BEWEGTES KOSTÜM

Phantastische Kleiderbelebung im Spielflm

Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades "Mag.art." / Mag.a art." (Magister artium / Magistra artium)

in den Studienrichtungen: Bildnerische Erziehung / Kunst und Kommunikative Praxis & Textiles Gestalten / Textil – Kunst, Design, Styles

eingereicht an der Universität für angewandte Kunst Wien

am Institut für Kunstwissenschafen, Kunstpädagogik und Kunstvermittlung

bei Priv.-Doz., Sen. Sc. Edith Futscher

vorgelegt von Anna Bergmann 00974072

Wien, im November 2020 Kurzfassung

Die Arbeit untersucht einen speziellen narrativen Modus phantastischer Kostümbewegungen im Spielflm, über den die Kleider als belebte, agierende Wesen lesbar werden. Es geht um eine äußer­ lich vollzogene Bewegung, im Sinne einer spezifschen Inszenierungsform des Kostüms, die den Gedanken an eine Belebtheit des Objekts nahelegt. Indem jedoch fragwürdig bleibt, ob die überna­ türlich anmutende Kleiderbewegung tatsächlich als wunderbar zu interpretieren ist oder ob sie bloß einer Sinnestäuschung, Imagination oder äußeren Krafeinwirkung entspringt, handeln die Filme immer auch von Grenzüberschreitungen, die die Überlegenheit des menschlichen Subjekts infrage stellen. Die den verselbstständigten Gewandbewegungen und übernatürlichen Dingbelebungen zugrunde gelegten fetischistischen, animistischen, phantastischen, psychoanalytischen wie kultur­ wissenschaflichen Diskurse, welche die Art ihrer Darstellung entscheidend beeinfussen, werden besprochen und mit flm- und modetheoretischen Konzepten verschränkt. Dadurch ist es möglich, die unterschiedlichen Repräsentationsweisen der Kostümbelebungen nachzuvollziehen und die Verbindungslinien zwischen den vielgestaltigen Erscheinungsformen und Erzählweisen der phan­ tastisch bewegten Kostüme herauszuarbeiten.

Abstract

Te work investigates a special narrative mode of fantastic costume movements in feature flms, through which the clothes become readable as animated, acting beings. It is about an outwardly exe­ cuted movement, in the sense of a specifc form of staging the costume, which suggests the idea of a living object. However, since it remains a mystery whether the supernatural-looking movement of the costume can actually be interpreted as wonderful or whether it merely arises from a sensory illu­ sion, imagination, or external force, the flms always deal with transgressions that question the sovereignty of the subject. Te fetishistic, animistic, fantastical, psychoanalytical and cultural studies discourses underlying the independent movements of garments and supernatural animations of things, which decisively infuence the way they are presented, are discussed and interwoven with flm and fashion theoretical concepts. Tis makes it possible to understand the diferent ways of representation of the costume animations and to work out the connecting lines between the mani­ fold manifestations and narratives of the fantastically moved costumes. Danksagung

Zuerst gebührt mein Dank Frau Priv.-Doz., Sen. Sc. Edith Futscher, für ihre kritischen Anregungen und sorgfältigen Korrekturen. Ihr Engagement und ihre Ermutigungen haben mir dabei geholfen, meine eigenen Forschungsinteressen zu verfolgen und diese Arbeit rechtzeitig fertigzustellen.

Besonderer Dank gilt meinem Freund Sebastian Mayer, der mich stets unterstützte und insbeson­ dere bei der Formatierung des Textes von unschätzbarer Hilfe war. Schließlich bedanke ich mich bei meinen Eltern, die mir mein Studium erst ermöglichten, und mei­ nen Freundinnen Kathrin Kemp, Jennifer Milleder, Cornelia Lenardt und Lisa Slawitz, die mich in zahlreichen Gesprächen motivierten und mir mit Interesse und Geduld zur Seite standen. INHALTSVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG...... 6

2 WISSENSCHAFTLICHE UND THEORETISCHE ZUGÄNGE...... 10

2.1 Gewandbewegungen...... 11 2.1.1 Bewegte Moden...... 11 2.1.2 Kleiderbewegung als Bildmotiv und im Kostüm...... 16

2.2 Phantastisch bewegtes Filmkostüm...... 30 2.2.1 Die Kostümanalyse in der Filmtheorie...... 30 2.2.2 Pathos, Spektakel, Narration: Sinn und Sinnlichkeit des Filmkostüms...... 32 2.2.3 Phantastik und phantastisches Kostüm...... 41

2.3 Fetischismus, Animismus, Anthropomorphismus...... 53 2.3.1 Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der Begrife...... 53 2.3.2 Aktualität von Fetischismus und Animismus...... 64

3 PHANTASTISCHE KOSTÜMBEWEGUNG IM SPIELFILM...... 68

3.1 Geisterhafe Kleiderbewegung...... 69 3.1.1 Allgemeines ...... 69 3.1.2 Phantastische Aspekte...... 72 3.1.2.1 DRACULA (US 1992, R: Francis Ford Coppola, dt. Titel: Bram Stoker's Dracula) ...72 3.1.2.2 THE CELL (US 2000, R: Tarsem Singh) ...... 78 3.1.2.3 MELANCHOLIA (US 2011, R: Lars von Trier)...... 82

3.2 Monströse Kleiderbewegung...... 89 3.2.1 Allgemeines...... 89 3.2.2 Phantastische Aspekte...... 92 3.2.2.1 BATMAN BEGINS (US/UK 2005, R: Christopher Nolan)...... 92 3.2.2.2 A GIRL WALKS HOME ALONE AT NIGHT (US 2014, R: Ana Lily Amirpour)...... 97

3.3 Autonome Kleiderbewegung...... 103 3.3.1 Allgemeines...... 103 3.3.2 Phantastische Aspekte...... 104 3.3.2.1 LEGEND (US 1985, R: Ridley Scott)...... 104 3.3.2.2 IN FABRIC (UK 2018, R: Peter Strickland)...... 106 4 RÉSUMÉ...... 113

5 ANHANG...... 116

5.1 Abbildungen...... 117

5.2 Bildnachweise...... 133

5.3 Literatur...... 136

5.4 Internetquellen...... 146 5.4.1 Papers...... 146 5.4.2 Artikel...... 147

5.5 Filme ...... 149 1 EINLEITUNG

6 Vor einem schwarzen Hintergrund weht ein rotes Stofstück. Seine seidene Oberfäche leuchtet im künstlichen Lichtschein glanzvoll auf und in der schnell fießenden Bewegtheit erinnert es vielmehr an Flammen- oder Wellenformationen als an ein Textil. Schnell huschen ein Ärmel und ein Hals­ ausschnitt vorbei und es wird ersichtlich, dass es sich bei dem wallenden Stof um ein Kleidungs­ stück handelt. In einer anderen Einstellung schwebt das Kleid in unheimlicher Manier, unauförlich rot leuchtend über einem Bett, in dem zwei ofensichtlich ahnungslose Menschen schlafen. Die Szenen entstammen dem Film In Fabric (UK 2018) von Peter Strickland und das verlebendigte Kleid präsentiert sich darin als bedrohliches Ding, das den ProtagonistInnen als eigenständig agie­ rendes Wesen gegenübertritt, sie heimsucht und verfolgt. In der vorliegenden Arbeit sollen die phantastischen Bewegungen derartiger Filmkostüme analysiert und ihre vielfältigen Erzähl- und Wirkweisen ergründet werden. Im Zentrum der Studie steht die spezielle Inszenierungsform des Kostüms, d. h. ein visueller Efekt, der wegen seiner meist hefigen Bewegtheit eine dramatische Qualität entfaltet und in der Narration als konkret phantastisch vermittelt ist. Insofern die Analyse die dem (flmischen) Text zugrunde liegende Erzählstruktur berücksichtigt, unterscheidet sie zwi­ schen den Begrifen des „Wunderbaren“ und „Phantastischen“. Ausgehend von Claudia Pinkas Stu­ die zum phantastischen Film, gilt ein Ereignis dann als „phantastisch“, wenn unklar bleibt, ob sein Bestehen aus einer übernatürlichen oder natürlichen Ursache resultiert1: „Das Phantastische, so kann zusammenfassend festgehalten werden, ist stets durch eine (im Folgenden noch näher zu bestimmende) Ambiguität charakterisiert, wobei sich diese Ambiguität per defnitionem immer auch auf den mehrdeutigen Status des dem Text zugrundegelegten Realitätssystems bezieht, d. h. auf eine im Text verankerte Unentscheidbarkeit zwischen verschiedenen natürlichen und überna­ türlichen Erklärungsangeboten der Ereignisse.“2 Von einer phantastischen Kostümbewegung kann also gesprochen werden, wenn sie einerseits als eventuell wunderbar lesbar ist, es andererseits jedoch stets möglich bleibt, dass sie bloß der Imagination einer der Figuren entspringt oder durch äußere Einfüsse, wie z. B. Wind, verursacht wurde. Zudem geraten die unterschiedlichen metapho­ rischen und allegorischen Betrachtungsweisen ins Blickfeld der Analyse, die die phantastischen Bezüge auf der Meta-Ebene des Films ansiedeln. Sie verhandeln die diskurstheoretischen Hinter­ gründe der phantastischen Kleiderbewegung, die in engem thematischen Zusammenhang mit unheimlichen Dingbelebungen und der Figur des (bewegten) Schleiers stehen. Denn wenn die eigentlich toten Gegenstände ein Eigenleben zu entwickeln beginnen, lässt sich das auf fetischisti­ sche und animistische Diskurse der Moderne zurückführen, deren Revisionen in den letzten zwei

1 Vgl. Pinkas 2010, S. 40f. 2 S. ebd., S. 41. 7 Jahrzehnten erheblich an Aufmerksamkeit gewonnen haben. Daher sollen sowohl die Begrifs- und Diskursgeschichte von Animismus und Fetischismus als auch die neueren und revidierten Ansätze beleuchtet werden, um sie für die Kostümanalyse fruchtbar zu machen. Die Entstehungsgeschichte der Begrife weist eine zeitliche Nähe zu frühen phantastischen Konzepten sowie flmischen und literarischen Werken mit phantastischen Inhalten auf und so ist festzustellen, dass sich die Inhalte und Logiken der Teorien ofmals überschneiden. Da bisher noch nicht viel Forschungsliteratur zum phantastischen Kostüm existiert – und gar keine, die dessen phantastische Bewegtheit in narrativen Medien direkt adressiert –, beginnt die vorlie­ gende Arbeit damit, die kultur- und medientheoretischen Texte zu bewegten Moden und Gewän­ dern, die erste Hinweise auf eine Eigenlebendigkeit des Materials geben, zu erörtern. Dabei ist insbesondere Aby Warburgs bekanntes Diktum des „bewegten Beiwerks“ von Interesse, das den Blick auf die gesteigerten Ausdruckswerte der wehenden Gewänder sowie die in ihnen abgelagerten Afekte lenkt.3 Daran anschließend kann gefragt werden, inwieweit die Kleiderdarstellungen psychi­ sche Energien transportieren und so als äußere Anzeichen eines inneren Befndens zu fassen sind. Hier tun sich die vielfältigen Wechselbeziehungen zwischen Körper und Kleidung auf, die es mit besonderem Augenmerk auf die ausdrucksstarken Kleiderbewegungen zu veranschaulichen gilt. In weiterer Folge wird das Filmkostüm anhand der Termini „Pathos“, „Spektakel“ und „Narration“ untersucht, um darzulegen, wie das Kostüm allgemein innerhalb der Filmtheorie diskutiert wurde. Die typisierende und narrative Funktion des Filmkostüms steht, wie gezeigt werden kann, in einem spannungsvollen Verhältnis zu dessen afektiven, spektakulären und exzessiven Dimensionen. Die Erkenntnisse sind an den spezifsch phantastischen Modus rückzubinden, wobei sich herausstellt, dass dieser Kostümtypus meist auf die von Freud konzeptualisierte Wirkung des Unheimlichen rekurriert. Dadurch gewinnen die als wahnhaf oder kindlich charakterisierten Bewusstseinszu­ stände und Wahrnehmungsweisen an Wichtigkeit, die auch die modernen Fetischismus- und Ani­ mismus-Teorien thematisieren. Der einzige aufndbare Text, in welchem das phantastische Kostüm als solches aufscheint, ist von Michael Zepter, der zu dessen Bestimmung ebenso den litera­ turwissenschaflichen Phantastik-Begrif heranzieht.4 Im praktischen Teil der Analysen werden die Kostümbewegungen in drei unterschiedliche Katego­ rien unterteilt: Mit den „geisterhafen Kleiderbewegungen“ sind jene Kostüme gemeint, die auf von Wind oder Wasser bewegte (Alltags-)Kleider referieren, welche im Film eine übernatürliche Anmu­ tung erhalten. Die „monströsen Kleiderbewegungen“ erzählen hingegen von Figuren, die mittels ihrer bewegten Kleider hybridisiert werden. Und die „autonomen Kleiderbewegungen“ beschreiben

3 Vgl. Warburg 2018 [1893], S. 107. 4 Vgl. Zepter 1992, S. 30f. 8 schließlich diejenigen Kleider, die sich von den Körpern der ProtagonistInnen ablösen und unab­ hängig von den Menschen im Film aktiv werden. In jedem Fall ist die Rolle des flmischen Subjekts und dessen Verhältnis zu den als übernatürlich imaginierten Kleiderbewegungen von Bedeutung, da sich der phantastische Modus über dieses Wechselverhältnis generiert. Da die Figuren damit häufg als fetischistische GrenzgängerInnen auf­ treten, müssen auch die verschiedenen Weisen von Grenzüberschreitungen sowie die Beschafen­ heit der erfassten Grenzen besprochen werden.

9 2 WISSENSCHAFTLICHE UND THEORETISCHE ZUGÄNGE

10 2.1 Gewandbewegungen

2.1.1 Bewegte Moden

Kleidung und Bewegung sind eng miteinander verfochten, einerseits aufgrund der meist charakte­ ristischen Flexibilität und Formbarkeit textiler Dinge, andererseits wegen ihrer Gebundenheit an menschliche Körper, die die Stofe in Bewegung versetzen. Dieses Näheverhältnis von Kleiderteilen und Bewegung untersucht der Sammelband zur internationalen Tagung „Mode in Bewegung“.5 So schreiben die Herausgeberinnen in ihrem Vorwort, dass Kleidung als textiles Objekt mit der ihm eigentümlichen Qualität einer „mehr oder weniger ausgeprägte[n] Nachgiebigkeit und Dehnbarkeit in Verbindung mit vielseitig gestalteter Oberfäche und Form […] seine symbolische und sinnliche Wirkung in und mit Bewegung wohl am stärksten entfaltet“.6 Dabei erwähnen sie die Möglichkeit einer Verselbstständigung der Kleider, die in ihrer spezifschen Materialität angelegt sei und zu Unterbrechungen und Irritationen im Umgang mit ihnen führen könne.7 Für Christoph Allenspach ist die Hervorhebung des Kleides als „Bewegungsding“, zunächst einmal wenig aufregend.8 Das ändert sich allerdings, sobald nach den Wirkungsweisen, Ursprüngen und Wahrnehmungen der Bewegungsinszenierungen gefragt wird.9 Allenspach betrachtet das Tema aus einem soziologischen und phänomenologischen Blickwinkel, um daraus Erkenntnisse für das Modedesign abzuleiten. Daher interessieren ihn an der „Interaktion von Kleid und Körper“ insbe­ sondere die einfussreichen dynamischen Aspekte.10 Er greif auf die Überlegungen des Philosophen Edmund Husserl zurück, der sich mit der Bewegungswahrnehmung des Subjekts im Raum ausein­ andergesetzt hat, und verwendet den Begrif der „Kinästhese“, um Bewegungsprozesse sowie die damit zusammenhängenden sinnlichen und ästhetischen Empfndungen zu beschreiben: Sowohl Subjekt als auch Objekt bewegen sich im Raum und wirken durch die Varianz ihrer Erscheinungen auf die Betrachtenden ein. So ergeben sich stets wandelnde Perspektiven und Formeindrücke der miteinander interagierenden Entitäten.11 Allenspach benennt drei grundlegende Elemente performativer Kleiderinszenierungen im Tanz, im Teater, im Film etc.: 1. Die Kleiderformen sind geprägt von den Bewegungsabläufen der Tragen­ den und der sinnliche Eindruck ergibt sich somit aus den Handlungsentscheidungen des Subjekts.

5 Vgl. Schlittler/Tietze (Hg.) 2013, S. 7. 6 S. ebd. 7 Vgl. ebd. 8 Vgl. Allenspach 2013, S. 161. 9 Ebd. 10 Ebd., S. 162. 11 Vgl. ebd., S. 163f. 11 2. Körperperformanz und Kleiderformen arbeiten zusammen, bedingen und verändern sich oder treten in ein Konkurrenzverhältnis zueinander. Beide sind gleichwertig an dem performativen Akt beteiligt, Kleiderschnitte und -materialität wirken auf den Körper und dessen Formen ein. Weite Stofonstrukte entwickeln mitunter durch äußere Anlässe wie dem Wind eine „selbstständige Bewegungsdynamik“. In ihrem Zusammenspiel können die Kleider den performativen Ausdruck intensivieren, den Körper hervorheben oder ihn sogar komplett negieren und überlagern. 3. Der Körper gibt durch die Besonderheiten seines Aufaus die Bewegungen nicht nur vor, er begrenzt sie auch.12 Für die vorliegende Arbeit ist der zweite Punkt von entscheidender Bedeutung, gleichwohl die Ver­ selbstständigung der Stofüllen zusätzlich als eine gänzlich vom menschlichen Körper getrennte Erscheinung untersucht wird. Allenspach weist schließlich noch auf eine wichtige Feststellung hin: In Bewegungsszenarien gene­ rieren die Kleiderteile ein zusätzliches Formenspiel, indem sie selbst miteinander interagieren.13 Er führt weiter aus: „Gemeint ist das relationale Formensystem, das aus den mannigfaltigen Möglich­ keiten unterschiedlicher Flächen, Oberfächen, Färbungen und Strukturen der Materialien schöpf, zu denen die Wirkungen aus dreidimensionaler Formung, wie Faltung und Drapierung, sowie dar­ aus resultierender Licht- und Schattenrefexe hinzutreten. Diese Formen, die in einer bestimmten Konfguration komponiert sind, korrespondieren miteinander und beeinfussen einander. Sie sind aufällig, schlicht, dominant, minimal, schrill oder zurückhaltend.“14

Einer rein visuellen Qualität von Kleidung geht Ingrid Heimann in ihrer Gestaltanalyse nach, in der sie Kleiderbreite und deren Bewegungspotential mit Blick auf deren „Nachrichtenfähigkeit“ zu ana­ lysieren versucht.15 Darin unterscheidet sie „fünf Quantitätsstufen der Bekleidungsbreite“ und bemerkt, dass seit der dritten Schicht etwas „Fremdes“ an den Körper gelangt, die Breite sich ab der vierten verselbstständigt und in der fünfen Schicht dermaßen dramatisiert erscheint, dass der „Gestaltzusammenhang“ zwischen Figur und Gewand beinahe verschwindet.16 Ähnlich ungewöhnliche Kleidergestalten untersucht Gertrud Lehnert in ihrer Studie zur Mode als kulturelle Praxis. Sie erforscht die performativen Aspekte der Moden in einem systemischen und sozio-kulturellen Zusammenhang: Die Verbindung von „lebendem Körper und leblosem Kleid“ erzeuge etwas Neues, einen „Modekörper“, jedoch betont Lehnert neben dem visuellen Wert die

12 Vgl. zu diesem Absatz: Allenspach, 2013, S. 165f. 13 Ebd., S. 167. 14 S. ebd. 15 Vgl. Heimann 2002, S.139f. 16 Ebd., S. 144. 12 haptischen Beschafenheiten der Materie.17 Unterschiedliche ästhetische, funktionale und symboli­ sche Qualitäten der Kleider nehmen Einfuss auf den Körper und sein Handeln, deswegen sei der „Modekörper […] immer ein hybrider Körper und manchmal auch ein Kunstkörper.“18 Wenn Mode einen skulpturalen Charakter aufweist, drängt sie den menschlichen Körper in den Hinter­ grund.19 Derartige „vestimentäre Skulpturen“ sind im Grunde architektonische Konstrukte, die Mode wird über eingebaute Gerüste, Schnürungen oder Polsterungen verräumlicht.20 Und auch wenn Lehnert die Flexibilität und Veränderbarkeit der textilen Komplexe unterstreicht, bleibt anzu­ merken, dass sie teilweise einen starren Ausdruck annehmen. Jedoch können Modelle, die durch Falttechniken eine räumliche Dimension bekommen, wie jene von Issey Miyake, ein starkes dyna­ misches Eigenleben entfalten.21 Raumgreifende Bewegungsbilder zeigen ebenfalls die modischen Entwürfe der Designerin Made­ leine Vionnet, wie Stamatina Kousidi in ihrem Text über die Beziehung zwischen Bekleidung und Architektur nachweist.22 Anhand einer Skizze Ernesto Michahelles (Tayaht) für Madeleine Vion­ nets Firmenlogo (Abb.1) demonstriert Kousidi, inwiefern Kleidung dazu in der Lage ist, den Körper mit einer räumlichen Struktur einzurahmen: „Während die Figur innerhalb einer plasmatischen Membran zu tanzen scheint, umspielt der fießende Stof ihre Gliedmaßen und ist zugleich Raum der Bewegung und verhüllendes Kleid.“23 Das Kleid ist hier eben kein festes Gebilde, sondern eine Art spannungsgeladener Umraum, der einen Kontakt zwischen Körper und Umgebung herstellt.24 Diese fießende, energetisch wirkende, sich wandelnde Gestalt erhalten Stofe vor allem durch ihre Anlage zur Faltenbildung. Gabriele Brandstetter beschäfigte sich eingehend mit dem Faltenspiel als einem wesentlichen Merkmal von Textilien und schreibt dazu: „Falten sind bewegliche Flächen, die ein Innen von einem Außen tren­ nen, die aber zugleich – mit ihrer Form der Öfnung und Schließung – diese Diferenz von innen und außen allererst hervorbringen.“25 Die Falte als Bewegungsfgur berge mittels Umformungspro­ zesse ein „Verwandlungspotential“ und ansonsten fächige Stofe bekämen durch sie eine körper­ hafe Anwandlung.26 Sie verweist in diesem Zusammenhang auf Gille Deleuzes Studie „Die Falte.

17 S. Lehnert 2013, S. 51. 18 Ebd., S. 51f. 19 Vgl. ebd, S. 52. 20 Ebd., S. 67f. 21 Ebd., S. 69. 22 Vgl. Kousidi, 2018, S. 184. 23 S. ebd. 24 Vgl. ebd., S. 185. 25 S. Brandstetter 1998, S. 165. 26 Vgl. ebd., S. 166. 13 Leibniz und der Barock“.27 Deleuze bestimmt die „ins Unendlich gehende Falte“ in seiner Abhand­ lung zum cartesianischen Leib-Seele-Problem als defnierendes Moment des Barock.28 Die Falten gewinnen in der barocken Malerei oder Bildhauerei einen autonomen Status, da sie die „Intensität einer geistigen Kraf ausdrücken“, die den Körper verdreht oder steigert, dabei jedoch beständig sein Inneres ofenbart.29 Als Beispiel nennt er die Skulptur der Heiligen Teresa von Gian Lorenzo Bernini (Abb. 2), deren marmorne Falten ihm mehr wie Feuer als Kleidung erscheinen.30 Brandstet­ ter fokussiert allerdings weniger auf den pathetischen Stoffall, der die Erregungszustände des Kör­ pers ausdrückt (und auch Deleuzes Erörterungen zu barocken Faltendarstellungen reichen darüber hinaus), vielmehr untersucht sie die unendliche Falte als pure „Bewegungsenergie“ und veranschau­ licht anhand der Plissee-Kleider von Miyake aus dem Jahr 1991 (Abb. 3), wie plastische Modefgura­ tionen den Körper im Tanz verformen und transformieren.31 Über die Falten der phantastisch anmutenden Kostüme wird die Verwandlung für Brandstetter zu einem „Bewegungsereignis“, das sowohl eckige, harte Eigenschafen wie die fimmernde Transparenz der maskenhafen Stofe ersichtlich werden lässt.32 Daraus schlussfolgert sie, dass Falten als Träger von Energien und Span­ nungen gelesen werden können, die Innen und Außen - Figur und Raum – ineinander übergehen lassen.33

Lehnert begreif räumliche Moden vor allem als Möglichkeit, andersartige Körper zu produzieren und eine ursprüngliche „Natürlichkeit“ fragwürdig zu machen. Manche Moden, darunter auch all­ tägliche, seien imstande, auf der formalen Ebene ein groteskes Erscheinungsbild zu kreieren, das of erst im Rückblick als solches ersichtlich werde: Es entsteht, wenn der Körper oder seine Einzelteile im Hinblick auf eine imaginierte Norm vergrößert („erweitert“) oder verformt werden, die Grenzen von Belebtem und Unbelebtem verschwimmen und das Dekorative gegenüber der funktionalen Seite überwiegt. Groteske Modeformationen erschafen somit „fktionale Körper“ und hybride Geschöpfe.34

Melanie Haller erweitert Lehnerts Ausführungen, indem sie den materiellen Werdegang der „Modekörper“ untersucht und den alltäglichen textilen Objekten eine Handlungsmacht zuspricht.35 27 Vgl. Brandstetter 1998, S. 166. 28 Vgl. Deleuze 2017 [1988], S. 11. 29 Ebd., S. 199. 30 Ebd., S. 198. 31 Vgl Brandstetter 1998, S. 182f. 32 Ebd, S. 184. 33 Ebd., S. 185f. 34 Vgl. zu diesem Absatz: Lehnert 2013, S. 75/77. 35 Vgl. Haller 2015, S. 195. 14 Sie geht von dem Gedanken aus, dass Kleidung bereits wegen ihrer, in spezifschen Verarbeitungs­ schritten entwickelten Materialität bestimmte „Körperkonzepte“ in sich trägt, die ihr ein Eigenleben geben: Die geprägte Form wird wiederum von den individuellen menschlichen Körpern ausgebaut oder umgedeutet und aus der beidseitigen Abhängigkeit ergibt sich eine „neue Immaterialität“.36 Möchte man also verstehen wie bestimmte Körpervorstellungen zustandekommen, müsste erst danach gefragt werden, wie die jeweilige Kleidung produziert wird. Haller greif auf den Begrif des „Modekörpers“ zurück, um die kulturellen und historischen Körpernormen, die die im Material eingeschriebenen Körperkonzepte beeinfussen, ins Blickfeld zu rücken.37 „Modekörper“ sind jene Körper, die sich im Laufe der Geschichte, gemeinsam mit den vorherrschenden textilen Herstel­ lungsprozessen, innerhalb einer Gesellschaf herausbilden.38 Die Materialität der Mode wurde, nach Haller, mithilfe folgender formbildender Verfahren kon­ struiert: Zur Erstellung der Konfektionsgrößen im Zuge der Massenproduktion wurden die Körper vermessen und in annähernd einheitliche Größensysteme eingepasst, die sich national und abhän­ gig von den Herstellenden unterscheiden konnten.39 Die in den Moden angelegten normierten Kör­ permodelle, als Produkt der Industrialisierung, enthielten Bilder heteronormativer Geschlechterrollen, da solche Konfektionsgrößen nicht auf einem wissenschaflich objektiven Blick basierten, sondern sich vielmehr an idealisierten Körperkonzepten orientierten.40 Diese normierten Größen schlugen sich in den Schnitttechniken der Moderne nieder und weiters steuerten u.a. phy­ siognomische und anatomische Teorien die durch Schnittmodelle erstellten Kleiderformen sowie die daraus kreierten zeitgebundenen Silhouetten.41 Anhand der Konstruktion eines Herrensakkos legt Haller dar, wie über vielfältige textile Schichten ein „Modekörper“ entworfen wird.42 Damit schließt sie an die Forschungen der Material Studies an, in denen die Gegenstände aufgrund ihrer speziellen Materialisierungen als eigenständig Agierende diskutiert werden.43 In der Materialität der Kleider lägen Vorstellungen von „richtigen“ und „falschen“ Körpern veran­ kert, allerdings argumentiert Haller dafür, bei „Mode-Körper[n] und Mode tragende[n] Körper[n]“ von einer gegenseitigen Einfussnahme zu sprechen: Die Kleiderpraktiken brächten zwar „soziale Tatsachen“ hervor und bildeten „im Kontext von Bewegungen, Gesten, Posen, Körperhaltungen einen Habitus […] in Form eines sogenannten Style“, jedoch passiere es immer wieder, dass „Kör­

36 Vgl. Haller 2015, S. 195. 37 Ebd., S. 196. 38 Ebd. 39 Ebd., S. 198. 40 Ebd., S. 200. 41 Ebd., S. 201. 42 Ebd., S. 204f. 43 Ebd., S. 206. 15 per, die nicht in dieses Ensemble von Praktiken 'passen' – als passende Körper in Modekörpern -, diese Prinzipien unterlaufen“.44

Ein derart subversives Potential von Mode erkennt Lehnert auch in jenen grotesken Moden, die gleichzeitig von idealen Körpern sowie herrschenden Modetrends abweichen: Sie schafen es, das groteske Innenleben aller Moden ersichtlich werden zu lassen und die tradierten Wahrnehmungs­ weisen der Dinge als wandelbar vorzuführen.45

2.1.2 Kleiderbewegung als Bildmotiv und im Kostüm

In bildlichen Darstellungen oder performativen Settings können Kleiderbewegungen, wie oben bereits kurz beschrieben, weitere Sinn- und Ausdrucksebenen hinzugewinnen.

Gundula Wolter studiert in ihrem Text das „bildmotivische Klischee“ der durch Wind bewegten Moden in malerischen, grafschen, illustrativen und fotografschen Arbeiten: In der Modegeschichte gab es immer wieder populäre Phasen eines derartigen Windmotivs und gerade dünne, weite Klei­ der mit losen Elementen eigneten sich für bewegte Inszenierungen, ganz im Gegensatz zu formfes­ ten, schweren Hüllen, wie den herrschaflichen Roben in Spanien nach 1550.46 Wolter beschreibt sie folgenderweise: „Bewegung wird kaschiert (Reifrock, Heerpauke) oder ist nur eingeschränkt möglich (Mieder, Wams, enge Ärmel, hochstehende Kragen). Intendiert ist die Demonstration von Macht und Beständigkeit.“47 Ein vergleichbares Prinzip entdeckt Andrea Steinert in den Kleidern der 1950er Jahre, die über Kor­ settierung und Einlagen eine „Erstarrung der Form“ kultivierten und konventionelle Rollenbilder fortschrieben.48 Anders verhielt es sich, so Wolter, „bei der Chemisenmode um 1800“, deren graf­ sche und malerische Darstellungen, neben dem Spiel mit der unfreiwilligen Entblößung, Natürlich­ keit und Sorglosigkeit suggerieren und als „kleidersprachliche[s] Signal des Aufruchs in eine neue Ära“ lesbar sind.49 Das Sujet der windbewegten Stofe verlebendigt die Objekte in der Vorstellung der Betrachtenden.50 Wolter stellt fest, dass sich dieses Bildmotiv in Zeiten einschneidender gesell­ schaflicher Veränderungen an besonderer Beliebtheit erfreute: Die vestimentäre Symbolik leichter,

44 S. Haller 2015, S. 207f. 45 Vgl. Lehnert 2013, S. 78f. 46 Vgl. Wolter 2013, S. 87-89. 47 S. ebd., S. 89. 48 Vgl. Steinert 2003, S. 195f. 49 S. Wolter 2013, S. 89. 50 Vgl. ebd., S. 89. 16 fießender Moden, die Ungebundenheit, Zwanglosigkeit und Emanzipation ausdrückten, würde durch Windmotive zusätzlich verstärkt.51 Auf älteren Modedarstellungen sind allerdings vorrangig weibliche Figuren in von Wind belebten Kleidern zu entdecken. Of zeigen sie Frauen, die vom Windspiel kontrolliert und bloßgestellt wur­ den: Es handelte sich dabei um bildliche Kommentare zu den als zu aufwendig, unpassend oder unanständig empfundenen Kleidermoden, mit der Absicht die Trägerinnen der Lächerlichkeit preiszugeben.52 Eine Ausnahme bilden Malereien aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, auf denen Männer mit „wehenden Haarsträhnen […] und aufgeblähtem Imponiermantel“ zu sehen sind.53 Hier steht das Motiv jedoch für Dynamik und Stärke.54 Um die Jahrhundertwende und vor allem in den 1920er Jahren waren auch häufger Frauen mit im Wind fatternden (Reform-)Kleidern, die Stärke, Freiheit und Lebensfreude symbolisieren sollten, auf den Modebildern dargestellt.55 In der Modefotografe ab den 1930er Jahren wurde der Wind genutzt, um ausgefallene und aufregende Silhouetten zu erschafen und die Bildinhalte zu dramati­ sieren – ein bis heute häufg verwendetes bildsprachliches Mittel.56 Auch erotische Fantasien ver­ banden sich mit den wehenden Kleidern und insgesamt betrachtet, ging es bei Winddarstellungen meist darum, Wünsche und Emotionen in den Betrachtenden zu wecken und ihren Blick an die Bil­ der zu binden.57

In performativen Medien werden Kleider als Kostüme bedeutsam und speziell bei Tanzkleidern liegt der Fokus auf den Bewegungseigenschafen der textilen Hüllen. Im Tanz stellt sich eine enge Beziehung zwischen Textil und Körper her, sie wirken wechselseitig aufeinander ein, weswegen das Kostüm mitunter als bestimmendes Medium des Tanzes ausgemacht werden kann. Eine derartige Rolle übernimmt es Brandstetter zufolge in der, in Zusammenarbeit von Miyake (Plissee-Kleider), dem Choreographen William Forsythe und Tom Willems (Musik), 1991 realisierten Auführung Te Loss of Small Detail.58 Jene, an anderer Stelle bereits erwähnte, transformierende Qualität, erlan­ gen die Kostüme einerseits aufgrund ihrer phantastischen Formgebung und Plastizität, andererseits durch die, in den Falten angelegte, Beweglichkeit.59 Für Brandstetter ist es eben die „Bewegungs­ energie“ der Faltungen, die im Stof neuartige Gestalten ausformt, den Kostümen eine eigene tänze­ 51 Vgl. Wolter 2013, S. 90. 52 Ebd., S. 88f. 53 S. ebd., S. 89. 54 Vgl. ebd., S. 89. 55 Ebd., S. 90. 56 Ebd., S. 93. 57 Ebd., S. 96. 58 Vgl. Brandstetter 1998, S. 181f. 59 Ebd., S. 182-184. 17 rische Anmutung beschert und den Körper gänzlich verwandelt: „In Forsythes Choreographie wer­ den diese tanzenden Kleider zum eigenständigen Medium der theatralen Darstellung, zu einem Raum-Element, das zugleich in dynamischer Beziehung zu den tanzenden Körpern steht.“60 In ihrem Text „Kleider-Tanz-Schuhe“ analysiert Katja Stromberg solche Wechselverhältnisse von tanzendem Körper und Tanzkleid anhand historischer Exponate aus dem Deutschen Tanzarchiv Köln.61 Sie unterteilt diese Beziehung in fünf mögliche Ausprägungen, wonach die Kleidung den Körper des Tanzenden entweder negiert, betont, erweitert, kostümiert oder unterstützt.62 Für die vorliegende Arbeit sind davon jene Kostümverwendungen interessant, die mit einer Verkleidung oder Erweiterung des Körpers einhergehen. Clotilde von Derp und Alexander Sacharof trugen, laut Stromberg, bei ihrem Paartanz Chanson des Oies der 1920er Jahre solche kostümierenden Tanzklei­ der: Sie bestanden aus Schnabelmasken für die Köpfe und mit großen Punkten und breiten Streifen versehenen, samtigen Oberteilen sowie weiten Hosen. Die Schuhe deuteten Schwimmfossen an.63 Außerdem unterschied sich Clotildes Kostüm von Sacharofs durch ein zusätzliches Organzaröck­ chen und kurze Pufärmel.64 Aufällig sind die wellenartigen Säume aller Kleiderteile, die an stili­ sierte Federn erinnern. Der Aspekt einer abstrahierenden Übersetzung tierischer Erscheinungsmerkmale in eine textile Gestalt, prägt die hier abgebildete Tanzkleidung im Wesentli­ chen, so dass sie zwei Mischwesen aus Mensch und Gans andeutet, dabei aber den maskierenden Efekt nicht verschleiert, sondern deutlich hervorhebt. Als Beispiel für den Körper erweiternde Tanzkleider, nennt Stromberg die, aus schweren, blickdich­ ten Materialien gefertigten, Mäntel Harald Kreutzbergs (Abb. 4), welche er auch bei seinem Stück Apokalyptischer Engel in den 1920er Jahren einsetzte.65 Er nutzt die unterschiedlichen Bewegungs­ dimensionen der weiten Stofe und erkennt in ihnen ein expressives Potential, das neben den oder sogar anstelle des Körpers tritt: Das Tanzkleid nimmt viel Raum ein und verwandelt sich in den Köpfen der ZuschauerInnen zu andersartigen Figuren.66 Stromberg verweist auf Kreutzbergs religi­ öse Inhalte, für die die wehenden Stofe ein perfektes Medium bieten.67 Sie bezeichnet die Wirkung als „Efekt wallender Bewegung“, die sie ebenso in Loïe Fullers Serpentinentänzen wiedererkennt: Kreutzberg beweist überdies seine „Körperkraf“ und vergrößert sich selbst mithilfe der Mantelbe­ wegungen.68 Dieser Empfndung einer Erweiterung des Körpers in den Raum, geht auch J.C. Flügel 60 S. Brandstetter 1998, S. 183. 61 Vgl. Stromberg 2013, S. 23f. 62 Ebd., S, S. 24. 63 Ebd., S. 26f. 64 Ebd. 65 Ebd., S. 28. 66 Ebd., S. 28f. 67 Ebd., S. 29. 68 Ebd. 18 1930 in seinem Aufsatz „Psychologie der Kleidung“ nach.69 Er schreibt dazu: „Indem Kleidung die ofenkundige Größe des Körpers in der einen oder anderen Weise steigert, vermittelt sie uns ein erhöhtes Machtgefühl, ein Gefühl der Erweiterung unseres Körper-Ichs und zwar letztlich, weil wir mehr Raum auszufüllen vermögen.“70 Es geht also um eine lustvolle, afektive Komponente in der Eigen- sowie in der Fremdwahrnehmung von Kleidung. Flügel geht auch auf jene Kleiderbewegun­ gen in Tanzdarbietungen ein, die nichts Menschlichem mehr entsprechen und so der Mensch- Ding-Verschmelzung eine neue Ebene hinzufügen.71 Anhand einer Illustration (Abb. 5) veran­ schaulicht er, dass Wind die Stofe derart zum Flattern und Fliegen bringen kann, dass sie „die Kör­ pergesten und den angedeuteten Seelenzustand gerade zu vergrößern bzw. zu unterstreichen scheinen“.72 Die visuell wie haptisch empfundene Einheit wird jedoch gestört, sobald der Kontrast zwischen Körper und Kleidungsstück, ihre Größe oder Form betrefend, zu stark ist oder sich die textilen Objekte entgegen unserer Vorstellungen verhalten und somit als „Fremdkörper“ aufgefasst werden: Wenn nämlich bestimmte Kleiderformen und Windeinwirkungen die Gestalt oder Körper­ bewegungen irritieren oder beeinträchtigen – eine Grenzüberschreitung, die z. T. schwierig zu beur­ teilen sein kann -, wird das „Gefühl von Macht und Erweiterung“ geschmälert anstatt erhöht.73 Flügel spricht auch von einer „optimalen“ bzw. „illusionären Erweiterung unserer Persönlichkeit“, die sich genau dann nicht einstellt, wenn störende Aspekte sicht- oder fühlbar werden.74 Bezogen auf die Analyse bewegter Kostüme im Film soll hinterfragt werden, in welchen Szenen Textilien die Stimmung oder den Charakter einer Figuren ausdrücken bzw. betonen, wann sie einen Gegensatz zur Figurenkonzeption bilden, sich möglicherweise nicht erwartungsgemäß verhalten und mit wel­ chen narrativen oder ideologischen Bedeutungen solche Sequenzen zusammenhängen.

