treibstoff dienen sollte. Für die Luftrüstung bedeutungsvoll war auch der forcierte Ausbau von Holzfaserplattenfabriken in St. Veit/Glan, Kühnsdorf, Hermagor, Wörgl und Kapfenberg®® sowie die ab Juni 1941 im ötztal in Bau befindliche aerodynamische Versuchsanlage von Messerschmitt und der Luftfahrtforschungs- anstalt München®^. In Steyr nahm schließlich im Oktober 1941 auch das neue

" »Der moderne Krieg sei vorwiegend ein Wirtschaftskrieg, dessen Forderungen bevorzugte Berüdcsiditigung finden müßten.« (KTB/OKW, Bd IV, S. 1605). " Lt. Kraudiplan wurde folgender Energiebedarf der zu errichtenden neuen Werke im Donau- raum angegeben: Aluminiumwerke Krems 90 000 KW; Fisdiamend 65 000 KW u. Engerau 60 000 KW. Aluminiumwalzwerke Korneuburg 45 000 KW u. Engerau 30 000 KW. Tonerde- werk Engerau 30 000 KW. Magnesiumwerk Moosbierbaum 90 000 KW. MF: T77/749,983 799 f. Funder St. Veit/Glan u. Leitgeb Kühnsdorf/Kärnten erhielten dafür die größten Holzkontin- gente d. Ostmark, Funder mit 100000 m' das drittgrößte in Deutschland überhaupt. MF: T 77/741, 971 986. " Diese sogen. »Baustelle Inn« sollte einen in den Berg gesprengten Windkanal im Ausmaß von 69 25x25x80 m erhalten. MF: T 77/746, 978 410 f. Kugellagerwerk der Steyr-Daimler-Pudi AG seinen Betrieb auf, um mit einer vorgesehenen Monatsproduktion von über 1 Million Wälzlagern einen der ein- schneidendsten Engpässe in der deutschen Rüstungsindustrie zu beheben. Die spektakulärste Fertigungssteigerung von allen österreichischen Rüstungsfa- briken erzielten die Wiener Neustädter Flugzeugwerke, die 1942 bereits mehr als die Hälfte aller deutschen Me 109-Jagdflugzeuge produzierten®®. Die Ausstoß- erhöhung bis zu 150 Masdiinen monatlich (im Dezember 1942) war durch die Ausweitung der Teileproduktionsstänen auf Klagenfurt, Ober-Grafendorf, Ter- nitz und Fischamend möglich geworden. In der Luftrüstung erhielten ferner die Berndorfer Metallwarenfabrik (Fahrwerksreparaturen für He III und Ju 88, Teilefertigung für Do 217 und Ju 52), Messerschmitt Kematen (Luftschrauben- fertigung für Me 109, 110, 210 und 323), Flugzeugbau Kittelberger in Höäist, Bregenz und Hard (Teilefertigung für Do 217) sowie die Flugzeug- und Metall- bauwerke Wels (durchschnittlich 15—20 Reparaturen von Ju 87 pro Monat) stei- gende Aufträge. Der Anteil der in der Luftrüstung tätigen Firmen stieg 1942 im Westen Österreichs bereits auf 31%®^. In diesem Zusammenhang sind noch die Parabolspiegelfertigung für Funkmeßgeräte in Fritzens bei Innsbruck und in der Leobersdorfer Maschinenfabrik, die sehr bedeutende Scheinwerfererzeugung in Wien und Weiz und die Fertigung von optischen Geräten (Goerz Wien, Reichert Wien, Swarovski Wattens und Grill Hailein) sowie von Nachrichtengeiüten bei der Wiener Radioindustrie (Kapsdi, Horny, Wiener Radiowerke) zu erwähnen. Im November 1942 lief auch das neue Flugmotorenwerk in Steyr nach Überwin- dung vieler Schwierigkeiten an. Infolge der, wie schon erwähnt, zunächst noch luftsicheren Lage Österreichs wur- den hier auch zahlreiche Aufträge des Raketenprogrammes untergebracht. So er- hielten die Berndorfer Metallwarenfabrik einen Auftrag zur Herstellung von 1000 Köpfen und Mantelteilen der A-4-Rakete (V 2), Heinkel Jenbach für 800 Dampfanlagen zimi Antrieb der Treibstoff-Turbopumpe und M-U-T in Stcxkerau für Schubgerüste. Von den Unterlieferem waren acht in Wien und weitere in Mödling, St. Pölten, Lustenau und Kienberg lokalisiert, die A-4-Montage sollte bei den Rax-Werken in Wiener Neustadt stattfinden. Daß es zwar am 15. Okto- ber zum Anlauf der Montage kam, diese aber nach kurzer Zeit in die Harzstollen bei Nordhausen verlagert wurde, lag an der Ausweitung des amerikanischen Luft- krieges auf Österreich. Die Teilefertigung für die A-4 allerdings blieb in Öster- reich konzentriert, wo vor allem Wien mit den Werken von Email, Saurer, Hofherr u. Schrantz und Simmering-Graz-Pauker sowie Heinkel Jenbadi und Bemdorf die Schwerpunkte bildeten. Trotz der Störung durch den Luftkrieg lief die übrige Fertigung für die Luft- waffe in Österreich in steigender Quantität und Qualität weiter. So konzen- trierte sich in Tirol und Vorarlberg die empfindliche Erzeugung für das Funk- meßprogramm. In Zusammenarbeit mit Philips Eindhoven wurden die Metall- werke Plansee bei Reutte der Leitbetrieb für die Planung der Röhrenfertigung für Funkmeßgeräte im Deutschen Reich, in die Produktion waren femer Ferti- gungsstätten in Wolfurt, Hard, Bludenz und Innsbruck eingeschaltet®®. Organi- sationsmängel traten dagegen bei den zwei größten Luftwaffenfabrikationsstät-

Von 2673 Me 109 d. Gesamtproduktion Deutschlands lieferte 1942 Wiener Neustadt 1400 Ma- sdiinen. Sdiausberger: Rüstung, Anl. 5. " MF: T 77/740, 970 517. AEG Wien erzeugte t942 durdisdinittl. 24 Stdt. 150 cm-Scheinwerfer monatl., Elin Wien 15 Stdt. MF: T 77/743, 974 197. 70 0» MF: 7 77/746,979 308. ten in Tirol auf. Heinkel Jenbadi und Messerschmitt Kematen, zwei modern aus- gestattete Betriebe mit einem hochqualifizierten Arbeiterstab, liefen lange Zeit nur mit Füllaufträgen, weil dauernde Umänderungen in der Produktion keinen zweck- entsprechenden Einsatz dieser wertvollen Kapazitäten gestatteten. In Kematen wurden bis 1943 nicht weniger als sechs Umplanungen befohlen, gewöhnlich immer dann, wenn gerade eine Fertigung vor dem Anlauf stand. Erst Ende des Jahres kam eine Teilefertigung für Me 109, Me 110 und Me 410 in Schwung®®. Die Wiener Neustädter Flugzeugwerke hatten 1944 die Dezentralisierung ihrer Produktion abgeschlossen; allerdings wurden die wichtigsten Verlagerungsobjekte in Klagenfurt und in Niederösterreich ebenfalls vom Luftkrieg erfaßt. Die Me 109- Produktion erreichte im Jahre 1944 ungeachtet aller genannten Sdiwierigkeiten ihren absoluten Höhepunkt. Nur Anfang des Jahres fiel die Fertigung infolge der Verlagerung zurück; im Februar 1944 wurden nur 67 Maschinen ausgelie- fert, bereits im März aber erzielte man mit 400 fertiggestellten Me 109 einen neuen Rekord. Im April 1944 erreichten die Wiener Neustädter Flugzeugwerke mit 443 Masdiinen ihren Hödistausstoß, dann begannen sidi die Angriffe auf die Verlagerungsobjekte auszuwirken und die Produktion sank im Juni auf 150 Flug- zeuge. Ein kontinuierlicher Anstieg der Fertigung erlaubte im Dezember 1944 wie- der die Auslieferung von 390 Maschinen. Von den 14 765 Me 109, die 1944 in Deutschland erzeugt wurden, stammten 3564, das heißt rund ein Viertel, aus Österreich. Auch die Heinkel-Produktion stieg in Österreich dauernd an. So erreidite das Naditjägerwerk in Schwediat eine Monatsproduktion von 17 Stüd^ He 219 N, bis es durch Luftangriffe im Mai 1944 zur Untertageverlagerung gezwungen wurde. Zu diesem Zweck wurde die als Ausflugsziel bekannte »Seegrotte«, ein ehemaliges Gipsbergwerk in Hinterbrühl bei Mödling, beschlagnahmt und mit 1200 KZ-Häftlingen die Nachtjägerfertigung aufgezogen®®. Im selben Objekt begannen auch die Arbeiten am sogenannten »Volksjäger« He 162, mit dessen Konstruktion Heinkel im September 1944 begonnen hatte und dessen erster Proto- typ bereits am 6. Dezember 1944 flugklar war. Für vier weitere neue Flugzeugtypen wurden in Österreich Vorarbeiten getrof- fen, beziehungsweise die Teilefertigung aufgenommen. Die Montage der über- legenen Düsenjagdmasdiine Me 262, die auf Befehl Hitlers als Jagdbomber ge- baut werden mußte wurde unter Leitung der SS in den unterirdischen Anlagen in St. Georgen bei Mauthausen unter Heranziehung von KZ-Häftlingen ab März 1944 begonnen; Messersdimitt Kematen und die nach Schwaz/Tirol verlagerten Messerschmitt-Werke waren ebenfalls an dieser Produktion beteiligt™. Im Heinkel-Entwicklungswerk in Zwölfaxing südöstlich von Wien war im Früh- jahr 1944 der in Wien konstruierte viermotorige Langstreckenbomber He 277 als Weiterentwicklung der von Hitler abgelehnten He 177 fertiggestellt und erprobt worden. In die Teilefertigung dieses kostspieligen Projektes war audi Heinkel Jenbach eingeschaltet, bis auf Betreiben des Jägerstabes im Juli 1944 der Bau überhaupt eingestellt wurdeIn die unterirdischen Veriagerungsobjekte von Heinkel Jenbadi, den Achenseetunnel, wurde nun eine Teileproduktion für den Raketenabfangjäger Me 163 gelegt.