Brandstetter hat sich in ihrer Publikation „Tanz-Lektüren“ eingehend mit den Erscheinungsweisen von Tanzkleidung auseinandergesetzt. Sie untersucht darin die „Körperbilder“ und „Raumfguren“ des modernen Tanzes um 1900 aus einer kultursemiotischen Perspektive, im Hinblick auf deren „Lektüre-Muster“ und somit in Wechselbeziehung zur Literatur.75 Hierfür macht sie Aby Warburgs Begrif der „Pathosformel“ zum Ausgangspunkt ihrer Studie, auf den zuvor noch eingegangen wer­ den soll. Die „Pathosformel“ bildete die Grundlage für Warburgs Kulturwissenschaf und der

69 Vgl. Stromberg 2013, S. 29./ vgl. Flügel 1991 [1930], S. 224-231. 70 S. ebd., S. 224. 71 Vgl. ebd., S. 226. 72 S. ebd., S. 230. 73 Ebd., S. 230. 74 Vgl. ebd., S. 228f. 75 Vgl. Brandstetter 1995, S. 18f. 19 Begrif selbst erscheint erstmals 1905 in seinem Aufsatz über „Dürer und die italienische Antike“.76 Warburg untersucht darin den „Einfuß der Antike auf die Stilentwicklung der Frührenaissance“ anhand Albrecht Dürers Zeichnung Tod des Orpheus (1494) und eines anonymen Kupferstichs.77 Wie bereits früher, erkennt er darin die „typisch pathetische Gebärdensprache der antiken Kunst“, die, in Form eines gesteigerten Ausdrucks und hefiger Bewegtheit der Gebärden, in der Kunstge­ schichte „nachlebt“.78 Das Konzept der Pathosformel und die Idee eines „Nachlebens der Antike“ sollten Warburg in all seinen Studien begleiten. Schon 1893, in seiner Dissertation zu „Sandro Botticellis Geburt der Venus und Frühling“, beobachtet er einen Rückgrif der „Künstler des Quattrocento“ auf die Antike „wenn es sich um Darstellung äusserlich bewegten Beiwerks – der Gewandung und Haare – handelte“.79 Hier wird also der Fokus auf das „durch den Wind bewegte Beiwerk“80 gelegt, das, wie Warburg angibt, bereits in Leon Battista Albertis kunsttheoretischen Schrifen zum Blickfang gerät, der dem ansonsten „willenlosen Beiwerk“ ein Eigenleben beimisst, da es ihn an „Schlangen, die sich ineinan­ der verstricken, Flammen, die emporzüngeln“ denken lässt.81 Eine „brise imaginaire“82 löst auf Bot­ ticellis Bildern (Abb. 6/7) solche phantastischen Formungen der Schleier und Kleider aus, die von Warburg aufgrund des starken Bewegungsausdrucks als antikisch interpretiert werden und im zufolge einen innerlichen Erregungszustand wiedergeben.83 So kommt es, dass ab da eine neue und zugleich alte Figur die Bildfäche betritt, die Warburg als „Nymphe“ identifziert und die vor allem in seinen Arbeiten zur forentinischen Renaissance eine zentrale Rolle einnimmt: Wie Warburg ausführt, verstand auch Leonardo da Vinci die fatternden, windbewegten Gewänder als Attribute einer „antiken Nymphe“.84 Zudem repräsentiere sie mit ihren „wallenden Mänteln“ und „geblähten Schleiern“ in den Augen der Kirche den „Inbegrif gott­ losen heidnischen Schmuckes“.85 Als solche setzt die „Nymphe“ oder „Ninfa“ einen Kontrapunkt zur religiösen Weltanschauung, wie Warburg mit Verweis auf Savonarolas Kritik an den wehenden Schleiern, die ihm „als Symbol weltlicher Üppigkeit galten“, begründet.86 Jene „Figur der laufenden

76 Vgl. Treml et al. 2018, S. 32. 77 S. Warburg 2018 [1905], S. 176. 78 Ebd., S. 177f. 79 S. Warburg 2018 [1893], S. 39. 80 Ebd., S. 45. 81 Vgl. Leon Battista Alberti, Kleinere kunsttheoretische Schrifen, hg. v. Hubert Janitschek, Wien 1877 (Quellenschrif­ ten für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Renaissance, XI), S. 129f zitiert nach s. Warburg 2018 [1893], S. 48. 82 Vgl. Ebd., S. 60. 83 Ebd., S. 107. 84 Vgl. Warburg 2018 [1893], S. 104. 85 S. ebd. [1895], S. 155. 86 Ebd. 20 Frau“ ist zuerst auf Botticellis Fresko in der Sixtinischen Kapelle zu fnden und wird von den ande­ ren Künstlern der Renaissance als „Sinnbild der forentinischen Nymphe“ übernommen.87 Den Anstoß zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit der „Ninfa“ in Warburgs Manuskripten, gibt ein „fktiver Briefwechsel“ mit dem Literaturwissenschafler André Jolles, der darin gesteht, sich in die „Nymphe“, in Gestalt der Dienerin auf Domenico Ghirlandaios Fresko Geburt des Johannes (Abb. 8) in der Kirche Santa Maria Novella von Tornabuoni, verliebt zu haben.88 Seine Beschrei­ bung vermittelt den Eindruck, es handle sich bei der Figur auf dem Bild um eine lebendige Frau: „Und hinter diesen gerade bei der geöfneten Tür läuf, nein fiegt, nein schwebt der Gegenstand meiner Träume, der allmählich die Proportionen eines anmutigen Alpdrucks anzunehmen beginnt. Eine fantastische Figur, nein ein Dienstmädchen, nein eine klassische Nymphe kommt […], mit weit wehendem Schleier ins Zimmer hinein.“89 Das Antwortschreiben entwirf Warburg in abweh­ render Haltung und beginnt erst mit einem „Nein“ auf die Bitte Jolles, ihn mit der „Nymphe“ bekannt zu machen.90 Und auch in daraufolgenden Texten wirkt es, als würde die Figur Warburg im gleichen Maße anziehen und faszinieren wie beunruhigen. Denn wie die Herausgeber im Band zu Warburgs gesammelten Werken betonen, behandelt Warburg die, mit dem Begrif der Pathos­ formel belegten, „gesteigerten Gebärden bzw. Gebärden gesteigerter Bewegung“ durchaus kritisch.91 Für ihn seien in der „bildlich festgehaltenen Gebärde Afekte und Energien gebunden“, die er in einer kulturpsychologischen Hinsicht bewertet.92 Auf Nietzsches „Geburt der Tragödie“ Bezug neh­ mend, behauptet Warburg, die gesamte Renaissance sei von der die heidnische Antike prägenden Spannung zwischen „apollinischem Ethos“ und „dionysischem Pathos“ durchzogen.93 Die Polaritäten und Ambivalenzen in Warburgs Begrifichkeiten interessieren auch Georges Didi- Huberman, der viele seiner Untersuchungen dem Tema der „Ninfa“ und dem „Nachleben“ der Antike gewidmet hat: Er weist darauf hin, dass mit der „Ninfa“ eine „radikale Verschiebung“ des Blicks geschieht, die weg von den Körpern und hin zu deren Rändern führt, welche nun die gesamte Lebendigkeit und „das grundsätzliche Pathos des Bildes“ in sich aufnehmen.94 Die Verschiebung gehe einher mit einer „Intensitätsformel“, die die „Ninfa“ eigentlich zu sehen gebe und die ihren dialektischen Typus ausmache.95 Didi-Hubermann fasst es so zusammen: „Warburgs Ästhetik des Dynamogramms fand also in der pathetischen Gebärde all'antica einen Ort par excellence – einen 87 S. Warburg 2018 [1898], S. 172. 88 Vgl. Gombrich 2006 [1970], S. 142f. 89 S. Jolles 2018 [1900] [Brief aus Warburgs Nachlass], S. 200. 90 Ebd. 91 S. Treml et al. 2018, S. 35. 92 Ebd. 93 Vgl. Warburg 2018 [1914], S. 308. 94 S. Didi-Huberman 2005, S. 331. 95 Vgl. ebd., S. 343. 21 formalen Topos, aber auch einen phänomenologischen Intensitätsvektor [...]“.96 Indem sich die „Bewegungsfähigkeit“ verschiebt, entstehe zudem überhaupt erst die Intensität der Pathosformel, die jederzeit imstande sei, sich in ihr Gegenteil zu verkehren (wie schon Deleuze in seinem Exkurs zur Kleiderfalte erörtert hatte): Eine furchtsame Gebärde kann zu einer heroischen umgedeutet wer­ den und eine heidnische Mänade zu einem „Engel der Verkündigung werden wie bei Agostino di Duccio“.97 In den Bildern der Renaissance kehrt also für Warburg eine bestimmte heidnisch-sinnliche Energie wieder, die sich u.a. im Bewegungsausdruck der Gewanddarstellungen manifestiert und die er ambi­ valent aufasst.

Brandstetter erklärt die Hintergründe dazu folgendermaßen: „In seiner anthropologisch-psychohis­ torisch angelegten Teorie geht Warburg davon aus, daß in bestimmten, leidenschaflichen, von „Urtrieben“ emotional aufgeladenen Ausdrucksgebärden der Kunst ein Prozeß der kulturellen und distanzierenden Bewältigung der triebhafen Handlung – in Form der Bannung ins Bild – seinen symbolischen Niederschlag gefunden hat.“98 Die augenscheinliche Nähe zu Freuds psychoanalyti­ schen Teorien bemerkt auch Didi-Huberman, indem er feststellt, dass sich die „Dialektik des Nachlebens“ genau in der Art zu erkennen gibt, die „am stärksten verdrängten“ und „am vollstän­ digsten toten“ Bestandteile einer Kultur „am lebendigsten, weil am stärksten bewegt“ wiederzuge­ ben.99 Warburgs Schleier im Sinne eines „bildanthropologischen Fetischs“, wie ihn Johannes Endres bestimmt hat, wird im Kapitel 2.3.1 noch ausführlicher behandelt.100 Brandstetter übernimmt nun Warburgs Gedankengebäude zur Pathosformel und die darin enthal­ tene „Leseformel von gesteigertem Ausdrucksverhalten“, um die symbolischen Ausformungen des „freien Tanzes“ und des „Ausdruckstanzes“ zu erfassen.101 So ergeben die Bewegungsausdrücke „Körperbilder“, in denen sich ein neues Menschenbild spiegelt, das sich aus den gesellschaflichen Umbrüchen der Zeit um 1900 herauskristallisiert und mit spezifschen Körper- und Bewegungsmo­

96 S. Didi-Huberman 2010 [2002], S. 268-272. Warburg untersuchte an Ghirlandaios Figuren „jenen neuen antiken Stil der gesteigerten Beweglichkeit all'antica“, der in den pathetischen Stoffalten und Gebärden zum Vorschein kommt. (s. Warburg 2018 [1914], S. 282.) 97 S. Didi-Huberman 2010 [2002], S. 268-272. Zudem vereinigt die „Ninfa“ in ihrer bewegten Gestalt zwei unterschiedli­ che Typen: Irdische und himmlische, weltliche sowie göttliche. (vgl. ebd., S. 285.) 98 S. Brandstetter 1995, S. 28. Warburg spricht vom „Entdämonisierungsprozess der phobisch geprägten Eindruckserb­ masse, der die ganze Skala des Ergrifenseins gebärdensprachlich umspannt“ und von „vorgeprägte[n] Ausdruckswerte[n] bei der Darstellung bewegten Lebens“. (s. Warburg 2018 [1929], S. 630.) Er bezeichnet diese Aus ­ drucksformen als „Engramme leidenschaflicher Darstellung“, die „als gedächtnisbewahrtes Erbgut überleben“. (ebd., S. 631.) 99 S. Didi-Huberman 2010 [2002], S. 170. 100 Vgl. Endres 2014, S. 384. 101 S. Brandstetter 1995, S. 29. 22 dellen verbunden ist.102 Gemeint ist die Neubestimmung des weiblichen Körpers, der nunmehr, um nichts weniger idealisiert, von den einengenden Moden befreit werden muss und dessen „natürli­ che“ Formen das Kleid ent- und nicht länger verhüllen sollten.103 Nach Lehnert durchzieht die gesamte Modegeschichte eine Gegenüberstellung von Moden, die „Natürlichkeit“ suggerieren und solchen, die „Artifzialität“ behaupten.104 Und obwohl Mode, gestalterisch betrachtet, in jedem Fall nicht mit dem Konzept von „Natur“ korreliert, entstand die Überzeugung, sie könne den „natürlichen Körper“ und die Persönlichkeit der Tragenden zur Anschauung bringen.105 So wurden modische Exzesse auch immer wieder mit dem Argument, sie verfälschten oder verunstalteten den weiblichen Körper, angegrifen.106 Sobald eine „natürliche Anmut“ gefordert war, die sich in der Kleidermode niederschlagen sollte, galt die Antike als erstre­ benswertes Vorbild, um den Weg dorthin zu weisen.107 Im Hinblick auf die Überzeugung, das „wahre“ Ich könne durch (Mode-)Inszenierungen ausge­ drückt werden, erwähnt Brandstetter den „zum ästhetischen und weltanschaulichen Programm erhobene[n] Habitus des Individuellen im freien Tanz“.108 Der „freie Tanz“ entwickelt sich zu einem früheren Zeitpunkt als der „Ausdruckstanz“ und basiert maßgeblich auf dem Wunsch nach einer befreiten, „natürlichen“ aber stets anmutig-schönen Körperbewegung: Loïe Fuller und Isadora Duncan gelten als WegbereiterInnen dieser Tanzreform.109 Der Ausdruckstanz ab 1914 fokussiert hingegen stärker expressive Aspekte und erhebt die „Häss­ lichkeit“ zum ästhetischen Programm, um durch die tänzerische Bewegung „Wahrheit“ erfahrbar werden zu lassen.110 Im Tanz sowie in der Literatur zeigen sich die umgeprägten „Pathosformeln“ schließlich in Gestalt zweier unterschiedlicher Muster von Körperbildern: 1. Das „Modell des Grie­ chischen“, das sich an antiken Bildtypen orientiert und ein damit verbundenes Konstrukt von „Natürlichkeit“ aufruf. 2. Das „Modell des Exotischen“, welches aus einer Auseinandersetzung mit dem „Fremden“ anderer sowie der eigenen Kultur/en entspringt und meist dem „exotisch-eroti­ sche[n] Weiblichkeitsmuster der Femme fatale“ entspricht.111 Die Bewegungsweisen und Falten­ würfe der Tanzkleider erweisen sich auch hier of als Medien und Verstärker solcher bildlich- sprachlichen Grundmuster von Körpern. Der Schleier wurde sowohl zum Zwecke einer imaginier­

102 Vgl. Brandstetter 1995, S. 29. 103 Ebd. S. 120. 104 Vgl. Lehnert 2013, S. 155. 105 Ebd., S. 155f. 106 Vgl. ebd., S. 156. 107 Ebd. 108 S. Brandstetter 1995, S. 25. 109 Vgl. ebd., S. 33f. 110 Ebd., S. 34. 111 S. ebd., S. 45f. 23 ten Aufösung des Körpers sowie zu seiner Pointierung und Erotisierung genutzt, wie beispielsweise im „Schleiertanz der Salome“.112 Jedes leidenschafliche Gefühl oder, mit Didi-Huberman gespro­ chen, das „Begehren“113, wandert in die Rhythmiken und Oberfächen der bewegten Stofe. Das geschieht auch in Gabriele d'Annunzios Roman Forse che sì forse che no (1910) in dem Moment als die weibliche Hauptfgur Isabella einen orientalischen Tanz vorführt.114 Brandstetter bringt die Beschreibungen des tanzenden Schleiers auf den Punkt: „Die Textur des Gewandes, Faltenwurf und imprägniertes Farb-Ornament, wird so zum symbolischen Katalysator der Empfndungen: zur Pro­ jektionsfäche der Bild-Formeln leidenschaflicher seelischer Bewegtheit, zum Gedächtnis-Text der Passion.“115 Das „Modell des Griechischen“ veranschaulicht Brandstetter anhand dreier paradigmatischer Bei­ spiele: dem des Bildes der Primavera von Botticelli, dem der griechischen Skulptur der Nike von Samothrake und jenem des Bildmotivs des „Tanzes der Mänade“.116 Botticellis Grazien in ihren transparent wehenden Schleierkleidern (Abb. 6) wurden von den Prärafaeliten in der Kunst „zum Ideal des Weiblichen“ stilisiert und aufgrund ihres schwebend anmutigen Eindrucks verehrt.117 Auf Brandstetter wirkt der pathetische Ausdruck der Körper wie „gedämpf“ und durch die „kränkelnde Atmosphäre“ zurückgenommen.118 Die gefügelte „Nike“ wird dagegen von der ausdrucksstarken Bewegtheit des Faltenspiel ihres Gewands bestimmt und personifziert den Zeitpunkt des Erfolgs, in der gleichzeitigen Glorifzierung des Fortschrittsgedankens.119 Loïe Fullers Serpentinentanz ruf ähnliche Bilder wach, ohne dabei ein Abbild der Nike von Samothrake zu repräsentieren.120 Die tan­ zende „Mänade“ erscheint als das, um die Jahrhundertwende so populäre, „Bewegungsmuster der Hysterie“ - und wird unter anderem von Isadora Duncan im Tanz verkörpert - die ekstatischen Motionen ihrer fatternden Gewänder und erregten Gebärden werden mit Ausschweifung, Trieb­ hafigkeit und pathologischer Weiblichkeit in Verbindung gebracht, die die kulturelle Konstruktion des Körperbilds der „hysterischen“ Frau somit unterstützten.121 Wie Brandstetter zu verstehen gibt, teilt sich das griechische mit dem exotischen Körperbild das ästhetisch-theoretische Paradigma, den Körper „in“ den bewegten Stofen ausdrücken und bloßle­

112 Vgl. Brandstetter 1995, S. 46. 113 Vgl. Didi-Huberman 2010 [2002], S. 287. „Ninfa sorgt, wie man erkennt, für die mögliche Verknüpfung der „äusse­ ren Veranlassung“ - Atmosphäre, Wind – mit der „inneren Veranlassung“, die im tiefsten Grund das Begehren ist.“ (s. ebd.) 114 Vgl. Brandstetter 1995, S. 144. 115 S. ebd., S. 145. 116 Vgl. ebd., S. 46. 117 Ebd., S. 149. 118 Ebd., S. 150. 119 Ebd., S. 160f. 120 Ebd., S. 166f. 121 Ebd., S. 182f. 24 gen zu wollen.122 Auch in den ekstatischeren Dreh-Tänzen sollen „ursprüngliche“, hemmungsfreie Zustände ergründet werden, mit dem Zusatz, die individuelle Ebene überschreiten zu wollen.123 Der Wunsch nach „körperlicher Authentizität“ muss für Brandstetter trotzdem eine zeichenhafe Fik­ tion bleiben.124 Ekstatische, rauschhafe Tänze erhalten damit eine „poetologische Funktion“ und generieren einen medialen Verwandlungsprozess: Loïe Fullers Stück Danse du Feu (1894) zeigt eine charakteristische Feuer-Metamorphose, die den Körper zum Verschwinden bringt, während sich der bewegte Stof in Zusammenwirkung mit dem Licht, in Flammen transformiert.125 Loïe Fullers Tänze werden von Brandstetter jedoch nicht im Sinne einer Suche nach „Ursprünglich­ keit“ oder „Natürlichkeit“ interpretiert, sondern sie eröfnen eine gänzlich andere Ebene: Die Umkehr und Auslöschung der Körperbilder, ihre Transformation in „Raumformeln“ und „abstrakte Figuren“, die im zweiten Teil der Studie untersucht werden und die Brandstetter unter dem Begrif der „Toposformel“ zusammenfasst.126

Hier tritt das sich bewegende Kostüm schließlich ins Zentrum des performativen Geschehens: Es verwandelt den Körper der Tanzenden vollends und löscht die individuelle Gestalt.127 Brandstetter führt aus, wie der Körper im Tanz zum Zeichen wird und seine geschlechtliche Mar­ kierung abstreif: Durch die permanenten Stofewegungen verändert sich die Tänzerin wie auch der sie umgebende Raum und es entstehen „leere, bedeutungsenthobene Raumfguren der Phanta­ sie“.128 Es bliebe zu fragen, ob diese bewegten Stofe tatsächlich nichts repräsentierten außer der rei­ nen Bewegung und des für sich stehenden Zeichens ohne Bezeichnetem. Marie-Aude Baronian kommt in ihrem Artikel „Te dress is the screen: Dancing fashion, dancing media“ zur selben Schlussfolgerung wie Brandstetter: Fullers Tänze seien Bilder purer Bewegung, die jeglicher reprä­ sentativer und narrativer Funktion entbehren.129 In weiteren Beispielen zur Toposformel wird der Stof allerdings wieder mit einer, die Handlung unterstützenden, Bedeutung aufgeladen, wie bei Isa­ bellas Schleiertanz in Gabriele d'Annunzios Roman, der Brandstetter auch zur Illustration der Kör­ perbilder diente: Das Pathos der untergehenden Sonne und der Landschaf sammeln sich im tanzenden Schleier, der zu einem raumhafen Element wird und, mit dem gesamten Umraum, die Leidenschaf der Romanfgur transportiert.130 Ein Begehren allerdings, das sich hier vom Körper in

122 Vgl. Brandstetter 1995, S. 242. 123 Ebd., S. 261-270/275. 124 Ebd., S. 277. 125 Ebd., S. 278. 126 Ebd., S. 317. 127 Ebd., S. 331. 128 S. ebd., S. 338. 129 Vgl. Baronian 2017, NECSUS Online. 130 Vgl. Brandstetter 1995, S. 340-343. 25 den Raum verlagert hat. Da es sich bei Isabellas Schleier um einen „Fortuny-Schal“ handelt, werden darüber hinaus mythologische Assoziationen beschworen, die das beschriebene Setting atmosphä­ risch aufaden und Isabella die Eigenschafen einer „archaischen Muttergottheit“ verleihen.131 Es geschieht also eine Rückführung der afektiven Formen auf das Subjekt. In der Ausstattung des Bühnenbildners Léon Bakst für das Ballett „Shéhérazade“ erkennt Brandstetter stärker jene tanzen­ den Gewänder, hinter denen der Tänzer und seine individuelle Gestalt verschwinden: Das Tanz­ kleid und der Raum werden zu den Trägern und Subjekten der Auführung.132 Brandstetter gibt zu bedenken, dass der Körper, obwohl von den bewegten Stofen der „Toposfor­ meln“ überlagert, trotzdem meist als solcher wiederkehrt, da sich die Geschlechterkörper innerhalb der „konventionelle[n] Blick-Muster“ nie vollständig aufösen.133 Der „Topos des Begehrens“ und damit die erotische Weiblichkeit bleiben bestehen, auch in einigen Bildern der Tänzerin Loïe Ful­ lers.134 Die Inszenierung stark bewegter Kostüme hält insofern stets mehrere Betrachtungs- und Wirkebenen bereit und bleibt in steter Wechselwirkung mit dem Subjekt und seinen Zuschreibun­ gen.

Didi-Huberman hat in „Ninfa moderna“ über die Verselbstständigung der Draperien geschrieben. Er bemerkt, dass die Schleier auf den mythologischen Gemälden der Renaissance die Körper der Figuren verlassen und beginnen, sich gemeinsam mit den Nymphen dem Boden zu nähern.135 Die­ ser „Fall des Faltenwurfs“ verleihe den Stofen erstaunlicherweise „visuelle Autonomie“ und ein „Eigenleben“, während ein Rest des menschlichen Begehrens dennoch darin verbleibe.136 In weiterer Folge widmet er sich László Moholy-Nagys Fotografen der Lumpenhaufen auf den Pariser Bürger­ steigen und fndet in den abgebildeten Dingen eine „Intensität“, ein inneres „Pathos“ und somit einen ähnlich leidenschaflichen Ausdruck, wie Warburg ihn den Schleiern der „Ninfa“ zusprach.137 Aber der Bezugspunkt des „Pathos“ hat sich geändert: „Nicht das „innere Leben“ des Pathos, wel­ ches das Subjekt seine Seelenzustände zum Ausdruck bringen läßt. Sondern das „innere Leben“ des Pathos, welches sich als Subjektil der formalen Operationen, von der Blicksituation in Szene gesetzt, im Material artikuliert.“138

131 Vgl. Brandstetter 1995, S. 343f. 132 Ebd., S. 248-353. 133 Ebd., S. 367. 134 Ebd., S. 367f. 135 Vgl. Didi-Huberman 2006 [2002], S. 17f. 136 Ebd., S. 23 u. 27. 137 Ebd., S. 84. 138 S. ebd., S. 94. Das Pathos wird hier also zum „Subjektil“ - Didi-Huberman übernimmt diesen Begrif von Jacques Derrida – und damit zu etwas, das den dinglichen Texturen zugrunde liegt und in materieller wie in subjekthafer (äu ­ ßerlicher wie innerlicher) Hinsicht, deren Substanz ausmacht. (vgl. dazu auch: Sütterlin 2019, S. 370.) 26 Es geht um die Materialität der Objekte und den Ausdruck der Szenerie, der sie angehören und der nicht rein anthropomorph zu erfassen ist, sondern aus ihrer objekthaf-organischen Morphologie geboren wird und darin zum Teil fremd bleiben muss. Oder anders: mit der Intensität mischt sich eine neue Fremdheit in den Anblick der altbekannten Dinge.139

Auch Brandstetter subsumiert unter den Begrif der „Toposformel“ jene Ansätze des modernen Tanzes, die das „Formale an die Stelle der Expression“ setzen und nicht, wie z. B. Isadora Duncan, von einer „Leib-Seele-Einheit“ ausgehen, um den tanzenden Körper bzw. die Schleier als Repräsen­ tationen subjektiver Empfndungen und Vorstellungen oder als Pathosträger wahrzunehmen:140 Die avantgardistische Künstlerin Valentine de Saint-Point bedeckt ihr Gesicht im Tanz mit einem Schleier, um es zu entindividualisieren und jeglichem (Selbst-)Ausdruck zu entsagen.141 Wie Brandstetter herausstellt, arbeitet sie damit explizit gegen die bis dahin dominierende „Ikonogra­ phie des Schleiers“ als Zeichen „des Verbergens und der Entmaterialisierung“ im Ballett oder „des Akzentuierens und erotischen Präsentierens des Körpers“ im freien Tanz.142 Eine solche Rolle des Schleiers oder genauer, des Tutus143, erörtert Dorothea Nicolai in ihren Nach­ forschungen zur Geschichte dieses Kleidungsstücks im klassischen Ballett des 19. Jahrhunderts. Das Tutu entsteht bezeichnenderweise zur Zeit der Romantik und ist erstmals 1831 bei der Uraufüh­ rung des Stücks Robert des Diable von Giacomo Meyerbeer auf der Bühne zu sehen.144 Es wurde ent­ worfen, um den toten Nonnen eine schwebende, geisterhafe Gestalt zu geben.145 Die Tänzerinnen in Tutus stehen also für die Geisterwelt und werden als „verführerisch“, „geheimnisvoll“ sowie „gefährlich“ und „unerreichbar“ charakterisiert.146 Zu diesem Zweck gleichen die „romantischen oder langen Tutus“ auch nicht den späteren, steif abstehenden Tellertutus, sondern setzen sich aus vier Lagen Tüll zusammen, die, mit der obersten Schicht aus transparenter Seidencrepeline, ein zart wehendes Bewegungsspiel entfalten.147 So ein Tutu galt als „Kostüm der Schwerelosigkeit“ und gab

139 Vgl. Didi-Huberman 2006 [2002], S. 84. 140 Vgl. Brandstetter 1995, S. 375/377f. 141 Vgl. ebd., S. 377. Sie veröfentlicht ihr Manifest der „Métachorie“ 1913, „in Reaktion auf die vorherrschende Konzeption des modernen Tanzes als körperlicher Bewegungsgestalt seelischer Bewegtheit“ und um „den Tanz aus dem kulturellen Konnotationsraster einer Kunstform der Exhibition weiblicher Körperlichkeit zu befreien.“ (s. ebd., S. 376/374f.) 142 Ebd., S. 377. 143 Das den Körper rigoros stilisiert. Von einer solchermaßen idealisierten und künstlichen Körperlichkeit wollten sich freier Tanz und Ausdruckstanz ja gerade absetzen. (vgl. ebd., 1995, S. 377.) 144 Vgl. Nicolai 2013, S. 35. 145 Ebd. 146 Eb., S. 36f. 147 Ebd., S. 38f. 27 dem Publikum zu verstehen, dass übernatürliche Wesen die Bühne betreten hatten.148 Nicolai for­ muliert es so: „Der Tüll wurde zum idealen Stof für das Tutu, das jede Bewegung begleitet und die tanzenden Geister schweben lässt.“149 Zur Zeit des Biedermeiers war es die ideale Projektionsfäche für verborgene Wünsche und verbotene Begehren.150

Zum Schluss dieses Abschnitts soll eine Analyse einer aktuelleren Kleiderinszenierung betrachtet werden, die in engem Zusammenhang mit den vorherigen Untersuchungen steht. Gunnar Schmidt sah in Alexander McQueens Videoinstallation der Widows of Culloden-Kollektion von 2006 (Abb. 9a/9b) viele der „Pathosmotive“ und Bewegungsgestalten kulminiert, die Warburg, Didi-Huberman und Brandstetter hervorgehoben hatten.151 Seine inhaltliche Bestimmung des Geschehens weicht allerdings davon ab. Bei der dreiminütigen Video-Performance, basierend auf der 1863 entwickel­ ten, technischen Illusion „Pepper's Ghost“, schwebt Kate Moss' virtuelle Figur inmitten einer Glas­ pyramide und generiert in ihren wallenden, rauschenden Kleidern und der Drehung um sich selbst, einen gespensterhafen, unkörperlichen Eindruck.152 Nach Schmidt vermittelt ihre Gestalt einen assoziativen „Vieldeutigkeitsraum“, der von christlichen Engelsdarstellen, der „vestimentären Codierung“ des Hochzeitskleids, den „Bildwelten des Okkulten“ und Rauschzuständen bis hin zu Berninis Skulptur der Heiligen Teresa reicht.153 Eine genaue Festlegung auf ein einzelnes Pathos­ motiv ist jedoch unerheblich, denn wichtig sei vor allem, „dass es eine Korrespondenz zwischen Bewegung und Gefühlsbewegung gibt, die ohne die medialen Vorprägungen nicht denkbar ist.“154 Bei der Medieninstallation standen die intensiven, euphorischen Gefühle des Publikums, das sich rund um die Glaspyramide versammelt hatte, im Zentrum: So wurden sie Teil des „Wundergesche­ hens“ und tauschten Platz mit der ekstatischen Bewegungsgestalt vor ihnen.155 Kate Moss wurde im Gegenzug „ikonografsch [gereinigt]“, von der Schuld, die ihr im Jahr zuvor der „Daily Mirror“, mit einem skandalösen Titelblatt, das sie beim Konsum von Kokain zeigte, aufgeladen hatte.156 Da eine solche rauschhafe Kleiderbewegung „eine dualistische Aufassung [mitträgt], in der Licht und Dun­ kelheit, Geistigkeit und Fleischlichkeit, Gut und Böse einander feindlich gegenübergestellt werden“,

148 Vgl. Nicolai 2013, S. 37. 149 S. ebd., S. 38. 150 Vgl. ebd., S. 37. 151 Vgl. Schmidt 2013, S. 169f. 152 Ebd., S. 169f. Das Drehen als „Bewegtformativ“ wird mit „Rausch, Ekstase und Versenkung“ assoziiert und ist eng verbunden mit einem „Wunsch nach Aufebung und Aufösung“. (s. ebd., S. 171) Eine Feststellung die bereits Brandstetter in ihren „Tanz-Lektüren“ getrofen hatte. 153 Vgl. ebd., S. 169-172. 154 S. ebd., S. 172. 155 Vgl. ebd., S. 172-176. 156 Ebd., S. 174-176. 28 gelingt laut Schmidt die inszenierte Rettung des Models Kate Moss.157 Die Showsequenz hält den sensationslüsternen MedienkonsumentInnen einen Spiegel vor und erlangt zusätzlich lehrhafen Charakter.

Insofern wird auch für die Filmanalysen immer zu prüfen sein, welche inhaltlichen Deutungsange­ bote enthalten sind, ohne Anspruch auf eine abschließende Interpretation, sowie zu fragen, ab wann sich ein Bruch mit den vorgeprägten Bild- und Figurentypen aufut.

157 S. ebd., S. 175. 29 2.2 Phantastisch bewegtes Filmkostüm

2.2.1 Die Kostümanalyse in der Filmtheorie

Kleidung im Film ist innerhalb der Filmgeschichte unterschiedlich diskutiert worden, weshalb sich einander zum Teil gegenüberstehende Deutungen herausgebildet haben. Für Kristina Köhler kris­ tallisieren sich insbesondere zwei diferente analytische Herangehensweisen der Filmtheorie heraus, die auch für die Untersuchung einer „phantastischen Kleiderbewegung“ grundlegend sind: Zum einen wird häufg die symbolische Ebene der Filmkostüme herausgehoben, zum anderen werden phänomenologisch-sinnliche Erfahrungsdimensionen untersucht.158 Dabei verweist sie auf die begrifichen Unterschiede zwischen „Kleidung“, „Kostüm“ und „Mode“: Der Terminus „Kleidung“ bezieht sich auf den zweckmäßigen Gebrauch der vestimentären Objekte, „Kostüm“ behandelt ihre Eingebundenheit in eine kinematographische Inszenierung und „Mode“ betont die kulturelle Codierung und Instrumentalisierung von Kleidern.159 Filmkostüme müssen als eigenständige künstlerische Erzeugnisse betrachtet werden, die in einem bestimmten sozialen, politischen wie geschichtlichen Entstehungskontext zu verorten sind und „mit Blick auf narrative, visuelle oder dra­ maturgische Efekte“ entworfen werden.160 Schon in der Filmtheorie von Béla Balázs wurden Filmkostüme in mehrfacher Hinsicht bedeutsam, wie auch Köhler161 bemerkt: Laut ihm dienen sie zur schnellen Charakterisierung der Figuren, indem sie auf gewisse vorgeprägte Typen rekurrieren, und unterstreichen die Bedeutungen der Gesten und Gebärden der SchauspielerInnen.162 Zudem besitzen sie eine eigene Expressivität und sprechen manchmal anstelle der Figur: „[...] und jede Falte seines Kleides bekommt die Bedeutung, die eine Falte in seinem Gesicht hat.“163 Balázs hat die Gestalt der Dinge auch als „das Gesicht der Dinge“ oder deren „Physiognomie“ bezeichnet und sie als lebendige Erscheinungen interpretiert: „Jedes Kind kennt die Gesichter der Dinge und geht mit klopfendem Herzen durch das halbdunkle Zimmer, in dem Tisch und Schrank wilde Grimassen schneiden und mit wunderlichem Mienen­

158 Vgl. Köhler 2020, S. 131. 159 Ebd., S. 134. Köhler spricht in Anlehnung an Roland Barthes davon, wie in gesellschaflichen Kommunikationspro ­ zessen, Identitäten über Mode refektiert und konstituiert werden und als Marker für den sozialen Status, Symbole einer bestimmten Gruppe oder Zeitspanne sowie zur Kennzeichnung individuellerer Merkmale gelesen werden können. (ebd.) Dazu passt Lehnerts Charakteristikum eines „ästhetischen Überschusses“, der Kleidung erst zur Mode macht: Ihr werden dadurch „nicht nur soziale, sondern vor allem ästhetische und afektive bzw. symbolische Werte zugesprochen“ die über ihre Funktions- und Gebrauchszusammenhänge hinausweisen.(s. Lehnert 2013, S. 43) Sie erklärt dazu: „Im Spannungsfeld von Kommunikation mit dem Außen einerseits und narzisstischer Selbstbespiegelung andererseits wird Mode integrales Element der performativen Konstitution von Identität“. (ebd. S. 8) 160 S. ebd., S. 134. 161 Ebd., S. 136. 162 Vgl. Balázs 2017 [1924], S. 38f. 163 S. ebd., S. 39. 30 spiel etwas sagen wollen. Man kann schon recht erwachsen sein und noch in den Wolken seltsame Gestalten erkennen. Die unheimlich-deutlichen Gebärden der schwarzen Bäume im nächtlichen Wald machen auch dem nüchternsten Philister bange.“164 Neben der symbolisch-semiotischen Dimension der Objekte schreibt Balázs ihnen einen je individuellen Ausdruck zu, den er afektiv aufädt und u.a. als unheimlich oder beruhigend einstuf.

Devoucoux betont in seiner Studie zu „Mode im Film“ größtenteils die typisierende und schemati­ sierende Funktion der Kostüme. Sie seien vorrangig dazu da, dem Publikum erste Hinweise zur Beurteilung der Charaktere zu verschafen. Denn Kleidung soll im klassischen Erzählflm Figuren­ konzeptionen vorstellen und sie, entlang der narrativen Logik und in Abhängigkeit zur dramaturgi­ schen Gestaltung, allgemein verständlich artikulieren.165 Die „Hauptidee des Films“ entscheidet dabei über die Typisierungs- oder sogar Stereotypisierungsverfahren der Kostüme, die in Filmen fest mit dem Subjekt und somit der Rolle verwachsen sind.166 Demnach würde den Kostümen hauptsächlich die Aufgabe zukommen, die Biographien ihrer TrägerInnen zu vermitteln und inner­ liche wie äußerliche Metamorphosen, psychische Vorgänge oder einschneidende Erlebnisse zu illus­ trieren oder aktivieren. Zudem verweisen sie auf den raumzeitlichen Rahmen der Handlung, das Filmgenre sowie den Stil der Erzählung. Wichtig sei, laut Devoucoux, jedoch weiterhin die Fähigkeit der Mode, (Welt-)Bilder selbst zu konstituieren: Über sprachliche, ikonische und performative Pra­ xen bauen sich mit den Kleidern verbundene Symbolisierungen und Erfahrungswerte auf.167 Die damit verknüpfen Bilder sind jedoch keineswegs universell verständlich oder unveränderbar, son­ dern bleiben, da sie kulturideologisch erzeugt werden, stets dynamisch.168

164 S. Balázs 2017 [1924], S. 59. 165 Vgl. zu diesem Absatz: Devoucoux 2007, S. 32. Er deutet Kostüme als „soziokulturelle Zeigefnger“, die eine Reihe personaler oder kollektiver Eigenschafen, Einstellungen, Werte und Zuordnungen signalisieren: „ […] eine soziale, be­ rufiche oder wirtschafliche Situation, eine politische und ideologische Zugehörigkeit oder Afnität [...]. Darüber hinaus können sich in ihnen ethnische Vorstellungen, moralische oder religiöse Einstellungen, Autoritäten, Geschlech­ terordnungen oder Familienstatus manifestieren. Sie dienen zur Kennzeichnung von Lebensalter, Generationen, sexuellen Praktiken. Sie charakterisieren weiter Traditionen und Privilegien, kurzum ganze Lebensstile oder kulturelle Milieus. Zusätzlich bringen Kostüme geografsche, klimatische oder ökologische Situationen zum Ausdruck, stellen eine hierarchische Struktur dar oder Integrationsprozesse, Toleranzschwellen, Anpassung, Ausschließung oder Widerstän­ de.“(s. ebd., S. 37.) 166 Vgl. ebd., S. 34. 167 Ebd., S. 50. 168 Ebd., S. 36. 31 2.2.2 Pathos, Spektakel, Narration: Sinn und Sinnlichkeit des Filmkostüms

Jane Gaines widmet sich in ihrem einfussreichen Aufsatz über das Filmkostüm den Regeln der Charakterkostümierung des klassischen Hollywoodkinos in der ersten Hälfe des 20. Jahrhunderts: Kostüme mussten der Erzählung untergeordnet sein und durfen rein der Figurencharakterisierung dienen.169 Es wurde angenommen, Kostüme könnten das Innere einer Figur ofenlegen und die eigenen Anschauungen darüber, wie sich verschiedene soziokulturelle Stellungen, das Geschlecht oder weitere biographische Faktoren äußerlich zu manifestieren hätten, bekräfigen.170 Laut Gaines hängt eine derartige Erwartungshaltung mit der Überzeugung zusammen, das Äußere sei als „Schlüssel zur Persönlichkeit“ eines Menschen aufzufassen.171 An der Stelle verweist sie auf Richard Sennetts Text zur Mode in der Gesellschaf des 18. sowie jener des 19. Jahrhunderts und deren gegensätzliches Verständnis von der Bekleidung und ihrer Beziehung zum Selbst: Im 18. Jahrhun­ dert wurde der Körper wie eine „Kleiderpuppe“ angezogen und geschmückt - zwar gab es Kleiderre­ gelungen für die einzelnen Berufsgruppen und Stände, aber durch neu entstandene, sich verändernde Tätigkeiten fanden die modischen Kennzeichnungen und Aufmachungen variable Einsatzmöglichkeiten.172 Der Kleidung wurde eine vom Körper unabhängige Bedeutung zugespro­ chen. Im 19. Jahrhundert veränderte sich diese Wahrnehmung grundlegend und die Menschen begannen, die Persönlichkeit aus dem öfentlichen Erscheinungsbild ihrer MitbürgerInnen heraus­ lesen zu wollen.173 Ab diesem Zeitpunkt schenkten sie kleinen Gesten oder Blicken große Aufmerk­ samkeit, da jedes Kleiderdetail, so die gängige Vorstellung, etwas über den sexuellen Status, die soziale Position oder die momentane Stimmung der TrägerIn verraten könnte.174 Selbst die Form des Fingernagels erhielt eine Aussagekraf.175 Die Gleichsetzung von Innen und Außen ging teil­ weise so weit, zu vermuten, Kleider würden nicht nur einen schlechten Charakter ofenlegen, son­ dern ihn überhaupt erst entstehen lassen.176 Das Verhalten, bestimmte Körperbewegungen oder unbelebte Objekte wurden mit einer eigenen Sprache und individueller Bedeutung unterlegt.177

Jene Vorstellung, das Äußere sei mit dem Inneren verbunden bzw. die Sichtbarwerdung eines geis­ tigen Prozesses und Spiegel der „Seele“ gleicht Balázs Physiognomiebegrif, der sich ebenso auf die

169 Vgl. Gaines 1998, S. 212. 170 Ebd., S. 221. 171 Ebd., S. 217. 172 Vgl. Sennett 1986 [1977], S. 310f. 173 Ebd., S. 320. 174 Ebd., S. 325f. 175 Ebd., S. 328. 176 Ebd. S. 333. 177 Ebd., S. 328. 32 Dingwelt bezieht. Balázs bestimmt den Film als das geeignetste Medium, um das „Gesicht der Dinge“, ihr „geheimnisvoll-geheimes Mienenspiel“, hervorzuholen.178 Daher sollten die Filmko­ stüme nicht bloß zur einfachen Typisierung eingesetzt werden, sondern den „individuellen Charak­ ter“ der Figur zeigen.179 Für Gaines führen diese Entwicklungen zu den „erzählenden Gaderoben“180 des frühen Hollywood­ kinos. Nicht selten gebrauchten KostümbildnerInnen Metaphern, um bestimmte Charakterzüge zu verdeutlichen: So entsprechen Spinnennetze auf transparenten Ärmeln (wie in einem Film von 1933) beispielsweise dem Typus der „gefährlichen Frau“ als „Männerfressender Vamp“.181 Mithilfe einer ersonnenen Gleichwertigkeit, „der Verknüpfung zweier Signifkate“, konnten Stofe oder Schnitte mit speziellen Charaktereigenschafen assoziiert werden: Wolltweed drückt „Ernsthafig­ keit“ aus, schwarzer Satin „erotische Aggressivität“ und Tüll gilt als „leichtherzig“.182 Gaines erklärt, wie sich durch ständige Wiederholungen, eine Gewöhnung an solche äquivalenten Bedeutungen einstellt, wodurch derartige Codes als „natürlich“ empfunden werden: „Die „Naturalisierung“ der Beziehung zwischen Kostüm und Figur funktioniert in der Weise, daß das Kostüm desto weniger als solches wahrgenommen wird, je besser die beiden Systeme (Kostüm-Figur) zueinander passen; irgendwann nehmen wir nur noch wahr, daß eine Figur eben Kleider trägt.“183 Diesen Prozess der „Naturalisierung“, bei dem das Kostüm hinter der Rolle verschwindet, verwendet der klassisch rea­ listische Film, um dem Publikum eine „in sich geschlossene Welt“ und somit die „Illusion von Wirklichkeit“ vorzuführen.184 Gaines zufolge galt hier allerdings der Grundsatz, das Kostüm müsse zwar die Erzählung befördern, sich dabei jedoch stets im Hintergrund halten.185 Das Kostüm war in seinen Erzählwerten deutlich eingeschränkt und obwohl es die Gefühle oder die Geschichte der Rolle unterstreichen sollte, hatte es merklich weniger zu sagen als der Körper, den es einkleidete. 186 Meist blieb es auf seine typisierende Funktion reduziert und veranschaulichte ein Merkmal oder

178 Vgl. Balázs 2017 [1924], S. 59. 179 Ebd., S.39. 180 Vgl. Gaines 1998, S. 211. Den Ausdruck übernimmt sie von Maureen Turim (1990), die sich damit auf die amerika­ nische Kostümbildnerin bezieht. (ebd.) 181 Ebd., S. 224f. 182 Ebd., S. 228. 183 S. Ebd., S. 229. 184 Vgl. Ebd., S. 229-234. Bordwell und Tompson interessiert die strukturelle Beschafenheit von Filmen und wie sich daraus für die ZuschauerInnen Bedeutung ableitet. Für sie defniert sich das „klassische Erzählkino“ über bestimmte formale Konventionen, welche im Zeitraum von 1917 bis etwa 1960 in Hollywood vorherrschend waren.(vgl. Bordwell 2005 [1985], S. 9.) Der klassische Erzählmodus täuscht Realismus vor, indem er narrative Kohärenz und Kontinuität suggeriert, also durch klare (u.a. personengebundene) Kausalzusammenhänge, zeitliche Linearität und reibungslose Ab­ läufe, eine raum-zeitliche Einheit erschaf. Jede flmische Entscheidung, jedes dargestellte Ereignis sowie Element muss dem Primat der Handlung untergeordnet bzw. durch sie motiviert sein und der Konstruktionscharakter der Erzählung sollte dabei „unsichtbar“ bleiben.(ebd., S. 2-87, vgl. auch Tompson 2005 [1985], S. 288.) 185 Vgl. Gaines 1998, S. 215. 186 Ebd., S. 223. 33 eine Besonderheit der Figur. Gerade in den dramatischen Szenen sollte das Kostüm möglichst unaufällig erscheinen, wohingegen es in „überfüssigen Szenen“ häufger spektakulär inszeniert wurde: Denn laut Gaines stellt das Kostüm eine potentielle „Bedrohung“ für die narrative Kohärenz dar und sobald seine Schauwerte in den Vordergrund rücken, könnte es die ZuschauerInnen von der Handlung ablenken und die Illusion gefährden.187 Devoucoux bemerkt, dass Kostüme im zeitgenössischen Unterhaltungsflm noch immer mehrheit­ lich so eingesetzt werden wie im klassischen Hollywoodflm und die Schauwerte zugunsten der rea­ listischen Erzählung verblassen.188 Die Überlegungen zur Sichtbarkeit des Kostüms schließen an den in der Filmtheorie vieldiskutier­ ten Gegensatz von Narration und Spektakel an. Auf die dafür relevanten Begrifichkeiten und ihre Verhandlung im theoretischen Diskurs soll vorab kurz eingegangen werden, um anschließend her­ auszuarbeiten, welchen Stellenwert sie für die Kostümanalyse besitzen.

Frisch, Fritz und Rieger beschreiben den Begrif des Spektakels in ihrer Einleitung zum Sammel­ band „Spektakel als ästhetische Kategorie“ in allgemeiner Hinsicht als „Strategien der sinnlichen Überwältigung, des Erstaunens, der Schaulust und der afektiven Berührung“.189 Bei der Analyse spektakulärer Inszenierungen spielt die emotional-sinnliche Involvierung der RezipientInnen eine entscheidende Rolle.190 Etymologisch stammt „Spektakel“ vom lateinischen „spectaculum“ ab und meint „Anblick, Schauspiel (Teater, Zirkus), Bühne, Schauplatz, Wunderwerk“.191 Im Zusammen­ hang mit dem lateinischen Ausdruck steht es zunächst für „Schrecken, Trauer oder Mitleid erre­ gende Szenen“, seit dem 18. Jahrhundert ist es allerdings überwiegend im Sinne von „Lärm, Krach, Getöse, Tumult, Zank, Streit“ gebräuchlich und das Adjektiv „spektakulär“ wird mit den Termini „aufsehenerregend, sensationell“ gleichgesetzt.192 Der Begrif weist also auf die Schauwerte eines Ereignisses oder einer Sache hin, das bzw. die, vornehmlich in inszenierter Form, durch aufällige Bewegtheit oder Geräuschefekte hervorsticht. In seiner Anfangszeit lässt sich Film insgesamt als großes Spektakel fassen, da die Schauwerte in jener Periode für wichtiger als die Narration erachtet wurden: Tom Gunning nennt dieses Kino in seinem gleichnamigen Aufsatz passenderweise „Das Kino der Attraktionen“.193 Er entlehnt den Ter­ minus „Attraktion“ dem begrifichen Repertoire des sowjetischen Film- und Teaterregisseurs Ser­

187 Vgl. Gaines 1998, S. 233 u. 247-249. 188 Vgl. Devoucoux 2007, S. 57. 189 S. Frisch/Fritz/Rieger 2008, S. 11f. 190 Ebd., S. 16. 191 Vgl. „Spektakel. Etymologie“, in: https://www.dwds.de/d/wb-etymwb. 192 Ebd. 193 Vgl. Gunning 2000 [1986], S. 229f. 34 gej Eisenstein und benutzt ihn für audiovisuelle Bilder mit Ereignis- und Sensationscharakter, die die Zuschauenden körperlich in das Leinwandgeschehen einbinden.194 Als einer der ersten formu­ liert er somit das abstrakte Gegensatzpaar Attraktion und Narration. Trotz eines verstärkten Fokus auf Erzählstruktur und Inhalt ab 1906 bleiben die Attraktionen dem Film in den Folgejahren erhal­ ten. Der Pathosbegrif, mit dem sich schon Warburg auseinandersetzte, steht dem des Spektakel in vie­ lerlei Hinsicht nahe, da er genauso nach der afzierenden Wirkung einer Darstellung fragt. Cornelia Zumbusch bringt die, aus der aristotelischen tragödientheoretischen Tradition hervorgegangene Bezeichnung folgendermaßen auf den Punkt: „Wie sich hier andeutet, handelt es sich beim Pathos um einen Begrif mit wirkungsästhetischem Potential. Indem sich schon die wörtliche Bedeutung des griechischen pathos sowohl auf ein Ereignis als auch auf das von diesem Ereignis provozierte Gefühl bezieht, sind im Pathos Verletzung und Schmerz, Anstoß und Efekt, Gefühlserreger und erregtes Gefühl semantisch zusammengezogen.“195 Während beim Pathos vor allem schmerzliche Gefühle wirksam werden, bringen Spektakel eine gewisse Überschwenglichkeit mit sich. „Patheti­ sche“ wie spektakuläre Ausdrucksweisen betonen stärker die „Stilqualität“ der die leidenschafli­ chen Gefühle erweckenden Darstellung.196 Und bei beiden, spektakulären wie pathetischen flmischen Momenten, muss der analytische Blick auf die ästhetischen, technischen und formalen Mittel zur Erzeugung solcher Wahrnehmungsefekte gelenkt werden. Zumbusch zufolge ist die Begrifsgeschichte auch deswegen essentiell, da das Pathos und damit pathetische Inszenierungen ab dem 18. und insbesondere im 20. Jahrhundert immer negativer gewertet und mit „[falscher] Über­ treibung, Kitsch“ oder hohlen Gefühlen in Verbindung gebracht werden.197 Wissenschafliche Erör­ terungen pathetischer Rhetoriken, die mit nationalistischen oder rassistischen Ideologien angefüllt werden, kehren schließlich die fragwürdige und gefährliche Seite derartiger Emotionalisierungs­ techniken hervor.198 Zumbusch spricht von „einem grundsätzlichen Problem der Afektdarstellung“, das eine kritische Betrachtung des entstehungs- und entwicklungsgeschichtli­ chen Kontextes solcher Phänomene verlangt.199

Besonders intensiv hat sich Kristin Tompson mit flmischen Attraktionen beschäfigt. Ihr Konzept des „cinematic excess“ behauptet eine Abspaltung der stilistischen Mittel von der Narration: Nach Tompson wirken in jedem Film zwei einander entgegengesetzte Kräfe, auf der einen Seite jene, die 194 Vgl. Gunning 2000 [1986], S. 231f. 195 Vgl. Zumbusch 2010, S. 9. 196 Ebd. S. 10. 197 Ebd., S. 11. 198 Ebd., S. 12. 199 S. ebd., S. 13. 35 ihn zu einer Einheit zusammenschließen und auf der anderen solche, die seine Geschlossenheit stö­ ren. Letztere bezeichnet sie als „Exzess“, der sich durch Überbetonung und exzessive Verwendung flmischer Stilmittel (Kamera, Licht, Mise-en-Scène, Schnitt/Montage und Ton) einstellt und bedingt, dass die stilistischen Aspekte als eigenwertig wahrgenommen werden.200 Die Ausgestaltung der Stil-Ebene ist im klassischen Paradigma durch Plot und Story motiviert.201 Exzess, und damit stilistische Extravaganzen ohne klar erkennbare Motivation, versucht der klassische Erzählflm möglichst zu minimieren, da sie Tompson zufolge die ansonsten reibungslose Handlungsabwick­ lung unterbrechen würden.202 Die materielle Seite des Filmkostüms, seine Textur, Oberfäche, Form oder Farbe, wäre nach diesem Konzept ebenso imstande, Exzess auszulösen. Eine ungewöhnliche, ausdrucksstarke oder rätselhafe Bewegung und die spezifsche Form ihrer flmischen Präsentation könnten gleichfalls einen Kostüm-Exzess bedeuten. Im Gegensatz zum Spektakelbegrif steht flmi­ scher Exzess nicht allein für aufällig aggressive, laute oder rasante visuell-akustische Phänomene, da Exzess mitunter durch Verlangsamung oder Stillstand, wie bei der zeitlichen Dehnung einer Ein­ stellung, hervorgerufen wird.203 Andere subtile Mittel, wie die Wiederholung eines Motivs, mit weit geringeren Schock- oder Überwältigungsefekten, zeugen von einer zusätzlichen Wirkkraf, in Form einer gefühlten Entfremdung oder Orientierungslosigkeit, der flmischen Exzesse.204 Anstelle einer dramatischen Zuspitzung kommt es dort zur Abnahme des dramatischen Gehalts einer Szene.

Tomas Elsaesser wendet sich in seiner Analyse des Actionflms Die Hard (US 1988) und Francis Ford Coppolas Bram Stoker's Dracula (US 1992) ofenkundig gegen einen neoformalistischen Ansatz, der darum bemüht ist, die Schauwerte eines Films gegen dessen inhaltlich-ideelle Dimen­ sion auszuspielen. Damit streif er die Debatte um die spektakuläre Ästhetik als bestimmendes Stil­ merkmal des „postmodernen Films“ und den ihr anhafenden Vorwurf, nichts weiter als eine sinnentleerte Oberfäche und sich selbst genügender Sinnesreiz zu sein.205 Elsaesser plädiert anhand des Films Die Hard dafür, dass die spektakulären Züge des postmodernen Kinos nicht dessen narra­ tive Struktur untergraben: Der klassische Erzählflm folgt einer eigenen, zeit-räumlichen wie kausa­ len, Logik, die die erzählten Teile so plausibel miteinander verkettet, dass sich der Eindruck einer geschlossenen Welt aufut.206 Diese nach vorwärts strebende Handlungslogik wird nun nicht aufge­ löst, die ProtagonistInnen richten ihr Handeln weiterhin an sehr klassischen Zielen aus, sondern 200 Vgl. Tompson 1977, S. 54f. 201 Mit „Plot“ sind die tatsächlich gezeigten Ereignisse und Situationen gemeint, während die durch sie repräsentierte und von den Zuschauenden imaginierte Geschichte von Tompson als „Story“ bezeichnet wird. (ebd., S. 54.) Die Wich ­ tigkeit des Faktors „Motivation“ in Bordwell und Tompsons Paradigma des „klassischen Hollywoodflms“ wurde bereits weiter oben dargelegt. 202 Ebd., S. 54f. u. 58. 203 Ebd., S. 58. 204 Ebd., S. 59. 36 über das Spektakel mit einem semantischen Überschuss angereichert.207 Elsaesser zufolge überneh­ men die spektakulären Szenen, wie jene voller lautstark zerberstender Glasscheiben, eine gänzlich neue Funktion, sie werden zu sprachlichen Bausteinen, die in selbstrefexiver Weise klassische Ele­ mente aufgreifen, überspitzen und umformulieren: „Rather, in the broader context beyond the bin­ ary divide, it [the category of spectacle] connotes a diferent kind of self-display or ‘knowingness’, a special sort of awareness of the codes that govern classical representation and its genre conventions, along with a willingness to display this knowingness and making the audience share it, by letting it in on the game. Tis type of spectacle manifests itself, among other things, in the deployment of what we called the sliding signifer, an excess of signifcation and meaning-making that attaches itself to the visual, verbal and sonic material and makes it available for semantic play (puns), surface display (glossy look), as well as for special (sound) efects and special (pictorial) efects.“208 Zudem erörtert Elsaesser, wie das postklassische Kino durch seinen exzessiven Einsatz der flmäs­ thetischen Gestaltungsmittel alternative Seh- und Wahrnehmungsweisen entwickelt: In Bram Sto­ ker's Dracula destabilisieren mehrere, sich überlagernde Zeitstränge das lineare Abfolgeschema und gleichzeitig schwächen die körperliche und psychische Inkonsistenz der ProtagonistInnen sowie durch Überblendungen generierte Bildmetamorphosen, die erzählerische Geschlossenheit und fgu­ renbezogene Kausalität.209 Für Elsaesser erzeugt diese ofene Filmsprache mit ihren anspielungsrei­ chen, ineinander verschachtelten visuellen Efekten und Motiven eine räumlich-zeitliche Irritation, die sich aus einer „Dekomposition des perspektivischen Darstellungssystems“210 speist und die Betrachtenden aufgrund der bildräumlichen Gestaltwandel und der erzählerischen Rolle des Tons direkt in das „Raumbild“ hineinzieht.211 Trotzdem geht die Erzählweise des klassischen Kinos nicht verloren, da die strukturierenden Größen „Ursache und Wirkung, Motiv und Verwicklung“ weiter­ hin im postklassischen Film bestehen, allerdings gewinnen sie, durch die neue Behandlung der Bild-

205 Vgl. dazu u.a. den Sammelband „Die Filmgespenster der Postmoderne“ (1998), mit einer Einleitung von Andreas Rost, S. 9-27. Als grundlegende stilistische Charakteristika des „postmodernen Kinos“ betrachtet Ernst Schreckenberg „Spektakel, aufällige Ausstattung, bizarre Schauplätze und Schockefekte“, also eine Aneinanderreihung „sinnlicher Eindrücke“, die starke Emotionen in den Zuschauenden wecken und abseits der eigentlichen Erzählung ein Eigenleben zu führen scheinen. (vgl. Schreckenberg 1998, S. 12-123.) Als beispielhaf für dieses ästhetisches Programm gelten ihm die Nestlé-Schokolade Werbespots Anfang der neunziger Jahre, mit dem Slogan „Rendezvous der Sinne“, in denen u.a. zu sehen ist, wie vom Wind stark bewegte Stofahnen und fatternde Kleiderteile den ansonsten nackten Körper einer Frau umspielen. (ebd., S. 123.) Er beschreibt den damit verbundenen „ätherischen“ Eindruck derart: „Postmodernes Kino ist ein Kino gesteigerter Lustintensitäten, einer Lust an der Überwältigung der Sinne, einer Überwältigung, die kei­ ner begrifichen Logik gehorcht.“ (s. ebd., S. 123.) 206 Vgl. Elsaesser 2017 [2002], Kap. 2.2.3. 207 Ebd., Kap. 2.3.10/2.4. 208 S. ebd., Kap. 2.6.2f/Conclusion. 209 Vgl. Elsaesser 1998, S. 88-95. 210 Welches Elsaesser aufgrund der irreführenden Blicklenkungen und -wechsel - zwischen den einzelnen Figuren, den ZuschauerInnen und dem Bild sowie der Kamera und dem Bild – diagnostiziert. (ebd., S. 92f.) 211 Ebd., S. 88/94f/100. 37 und Tonebene zusätzliche, teilweise widersprüchliche oder ambivalente, Bedeutungen und Funktio­ nen.212

Auch für Christian Schmitt ist der ausschließlich motivationsgeleitete Ansatz zur Bestimmung fl­ mischer Exzesse ungenügend. Entsprechend seiner Ausführungen zu Michaels Bays Kriegsflm Pearl Harbor (US 2001) sind die spektakulären Ästhetiken allerdings in einer Weise funktionalisiert, die er den „pathetischen Mechanismus des Films“ nennt und der keineswegs als subversiv interpre­ tiert werden kann.213 Über ihn verschränkt sich Sinnlichkeit mit Sinn und die ästhetisch-afektive Dimension vermittelt dem Publikum die unterschwelligen Filmbotschafen.214 In Pearl Harbor sind es die ideologischen Konstrukte des Nationalen und des sinnvollen Kriegsopfers, die die flmischen Attraktionen mit ihren visuell-akustischen Spektakeln repräsentieren.215 Wie Schmitt weiter aus­ führt, sind jene efektvollen Bilder des Actionflms stets auch „Aktionsbilder“: Ein in ihnen veran­ kertes Handlungsstreben sowie das Aufehnen gegen jedes Leiden konterkarieren alle passiven Tendenzen und zeichnen das Bild amerikanischen Heldentums.216 Darin erkennt er Friedrich Schil­ lers Forderung, leidvolle Darstellungen müssten immer ein erhabenes Moment aufweisen, was bedeutet, in der Erhebung des Menschen über das bloße „passive Erleiden“, solle der menschlichen Freiheit Ausdruck verliehen werden.217 Die „pathetische Artikulation“ einer Szene rechtfertigt ihre inhaltliche Aussage.218 Umgekehrt begründet der ideelle Gehalt die spektakuläre Darstellungsform.

Die unterschiedlichen Auslegungsarten beweisen, dass (übertriebene) Form und Inhalt nicht so ein­ fach voneinander getrennt werden können, wie es sich vorschnell anbieten würde. Das gilt ebenso für das spektakuläre oder exzessive Filmkostüm. Selbst wenn Kostüme von der Handlung abzulen­ ken scheinen, können sie dennoch Bedeutungen produzieren, die die flmische Aussagen beglaubi­ gen und ihren problematischen Gehalt eher glätten als hinterfragen.

212 Vgl. Elsaesser 1998, S. 100. 213 Vgl. Schmitt 2010, S. 206. 214 Ebd., S. 207. 215 Ebd. 216 Ebd., S. 216f. 217 Ebd., S. 219f., Vgl. auch Schiller 2016 [1793], S. 2025f. „Das erste Gesetz der tragischen Kunst war Darstellung der leidenden Natur. Das zweite ist Darstellung des moralischen Widerstandes gegen das Leiden.“ (s. Schiller 2016 [1793], S. 2017.) Keine Kunst dürfe sich mit dem Zeigen sinnlicher Leidenschafen begnügen, denn: „Das Pathetische ist nur äs­ thetisch, insofern es erhaben ist.“(ebd., S. 2018.) Und erhaben ist es, sobald es ein „übersinnliches Vermögen“ zugänglich macht, ein „Kampf mit dem Afekt […] ein Kampf mit der Sinnlichkeit“ sichtbar wird. (ebd.) Für Schiller er­ schließt das „Erhabene der Handlung“ den Bereich des vom Charakter selbstverursachten Leidens: Nicht die Gestaltung des moralisch richtigen Urteils wird hier zum Gebot für die Kunst, sondern die Demonstration von Willensstärke, die beweist „daß recht handeln möglich sei“. (ebd., S. 2026.) Insofern können auch verwerfiche Handlungen wie Rache ein ästhetisch-erhabenes Motiv bilden. (ebd.) 218 Vgl. Schmitt 2010, S. 224. 38 Stella Bruzzi folgert wie Elsaesser, dass selbst Kostüme, die der Narration in einer Weise dienen, einen davon unabhängigen Diskurs entwickeln können, wie sie anhand des Films Te Piano (AU/NZ/FR 1993) erörtert.219 Es ist der Filmkleidung möglich, sich stärker vom eigentlichen Geschehen abzuspalten: Dies gelingt entweder über ihre spektakulären Qualitäten, wie Jean-Paul Gaultiers Kostüme für den Film Kika (ES/FR 1993) von Pedro Almodovar, die den Erzählfuss mit ihrer fremdartigen und plastischen Bildlichkeit stören. Oder aber sie behaupten einen ikonischen Status wie Giorgio Armanis Anzüge für Te Untouchables (US 1987) und präsentieren, da es hierbei um Entwürfe von ModedesignerInnen geht, ebenso vom Charakter abweichende und den Film überdauernde Vorstellungen.220 Bruzzi unterscheidet Filme, die den Blick explizit auf das Kostüm lenken („to look at costumes“) von solchen, in denen durch das Kostüm hindurch geblickt wird („to look through clothes“): Wird dem Kostüm selbst Beachtung geschenkt, dominiert die sinnlich-ero­ tische Komponente gegenüber seiner Zeichenhafigkeit (wie in Te Piano) und die fetischistischen Aspekte der Betrachtungsweise geraten ins Blickfeld der Analyse.221 In Te Piano ist es der weibli­ che Blick, der über das Kostüm die fetischistischen Bezüge herstellt. Wie Devoucoux zu verstehen gibt, sind vom Kostüm repräsentierte und übermittelte Leidenschaf­ ten, Gefühle oder Stimmungen ebenfalls das Ergebnis einer Typisierung: Wir lernen, wie ein leiden­ schaflicher Kuss auszusehen hat, wie und wieso Angst oder Wut ausgedrückt werden.222 Für Devoucoux ist das „Ausdruck einer Afektkultur“, da jedes Kleidungsstück mit persönlichen Erin­ nerungen und Gefühlen zusammenhängt, die sich „aus mimetischen kulturellen Prozessen heraus[entwickeln], die der Film wieder aufrufen kann [und] die zugleich mimetische Phänomene auslösen.“223

Derart expressive Momente beschreibt Elsaesser als typisch für das Filmmelodram der fünfziger Jahre, weshalb er es als „Ausdruckscode“ klassifziert, der den dramatischen oder emotionalen Stof in die ästhetischen Gestaltungsmitteln, die Beleuchtung, Bildkomposition, Kameraführung oder das Dekor, überführt.224 Er schildert ausführlich die starke Gefühlsbetontheit einer Szene aus Written on the Wind (US 1956), in der ein schwarzes Satinband vom Wind fortgetragen wird.225 Gaines knüpf mit ihren Ausführungen zum spektakulären Filmkostüm daran an und unterteilt dessen

219 Vgl. Bruzzi 2009 [1997], Introduction. 220 Ebd., S. 10/30. 221 Ebd., 36f. 222 Vgl. Devoucoux 2007, S. 82. 223 S. ebd., S. 81. 224 Vgl. Elsaesser 1985 [1972], S. 173f. 225 Ebd., S. 175. 39 Ausprägungen in die „Extravaganz der Stofe“ und die „Extravaganz des Schnitts“.226 Materialität und Farbgebung von Textilien werden in vergleichbarer Weise wie Filmmusik eingesetzt, um eine Atmosphäre zu generieren und die psychische Verfassung der Figuren abzubilden.227 Die beiden Kategorien müssten angesichts des Ziels der vorliegenden Arbeit um jene der „Extravaganz der Kleiderbewegung“ erweitert werden. Ähnlich wie die materialen Eigenschafen des Textils, besitzt eine ausschweifende Kostümbewegung das Potential, Stimmung und Spannung eines Film zu beein­ fussen und wie dem „übertriebenen Stil“ ist es ihr möglich, den flmischen Bild- und Bedeutungs­ raum völlig zu besetzen.

Für Köhler drückt sich darin das „dramatische Potenzial bewegter Stofe“ aus, welches sich der Film schon seit jeher zunutze macht: „Gerade für weibliche Filmfguren wurden fatternde Schals oder Rockbahnen rasch zur melodramatischen Chifre über die innere Gemütszustände prägnant und doch subtil erzählt werden konnten […].“228 Sich im Wind bewegende Kleiderteile, fatternde Federn oder zitterndes Pelzhaar, können sowohl auf Charaktertypen anspielen sowie als „empfnd­ same Textur“ gelesen werden, die die Innerlichkeit der Figuren ins Äußere überleitet und so ihre Leidenschafen, Ängste oder Sehnsüchte spürbar macht.229 Werden die textilen Bewegungen zudem nicht eindeutig melodramatisch inszeniert, sondern wie nebenbei vorgeführt, bleibt ihre Funktiona­ lisierung als psychologischer Marker zweifelhaf.230 Visuelle Kostümefekte und ihre phänomenolo­ gischen Erfahrungswerte bespricht auch Gaines anhand von Adrians Kostümdesign für Madam Satan (US 1930), durch das die Robe synästhetisch erfahrbar wird, so dass die ZuschauerInnen es sowohl zu sehen als auch körperlich zu spüren vermeinen.231 Das Kleid in Madam Satan verweist bildhaf auf einen ausbrechenden Vulkan, überträgt das Konzept der verführerischen Weiblichkeit metaphorisch ins Kostüm und erregt so Assoziationen an einen in Flammen stehenden Körper.232 Über dieses Spiel divergierender Efekte und seine sensationelle Optik gelingt es dem Kostüm, alle Sinne der Zuschauenden zu vereinnahmen: „And so it is that this unusual dress invites the spectator to imagine it from the inside out (as worn) as well as from the outside in (as seen), epitomizing the synaesthetic circularity of the touching that reaches over the seeing.“233

226 Vgl. Gaines 1998, S. 247. 227 Ebd., S. 247. 228 S. Köhler 2020, S. 139. 229 Vgl. ebd., S. 140. 230 Ebd. 231 Vgl. Gaines 2000, S. 168. Sie bezieht sich auf Vivian Sobchacks phänomenologischen Ansatz der Filmanalyse (1992), in der die flmische Wahrnehmung (die sie als „Filmkörper“ fasst) als ein unmittelbar mit den eignen Empfndungen verschränktes Erlebnis gedacht wird. (vgl. Sobchack 2016, S. 63f.) 232 Vgl. Gaines 2000, S. 171f. 233 S. ebd., S. 173. 40 Köhler argumentiert dafür, die exzessiv ausgestellten Schauwerte der Kostüme stets bezüglich ihrer Funktion für die Erzählung und der mit ihr verfochtenen oder über sie hinausweisenden Wir­ kungsbereiche zu erforschen: Sobald die Materialität der Kleider hervortritt, muss auch nach der „Materialität des Films“ gefragt werden, da das Kostüm nur im flmischen Gesamtzusammenhang und verwoben mit den anderen ästhetischen Mitteln sowie den symbolischen und narrativen Bedeutungsfeldern existiert. 234

2.2.3 Phantastik und phantastisches Kostüm

Traumwelten, Fantasiegebilde, Zauberei, übernatürliche Wesen und märchenhafe Gestalten, all das ist schon von Beginn an thematischer wie motivischer Bestandteil des Mediums Film. Jedoch lässt sich der Begrif des „Phantastischen“ nicht so einfach mit dem des „Wunderbaren“ gleichsetzen. Das Wunderbare wird üblicherweise als übernatürliche Erscheinung verstanden, die den geltenden Naturgesetzen oder den epochenspezifschen, kulturell bedingten Wirklichkeitsannahmen wider­ spricht und beim Beobachtenden Erstaunen oder Furcht auslöst.235 In einem künstlerischen Kon­ text verlieren diese Begrifsbestimmungen jedoch an Gültigkeit: Durst argumentiert dafür, wunderbare Ereignisse in Erzählungen unabhängig von der außerfktionalen Wirklichkeit zu bestimmen. Das Wunderbare könne allein innerliterarisch begrifen werden und ofenbare sich in Form einer „sequentiellen Lücke“.236 Da selbst „realistische Erzählungen“ eine „magisch abgerun­ dete, sinnreiche Welt“ hervorrufen (beispielsweise wenn das Wetter stets die Stimmung des Prot­ agonisten spiegelt), erachtet er das „grundlegende Anliegen des realistischen Projekts, eine als wunderlos defnierte fktionsexterne Wirklichkeit abzubilden“, als unerreichbar.237 Insofern eignet sich das Konzept des „Übernatürlichen“ nicht dazu, das Wunderbare in der Literatur zu erfassen, denn: „Die Naturgesetze zu ignorieren, stellt eine grundlegende Eigenschaf des Erzählens dar.“238 Das Wunderbare bemisst sich für ihn nach den „Konventionen realistischer Kunst“, die durch das logische Zusammenfügen von „Kardinalfunktionen“ zu „Sequenzen“ erfüllt werden.239 Seine an Roland Barthes' narrativem Handlungsmodell angelehnte Teorie behauptet somit die lückenhafe Sequenz als ursächlich für das Wunderbare.240 Wunder tun sich in allen Erzählungen auf, die realis­ tische Literatur verschleiert bloß diesen Umstand, wohingegen wunderbare Erzählungen dieses Ele­ ment hervorkehren und ausstellen: „[...] die Wunderbarkeit analoger Strukturen [tritt] in den 234 Vgl. Köhler 2020, S. 147. 235 Vgl. Kreuzer/Durst/Frank 2018, S. 7-19. 236 Vgl. Durst 2018, S. 155f. 237 S. ebd., S. 158f. 238 Ebd., S. 159. 239 Vgl. ebd., S. 160f. 240 Ebd., S. 161. 41 Vordergrund […].“241 Es lässt sich erahnen, welche Herausforderungen eine wissenschafliche Betrachtung phantastischer Erzählungen mit sich bringt, wird das Wunderbare doch stets als wich­ tigstes Kriterium zur Bestimmung des Phantastischen in Anspruch genommen.

Seit langem schon versucht die literaturwissenschafliche Forschung die „Phantastik“ als Genre zu konstituieren. Uwe Durst unterteilt die dafür gebrauchten Defnitionen in zwei unterschiedliche Bereiche: Zum einen gibt es „maximalistische“ und zum anderen „minimalistische“ Aufassun­ gen.242 Erstere gliedern sich wiederum in leicht verschiedene Betrachtungsweisen auf, nämlich denen, die beim bloßen Vorhandensein übernatürlicher Elemente von einer phantastischen Erzäh­ lung sprechen und solchen, in denen das Wunderbare unverhof in eine bis dahin „zeitgenössische“ Welt eindringt.243 Roger Caillois, der für die Phantastik die Metapher des „Risses“ geprägt hat, begreif den Einbruch des Wunderbaren als wesentliches Charakteristikum: „Im Phantastischen aber ofenbart sich das Übernatürliche wie ein Riss in dem universellen Zusammenhang. Das Wun­ der wird dort zu einer verbotenen Aggression, die bedrohlich wirkt, und die Sicherheit einer Welt zerbricht, in der man bis dahin die Gesetze für allgültig und unverrückbar gehalten hat. Es ist das Unmögliche, das unerwartet in einer Welt aufaucht, aus der das Unmögliche per defnitionem ver­ bannt worden ist."244 Er trennt damit das Phantastische von homogen wunderbaren Welten, wie dem Märchen oder der Fantasy. Durst erklärt, dass das Übernatürliche selbst in maximalistischen Defnitionen als ungenügend betrachtet wird, um das Genre hinreichend einzugrenzen. Daher sollte die bei den LeserInnen empfundene Angst als weiteres Indiz beansprucht werden.245 An der Stelle wird erkennbar, dass Sigmund Freud in seiner berühmten Abhandlung zum „Unheimlichen“ (1919) den späteren Phantastiktheorien in mehrerlei Hinsicht vorgegrifen hat. Zur Untermauerung seiner Ausführungen bezieht er sich auf einen Wörterbucheintrag von 1860, der die Ambivalenz des Wortes „heimlich“ herausstellt: Das Heimliche kann stets zum Unheimlichen mutieren, da der Begrif ebenso die Bedeutung des „Vertrauten, Behaglichen“ wie die des „Versteck­ ten, Verborgenen“ in sich trägt. Dem lexikalischen Auszug entnimmt Freud, dass all das unheimlich ist, was „ein Geheimnis, im Verborgenen bleiben sollte und hervorgetreten ist.“246 In seinen einfüh­ renden Bemerkungen zu E.T.A. Hofmanns Erzählung „Der Sandmann“ (1816) bestätigt er zunächst E. Jentschs Prämisse, das Gefühl des Unheimlichen sei Folge einer Ungewissheit, ob ein Gegenstand belebt oder unbelebt sei und nähme zu, wenn das eigentlich Leblose zu sehr an Leben­ 241 S. Durst 2018, S. 160. 242 Vgl. Durst 2010 [2001], S. 28. 243 Ebd., S. 29-31. 244 S. Caillois 1974 [1966], S. 46. 245 Vgl. Durst 2010 [2001], S. 32. 246 S. Freud 2010 [1919], Kap. I. 42 diges erinnere. Doch er erweitert dessen Tese einer „intellektuellen Unsicherheit“ - die entstünde, wenn ein Subjekt mit etwas bis dato Unbekanntem konfrontiert wird und es nur schwer einordnen kann - um seinen Kerngedanken des fremdgewordenen Vertrauten.247 Für Freud entwickelt sich das Unheimliche aus der Wiederkehr eines vergangenen, bereits verdrängten oder beiseite geschobenen Gefühls oder Erlebnisses. So gelangt er zur Annahme, es seien Überreste einer animistischen Welt­ anschauung, die für überwunden befunden wurde und in ihrem erneuten Aufauchen unheimlich geworden ist. Das Unheimliche ist demnach das Gegenteil des Neuen und Unbekannten, nämlich: „[...] etwas dem Seelenleben von alters her Vertrautes, das ihm nur durch den Prozeß der Verdrän­ gung entfremdet worden ist.“248 Die Welt des Märchen wird generell nicht als unheimlich wahrge­ nommen, da Phänomene wie Dingbelebungen hier regulärer Teil der fktiven Welt sind und sie sich „ofen zur Annahme der animistischen Überzeugung bekannt“ hat.249 Letzten Endes ist doch eine Art Unsicherheit für das beklemmende Gefühl verantwortlich, sie lässt sich jedoch nicht durch eine Annäherung an das unheimliche Ding vollends auflären und überwinden: „[...] denn für die Ent­ stehung des unheimlichen Gefühls ist, wie wir gehört haben, der Urteilsstreit erfordert, ob das über­ wundene Unglaubwürdige nicht doch real möglich ist […].“250 Freuds Überlegungen zum Unheimlichen referieren auf die brüchige Grenze zwischen Phantasie und Realität, die einen Raum für Gedankenspiele, was eventuell noch denkbar sein könnte, öfnet. In seinen Worten erwächst das Gefühl aus einer „Überbetonung der psychischen Realität im Vergleich zur materiellen“.251 Eine solche Befragung der Trennung von Realität und Imagination leistet allerdings erst die mini­ malistische Defnition für die Phantastik, die auch Durst bevorzugt. Er gibt an, das Phantastische entstünde, wenn das „reguläre Realitätssystem“ durch ein „wunderbares Realitätssystem“ gebrochen werde, wobei Letzteres nicht an einer Verletzung der Naturgesetze einer fktionsexternen Realität, sondern am Bruch mit den realistischen Konventionen respektive den literarischen Strukturen, zu erkennen sei.252 Tzvetan Todorovs Publikation „Einführung in die fantastische Literatur“ (1970) gilt als wegweisend für die minimalistische Richtung. Das Phantastische erschließt sich Todorov zufolge aus seiner Beziehung zu den Feldern der Wirklichkeit und Fiktion und wird von ihm als „Unschlüssigkeit“ darüber, welchen zugehörigen Gesetzen ein Ereignis gehorche, beschrieben.253 Der notwendige Zweifel betrif in erster Linie den „impliziten Leser“, kann aber gleichfalls von den Figuren emp­

247 Vgl. Freud 2010 [1919], Kap. I./II. 248 S. ebd., Kap. II. 249 Ebd., Kap. III. 250 Ebd. 251 Ebd., Kap. II. 252 Vgl. Durst 2010 [2001], S. 116f. 253 Vgl. Todorov 2013 [1970], Defnition des Fantastischen. 43 funden werden.254 Jedenfalls ist die Frage, ob die Phänomene rational erklärbar sind oder einen wunderbaren Charakter besitzen, essentiell für Todorovs Standpunkt. Findet sich darauf im Text eine Antwort, weicht das Phantastische dem „Unheimlichen“ oder dem „Wunderbaren“: Beim Unheimlichen kann das ehemals Irrationale plausibel in das gängige Realitätssystem eingegliedert werden, demgegenüber handelt es sich beim Wunderbaren um eine märchenhafe Welt, die uner­ klärliche wie übernatürliche Zustände oder Ereignisse als selbstverständlich anerkennt.255 Zuletzt muss noch eine „poetische“ oder „allegorische“ Lesbarkeit ausgeschlossen werden können: Die „Poesie“ unterbindet im Gegensatz zu „Fiktion“ jegliche Repräsentativität, da sie nur auf abstrakte Begrifichkeiten verweist und in keinster Weise wörtlich genommen werden kann.256 Für die alle­ gorische Lektüre gilt ähnliches, sie entspricht einer Metapher, deren “eigentliche“ Bedeutung hinter der bildlichen zurücksteht.257 Beide Fälle bedrohen laut Todorov das Phantastische einer Erzählung.