" MF: T 77/746, 979 355. " Sdiausberger: Rüstung, Anl. 5. <» MF: T 77/747, 980917. •• »Der Führer hält an seinem Befehl fest, daß die Me 262 in der Produktion zunädut aus- sdiließlich als Bomber anlaufen darf.« Speer-Protokolle, 7. 6.1944, S. 378. Genaue Produktionszahlen waren nidit mehr zu eruieren. 71 n Milward, S. 127 f. Die nadi Vorarlberg verlagerten Dornier-Betriebe forcierten sdiließlidi unter höchster Dringlidikeitsstufe die Entwicklung und Teilefertigung der Do 335, eines zweimotorigen Mehrzwedijägers. Dafür waren vor allem die Höhlen bei Hohen- ems als Fertigungsstätten vorgesehen Für die Teilefertigung der A-4-Rakete waren in österreidi 1944 vor allem Hofherr u. Schrantz in Wien-Floridsdorf, die Berndorfer Metallwarenfabrik und Heinkel Jenbadi eingesetzt'®. Auch die Prüfung der Raketentriebwerke und die Erzeugung von Raketentreibstoff war in Österreich geplant. Zu diesem Zweck wurden bereits im Herbst 1943 in Neu- kirchen an der Vöckla in Oberösterreich die Kellereien der Brauerei Zipf be- schlagnahmt und dort ein KZ-Nebenlager für 220 Häftlinge errichtet. Infolge zweier Explosionen kam es aber nicht zur Erprobung der A-4-Antriebsaggregate, stattdessen wurde die Erzeugung von Sauerstoff aufgenommen'*.

b) Panzerproduktion Zu Beginn des Krieges befanden sich in Österreich nur Zulieferwerke und Teile- fertigungen für die Panzerproduktion, So gehörten Böhler Kapfenberg und das neue Sdioeller-Bleckmann-Werk in Mürzzuschlag zu den wütigsten Fertigungs- stätten für Aufbauten von leichten und scJiweren Panzerspähwagen, von Panzer- funkwagen sowie von leichten und mittleren gepanzerten Beobacjitungskraftwagen in Deutschland. Weitreichende Bedeutung für die Panzerrüstung gewann Öster- reich erst 1942, als eines der größten deutschen Montagewerke die Produktion aufnahm. Das unter großem Kostenaufwand errichtete Nibelungenwerk in St. Valentin, das im April 1942 mit dem Serienlauf des Panzer IV begann, erzielte auf Anhieb 16% der Gesamtproduktion dieses damals wichtigsten deutschen Panzers'®. In St. Valentin kam es im März 1942 bereits zum Zusammenbau des Porsche-)>Tiger«, dessen Produktion auf Befehl Hitlers beschleunigt vorangetrieben wurde. Wegen dauernder Motorschwierigkeiten und Fahrgestelländerungen kam der Porsche- »Tiger«, von einzelnen Prototypen abgesehen, aber nicht in Serienfertigung und wurde durch den Henschel-»Tiger« ersetzt. Dagegen wurden österreichische Be- triebe in die Teilefabrikation für den neuen deutschen Panzer V-»Panther« ein- bezogen, so vor allem Böhler Kapfenberg und die Eisenwerke Oberdonau in Linz (Wannen und Türme), Schoeller-Bleckmann Ternitz (Gleisketten) und Puch Graz (Getriebe). Die Kapfenberger Böhler-Werke steigerten 1942 ihren Ausstoß an gepanzerten Fahrzeugen weiter'®, zusammen mit den Eisenwerken in Linz lösten sie außerdem die Krupp-Werke in Essen in der Produktion von Panzer IV-Wan- nen und -Oberteilen ab, die zum Zusammenbau an das Nibelungenwerk gingen. Mit der zunehmenden Verstärkung der Panzerung war auch die Entwicklung ent- sprechender panzerbrechender Granaten verbunden. Das führende Werk auf die- sem Gebiet in Österreich waren die Enzesfelder Metallwerke, denen die Entwick-

" »Führer . . . erwartet, daß der befohlene unterirdlsdie Bau in Überlingen und Hohenems . . . mit aller Beschleunigung bezugsfertig hergeriditet« wird. Speer-Protokolle, 30. 4.1944, S. 355. " Jenbadi lieferte im 1. Halbj. 1944 rd. 1600 T-Anlagen u. 615 Geräteräume. Hofherr u. Sdirantz Kopfelemente u. Berndorf Mantelteile u. Kopfelemente. MF: T 77/746, 979 501 f. 7« Das sog. Werk »Sdilier« in Neukirdien a. d. Vödda, als Nebenbetrieb der DEST (Deutsdie Erd- u. Steinwerke GmbH = das größte Wirtsdiaftsunternehmen der SS) geführt, lieferte bis Kriegssdiluß Raketentreibstoff. S. Ms. von R. Kutsdiera, in: Ardiiv d. Instituts f. Zeitge- sdiidite d. Univ. Wien. " Von 964 Panzer IV d. Gesamtproduktion Deutsdilands lieferte 1942 St. Valentin 165 StA.; Sdiausberger: Rüstung, Anl. 10. Böhler Kapfenberg erreidite 1942 eine durdisdinittl. Monatsproduktion v. 75 Aufbauten f. leidite Sdiützenpanzerwagen, von 20 Aufbauten f. schwere Panzerspähwagen u. von 250 Pan- 72 zersdiilder; ebd., S. 148. lung von Panzergranaten und die Produktionssteigerung der 7,5 cm-Panzergra- nate 41 auf 8000 Stück pro Monat übertragen wurde". In den ersten Monaten des Jahres 1943 stand die Erfüllung des wesentlich erwei- terten »Adolf Hitler-Panzerprogramms« als dringendste Aufgabe der Rüstung auch in Österreich im Mittelpunkt der Anstrengungen. Für einen großen Schlag an der Ostfront im Raum von Kursk sollten die neuen — wie man hoffte über- legenen — Panzer vom Typ »Panther« und »Tiger« bereitgestellt werden. Trotz des Hinweises auf die noch zu geringe Erprobung und auf bestehende Mängel am Laufwerk forderte »der Führer, daß die 90 Sturmgesdiütze auf Fahrgestell Porsche-»Tiger« mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unter kürzestem An- lauf an die Front gebracht werden« Dabei handelte es sich um das sogenannte Stuirmgeschütz »Ferdinand«, dessen Fertigung von Alkett Berlin in das Nibelun- genwerk St. Valentin verlegt worden war'®. In Sonderschiditen gelang es bis 12. Mai 1943 86 »Ferdinand«-Jagdpanzer in St. Valentin zu bauen und ebenso wie die neuen Sturmpanzer IV für die Kursker Operation bereitzustellen. In die Wannenfertigung für den Sturmpanzer IV »Brummbär« waren Böhler Kapfen- berg und die Eisenwerke Oberdonau in Linz eingeschaltet, die Fahrgestelle lie- ferte das Nibelungenwerk, der Aufbau erfolgte unter Leitung des Heereszeug- amtes Wien bei Saurer und Simmering-Graz-Pauker in Wien Audi die Teilefer- tigung für den von großen Erwartungen begleiteten Panzer des Typs »Panther« wurde 1943 in Österreich stark ausgeweitet. Die Eisenwerke in Linz lieferten 728 Wannen und 574 Türme, Gleisketten und Laufradkurbeln, Böhler Kapfen- berg monatlich durchschnittlich 100 Wannen und 120 Türme in das »Panther«- Montagewerk MAN Nürnberg. 250 Stück 7,5 cm-Kampfwagenkanonen, 42 für den »Panther«, kamen pro Monat von Schoeller-Bleckmann Temitz, Sdiember Atzgersdorf und Waagner-Biro Vösendorf. Als Unterlieferer für das Getriebe und das Triebwerk dieses Panzers waren auch zahlreiche Vorarlberger Firmen einge- setzt. Trotz der verstärkten Fertigung neuer Panzertypen und auch von Panzerjägern blieb die Produktion des Panzers IV weiterhin der Schwerpunkt der Panzer- fertigung in österreidi. Von den 3073 Panzern IV, die 1943 in Deutschland her- gestellt wurden, stammten 1376, das heißt 44%, aus dem Nibelungenwerk, dies waren rund 11 % der gesamten deutschen Panzererzeugung Dem Montagewerk in St. Valentin lieferten die Eisenwerke in Linz (1305 Wannen und 1275 Türme), Böhler Kapfenberg (Wannen, Türme und die 7,5 cm-Kampfwagenkanonen 40, deren Teilefertigung bei Schoeller-Bleckmann Ternitz, Gußstahl Judenburg und Klinger Gumpoldskirchen erfolgte). Schließlidi soll noch die Fertigung von Schützenpanzerwagen erwähnt werden: Böhler Kapfenberg erzielte 1942/43 ei- nen Ausstoß von 1075 Stück Aufbauten für leidite Schützenpanzerwagen (Sd. Kfz. 250), Schoeller-Bleckmann Ternitz von 893 für mittlere Schützenpanzer- wagen (Sd. Kfz. 251)82. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, einen Blick auf den Sektor der Edel- stahlproduktion zu werfen, der infolge verfehlter Planung ständig zu den Eng-