Claudia Pinkas hat Todorovs strukturalistische Studie zum Ausgangspunkt ihrer umfassenden Arbeit zum phantastischen Film genommen und daraus ein narratologisches Phantastik-Modell für den fktionalen Film abgeleitet.258 Sie kritisiert an bisherigen flmwissenschaflichen Ansätzen, das Phantastische ausschließlich medienontologisch, motiv- und themenzentriert untersucht zu haben.259 Die verschiedenen wunderbaren Figurentypen wie das Gespenst, der Vampir oder die Wasserfrau, sind zentraler Bestandteil der meisten Phantastiktheorien.260 Pinkas zufolge lässt sich der phantastische Film nicht ausschließlich anhand solcher Kriterien erklären, da Begrife wie Rea­ lismus und Phantastik nicht am thematischen, inhaltlichen Material, sondern nur anhand der „nar­ rativen Verfahren bzw. narrativen Modi“ festgemacht werden können.261 Um eine Erzähltheorie des phantastischen Films zu konzipieren und den Terminus für die weitere Forschung als Analyse­ grundlage nutzbar zu machen, orientiert sie sich an Todorovs Unschlüssigkeitsthese. Demzufolge entscheidet die „Erzählstruktur“ eines Textes, der darin angelegte Konfikt zwischen zwei wider­

254 Vgl. Todorov 2013 [1970], Defnition des Fantastischen. Er verwendet den Begrif des „impliziten Lesers“ um auszu ­ drücken, dass keine real Lesenden gemeint sind, sondern „eine >Funktion< des Lesers, die im Text impliziert ist“. (ebd.) 255 Ebd., Das Unheimliche und das Wunderbare. 256 Ebd., Die Poesie und die Allegorie. 257 Ebd. 258 Vgl. Pinkas 2010, S. 1f. 259 Ebd., S. 2. Die medienontologische Diskussion fokussiert auf die technische Seite des Films und die flmischen Tricks zur Wirklichkeitsverfremdung im Sinne von Spezialefekten. Ein anderer Zugang ist, das Genre über die darin vorkom­ menden wunderbaren Wesen und Ereignisse fxieren zu wollen. (ebd., S. 8f.) 260 Ebd., S. 222f. Diese Typen gehören einem bereits länger bestehenden, immer wieder neu kombinierten und artiku ­ lierten Mythenrepertoire an, das auch Georg Seeßlen für den Horrorflm anführt, dessen Voraussetzung die Phantastik bildet, die er auch als „Einbruch des Wunderbaren in die Wirklichkeit“ formuliert. (vgl. Seeßlen 2016 [2006], S. 45- 48/59f.) 261 Vgl. Pinkas 2010, S. 275. 44 sprüchlichen Interpretationen, über seine phantastische Beschafenheit.262 Es muss also ein schein­ bar übernatürliches Ereignis präsentiert werden, das die impliziten LeserInnen darüber im Unkla­ ren lässt, ob es sich nun tatsächlich so abspielt oder um eine Täuschung handelt. Pinkas distanziert sich von Todorovs Begrif der „Unschlüssigkeit“, da er ebenso rezeptionsästhetisch ausgelegt wer­ den kann, und entscheidet sich für den der „Ambiguität“: „[...] wobei das von Shlomith Rimmon entwickelte, enggefasste Ambiguitäts-Konzept, das Ambiguität als Kippspiel mit gleichwertigen, einander gegenseitig ausschließenden Deutungsalternativen bestimmt, zugrunde gelegt wird.“263 Zentral für den phantastischen Film ist, nach Pinkas, dass stets übernatürliche und natürliche Erklä­ rungsangebote einander gegenübergestellt werden: Als natürliche Erklärungen könnten fehlerhafe Einschätzungen aufgrund eines Schwindels oder Zufalls sowie selbst ersonnene Fantastereien gel­ ten. Übernatürliche Erklärungen hingen stattdessen mit schicksalhafen Verknüpfungen und über­ sinnlichen, magischen Prozessen zusammen.264 Eine solche Ambiguität kann sich nur in narrativen Medien ereignen, da Pinkas eine Unstimmigkeit zwischen der Ebene der Story („fabula“) und der Ebene des Plot („sjuzet“) als wesentlich erachtet: Der narrative Akt einer phantastischen Erzählung muss gegensätzliche Hypothesen „hinsichtlich des ontologischen Status' der erzählten Welt“ produ­ zieren.265 Einzelbilder bleiben von dieser Defnition ausgeschlossen, da ihnen das zeitliche Element jeder Erzählung fehlt. Filme, als zeitlich sequenzierte Medien, weisen hingegen verschiedenste Stra­ tegien zur Darstellung ambiguer Welten auf: So kann das Innenleben der Figuren, deren Gedanken und Emotionen, durch die spezifschen flmischen Verfahren in die Außenwelt übertragen werden. Die geistigen Vorgänge müssen jedoch nicht explizit, beispielsweise sprachlich, als solche ausgewie­ sen werden und können sowohl als reale Erinnerungen wie als irreale Wunsch- und Wahnträume interpretiert werden.266 Somit bliebe ihr jeweiliger „Realitätsstatus“ ungewiss.267 Vor allem die jeweilige Erzählperspektive („Erzähler- vs. Figurenperspektive, Außensicht auf das Geschehen vs. mindscreen“) und die Menge an verfügbaren Informationen beeinfussen, wie das Erzählte verstan­ den wird.268 In Übereinstimmung mit Todorov schließt Pinkas poetische oder allegorische Sprache­

262 Vgl. Pinkas 2010, S. 13. 263 S. ebd., S. 38. 264 Vgl. ebd., S. 40. Oder in Dursts Worten: „Das Phantastische basiert auf einem Verfremdungsverfahren, das ein regu­ läres Realitätssystem durch ein zweites, wunderbares Realitätssystem in Frage stellt.“ (s. Durst 2010, S. 116) Pinkas formuliert es gleichermaßen: „Das Phantastische ist die aus dem Diskurs der Erzählung resultierende Unentscheidbar­ keit hinsichtlich des zugrundegelegten Realitätssystems der erzählten Welt.“ (s. Pinkas 2010, S. 47.) 265 S. ebd. 266 Vgl. ebd., S. 52f. 267 Ebd. 268 S. ebd., S. 58. Ausgehend von Kategorien der Wahrnehmungspsychologie ordnet Pinkas dem mehrdeutig Dargestell­ ten, welches den Zuschauenden widersprüchliche Deutungsangebote aufgrund „instabiler Perspektiven“ liefert, den Terminus der „perzeptuellen Ambiguität“ zu. (vgl. ebd., S. 64.) Zeigt sich hingegen ein „Mangel an Informationen“ und wird die klare Einordnung der Ereignisse von „Lücken und Unbestimmtheitsstellen“ verunmöglicht, handelt es sich um den Typus der „physikalischen Ambiguität“. (ebd., S. 64f.) 45 benen aus dem Phantastischen aus. Eine poetische Filmsprache sei als eine spezielle ästhetische Ausdrucksweise zu denken, die sich im Stil oder in der „Atmosphäre des Films“ widerspiegelt.269 Für den phantastischen Film ist demnach entscheidend, dass sich das Geschehen auf einer „fktio­ nalen“ Ebene ereignet und er keine „non-fktionale“ Gestalt, wie sie für dokumentarische und expe­ rimentelle Filme beispielhaf ist, annimmt.270 Todorovs Bedingung der „Wörtlichkeit“ sei allerdings schwieriger in den Film zu überführen, da eine bildhafe Sprache genauso gut den „eigentlichen Ursprung des Phantastischen“ begründen könne, indem sie die Mehrdeutigkeit erst bewirke.271 In der Regel führen metaphorisch gedeutete übernatürliche Erscheinung jedoch zum Verschwinden des Wunderbaren, das nur existiert, wenn es sich auf einen konkreten Teil der fktiven Welt bezieht.272 Pinkas defniert das Phantastische grundsätzlich als „narrativen Modus“ der medien- und gattungs­ übergreifend funktioniert und grenzt ihn damit von Genrebegrifen wie Horror, Märchen oder Fan­ tasy ab.273 Der phantastische Erzählmodus ist stets darauf ausgerichtet, das Erzählte brüchig werden zu lassen und betrif die „Ebene der erzählten Welt (histoire)“ sowie die „Ebene des Erzählens (dis­ cours)“: „Während das Phantastische so einerseits auf der Ebene der erzählten Geschichte eine instabile Welt konstruiert, in welcher Grenzverwischungen und -überschreitungen jeglicher Art an der Tagesordnung sind, zieht andererseits der Diskurs der Geschichte selbst >den Boden unter den Füßen weg<, indem er einen fundamentalen Zweifel hinsichtlich der >richtigen< Lesart des Gesche­ hens aufommen lässt […].“274 Als bestimmende Eigenschaf des phantastischen Diskurses fasst Pinkas eine (visuelle oder sprachliche) intra- und homodiegetische Erzählinstanz mit einer einge­ schränkten Perspektive, die dem subjektiven Blick einer der involvierten Figuren gleichkommt.275 Insbesondere ein „destabilisierter, psychisch derangierter Erzähler“, der den Zuschauenden unver­ lässliche Informationen anbietet, wird im phantastischen Modus zur Generierung von Mehrdeutig­

269 S. Pinkas 2010, S.68. 270 Vgl. ebd., S. 68. Das Phantastische ist daher auch ein unverrückbarer Bestandteil der narrativen Ebene und nicht als Unterbrechung des Handlungsverlaufs zu begreifen. 271 Ebd., S. 69. Diese Problematik gesteht sich Todorov selbst ein und entwirf verschiedene Ausprägungsgrade von Alle­ gorien, wobei die „unschlüssige Allegorie“ allegorisch oder wörtlich gelesen werden kann. (vgl. Todorov 2013 [1970], Die Poesie und die Allegorie.) Als Beispiel nennt er E.T.A. Hofmanns Erzählung Die Geschichte vom verlorenen Spiegel­ bild, in der das Verschwinden des Spiegelbilds sowohl irrationale, übernatürliche Ursachen haben sowie als Allegorie einer abhandengekommenen Persönlichkeit ausgelegt werden könne. (ebd.) Pinkas zitiert Todorov folgendermaßen: „In diesem Fall entstehe eine Mehrdeutigkeit dadurch, dass die Ereignisse zugleich wörtlich, als übernatürliche Gesche­ hen, und bildlich, als sprachliche Trope, zu lesen sind.“ (s. Pinkas 2010, S.69.) Anstatt das Phantastische wie vorerst angenommen, zu zerstören, erzeugen es die „poetischen Verfahren der Uneigentlichkeit“ in diesem besonderen Fall erst. (ebd., S. 70.) Die übertragene, uneigentliche Bedeutung einer Inszenierung entspricht auch jenen sinnhafen Aussa­ gen wie Schmitt sie in den pathetischen Filmmomenten entdeckt. 272 Vgl. ebd., S. 78. 273 Ebd., S. 93. Sie spricht allerdings vom „phantastischen Film“ sobald „die Struktur des Phantastischen dominant ist, d.h. wenn die Ambiguität hinsichtlich einer rationalen oder irrationalen Erklärung des Geschehens ein konstitutives Element der Erzählung bildet und bis zum Schluss aufrechterhalten wird.“ (s. ebd.) 46 keit eingesetzt.276 So ließe sich eine Figur als phantastisch bestimmen, indem ihre Instabilität über verschiedene Erzählperspektiven suggeriert wird, sie also beispielsweise zu Beginn über eine nonfo­ kalisierte, „objektive“ Erzählinstanz als wunderbar vorgestellt wird, im weiteren Handlungsverlauf jedoch angezweifelt werden kann, ob es sich hier nicht doch um eine subjektive Perspektive, eine Imagination oder Projektion der Figur handelt.277 Ein übergreifendes Merkmal phantastischer Figu­ ren ist, dass ihr Körper of „eine Fusion disparater Elemente“ und damit eine Mischung toter und lebendiger, menschlicher und tierischer, technischer und biologischer Teile darstellt.278 Im Gegen­ satz zu wunderbaren Figuren werden diese Vermischungen nie allzu real, sondern lediglich in den Bereich des Möglichen gerückt.279 Auf der räumlichen Ebene der Erzählung können Grenz- oder Schwellenerfahrungen und mit ihnen das Hinübertreten in eine andere fktive Realität im phantastischen Modus inszeniert werden, wobei in der Schwebe bleiben muss, ob sich gerade ein tatsächlicher Übertritt vollzieht oder ein mentaler Prozess veranschaulicht wird.280 Solche Grenzüberschreitungen lassen sich auch mit technischen Mitteln andeuten, die in der Kinematographie lange schon tradiert wurden. Im Sammelband „Phantasmata. Techniken des Unheimlichen“ sind Beiträge versammelt, die sich mit solchen gespenstischen Erscheinungen auseinandersetzen. Wie Morena Corradi darlegt, waren die phantas­ magorischen Bilder der „Laterna magica“ in der Kultur des 18. Jahrhunderts weit verbreitet und beeinfussten u.a. die Erzählungen der Phantastik.281 Wie im Kapitel 2.1.2 anhand von McQueens Videoprojektion besprochen, gelingt es dem optischen Gerät medial-geisterhafe Phantome und die

274 Vgl. Pinkas 2010, S. 93f. Der phantastische Erzählmodus stellt sich dadurch dem klassischen Modus entgegen, der ja „Kohärenz und Stabilität der fktiven Welt“ anstrebt und Realismus evozieren möchte. (vgl. ebd., S. 95f.) Ein realisti­ scher Eindruck vermittelt sich durch die Diegese und betrif alle erzählerischen Verfahren zur Erzeugung einer natürlich erscheinenden Ereignisfolge, die die fktive Welt homogen und stabil wirken lässt. (ebd., S. 97.) Im klassischen Erzählmodus überwiegt ein „nonfokalisiertes“ Erzählen und die außerweltliche, „extradiegetische“ Erzählinstanz: Letz­ tere meint den „fktiven Erzähler“, der dabei (im Gegensatz zur „intradiegetischen Erzählinstanz“) keine der handelnden Figuren darstellt, also nicht selbst Teil der erzählten Welt ist. Bei der „nonfokalisierten Narration“ ist die Erzählinstanz nun nicht an eine Figurenperspektive gebunden. (ebd., S. 98/124f/131f.) Pinkas konzipiert diesen Erzähl­ typ angelehnt an Gérard Genettes Terminologie, mit der die unterschiedlichen Wissensverhältnisse zwischen Erzählinstanz und Figur systematisch geordnet werden. (ebd., S. 127-129.) Für Pinkas ist jedoch aussagekräfiger, in welchem Ausmaß der Kamerablick (bzw. die Erzählinstanz) mit dem „subjektiven Point-of-View einer der Figuren“ zu­ sammenfällt und er unterscheidet daher drei Erzählperspektiven bzw. Fokalisierungen voneinander: 1. „nonfokalisierte Narration“, 2. „externe Fokalisierung“, 3. „interne Fokalisierung“. (ebd., S.131.) Bei der „externen Fokalisierung“ hafet die Erzählperspektive am subjektiven Blick der Figur, die Figur befndet sich aber noch im Bild. (ebd., S. 132.) Eine „in ­ terne Fokalisierung“ beschreibt die Übernahme des Point-of-View einer Figur durch die Kamera: „[...] wenn also entweder die Technik der subjektiven Kamera (Point-of-View-Shot) oder aber ein sogenannter mindscreen in Form ei­ nes Flashbacks, einer Traumsequenz oder ähnlichen Formen der Präsentation mentaler Prozesse vorliegt.“ (s. ebd., S. 133.) 275 Vgl. ebd., S. 152. 276 Ebd., S. 203f. 277 Ebd., S. 225f. Pinkas bezeichnet sie als „Kippfguren“, die „ofmals als in sich zerrissene, träumerisch-melancholische bis psychopathologische Figuren angelegt [sind].“(s. ebd., S. 225.) 278 Vgl. ebd., S. 126. 279 Ebd. 280 Ebd., S. 240. 47 von Pinkas hervorgehobenen hybriden Zustände (tot/lebendig, körperlich/unkörperlich) zu gene­ rieren. Daher zählen die Darstellung der medialen Techniken und deren virtuelle Präsentationen für Pinkas zu den Wesensmerkmalen der narrativen Welt des Phantastischen.282 Christine Blättler erklärt die Phantasmagorie in ihrem Beitrag zur „romantischen Leitmetapher“, die den Zeitgeist des 19. Jahrhunderts anschaulich wiedergibt.283 Der Begrif selbst entstand Ende des 18. Jahrhunderts wegen der populär gewordenen Laterna magica-Vorführungen: Die dem Publikum vorgegaukelten Spukszenarien standen in enger Verbindung zu gesellschaflichen Umwandlungen im Zuge der Auflärung. Angestrebt wurde die Sichtbarmachung des Unsichtbaren und zwar mit neuartigen technischen Instrumenten, die keine Geister herbeirufen, sondern das Publikum mit spektakulären, unheimlichen Efekten unterhalten sollten. Im Grunde wollte man eine Spannung, zwischen jenem, das den Menschen rational gültig erscheint, und dem Wunderbaren, das sich vor ihren Augen ereig­ net, bewirken.284 Mit eben diesem Zweifel, der Technik und Magie in eins fallen lässt und für Dis­ kurse rund um das auflärerische und romantische Denken so bedeutungsstifend ist und schon deswegen interessiert, weil selbst bekannte Illusionen eine schockierende Wirkung beweisen, setzte sich Freud auseinander. Martin Doll und Gaderer bemerken ergänzend zu Freuds Tese der Ver­ drängung: „Denn erst nachdem bestimmte primitive Vorstellungen im Zeitalter der Rationalität als überwunden erachtet und durch wissenschafliche Erklärungen ersetzt worden sind, können sie sich ex post scheinbar wiederbestätigen und entsprechend das Gefühl des Unheimlichen hervorrufen.“285 Das erinnert eindeutig an Warburgs Ausspruch eines Nachlebens vergangener leidenschaflicher Ausdrucksgebärden in den Bildern, die ja gleichfalls von verdrängten oder verschobenen Empfn­ dungen berichten.

Die gespenstischen visuellen Efekte können sich im Filmkostüm niederschlagen, um u.a. durch Überblendungen, Mehrfachbelichtung, Zeitlupe und Windmaschinen oder Animationen stereotype Geisterfguren zu produzieren. Zusätzliche ästhetische Mittel wie Licht- und Farbgebung, Ton oder Raumkompositionen verdichten den Eindruck einer wunderbaren oder unheimlichen Atmosphäre. Dergestalt wäre das Kostüm als Visualisierungsform des abstrakten Figurenmotivs zu verstehen. Das phantastisch bewegte Kostüm muss jedoch, entgegen wunderbarer Kostüme, deren Andersar­ tigkeit einfach zu begründen ist („Sie ist ein Geist“), davon abweichend skizziert werden. Hierfür ist

281 Vgl. Corradi 2011, S. 129f; Vgl. Pinkas 2010, S. 252. „Phantasmagorie“ bedeutet soviel wie „Wahngebilde, Trugbild“ und in einem theatralen Kontext: „Darstellung von Trugbildern, Gespenstern auf der Bühne durch technisch-optische Mittel“.(s. „Phantasmagorie“, in: https://www.dwds.de/wb/Phantasmagorie.) 282 Vgl. Pinkas 2010, S. 252f. 283 Vgl. Blättler 2011, S. 265. 284 Vgl. zu diesem Absatz: Ebd., S. 265f. 285 S. Doll/Gaderer 2011, S. 10. 48 zwischen dem spezifsch phantastischen Modus, wie Pinkas ihn modelliert, und einer diferenzierte­ ren Sicht auf phantastische Strategien zu unterscheiden. Eine rein phantastische Kleiderbewegung würde sich dadurch auszeichnen, dass sie innerhalb der fktiven Realität, zumindest temporär, als explizit wunderbar aufritt, beispielsweise ein Eigenleben erhält. An anderer Stelle müssten der nar­ rative Diskurs und die übrigen Stilmittel Zweifel darüber aufommen lassen, ob die Kleidung wirk­ lich zum Leben erwacht bzw. von übernatürlichen Kräfen beseelt ist oder nur von einer der Figuren als lebendig imaginiert wird. Neben den sich wie von selbst bewegenden Stofen sind außerdem Kostümmetamorphosen denkbar, die dazu führen, dass das Kostüm teilweise oder zur Gänze aus verlebendigten organischen oder tierischen Elementen besteht. Das Kostüm würde hier einerseits lebendig und bekäme andererseits eine spezifsche Gestalt. Es gilt zu trennen, ob das bewegte Kostüm als fremder Teil am Körper der Figur lesbar ist oder dessen Bewegungen einen Zustand bzw. eine Seinsweise der Figur wiedergeben. Belebte und transformative Kostüme können mit den Körpern der Figuren verwachsen, sie erweitern oder in Teilen sowie gänzlich verschwinden lassen. Die Imagination bzw. Evokation des Eindrucks, etwas Mythischem oder Übernatürlichem gegen­ überzustehen sowie es selbst zu verkörpern, kann entweder in Grundzügen bereits im Kostüm selbst angelegt sein, da dieses auch unbewegt dem Typus eines phantastischen oder wunderbaren Kostüms entspricht, oder sich allein aus dem Faktor der Bewegtheit ergeben, wie bei Kleidern, die dadurch eine geisterhafe Anwandlung erhalten. Der andere Typ der phantastischen Kleiderbewegung orientiert sich stärker an dem Figurenblick­ winkel: Es wird zur Diskussion gestellt, ob die Figuren den Realitätsstatus eines textilen Objekts anzweifeln oder einer Bekleidung übersinnliche Kräfe zuschreiben. Da die Sinnestäuschung nicht eindeutig feststellbar ist und mitunter sogar unklar bleibt, wer das Trugbild erschafen hat, entste­ hen Zweifel darüber, was von wem geglaubt wird. Der phantastische Kostümmodus formuliert z.T. auf der Meta-Ebene eine Unsicherheit gegenüber der rationalen Erfassbarkeit und distanzierenden Betrachtung des Geschehens und eröfnet den impliziten ZuschauerInnen, die eigentlich über die Beschafenheit des Erzählten Bescheid wissen, die Perspektive, stets selbst der Illusion oder Fantasie verfallen zu können. Übernatürliche Kostümbewegungen, die von Imaginationen, Wahnvorstellun­ gen, Wünschen oder Träumen der Figuren erzählen, müssen ebenso hinsichtlich ihres narrativen Modus' analysiert werden: Die Frage nach dem Wie bei den als wunderbar fantasierten Bewegungen - und mit ihnen einhergehende Annahmen bezüglich der Gefühls- und Vorstellungswelt der han­ delnden Figuren – ist weiterhin zentral für die Analyse.

Als einer der wenigen bezieht sich Michael Zepter in seinem kurzen Aufsatz ausdrücklich auf den allgemeinen „Aspekt des Phantastischen in der Kleidung“, den er größtenteils wirkästhetisch 49 bestimmt: Bei dessen Beschreibung folgt er Freuds Gedankengang zur Wandlung des Heimlichen ins Unheimliche und geht von einer phantastischen Qualität aus, wenn sich die Wahrnehmung des Kostüms und damit auch die der Figur innerhalb des Handlungsverlaufs drastisch umkehrt. Dem­ nach kann die Figur mit dem Kostüm etwas Schreckliches oder Wunderbares vor der Außenwelt verbergen, das sich nach und nach enthüllt. Ein/e unwissende/r implizite/r LeserIn würde den „Pro­ zeß des wachsenden Verdachts“ verfolgen, bis das Unheimliche im Akt der Entkleidung über die Welt hereinbricht. Zepter erwähnt kurz den möglichen Fall einer „Illusion des Phantastischen“, die sich ausformt, wenn die TrägerInnen der Kleidung überirdische Kräfe zuweisen.286 Sein Kapitel zum Tragegefühl spielt schließlich stärker auf solche Momente an, in denen Kleidungsstücke einen eigenen Willen zeigen. Zu erfahren, wie die eigene Kleidung, die Schutz und Sicherheit garantieren sollte, „trügerisch und gefährlich“, also zur leiblichen Bedrohung wird, ist laut Zepter eine beson­ ders grauenvolle Erfahrung: „die roten Ballettschuhe, welche die Tänzerin nicht mehr von den Füßen bringt und die sie zwingen, immer weiter zu tanzen […].“287 Zur Kategorie eigenwilliger Kostüme, die sich gegen ihre TrägerInnen wenden, gehören ebenso Gewänder, die sich nicht mehr von der Haut lösen wollen, sich wie Fesseln um den Körper legen, ihn einschnüren oder beengen. Andererseits kann Stofen, die der Haut schmeicheln, sie zärtlich streicheln und der tragenden Per­ son angenehme Empfndungen bereiten, ein gleichermaßen wunderbarer Eigenwille attestiert wer­ den.288 An den Schluss seiner Ausführungen setzt Zepter ein Zitat von Serge Tisseron, der Clérambaults Fotografen drapierter marokkanischer Bekleidung kommentiert: „Zunächst einmal hören die Tex­ tilien vor seinem Objektiv auf, leblose Hüllen zu sein. Es sind nicht mehr drapierte Körper, die er fotografert, sondern mit eigenem Leben beseelte Stofe. Nicht mehr Kleidung, sondern Hautgewebe […] Manchmal wiederum blähen sich die Hüllen zu grotesken Formen auf und enthüllen eine Autonomie von unmöglichen Auswüchsen.“289 Für Zepter spiegelt sich darin, wie machtvoll Spra­ che unsere Fantasie in eine neue Richtung zu lenken vermag und phantastische Vorstellungen aus­ bildet.290 Im Zitat deutet sich in textueller Form der Schnittpunkt von Realität und Imagination an, der im visuell-auditiven Medium des Films untersucht werden soll. Es reicht fraglos nicht, wenn sich die Textilien einzig zu ungewöhnlichen Gebilden verformen, die Erzählung muss ihre wunder­ bare Struktur konkretisieren und als bestehende Möglichkeit formulieren.

286 Vgl. zu diesem Absatz: Zepter 1992, S. 32f. 287 S. ebd., S. 37. 288 Vgl. ebd., S. 38. 289 S. Tisseron, Der Ethnofotograf, in: Tumult 12, 1988, S. 61, zitiert nach Zepter 1992, S. 40. 290 Vgl. Zepter, S. 40. 50 Ein Beispiel für wunderbare bis phantastische Kostümbewegungen gibt Köhler in ihrem Kapitel „Nymphe, Schleier, Wasser“, obwohl sie in ihren Erörterungen nicht auf diese Aspekte fokussiert. Ihr phänomenologischer Ansatz hebt stattdessen die, von den Kostümen bzw. dem bewegten Bei­ werk verursachten, tänzerischen Bewegungsefekte und -formeln in den flmischen Bildern hervor und bezieht sich damit auf ein „energetisches Bild- und Wahrnehmungsverständnis in der Kultur der Jahrhundertwende“, wie es auch Warburg vertrat.291 Angeleitet von Warburgs Überlegungen zur Nymphe studiert sie die Schleierbewegungen dieser Figur im europäischen wie US-amerikani­ schen Kino des frühen 20. Jahrhunderts und ergründet, wie sie sich zu einer „symptomatischen Bild- und Bewegungsfgur“ dieser Zeit entwickelt.292 Die fießenden, wogenden Stofe nehmen in manchen Szenen den gesamten Bildraum ein und verbinden sich mit Bewegungen des Umraums.293 Indem sich die Bewegungen der Schleier verselbstständigen, führen sie den Blick weg vom Körper der Tänzerin und hin zur sinnlich-materiellen Ebene des Kostüms.294 Teils löst sich der Körper dar­ unter sogar ganz auf. Köhler erkennt, dass die Intensität einer Szene damit von der Figur in die Bewegungen des Umraums verlagert wird, auch hier steht also eine Verschiebung des Ausdrucks im Mittelpunkt.295 Sie erfasst die Szenen der Filmbilder als über visuelle Mittel gestaltete Bewegungs­ kompositionen. So kann auch die Wasserbewegung dieselbe Funktion wie das Kostüm überneh­ men.296 In einigen Bildern ergeben sich spannungsvolle Zustände durch den Kontrast zwischen der unbewegten Pose der Figur und ihrem hefig bewegten Beiwerk.297 Statt eine „rhythmische Einheit“ zu bezwecken, erwirkt „die Gegenüberstellung von zwei Bewegungsprinzipien“ vielmehr eine „Intensivierung und Dramatisierung“, dadurch wird die Bildzentrierung aufgehoben und der Blick schweif ruhelos im Bild umher: Die Bewegungen des Umraums verleiten ihn dazu, den übrigen Bildraum zu erkunden.298

Für die Analyse phantastischer Kleiderbewegungen im Film sind die verschiedenen Ansätze hilf­ reich, um Funktionen und Wirkungsweisen wehender Kostüme besser einordnen zu können und zu klären, ob die Anmutung einer übernatürlichen, unerklärlichen Erscheinung nicht vielleicht doch als vorwiegend atmosphärisches, dramatisches, stilisierendes Mittel, als Gefühlsvisualisierung oder ironischer Kommentar verstanden werden muss.

291 S. Köhler 2017, S. 131f. 292 Vgl. ebd., S. 134. 293 Ebd., S. 135f. 294 Ebd., S. 140. 295 Ebd., S. 147. 296 Ebd., S. 141f. 297 Ebd., S. 147. 298 Ebd., S. 148f. 51 Der phänomenologische Blickwinkel ist außerdem von Bedeutung, da jede Bewegungsinszenierung eines Filmkostüms bestimmte Stimmungs- und Spannungsräume hervorbringt und als ästhetisches Material auf das Wahrnehmungsverständnis und die Emotionen der Betrachtenden einwirkt.

52 2.3 Fetischismus, Animismus, Anthropomorphismus

2.3.1 Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der Begrife

Es existieren bereits mehrere Studien, die die komplexe Geistes- und Kulturgeschichte der Begrif­ lichkeiten historisch wie systematisch aufgearbeitet haben. Vor allem Hartmut Böhmes Monogra­ phie „Fetischismus und Kultur. Eine andere Teorie der Moderne“ (2006), in der er die vergangenen und gegenwärtigen Beziehungen der Menschen zu den kulturellen Dingen ergründet, verschaf einen tiefergehenden Einblick in die Metamorphosen des Fetisch- bzw. Animismus-Dis­ kurses und dessen Begrifsgenealogien. Er vertritt in seiner Untersuchung die Tese, die aufgeklärte, wissenschafliche Moderne habe sich von magischen, mythischen und kultischen Praktiken losge­ sagt, deren innere Kräfe dennoch weiterhin wirksam blieben.299 Johannes Endres veröfentlicht 2017 eine Sammlung von Quellentexten, die Überlegungen zu einer Systematisierung der verschiedenen Fetischismus-Teorien einfasst. Wie er im Vorwort angibt, setzt 1972 mit Jean-Bertrand Pontalis' Sammelband „Objekte des Fetischismus“ ein Umdenken in der Fetischismusfoschung ein, das mit der folgenden, für die aktuelle Beschäfigung relevanten, Frage einhergeht: Was verbindet die diversen historischen Konzepte und Wissensfelder miteinan­ der? Und besteht überhaupt eine Verbindung?300 Endres zumindest ist von einer Afnität überzeugt und stellt mit der Textsammlung die jeweiligen Übernahmen und Austauschprozesse zwischen den Teorien heraus.301 Anhand eines Marx-Zitats veranschaulicht er, dass sich das „Fetischobjekt“ nie­ mals auf irgendeine stabile Wesenheit fxieren lässt und das Gemeinsame seiner heterogenen Erscheinungen dagegen in der, „jenen Übertragungen zugrundeliegende Logik der Inversion“ liegt, durch die der Gegenstand des Fetischs in immer anderer, gewendeter Gestalt im nächsten Zugrif innerhalb der Teorie-Reihe erscheint.302 Die nachfolgenden Ausführungen sollen diese Feststel­ lung nachvollziehbar machen.

Vor 1970 bestimmte noch die Suche nach dem Wesen des Fetischismus den europäischen Diskurs. Die diesbezüglichen Interpretationen gestalteten sich äußerst vielfältig: „Demnach ist der Fetisch ein Götze, ein Zaubermittel, ein irrtümlich für lebendig gehaltenes Ding, die älteste und primitivste Religionsform, ein Aberglaube, ein Tauschobjekt, das Produkt eines Wertmissverständnisses, ein Wahrzeichen der Entfremdung, ein Ersatz, der Phallus, ein Statussymbol [ …].“303 Mit weit größerer 299 Böhme 2006, S. 22. 300 Vgl. Endres 2017, S. 9-12. 301 Ebd., S. 14f. 302 S. ebd., S. 16. 303 Ebd., S. 12. 53 Sicherheit lässt sich der Fetisch hingegen als Ausprägung der kolonialen Moderne bestimmen: Ab dem 15. Jahrhundert wird er von europäischen Forschenden und Reisenden verwendet, um ver­ schiedene als „primitiv“ und „anstößig“ gewertete Praktiken und Objekte afrikanischer Kulturen zu beschreiben.304 Wie Böhme anführt, gibt zuerst der holländische Protestantismus Anlass, eine Ana­ logie zwischen fetischistischen Praktiken und der Bilderverehrung der Katholiken zu vermuten und Anfang des 18. Jahrhunderts gilt in ganz Mitteleuropa, wegen der zeitgleichen ethnographischen wie auflärerischen Teorien, die Tese, afrikanische Fetisch-Kulte kämen christlichen Praxen und abergläubischem Handeln europäischer Herkunf gleich.305

Auch der französische Auflärer Charles de Brosses, der als erster eine Teorie des Fetischismus entwirf, fasst ihn als „Götzendienst“ der „Afrikanischen Neger[n]“, den er in einen kulturellen Ver­ gleich einbringt.306 In seiner Abhandlung „Ueber den Dienst der Fetischengötter oder Vergleichung der alten Religion Egyptens mit der heutigen Religion Nigritiens“ (1760) erklärt er den Fetischismus zur universellen Vorstufe von Religion und ersinnt somit ein Fortschrittsmodell, das dem Fetisch den Platz einer am Anfang der gesamten Menschheitsgeschichte stehenden urreligiösen Praxis zuteilt. Der Fetischismus wird als kindliche Art des Weltzugangs, den die Menschen hinter sich las­ sen müssten, abgewertet.307 De Brosses prägt die für die Epoche der Auflärung typische Annahme, Fetische seien „vergötterte“ Dinge, denen Bedeutungen und Kräfe zugesprochen würden, die sie als solche nicht besitzen könnten.308 Seine Macht bekommt das willkürlich gewählte Fetisch-Ding vom fetischistischen Individuum oder Kollektiv während eines rituellen Akts verliehen und jene erhält sich fortan über den verehrenden Umgang mit dem Objekt.309 Das magische Ding übernimmt vor allem die Rolle eines Beschützers und Glücksbringers, dessen vermeintliche Krafwirkung den Feti­ schistInnen dienlich sein soll und die sie zu kontrollieren glauben.310 Da ein so konzipierter Feti­

304 Vgl. Böhme 2017 [2000], S. 441f; Böhme 2006, S. 19; Endres 2014, S. 14. Zur Etymologie: „›Fetiche‹ oder ›Fe­ tisch‹ sind Wortbildungen, die vom portugiesischen ›fetiço‹ (Amulett, Zauber[­mittel], kunstlich, nachgemacht, falsch) bzw. vom lateinischen ›factitius‹ (durch Kunst gemacht, nachgemacht, dem Naturlichen entgegengesetzt) entlehnt sind. Der Ausdruck ›Fetisch‹ ist im Deutschen mindestens seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts in Reisebeschreibungen ge­ bräuchlich.“ (s. ebd.) 305 Vgl. Böhme 2017 [2000], S. 443. 306 Vgl. de Brosses 2017 [1760] [dt. Übers. 1785], S. 42. 307 Ebd., S. 40-51. „[...] und erstaunt man, den Fetischismus by allen rohen Völkern der ganzen Welt, zu jeder Zeit und an allen Orten ausgebreitet zu sehen; […] Da man nicht erstaunt, wenn man Kinder sieht, deren Verstand sich nicht über ihre Puppen erhebt, die sie für beseelt halten und dem zufolge mit ihnen, als solchen umgehn, warum erstaunt man, wenn man Völker, die diesen Kindern ihr ganzes Leben hindurch ähnlich bleiben, und deren Verstand nie über vier Jahre alt wird, ganz falsch urtheilen und nach ihrem kindischen Verstande handeln sieht?“ (s. ebd., S. 49.) 308 Vgl. ebd., S. 42. 309 Ebd., S. 45. Nach de Brosses kann vom Berg über den Kieselstein bis hin zur Kuh alles zum Fetisch auserkoren wer­ den. (ebd.) 310 Ebd.], S. 45. 54 schismus den Standpunkten der auflärerischen, wissenschaflichen Debatte widerspricht, wird er in den Bereich des Irrationalen, Abergläubischen und Perversen verschoben.311 De Brosses Ausführungen fallen mit den Bemühungen der „Vergleichenden Religionswissenschaf“ zusammen, das Deutungsmuster einer evolutionären Abfolge der vielfältigen Religionen zu kreie­ ren.312 Endres bemerkt wie der Fetischismus mit der Übertragung auf die „eigene Kultur“ den Status einer echten Religion verliert, da ein solcher für de Brosses nur der „auflärerischen Vernunfreli­ gion“ zukommen könne, was den Boden für die spätere Ausweitung des Begrifs auf weltliche Phä­ nomene bereitet.313

Christine Weder geht in ihrem Aufsatz den theoretischen wie literarischen Konzeptualisierungen des Fetischs als „Nicht-Zeichen“ um 1800 nach, um die verschiedenartig gebauten, semiotischen Texträume transparent zu machen. Dafür vergleicht sie de Brosses' Auslegungen des Fetischs mit jenen E. T. A. Hofmanns in der Erzählung Der Artushof (1816).314 De Brosses, der den Fetisch sym­ bolisch-verweisenden Artefakten komplementär gegenüberstellt und ihn damit wieder in die Nähe zu christlichen Vorstellungen von Idolatrie bringt, grenzt durch das „Objekt der Anderen“, „Kultur“ von „Nicht-Kultur“ ab.315 Indem fetischistische Praktiken eine mangelhafe Symbolisierungs- und Abstraktionsfähigkeit beweisen, wird eine solche den „Wilden“ aberkannt und der „eigene Kultur­ raum“ als „Sphäre der Zeichen“ konzipiert.316 So generiert sich das Diktum einer Opposition von „primitiv“ und „kultiviert“. Da de Brosses den Term bekanntermaßen auf die westliche Kultur über­ trägt, verdeutlicht sich hier was Christina Antenhofer in ihrer Einführung zum Sammelband „Fetisch als heuristische Kategorie“ anmerkt: „Die räumliche Entfernung (Fremde bzw. Wildnis) wird mit einer zeitlichen Entfernung gekoppelt (Primitivismus).“317 Das ist laut Weder notwendig, um das Element, welches die eigene Sphäre konstituiert und nun dabei ist, in ihr Inneres vorzu­ rücken, weiterhin auf Distanz zu halten.318 Im Gegensatz dazu funktioniert der a-semiotische Fetisch bei Hofmann gemäß dem romantischen Schema als „Täuschungsfgur und Kunstideal“: Das vom Maler fetischisierte, „seiende“ Kunstwerk – das nichts mehr repräsentiert und zum Para­ dies selbst wird – ist für den Erzähler zwar ein unrealistischer Irrtum, jedoch ebenso das unerreichte

311 Vgl. Böhme 2006, S. 17. 312 Vgl. Böhme 2017 [2000], S. 446. 313 Vgl. Endres 2017, S. 31/33. 314 Vgl. Weder 2010, S. 308. 315 Ebd., S. 308-312; Vgl. de Brosses 2017 [1760], S. 42f. „[...] diese Verehrung, die man unmittelbar und unfgürlich den Erzeugnissen des Tier- und Pfanzenreichs bewies [...]“. (s. ebd., S. 48.) 316 Vgl. Weder 2010, S. 312f. 317 S. Antenhofer 2011, S. 12. 318 Vgl. Weder 2010, S. 313. 55 künstlerische Ideal.319 Weder bemerkt folglich, dass sowohl de Brosses wie Hofmann den Fetisch in einem „Jenseits“ verorten, welches aber jeweils anders interpretiert wird: „Während de Brosses das Un-Zeichen als Inbegrif eines un(ter)entwickelten Verstandes aus den kultivierten höheren Sphä­ ren ausschließt, bildet das ‚seiende’ Werk in der von Hofmanns Künstlererzählung imaginierten Welt den entzogenen Fluchtpunkt höchster Kunst.“320 Auch die je besondere Art der Grenze fällt fundamental verschieden aus, denn Hofmann integriert noch einen anderen, dieses Mal realisierba­ ren Bildtypus, den des „seiend-bedeutenden Werks“, der nur aufgrund der Sehnsucht nach dem „seienden Werk“ entstehen konnte, und umgeht damit die strikte Trennung von Zeichen und Nicht-Zeichen.321 Weder erkennt in Hofmanns Erzählung einen für die Romantik beispielhafen Fetisch-Entwurf, der sich in Abgrenzung zu auflärerischen Programmen positioniert, die die künstlerische Erzeugnisse auf ihre Repräsentationsfunktion beschränken wollen.322

Auguste Comte übernimmt beinahe ein Jahrhundert später de Brosses Leitidee des Fetischismus als erste Entwicklungsstufe der gesamten Menschheit und überträgt sie ebenso auf den einzelnen Men­ schen, im Sinne eines „geistigen Ausgangspunkts“ einer allgemeinen menschlichen Natur. Er erklärt den Fetischismus zum „Zeitalter sozialer Kindheit“, in das der Mensch jederzeit wieder zurückfallen könne.323 Allerdings bestimmt Comte Fetische im Unterschied zu de Brosses positiv, da dieser einen sorgsamen Umgang mit der Tier- und Pfanzenwelt bedeutete, und als notwendig, um das höherge­ stellte Stadium wissenschaflicher Rationalität zu erreichen. 324

Mit Karl Marx' Fetischismuskapitel im Kapital (1867) ist die Teorie endgültig zur Selbstcharakteri­ sierung der europäischen Gesellschaf umfunktioniert. Seine Untersuchung des Warenfetischs der kapitalistischen Moderne erfasst den Prozess einer gesellschaflichen Entfremdung im Zuge der ver­ änderten Produktionsbedingungen. Die Menschen entfremden sich von ihren Arbeitsprodukten und deren Entstehungsprozessen, die auf lebendigen Beziehungen basieren, und insofern erschei­ nen ihnen „die gesellschaflichen Charaktere ihrer eigenen Arbeit“ als „gesellschafliche Natureigen­ schafen dieser Dinge“: Jener Trugschluss sei der Grund für das „Geheimnisvolle der Warenform“

319 Vgl. Weder 2010. S. 316f. 320 S. ebd., S. 318. 321 Vgl. ebd., S. 318f. 322 Ebd., S. 319. 323 Vgl. Comte 2017 [1830-1842] [dt. Übers. 1933], S. 157f/160f. „Trotz der höheren geistigen Bildung müssen Men­ schen, die sozusagen mit dem Hinterkopf denken oder die sich momentan in solchem Zustand befnden, in Wahrheit ihre Gedanken überwachen, um sich nicht infolge einer Leidenschaf zu einem Zustand von Furcht oder Hofnung hin ­ reißen zu lassen und zu einer Art Rückfall in den Fetischglauben, in dem sie die trägsten Gegenstände, die ihre Gefühle erregen, beleben oder vergöttlichen.“ (s. ebd., S. 161.) 324 Vgl. ebd., S. 170f. 56 durch die das Produkt einen „mystischen Charakter“ gewinne.325 In dem Szenario treten die Dinge als Waren auf, sie beginnen vor den Augen der KonsumentInnen Kunststücke aufzuführen und die Ware, das „gesellschafliche[s] Verhältnis der Menschen selbst“, verkommt zu einem Ding.326 Endres macht auf die markante Diferenz zu ethnographischen und religionswissenschaflichen Sichtweisen aufmerksam: Ihnen galt der Fetisch als „ein Ding, das vom Fetischisten nicht als solches erkannt wird – die Ware ist dagegen ein gesellschafliches Konglomerat, eine im Kern abstrakte „Wertgegenständlichkeit“, die von ihrem Benutzer fälschlicherweise für ein Ding (einen „Gebrauchswert“) gehalten und insofern „naturalisiert“ wird.“327 Der Fetisch verkehrt sich also in sein Gegenteil und obwohl Marx den früheren Teorien die religiös-magische Bedeutungsdimen­ sion entlehnt, defniert er doch ausschließlich moderne Mensch-Ding-Konstellationen als fetischis­ tisch.328 Das ofenbart für Endres auch die Problematik der Verdinglichungskritik in der Fetischismusforschung, da sie sich sowohl „auf die die Verwandlung eines Dings in eine Nicht-Ding (einen Gott, einen Geist usw.) wie auf die Verwandlung eines Nicht-Dings in ein Ding beziehen kann.“329