" MF: T 77/745, 976940 f. '« Speer-Protokolle, 677. 2. 1943, S. 228. " Genaue spätere Bezeidinung: Jagdpanzer Tiger (P) »« (Sd. Kfz. 184 s) mit 8,8 cm L71. S. Senger und Etterlin, S. 197 u. 320 f. 8» Speer-Protokolle, 4. 5. 1943, S. 255: Dem Heereszeugamt Wien soll der Dank Hitlers für die »hervorragenden Leistungen« beim Aufbau der Sturmpanzer u. bei der Fertigstellung d. »Ferdi- nande« übermittelt werden. " Sdiausberger: Rüstung, Anl. 10, 11 u. 17. 73 M Ebd. paßgebieten der deutschen Rüstung gehörte. 1943 wurde die Ausweitung der Eisen- und Stahlerzeugung mit allen Mitteln gefordert: »Der Führer ist der Mei- nung, daß die Eisenerzeugung nodi viel weiter gesteigert werden könnte; im be- sonderen soll der Eisenerzberg in der Ostmark auf keinen Fall geschont wer- den®®.« In den ersten Apriltagen 1943 erkundete Speer daher bei einer Reise in die Obersteiermark die Möglichkeiten für eine Ausweitung der Stahlbasis®*. Sdiließlich traf er auch Anordnungen, die Elektrostahlkapazität, die einen guten Gradmesser für die Technisierung eines Krieges darstellt, energisch zu erweitern. Bei den Eisenwerken in Linz wurde daraufhin, früher als geplant, der dritte 20 t- Elektroofen in Betrieb genommen, die entsprechenden Anlagen in Kapfenberg, Donawitz und Ternitz wurden ebenfalls vergrößert. Die bedeutendsten Produktionserfolge in Österreich auf dem Sektor Rüstung wur- den 1944 bei der Panzerfertigung erzielt. Dazu kam es, weil Hitler immer stär- ker auf höhere Ausstoßzahlen drängte und die alliierten Luftangriffe sich erst in der zweiten Jahreshälfte gegen die Panzerfabrikationsstätten richteten. Das Nibe- lungenwerk in St. Valentin bestritt mit einem Ausstoß von 2809 Panzern IV®® bereits den Großteil der Gesamtproduktion dieses Panzers (3366 Stück), dessen Fertigung allerdings in der zweiten Jahreshälfte zugtmsten von Sturmgeschützen, Panzerjägern und Selbstfahrlafetten, die fabrikatorisch wesentlich weniger auf- wendig waren, stark gedrosselt wurde. In St. Valentin lief 1944 audi die Ferti- gung des schwersten deutschen Panzerfahrzeuges, das zum Einsatz kam, des 72 t- »« an. Bis Ende des Jahres wurden 48 Stück ausgeliefert, bis Kriegs- sdiluß baute St. Valentin als alleiniges Lieferwerk insgesamt 70 »Jagdtiger«®®. Am 17. Oktober 1944 traf im Rahmen der Luftoffensive der Alliierten gegen Panzerfabrikationsstätten audi das Nibelungenwerk ein schwerer Luftangriff; trotz großer Sdiäden lief die Produktion aber bald wieder an. Obwohl auch die Eisenwerke Oberdonau in Linz von Luftangriffen nicht ver- schont blieben, erreichte die dortige Panzerteileproduktion 1944 ihren absoluten Höhepunkt®^. Die Panzer- und Panzerteileproduktion lief in Österreich fast bis in die letzten Kriegstage; sie hatte neben der Luftwaffenfertigung die größte Be- deutung für die deutsche Rüstungsindustrie.

c) Munitionserzeugung Die Entwicklung der Munitionsproduktion in Österreich ist symptomatisch für die krisenhafte Situation auf diesem Sektor. Im Herbst 1939 wurden im Rahmen der Ausweitung der deutschen Munitionserzeugung größere Aufträge audi nach Österreich vergeben, mit den Schwerpunkten Wiener Becken, Obersteiermark und Vorarlberg. Infolge finanzieller Schwierigkeiten, mangelnder Lehren und Fach- arbeiter konnten die Betriebe aber den Anlauftermin März 1940 nicht einhalten. Gerade als im Juli 1940 der Anlauf begonnen hatte, folgten eine Abstopverfügung

8» Speer-Protokolle, 6. 3. 1943, S. 238. Speer traf am 1. 4. 1943 in Begleitung v. Generaldirektor Pleiger v. d. Reichswerken am stei- risdien Erzberg ein. Er forderte, die tägl. Förderung unter Einsatz v. 4000 KZ-Häftlingen V. 10000 auf 20000 t zu steigern. MF: T 77/740,970 782. Sdiausberger: Rüstung, Anl. 10. « Ebd. " Ebd., Anl. 11 u. 17. Es wurden ausgeliefert: 1797 Wannen u. 1655 Aufbauten für Panzer IV, 1255 Wannen u. 1211 Türme f. d. »Panther« u. 70 Wannen f. d. »Jagdtiger«, dazu Antriebs- räder f. d. »Tiger II« (Königstiger). Böhler als weiteres Panzerteilewerk lieferte 1944 Wannen u. Aufbauten f. d. Panzer IV, Wannen f. d. Sturmgeschütz IV, Wannen u. Aufbauten f. d. Jagdpanzer IV sowie etwa 120 Türme u. 100 Wannen monatl. f. d. »Panther«; Sdioeller-Ble(k- 74 mann stellte weiterhin Aufbauten f. d. mittleren Sdiützenpanzerwagen her. des OKW®®, weil man den Krieg für gewonnen hielt, und im August 1940 eine einschneidende Typenänderung von Feldhaubitzengranaten auf Flakmunition. Kurze Zeit darauf wurde eine erneute Steigerung der Rüstungsproduktion befoh- len, weil »der Führer die gesamte Situation jetzt anders ansehe« Statt der Flakmunition wurde nun eine Konzentration auf Feldhaubitzen-, Pak- und Infanteriegesdiützgranaten angeordnet. Infolge dieser ständigen Änderun- gen war der Munitionsausstoß 1939/40 in österreidi praktisch bedeutungslos. Da man diese Auftragsmethoden auch weiterhin beibehielt, wurde er zum Sorgen- kind der Rüstung in Österreich. Es wurden auch weiterhin ununterbrochen Typenänderungen vorgenommen, so daß die Kapazität der Werke in keiner Weise ausgenützt werden konnte. Es war unmöglich, sich auf eine kontinuierliche Produktion einzustellen. Das brachte eine große Unsidierheit in die Fertigung, daß sich viele kleinere österreichische Be- triebe der immer expansiveren und audi lukrativeren Panzer- und Luftwaffen- fertigung zuwandten. Als Speer schließlich Auftragsgarantien vergab und die Belegung der Betriebe mit möglichst wenig Auftragsarten befahl®», war schon ein Teil der österreidiischen Produzenten in andere Fertigungen abgewandert. Die Munitionserzeugung läßt sich daher nicht in den allgemeinen Trend nach Aus- stoßsteigerung seit 1942 einreihen, wenn man von den wenigen Spitzenbetrieben in Enzesfeld, Wiener Neustadt, Hirtenberg und Wien absieht. Da infolge des zunehmenden Luftkrieges der Bedarf an Flakmunition anstieg, gewann außer- dem das Planseewerk in Reutte/Tirol als Entwicklungs- und Erzeugungswerk von Weidieisenführungsringen für die Flakgranaten eine führende Stellung Es war charakteristisch für die Entwidmung der deutschen Rüstungsproduktion, daß gegen Ende des Krieges wieder, wie zu Beginn, die Munitionserzeugung an die Spitze der Dringlichkeit rückte. Je mehr Großkampffronten versorgt werden mußten, desto unzureichender wurde die Munitionserzeugung. Es kam hinzu, daß Defensivoperationen gewöhnlich wesentlich mehr Munition verbrauchen als An- griffskämpfe und daß der alliierte Luftkrieg den Bedarf an Flakmunition sprung- haft ansteigen ließ. Aus diesem Grunde verfügte Speer die Einreihung der Muni- tionserzeugung in die höchste Dringlichkeitsstufe®®, und Hitler befahl bei allen Schwerpunktkalibern sofortige Höchststeigerung der Produktion. Damit wurde die Dringlidikeitsrangordnung der Fertigungen, die damals schon äußerst kom- pliziert war, nodi unübersichtlicher. Schließlich machte die Gleichstellung des Munitionsprogramms mit den bisher besonders bevorzugten Fertigungen (zum Beispiel Raketen-, Jäger- und U-Bootprogramm) jede Dringlichkeitseinstufung überhaupt illusorisch. Die Schwerpunkte der Munitionsindustrie lagen in Wien mit dem Wiener Bek- ken, in der Obersteiermark und Graz sowie in Vorarlberg. Daneben entstand in Imst in Tirol ein neues hochmodernes Zünderwerk. In Kasem bei Salzburg wurde der Guß von Wurfgranaten und in Schneegattern/Oberösterreich die Roh-

" Munitions-Abstopverfügung v. 4. 7. 1940 (MF: T 77/750, 984 618) u. OKW-Erlaß ü. d. Umsteuerung d. Rüstung v. 9. 7. 1940, demzufolge d. Munitions- u. Sprengstoffproduktion wieder zurückgestellt wurde; Thomas, S. 408—411. " Darin widerspiegelt sidi Hitlers Entschluß, einen Blitzkrieg gegen die Sowjetunion im Friihj. 1941 zu führen. Mitteilung von Gfm Keitel an Gen. Thomas am 2. 8. 1940, KTB/OKW, Bd I, S. 969. •0 Speer, S. 224. ** In Reutte verbraudite man tägl. je 200 kg Wolfram u. Molybdän zur Sinterung des in Ring- form gepreßten Weidieisenpulvers. MF: T 77/745, 978 386. " Anordnung d. Reidisministers f. Bewaffnung u. Munition v. 18. 7. 1943. MF: T 77/743, 75 974636. lingszulieferung voll aufgenommen. Zur Erweiterung der Sprengstoffbasis lief neben den alten Pulverfabriken in Blumau, St. Lambredit, Stadl-Paura und Ulmer- feld die Hexadiloräthananlage der Donauchemie in Brückl/Kärnten an ®® und am 21. März 1943 verließ der erste mit Kalkammonsalpeter beladene Zug das nun- mehr größte Chemiewerk Österreichs, die Linzer Stickstoffwerke, deren zweite Ausbaustufe auf jährlich 100 000 t ReinstiAstoff angelegt war®^. Der ständig steigende Bedarf an Hartkernspezialgeschossen zur Panzerbekämp- fung und der Wolframmangel führten zum Ausweichen auf Uranverarbeitung für Hartkerngeschosse; dabei nahm die Radium- und Uranabteilung der Chemi- sdien Werke Treibach in Kärnten eine führende Position ein®®.

d) Sonstige wichtige Produktionen Der größte Rüstungsbetrieb in Österreich waren die Steyrwerke mit einem viel- fältigen Erzeugungsprogramm®®, das Gewehrläufe, Karabiner, Pistolen und Maschinenpistolen, Panzerbüchsen und Maschinengewehre sowie Krafträder, Personen- und Lastkraftwagen umfaßte®^. Während des Krieges steigerten sie ihre Produktion beträchtlich. Als bedeutendstes österreichisches Geschütz- und Kanonenwerk ist Böhler Kapfenberg anzusehen. Es lieferte 3,7 cm- und 7,5 cm- Kampfwagenkanonen, 4,7 cm-Panzerabwehrgeschütze, leidite und schwere Feld- haubitzen sowie 8,8 cm-Flakgeschütze ®®. Die Wiener Ostmarkwerke wurden zu einem der Hauptlieferanten der 2 cm-Flak 38-(auch Vierling)Geschütze, während die Florisdorfer Lokomotivfabrik in Wien drei 15 cm-Kanonen pro Monat her- stellte®». Für die Geschütz- und Kanonenfertigung wirkte sich besonders der Führerbefehl bezüglich der Steigerung der 8,8 cm-Flak 36 und der leichten Feldhaubitzen 18 aus^®®. Böhler Kapfenberg lieferten 1942 von der deutsdien Gesamtproduktion an 8,8 cm-Flakgeschützen (2876) 374 und von der leichten Feldhaubitzenpro- duktion (1296) 210 Stück"!. Der harte Kriegswinter 1941/42 hatte gezeigt, daß im Osten ein leistungsfähiges, einfaches Schlepperfahrzeug für die leichte Feldhaubitze fehlte, das auch zum Transport der Bedienungsmannsdiaften geeignet war. Diplom-Ingenieur Hadcer von den Steyrwerken hatte daraufhin die Konstruktion eines »Raupensdileppers Ost« vorgelegt, die die Zustimmung Hitlers fand, worauf der Schlepper vorrangig hergestellt werden sollte'®®. Im Oktober 1942 kam die Fertigung des Vollketten- fahrzeuges in Steyr, Wien (bei Graf u. Stift) und in Ulm (bei Klöckner-Humboldt