Edward B. Tylor begreif den Fetischismus als integriert in eine „allgemeinen Geisterlehre'“ und ent­ wirf in seinem Werk „Primitive Culture“ (1871) eine Teorie des Animismus:330 Der Animismus sei eine hauptsächlich bei indigenen Völkern zu entdeckende Überzeugung, mittels derer das primi­ tive, kindliche Bewusstsein die unbelebte Natur und Objektwelt irrigerweise mit Geistern anfüllt, sie beseelt und dadurch belebt.331 Die Anthropologin Nurit Bird-David erwähnt in ihrer Revision des Animismus die Rezeption des ethnologischen Terms durch andere Wissensfelder, wie den Religi­ onswissenschafen, wo er für einen Geisterglauben steht, oder der Entwicklungspsychologie, in der er den kindlichen Glauben an die Belebtheit der Dinge ausdrückt.332 Tylors Ausführungen entsprin­ gen ihr zufolge, „der für das 19. Jahrhundert typischen positivistischen Geist/Materie- Dichotomie“.333 Spiritualistische und Spiritistische Vorstellungen von unsterblichen „Geistseelen“, die die Körper bewohnen, bilden die Grundlagen der theoretischen Prämisse, Animismus sei eine

325 S. Marx 2017 [1867], S. 176f. 326 Ebd., S. 176/178. 327 S. Endres 2017, S. 150. 328 Vgl. ebd., S. 151; Vgl. Marx 2017 [1867], S. 185f. 329 S. Endres 2017, S. 150. 330 Vgl. Böhme 2006, S. 221. 331 Vgl. Tylor 2010 [1871], S. 1f/S. 99f. „A further stretch of imagination enables the lower races to associate the souls of the dead with mere objects, a practice which may have had its origin in the merest childish makebelieve, but which would lead a thorough savage animist straight on to the conception of the soul entering the object as a body.“ (s. ebd., S. 139.) 332 Vgl. Bird-David 2015 [1999], S. 19. 333 S. ebd., S. 20. 57 Glaubensform, bei der „Seelen“ und „Geister“ in einen Gegenstand projiziert würden. 334 Mit dem lebendigen Ding ist eine Brücke zum Anthropomorphismus geschlagen, wie ihn unter anderem Jean Piaget beschreibt. In seinem Buch „Das Weltbild des Kindes“ (1926) erforscht er, ausgehend vom Stufenmodell der kognitiven menschlichen Entwicklung, den „kindlichen Animismus“ und fndet folgende Defnition des Phänomens: „Wenn das Kind nicht zwischen der psychischen und der physischen Welt unterscheidet, wenn es am Anfang seiner Entwicklung keine exakten Grenzen zwischen seinem Ich und der Außenwelt sieht, so muß man darauf gefaßt sein, daß es zahlreiche Körper, die für uns Erwachsene leblos sind, als lebendig und mit Bewußtsein ausgestattet betrach­ tet.“335 Um den problematischen Gehalt des Animismus-Begrifs, der Piaget sehr wohl bewusst war, zu umgehen oder wenigstens zu adressieren, verzichtet er auf den Ausdruck der „Beseelung“ oder „Geister“ - da diese Begrife auf den modernen Dualismus von Geist und Materie zurückführen - und lässt die Frage nach den psychologischen Wurzeln des animistischen Weltbezugs ofen.336 Vor allem Kinder unter 5 Jahren vermenschlichten seiner Ansicht nach die Dinge in ihrer alltäglichen Sprache und redeten von ihnen als verfügten sie über einen eigenen Willen, Absichten und eine Handlungsmacht.337

An dieser Stelle zeigen sich die Entsprechungen zwischen animistischen und phantastischen Dis­ kursen. Todorov entwickelt seine Teorien im Anschluss an Piagets Tese eines „kindlichen Ani­ mismus“, wonach das Kind noch unfähig zur Trennung von Innenwelt und Außenwelt sei: Derart verschwommene Grenzen, welche in psychopathologischen Befunden des 19. Jahrhunderts als ers­ tes Merkmal des „Wahnsinns“ gelesen wurden, seien ansonsten nur unter Drogeneinfuss oder bei „Psychotikern“ zu beobachten, welche Realität und Imagination nicht auseinanderhalten könnten. In phantastischen Texten allerdings, meint Todorov, bleibt die Grenze stets gegenwärtig, während sie laufend Grenzverwischungen der Bereiche „Materie und Geist“ bieten.338 Die Vorannahme, ein solcher Trugschluss könne nur einem primitiven, kindlichen oder kranken Verstand unterlaufen, ist häufg in Erzählungen der Phantastik zu fnden, worauf auch Irene Albers im Band „Animismus. Revisionen der Moderne“, den sie gemeinsam mit Anselm Franke herausgibt, hinweist.339 So ofen­ baren phantastische Erzählungen ein ähnliches Einschluss-Ausschluss-Prinzip und Strategien des

334 Vgl. Bird-David 2015 [1999], S. 24f. Das zeigt schon die Wortherkunf: Der Begrif leitet sich vom lateinischen Wort „anima“ (Seele) ab. (vgl. Franke 2011, S. 20.) 335 S. Piaget 1978 [1926], S. 143. 336 Vgl. ebd., S. 143f. 337 Vgl. ebd., S. 174. 338 Vgl. Todorov 2013 [1970], Die ich-Temen. 339 Vgl. Albers 2015, S. 244f. Und die ethnologischen, anthropologischen und psychologischen Teorien bilden und stützen die Tese, die sogenannten „Naturvölker“ (Natur/Kultur) oder „Wilden“ seien in diese Kategorie einzuschlie­ ßen. (vgl. Posch 2011, S. 225f; Böhme 2017 [2000], S. 457f.) 58 „othering“ wie Animismus-Konzepte.340 Das lässt danach fragen, in welcher Weise animistische Modelle und Grenzverletzungen narrativ-ästhetisch repräsentiert werden können, ohne herabwür­ digende oder, wie hier hinzugefügt werden muss, romantisch überhöhte Haltungen zu implizie­ ren.341

Mit Grenzüberschreitungen dieser Art setzt sich ja nun ebenfalls Sigmund Freud auseinander, der den Fetisch- und Animismus-Begrif für seine psychoanalytischen Studien in Anspruch nimmt, als die Relevanz der ethnographischen Teorien verblasst.342 In seiner Fetischismus-Schrif von 1927 defniert er den Fetisch als Penis-Ersatz, den der Knabe wegen seiner Kastrationsangst imaginiert und der ihn den schrecklichen Anblick der penislosen Frau vergessen lassen soll: Mithin präsentiert der Fetisch die Einkörperung des herbeigesehnten weiblichen Phallus' in ein Objekt, das diesen „Mangel“ und die potenzielle Kastration zugleich verdrängt wie bestätigt.343 Doerte Bischof legt in ihrer Erörterung fetischistischer Darstellungen der Literatur des 19. Jahrhunderts dar, wie der von Freud beschriebene Schamgürtel-Fetisch - der die Frage nach dem sich darunter verbergenden Genital unbeantwortet lässt, während er zugleich den Phallus symbolisiert - zum Attribut eines per­ formativen Geschlechtermodells erwächst, das die Behauptung einer ursprünglichen Wahrheit in Zweifel zieht.344 Der Fetisch, der als künstlicher Ersatz oder willkürlicher Teil einer eigentlichen Wahrheit bzw. Ganzheit gelesen wird, gibt sich laut Bischof als „Setzung ohne Original und Ursprung“ zu erkennen.345 Als prägnantes Beispiel nennt Freud ferner den Fetisch des „Zopfab­ schneiders“, der dem Bedürfnis verfällt, die geleugnete Kastration selbst zu vollziehen.346 Darin tritt die ambivalente Logik des Fetischs konsequent hervor: Die Erinnerung vergegenwärtigt sich zualler­ erst im Fetisch - dem Mittel ihrer Verdrängung -, der die verleugneten Aspekt über einen Erinne­ rungsakt abwehrt wie aufrechterhält. Für Bischof wird hier die Teatralität fetischistischer Szenarien ersichtlich, die die Aufmerksamkeit auf die Herstellung kultureller (Symbol-)Ordnungen verschiebt.347

340 Vgl. Albers 2015, S. 245. 341 Ebd., S. 246. 342 Vgl. Endres 2017, S. 10. 343 Vgl. Freud 2017 [1927], S. 262f. 344 Vgl. Bischof 2013, S. 33; Vgl. Freud 2017 [1909], S. 266. 345 Vgl. Bischof 2013, S. 34. 346 Vgl. Freud 2017 [1927], S. 267. 347 Vgl. Bischof 2013, S. 38. „[...] die doppelte Bestimmung des begehrten Objekts, das dem Subjekt Ganzheit verspricht und es zugleich mit einem uneinholbaren Verlust konfrontiert, [wird] zum Ausgangspunkt einer Entkoppelung von Be­ gehren und weiblichem Körper (als privilegiertem Begehrensobjekt) gemacht.“ (s. Ebd.) 59 Damit befndet sich der Fetischismus (wie der Animismus) gegen Ende des 19. Jahrhunderts bereits inmitten der europäischen Moderne und wandelt sich, „von einem Term zur Beschreibung des Anderen der Anderen zu einem Phantasma, das das beängstigende Andere des Eigenen aufstöbern, erfassen, benennen, einkreisen, klassifzieren, auflären, analysieren, bewerten und vor allem: weg­ schafen soll.“348 Endres literaturwissenschafliche Studie zu Fetisch und Schleier fokussiert weiter auf die Verstri­ ckungen des Fetischismus mit den Künsten und einschlägigen Positionen der Ästhetik seit dem spä­ ten 18. Jahrhundert.349 Beide Kategorien, Fetischismus wie Ästhetik, entwickeln sich infolge der Auflärung und in wechselseitiger Abhängigkeit voneinander. In engem Zusammenhang mit bei­ dem steht die metaphorische Schleierfgur, die die Repräsentationsmodi der künstlerischen Medien entscheidend beeinfusst so wie jene ihre sinnliche Gestalt und semiotischen Implikationen mitbe­ stimmen.350 Endres liest den „Fetisch als Schleier“ und den „Schleier als Fetisch“351 im Sinne von „Zeichenträgern“, da sie nie auf ihre bloße Materialität reduziert werden können und immer schon etwas darüber hinausreichendes (Symbole, Kräfe, Geister etc.) in sich tragen.352 In ähnlicher Weise fasst auch Walter Benjamin den Fetisch: Als etwas, das nicht in seiner Materialität aufgeht, sondern der Erscheinungsweise des Dings zugrunde liegt und von dessen „Schleier-Aura“ ausstrahlt.353 End­ res betont die Schleiergestalt der Aura, die, vergleichbar mit einem Schatten, einer Hülle oder der Atmosphäre, die Dinge umgibt, sie gleichsam von einem fern hält und vor einem erscheinen lässt.354 Die textile Schleier- und Verhüllungsmetapher sei nun imstande, den Begrif der Aura und den „schönen Schein“ einer „auratischen Welt“ zu repräsentieren, der die Entschleierungsversuche der Auflärung entgegengesetzt sind.355 Fetisch und Schleier stehen im Zeitalter der Auflärung für falsche Mysterien, Trugbilder und Hirngespinste, die in Wahrheit nichts als leere Hüllen sind und verschwinden sollen.356 Wie bereits gezeigt, ändert sich diese Einschätzung in der Romantik und die Schleier funktionieren wieder als Mysterien, die über die Kunst vorstellbar werden.357 Endres gibt zu 348 S. Böhme 2006, S. 20. 349 Vgl. Endres 2014, S. 12. 350 Ebd., S. 13. 351 S. ebd., S. 13/16. Bezogen auf Freud, dem Kleidungsstücke als „Fetischobjekte erster Ordnung“ galten, da sie als Erin­ nerungszeichen den einen Moment fxieren, in dem der Knabe noch an den Phallus der Frau glauben durfe, charakterisiert Endres den Fetisch als wahrhaf „schleier-artig“, da er „das Verdrängte – die Tatsache der Penislosigkeit der Frau – in einen latenten und labilen Schwebezustand versetzt, aus dem es jederzeit ins Bewusstsein (zurück)dringen kann.“ (s. ebd., S. 392.) 352 Vgl. ebd., S. 18. 353 Ebd., S. 19; Vgl. Benjamin 2012 [1955], S. 13f. 354 Vgl. Endres 2014, S. 366f; Benjamin 2012 [1955], S. 15. Das auratische Kunstwerk war in einen magischen oder religi­ ösen Kult, ein Ritual, eingebunden. (ebd., S. 16.) Durch seinen „Kultwert“ geriet das Kunstwerk in der „Urzeit“ zum „Instrument der Magie“. (ebd., S. 20.) 355 Vgl. Endres 2014, S. 368. 356 Ebd., S. 39. 357 Ebd., S. 40. 60 bedenken, dass der Fetisch im 18. und 19. Jahrhundert unter anderem deswegen so geringgeschätzt wird, weil man mit ihm das gemachte, künstliche Ding verknüpf, das sich nicht transzendieren ließe: Als solches bildet es einen schrofen Gegensatz zum „autonomen Kunstwerk“ der idealisti­ schen Ästhetik, den vor allem Hegel unterstreicht, und wehrt sich überdies mit seinem fragmentari­ schen Charakter gegen das Verlangen nach Geschlossenheit.358 Es besteht also die Aufassung, der geistige Gehalt des Fetischs sei, im Unterschied zum symbolischen Kunstwerk, reine Illusion, die von den FetischistInnen nicht durchschaut werde. Ähnlich argumentiert Freud, wenn er das Unheimliche als Produkt einer „Allmacht der Gedanken“ auslegt: „Die Analyse der Fälle des Unheimlichen hat uns zur alten Weltaufassung des Animismus zurückgeführt, die ausgezeichnet war durch die Erfüllung der Welt mit Menschengeistern, durch die narzißtische Überschätzung der eigenen seelischen Vorgänge, die Allmacht der Gedanken und die darauf aufgebaute Technik der Magie, die Zuteilung von sorgfältig abgestufen Zauberkräfen an fremde Personen und Dinge (Mana) […].“359 Bei Warburg erhält der Schleier entsprechende Konnotationen der Anwesenheit eines bereits Ver­ drängten. Endres formuliert das als „Doppelsignatur der Erinnerung und des Vergessens“, da der Schleier die Vergangenheit auf Abstand bringen soll, wobei indes „das Instrument des Vergessens zugleich zum Vehikel der Wiederkehr der Vergangenheit wird.“360 Wenn der Schleier vergangene antik-heidnische Energien abwehrt, indem er sie hervorholt, beweist er sich als „bildanthropologi­ scher Fetisch“.361 Darüber hinaus kommt er in Form einer erregten Bewegung dem Symbol der Schlange gleich, dem Warburg in seinen Reisen nach Nordamerika auf Zeichnungen und während ritueller Maskentänze der „Pueblo-Indianer“ begegnet und das er als „primitiv-heidnischen“ Fetisch analysiert: In einem solchen sammeln sich für ihn sowohl direkt afekthafe Bezüge wie ihre Einlas­ sung in eine „symbolische Bildsprache“, die es schafe, die bedrohlichen Anteile der Natur zu bändi­ gen.362 So seien die Fetische auf einer Ebene zwischen „Magie“ und „Logos“ anzusiedeln.363 In der europäischen Kunstgeschichte ist das Schlangensymbol u.a. im Bild der tanzenden Mänade aufge­

358 Vgl. Böhme/Endres 2010, S. 17f.; Endres 2014, S. 35. 359 S. Freud 2010 [1919], Kap. II. 360 S. Endres 2014, S. 377. 361 Vgl. ebd., S. 384. 362 Ebd., S.384; Vgl. Warburg 2010 [1923], S. 525-527/538f/560f. Für Warburg entspringt die Bedrohung der eigenen Psyche wie auch der äußeren Umwelt: „[...] die Entwicklung von triebhaf-magischer Annäherung zur vergeistigenden Distanzierung, die das gifige Reptil als Symbol dessen bezeichnet, was der Mensch äusserlich und innerlich an dämoni­ schen Naturkräfen zu überwinden hat.“ (s. ebd., S. 560f.) Es geschehe eine Entwicklung vom „magischen“ hin zum „symbolischen Denken“ (am Ende stünde immer das logische Denken) bzw. eine Verknüpfung von beidem, um die Furcht vor eigenen „Dämonen“ und den „Naturgewalten“ überwinden zu können. (vgl. ebd., S. 561.) 363 Vgl. Endres 2014, S. 385; Vgl. Warburg 2010 [1923], S. 538. 61 nommen worden: Hier dienen die gewundenen Schlangen, genauso wie die sich schlangenhaf bewegenden Schleier, zur Signalisierung weiblichen Wahnsinns.364

Daniel Hermsdorf untersucht die Einfüsse ästhetischer, (wahrnehmungs-)psychologischer, natur­ wissenschaflicher und philosophischer Diskurse auf anthropomorphe Darstellungen des Expressio­ nismus', insbesondere im sich neu entwickelnden kinematographischen Medium zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Er arbeitet heraus, inwiefern die ethnographischen und anthropologischen Animis­ mus- und Fetischismus-Konzepte auf inhaltliche Programme von Gestaltpsychologie, Projektion und Einfühlungsästhetik zurückgehen und mit anthropomorphen Bildern konvergieren.365 Der Ter­ minus Anthropomorphismus wird auf seine Bedeutung der visuell-formalen Verwandtschaf zur menschlichen (Körper-)Form begrenzt, wobei Hermsdorf besonders gesicht- und maskenhafe Gebilde in den bewegten Bildern des Films exponiert.366 Dabei berücksichtig er nicht nur die gezeig­ ten Objekte, sondern die bildlichen Mittel in ihrer Gesamtheit: Ausstattung, Beleuchtung und Bild­ komposition.367 Wegen der Fokussierung (natur-)philosophischer und ästhetisch-psychologischer Disziplinen auf körperzentrierte Gestaltphänomene, entspinnt sich in der Kunst des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts eine „Emphase des Körperlichen“, die als „expressionistisch“ betitelt wird.368 Die Epoche dominiert die Rede vom „Ausdruck“ als „Selbstausdruck“, aber auch als solchen Formen, die der des menschlichen Körpers nahekommen und etwas über das den Dingen innewoh­ nende Gehalt aussagen sollen.369 Ein„konstellatorischer Anthropomorphismus“, der im Unterschied zum „visuellen“ von einer konkreten Gestaltbildung absieht, ist in der romantischen Stimmungs­ landschaf der Malerei und Literatur des 19. Jahrhunderts gegeben: Menschliche Emotionen und Eigenschafen (fröhlich, trauernd, boshaf etc.) werden in das „physiognomisch“ gedeutete Natur­ bild projiziert.370 Dualistische Spannungen von Materie und Geist bzw. dem Gestaltausdruck als „innerem Prinzip“ der äußeren Erscheinungen, begleiten durchweg die bildliche Ästhetik und haben ihren Ursprung in der Naturphilosophie.371 In „typologischen“ Lehren der Biologie gründen anthropomorphe Formassoziationen genau wie in der projektiven Psychologie auf Verfahren der Abstraktion, jedoch geben sie die Wirkung als ihnen eingeschriebene, naturgegebene Disposition 364 Vgl. Warburg 2010 [1923], S. 538, S. 385; Vgl. Warburg 2010 [1923], S. 552f. 365 Vgl. Hermsdorf 2011, S. 496. s 366 Ebd., S. 11. 367 Ebd., S. 24. 368 Ebd., S. 12 369 Ebd., S. 12/48. 370 Ebd., S. 53f. Dieses für Hermsdorf „expressionistische[s] Prinzip per defnitionem und avant la lettre“, rührt ihm zu­ folge vom Prinzip der „animistischen Beseelung“ her, das mit dem Begrif der „Einfühlung“, der auf die Fähigkeit zur Projektion menschlicher Empfndungen und Afekte auf unbelebte Objekte rekurriert, verbunden ist. (s. ebd., S. 54/63/70.) 371 Vgl. ebd., S. 86f. 62 aus.372 Ebenda zieht Hermsdorf eine Verbindungslinie zu den um 1900 aufommenden „Rassen­ theorien“, in denen typologische Klassifzierungen menschlicher Körpermerkmale in eigene „Arten- und Evolutionslehren“ münden.373 So ergeben körperliche Spezifka und daran gekoppelte Persön­ lichkeitseigenschafen bzw. „seelische“ Verfassungen, Bilder verschiedener „Rassen“, die auch für nationalsozialistische Anschauungen grundlegend werden.374 Mit dem in der Naturphilosophie gängigen Begrif des Typus ist „deutlich der überindividuelle Charakter des Arguments bezeichnet, der den einzelnen Menschen einem 'Rassetypus' subsumiert.“ Und weiter: „Die platonisierende For­ minterpretation, wie sie sich u.a. in der idealisierenden Art der schematisierten Linienzeichnung von Schädelformen grafsch realisiert, entspricht darin den […] Bildästhetiken, die letzthin auf gra­ fscher Abstraktion der Fülle sichtbarer Einzelformen und -fächen basiert.“375 Anthropomorphisti­ sche Interpretationen dieser Zeit teilen sich mit Physiognomik und „Rassentheorie“ demnach die typologischen Ideologien. Werden nun die vielfachen Vergleiche von Kindern, „Wilden“ und „Wahnsinnigen“376 in Erinnerung gerufen, ergibt sich eine Überschneidung zweier abwertender Bil­ der: Einerseits signalisieren anthropomorphisierende, animistische Wahrnehmungsweisen ein unreifes, „falsches“ Bewusstsein, andererseits repräsentieren solche bildlichen Phänomene über visuelle Analogien – die beispielsweise als fratzenhaf, monströs oder gespenstisch beschrieben wer­ den – häufg eine negative Andersartigkeit oder Fremdheit, die inhaltlich mit speziellen Menschen­ gruppen gekoppelt wird. In Bela Balázs Teorie ist solch ein kindlicher Zugang mit dem „Gesicht der Dinge“ dargelegt und wie Hermsdorf mit Sabine Hake problematisiert, eignen sich derart anthropomorphisierte Formen in expressionistischen Filmbildern etwas an, „das ihnen nicht zu eigen ist“.377 Dieser Vorwurf ähnelt nun der bekannten Fetisch-Kritik, die FetischistInnen würden den „wahren“ Charakter des Dings verkennen. Hermsdorfs Kritik gründet jedoch darin, dass die bedeutungsvolle Form vor das Ding gesetzt wird und in dieser Logik erkennt er eine zeitliche und strukturelle Nähe der Teorien von Balázs zu den „physiognomische[n] Teorien des konkreten menschlichen Leibes zur Begründung ethnischer Überlegenheit“.378 Das macht er anhand einiger übereinstimmender Rhetoriken wie der „Körperwerdung des Geistes“ deutlich: „[...] neben der „Schönheit“ als „Symbol des Guten“ und der „luziferischen Schönheit des Bösen“.“379 Wenn es ihn also skeptisch stimmt, dass sich bei Balázs die Grenzen zwischen Innen und Außen aufösen und

372 Vgl. Hermsdorf 2011, S. 161. 373 Ebd. 374 Ebd., S. 171. 375 S. ebd., S. 174. 376 Vgl. ebd, S. 281-293. 377 Ebd., S. 316f. 378 S. ebd., S. 319. 379 Ebd., S. 320; Vgl. Balázs 2017 [1924], S. 59f. 63 Dinge mit Menschen vertauschen, dann geschieht das nicht wegen einer festgestellten irrationalen Symbolhandlung, sondern weil bestimmte Formen mit Charaktereigenschafen und Wesenheiten belegt werden und man in weiterer Folge versucht, das als logische und stabile Herleitung zu argu­ mentieren, um daraus ein Menschenbild zu fabrizieren. Allerdings bemerkt er auch, dieser Sachver­ halt trefe zwar auf die rassistischen Teorien zu, jedoch nicht unbedingt auf Balázs': „Dass hierbei Wirkungen des Unheimlichen entstehen, kann weder bestritten noch Balázs zum Vorwurf gemacht werden. Darüber hinaus gälte es zu diferenzieren zwischen Bedeutungszuschreibungen an konkre­ ten Formen und der Tatsache, dass es zu einer unterschwelligen Anmutung, der Lebendigkeit von eigentlich Leblosen kommt […].“380 Gewisse schematische Körper- und Gesichtsformen werden also in ihrem „Ausdruck“ und der Art wie sie sich gebären als unheimlich eingestuf (wobei das zum Teil auf eine verallgemeinernde Typisierung individueller Physis zurückzuführen ist) und in bildli­ chen und flmischen Medien (insbesondere dem Horror-Genre381) ästhetisch inszeniert. Dadurch generieren sich Gestaltklischees, die von einer eigenen Terminologie in den theoretischen Texten begleitet werden (häufg verwendete Begrife sind die „Verzerrung“, „Deformierung“ oder „Über­ formung“382), derer sich expressionistische KünstlerInnen und (Film-)TeoretikerInnen wie natio­ nalsozialistische AutorInnen mit je anderer Akzentuierung bedienen. Auf der anderen Seite gehen die Akteure des Nationalsozialismus ebenso gegen die von ihnen als „degeneriert“ bezeichnete Ästhetik des Expressionismus vor und so resümiert Hermsdorf: „Für die historische Situation ist festzuhalten, dass die rechten Kunstrichter etwas bekämpfen, das in seiner Anwendung für das Kino nach Kracauer gerade ihren machtpolitischen Zugewinn befördert.“383

2.3.2 Aktualität von Fetischismus und Animismus

Wurden Fetischismus und Animismus nun in der Vergangenheit vor allem als primitive, vormo­ derne und falsche Objektbeziehungen abgetan, ändert sich das seit den 1980er Jahren: Die Macht der Dinge, ihre agency, werden in den Geistes- und Kulturwissenschafen verstärkt thematisiert und das Forschungsinteresse gilt der materiellen Beschafenheit der Gegenstände.384 Infolge des Wandels erregen Fetischismus und Animismus in den den letzten zwei Jahrzehnten erneut viel Aufsehen: „Der Fetischismus interessiert nicht mehr so sehr als Kritik ökonomischer, religiöser oder psychose­ xueller Entfremdung, sondern vielmehr als ein Konzept, das die suggestiven, leidenschaflichen, d. h. pathischen, aber auch die magischen Schichten unseres Verhältnisses zur Dingwelt freizulegen

380 S. Hermsdorf 2011, S. 322. 381 Vgl. ebd., S. 488. 382 Ebd., S. 335. 383 S. ebd., S. 555. 384 Vgl. Scholz/Vedder 2018, S. 1f; Böhme 2006, S. 15/17; Böhme/Endres 2010, S. 11; Dörrenbacher 2016, S. 12f. 64 erlaubt. Fetischismus ist nicht länger eine Kategorie zur kritischen Enthüllung vormoderner oder voraufgeklärter Praktiken, sondern vielmehr eine analytische Konzeption, welche die Denkfgur einer Dialektik der Auflärung fortentwickelt.“385

Böhme schreibt eine Kulturtheorie der Moderne auf Basis des Fetischismus, den er als real aner­ kennt, da die fetischisierten, verzauberten Dinge laut ihm Teil der modernen Kultur sind und keine Objekte, die es "außerhalb" davon aufzuspüren gilt.386 Die Popularität des Fetischismus ist für ihn eine logische Folge des Kapitalismus' und der Pluralisierung der Dinge im 19. Jahrhundert, auf die die Wissensgebiete reagieren mussten um aktuell zu bleiben, denn: „Dinge tun etwas mit den Men­ schen (und nicht nur wir mit ihnen).“387 Auch Anselm Franke schenkt der Wirkmächtigkeit der Dinge Beachtung, er erforscht den Animis­ mus anhand einer gleichnamigen mehrteiligen Ausstellungsreihe (Bern/Wien/, 2010-2012) und in mehreren Publikationen.388 Er geht mit jenen Beobachtungen konform, die Fetischismus und Animismus als Folie zur Selbstbeschreibung der Moderne refektieren.389 In dem Begrif ste­ cken ofensichtlich viele Grundüberzeugungen der Moderne, die ihre inneren Konfikte damit in ein produziertes Außen ableiten wollte, was laut Franke letztlich scheitern musste und den performati­ ven Charakter des kolonialen Projekts hervorkehrt.390 So wird ersichtlich, wie die Moderne über das konstruierte Andere ihr „negatives Spiegelbild“ erzeugt, um sich darin ihrer selbst zu vergewis­ sern.391 Franke vertritt einen Neuen Animismus, demzufolge der Begrif eine Alternative zum dua­ len Denken des modernen Weltbilds (Natur/Kultur, Subjekt/Objekt, Geist/Materie, Belebt/Unbelebt etc.) anbietet, da er die geschichtlichen und aktuellen Ab- wie Ausgrenzungsmechanismen und damit einhergehende Selbstentwürfe benenn- und bearbeitbar macht.392 Bruno Latours Kritik der Moderne, die „nie modern“ und immer schon voller Hybriden gewesen sei393, war hierfür wegwei­ send und daran anknüpfend erklärt Franke: „Es gibt keine animistischen und nicht-animistischen Gesellschafen, und es kann sie auch nicht geben. Es gibt nur verschiedene Arten der Organisation von Diferenz und des Umgangs mit Grenzen, die wiederum verschiedene Arten der Kanalisierung

385 S. Böhme/Endres 2010, S. 11. 386 Vgl. Böhme 2006, S. 15. 387 S. ebd., S. 19. 388 Vgl. Franke 2011; Albers/Franke 2015a; Albers/Franke 2015b. 389 Vgl. Franke 2011, S. 21 390 Vgl. Franke 2015, S. 204f. 391 Vgl. Franke 2011, S. 21. 392 Vgl. Franke 2015, S. 200f. 393 Vgl. Latour 1995 [1991]. 65 des Animismus und des Umgangs mit dem Ausgeschlossenen und nicht Äußerungsberechtigten nach sich ziehen.“394 Der Begrif soll helfen andere, weniger auf Abgrenzung und Trennung ausgerichtete, historische Entwürfe greifar zu machen, indem er eine Kommunikationspraxis vorführt, die auf den Verhält­ nissen zu den Dingen aufaut und deren Einfüsse auf unser Handeln und Denken mitein­ schließt.395 Mit der Deutung nimmt Franke auf Bird-David Bezug, die den Animismus auf Basis ihrer Feldforschung bei den Nayaka als „relationale Epistemologie“ interpretiert und postuliert, dass die Nayaka nicht deshalb Beziehungen zu den Objekten ihrer Umwelt aufauen, weil sie sie für Per­ sonen halten, sondern die Wesen als Personen ansprechen, eben weil sie mit ihnen in Beziehung stehen.396 Eine solche Wissens- und Bezugsform ist auf die verbindenden und nicht die trennenden Aspekte im Umgang mit den Dingen konzentriert.397 Das geschieht auch in der westlichen Gesell­ schaf, etwa wenn Gegenstände wie Computer oder Autos bei der Benutzung belebt werden.398 Sub­ jektivierende Begrife wie „Seele“ oder „Person“ müssten allerdings anders verstanden werden, nämlich „nicht als Substanz [...], sondern im Sinne einer relationalen Funktion.“399 In „Animismus: Revisionen der Moderne“ sind zwei kritische Kommentare zu Bird-Davids relatio­ naler Erkenntnisform abgedruckt, deren Inhalte jedoch nicht in aller Ausführlichkeit diskutiert wer­ den können. Eduardo Viveiros de Castro zweifelt die Sinnhafigkeit einer epistemologischen Herangehensweise an den Animismus an und wirf Bird-David vor, den Erkenntnissen moderner Philosophien zu widersprechen und sie gleichzeitig anzuwenden: Sie versuche dualistische Anschauungen zu revidieren und unterscheide dennoch zwischen „einer dichotomen modernisti­ schen und einer nicht-dichotomen relationalen Epistemologie“.400 Zudem müsse Diferenz nicht um jeden Preis als gefährlicher Gegensatz und Mangel an Verbundenheit gewertet werden.401 Die Kritik veranschaulicht zumindest einmal mehr die Unstimmigkeiten und Unsicherheiten, die die Diskurse rahmen und mit der Frage nach der „eigentlichen“ Bedeutung der Begrife einhergehen.

Bischof schlägt wie Endres vor, die „Verschiebungen und Übertragungen“ als wesentlichste Eigen­ schaf des Fetischismus anzunehmen, der dadurch „als Symptom eines kulturimmanenten Darstel­

394 S. Franke 2011, S. 26. 395 Vgl. ebd., S. 20-24. 396 Vgl. Bird-David 2015 [1999], S. 33f. 397 Ebd., S. 33. 398 Ebd., S. 45. 399 S. Franke/Albers 2015a, S. 10. 400 S. de Castro 2015, S. 47f. 401 Vgl. ebd., S. 48. 66 lungsproblems“ verstehbar werde.402 Sie fasst die Übertragung in psychoanalytischer Hinsicht als Verkörperung, die die unbewusste Erinnerung verdeckt und im selben Augenblick vorführt403. In der Psychoanalyse gilt die „Hysterikerin“ als beispielhafe Figur einer Übertragung der seelischen Regungen auf den Körper404 und da unsicher bleiben muss, ob die hysterische Körpersprache nicht bloß vorgetäuscht oder eingebildet wird, verbindet sich dieser „Ort des Wissens“ mit grundlegen­ den Zweifeln, weshalb das vermeintlich erkenntnisgenerierende Symptom lediglich die Urspungslo­ sigkeit von Verkörperung und Übertragung anzeigt.405 Insofern könnte mit dem rhetorischen Verfahren des Fetischs danach gefragt werden, ab wann die produzierten Begrife ein Eigenleben entwickeln und in Bilder oder Narrative übergehen, welche wiederum auf die Wissensbereiche zurückwirken, anstatt ihn zur Analyse religiöser, konsumistischer oder sexueller Verfehlungen her­ anzuziehen.406

Der Blick auf fetischistische (Kleider-)Verhältnisse intendiert daher nicht, die Fetische der Figuren oder Erzählenden zu diagnostizieren und analysieren, sondern dessen Repräsentationsweisen zu beleuchten und zu fragen, wie die in diesem Begrif inkorporierten Operationen und Ordnungen, beispielsweise einer Gegenüberstellung von Alterität und eigentlicher Identität, in den Filmen neu verhandelt werden. Die Analysekategorie des Fetischs hilf außerdem dort weiter, wo unheimliche oder ungewöhnliche Kleiderbewegungen dargestellt werden, die viel eher auf der metaphorischen oder allegorischen Ebene anzusiedeln sind.

402 S. Bischof 2013, S. 29. Mit dieser Interpretation greif sie auf Jean Pouillons Feststellung zur Begrifichkeit des Feti­ schismus zurück: „Es ist klar, daß die Geschichte dieses Begrifs die Geschichte von Mißverständnissen, Versäumnissen und Sinnverschiebungen ist; aber auch die Sinnverschiebung hat einen Sinn.“ (s. Pouillon 2017 [1970], S. 359.) 403 Vgl. ebd., S. 30. 404 Freud formuliert es als „die Umsetzung psychischer Erregung in körperliche Dauersymptome“ und nennt diesen Vorgang „Conversion“. (s. Breuer/Freud 1895, S. 73.) Didi-Huberman erklärt Freuds Erfassung des „hysterischen Sym­ ptoms“ in Analogie zu Warburgs psychopathologischen Bestimmungen der Pathosformel, denn: „Die „Pathosformeln“ sind sichtbare – körperliche, gestische, dargestellte, abgebildete – Symptome einer psychischen Zeit […].“ (s. Didi-Hu­ bermann 2010 [2002], S. 310.) Anfang des 20. Jahrhundert häufen sich die Bemühungen, körperliche Bewegungen als „Ausdrucksgebärden“ wissenschaflich ordnen und psychologisch interpretieren zu wollen. (vgl. ebd., S. 257/318.) Im Gegensatz zur Forschung des Pathologen J.-M. Charcots, der die unterschiedlichen Symptome der „Hysterie“ Ende des 19. Jahrhunderts mithilfe einer Ikonographie genau einzuteilen versucht, ist Warburgs „Ninfa“ eine dynamische Figur mit ständig wechselnden Verkörperungen, die sich der Suche nach einer exakt defnierbaren Ursache entgegenstellt. (ebd., S. 322f.) Auf einem ähnlichem Gedankenmodell basieren Didi-Huberman zufolge Freuds Studien, der das „hyste­ rische Symptom“ nicht anhand eines schematischen Bilderkatalogs analysiert, sondern als Formierung polarer Strebungen denkt: Wesentlich sind die „plastische Intensität der Körperformen und Bewegungen“, die „widerspruchs­ volle Gleichzeitigkeit“, die sich als „Verrenkung“ präsentiert, sowie die körperhafe „Verschiebung“, die die verdrängte, unbewusste Erinnerung zugleich verschleiert und an die Oberfäche bringt. (s. ebd., S. 328-335.) Auch für Didi-Huber­ man lässt das Symptom lediglich auf die „Organisation seiner Unzulänglichkeit“ blicken. (ebd., S. 336.) Festgehalten werden kann dennoch, dass die Analysen stets um ein visuelles Paradigma kreisen, das als Verkörperung gefährlicher oder krankhafer seelischer Zustände gelesen und ebenso auf die gesteigerte Beweglichkeit textiler Stofe übertragen wird. 405 Vgl. Bischof 2013, S. 31f. 406 Ebd., S. 19-21. 67 3 PHANTASTISCHE KOSTÜMBEWEGUNG IM SPIELFILM

68 3.1 Geisterhafe Kleiderbewegung

3.1.1 Allgemeines

Jene Kleider(-teile), die ziellos um den Körper einer Figur herumfirren oder -wehen – manchmal rasend ekstatisch, manchmal langsam gedämpf – und dabei Assoziationen an Schwerelosigkeit oder unbändiger Energie wecken, bilden eine erste Kategorie übernatürlicher Gewandbewegungen, die in der medialen Repräsentation nahezu klischeehaf mit Geisterspuk und okkulten Mächten ver­ knüpf sind. Das Spektrum reicht von schnell fatternden und sich stürmisch drehenden Textilien bis hin zu leicht wabernden, gleitenden Bewegungseindrücken. Es sind wirbelnde, wallende oder wogende Stofe, die mitunter zu schweben scheinen und an Rausch- oder Traumzustände denken lassen. Das Bild der wehenden Schleier führt direkt zu Warburgs Formel des bewegten Beiwerks. Insofern fallen die mythologischen Nymphen- und Wassergeistfguren mit dem durch diese Bewe­ gungen charakterisierten Kostümtypus in eins. Kristina Köhler entdeckte im Filmbild der von Schleier- und Wellenbewegungen gerahmten Nymphe eine für das frühe Kino bezeichnende Bewe­ gungsfgur, die von einer zeitgenössischen Vorliebe antikisierender Darstellungen in Tanz und Teater zeugt.407 Die ikonographische Tradition dieser Kleiderformel wurzelt ebenso in den Kostü­ men des romantischen Balletts und Phantombildern optischer Apparaturen wie der Laterna magica, die zur Zeit des Spiritismus Anfang des 20. Jahrhunderts populär waren. Die Bilder der neuen tech­ nischen Medien visualisieren Geistwesen als transparente, teils anthropomorphe Gestalten oder als Rauch- und Lichtschweife.408 Im spiritistischen Geisterglauben und dem darin verankteren Leib- Seele-Dualismus erkennt Hermsdorf eine idealistische Denkweise, die sich für ihn ebenso in den Animismus überträgt und als materielle Konkretion einer spirituellen Energie zur Anschauung gebracht wird.409 Wie Friedrich Kittler zu verstehen gibt, ist die Darstellung übernatürlicher Phäno­ mene als selbstreferenzielle Geste des Mediums Films auslegbar, da dieses selbst die ewige Wieder­ kehr vergangener Bilder und eine permanente Auferstehung der in ihnen eingeschlossenen Figuren verspricht.410 Wenn Immaterielles (dazu gehören auch abstrakte Ideen, Vorstellungen, Gefühlszu­ stände oder ätherische Wesenheiten) in materielle Dinge eingekörpert bzw. durch sie repräsentiert

407 Vgl. Köhler 2017, S. 134f. 408 Vgl. Hermsdorf 2011, S. 504 409 Ebd. 410 Vgl. Kittler 2015 [1963-1972], S. 120f; Vgl. Hermsdorf 2011, S. 511.