" MF: 7 77/747,981 211 f. " Osterreichisdie Stickstoffwerke AG, Linz 1951, S. 7. " MF: T 77/748, 981413. »• Schausberger: Rüstung, Anl. 9. MF: T 77/750, 984 620 f. Bei einem Besdiäftigtenstand v. 13 700 Mitarbeitern lieferten d. Steyrwerke im Zeitraum v. 1938—1940 (96): 511000 Gewehrläufe, 110000 Karabiner K 98 sowie 12 500 G 29, 34200 Maschinenpistolen 40, 12 000 Vis-Pistolen, 2000 PanzerbüAsen 39 u. 800 Maschinengewehre 34. Außerdem wurden in dieser Zeit im Werk Steyr 12 900 Per- sonenkraftwagen u. 2000 Lastkraftwagen, im Werk Graz monatl. 200 leidite u. 350 schwere Motorräder erzeugt. So erreichte Böhler Kapfenberg 1940 eine durchschnittl. Monatskapazität v. 25 4,7 cm-Pak, 8 8,8 cm-Flak 36, 10 leiditen Feldhaubitzen 18 u. 5 sdiweren Feldhaubitzen 18. MF: T 77/738, 968 139 ff. •• Schausberger: Rüstung, Anl. 17 u. 18. '»» Speer-Protokolle, 19. 3. 1942, S. 81 f. "" Sdiausberger: Rüstung, Anl. 18. Speer-Protokolle, 7.-9. 9. 1942, S. 181: »Der 'Raupensdilepper Ost' ist mit aller Besdileuni- gung zu steigern, als geeignetes Fahrzeug sowohl für den Winter als audi für die Schlamm- 76 periode.« Deutz) zum Anlauf. Steyr brachte es 1942 statt der geforderten 900 Fahrzeuge allerdings nur auf 247 Stüdi'®®, erzielte in diesem Jahr aber auf anderen Ge- bieten weitere Produktionssteigerungen. Bemerkenswert ist vor allem der Aus- stoß von MG 42 und von Masdiinenpistolen sowie von Wälzlagern und Flug- zeugkabinen Ein besonderes Kapitel der Produktionen des Jahres 1942 bildete der Groß- serienbau der berühmten Kriegslokomotive Baureihe 52, deren Fertigung vor allem in der Florisdorfer Lokomotivfabrik in Wien, bei Krupp in Essen und bei Hensdiel in erfolgte. Nadi einem dauernden deutlichen Produktionsan- stieg wurde das Wiener Werk 1942 mit einem Ausstoß von monatlich 75 Loko- motiven zum führenden Produzenten ganz Deutschlands"®. Die entsprediende Tenderfertigung wurde in den Wiener Neustädter Rax-Werken vorbereitet, die ebenso wie die Florisdorfer Lokomotivfabrik selbst der Hensdiel-Konzem er- warb. Auch im Jahre 1943 dominierte bei der Geschütz- und Kanonenfertigung im österreichischen Raum die Produktion von Flak- und Pakgeschützen Die Führerforderung, »daß die Karabinerfertigung unter allen Umständen kurz- fristig auf ein Höchstausbringen gesteigert werden muß« hatte eine wesentliche Erhöhung der Fertigungsergebnisse in den Steyrwerken zur Folge Am wichtigsten für die deutsche Rüstungsindustrie war aber die Ausweitung der Kugellagerfertigung. Nachdem die amerikanische Luftwaffe ihre schweren An- griffe gegen den Kugellagerproduktionsschwerpunkt in Schweinfurt geflogen hatte, gewann die Fertigung der Steyrwerke auch auf diesem Sektor immer größere Bedeutung"». Insgesamt arbeitete die Steyr-Daimler-Pudi AG im Jahre 1943 bereits mit sieben Fertigungsstätten: Das Werk Steyr lief in der Waffen- und Fahrzeugproduktion, das Werk Steyr-Münichholz als Luftwaffenwerk in der Kugellager-, Flugmoto- ren- und Kabinenfertigung, das Werk Steyr-Letten in der Gewehrläufe- und Schäfteherstellung, das Puchwerk Graz in der Zweirad- und Waffenteileproduk- tion, das Werk Graz-Thondorf in der Panzermotoren- und Flugmotorenteile-

MF: T 77/744, 976 294. Auf der Rüstungskonferenz v. 14./15. 4. 1942 stellte Hitler die Forderung auf, die MG 42- u. die Masdiinenpistolenfertigung zu steigern. Steyr erzeugte 1942 1000 MG 42 und mit 125 000 von 231 483 mehr als die Hälfte der dt. MPi-Produktion. Speer-Protokolle, S. 97. 5,28 Mill. Wälzlager u. 1100 Kabinen f. versdiiedene Messerschmitt-Typen. Außerdem lie- ferte Steyr 680000 Gewehrläufe, 200000 Karabiner K 98, 4000 G 29 u. 51000 Vis-Pistolen sowie 2400 IV» t-Lastkraftwagen. Sdiausberger: Rüstung, Anl. 9. los 1942 -virurden damit rd. Va aller deutschen Lokomotiven in Wien erzeugt. Die beiden anderen Großfertiger Krupp u. Henschel kamen nur auf eine Monatsproduktion v. 70 bzw. 40 Stck. MF: T 77/747, 980 807. MF: T 77/745, 977208. Bei Böhler wurden 1943 492 8,8 cm-Flakgeschütze 36 hergestellt, bei den Wiener Ostmarkwerken lief die 2 cm-Flak 38-Fertigung mit 100 Stck. monatl^ dazu kam die Schießbcxkerzeugung für das 2 cm-Flakrohr. In Ternitz bei Sdioeller-Bleckmann lief nach Aufstellung eines neuen 3 t-Liditbogenofens u. des 7 t-Elektroofens neben der 7,5 cm-Pak 40- Teilefertigung unter hödister Dringlichkeitsstufe ein Auftrag von monatl. 10 Stdc. Rohteilen f. d. neue 12,8 cm-Pak 44 an. Böhler lieferte ferner in steigender Anzahl leichte u. sdiwere Feld- haubitzen 18 sowie die vom Werk selbst entwickelte 10,5 cm-Gebirgshaubitze 40. Speer-Protokolle, 6. 3. 1943, S. 234. In Steyr wurden 890000 Karabinerläufe u. 300000 Kara- biner K 98 hergestellt. Dazu kamen 175 000 Masdiinenpistolen 40 u. 140000 Vis-Pistolen. Ende d. Jahres kam auch die Produktion d. Maschinengewehrs 42 mit 4000 Stck. (im Dez.) in Vollauf. Insgesamt wurden 1943 von dieser überlegenen Waffe 32 000 Stck. in Steyr gebaut. Schausberger: Rüstung, Anl. 9. Kurzfristig war Steyr das größte Lieferwerk dieses begehrten Engpaßproduktes. Im Dez. 1943 wurden in Steyr bereits mehr als 10% d. gesamtdeutsdien Kugellagerproduktion hergestellt (786000 Wälzlager bei 9,2 Mill. Stck. deutscher Gesamt- produktion). Der Gesamtausstoß d. Steyrwerke im Jahr 1943 v. 8,65 Mill. Stdk. entspradi 77 ungefähr einer dt. Monatsproduktion. fertigung und das Werk Kromag Hirtenberg als Waffen- und Fahrzeugteilewerk. Hinzu kamen für Zulieferungen die von der DEST gepachteten Anlagen des Gesamtwerkes Gusen, in denen später unter Heranziehung von Häftlingen des Konzentrationslagers Mauthausen eine Me 262-Fertigung aufgezogen wurde Da im Februar 1944 auch die Steyrwerke im Rahmen der alliierten Luftoffensive gegen die deutsche Flugzeugindustrie und ihre Zulieferwerke von einem schweren »double blow« betroffen wurden, mußten aucJi hier Verlagerungen und Unter- tageverlegungen, vor allem der kostbaren und besonders empfindlichen Kugel- lagerfertigung vorgenommen werden. Die nur auf wenige Werke in Schweinfurt, Berlin, Cannstatt und Steyr beschränkte deutsche Kugellagerproduktion bildete als Zulieferer für die meisten Rüstungsfertigungen vor allem für die Flugzeug- und Panzererzeugung das schwächste Glied in der Kette der deutschen Rüstungs- produktion. Trotz der Verlagerung (in die Kelleranlagen der Aktienbrauerei Linz) und der Luftschäden, die nach einem schweren Angriff Anfang April 1944 zu einem dreimonatigen Totalausfall führten, erreichte die Wälzlagerproduktion der Steyrwerke nach dem Höchststand vom Januar 1944 (874 000) und dem Rückschlag vom März 1944 (517 000) im September 1944 wieder 770 000 Stück. Mit insgesamt 5,75 Millionen Stück betrug 1944 die Kugellagererzeugung in Österreich etwa 10®/o der deutschen Gesamtfertigung Entscheidend dabei war aber nicht die Quantität der Fertigung in Steyr, sondern die Tatsache, daß hier Speziallager für die Luftwaffe hergestellt wurden, wodurch die Bedeutung von Steyr weit über den 10 %igen Produktionsanteil hinausging Das von Hitler befohlene »Infanterie-Programm«, das die »laufende Monatser- zeugung an Gewehren, Maschinenpistolen, Maschinengewehren« und so weiter vorantreiben sollte^", konnte sich 1944 in Steyr wegen der schweren Luftschä- den nur teilweise in einer Produktionssteigerung auswirken Im selben Jahr er- hielt die Flakwaffenproduktion immer mehr Vorrang. Verärgert über die gerin- gen Erfolge der Luftwaffe forderte Hitler im August 1944 sogar die sofortige Einstellung der Flugzeugproduktion zugunsten eines auf die zehnfache Ausstoß- leistung gesteigerten Flakprogramms akzeptierte aber dann Speers Vorschlag, das Flakprogramm in die gleiche Dringlichkeit wie das Jägerprogramm einzu- stufen. Dadurch erreichte die Flakwaffenerzeugung im Dezember 1944 ihren ab- soluten Höhepunkt. Diese Entwicklung schlug sich auch in der österreichischen Rüstungsindustrie nieder"®.

E. Georg: Die wirtsdiaftlidien Unternehmungen der SS (= Schriftenreihe d. VJZG, 7, S. 42 f. u. 57). Sdiausberger: Rüstung, Anl. 9. MUward, S. 110. Speer-Protokolle, 6.-8. 7. 1944, S. 393. Wagenführ, S. 115. Während die MG 42-Er2eugung im Jahre 1944 auf 46500 Stdt., davon 5000 Stdi. nodi im Dez., emporschnellte u. rd. 20% d. dt. Gesamtproduktion betrug, fiel die Karabinerfertigung auf 220 000, die Vis-Pistolenfertigung auf 65 000 Stck. zurück. An Stelle d. Masdiinenpistole 40 wurde 1944 d. Erzeugung des Sturmgewehrs 44 aufgenommen u. mit 12 500 St(k. etwa Vs d. dt. Gesamtproduktion hergestellt. Speer, S. 416. Sdiausberger: Rüstung, Anl. 17 u. 18. Die Wiener Ostmarkwerke erreiditen ihren Hödisdauf mit 120 Stck. 2 cm-Flak 38 pro Monat u. mit 2 cm-Flakvierling 38, in der 8,8 cm-Flak 36- Erzeugung kam Böhler Kapfenberg als eines d. größten Lieferwerke d. Reiches auf 885 Suk. im Jahr 1944; außerdem fertigte Böhler Rohre f. d. 10,5 cm-Flak 39. In die 8,8 cm-Flak- fertigung waren außer Böhler auch die Maschinenfabrik Andritz in Graz, ferner Gußstahl Judenburg, Wertheim in Wien u. Sdioeller-Bleckmann in Ternitz eingesdialtet. Was die Hee- resartillerie betrifft, so lieferte Böhler 1944 bereits 140 Stck. leidite u. 10 Sti. sdiwere Feld- haubitzen pro Monat, Zulieferungen kamen aus Ternitz u. Mödling. Die Panzerkanonenferti- gung hatte in Österreich ihre Sdiwerpunkte bei Schoeller-Bledunann (monatl. 250 Rohre u. Versdilüsse für 7,5 cm-Kampfwagenkanone 42 sowie monatl. 10 Rohre u. Versdilüsse f. d. 78 12,8 cm-Pak 44) u. bei Gußstahl (monatl. 30 Rohre f. d. 8,8 cm-Pak 43). Nidit unerwähnt möge bleiben, daß österreichische Betriebe seit dem Jahre 1942 auch mit Marineaufträgen besdiäftigt waren. In der Linzer Schiffswerft wurden Schnellboote, Minenräumboote, Fährprähme und Unterseeboote zusammenge- baut"^. Die Vergabe widatiger Fertigungen für die Kriegsmarine nach Österreich steigerte sich erheblidi im Jahre 1943, als sich audi auf diesem Sektor die Hoff- nungen der deutschen Führung auf neue Waffen konzentrierten. So sollte der gescheiterte U-Bootkrieg durch U-Boote der Typen XXI und XXIII, deren frühe- ste Fertigstellung jedoch erst im Oktober 1944 zu erwarten war, wieder belebt werden In die Produktion der Boote vom Typ XXI wurden Wiener Rüstungs- betriebe hinsichtlich der Masdiinenfertigung eingeschaltet: das Florisdorfer Sie- mens-Schuckert-Werk zur Herstellung der neuen leistungsstarken E-Maschinen und Brown-Boveri Wien zum Bau der ersten Sdileichmotoren Wien blieb trotz zunehmender Luftangriffe audi im Jahre 1944 eine Art Zulie- ferzentrum für die Marinefertigung. Hier wurden nicht nur weiterhin Haupt- und Schleichfahrtmotoren sowie Batterien für den U-Boottyp XXI hergestellt, son- dern auch Ruderanlagen, Großarmaturen, Druckkörper, Türme und Sehrohre für verschiedene andere U-Boottypen Zu erwähnen sind ferner die groß aufge- zogene Marine-Artillerieleichter(MAL)-Produktion in Wien und in den Rax-Wer- ken in Wiener Neustadt ^^^ sowie die Erzeugung von Marine-Fährprähmen in der Linzer Schiffswerft. Voith St. Pölten entwidselte sidi neben Wien zum Zentrum der Torpedoproduktion, Eumig Wien zum Alleinhersteller von Minenzündge- räten

IV Zusammenfassende Schlußbeurteilung

Der Zweite Weltkrieg demonstrierte noch eindrücklicher als der Erste Weltkrieg die Ohnmacht der rohstoffarmen europäischen Zentralmacht im Falle eines gro- ßen Krieges. Der Plan Deutschlands, das Wirtschafts- und Menschenpotential durch etappenweise Erweiterung des Machtbereiches zu vergrößern und einen autarken, verteidigungsfähigen Großwirtschaftsraum in Europa zu errichten, scheiterte ebenso wie der Versuch, in der Schlußphase des Krieges das überlegene gegnerische Potential durch Qualitätsvorsprung in der Rüstung auszugleichen, weil in der Kriegswirtschaft letzten Endes auch die Höhe einer Leistungspyramide von der Breite ihrer Basis bestimmt wird. Als entscheidender Faktor der Krieg- führung erwies sich mehr denn je das wirtschaftliche Gesamtpotential. Die Eingliederung Österreichs und seine Heranziehung für die deutsche Kriegs- wirtschaft war der erste Schritt zur Verwirklichung der deutschen Großraum- pläne. Im Jahre 1938 ermöglichte der »Anschluß« mit seinem Gewinn an Devi- sen, Rohstoffen, Arbeitskräften und Industriekapazitäten nicht nur weiterhin, in demselben Maße aufzurüsten, sondern verschaffte Hitler einen momentanen Rü- stungsvorsprung, der ihn zur Kriegsauslösung verleitete. Im Krieg selbst gewann

MF: T 77/744, 976 261 f. »» K. Dönitz: 10 Jahre und 20 Tage, Frankfurt/M., Bonn, 2. Aufl. 1963, S. 348 f. "» E. Rössler: U-Boottyp XXI, in: Wehrwissensdiaftlidie Beridite, Bd 1, München, 2. Aufl. 1967, S. 25. "0 MF: T 77/747, 980 635 f. MF: T 77/747, 980 693 f. ^^ Die Wiener Neustädter Rax-Werke waren mit einem monatl. Ausstoß v. 150 Stck. audi das größte Tenderwerk Deutschlands. MF: T 77/747, 980 809 f. 79 isj MF: T 77/747, 980 694 f. der österreidiisdie Raum eine zunehmende Bedeutung für die deutsche Kriegs- wirtschaft. Gemessen an den Produktionsmöglidikeiten der stark entwidielten deutschen Hochleistungsindustrie war der österreidiische Beitrag zur deutschen Gesamtrüstung naturgemäß bescheiden; auf einigen Fertigungsgebieten wurden jedodi beachtlidie Ergebnisse erzielt, die sich im gesamtdeutschen Rahmen bedeu- tungsvoll ausnehmen. Zu Beginn des Krieges war der österreichisdie Rüstungsbeitrag praktisdi bedeu- tungslos. Einerseits war der langwierige Umstellungsprozeß auf deutsches Kriegs- gerät und deutsche Munition eben erst zum Abschluß gekommen und andererseits lief zu diesem Zeitpunkt die deutsdie Wirtschaft nodi nicht im vollem Einsatz für die Rüstung. Abgesehen von einigen Großprojekten der Flugzeug-, Panzer- und Stahlerzeugung wurde zunächst auch keine besondere Neubautätigkeit auf dem Sektor Rüstung in österreidi aufgenommen. Die deutsche Kriegswirtschaft be- gnügte sich bis etwa 1941 damit, die vorhandenen Kapazitäten auszunützen und nach Österreich in erster Linie Fertigungen zu vergeben, die in Deutschland selbst nicht ertragreich genug erschienen. So verblieb die österreichische Industrie auch während der Phase der ersten Blitzkriege durchaus in der Rolle eines »Rand- und Grenzproduzenten«, wie vor 1938. Die Bodensdiätze und Rohstoffe in Öster- reich dagegen wurden verstärkt — bis zum Raubbau — ausgenützt. Die Situation änderte sich, als das Deutsche Reidi immer stärker vom alliierten Luftkrieg erfaßt wurde und eine Verlagerungswelle hochempfindlicher Fertigung in die »luftsichere Ostmark« einsetzte. Da außerdem ab 1942 die deutsche Wirt- sdiaft auf die Erfordernisse eines langandauernden Krieges umgestellt wurde und eine wesentliche Ausweitung der Rüstungsproduktion erfolgte, begann nun eine steile Aufwärtsentwicklung der kriegswichtigen Erzeugung in Österreich. Ihren Höhepunkt erreichte sie in den Jahren 1943 und 1944, obwohl nun der alliierte Luftkrieg auch auf den Alpenraum ausgedehnt wurde. Die Zentren der Rüstungsindustrie in Österreich befanden sich im Wiener Becken, in der Obersteiermark und im Linzer Großraum. Mit zunehmender Kriegsdauer wurden auch das untere Inntal und die Vorarlberger Rheinebene bedeutungsvoll. Während im Osten die Munitionsindustrie dominierte, ist für den Westen des Lan- des eine auffällige Konzentration von empfindlichen Luftwaffenfertigungen cha- rakteristisch. Die Panzer- und Kanonenindustrie hatte dagegen ihren Schwerpunkt im steirisch-oberösterreichischen Raum. Zwar war der Großteil der österreichischen Betriebe nur in der Zulieferindustrie und Vorproduktion beschäftigt, dennoch gab es einige große Endfertiger. Von diesen sind als von gesamtdeutscher Bedeutung auf folgenden Sektoren zu nennen: Flugzeugfertigung: Die Wiener Neustädter Flugzeugwerke und die Heinkel- Werke in Schwechat Panzerfertigung: Nibelungenwerk St. Valentin und Böhler-Werke Kapfenberg Geschütz- und Kanonenfertigung: Ostmarkwerke Wien und Böhler-Werke Kap- fenberg Munitionsindustrie: Enzesfelder Metallwerke und Gustloff-Werke Hirtenberg Waffen- und Fahrzeugindustrie: Die Steyrwerke sowie die Wiener Autoindustrie. Die steigende Bedeutung der österreichischen Kriegsproduktion geht audi aus der Entwicklung des Beschäftigtenstandes in der Rüstungsindustrie hervor