69 wird411, ergibt das of eine Personifzierung oder einen sonstigen Anthropomorphismus, der eng mit dämonologischen Konzepten zusammenhängt.412 Da Geistwesen als unstofiche, schwerelose Wesen imaginiert werden, sind sie auf Bildern häufg transparent dargestellt oder von fuiden, ungreifaren Substanzen wie Nebel- oder Rauchschwaden umgeben, mit denen sie zu undeutlichen, körperlosen Figuren verschwimmen.413 Bewegte Schleier ähneln solchen Naturerscheinungen hinsichtlich ihrer visuellen Struktur und symbolischen Leseart, weswegen sie in Bildern z. T. dieselben Funktionen besetzen. Für Gernot Böhme ist „Dunst“ das „dialektisches Medium von Erscheinen und Verschwinden, von Verhüllen und Enthüllen.“414 Da es den Dingen ihre scharfen Konturen nimmt und sie mit der Umgebung verschmelzen lässt, eignet sich Dunst als ästhetisches Mittel - das bevorzugt in romantischen Werken zum Einsatz kommt -, um „Unbestimmtheit“ zu evozieren und ein mögliches Ereignis bloß vage anzudeuten, gleichzeitig wirkt Dunst als Stimmungsfärber und wirf einen magischen Schatten auf die Szenerien, da sein ver­ hüllendes Moment Raum für fantastische Vorstellungen schaf.415 Vergleichbares ist von den bewegten Draperien behauptet worden. Und weil auf „Dunstbildern“ Dinge im Prozess ihres Erscheinens zu sehen sind, folgert Böhme, dass sie „das Erscheinen selbst zum Erscheinen bringen“ und insofern zeige Dunst ihren „Übergang von Nichtsein ins Sein“.416 Die übernatürliche Gewand­ bewegung verkehrt die Dynamik in ihr Gegenteil, indem sie die Dinge der eigenen Sphäre und Rea­ lität weiter entfernt. Noch ein weiterer Faktor spielt bei der Verkettung des Kostüms mit einem vom Zauber umwobenen Geschehen mit hinein: die kulturhistorischen Vereinnahmungen des Wind­ phänomens. Wie Stephan Cartier in seiner Kulturgeschichte des Windes erklärt, gilt die Lufbewe­ gung schon in der antiken Mythologie wie der christlichen Teologie als „Odem des Lebens“: Der Wind sorge für die „Beseelung des Menschen“, er hauche ihm Leben ein, könne sogar tote Dinge animieren und entspräche so dem (göttlichen) Geist im lebendigen Körper, der als „Windseele“ mit dem Tod entwehe.417 Daher ist es nur schlüssig, dass Didi-Huberman im Zusammenhang mit dem bewegten Beiwerk von einem „Zeithauch“ und „gespenstischen Wind“ spricht.418

gut zu beobachten ist. (vgl. Garuba 2015 [2003], S. 271f.) 412 Vgl. Hermsdorf 2011, S. 492. Dämonische oder teufische Figuren sind in der Frühzeit des Kinos weitverbreitet. (ebd., S. 496.) 413 Ebd., S. 518. 414 S. Böhme 2013 [2006], S. 70. 415 Vgl. ebd., S. 68/70. 416 S. ebd., S. 70. 417 Vgl. Cartier 2014, S. 49-56. 418 Vgl. Didi-Huberman 2005, S. 346.

70 Auch die Geisterfgur der „Weißen Frau“419, die u.a. im Film Lady in White (US 1988) vorkommt, kennzeichnet ein derartig windumspieltes Gewand (Abb. 10). Im Gegensatz zu dieser klassischen Spukgestalt veranschaulicht eine Szene aus Te Lord of the Rings: Te Fellowship of the Ring (US/NZ 2001) wie die schleierhafen Kostümbewegungen noch funktionalisiert werden können: Als Mate­ rialisation übermenschlicher Fähigkeiten, die in naturgewaltiger Manier plötzlich über die Figuren hereinbrechen (Abb. 11). Durch die speziellen Licht- und Bewegungsefekte steigert sich die bereits wunderbar-mächtige Präsenz der Elbenfgur Galadriel () ins Schreckliche und Furchteinfößende. An den Beispielen wird ersichtlich, wie nahe der visuelle Efekt der Kategorie des Unheimlichen steht. In einer Szene aus Hocus Pocus (US 1993) wird der hier zu erörternde phantastische Erzählmodus der Kostümbewegung gestreif, als eine der drei Hexen (Sarah Jessica Parker) auf ihrem Besen rei­ tend, folgendes Lied anstimmt, „Come little children / I'll take thee away / Into a land of enchant­ ment […].“420 Die fießenden Formen ihres glänzenden Umhangs (Abb. 12) harmonieren sowohl rhythmisch wie inhaltlich mit der Gesangseinlage, da sie die Klänge tänzerisch begleiten und zudem die tatsächlich stattfndende Verzauberung der Kinder in ihrer Bewegtheit spiegeln, als wäre der Mantel selbst vom Zauber der Hexe ergrifen worden oder als würde sie ihn vor den Augen der Kin­ der tanzen lassen. Gleichzeitig gilt die Erklärung, es sei bloß der Wind, der mit den Kleidern spiele. Hier handelt es sich jedoch eindeutig um ein stilistisches Mittel, das zwar in phantastischer Weise die besungene magische Handlung illustriert, allerdings keinerlei Aussagekraf über die Szene hin­ aus besitzt.

Das gemeinsame Element solcher Kostüminszenierungen, die nicht an einen Figurentyp oder ein Genre gebunden sind, ist, dass sie über die Bewegungen von einem Zaubergeschehen erzählen oder die TrägerInnen in einen jenseitigen, spirituellen Bereich verschieben bzw. aus diesem hervortreten lassen. Hinzu kommt eine pathetisch emotionalisierende Qualität, die die Betrachtenden in eine spezielle Stimmung versetzen soll und häufg psychologisierend auf eine oder mehrere der Figuren rückbezogen werden kann.421 Die letzten Punkte trefen auf das (melo-)dramatisch bewegte Kostüm generell zu. Die unterschiedlichen Lesearten bewegter Gewänder in den ästhetischen, philosophi­ schen, medien- und kulturwissenschaflichen Teorien422 sowie deren bildliche und narrative Repräsentationen – die die Stofelebungen zuweilen traumhaf bis unheimlich inszenieren und sie 419 Von der Schmidt spricht, wenn er das wallende Kleid in McQueens Video-Performance parallel zu Spukgestalten liest. (vgl. Schmidt 2013, S. 171.) 420 Vgl. Kenny Ortega 1993, 01:14:52. 421 Als Beispiel: Teresa Georgen baut in ihre Kostümbetrachtungen des Films L'Année Dernière à Marienbad (FR/IT 1961) von Alain Resnais folgende interessante Schlussfolgerung ein: „[...] in einem Kleid, dessen transparenter heller Stof sie umfattert wie eine nervöse Haut und ihren Zustand geradezu im Kleid verselbstständigt.“ (s. Georgen 2013, S. 65.) 71 so in den Bereich des Überirdischen oder Andersweltlichen verlagern - bestehen in wechselseitiger Abhängigkeit zu den fetischistischen, animistischen, physiognomischen, (wahrnehmungs-)psycho­ logischen und religionswissenschaflichen Konzepten des 18./19. Jahrhunderts. Als Bildsujet sind die dramatisch oder gespenstisch bewegten Kleider anthropomorph zu nennen, sobald sie mit bestimmten Gebärden oder Mimiken (z. B.: bebenden Lippen) oder menschlicher Haut analogisiert werden, um davon auf eine Gefühlsqualität schließen zu können, die sich, wie Brandstetter vorge­ führt hat, unter Rückbezug auf Warburgs Pathosformeln in Körperbilder übersetzen lässt.

3.1.2 Phantastische Aspekte

3.1.2.1 DRACULA (US 1992, R: Francis Ford Coppola, dt. Titel: Bram Stoker's Dracula)

Obwohl die Kostümbildnerin mit einem Oscar für ihre spektakulären Entwürfe ausge­ zeichnet wurde, waren viele der Kritiken negativ gestimmt als Franics Ford Coppola Dracula 1992 herausbrachte. Es hieß der Film würde sowohl islamophobe423, homophobe und sexistische Bot­ schafen transportieren sowie die Wiederaufebung traditioneller Familienformen, Geschlechter- und Sexualordnungen propagieren.424 All das sei eingekleidet in ein verwirrendes Spiel mit Zitaten und ausufernd opulente Darbietungsformen.425 Wie schon der deutsche Titel verrät, ist der Film eine Adaption des bekannten Vampirromans von Bram Stoker, der die mythologische Gestalt des Graf Dracula zwischen 1890 und 1896 ins Leben rief.426 Bei Coppola gerät Dracula (Gary Oldman) in aller Deutlichkeit zum rumänischen Prinzen Vlad, der das orthodoxe Christentum 1462 erfolgreich vor dem türkischen Angrif bewahrt. Seine über alles geliebte Frau Elisabeta (Winona Ryder), wähnt ihn jedoch - aufgrund einer fälschlichen Nachricht der Angreifer - für tot und springt vom Schlossturm in den darunterliegenden Fluss, der zu ihrem Grab wird. Da sie Selbstmord begangen hat und ihre christliche Seele nicht mehr zu retten ist, schwört der zornentbrannte Vlad Gott ab, schändet das Kreuz der Kirche und ist von da an dazu verfucht sein Leben als Untoter zu fristen. Die Eröfnungssequenz rahmt die weitere Handlung des Films, in der Dracula 1897 nach England reist, um seine Geliebte - inkarniert im Körper von Wilhe­

422 Welche die Kleider in ihren Beschreibungen in organische oder tierische Elemente verwandeln (vgl. Warburg 2018 [1893], S. 48.), als Verschiebung des „Ausdrucksgehalts“ (vgl. Didi-Huberman 2010, S. 268; Vgl. Köhler 2017, S. 147.), Zeichen bzw. Bild „innerer Zerrissenheit“ (vgl. Köhler 2017, S. 147; Vgl, Köhler 2020, S. 140.), „innerer Unruhe“ oder eines „Begehrens“ (vgl. Didi-Huberman 2010, S. 287.) deuten. 423 Vgl. Hudson 2017, S. 33. 424 Vgl. Arni 1998, S. 125f; Vgl. McGunnigle 2005, S. 173/177f. 425 Vgl. Elsaesser 1998, S. 83f. 426 Vgl. Arni 1998, S. 122 72 mina Murray (Winona Ryder) – wiederzuerlangen, nicht ohne zuvor ihren Verlobten Jonathan Harker in das Schloss nach Transsylvanien zu locken, wo seine drei Vampirfrauen ihn für geraume Zeit gefangen nehmen. In der Szene, um die es hier gehen soll, steht allerdings Minas Freundin Lucy Westenra (Sadie Frost) im Mittelpunkt, die während einer stürmischen Nacht, welche zugleich jene ist, in der das Schif mit Dracula London erreicht, schlafwandlerisch durch den labyrinthischen Gar­ ten streif, um dann auf einem altarähnlichen Steintisch von Draculas Biest-Ich gebissen zu werden. Die besorgte Mina eilt ihr nach und erschrickt, als ihr Blick auf die Kreatur fällt, die sich in eindeu­ tig sexueller Pose über die stöhnende Lucy beugt, mit der Zunge ihr Bein entlangfährt und in wilder Geste ihren Hals beißt. Draculas Schifsreise und Ankunf in London werden über eine wackelige, teils schwankende Kameraführung und einen raschen, konfuse Bildwechsel (mit mehrfachen Über­ blendungen wird Draculas Verwandlung angekündigt) erzählt, die aus tierischer Perspektive seinen Weg zu Lucys Anwesen wiedergeben. Als Lucy den Garten betritt, wallen und wehen die hauchdün­ nen Chifonstofe ihres orangefarbenen Nachtkleids im Wind (Abb. 13a/b/c). Die wogenden Schleier von Cape und Rock suggerieren Unwirklichkeit, rufen ein Gefühl des Unheimlichen her­ vor, und später, als Lucy wieder zu sich kommt und ihren rötlichen Schleier am Altar zurücklässt, sagt sie zu Mina: „Oh. I couldn't control myself.“427 Mina, die ihr hilf aufzustehen und versucht sie zu beruhigen, erwidert: „Hush Lucy. You're dreaming. You're walking in your sleep again.“428 Und Lucy bekennt zitternd: „My soul, it seemed … it seemed to leave my body. […] I had to. It sort of pulled me and lured me and I had no control.“429 Die Schleierbewegung verbildlicht den traum­ wandlerischen Zustand, jenen Moment als Lucy die Kontrolle über ihren Körper verliert und sich etwas andres in den Falten ihres Kleids einnistet, sich ihres Geistes bemächtigt und beginnt sie zu steuern. Dracula ist der Herr des Windes und nimmt im Film nicht nur verschiedenste monströse und tierische Formen an, sondern auch die des Nebels, des Dampfes und der Wolken. Insofern ist der Wind höchstwahrscheinlich von ihm verursacht, allerdings bleibt unklar inwieweit Lucys Schleier tatsächlich von übernatürlichen Kräfen ergrifen werden - die in die Stofe fahren, mit ihnen spielen und Lucy zu Dracula hinziehen - oder ob es sich nicht lediglich um einen Efekt des Sturmes handelt, den er heraufeschwört. Die Stofe erinnern in ihrer Bewegtheit ebenso an wallen­ des Blut, das in Vampirgeschichten immer schon eine wichtige Rolle spielt und dessen hoher Stel­ lenwert in Coppolas Filmbildern auf unterschiedlichste Weise hervorgehoben wird. In einer späteren Szene beobachtet Dracula, dieses Mal in Gestalt des jungen Prinzen Vlad, die im Bett lie­ gende Lucy von der Balkontür aus und bringt sie mit dirigierenden Armbewegungen dazu sich zu

427 S. Coppola 1992, 00:43:00. 428 Ebd., 00:43:05. Mina hat das zuvor Beobachtete zu diesem Zeitpunkt bereits wieder vergessen, da Dracula fähig war ihr diese Erinnerung mit den Worten, „No. Do not see me.“, zu nehmen. (ebd., 00:42:40.) 429 Ebd., 00:43:10/00:43:20-00:43:24. 73 erheben, wieder niederzusinken und im Bett zu winden (Abb. 13d). In einer Einstellung überblen­ det sich die, ein rotes, durchsichtiges Kleid tragende, Figur mit dem Bild von unter Mikroskop ver­ größerten Blutzellen (Abb. 13e) und es hat den Anschein als würde die in dieser Szene repräsentierte Erregung (des Blutes) noch einmal außerhalb des Körpers sichtbar werden: in den transparenten, fießenden Schleiern die ihn einhüllen. In diesen Bildern, unterlegt mit verschiedens­ ten Tonspuren heulender, hauchender Stimmen sowie plätschernden Wassers, wird Lucys entrückte Verfasstheit sinnlich begreifar. Andererseits veranschaulichen sie erneut Draculas Macht über ihren Körper und sein blutsaugerisches Handeln. Wie Caroline Arni kundtut, adressiert Coppolas Dracula „die Bedürfnisse einer zeitgenössischen westlichen Gesellschaf, genauso wie Stokers Dracula den Bedürfnissen der englischen Gesellschaf des Fin de siècle entsprach.“430 War es im späten 19. Jahrhundert „die bedrohliche Präsenz eines fremden und sexuell ambivalenten Wesens“431, so ist es in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts die Angst vor „einer epidemischen Krankheit [Aids], die sich im sexuellen Verkehr überträgt.“432 Cop­ polas Dracula ist, laut Arni, nicht mehr derart vielseitig in seiner Lust, Sexualität oder Geschlecht­ lichkeit – die Homoerotik gehe beinahe gänzlich verloren –, er ist kein „Anderer“ mehr, sondern eine Identifkationsfgur und mittels dieser Figur propagiere der Film die heterosexuelle, monogame Liebe und werte „promiskuitive Sexualität“ ab.433 Lucy steht innerhalb des Films für eine ofene, befreite Sexualität sowie für weibliche Erotik und es ist ihr als „gefährlich“ wahrgenommener Kör­ per, in den sich das „Virus“ des Vampirismus zuerst überträgt.434 Wie Eiko Ishioka selbst betont, entspricht Lucy dem Typus des „sexually liberated girls“, weswegen sich ihre Figur im Symbol der Schlange spiegelt, was anhand ihres grünen Kleides, das von Stickereien ineinander gewundener Schlangen überzogenen ist, ofensichtlich wird.435 Einmal, bevor Dracula England heimsucht, blät­ tern Mina und Lucy kichernd ein Buch mit kamasutraartigen Illustrationen durch und Mina – gleich angewidert wie gebannt – fragt, ob es wirklich möglich sei, so etwas zu tun, worauf Lucy ant­ wortet: „I did, only last night. […] Well in my dreams.“ 436 Aus diesem Blickwinkel ergibt sich für die Szene mit den orangeroten Schleiern eine Leseart, die nahelegt, die gewaltsamen Implikationen der Körpervereinnahmung und Tötung Lucys (schlimmer noch: Dracula infziert sie mit seinem eigenen Untotsein) als Bestrafung für ihre ungezügelte Lust zu deuten. Die hefigen Bewegungen der rötlichen Stofe sind eine Vorwegnahme des blutigen Rituals, fast so als wäre Draculas Blut

430 S. Arni 1998, S. 122. 431 Ebd., S. 122. 432 Ebd., S. 125. 433 Vgl. ebd, S. 124f. 434 Ebd., S. 126f. 435 Vgl. Ishioka 1992, S. 54. 436 S. Coppola 1992, 00:20:26-00:20:32. 74 bereits in ihr, es ist das Zelebrieren des Gewaltakts auf und in Lucys Kleidern, deren gespenstische Bewegungen ihre bevorstehende, unlebendige Existenz bezeugen. Lucy ist hier zu einer Spukgestalt geworden, die das Zukünfige in Form des Vergangenen materialisiert und transzendiert. Adam Barrows, der Heideggers Ontologie einer „eigentlichen“ versus einer „uneigentlichen Daseinsweise“ mit dem Konzept des untoten Vampirs verschränkt, erkennt die fatalen Konsequen­ zen der Annahme, es gäbe eine Form wahren Selbstseins und eine (Seins-)Form (in diesem Fall jene der Unsterblichkeit) falscher, „pathologischer Selbstlosigkeit“.437 Ein solches Fehlen einer eigenen Individualität, eines „stabilen Selbstbilds“ drücke zumindest Dracula aus, da er die Form füchtiger, difuser Substanzen annehme sowie seine äußere Gestalt ständig wechsle, und Lucy sei, sobald er sie ihm gleichmacht, zu einer ebenso „unscharfen“ und „verschwommenen“ Wesenheit geworden.438 Folgt man dieser Interpretation, eröfnen die Schleierbewegungen jenes Zukunfsszenario, in wel­ chem Lucy dieselbe unwägbare, wechselhafe Gestalt wie Dracula erhält: Ihre Schleier lösen die Kör­ perkonturen auf und markieren die Existenz eines sich ständig verändernden und mit dem Umraum verschwimmenden Geschöpfs. Zudem verbildlichen sie, was Arni über den rassistischen Blick der viktorianischen Gesellschaf auf die Protagonistinnen in Bram Stokers Roman sagt, „[..] ihre Körper [sind] die durchlässigen Grenzen der Gemeinschaf, durch die das Fremde eindringen kann“439, und was sie in Bezug auf Coppoals Verflmung anmerkt: „Lucy wird zur Hülle, in der das männliche Blut zirkuliert und sich konkurrenziert.“440 Chrisopher McGunnigles Abhandlung fügt dem eine zusätzliche Sichtweise hinzu, seiner Einschät­ zung zufolge gehen die homoerotische Beiklänge sowie die geschlechtliche Ambivalenz der Vampir­ fgur in Coppolas Dracula keineswegs verloren, was die Aids-Tematik jedoch um nichts weniger problematisch macht441: Alle männlichen Figuren im Film plage eine grundlegende Unsicherheit über die eigene Geschlechterrolle.442 Dracula sei es nun möglich, sich von den gesellschaflichen Zwängen zu lösen, indem er eine vampirische Identität erschafe, die gleichzeitig - mit einem Seiten­ hieb auf Freud – die unterdrückten Triebe und Ängste personifziere und über die zahlreichen Formwandlungen den Prozess einer permanenten Konstruktion wie Dekonstruktion der Geschlechterbilder darstelle, aber auch in seinen Vampirgestalten stets ambivalent bliebe.443 Dieses

437 Vgl. Barrows 2010 [2006], S. 97-107. Diese Ideen seien vor allem deswegen problematisch, da Heideggers Philosphie die Tür hin zu „rassistischen und kulturellen Vorurteilen“ öfne und die Figur des Vampirs - gekoppelt an Vorstellun­ gen einer „Entgegensetzung von „wahrem“ Menschsein und „falschem“ Vampirismus“ - in der Vergangenheit immer wieder „als Symbol für den Juden, den Homosexuellen, den Orientalen gedeutet“ wurde. (s. ebd., S. 105f.) 438 Vgl. ebd., S.100f. 439 S. Arni 1998, S. 126. 440 Ebd., S. 127. 441 Vgl. McGunnigle 2005, S. 173f. 442 Ebd., S. 173. 443 Ebd., S. 174-177. 75 Vampir-Selbst ist nichts „Fremdes“, das außerhalb vom „Eigenen“ verortet werden könnte, sondern ein Teil des Ichs. Dracula ist Held und Feind zugleich, beides verschmilzt streckenweise miteinan­ der. So zeichne der Film zwar einerseits ein negatives Bild von Homosexualität (und weiblicher Pro­ miskuität), weil sich die Figuren jedoch stets mehrdeutig präsentieren, verschwimme andererseits der klare diagnostische Blick. Dracula verkündet, er sei von der Menschheit betrogen worden, denn sie habe ihm Elisabeta genommen.444 Laut McGunnigle demonstriert der Film, da er die gesamte Menschheit als Wurzel des Unheils präsentiert, die aus den gesellschaflichen Feindbildern erwach­ sene Unterdrückung und eben diese Perspektive, die eigene Sexualität und Geschlechtlichkeit als „monströs“ erleben zu müssen, sei entscheidend für die Identifkation der ZuschauerInnen mit den Vampirfguren,.445 Was diese Analyse anvisiert, gelangt auch in der theatralen Schleierinszenierung zum Vorschein: Das, was Lucys Körper steuern, besitzen und vernichten möchte, verbirgt sich vielleicht nicht unbe­ dingt hinter dem männlich-fetischistischen Blick allein. Hier reiht sich Elsaessers Analyse von Cop­ polas Verflmung ein, der darin eine „Dekomposition des klassischen Darstellungssystems“ bemerkt.446 Was es u.a. so erschwert, den Film auf eine eindeutige Aussage zu reduzieren, ist die Art wie er mit den Sehgewohnheiten der Zuschauenden spielt: Ihn kennzeichnet eine „Überlagerung vieler Schichten“, denn in ihm überschneiden sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunf („Klas­ sisches“, „Mythologisches“ und „Postklassisches“), eben durch die Zitatevielfalt, die dauernde „visu­ elle Desorientierung“ und die Fokussierung auf „eine Dezentrierung von Körper und Stimme“.447 Der Film verhandle in „selbstrefentieller“ und „selbstironischer“ Manier seine Verortung in der Filmgeschichte und spiele mit dem Dracula-Mythos auf die eigene „untote Natur“ an.448 Und da er auf inhaltlicher wie technischer Ebene die Entstehungsgeschichte des Kinos und dessen Apparatu­ ren rekapituliert,449 können Lucys fiegende Kleider als Anspielung auf Phantasmagorien optischer Geräte wie der Laterna magica begrifen werden. Coppola verschränkt die Ängste und Aversionen des späten 19. Jahrhunderts mit jenen des 20. Jahrhunderts in jenen Mythenbildern, die bereits frü­ her die Phobien der europäischen Gesellschaf kanalisierten. Damit ist Lucy in ihren Geisterkleidern tatsächlich eine Wiedergängerin, die die zeitliche Abfolge verwirrt und eine Vergangenheit beschwört, die die Gegenwart heimsucht und sich mit ihr verstrickt. Trotz der sinnlich-lustvollen Art dieser Wiederbelebung erzählen die vielen verschiedenen, sich in den Kleiderschichten abla­ gernden Blicke und Fetische von der gewaltvollen Herstellung der in den Stofen zirkulierenden 444 Vgl. Coppola 1992, 01:07:27. 445 Vgl. McGunnigle 2005, S. 182. 446 S. Elsaesser 1998, S. 88. 447 Ebd., S. 79/86f/100. 448 Vgl. ebd., S. 82. 449 Ebd., S. 84. 76 Ordnungen. Eine rationale Distanzierung ist nicht vorgesehen, das Dargebotene zielt auf ein kör­ perliches „Erleben“ der Exzesse ab.450 Gerade dadurch erschaf der Film, wie Elsaesser ausführt, eine Aura des Gefährlichen: Der Abstand zu den Bildern, die die ZuschauerInnen direkt in das Mythen-Dickicht hineinziehen, schwindet, sie suggerieren eine „Ansteckung“451 und meinen viel­ leicht am ehesten die infektiöse Vergangenheit selbst. Eine kollektive Erinnerung, deren Narrativie­ rungen sich im beständigen Wiederaufeben der Bilder als gleichermaßen füchtig wie zählebig herausstellen. Und deswegen verhandle Coppola mit Dracula die „Bilderfahrung der neuen Medien“, die sich in den 90er Jahren bereits anbahnt und die, vor allem aus der heutigen Perspek­ tive, eine Überlappung und Überblendung vielfältiger Bild-, Ton- und Textelemente sowie das Aneinanderrücken und Überlagern verschiedenster Zeiten und (u.a. geografscher) Räume mit sich bringt.452 Der Film ist voller Abweichungen und Verschiebungen und auch ein Teil von Lucy verschiebt sich in ihre Schleier. Wenn sie behauptet, ihre „Seele“ hätte den Körper verlassen, komplementiert das das Bild einer pathetischen Stofewegung, die genauso ihre Leidenschaf einfängt und damit frei­ setzt: als erotischer Traum Lucys, der sich in ihren Kleidern manifestiert. In den Schleiern überla­ gert sich ihr Begehren mit Draculas und die vergangenen Phobien und Afekte mit den gegenwärtigen. Kurz bevor sie Dracula erreicht, sehen wir eine Nahaufnahme ihres Hüfbereichs, wo der transparente Rock in erotisch-verspielter Manier nach oben fattert und den Blick auf ihren Schritt freigibt (Abb. 13f/g). So wird die Anwesenheit des (Film-)Monsters, das in Lucys Kleider schlüpf453, sich mit ihr überschneidet, über ihre Haut streichelt und sie fortzieht, artikuliert, bevor es leibhafig erscheint.454 Die Kleiderinszenierung schwankt zwischen einer Täuschung (Lucys wie der Zuschauenden) und einer realen Afzierung wie Infzierung, die die (Un-)Möglichkeit des kla­ ren, „souveränen Sehens“ in Beziehung zum körperlich spürbaren „Angesehen-Werden“ zur Dis­ kussion stellt.455 Diesen Punkt erörtert Anja Lauper in ihrer Filmanalyse, allerdings ohne die Kostüme zu erwähnen, und sie fasst Elisabetas Sprung in den Fluss als Quelle der vielen „molekula­

450 Vgl. Elsaesser 1998, S. 100. 451 Ebd., S. 100/104. 452 Ebd., S. 98. 453 Das Monster, das in den und als die Schleier eine starke erotisch-sinnliche Wirkkraf entfaltet, lässt auch an einen Akt des Crossdressings denken. 454 Elsaesser hat die Hervorhebung des Tons, dessen Ursache unbekannt ist, als Mittel der „visuellen Desorientierung“ im Horrorflm ausgemacht, das einen schlimmen Verdacht erweckt und zu einer tiefen Verunsicherung führt, die die mysteriöse, unheimliche Stimmung verstärkt (vgl. Elsaesser 1998, S. 78f.): „Der Zuschauer wird in die Irre geführt, in­ dem ihm Informationen vorenthalten werden oder das Monster als Verursacher so lang wie nur möglich im Of belassen wird.“ (s. ebd., S. 78.) 455 Vgl. Lauper 2005, S. 141. Anja Lauper spricht in Anlehung an Elsaessers Analyse und Lacans Rede vom „Blick“ von der „Illusion souveränen Sehens“, die Coppolas Dracula in einer Reihe von Szenen als „Oszillieren zwischen perspekti­ vischem Sehen und schockhafem Angesehen-Werden“ vor Augen führt. (s. ebd.) 77 ren Transformationen“ Draculas, die den Film zu einem „Drama fürs Auge und des Auges“ werden lassen.456 Was neben der Passivität einer Fremdsteuerung erwägbar wird, ist der Blick auf ein ästhetisches Potential - trotz oder gerade wegen der im Hier und Jetzt präsenten Vergangenheit -, das davon zeugt, Geschichtlichkeit und ihre komplexen Konstruktionsverfahren im Prozess des Wiedererwe­ ckens in der Erinnerung zu halten sowie anders weiterdenken zu können. Das Trauma kann nur bearbeitet werden, wenn es zuvor bewusst gemacht wird. Jedoch könnte das Prozedere des exzessi­ ven Bewusstmachens, welches Elsaesser hier am Werk sieht, genauso neue Traumata produzieren.

3.1.2.2 THE CELL (US 2000, R: Tarsem Singh)

Didi-Huberman, der das Freudsche Symptom als „ein Nachleben, das seine Verkörperung erfährt“, beschreibt, unterstreicht damit die Nähe zu Warburgs Figur der „Ninfa“.457 Wir erinnern uns: Sym­ ptom und Fetisch stehen für die verkörperte und verschobene Wiederkehr eines zuvor Verdrängten, wobei der Fetisch selbst das Mittel der Verdrängung darstellt. Auch Warburgs Pathosformeln sind in erster Linie „symptomatisch“ zu fassen, wenn in ihren Ausdrucksbewegungen eine bedrohliche Energie vergangener Zeiten nachlebt458 Angesichts des gesteigerten Ausdrucks möchte Warburg, wie Didi-Huberman ausführt, die „Ebene der Ursachen“ klären459 und schreibt dazu: „Manchmal kommt es mir vor, als ob ich als Psychohistoriker die Schizophrenie des Abendlandes aus dem Bild­ hafen in selbstbiographischen Refex abzuleiten versuche: Die extatische Nymphe (Manisch) einer­ seits und der trauernde Flussgott (depressiv) andererseits […].“460 Es geht Warburg in seiner Beschäfigung mit den Pathosformeln um einen inneren Konfikt, dessen Körperwerdung sie für ihn repräsentieren.461 All die besprochenen Verkörperungen behandeln, mit Didi-Hubermans Worten, „Vergessenes, das Wirkung entfaltet“ und „verfügbare Erinnerungen“, jedoch nicht im Sinne eines einmaligen und abschließbaren Verdrängungsgeschehens, sondern in Gestalt eines mobilen, wech­ selhafen Vorgangs, der von „ständiger Verschiebung“ geprägt ist.462 Zudem sei es vergebens, den „Ursprung“ des Symptoms auf einen Fixpunkt zurückführen zu wollen, da es sich bei Freud mit dem Begrif der „Nachträglichkeit“ verbindet, was bedeutet, der Ausdruck (der die verdrängte Erin­

456 Vgl. Lauper 2005, S. 139/141. Elisabeta trägt seitdem den Namen „River princess“, wie Dracula Mina erzählt. (vgl. Coppola 1992, 01:07:51.) 457 S. Didi-Huberman 2010 [2002], S. 341. 458 Vgl. ebd., S. 314f. 459 Ebd., S. 316. 460 S. Warburg 2018 [1927-29], S. 645. 461 Vgl. Didi-Huberman 2010 [2002], S. 318. 462 S. ebd., S. 364. 78 nerung enthält) wird erst „nachträglich“ als Trauma gewertet.463 Und wie Didi-Huberman veran­ schaulicht, führt das „bewegte Beiwerk“ Freud ebenso zum Konzept der Nachträglichkeit wie es Warburg auf den Gedanken des Nachlebens bringt: Die frühe Erinnerung verschiebt sich auf die Kleidung, diese wird zum „Erinnerungsmaterial“ des Verdrängungsprozesses.464 Als dermaßen verkörperte Symptom- und Fetischbildung geistert eine spezielle Kostümfguration durch die (Alb-)Traumwelt in Te Cell. Der schizophrene Serienkiller Carl Stargher (Vincent D'On­ forio) foltert seine weiblichen Opfer, indem er sie in eine gläserne Kammer sperrt, die sich nach und nach mit Wasser füllt. Die ertränkten und später mit Chemikalien gebleichten Frauen sowie die Videos der Folterungen bereiten ihm sexuelle Lustgefühle. Kurz nachdem er eine weitere Frau ent­ führt hat, spürt ihn das FBI auf. Bevor die AgentInnen ihm jedoch entlocken können, an welchem Ort er sie versteckt hält, fällt er aufgrund seiner psychischen Erkrankung ins Koma. Um doch noch herauszufnden, wo sich die Frau befndet, bringt ihn der FBI-Agent Peter Novak (Vince Vaughn) zur Psychologin Catherine Deane (Jennifer Lopez), die im Rahmen eines neurowissenschaflichen Projekts mit einem sogenannten „Kontakt-Transfersystem“465 in das Unterbewusstsein ihrer Patien­ tInnen eindringt. Das Design der phantastischen Kostüme ist wieder einmal von Eiko Ishioka466, die ihre an blutrote Muskelstränge erinnernde Rüstung aus Dracula auch in Te Cell verwendet, wo sie zu einem HoloSuit umfunktioniert wird, das den Übertritt in die Gedankenwelt gewährleistet (Abb. 14a). Im Film gibt es insgesamt vier Fantasiesequenzen mit Carl; zu Beginn der zweiten glaubt Catherine zunächst an eine technische Störung, bis sie realisiert, dass sie längst in seinem Kopf steckt. Nach einem schnellen Schnitt hockt Catherine plötzlich in einer winzigen Glaskammer und trägt nun, statt der roten Rüstung, ein seidenes, rotes Kleid. Als sie wegen der Enge ihres Gefängnisses panisch wird, öfnet sich der Deckel und sie fällt nach oben in eine gigantische Höhle und fällt weiter, wäh­ rend sich Oben und Unten verkehren, in Richtung einer Kuppel und in sie hinein, die plötzlich an einen riesigen Wassertank erinnert. Und obwohl der dunkle Raum nicht mit Wasser gefüllt ist, sug­ gerieren die Geräusche und ihre verlangsamten Bewegungen, sie befnde sich unter Wasser. Lang­ sam sinkt sie hinab, die schwebende Kleidergestalt und der mystifzierende Modus jener Stofewgegungen übermitteln die widersprüchlichen Eindrücke des Unheimlichen wie Märchen­ hafen, Dämonischen wie Heiligen und Rauschhafen wie Erstarrten (Abb.14b/c/d/e/f). Obgleich alles Wunderbare von Carl imaginiert wird und keine übernatürliche Ursache dafür in Betracht

463 Vgl. Didi-Huberman 2010 [2002], S. 165f; Vgl. Freud 1859, „Entwurf einer Psychologie“, S. 356 zit. nach Didi-Hu ­ berman 2010 [2002], S. 166. 464 Vgl. Didi-Huberman 2010 [2002], S. 368. 465 S. Singh 2000, 00:36:28. 466 Die sie in Zusammenarbeit mit April Napier entwarf. 79 kommt, ist die Inszenierung doch phantastisch, da innerhalb der Kopfwelt nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, ob Carl Catherine als Gespenst einer Ertrunkenen fantasiert oder ob dieser Efekt nicht viel eher dazu angetan ist, eine temporäre Unterwasser-Atmosphäre zu erschafen, die das bestimmende Tema der Handlung unterschwellig anklingen lässt. Flüssigkeiten wie Wasser und Blut sowie die Horror-Vision des Ertrinkens bzw. Ertränkens dienen als motivische wie struk­ turierende Elemente der Traumsequenzen und geben die grausam-perverse Gedanken- und Gefühlswelt des Killers wieder, der nicht länger fähig ist, zwischen Realem und Irrealem zu unter­ scheiden.467 Und so erscheint Catherine in der Szene - die das Eintauchen-in-eine-andere-Welt in plakativer Form ausbreitet - gleichsam als Heilsbringerin, Dämonin und Wassernymphe. Somit ver­ eint sie die zentralen Frauenbilder und Motive Carls und versammelt seine verdrängten Erinnerun­ gen als sich verschiebende und wandelnde Verkörperung im Stof ihres Kleids. Ferner nimmt sie vorweg, wovon die zweite Traumsequenz handelt: Catherine erfährt darin zum einen den Grund für die Auswüchse von Carls sexuellem Sadismus – bei seiner Taufe glaubte er ertrinken zu müssen; außerdem wurde er von seinem Vater misshandelt, der ihm einbläute, Frauen seien von Natur aus bösartig – zum anderen verliert sie sich in der Gedankenwelt, so dass es ihr nicht mehr möglich ist, daraus zu erwachen. In den fießenden Stofen kommt der Fetisch des Patienten zum Vorschein, den er auf die Terapeutin überträgt und von dem sie sich nicht länger distanzieren kann. Die Klei­ derbewegungen beweisen dabei eine kommunikative Qualität, die Brandstetter bereits der Falte zusprach: „Das Grundprinzip der Falte, nämlich als eine bewegliche Membran Innen und Außen zu vermitteln, die Beziehung von Figur und Grund in der Schwebe zu halten […].“468 Wie die Falte erzählen sie vom Erschafen einer Diferenz zwischen Innen und Außen und den eventuellen Über­ gängen und wie bei Coppolas Dracula geht es um die Vernetzung oder Transfusion medialer wie mentaler Bilder. Im Gegensatz zu den sonstigen phantastischen Kostümen, die Catherine in unter­ schiedlichen archetypischen Rollen zeigen, übernimmt das rote Kleid zusätzlich eine ähnliche Funk­ tion wie die Musik: Seine Formen begleiten das Erzählte in prozesshafer Weise und weben die Rhythmik des Flüssigen und Zerfießenden bildhaf in die Szene ein. Während die eigentliche Handlung weitgehend geradlinig verläuf und inhaltlich auf eine Enträtselung fokussiert, gelten Bild- und Tonebene der Traumsequenzen vorerst als verrätselnde Instanzen. Erzählung und erzäh­ lerische Äußerung formulieren eine Tiefgründigkeit (Ergründen des unbewussten Seelenlebens/Vordringen in die untersten Schichten der Psyche), die sich schnell als oberfächliches Sampling diverser kulturell-mythologischer Referenzen zu erkennen geben. Dieser Sachverhalt bie­ tet Anlass zur Kritik und so schreibt beispielsweise Seeßlen: „Aber behaupten wir nun nicht, "Te

467 Ein Umstand den Catherine zudem eindeutig verbalisiert: „In schweren Fällen von Schizophrenie können die Leute nicht mehr zwischen Fantasie und Realität unterscheiden.“ (s. Singh 2000., 00:34:58.) 468 S. Brandstetter 1998, S. 186. 80 Cell" sei in Wahrheit ein kritischer Essay über das Funktionieren der Pop-Kultur. Es ist im Gegen­ teil ein Stück Pop, das so naiv mit Kultur- und Mythentrümmern gefüllt wird, dass es einem ganz warm ums Herz werden könnte, wenn nicht gleichzeitig immer auch das Formelhafe der ganzen Unternehmung mitgeflmt würde.“469 Seine Kritik greif auch Stefan Höltgen auf, der die Zitatstruk­ tur des Film näher beleuchtet und herausarbeitet, dass sich Carls gesamte Innenwelt aus Elementen eines medial vorgeprägten Bildarchivs zusammensetzt, wobei die eigentlichen „Vorbilder“ häufg erst „nachträglich“ als solche aufreten.470 Es ist dieselbe Logik der Nachträglichkeit, die in Freuds Teorien und Warburgs Überlegungen zum Nachleben aufscheint und die Didi-Huberman ausgie­ big analysiert. Einer derartigen Vorstellung liegt ihm zufolge notwendigerweise eine tänzerische Figur zugrunde: Ein „Fossil“, das einem mittlerweile unheimlich erscheint und das nichtsdestotrotz „die Fähigkeit behalten hat, sich zu bewegen und sich zu verwandeln.“471 Das Nachleben materiali­ siert sich in der „Ninfa“, allerdings nur füchtig und in Te Cell ist sie eines von vielen Mythenbil­ dern, auf die Carl zurückgreif, um seine Gedankenwelt zu visualisieren. Die (Vor-)Bilder sind dabei nicht wahrhafer Ausdruck der Innenwelt, sondern bewusste Kunstprodukte, die in ihrer Lebendig­ keit Handlungsmacht über die innerflmischen Subjekte gewinnen, genauso wie sie ihre Mittei­ lungs- und Deutungsbestrebungen befördern und danach fragen lassen, inwieweit „falsche“ Spuren der Vergangenheit die gegenwärtige Wirklichkeit mitgestalten. Wie der Serienmörder nicht mehr Illusion und Realität zu trennen vermag, wird für die ZuschauerInnen die Echtheit der Bilder frag­ würdig. Höltgen betrachtet die Vorbilder als essentiell zur Kreierung des „therapeutischen Raums“, in dem Carl seine Erinnerungen und Motive „verbildlicht“ und „verräumlicht“472, um sie sicht- und fühlbar zu machen: „Ziel des Zusammentrefens im therapeutischen Raum ist die Distanzierung des Patienten von seiner Störung durch Visualisierung bzw. Narrativierung […].“473 Als dermaßen sym­ bolisch-symptomatische Figur gilt Warburg bekanntermaßen die „Ninfa“, die die verdrängten Aspekte verschiebt und fern erscheinen lässt, während sie diese doch unmittelbar nahelegt. Hier entwickelt sie sich zum Modell, das neue Räume eröfnen soll, die mit ihrer afzierenden Wirkweise schockieren möchten und „die Geschichte des Versuchs [fortschreiben], Verständnis für den Täter zu entwickeln.“474

469 S. Seeßlen 2000. 470 Vgl. Höltgen 2015 [2010], S. 327f. 471 S. Didi-Huberman 2010 [2002], S. 390f. 472 S. Höltgen 2015 [2010], S. 333. 473 Ebd., S. 332. 474 Ebd., S. 334. 81 3.1.2.3 MELANCHOLIA (US 2011, R: Lars von Trier)