Sdiausberger: Mobilisierung und Einsatz fremdländisdier Arbeitskräfte während des 2. Welt- krieges in Österreich, österreichischer Beitrag zum 13. Internationalen Kongreß d. historisdien 80 Wissensdiaften in Moskau 1970, Wien 1970, S. 11 u. MF: T 77/740, 741 u. 747. Beschäftigte Gesamtindustrie davon Fremdarbeiter und Jahr Rüstungsindustrie Kriegsgefangene 1939 536 000 96 000 5 000 (= 1%) 1940 527 000 125 000 15 000 (= 3%) 1941 553 000 187 000 55 000 (= 10%) 1942 580 000 228 000 86 000 (= 15%) 1943 675 000 300 000 168 000 (= 25%) 1944 735 000 435 000 260 000 (= 36%) Während bei Kriegsbeginn nicht einmal ein Fünftel der in der Industrie Besdiäf- tigten in der Rüstung eingesetzt wurde und die Zahl der ausländischen Arbeits- kräfte mit 1 % der Gesamtbeschäftigten nicht ins Gewicht fiel, waren im Jahre 1942, dem ersten Vollaufjäh r der Rüstungsindustrie in Österreich, bereits fast die Hälfte der Gesamtbeschäftigten Rüstungsarbeiter und 15% Fremdarbeiter. Im Jahre 1944, dem Kulminationsjahr der Rüstungsproduktion, waren beinahe drei Viertel Millionen Mensdien in der österreichischen Industrie tätig, davon fast 60 % in der Rüstung und 36 % als Fremdarbeiter oder Kriegsgefangene. Zum AbscMuß soll die Bedeutung Österreichs für die deutsdie Kriegswirtschaft durch eine Gegenüberstellung markanter Fertigungszahlen der österreichischen Industrie mit der gesamtdeutschen Produktion belegt werden. Die Me 109-Erzeugung hatte bei den Wiener Neustädter Flugzeugwerken eines ihrer deutschen Fertigungszentren. Von der Gesamtzahl dieses berühmtesten deut- schen Jagdflugzeugs wurden in Österreich 29% hergestellt, das sind etwa 18% aller deutschen Jagdflugzeuge überhaupt in Stück Deutsche Deutsche Me 109-Fertigung Jahr Gesamt fertigung Gesamtfertigung in Österreich an Jagdflugzeugen an Me 109 1939 605 449 115 1940 2 746 1 719 467 1941 3 744 2 764 856 1942 5 565 2 673 1 400 1943 11 198 6 388 2 143 1944 25 285 14 765 3 564 1945 4 936 3 140 ca.l 000 (geschätzt) gesamt 53 729 31 887 9 545 Von der übrigen deutsdien Flugzeugproduktion kam ein Teil der Me 262-, He 162- und He 219-Fertigung aus österreicli. Leider liegen darüber keine aufgesdilüssel- ten, genauen Zahlen vor. Auch der österreichische Anteil an der deutschen Panzerproduktion ist bemer- kenswert. So kam die gesamte deutsche Erzeugung des Jagdpanzers »Elefant«, des Sturmpanzers »Brummbär« und des »Jagdtigers« aus dem Nibelungenwerk St. Valentin. Dort wurden auch 52 % aller Panzer IV erzeugt, der Hauptwaffe der deutschen Panzertruppe im Zweiten Weltkrieg Hinzu kam die Panzer- Zusanunengestellt nadi Ploetz, S. 127/128 u. MF: T 177/39 sowie T 77/744—750. Deutsdie Panzer IV-Gesamtfertigung Panzer IV-Fertigung in Stüde Jahr Senger u. Etterlin Mueller-Hillebrand in österreidt 1939—1941 805 480 (nur 1941) — 1942 964 994 165 1943 3073 3023 1376 1944 3366 3891 2809 1945 — 720 (I u. 11/1945) (343) gesamt 8208 9108 4693 Zusammengestellt nadi Senger u. Etterlin, S. 342/43 u. B. Mueller-Hillebrand: Das Heer 81 1933—1945, Bd 3: Der Zweifrontenkrieg, Frankfurt/M. 1969, S. 274 ff.; MF: T 77/743—747. teileproduktion der Eisenwerke Oberdonau in Linz und die Böhler-Werke in Kapfenberg. So wurde ein Großteil der Wannen und Türme für den »Panther« in Österreich hergestellt, ebenso ein Teil der Wannen für den »« und Antriebsräder für den »Tiger II«. Von besonderer Bedeutung war die Waffen- und Kraftfahrzeugproduktion der Steyr-Daimler-Pudi AG, des größten Endfertigers der österreichischen Rüstungs- industrie In der Geschütz- und Kanonenfabrikation wurden die 15 cm-Kanone (Lofag Wien) und die 10,5 cm-Gebirgshaubitze 40 (Böhler Kapfenberg) überwiegend in Österreich produziert. Bemerkenswerte andere Produktionszahlen sind bei der Flakartillerie und bei der Feldhaubitzenproduktion zu registrieren In den rund 5 % der deutschen Gesamtfertigung an 2 cm-Flak 38-Geräten ist der Großteil der deutschen Flakvierlingproduktion enthalten, die bei den Wiener Ostmarkwerken hergestellt wurden. Böhler Kapfenberg lieferte fast 13% der

Von den Werken Steyr und Graz kamen z. B. i. d. Zeit v. 1938—1945 140 000 Truppenfahr- räder, 43 800 Motorräder, 12912 Personenkraftwagen, 19 305 Lastkraftwagen (davon allein 12450 Stdc. 1,5 t leidite LKW der Type 1500 A f. d. Wehrmacht), 5278 Geländewagen u. 2600 Raupenschlepper Ost (d. s. fast 10% v. insges. 27 729 d. Gesamterzeugung). Von der widitigen Engpaßproduktion an Wälzlagern lieferte Steyr rd. 21,5 Mill. Stdi., d. s. etwa lO'/o d. ges. dt. Fertigung. Die sonstige Erzeugung d. Steyr-Daimler-Pudi AG zeigt d. fol- gende Gegenüberstellung: Karabinerfertigung MP 40- bzw. Sturmgewehr 44-Fertigung 38a-Fertigung in 1000 Stdt. Steyr DR Steyr DR Steyr DR 1939 14 ca. 1000 — — — — 1940 III 1352 34 114 — — 1941 188 1359 118 239 — — 1942 204 1 370 125 232 — — 1943 300 2 244 175 234 — 31 1944 220 2 586 7 229 93 282 1945 ca. 40 162 — 97 ca. 45 125 gesamt 1077 10 073 459 1 145 135 438 Steyr kam damit auf fast 11 ®/o d. dt. Karabinerproduktion, auf rd. 40 «/o d. dt. Produktion an Masdiinenpistolen u. auf 30 % d. dt. Sturmgewehr 44-Fertigung. Außerdem wurden hier etwa

MG 42 hergestellt. MG 34 MG 42 in Stüde Steyr DR Steyr DR 1939 — ca. 50 000 — — 1940 800 57180 — — 1941 7 900 85 510 — — 1942 — 67 235 1 000 17915 1943 — 49 980 32 000 119 875 1944 — 61 342 46 500 215 297 1945 — 7120 ca. 12 500 25 573 gesamt 8 700 378 367 92 000 378 660 Die Produktionsstatistik d. Steyrwerke ist zusammengestellt nadi Janssen, S. 332 f.; Schaus- berger: Rüstung, Anl. 9; Ploetz, S. 125; Deutsdilands Rüstungsendfertigung, in: Speer-Proto- kolle, S. 22 f.; MF: T 77/738-752. 2 cm-Flak 38 8,8 cm-Flak 36 in Stüdi Ostmarkwerke DR Böhler Kapfenberg DR 1939 — — — ca. 800 1940 — — 59 1 130 1941 430 11 006 108 1 872 1942 1000 22 371 374 2 876 1943 1250 31 503 492 4 416 1944 1 870 42 688 885 5 933 1945 1 000 4 547 ca. 300 480 gesamt 5 550 112115 2 218 17 507 Die Gesdiütz- u. Kanonenproduktionsstatistik ist zusammengestellt nadi Janssen, S. 333; 82 Sdiausberger: Rüstung, Anl. 18; Speer-Protokolle, S. 23/24; MF: T 77/738—747. bewährten 8,8 cm-Flakgesdiütze sowie rund 18% der gesamten deutschen Erzeu- gung an 10,5 cm leichten Feldhaubitzen 18, der Hauptfeuerwaffe der Masse der deutschen Infanteriedivision, und 7% der gesamten Fertigung an 15 cm schweren Feldhaubitzen 18. Da in Kapfenberg außerdem ein beträchtlicher Teil der Kampf- wagenkanonenproduktion (3,7 cm, 5 cm, 7,5 cm) gefertigt wurde, gehörten die Böhler-Werke zweifellos zu einem der widitigsten Rüstungsbetriebe, auch im deut- schen Maßstab gesehen Schließlich sei auch noch die Aufbautenfertigung für Panzerspähwagen und Schüt- zenpanzerwagen erwähnt, die vor allem in zwei Rüstungsbetrieben in Österreich lief 13«. In der sonstigen Kriegsproduktion spielte Österreich außerdem bei folgenden Er- zeugnissen eine wichtige Rolle: Bestandteile für die VI und V2, Flugzeug- und Raketentreibstoff, Elektromaschinen für die neuen U-Boottypen, optische und Nachrichtengeräte, Geschoßführungsringe und spezielle Ferrolegierungen, Flak- scheinwerfer, Hindernismaterial und Schanzzeug, Torpedoteile und Kleinkampf- schiffe für die Kriegsmarine, Lokomotiven, Tender und Kraftfahrzeuge. Besonders in den letzten Kriegsjahren stieg die Rüstungsproduktion in Österreich stark an und erreichte, gemessen an der Größe des Landes und an den bisherigen industriellen Gegebenheiten, eine unverhältnismäßig hohe Bedeutung. Für die österreichische Wirtschaft selbst bedeuteten die Jahre von 1938 bis 1945 eine neuerliche schwerwiegende Umstellung. Solche Umstellungen bringen zwar große Belastungen mit sich, haben aber den positiven Effekt, daß viele Unternehmen gezwungen werden, Modernisierungen und Umänderungen vorzunehmen, die man sonst vielleicht noch hinausgeschoben hätte. Auch die Industrialisierung Oberöster- reichs, die Bildung industrieller Ansatzpunkte in Tirol, Salzburg und Kärnten wären ohne die Kriegserfordernisse kaum so rasch zustande gekommen. Österreichs Basisindustrie wurde so erweitert, der Industrialisierungsgrad des Lan- des gehoben trotz der Zerstörungen und Demontagen im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen. Der Zusammenbruch des Dritten Reiches brachte eine Unter- brechung, aber nicht das Ende dieser Entwidmung. Für Deutschland dagegen war die Ostmark zunächst ein Reservoir an Arbeits- kräften und Rohstoffen, mit deren Hilfe sich das wirtschaftlidhe Potential des Reiches erhöhen ließ. Als die Kriegssituation sich zuspitzte, stieg die Bedeutung

Die Statistik der Feldhaubitzenerzeugung sieht im einzelnen folgendermaßen aus: 10,S cm l FH 18 IS cm s FH 18 in Stück Böhler Kapfenberg DR Böhler Kapfenberg DR 1939 — ca. 1 000 — ca. 400 1940 — 1 380 — 580 1941 116 1 164 61 516 1942 495 1 285 83 636 1943 1 020 4 337 117 1 221 1944 1 680 10 070 128 3 019 1945 ca. 300 397 ca. 65 140 gesamt 3 611 19 633 434 6 512 Sdioeller-Bledtmann in Mürzzuschlag erzeugte 2322 Aufbauten f. d. mittleren SAützenpanzer- wagen (Sd. Kfz. 251), 900 Aufbauten f. d. leichten Panzerspähwagen (Sd. Kfz. 222), 480 Auf- bauten f. d. kleinen Panzerfunkwagen (Sd. Kfz. 261), 200 Aufbauten f. d. leiditen Panzerspäh- wagen (Fu.) (Sd. Kfz. 223) u. 196 Aufbauten f. d. Weinen Panzerfunkwagen (Sd. Kfz. 260). Von Böhler kamen an Aufbauten 1075 f. d. leichten Sdiützenpanzerwagen (Sd. Kfz. 250), 560 f. d. sdiweren Panzerspähwagen (Fu.) (Sd. Kfz. 250), 560 f. d. sdiweren Panzerspähwagen (Fu.) (Sd. Kfz. 232), 250 f. d. leiditen gepanzerten Beob.-Kraftwagen (Sd. Kfz. 253), 152 f. d. leich- ten Panzerspähwagen (Sd. Kfz. 222), 140 f. d. mittleren gepanzerten Beob.-Kraftwagen (Sd. Kfz. 254), 140 f. d. Panzerfunkwagen (Sd. Kfz. 263) sowie 30 f. d. leiditen Panzerspähwagen 83 (Fu.) (Sd. Kfz. 223). S. Sdiausberger: Rüstung, Anl. 17; MF: T 77/738—747. dieses zunächst nodi luftsicheren Raumes weiter an; bis Kriegsende war die Indu- strie in den Alpen- und Donaugauen in der Endfertigung widitiger Waffen maß- geblidi eingesetzt. Hermann Göring hatte beim Anschluß Österreichs betont, daß »die Männer aus dem Reich« nicht gekommen seien, um »den Österreichern die Arbeit abzunehmen und ihnen den Tisch zu decken. Er werde im Gegenteil dafür sorgen, daß bis zum Äußersten der eigene Mann hier eingesetzt werde . . . Das Reidi werde nur Direktiven und Weisungen geben, da auch in Österreich alle jene Maßnahmen und Gesetze in Kraft treten sollen, die Deutschland gesund gemacht haben i®^.« Und an anderer Stelle hatte er die Intentionen des Deutschen Reiches mit fol- genden Worten formuliert: »Wir haben die Heimkehr der Ostmark nicht als Geschenk, sondern als volkspolitische Verpflichtung empfunden . . . Das Deut- sche Reich wird unverzüglich für Wehr und Waffen der Ostmark sorgen i®®.« Die ideologische Motivierung für den Anschluß war also nur die Versdileierung für die viel rationaleren Erwägungen, die Hitler veranlaßten, »die Ostmark heim- zuholen«. In der Praxis erwies der rücksichtslose und erfolgreiche Einsatz aller Ressourcen des Landes für die Rüstung des Dritten Reiches, daß sidi die wirt- schaftspolitischen Erwartungen, die zum 13. März 1938 führten, weitgehend erfüllten.

Keesings Archiv 1938, 3488. 84 13S Göring, S. 194.