Melancholia beginnt mit einer mehrminütigen Eröfnungssequenz, die 16 Einstellungen in extremer Zeitlupe zu einer flmeigenen Fassung des Vorspiels von Wagners Tristan und Isolde475 montiert. Das erste Bild zeigt Justines (Kirsten Dunst) Gesicht, die ihre Augen öfnet und frontal in die Kamera blickt, während hinter ihr tote Vögel vom Himmel regnen. 476 Nicht viel später ist der blaue Planet „Melancholia“ zum ersten Mal zu sehen477 und bald darauf seine Kollision mit der Erde478: Der Aufakt verspricht bereits den katastrophalen Untergang der Welt. Er zieht die Schlüsselmo­ mente der Handlung zu einem lyrischen Musik-Bild-Ensemble zusammen, die als visionär-surreale Ereignisse ansichtig werden und wie eine bildhafe Beschreibung des depressiven Zustands Justines anmuten. Kurz bevor Melancholia auf die Erde prallt, treibt Justine im schulterfreien Brautkleid am Rücken einen Bach hinunter, ihre halbofenen Augen blicken in die Kamera über ihr, die Hände halten ein Bouquet aus weißen Lilien und der weiße Schleier breitet sich neben ihr im Wasser aus (Abb. 15a). In der knapp eine halbe Minute andauernden Zeitlupenaufnahme stilisiert von Trier Justine zur Ophelia479, die uns später im Film auch als Gemälde des Prärafaeliten John Everett Mil­ lais, in einem Bildband den Justine aufschlägt480, begegnet. Als Titel- und Plakatbild ist das Ophelia- Motiv zur Bewerbung des Films als Hochglanzfotografe auf unterschiedlichen Plattformen vertre­ ten481: In dieser Version umgibt der Schleier Justine vollends, die die BetrachterInnen jetzt mit kla­ rem Blick fxiert (Abb. 15b). Die Filmszene ist im wesentlichen allegorisch zu verstehen, jedoch spielt der phantastische und auratische Impetus der Schleierbewegung eine tragende Rolle auf der Meta-Ebene des Films. Anna Maria Stuby, die den Mythos weiblicher Wasserwesen literaturgeschichtlich ergründet, ent­ deckt eine Veränderung in der Darstellungs- und Erzählweise, die insbesondere im 19. Jahrhundert zutage tritt und die Wahrnehmung weiblicher Geschlechtlichkeit entscheidend beeinfusst.482 Die ehemals „als lebendige Naturhafigkeit empfundene Andersartigkeit“ der Sirenen, Melusinen, Nixen, Nymphen und Undinen werde zu zähmen versucht und „verchristlichten und verbürgerlich­ ten Vorstellungen über das Weibliche“ untergeordnet.483 Stuby spricht diesbezüglich von einem

475 Vgl. Müller 2019, S. 29. 476 Vgl. von Trier 2011, 00:01:00. 477 Ebd., 00:02:10. 478 Ebd., 00:08:06 479 Wie auch in mehreren Filmkritiken und -betrachtungen angemerkt wurde: Vgl. z.B. Owen 2011 oder Stavning Tomsen 2018, S. 274. 480 Vgl. von Trier, 00:45:16. 481 Vgl. u.a. IMDb, „Melancholia“. 482 Vgl. Stuby 1992, S. 84/121. 483 S. ebd, S. 165/181. 82 „Paradigmenwechsel von Undine zu Ophelia“.484 Die Nymphenfgur wechselt ihre Gestalt vom einst vertikal aus dem Wasser ragenden hin zum sich horizontal in den Wellen wiegenden Körper, wäh­ rend sie ihre Sprachfähigkeit und Lebendigkeit langsam zur Gänze einbüßt485: „Die wahnsinnige Ophelia ist ihrer menschlichen Würde entkleidet, sie ist nichts als ein Bild oder „a mere beast“.“ 486 Seit dem frühen 17. Jahrhundert, beginnend mit Shakespeares Ophelia in Hamlet, fießen die Te­ men der „Liebesmelancholie“, des „weiblichen Wahnsinns“ und des „Liebestods“ in die Sirenener­ zählungen mit ein.487 In Hamlet wird Ophelia wenig Individualität und noch weniger Autonomie zugestanden, sie steht im Drama repräsentativ für das „Weibliche“ und verfällt am Ende dermaßen ihrem Wahn, dass sie wie unabsichtlich in einen Bach stürzt und ertrinkt.488 Im Stück berichtet die Königin von ihrem unglücklichen Tod und ihre Schilderung etabliert das Bild der Nymphe Ophelia: „Tere is a willow grows aslant a brook, / Tat shows his hoar leaves in the glassy stream; / Tere with fantastic garlands did she come / Of crow-fowers, nettles, daisies, and long purples / Tat libe­ ral shepherds give a grosser name, / But our cold maids do dead men's fngers call them: / Tere, on the pendent boughs her coronet weeds / Clambering to hang, an envious sliver broke; / When down her weeedy trophies and herself / Fell in the weeping brook. Her clothes spread wide; / And, mer­ maid-like, awhile they bore her up: / Which time she chanted snatches of old tunes; / As one incapa­ ble of her own distress, / Or like a creature native and indued / Unto that element: but long it could not be / Till that her garments, heavy with their drink, / Pull'd the poor wretch from her melodious lay / To muddy death.“489 Wie Stuby bemerkt, ruf die Beschreibung der vermenschlichten Umwelt das Bild einer harmonischen Beziehung zwischen Natur und Frau hervor, welches die furchterre­ gende Schilderung des Todes wiederum bricht.490 Die von Ophelia gefochtenen Blumenkränze sind phantastisch, also „verrückte Ausgeburten ihres Wahns“491 und letzten Endes ziehen ihre Kleider sie in den wenig heroischen Tod. Davor tragen sie die Stofe noch sirenengleich über das Wasser, um sie diesem Element anzuverwandeln, und eine kurze Zeit lang fungiert der Schleier als Schwelle492, die Ophelia in der Schwebe zwischen Diesseits und Jenseits hält. Stuby zufolge ist es jene „visuelle Qualität“ des Textes, die den „Ophelia-Kult“ im 19. Jahrhundert befeuert, was Millais' Gemälde (1851-2) und Harriet Smithson-Berlioz' Darstellung der Ophelia-Figur, wegen der „die wallend- 484 S. Stuby 1992, S. 165. 485 Vgl. ebd., S. 163/165. 486 S. ebd., S. 170. 487 Vgl. ebd., S. 121. 488 Ebd., S. 169f/176. 489 S. Shakespeare 2007 [1609], Act IV, Scene VII. 490 Vgl. Stuby 1992, S. 176f. 491 S. ebd., S. 177. 492 Für den Schleier als Schwelle argumentiert auch Endres, dem zufolge der Schleier in diesem Zusammenhang imstan­ de sei „binäre Codierungen von Sein/Schein, Illusion/Desillusionierung, Präsenz/Absenz, Mimesis/Konstruktion, Identität/Inszenierung, Männlichkeit/Weiblichkeit“ aufzubrechen. (s. Endres 2014, S. 40f.) 83 wirre Haarpracht der Schauspielerin und ihre den Körper umwehenden Gewänder zu einem Mode­ hit“ werden, eindrücklich beweisen.493 Die stereotypen Ophelienbilder sind darüber hinaus dem zeitgenössischen Hysterie-Diskurs entnommen494, der diese bekannterweise ebenso theatralen Inszenierungen entlehnt.495 Wenn sich die Undine vom gänzlich „Anderen“ zum „Anderen des Eigenen“496 - nämlich zur wahnsinnigen bzw. toten Geliebten - wandelt, lässt sich das parallel zu den zeitlich aktuellen Fetisch-Diskursen lesen, deren Struktur nun in der Ophelienfaszination auf­ scheint. Es verwundert nicht, dass Ophelia zu einem derart beliebten Motiv der Dichtung und Kunst des 19. Jahrhunderts wird und sich ihre Ikonographie von psychoanalytischen Visualisie­ rungsversuchen des hysterischen Symptoms beeinfusst zeigt. Die literarischen und künstlerischen Repräsentationen kreieren das anschauliche Bild eines Wahns, in welchem die Dingwelt lebendiger und handlungsfähiger als Ophelia selbst erscheint. Und wie Stuby darlegt, induziert ihre mediale Präsentation einen Typus, der sich wiederum faktisch auf die Darstellungs- und Wahrnehmungs­ weise der „weiblichen Hysterie“ in Medizin und Psychoanalyse auswirkt: „Kranken- und Irrenhäu­ ser werden von Frauen bevölkert, deren unverstandenes Begehren man als Hysterie klassifziert und mediziniert und die als vom Liebeswahn befallene, dem Leben entsagende weibliche Grenzgänge­ rinnen durch die Literatur geistern.“497 So generiert sich das „Andere“ des Weiblichen anhand der­ selben Parameter, die in den verschiedenen Fetisch-Teorien wirksam werden. In der Art und Weise wie sich Ophelias Körper in den Bildern und Texten immer weiter auföst bzw. zersetzt 498, erkennt Stuby „ihre Stilisierung zu einem Schau- und Anschauungsobjekt“, das eine ideale Projekti­ onsfäche für „manifeste Wunsch- und Abwehrfantasien“ bietet.499 Vor allem Arthur Rimbaud, der Ophelia in seinem Gedicht von 1870 mit einer „große[n], weiße[n] Lilie“ vergleicht, deren “Schlei­ ers Seide“ sich im Wind „bauscht“500, prägt jenes gängige Motiv der „in jungfräulich-bräutlicher Schönheit im Wasser aufgebahrten Wasserleiche“501, auf welches von Trier in Melancholia referiert. Ihre Sprachlosigkeit und vollkommene Verdinglichung stellen den Betrachtenden die Aneignung des toten oder schlafenden Frauenkörpers in Aussicht.502 Der textuelle Tötungsakt - welcher das

493 S. Stuby 1992, S. 177. 494 Vgl. ebd., S. 177. 495 Vgl. Endres 2014, S. 332. 496 Wie Böhme in Bezug auf den Fetisch-Begrif bemerkte. Vgl. Böhme 2006, S. 20. 497 S. Stuby 1992, S. 121. 498 Die Figur der Frau wird im 19. Jahrhundert, nach Stuby, mit dem Wasser symbolisch verknüpf, das als ihr ureigenes Element gilt - eine nachgiebige und unbeständige Substanz - und mit dem sie sich natürlicherweise wieder vereint so ­ bald sie darin untergeht.(vgl. ebd., S. 183f.) Nach der Jahrhundertwende wird Ophelia weitaus häufger als verwesende und verrottende Wasserleiche imaginiert.(ebd., S. 167.) 499 S. ebd., S 180f/205. 500 S. Rimbaud 1987, Sämtliche Dichtungen, hrg. und übertr. von Walther Küchler, S. 24-27 zit. nach Stuby 1992, S. 166. 501 S. ebd., S. 186. 502 Vgl ebd., S. 205. 84 Fremdartige oder Pathologische, das der weibliche Körper angeblich ausdrücke, auf Distanz halten und beherrschbar machen soll – dokumentiert nun einen den Erzählungen selbst inhärenten Fetisch. Das ermöglicht, wie Bischof in Anbetracht Homi Bhabhas Fetisch-Konzepts eindrucksvoll herausarbeitet, eine Blickverschiebung, „vom Fetischismus als Phänomen, das von souveränem Ort aus beschrieben und klassifziert werden kann, hin zum Fetischismus als (rhetorischer) Operation, die das (koloniale) Subjekt einsetzt, von diesem aber nicht restlos kontrolliert werden kann.“503 Sophie Wennerscheid fokussiert in ihrer Interpretation auf das „Phantasmatische“ in Melancholia und gibt zu bedenken, dass von Trier damit - wie sein Vorbild Wagner -, „einer nihilistischen Erlö­ sungsmetaphysik huldigt, die das Trauma des Todes auföst, indem sie es ästhetisiert.“504 Von Triers Ästhetizismus begleite ein „anti-auflärerisches“ Gedankengut das, wie schon bei Wagner, fragwür­ dige mythologische Elemente enthalte.505 Er thematisiere die romantische Idee einer höheren Macht, die den Menschen beherrsche und anleite, während dieser sich noch als autonom wähne, womit er einer totalitaristischen Logik folge und sich insofern der Politik des Nationalsozialismus nähere.506 Die Verherrlichung des Todes sei überdeutlich in die Figur der Justine eingeschrieben, die „die Phantasmagorie des Untergangs“ selbst herstelle.507 Justine sehnt tatsächlich die Ankunf des Planeten herbei, darauf bereitet schon die Ouvertüre vor, sie leidet an einer schweren Depression, die sie daran hindert, den Dingen (leichtherzig) eine Bedeutung beizumessen. Im ersten Kapitel des Films, das ihren Namen trägt, feiert sie ihre Hochzeit mit Michael (Alexander Skarsgård) auf dem feudalen Anwesen ihrer Schwester Claire (Charlotte Gainsbourg) und deren Ehemann John (Kiefer Sutherland). Doch schon als das Fest beginnt, schwindet ihre anfängliche Freude, immer wieder füchtet sie vor den Ritualen der Hochzeitsgesell­ schaf und vor ihrem Mann, bis sie am Ende des Kapitels sowohl ihr Arbeitsverhältnis wie auch ihre Ehe aufgelöst hat. Das zweite Kapitel ist nach Claire benannt, die sich um die depressive Justine kümmert, welche von einer dermaßen bleiernen Schwere erfüllt ist, dass selbst der kleinste Schritt eine unüberwindbare Hürde darstellt. Je näher Melancholia der Erde kommt, desto unbeschwerter wirkt sie - im starken Kontrast zu Claire, die nun eine erdrückende Angst befällt. Der astronomisch versierte John glaubt lange nicht an einen Aufprall und begeht Selbstmord, sobald sich die Berech­ nungen als irrtümlich erweisen. Nun befnden sich nur mehr Justine, Claire und deren Sohn Leo (Cameron Spurr) auf dem Schloss. Justines Nefe nennt sie „Tante Stahlbrecher“508 und als solche

503 S. Bischof 2013, S. 43. 504 S. Wennerscheid 2014, S. 275f. 505 Vgl. ebd., S. 276.s 506 Ebd., S. 276/278. 507 Ebd., S. 288. 508 S. von Trier 2011, 01:12:50. 85 baut sie am Ende mit ihm gemeinsam eine „magische [Schutz-]Höhle“509, die ihm die Angst vor dem bevorstehenden Untergang nimmt. Wennerscheid entdeckt in Justine eine gefährliche Phantastin, die in ihrem Wahn alle mit ins Unglück reißt, das traumatische Ereignis des Todes jedoch in den phantasmagorischen Schleier des schönen Scheins einhülle und damit verkläre.510 Jedoch sei Claire fähig, diesen „Schleier der Schön­ heit“ im Ansatz zu durchbrechen, da sie sich nicht mit ihrer Angst aussöhnt und die Katastrophe bis zuletzt fürchtet: „Sie ist die einzige, die wirklich sieht, was auf sie zukommt […].“511 Über das Prin­ zip der Ver- und Entschleierung soll also das Vermögen, die Wahrheit zu schauen, geklärt werden, wobei der Schleier und Justine aus dieser Perspektive für die Verblendung stehen. Im Film selbst ist das Verhältnis jedoch augenscheinlich umgedreht, denn es ist Justine die, einer Visionärin gleich, weiß was „wirklich“ geschieht und geschehen wird. Das äußert sie ganz nüchtern und ohne jedes Pathos, so dass ihre Aussage – besonders im Licht des Vorspanns – eindeutig der Wahrheit entspre­ chen muss. Aus erzählerischer Perspektive erweist sich nicht Justine als unheilbar krank, sondern die restliche Menschheit, welche im ersten Kapitel als bürgerliche Hochzeitsgesellschaf aufritt, der oberfächliche Gesten, die Mehrung des Kapitals und das strenge Befolgen der Konventionen wich­ tiger sind als wahrhafes Interesse am Gegenüber. Justine übernimmt die Rolle der Wahrheitssu­ chenden, die der glanzvollen Feier nichts abgewinnen kann und die ihren Job als Werbetexterin kündigt, weil sie dessen Bedeutungslosigkeit nicht länger erträgt. Während einer schnellen Nummer mit einem jungen Arbeitskollegen am Golfplatz des Landsitzes, reißt Justine ihren Schleier herunter und beendet so gleichzeitig ihre Ehe. Kurz danach bekundet sie ihre Verachtung für das skrupellose Vorgehen ihres Chefs. Im Gespräch mit Claire - einige Szenen zuvor - trägt sie ihren Schleier noch und als sie ihr von der quälenden Trägheit erzählt, erinnert das an Ophelia, die von ihren schweren Kleidern unter Wasser gezogen wird. Im zweiten Kapitel ist es dann die Deutungshoheit der positivistischen Naturwissenschafen, die in Frage gestellt und als nichtssagend vorgeführt wird. Mit ihrer Schwester ist zwar kein verbindender Austausch denkbar, aber sie funktioniert als ausgleichendes Gegengewicht und repräsentiert, sobald Justine eine gelassene Gleichgültigkeit entwickelt, in ihrer panischen Angst nahezu die andere Seite eines Krankheitsbildes. Wennerscheid hebt die Allgegenwart des Wassers in Melancholia hervor, dessen mythologische Aufadungen sich von Trier zunutze mache, um den BetrachterInnen eine „ozeanische Bildwelt des Untergangs“512 - im Schlussbild sieht es so aus als überfute eine gewaltige Welle die Szenerie – und

509 S. von Trier 2011, 02:04:11 510 Vgl. Wennerscheid 2014, S. 292-295. 511 S. Wennerscheid 2014, S. 295. 512 Ebd., S. 288. 86 eine „im (ästhetisch) imaginierten Tod erfahrene Lust der Loslösung von gesellschaflichen Ver­ pfichtungen […]“ zu oferieren.513 Doch so einfach will sich das Bild des sich allen sozialen Verant­ wortungen entziehenden Subjekts nicht einstellen, vor allem da Justine zweifellos auf Ophelia rückbezogen wird, die im 19. Jahrhundert dem Begrif einer naturalisierten Weiblichkeit unterwor­ fen wird und der eine „lebbare[n] Identität jenseits der in Kloster und christlicher Ehe verkörperten Ansprüche patriarchalischer Macht“ versagt bleibt.514 So lässt ihr Rückzug aus der Ehe und ihrer Anstellung auf eine erste selbstbestimmte Handlung und eine „Loslösung“ von den ihr aufgezwun­ genen Rollen schließen. Die Abspaltung steht dabei mit der Melancholie im Bunde, wie auch Wen­ nerscheid bekennt515, genauso wie es die Geschichte für Ophelia intendiert: „Ehe und Kloster sind die für Ophelia vorgesehenen Alternativen, denen sie sich durch Wahn und Tod entzieht.“516 Ironi­ scherweise ist es dieser Schleier der Melancholie, der es Justine erleichtert, Hochzeit und Beruf als das zu sehen, was sie sind: Leere Hüllen. Aufgrund dieser Einsicht fordert sie ihre Stimme zurück, mittels derer sie – nun schleierlos - jeden Versuch, sie gefügig zu machen, abwehrt. Damit kehrt sich das Prinzip des die Sicht behindernden Schleiers grundlegend um. Das bildet bereits das Titelbild ab, auf dem Justine ihre Augen geöfnet hat. In einem Blogeintrag wird darauf hingewiesen, dass die Anfangsszene aus Andrei Tarkovskys Solaris (1972) das Plakatbild von Triers inspirierte: Das Schilf­ gras symbolisiere hier die Erinnerungen der Figuren und stünde in Melancholia für das Ablösen von den Gedächtnisinhalten während einer depressiven Phase.517 Das trif auf die Bachszene zu, nicht jedoch auf das Ophelia-Bild des Plakats: Hier lassen sich ihr klarer Blick und der Schleier, der nach den Gräsern (dem gespeicherten Wissen) greif, sich in ihnen verfängt und Justine gleichsam eine Aura verleiht, mit ihrer Hellsichtigkeit verbinden. Und natürlich muss sich Justine als Ophelia in dem sie umströmenden Wasser aufösen - je vollständiger, desto besser - das gehorcht nicht nur der romantischen Regel, sondern ist seit jeher Geburt wie Ende der Figur. Doch das romantische Bild der schönen, lustvollen Aufösung oder Erlösung präsentiert sich im Film als ein zutiefst wider­ sprüchliches und anstatt dass Melancholia antimoderne und antiauflärerische Tendenzen bestärkt, verwirrt der Film die Konstanten des modernistischen Weltbilds über einen verschobenen Blick: Die Phantastin weiß um die Wahrheit hinter den glänzenden Fassaden. Hinzu kommt, dass der Film explizit die binären Ordnungen (unaufgeklärt/aufgeklärt, rational/irrational) ausstellt, die auch die romantischen Verschmelzungs- und Aufösungsfantasien durchdringen. Gerade im Bewusst­ werden jener (vermeintlich) unaufösbaren Ausgrenzungsstrukturen vermittelt sich das Gefühl der

513 S. Wennerscheid 2014, S. 281. 514 S. Stuby 1992, S. 181. 515 Vgl. Wennerscheid 2014, S. 289. 516 S. Stuby 1992, S. 181. 517 Vgl. Georg S. 2018, Suntory Times. 87 Einsamkeit. Zudem kann Melancholia nicht genüsslich konsumiert werden, die Grausamkeit der Zustände überlagert – wie im Bild der ertrinkenden Ophelia und darüber hinaus – die Schönheit der Bilder. Die „Erlösung“ liegt nun nicht im Ende, sondern in einer Form des Miteinanders, die tatsächlich etwas bedeuten könnte: Als Leo, nachdem sich sein Vater umgebracht hat, den baldigen Untergang der Welt realisiert, nimmt Justine seine Angst in sich auf, umarmt ihn und verspricht, eine magische Höhle zu bauen, die sie vor Melancholia beschützt. Wie Christina Striewski hervor­ hebt, ist das ein wahrhaf humaner Akt - zu einem Zeitpunkt, der rational betrachtet, jede Tat sinn­ los erscheinen lässt: „Dass Lars von Trier den Totalausfall der Transzendenz als Voraussetzung einer freien Tat zeigt, ist mehr als die Mucke eines Spinners. Es ist philosophisch betrachtet absolut konsequent, denn nur eine Handlung, die sich nicht auf übergeordnete Prinzipien berufen kann, sondern sich grund-, halt- und bedingungslos, gewissermaßen ohne Boden unter den Füßen und ohne Dach über dem Kopf vollzieht, verdient es im Sinne des Wortes autonom genannt zu werden.“518 Obwohl der moderne Weltentwurf und mit ihm die feindliche Gegenüberstellung von Auflärung und Romantik verworfen wird, lenkt der Film den Blick über die Auseinandersetzung mit phantas­ matischen (Schleier-)Figuren und phantastischen (Schleier-)Bildern auf romantische Fetischent­ würfe, deren künstlerisches Ideal als Mittel zur Angstbewältigung denkbar wird, während sie gleichzeitig das Scheitern daran aufzeigen. Justine und der magischen Höhle gelingt es, so etwas wie Angstlosigkeit zumindest vorstellbar zu machen.

518 S. Striewski 2011, Perlentaucher Online. 88 3.2 Monströse Kleiderbewegung

3.2.1 Allgemeines

Anders als die geisterhafen Kleiderbewegungen mit ihren fuiden Metamorphosen, demonstrieren die monströsen Kleiderbewegungen stärker eine Hybridisierung der Figuren. Die hybriden Gestal­ ten sind eng verwandt mit jenen Geschöpfen, die Paul Michel in seiner Einführung zur gleichnami­ gen Publikation gesammelter thematischer Aufsätze „Kompositwesen“ nennt.519 Es sind als „kombiniert“ oder „komponiert“ beschriebene „Mischwesen“, deren Bestimmung und Bewertung davon abhängen, wie die Begrife „normal“ oder „natürlich“ diskutiert werden und die daher stets einem kulturhistorischen Wandel unterliegen.520 So haben sich über die Zeit verschiedenste Phäno­ typen zur Erfassung der Kompositwesen herausgebildet: Dazu zählen in erster Linie jene Figuren, die sich aus unterschiedlichen tierischen, menschlichen, pfanzlichen oder dinglichen Teilen zusam­ mensetzen.521 Ebenso galten Vermischungen „männlicher“ und „weiblicher“ Körpermerkmale sowie die „zusammengewachsenen Körper bei Tieren und Menschen (conjoined Twins, >Siamesi­ sche Zwillinge<)“ als Zeichen für Hybridität.522 In jedem Fall herrscht die Annahme, das „Mischwe­ sen“ setze sich aus widersprüchlichen Elementen zusammen, die in dieser Form nicht zusammenpassen würden.523 Die Auslegung weist in Richtung der Konstruktion von Menschenbil­ dern, vermöge derer bestimmte Erscheinungsformen als „monströs“, „abartig“ oder „abseitig“ und Überschreitungen der fxierten Grenzen als primitiv oder wahnsinnig verurteilt wurden.524

Wenn das Kostüm eine derart hybride Erscheinungsform maßgeblich bedingt, lässt es sich mit Leh­ nerts Begrif des grotesken Modekörpers fassen, dessen formale Charakteristika ihr zufolge ebenso im Konzept der „Queerness“ wirksam sind.525 Beide Modelle bzw. Praktiken eint die Vorstellung eines „Kontinuums“, das von „Ofenheit, Dynamik und Unabschließbarkeit“ geprägt ist und es „ermöglicht, […] das grundsätzlich Instabile von Identitäten (auch der normierten) in Zeit und Raum wahrzunehmen und Verschiebungen und Übergänge, Schattierungen und Fließendes als konstitutiv zu betrachten, statt in Binarismen zu denken [...]“.526 Dermaßen groteske und queere

519 Vgl. Michel 2013, S. 9. 520 Ebd., S. 9f. „Nur auf dem Hintergrund einer Alltags-Erwartung (dóxa), dessen was als normal zu gelten hat, nehmen wir überhaupt ein Kompositwesen als solches wahr.“ (s. ebd., S. 24.) 521 Vgl. ebd, S. 10-12. 522 S. ebd., S. 12f. 523 Vgl. ebd., S. 24/25-28. 524 Vgl. ebd., S. 14/18. 525 Vgl. Lehnert 2016, S. 24. 526 S. ebd., S. 23. 89 Tendenzen entdeckt Lehnert in den Arbeiten Alexander McQueens, insbesondere jenen, die das Tema des Todes umkreisen, indem sie Menschliches mit Tierischem und Belebtes mit Unbelebtem vermischen.527 Als Beispiel nennt sie ein Federkleid aus McQueens Schau „Voss“ (2001), welches seine Trägerin in einen „mythischen Vogelmenschen“ verwandelt, der gleichermaßen „gefangen und gefährdet“ wie „gefährlich“ erscheint.528 Filmkostüme, die etwa tierische, monströse, dingliche Teile und Formen wiedergeben bzw. sich aus ihnen zusammensetzen, diese mittels ihrer Bewegtheit beleben oder erst in der Bewegung als solche ansichtig machen, schließen das Groteske und Queere mit wunderbaren sowie phantastischen Kon­ zepten zusammen. Im Unterschied zu den ätherisch-füchtigen Geisterkleidern betonen die hybri­ den Gestalten die konkret materiellen Formen einer Verwandlung oder Fusion. Eine solche Formwandlungsqualität besitzt beispielsweise der exzentrische Raben-Umhang der bösen Königin Ravenna (Charlize Teron) in Snow White and the Huntsman (US 2012), einer flmischen Adaption des Grimmschen Märchens Schneewittchen: Die eindeutig von McQueen beeinfussten Kostüme, allen voran das aus hunderten schwarzen Federn genähte Cape, machen die Entwicklung ihres Cha­ rakters auf einer symbolisch-sinnlichen Ebene anschaulich.529 Nachdem der Huntsman Eric (Chris Hemsworth) ihren Bruder Finn (Sam Spruell) getötet hat, steht die schmerzerfüllte Ravenna, dro­ hend eingehüllt in ihren mächtigen schwarzen Umhang und von Raben kreisförmig umfogen, im Zimmer des Schlosses und lauert bald danach Snow White (Kristen Stewart) in Gestalt des Prinz William (Sam Clafin) im Wald auf, um sie dort zu vergifen. Ihre Rückverwandlung in die Königin demonstriert schließlich die Gestaltwandlungsfähigkeit des Capes (Abb. 16a) anhand der bis zuletzt weiter wachsenden Federn (Abb. 16b), die die Lebendigkeit des toten Materials eindringlich darbie­ ten. Bevor Ravenna jedoch nach Snow Whites Herz greifen kann, überrascht sie der Huntsman, woraufin sie den Umhang mit einem theatralischen Schwung in eine Schar krächzender Raben verwandelt (Abb. 16c/d). Die Rabenschar fattert zurück zum Schloss und durch eine Deckenöf­ nung in den Raum mit dem goldenen Spiegel. Nach einem schnellen Schnitt ist erneut Ravenna zu sehen, die mit ein paar der nunmehr fugunfähigen, zappelnden Vögel zu Boden stürzt, komplett durchtränkt von einer schwarzen, öligen Substanz, die ihren Umhang zu einer überwältigenden Last hat werden lassen. Unter Aufietung letzter Kräfe schleppt sie sich darunter vorwärts (Abb. 16e) - während die Kamera die Windungen (Abb. 16f) des schmierigen Stofes festhält - und streckt die Hand hilfesuchend nach dem magischen Spiegel aus. Charlize Teron vergleicht die Kostüme der Königin in einem Interview mit Folterwerkzeugen: „In a way, these dresses were like torture devices for Ravenna. I love that because I feel like Ravenna was, in a way, more torturous toward herself

527 Vgl. Lehnert 2016, S. 24. 528 Ebd., S. 25. 529 In einem Interview zu den Filmkostümen drückt sie ihre Bewunderung für ihn aus. (vgl. Roberts 2012.) 90 than to the people she was killing.“530 Dieser bedrohliche Aspekt wird über die Materialität des mit Öl vollgesogenen Umhangs, seine Bewegungen und Geräusche sinnlich inszeniert. Wie Heidi Lexe in ihrer Analyse des Films erklärt, verliert Ravenna in ihrer narzisstischen Gier nach Schönheit die angestrebte stabile Identität und Körperlichkeit, im starken Kontrast zu Snow White, und entwi­ ckelt zusehends wahnsinnige, selbstunsichere Züge.531 Es wird ersichtlich, inwiefern sich der Kampf mit der eigenen, als mangelhaf empfundenen Identität im Umhang ausdrückt. Das spektakuläre, divenhafe Instrument ihrer Macht, das über die mythologische Rabenfgur eine unheimliche Jen­ seitigkeit vermittelt532, wendet sich letztendlich gegen Ravenna und raubt ihr Kraf wie Jugendlich­ keit, während seine unförmige Masse den Körper überlagert. Ihre fetischistische Praktik, die Dinge der Umwelt magisch aufzuladen, um daraus ihre Macht zu ziehen, kristallisiert sich im Film aller­ dings als Reaktion auf die Fetischisierung ihres Körpers heraus, der von Männern zum schönen Ding degradiert wurde. So spiegeln die visuellen Schauwerte wie haptischen Qualitäten der Kostüme möglicherweise die Fetisch-Projektionen eines Wissensdiskurses, der die eigenen illusio­ nären Verkennungen schließlich als wunderbar real ausstellt.

Die in der folgenden Analyse untersuchten phantastischen Modi zeigen keine derartige visuelle Ver­ eindeutigung der Verwandlung: Die Umhänge werden schneller mit Maskeraden verknüpf und ste­ hen in engem Zusammenhang mit der kostümbildnerischen Tradition des Vampir-Capes. Wie Jonathan Bignell in seinem Text zur Entstehungsgeschichte von Dracula angibt, sind die optischen Attribute der heute klassischen Vampir-Figur auf die Anforderungen der Bühneninszenierungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts zurückzuführen, die Bela Lugosi für seine Rolle als Dracula in Tod Brownies Verflmung 1931 ohne Umwege übernahm.533 Der lange Umhang mit dem hohen Kragen sollte es dem Schauspieler erleichtern, sich dahinter verstecken und den Abgang von der Bühne als Illusion plötzlichen Verschwindens arrangieren zu können. Die anderen SchauspielerInnen hielten danach nur mehr den leeren Umhang in ihren Händen: ein perfekter Bühnentrick.534 Insofern ist auch die phantastische Anmutung eines solchen Capes im Film erklärbar, das die stete Möglichkeit einer wunderbaren Verwandlung repräsentiert, aber gleichzeitig bloß als großer, dunkler Stofum­ hang lesbar bleibt. Besonders die Bewegungen in und mit dem Cape, das Emporheben und Ausfä­ chern des Stofs, das Vermummen darin sowie seine Schwünge und auch die Schatten dieser

530 S. Cohen 2012. 531 Vgl. Lexe 2017, 2.2 Filmische Adaptionen. 532 Jane Goodall schreibt in ihrer Betrachtung der Kostüme: „As avatars from the spirit realm, birds are emblems of oth ­ erness, and associated with metempsychosis, the transmigration of souls. Tese resonances give a potent mythological aura to Teron's Queen of the dark arts.“ (s. Goodall 2016, Fashioning.) 533 Vgl. Bignell 2000, S. 13. 534 Ebd., S. 14. 91 Bewegungen suggerieren eine lebendige Fledermausgestalt, bei der der Gedanke an eine Täuschung immer mitschwingt.

3.2.2 Phantastische Aspekte

3.2.2.1 BATMAN BEGINS (US/UK 2005, R: Christopher Nolan)

Christopher Nolans Batman Begins arbeitet die Ursprungsgeschichte des US-amerikanischen Comicsuperhelden Batman flmisch auf und verhandelt darin die Gründe für die Wahl des Fleder­ mauskostüms. Wie Romy Günthart in ihrem Text „Te Batman and How He Came To Be“ auf­ schlüsselt, wird in der 7. Folge der Original-Comicserie (1939) von Bob Kane und Bill Finger erklärt, dass Bruce Wayne nach einer Verkleidung für sein Superhelden-Alter Ego sucht, die imstande sei, die von ihm als „feige und abergläubisch“ bezeichneten Verbrecher zu erschrecken.535 Und wie es der Zufall will, fiegt in dem Moment, als er darüber nachgrübelt, eine Fledermaus durch das ofene Fenster und er erhält seine Antwort.536 Bob Kane und Bill Finger orientierten sich bei ihrer Ausgestaltung des Kostüms an Filmen wie Im Zeichen des Zorro oder Dracula sowie Leonardo da Vincis Skizzen eines federmausähnlichen Flugapparates.537

Frank Miller interpretiert Bruce Waynes Entscheidung für die Fledermaus in der Graphic Novel Batman: Year One von 1987 noch einmal anders: Wie schon in den alten Comics verfolgt ihn das Trauma der Ermordung seiner Eltern, die nach einem abendlichen Kinobesuch bei einem Raub­ überfall erschossen werden, aber in Year One erinnert er sich zusätzlich an seine Angst vor Fleder­ mäusen als Kind.538 Infolge dieser Rekapitulation der Ängste und Traumata entschließt er sich dazu, selbst zur Fledermaus zu werden und macht somit seine „inneren Dämonen“, anstatt jene der ande­ ren, zur treibenden Kraf der Maskerade.539 In einer weiteren Abwandlung der Origin-Story (Denny O'Neil, 1991) visioniert Bruce Wayne plötzlich eine indianische Fledermaus-Maske als das Tier in sein Zimmer fiegt, die sich mit seinem Gesicht überblendet und, wie Günther schreibt, zu seinem „Totem“ wird, weshalb die Verkleidung nunmehr die Sichtbarmachung seines „Innersten“ bedeu­ tet.540

535 Vgl. Günther 2013, S. 429-431. 536 Ebd., S. 431. 537 Ebd., S. 433. 538 Ebd., S. 430/435f. 539 Ebd., S. 436. 540 Ebd., S. 437. 92 Batman Begins übernimmt verschiedenste Motive dieser Comics und montiert sie neu. Hier stürzt Bruce Wayne als Kind in eine Höhle, in der ihn ein Schwarm aufgeschreckter Fledermäuse atta­ ckiert. Bei einem Opernbesuch, einige Tage darauf, verwandeln sich die SchauspielerInnen in den Fledermauskostümen vor Waynes innerem Auge in lebendige Tiere, was ihn dermaßen in Panik versetzt, dass die Familie die Vorstellung vorzeitig abbrechen muss. Unmittelbar nachdem sie das Gebäude verlassen haben, werden seine Eltern von dem Räuber erschossen, weswegen Wayne seit­ dem sich selbst und seine Angst für den Tod der Eltern verantwortlich macht. Jahre später ist der erwachsene Bruce Wayne (Christian Bale) auf Sinnsuche in einem asiatischen Gefängnis, wo er Ra's al Ghul (Liam Neeson) begegnet, den Wayne anfänglich für Henri Ducard hält und der zu seinem Trainer und Mentor wird. Er lehrt ihn nicht nur seine Angst zu überwinden, sondern schärf ihm ein, er müsse zur Angst selbst werden, um seine Gegner zu besiegen: „To conquer fear, you must become fear. You must bask in the fear of other men.“541 Zurück in Gotham City, eine verdüsterte Version New Yorks, ersinnt Wayne die Figur des Batman, um der Korruption und Kriminalität ein Ende zu bereiten und erklärt seinem Butler Alfred Pennyworth (Michael Caine), dass er dafür zu mehr werden müsse als einem Mann: „But as a symbol [..], I can be incorruptible. I can be everlas­ ting.“542 Mithilfe des Wissenschaflers Lucius Fox (Morgan Freeman), einst Vorstandsvorsitzender des Konzerns seines Vaters, entwickelt er die High-Tech-Kampfausrüstung aus Prototypen des mili­ tärischen Arsenals von Wayne Enterprises. Herkunf, Material und Funktion jedes Stückes werden erklärt, das ultraleichte Cape ist aus „Memory Cloth“ und erstarrt, sobald es sich elektrisch aufädt. Wie Wayne später herausfndet, plant al Ghul Gotham zu zerstören, ebenfalls weil er die Verdor­ benheit der Stadt nicht länger toleriert. Dazu setzt er das von Dr. Jonathan Crane alias Scarecrow (Cillian Murphy) erzeugte Gifgas ein, welches furchterregende Wahnvorstellungen verursacht (Abb. 17a) und Gothams BürgerInnen in eine paranoide Panik versetzen soll. Al Ghuls erklärtes Ziel ist, dabei zuzusehen wie die Menschen Gothams sich in ihrer Angst selbst vernichten.543 Die Verursachung, Manipulation und Bewältigung von Ängsten, der individuellen wie der kollekti­ ven, wird zum Schlüsselthema der Handlung. Besonders die irrationalen Ängste gelten als Ursprung des Leids und müssen folglich überwunden werden. Zum Symbol dieser Ängste wird die Fleder­ maus, ein Tier, das - wie Brownie und Graydon in ihrem Kapitel über Tierkostüme der Superhelden schreiben – Menschen kaum gefährlich werden kann und dennoch auf einer unterbewussten Ebene irrationale Ängste provoziert.544 Der Film spielt im Grunde mit denselben ästhetischen Setzungen und Motiven wie das frühe Kino unter Einfuss des Expressionismus'. Freuds Begrif des Unheimli­

541 S. Nolan 2005, 00:33:51 542 Ebd., 00:42:55. 543 Vgl. ebd., 01:46:21. 544 Vgl. Brownie/Graydon 2016, Physiognomy and anthrozoomorphism. 93 chen wird, wie Hermsdorf bemerkt, zum „bildästhetischen Normalfall“ zu Beginn des 20. Jahrhun­ derts und vor allem Kriminal- und Horrorflm forcieren die Darstellung psychotischer Zustände.545 Neben der „grotesken Kombinatorik“ nennt Hermsdorf die „Verlebendigung“ und „Anthropomor­ phisierung“ als bestimmende Kategorien des Kinos dieser Zeit.546 Die damit verbundene Ästhetik des Unheimlichen erörtert er wie folgt: „In Letzterer [der anthropomorphistischen Ästhetik] ist das von einzelnen Texten zum Horrorflm thematisierte Monster als 'Halbwesen' eine Personifzierung 'unheimlicher' Wirkungen, die in vereinzelten realen und verstärkt entsprechend physiognomisch codierten mediatisierten Umweltwahrnehmung generell entstehen können und sollen.“547 Diese bereits etablierten Angsttechniken macht sich Bruce Wayne zunutze und konzipiert die Figur des Batman als andeutungsvolle Gestalt, die überraschend aufaucht und ebenso jäh wieder verschwin­ det - als würde sie sich in Luf aufösen. Meist ist nur ein eilig vorbeihuschender Schatten vernehm­ bar oder Geräusche aus unterschiedlichsten Richtungen, ohne klar erfassbare Quelle. Batman will übernatürlich und übermächtig erscheinen und das gelingt, indem er seine Gegner verwirrt, denn von ihnen hat er gelernt, dass die Menschen fürchten, was sie nicht verstehen bzw. nicht sehen kön­ nen.548 Zum einen zeigt das Kostüm die vergrößerte Silhouette einer Fledermaus (Abb. 17b/c) und akzentuiert dabei einige visuelle Merkmale des Tieres bzw. reduziert es auf eine Formel, um die schnelle Wiedererkennung zu sichern.549 Zum anderen bedingt die Schematisierung (das Fehlen prägnanter Farben oder Texturen) nicht nur eine Form, die schnell einordenbar ist, sondern auch ihre Undeutlichkeit, da sie sich in der Bewegung leicht verfremden und mehrere Gestalten, ebenso die monströsen Mensch-Tier-Hybriden, denkbar werden lässt (Abb. 17d). Außerdem klingt darin jener rituelle Charakter an, den Warburg den Maskentänzen indigener Völker zusprach und der, als „animistische[r], d. h. naturbeseelender[r] Kult der Indianer“, die „weitestgehende Unterordnung unter ein fremdes daemonisches Wesen“ verspreche, um durch das „Hineinschlüpfen“ in das Tier und „durch Verwandlung seiner Persönlichkeit etwas von der Natur magisch [zu] erzwingen, was er seiner unerweiterten und unveränderten menschlichen Persönlichkeit zu leisten nicht zutraut.“550 Die „primitive Wildheit“, die „dämonische Kraf“ hinter den Maskentänzen erfasst Warburg auch

545 Vgl. Hermsdorf 2011, S. 548f. 546 S. ebd., S. 515, 547 Ebd., S. 217. 548 Das wird im Film exakt so artikuliert: einmal vom Gangsterboss Carmine Falcone (Tom Wilkinson), der zu Wayne sagt: „And you'll always fear what you dont't understand“ (s. Nolan 2005, 00:30:34.) und ein weiteres Mal von al Ghul: „And men fear most what they cannot see.“ (ebd., 00:33:58.) 549 Das erläutern auch Brownie und Graydon: „Te costumes of anthrozoomorphic superheroes take only key elements from their animal source. Batman, for example, has a minimalistic approach to the bat's form. In costume, he casts the shadow of a bat, but many of the core features or a real bat, such as fur, have been omitted. […] It [the mask] is a styl­ ized, abstract interpretation of the animal. Features are simplifed or accentuated, patterns are made more geometric […].“ (s. Brownie/Graydon 2016, Physiognomy and anthrozoomorphism.) 550 S. Warburg 2010 [1923], S. 527/539. 94 anhand von Beispielen innerhalb der europäischen Geschichte.551 Zu den Maskentänzen stellt er abschließend fest, dass sie eine „heidnische Form“ des Begreifens der ansonsten unbegreifichen Natur seien, indem sich das Individuum eben jenem anverwandle, das es begreifen wolle: Es wird selbst zur wilden Natur.552 Die Maske erwächst dabei zum vermittelnden Symbol zwischen dem magischen und dem rationalen Bereich und ein weiterer erstrebenswerter Schritt hin zur „Vergeisti­ gung“ wäre, sich nicht mehr mit dem „Masken-Symbol“ zu vereinen, sondern das Ritual „rein gedanklich“ zu verrichten.553 Wenn Batman die Phobien der Abergläubischen auszureizen trachtet, geschieht das im Anschluss an den Animismus-Diskurs der Moderne. Da, wie Hermsdorf hervorkehrt, die Diagnosen animisti­ scher Denkweisen auf gestalttheoretischen und psychologischen Konzepten beruhen, hat ihre Über­ tragung ins Filmische häufg durch „Gestaltklischees“ gestifete Feindbilder zur Folge.554 Über afektiv besetzte mythologische Formeln wird das dualistische Modell einer klaren Diferenz zwi­ schen Gut und Böse, Eigenem und Fremdem aufgestellt. Wie Brandstetter anführt, ist die Vorstel­ lung von heroischer Männlichkeit als einem „mythischen Flugwesen“ Anfang des 20. Jahrhunderts ein beliebtes Tema literarischer Fiktion, das sich aus der „Feier des Piloten als Nationalheld und Übermenschen“ speist.555 In einem Roman Marinettis von 1910 „trägt der Flugheld, Gazourmah […], die Züge eines ins Grotesk-Gigantischen überzeichneten mythischen Wesens. […] Er verkör­ pert den Mythos eines Maschinen-Wesens: als Zentaur im Zeitalter der modernen Aviatik.“556 Ein ähnliches Heldentum könnte hinter der Figur des Bruce Wayne vermutet werden, da er in der Lage ist, sich aus eigener Kraf und mit eisernem Willen von seinen vergangenen, kindlichen Ängs­ ten zu lösen. Dabei betont Batman Begins stets die technische Rationalität des Entwicklungsprozes­ ses der Verkleidung. Interessanterweise hebt der Film die theatralen Dimensionen des Kostüms über eine Reihe von Anspielungen hervor. Beispielsweise kommentiert Al Ghul Batmans Aufritt mit den Worten: „Well well, you took my advice about theatricality a bit literally.“557 In Kontrast zum realistischen Grundton der Erzählung gebiert die ofen zur Schau gestellte Teatralität eine kar­ nevaleske Seite Batmans, die einerseits den Trickreichtum einer solchen Verkleidung bekräfigt, andererseits die festgefügten Grenzen hin zum Performativen öfnet. Denn Batman ist eben, wie schon die Comicgeschichte der Figur verrät, nicht nur ein Mann mit Maske, der die Maskerade so ohne weiteres objektivieren könnte. Das stellt auch seine Freundin aus Kindheitstagen Rachel

551 Vgl. Warburg 2010 [1923], S. 550/558. 552 Ebd., S. 557. 553 Ebd. 554 Vgl. Hermsdorf 2011, S. 214. 555 S. Brandstetter 1995, S. 345. 556 Ebd., S. 346. 557 S. Nolan 2005, 01:59:06. 95 Dawes (Katie Holmes) fest, die am Ende, als Wayne meint, Batman sei bloß ein Symbol, erwidert: „No, this … is your mask. Your real face is the one that criminals now fear.“558 Seine Maske wird zur bestimmenden Identität und im Sinne des Freudschen Fetisch, zu einem Mittel der Verdrängung, welches die Erinnerung gleichzeitig verhüllt wie präsent hält. Die in der Schwebe gehaltene Erinne­ rung ofenbart sich bildlich in den Inszenierungen des stets bewegten Umhangs: Als Rachel auf ihrem Heimweg von zwei Männern bedroht wird und sie sich gegen diese zur Wehr setzt, taucht schlagartig Batman hinter ihr auf. Bevor er jedoch erkennbar gezeigt wird, ist bloß sein schwarzer fatternder Umhang seh- und hörbar. Den ZuschauerInnen ebenso wie dem Verbrecher, der Rachel gegenübersteht und der sogleich füchtet, wird suggeriert, dass Batman einen der beiden Männer erledigt hat (Abb. 17e). Rachel, die glaubt, der Mann sei ihretwegen gefohen, dreht sich um und stößt einen Schreckensschrei aus: Batman steht vor ihr, eingehüllt in seinen dramatisch zur Seite wehenden Umhang (Abb. 17f). Solch eine wehend-bewegte Qualität entfaltet der Umhang in nahezu allen Szenen, die ihn ganzfgurig zeigen. Indem sich die Dramatik der Bewegung mit der Tierform verbindet, signalisiert das Kostüm - wie die Kostüme der Opernauführung - eine Belebt­ heit (Abb. 17g). Allein, den Vorgang prägt keine unbewusste Verdrängung, sondern eine aktive Bewältigung, die die Zeremonie der Herstellung des Fetischs abbildet: Als der erwachsene Bruce Wayne erwägt, sein Kostüm einer Fledermaus nachzubilden, macht er sich auf den Weg zur altbe­ kannten Höhle, klettert hinab und steht schließlich aufrecht und mit geschlossenen Augen inmitten eines riesigen, aufgeregt fatternden Fledermausschwarms.559 Die Fetischfunktion des Kostüms wird zur entscheidenden Stärke Batmans, da sie es ihm, dem jegliche Superkräfe fehlen, ermöglicht, qua­ si-übernatürliche Kräfe aus der Verkleidung zu ziehen und sich selbst als gefügeltes Wesen zu ima­ ginieren. Das erklären auch Brownie und Graydon, ebenfalls in Anlehnung an den rituellen Gebrauch von Tiermasken, über den der Geist des Tiers beschwört und dessen Kräfe auf den eige­ nen Körper übertragen werden sollen: „Tis state of mind ist comparable to the trancelike states entered by shaman engaged in masked ritual. Like masked shaman, Batman is able to overcome the weakness of his own identity and becomes someone – or something – else.“560 Der Film expliziert gleichzeitig die irrationalen Ängste, die eine scheinbare Übernatürlichkeit auszulösen vermag, und diskutiert, wie mythologisch bzw. afektiv aufgeladene Bilder zur Manipulation von Ängsten instru­ mentalisiert werden, was als Kritik eines simplen Gut-Böse Schemas zu fassen ist. Andrew Schopp problematisiert eine derartige Komplexität des moralischen Wertesystems, das dennoch eine klare Lösung anbietet: Batman ist defnitiv der Gute und al Ghul der Böse, jedoch ist es schwierig bis

558 S. Nolan 2005, 02:08:14. 559 Vgl. ebd., 00:47:26. 560 S. Brownie/Graydon 2016, Ritual and animal spirit. 96 unmöglich, das zu erkennen.561 Auf der anderen Seite lässt dieser Umstand Zweifel an der Gültig­ keit einer Trennung von Eigenem und Fremdem aufommen und daher schlägt der Film vor, die Idee einer extrahierbaren Substanz des Bösen mittels eines Schemas selbst als Wahnvorstellung zu betrachten. Auch die Maskerade Batmans, mit ihrem männlich-animalischen Unterton, gibt nicht seine „wahre Natur“ preis, sondern ein temporär „wahres Gesicht“, und betont den Aspekt der Her­ vorbringung sowie das Spiel mit (grotesken) Identitäten, die dennoch nicht so einfach abtrenn- und ablegbar sind. Darauf verweist wieder einmal Rachel, indem sie zu Bruce Wayne sagt: „But it's not who your are underneath. It's what you do that defnes you.“562

3.2.2.2 A GIRL WALKS HOME ALONE AT NIGHT (US 2014, R: Ana Lily Amirpour)

In der fktiven Stadt Bad City streif des Nachts eine namenlose Vampirin (Sheila Vand) im Tscha­ dor umher. „Das Mädchen“ dürstet nach Blut, ausschließlich männlichem Blut, so hat es den Anschein, und vorzugsweise von Männern, die Frauen schlecht behandeln. Die BewohnerInnen von Bad City sprechen Farsi und so wird die Stadt in vielen Berichten und Rezensionen als iranisch identifziert563, gedreht wurde allerdings in Kalifornien564 und Ana Lily Amirpour selbst verwehrt sich gegen eine genaue Verortung des Schauplatzes: „Well, it's an Iranian fairytale. It's an Iranian story with Iranian characters. I don't think it really matters where I shot it. […] I'm modeling it afer a lawless, nameless ghost town from like, a Sergio western. Or Rumblefsh, which is also a stylized American town, or Gotham or SimCity.“565 Als „iranischer Vampir-Wes­ tern“566 ist der Film ein Genremix mit unterschiedlichen popkulturellen Einfüssen, von Frank Mil­ ler über Stephen King, Anne Rice oder David Lynch bis hin zum Film Noir.567 In dieser Mischung fndet Amirpour sowohl die von Immigration geprägte Geschichte der USA568 als auch ihre eigene wieder: „I'm part Iranian and part American and born in England, and it's like a soup of so many things.“569 In Bad City lebt auch Arash (Arash Marandi) mit seinem heroinabhängigen Vater Hossein (Mars­ hall Manesh), der dem Drogendealer und Zuhälter Saeed (Dominic Rains) Geld schuldet, jedoch nicht bezahlen kann, weswegen Saeed sich zum Ausgleich Arashs Sportwagen nimmt. Über Saeed

561 Vgl. Schopp 2009, S. 279f. 562 S. Nolan 2005, 01:11:50. 563 Vgl. u. a. Myers 2014 oder Verfürth 2016. Auch auf der Website des Filmverleihs Capelight ist im Werbetext von „der iranischen Geisterstadt Bad City“ die Rede. (s. Capelight Pictures 2015.) 564 Vgl. Breger 2014. 565 S. ebd. 566 Vgl. Nussmayr 2015; Vgl. Vogt 2015. 567 Vgl. Hatfull 2015; Vgl. Leon 2017 [2014]. 568 Vgl. Breger 2014. 569 S. Sélavy 2015. 97 lernen wir die Prostituierte Atti (Mozahn Marnò) kennen: Das Vampir-Mädchen beobachtet, wie Saeed Atti ohne zu bezahlen aus dem Auto stößt und folgt ihm, woraufin er sie zu sich in die Woh­ nung einlädt. Dort saugt sie erst genüsslich an seinem Finger, wie zuvor schon Atti, beißt den Finger jedoch bald komplett ab und tötet den schockierten Saeed mit einem schnellen Biss in seinen Hals. Als sie die Wohnung verlässt, begegnet sie Arash füchtig am Tor, der sein Auto von Saeed zurück­ kaufen möchte. Das nähere Kennenlernen folgt etwas später, als Arash sich auf dem Heimweg von einer Kostümparty, verkleidet als Graf Dracula, im Drogenrausch verirrt. Das Mädchen beäugt ihn zuerst skeptisch, nimmt ihn aber dennoch mit in ihre Wohnung. Hier entwickelt sich ein zärt­ lich-intimer Moment zwischen den beiden, untermalt vom Song Death von White Lies570, der statt der Dialoge die widersprüchlichen Gefühle übermittelt: Arash bewegt sich langsam von hinten auf das Mädchen zu, die in dieser Szene keinen Tschador trägt. Daraufin dreht sie sich – ebenfalls sehr langsam - zu ihm um, packt seine Haare und zieht seinen Kopf nach hinten. Ihr Mund nähert sich Arashs Hals, so als wolle sie ihn beißen, jedoch legt sie dann doch bloß ihren Kopf auf seine Brust und lauscht dem Herzschlag. In weiterer Folge tötet das Mädchen Arashs Vater Hossein, nachdem er Atti dazu zwang, mit ihr Heroin zu nehmen. Es ist, als würde sie die Tat aus der Ferne registrie­ ren, und sogleich sehen wir, wie sie mit ausgebreitetem Tschador auf Hossein, der mit Atti im Bett liegt, zufiegt (Abb. 18a), ihn zu Boden wirf, erneut ihren Tschador Flügeln gleich emporschwingt (Abb. 18b) und sich auf den wehrlosen Mann stürzt. Hier wird das Gewand zu lebendigen Flügeln sowie einem alles verschlingenden tierisch-menschlichen Schatten. Auch in anderen Szenen erhält der bewegte Tschador eine lebendige Anmutung, die sein transformatives Potential freisetzt: Etwa wenn das Mädchen mit einem Skateboard in Richtung Kamera eine Straße hinunterfährt (Abb. 18c/d) und der im Wind wehende Umhang am Ende der Einstellung über die Köpfe der Zuschauer- Innen hinweggleitet. Die ruhigeren Bewegungen suggerieren ebenso die Anwesenheit eines gefügel­ ten Wesens: In einer Einstellung bewegt sich das Mädchen auf dem Skateboard entlang einer Häu­ serwand und hält kurz inne, damit wir die Rückseite des sich hin und her wiegenden Tschadors ausgiebig betrachten können (Abb. 18e). Ein ähnliches Bild tut sich auf, als sie Arash bei einem Krafwerk trif. Die beiden stehen sich gegenüber - er möchte mehr über sie erfahren, aber sie weist ihn ab – und die geschmeidigen Bewegungen des Tschadors sprechen anstelle der Figuren: Sie erzählen von ihrer Andersartigkeit, der Einsamkeit, der Sehnsucht, einer gewissen Unruhe sowie allen Erwartungen, die die ZuschauerInnen in den Stof hineinzulegen suchen (Abb. 18f/g). Amir­ pour erwähnt in mehreren Interviews,571 dass der Tschador sie auf die Idee brachte, die Figur des Mädchens zu entwickeln: „And [the cape is] a brilliant disguise. No one is going to expect it from

570 Vgl. Sélavy 2015; Vgl. Myers 2014. 571 Vgl. Hatfull 2015; Vgl. Myers 2014. 98 her. For me it was just because I put one on – I had one as a prop in a movie and put it on for the frst time. It felt like a stingray, I instantly felt like a creature. It moves, and it’s made of a diferent kind of fabric, it’s very sof and it catches the wind, and it’s beautiful. And I just felt like a badass. And then I thought, this would be an Iranian vampire, this is it, it’s this girl.“572 In einem anderen Interview meint sie: „I just felt like a vampire. Te fabric of the chador is diferent somehow. It's got this weight and it moves gracefully. It's elegant and slick. You know the sound that the Batman cape makes? Whoosh. It really feels like that.“573 Der Tschador wird in dem Film zu einem jener Kostüme über die Bruzzi sagt, die Zuschauerinnen würden auf sie blicken anstatt durch sie hindurch und die darum in ihren Augen eine fetischistische Anziehungskraf entfalten.574 Kleiderfetischismus siedelt sich ihr zufolge an der Schwelle zwischen Zurschaustellung und Verleugnung an und signalisiert dabei sowohl einen Mangel als auch eine Präsenz des sexuellen Begehrens.575 Sie bezieht sich damit auf Freud, der weiblichen Fetischismus als ausschließlich passiv klassifziert: „Alle Frauen sind nämlich Kleiderfetischisten. Das Kleid spielt bei ihnen eine unerklärliche Rolle. Es handelt sich wieder um Verdrängung desselben, diesmal nur passiven Triebs des Sich-sehen-lassens, der mit der Kleidung verdrängt wurde u. deswegen werden die Kleider zum Fetisch erhoben.“576 Bruzzi führt jene bekannte Vorstellung von Weiblichkeit wei­ ter aus, die die bekleidete Frau zum männlichen Ideal und damit zum Fetisch erhebt, der seine Kastrationsängste sowohl maskiert als auch verkörpert.577 Angewandt auf den Tschador ruf das all die gängigen Bilder von weiblicher Verschleierung wach, die mit Begrifen wie Passivität, Machtlo­ sigkeit und Unterdrückung verbunden sind: Wie Çagla Hadimioglu in ihrem Text „Black Tents“ erklärt, wurde der Tschador in Iran zum politischen Symbol des Widerstandes gegen Reza Schah, der das Tragen eines solchen 1936 per Edikt verbot.578 Als der Tschador durch Ayatollah Khomeini 1983 wieder zur Pficht wurde, ging auch das mit Protesten einher und der Tschador wurde u. a. mit einem „Gefängnis“ verglichen.579 Die westlichen Medien verurteilten, laut Hadimioglu, die Durch­ setzung des Schleiers und bewerten ihn seit der Revolution als eine Form der Unterdrückung von Frauen.580 Hinzu kommt, dass der Blick auf den Schleier als „exotisches“ Kleidungsstück die Dife­ renz zwischen dem „eigenen Westlichen“ und dem „anderen Iranischen“ markiert.581 Aufgrund der 572 S. Sélavy 2015. 573 S. Leon 2017 [2014]. 574 Vgl. Bruzzi 2009 [1997], S. 36. 575 Ebd, S. 38. 576 S. Freud 2017 [1909], S. 259. 577 Vgl. Bruzzi 2009 [1997], S. 40. 578 Vgl. Hadimioglu 2001, S. 20. Nach seinem Abdanken 1941 begannen die Frauen den Tschador wieder zu tragen. (ebd.) 579 Ebd. 580 Ebd., S. 21. 581 Ebd. 99 unzähligen Zuschreibungen und Projektionen folgert Hadimioglu: „Perhaps the black of the chador should be considered not as a void but as the result of an accumulation of inscriptions or projec­ tions so dense that they become solid – an ostensible black „hole“ that is in fact saturated with intention, memory and meaning.“582 In A Girl Walks Home Alone At Night werden nun auch Sicht- und Unsichtbarkeit des weiblichen Körpers anhand der Materialität des Schleiers diskutiert. Megan Goodwin erörtert in ihrer Analyse, inwiefern der Film auf die „Hypervisibilität“ der verschleierten Frau aufmerksam macht: Über ein Plakat neben dem Eingang zum Supermarkt, welches einen Tschador zeigt und das Mädchen - als einzige Trägerin eines solchen in Bad City – somit direkt anspricht.583 Doch das Mädchen wider­ setze sich der Überwachung, indem sie selbstbestimmt und nach ihren eigenen Regeln handle.584 Auch muss Freuds Aussage zum Kleiderfetischismus widersprochen werden, der Tschador des Mädchens kann nicht zum Fetisch-Ding irgendeines Anderen werden, denn als krafvolles Objekt repräsentiert er die Macht der Vampirin, mittels derer sie aktiv wird und dadurch den Männern gefährlich. Indem sie Saeeds Finger abbeißt, deutet sie einerseits den Vollzug der Kastration an, andererseits penetriert sie die Männer mit ihren spitzen Zähnen. Die Aura der Bedrohlichkeit ver­ knüpf sich mit der Tematik des als Bedrohung wahrgenommenen „Fremden“, Immigranten“ oder „Islamisten“: Das bespricht Dale Hudson in seiner Publikation „Vampires, Race, and Transnational Hollywood“ und erklärt, dass Vampire vor allem deswegen gefürchtet werden, weil sie die Nation mit Nachkommen ihres „sogenannten gemischten Blutes“ zu bevölkern drohen585: „Tey pollute or contaminate bloodlines and transform identities.“586 Seit 9/11 dominieren in den USA islamophobe und ausländerfeindliche Diskurse, die den Hidschab entweder als Unterdrückung oder Bedrohung auslegen.587 Auch Phillip Cole schreibt über den Vampir, der, insofern er seine Opfer verschlingt, of für die „Furcht vor Invasion“ als Einverleibung einer Kultur und Identität steht.588 Da sie eine „unkontrollierte Bewegung über die Grenzen hinweg“ und das Aufösen der Nation „durch eine wachsende Diversität“ ausdrückten, hätten Vampire „die Macht, Grenzen bedeutungslos werden zu lassen“.589 Doch, wie Hudson zu verstehen gibt, erzählt A Girl Walks Home Alone At Night vielmehr die Geschichte einer von Migration gezeichneten Welt, in der die zu Systemen erstarrten sozialen Beziehungen selbst „vampir-ähnliche“ Züge besitzen.590

582 S. Hadimioglu 2001, S. 22. 583 Vgl. Goodwin 2016. 584 Ebd. 585 Vgl. Hudson 2017, S. 23. 586 S. ebd. 587 Vgl. ebd., S. 38. 588 Vgl. Cole 2010 [2006], S. 227. 589 S. ebd., S. 228f. 590 Vgl. Hudson 2017, S. 21. 100 Shadee Abdi und Bernadette Marie Calafell lenken den Blick in ihrem Text auf den queeren Raum, den der Film über die „monströse feministische Anti-Heldin“591 eröfnet und den sie in Anlehnung an Anzaldúa als Grenzraum defnieren, der jene „Anderen“, „Deplatzierten“ und „Queeren“ beher­ bergt: Es ist ein Ort der sich kontinuierlich verändernden Identitäten und ein Ort der Möglichkei­ ten.592 Die Hybridität eines solchen Raumes korreliert mit Amirpours Filmraum, den sie in Abhängigkeit zu ihren eigenen biografschen Erfahrungen entwarf: „So I always had my Iranian- ness in that way, my grand-mother and my aunt and everybody, and the dinners and the noises and everything. But I never had the place itself. Tere was a weird thing that happened when I made this flm. It became this imaginary limbo. I felt like I was making my own country in a way.“593 Der Tschador funktioniert dabei selbst als lebendig gewordener, sich verselbständigender Raum. Wie Hadimioglu angibt, leitet sich der persische Tschador etymologisch vom türkischen Wort für Zelt ab und insofern begreif sie den Tschador als erweiterte Haut, als eine Art „monumentaler Archi­ tektur“, deren politisch und historisch defnierte Oberfäche stets alternative Lesarten anbietet.594 Anhand Shirin Neshats Fotoserie Women of Allah - die in Farsi beschriebene Bilder von Frauen im Tschador zeigt - erläutert sie, wie die unterschiedlichen Lesarten zugunsten der Gedanken und Wünsche der Frauen verstummen.595 Die Frauen, die den Tschador bewohnen, verstricken ihr eige­ nes Begehren mit dem Gewebe des Stofes und so wird der Umhang, neben allem anderen, auch zu einem poetischen Ort.596 So eine „Sub-Stadt aus fuiden Wänden“597 führt uns der Tschador in A Girl Who Walks Home Alone At Night mit herausragender Prägnanz vor Augen. Wie zu Beginn erwähnt erzählt der Umhang von den in ihn hineingewebten und ihn ständig neu ausfüllenden Pro­ jektionen, aber indem er sich verlebendigt, versucht er sich an einer Verwandlung und an einem Abstreifen der Begrife. Die hybride, monströse Erscheinung ist dabei bewusst gesetzt. Goodwin schildert, wie Amirpour gegen die Trope der „guten Muslimin“ aufegehrt und stattdessen – da die weibliche Protagonistin vampirisch ist - die „Muslim-Monster Trope“ für ihre Zwecke nutzt: „In these moments – her righteous vengeance, her petty thefs, her compassion, her loneliness, and her longing – the Girl is neither good nor bad.“598 Sie erweist sich als unabhängig von allen Einschrän­ kungen, seien sie politischer, moralischer, religiöser oder kultureller Natur.599 Das Mädchen hat zwar keinen Namen, ist aber – im Gegensatz zur medialen Präsentation, wo einzelne MuslimInnen

591 S. Abdi/Calafell 2017, S. 367. 592 Vgl. ebd., S. 361f. 593 S. Sélavy 2015. 594 Vgl. Hadimioglu 2001, S. 19. 595 Ebd., S. 22f. 596 Ebd., S. 23. 597 S. ebd., S. 25 598 S. Goodwin 2016. 599 Vgl. ebd.. 101 häufg stellvertretend für alle anderen stehen – einzigartig und schlicht sie selbst.600 Abdi und Cala­ fell fassen ihre Namenlosigkeit als Angebot für alle „MENA Frauen“601, ihre eigenen Geschichten in die Figur des Mädchens einzuschreiben.602 Auf jeden Fall bekundet der Film, wie Hudson hervorhebt, die Möglichkeit einer Kontaktaufnahme zwischen isolierten, dislozierten oder marginalisierten Individuen.603 Das Mädchen baut sowohl zu Arash wie auch zu Atti eine Beziehung auf und der vielschichtige Tschador fungiert dabei als senso­ risches Organ, das Informationen und Reize aufnimmt, umwandelt und in neuer Form weitergibt.

600 Vgl. Goodwin 2016. 601 „We assess what the transgressive possibilities of this vampire are, particularly when we consider how people with lineages connected to the Middle East and North Africa (MENA) have been historically coded in the United States, as simultaneously invisible and threatening, traits associated with vampires.“ (s. Abdi/Calafell 2017, S. 360.) 602 Vgl. ebd., S. 368. 603 Vgl. Hudson 2017, S. 39. 102 3.3 Autonome Kleiderbewegung

3.3.1 Allgemeines

In dieser Kategorie lösen sich die Kostüme, zumindest zeitweise, vollends von den Körpern der ProtagonistInnen ab und beweisen einen von den Figuren unabhängigen Handlungswillen. Die Kleider werden zu selbstständigen Hybriden, da sie einerseits, indem ihre Formen den menschli­ chen Körper vertreten, als anthropomorphe Gestalten aufreten sowie andererseits stets auf das ganz Andere, Nicht-Menschliche verweisen. Bischof interpretiert die ungetragenen leblosen Kleiderhül­ len als „'reine' Projektionsfächen“, die, wie sie im Rückgrif auf Benjamin äußert, „zugleich eine Abtrennung und Mortifkation [implizieren]“.604 Im Passagen-Werk (1927-1940) schreibt Benjamin über die Mode als prototypischem Fetisch-Objekt: „Jede steht im Widerstreit mit dem Organischen. Jede verkuppelt den lebendigen Leib der anorganischen Welt. An dem Lebenden nimmt die Mode die Rechte der Leiche wahr. Der Fetischismus, der dem sex-appeal des Anorganischen unterliegt, ist ihr Lebensnerv.“605 So eröfnen die Kleider, welche sich als vom Körper unabhängige Dinge präsen­ tieren, stets die Vorstellung vom „Tod der Figuren, welche die Kleidung getragen haben“.606 Entwi­ ckeln die Kleider eine Eigenbeweglichkeit und Selbstständigkeit abseits der Figur, vertauscht sich das Verhältnis von lebendem Körper und totem Stof auf irritierende Weise und die Kostüme bezeichnen nicht länger die Abwesenheit eines Menschen, sondern die Aneignung seiner Physis. Der unsichtbare Körper, den sich die Kleider scheinbar verschafen, verleiht ihnen doch nur wieder jene gespenstische Unheimlichkeit, die den Gedanken an eine vergangene oder künfige Tötung der Figur nahelegt. In (US 2016) von wird ein lebendiges Kostüm zum Begleiter und Verbündeten des Hauptdarstellers: In einem Tempel stößt Dr. Strange () zufällig auf den „Umhang der Levitation“607, eine magische Reliquie, durch die er fähig ist zu schwe­ ben (Abb. 19a). Das rote Cape entscheidet eigenmächtig, wer es tragen darf und handelt selbst dann mitunter entgegen der Intention seines Trägers (Abb. 19b). Und da der Umhang imstande ist, sich unabhängig von Dr. Strange zu bewegen, kämpf er zuweilen auch allein gegen dessen Feinde (Abb. 19c). Indem sich die Animation des eigentlich toten Materials mit dem Narrativ des heiligen, archaischen Kultgegenstandes verbindet, ofenbaren sich hier wieder die vielgestaltigen Einfüsse der animistischen Teorien. In phantastischen Erzählungen wird den Belebungen zudem unterstellt,

604 S. Bischof 2013, S. 235. 605 S. Benjamin 2017 [1927-1940], S. 193. 606 S. Bischof 2013, S. 235. 607 Vgl. Cowsill 2015, S. 46. 103 die fantasievollen Auswüchse einer Imagination oder Illusion zu repräsentieren, wodurch Bewusst­ seinszustände und Souveränität der wahrnehmenden Figuren ins Zentrum der Betrachtung rücken. Denn wenn die Kleider zum Leben erwachen und den Menschen direkt gegenübertreten, bedeuten sie eine Gefährdung für die leibliche wie psychische Gesundheit des sich autonom wähnenden Sub­ jekts und verändern die Perspektive auf die Beziehung von Menschlichem und Dinglichem. Anselm Franke spricht von einer „Grenzverletzung“, die danach fragen lässt, was eine „Person“ oder ein „Subjekt“ per Defnition sei, und er erwägt den Animismus als Möglichkeit einer „radikal anderen Grenzziehung“, welche auch die Grenze selbst anzweifelt.608

3.3.2 Phantastische Aspekte

3.3.2.1 LEGEND (US 1985, R: Ridley Scott)

Die reichlich überladenen Szenenbilder der ewig glitzernden Märchenwelt belegen eindeutig, dass die Schauwerte der Produktion vor ihren Inhalt gesetzt wurden: Aus Liebe zur Nacht schmiedet der Herr der Finsternis (Tim Curry) einen Plan, um der Welt das Sonnenlicht zu rauben. Er befehlt einem seiner Schergen, die beiden letzten Einhörner zu erlegen und ihm die Hörner zu bringen. Um sie anzulocken, brauchen die Kobolde ein unschuldiges Wesen mit einem reinen Herzen. Und so trif es sich gut, dass der Waldbewohner Jack (Tom Cruise) seiner geliebten, unschuldigen Prinzes­ sin Lily (Mia Sara) soeben die Fabeltiere zeigen wollte. Verzückt von ihrer Anmut berührt Lily eines der Einhörner und macht es damit sterblich, weswegen der Gifpfeil der dämonischen Kreaturen seine Wirkung nicht verfehlt. Als der Winter schlagartig über die Welt hereinbricht, entführen die Handlanger des dunklen Fürsten Lily sowie das letzte Einhorn und es ist nun an Jack, die beiden zu retten. Die Szene, die hier interessiert, zeigt Lilys Tanz mit einem glitzernden schwarz-silbernen Kleid, das sie verführen und auf die Seite des Dämons ziehen soll: Nach ihrer Entführung kauert Lily in einer düster-prunkvollen Halle vor dem Feuer des ofenen Kamins, während folgende Worte des Herren der Finsternis aus dem Of ertönen: „Bezaubere sie, umgarne sie, verführe sie!“609 Da fällt ihr Blick auf einen Tisch voll leuchtendem Geschmeide, das sie wie magisch anzieht. Sie legt eine der Dia­ mantenketten probeweise um ihren Hals, als sie plötzlich die tanzende Gestalt hinter sich vernimmt. Ein Kleid mit transparenten Schleiern bewegt sich wiegenden Schrittes auf sie zu und wieder von ihr weg (Abb. 20a/b). Zuerst wirkt Lily noch völlig verängstigt, aber bald gibt sie den aufordernden Gesten des Kleides nach und beginnt mit ihm zu tanzen (Abb. 20c/d). Der Tanz wird immer ekstati­

608 Vgl. Franke 2015, S. 202. 609 S. Scott 1985, 00:59:11. 104 scher und die Kamera rückt immer näher an das Kleid und Lily heran und eine Umdrehung später zeigt sie Lilys Gesicht, umrahmt von dem hohen schwarzen Kragen des Kleides (Abb. 20e). Lily tanzt weiter, bis sie vor einem riesigen Spiegel stehen bleibt, in dem sie sich genüsslich betrachtet (Abb. 20f). In dieser Sekunde taucht der Herr der Finsternis auf und verrät ihr, dass es sich bei jenem Kleid um ihr Brautkleid handeln soll. Nach einigem Protestieren willigt Lily schließlich ein ihn zu heiraten, verlangt dafür allerdings, das Einhorn selbst töten zu dürfen. Jack und die kleine Gruppe Waldbewohner, welche sich ebenfalls zur Festung begeben haben, befürchten schon, Lily sei zur dunklen Seite gewechselt. Als Lily zur Tötung des Einhorns erscheint, belauern sie sie mit gespanntem Bogen und Gump (David Bennent) drängt darauf, sie sofort zu erschießen. Lily hebt das Schwert in die Luf und Jack, weiterhin mit dem Bogen auf sie zielend, füstert: „Ich vertraue dir, Lily.“610 Natürlich zerschlägt Lily die Fesseln des Einhorns und lässt es frei. Der Winter kann wieder verschwinden. Der Fetischcharakter des Kleides sticht in der Tanzszene deutlich hervor und lässt an Freuds Kom­ mentar zum weiblichen Kleiderfetischismus denken, der vorrangig dazu eignet, sich dem männli­ chen Blick zu entziehen, weshalb dieser wiederum die weiblichen Hüllen fetischisiert.611 Da Lily den Verlockungen des glitzernden Schmuckes sowie des prächtigen Kleides, die der böse Herrscher für sie bereitstellt, erliegt – genauso wie sie nicht widerstehen kann, das Einhorn zu berühren - wird hier verbildlicht, was Böhme in Rückgrif auf Barbara Vinken hinsichtlich der Mode des 19. Jahr­ hunderts bemerkt: „Hier wurde die Mode (der Moderne) erfunden, als Kunst, dem Manne im Medium seines beweglichen Besitzes, des Frauenkörpers, eine Oberfäche seiner Selbstdarstellung zu schafen.“612 Die rauschhafe Hingabe an die Dingwelt lege bloß, was die modische Frau innerhalb patriarchaler Strukturen generell auszeichnet: „Objekt des Begehrens [zu sein], das nur begehrt, die­ ses Objekt (eines anderen) zu sein: der Fetisch.“613 Lilys Tanz mit dem Kleid ist als wahrhaf lustvol­ ler Moment, den sie bis zuletzt auskostet, inszeniert. Ihre Verwandlung hin zu einer „seiner Kreaturen“614, sprich ihre Unterwerfung, schlägt allerdings fehl. Letzten Endes bleibt es doch ihre Fantasie, die sie nutzt, um ihr männliches Gegenüber zu täuschen und zu bezwingen. Genevieve Valentine gibt in ihrer Analyse der Szene zu bedenken, dass es unklar bleibt, ob wirklich das Kleid verzaubert ist oder ob Lily den Tanz in ihrer Hingabe an die schöne Dunkelheit bloß erträumt. 615 Daraus folgert sie, der Film biete die Leseart an, dass ein wenig Böses auch eine gute, ja wahrschein­

610 S. Scott 1985, 01:21:30. 611 Vgl. Freud 2017 [1909], S. 258f. Erst später kommt, wie wir wissen, die Tese von der Kastrationsangst des Knaben hinzu.(vgl. Freud 2017 [1927].) 612 S. Böhme 2006, S. 118. 613 Ebd. 614 Vgl. Scott 1985, 01:00:02. 615 Vgl. Valentine 2015. 105 lich sogar notwendige Sache sei.616 Zu Beginn des Films besucht Lily eine befreundete Bäuerin (Tina Martin), die sie belehrt, sie solle sich mehr wie eine Prinzessin benehmen - einen Prinzen auf einem weißen Ross kennenlernen etc. - und sich nicht im Wald herumtreiben.617 Lily erwidert, sie fühle sich bei ihnen stets wie verzaubert, woraufin Nell antwortet: „Aber eines Tages wirst du etwas fn­ den, das dich ganz und gar verzaubert.“618 Es deutet sich also ein verstecktes Potential der zauber­ hafen Tanzszene an, das der Film zugunsten des klassischen Happy Ends und der schwierigen Licht-gegen-Dunkel- alias Gut-gegen-Böse-Dichotomie nicht weiter ausreizt: In ihrer schwärmeri­ schen Annäherung an den verbotenen Zauber überschreitet Lily nicht nur die Grenze des Gegen­ ständlichen, sie bricht auch mit den Implikationen der ideologischen Typisierung ihres eigenen Charakters als einer unschuldigen Prinzessin, deren naives, schwaches Wesen alle ins Unglück stürzt. Der performative Akt erweitert die archetypische Prinzessinnenfgur um mehrere unent­ behrliche Facetten und weist den Mythos des reinen Herzens von sich.

3.3.2.2 IN FABRIC (UK 2018, R: Peter Strickland)

Das Kaufaus gilt vielen als Ort, um selbstvergessen in verheißungsvollen Konsumfreuden zu schwelgen. Besonders in der Vorweihnachtszeit hält es jedoch für manche auch schmerzvolle Erfah­ rungen bereit, vor allem im Hinblick auf die ausbeuterischen Strukturen, welche der kapitalistischen Logik zugrunde liegen. Diese ambivalenten Bezüge inszeniert Peter Strickland in In Fabric als ulti­ matives Fetisch-Spektakel: Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist die Damenabteilung des Modehauses Dentley & Soper, das, wie gleich zu Beginn klar wird, als bizarr-mysteriöse Kultstätte des Konsums entworfen wurde. Die Verkäuferinnen, allen voran Miss Luckmoore (Fatma Moha­ med), tragen übergroße Perücken zu schwarzen viktorianischen Kleidern und erscheinen darin - verstärkt durch die kryptische Sprechweise: eine Mischung aus Bürokratismus und kuriosen Werbe­ wörtern – wie Mitglieder eines okkulten Zirkels. Nachts baden sie die von ihnen verehrten Schau­ fensterpuppen, streichen über deren viel zu lebensechte Vaginas und bieten die menstruierenden Puppen dem voyeuristischen Blick des erregten Geschäfsleiters (Richard Bremmer) dar. Zu Beginn der Weihnachtseinkaufsaison verschlägt es die Bankangestellte Sheila (Marianne Jean- Baptiste) in eben jenes Kaufaus. Ihr erwachsener Sohn Vince (Jaygann Ayeh), mit dem sie gemein­ sam in einer Wohnung lebt, bekommt in letzter Zeit immer häufger Besuch von seiner Freundin Gwen (Gwendoline Christie), deren rücksichtsloses Verhalten Sheilas Geduld auf die Probe stellt. Schnell wird Sheila ihrer Einsamkeit überdrüssig und beschließt, Männer über Kontaktanzeigen

616 Vgl. Valentine 2015. 617 Vgl. Scott 1985, 00:07:19. 618 S. ebd., 00:07:50. 106 kennenzulernen. Sie entdeckt Adonis (Anthony Adjekum) und vereinbart ein Date mit ihm. Weil sich ihr einziges Abendkleid bereits aufzulösen beginnt, bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich in der Stadt nach einem neuen Stück umzusehen. In der Boutique angekommen, folgt ihr sogleich Miss Luckmoore, die sie mit den Worten „A purchase on a horizon, a penobly of temptation. Can a courious soul desist?“619 begrüßt. Sheila antwortet ihr: „I'm just looking, thank you.“620 Und Miss Luckmoore führt weiter aus: „Te hesitation in your voice, soon to be an echo in the recesses of the spheres of retail.“621 Das rote Kleid mit der schwarzen Stofapplikation (Abb. 21a/b) - das bald Shei­ las Blick auf sich zieht - wird später in einem Katalog mit ähnlich manierierter Wortwahl beschrie­ ben: „Chifon and silk and satin Ambassadorial Function dress. A double dream diamond-wraped. Purpose embroidered with bulb sleeves and dagger neckline. Body sensual captivating, candlelight glances, canapé conversations. Colour: artery red.“622 Neben dem afektiert-erotischen Klang der scheinbar willkürlich aneinandergereihten Wörter, bergen die Zeilen einen mörderischen Unterton. Die Mischung aus Begehren, Schrecken und Ekel beherrscht die flmische Atmosphäre insgesamt und wird im Verlauf der Handlung ebenso eindringlich über die audiovisuelle Ebene vermittelt. Im Grunde ist das Kleid nach Art eines simplen Wickelkleides geschnitten, aber der Film artikuliert unmissverständlich, dass nicht die genaue Passform, sondern die Materialität des Stofes, die fie­ ßenden Formen der seidenen Bewegungsfgur sowie die mannigfaltigen Fantasien, die in ein Klei­ dungsstück hineingegossen werden, im Vordergrund stehen. Sheila probiert das rote Kleid letztendlich an (Abb. 21c) und ist erstaunt, dass ihr eine Größe 36 passt. Miss Luckmoore steht an ihrer Seite, streichelt den seidigen Stof des Kleides und verspricht Sheila einen unvergesslichen Abend mit Adonis: „Imagine, the dress is your image. And from me onto what you project through an illusion. One sensation of mind, one fabric in recollection of touch. […] But this is how I see your night romance. I predict the fantasy.“623 Dass Mode auf die Erzeugung einer Fantasie angewiesen ist, hat bereits Lehnert ausgiebig erörtert: Ihre „atmosphärische Qualität“ erhält die Mode mithilfe diverser Marketingstrategien und Werbe­ versprechen, die das „System Mode“ als solches überhaupt erst generieren.624 Mode versorge das textile Objekt mit einem „ästhetischen Überschuss“ und nehme Einfuss auf das eigene Körperge­ fühl sowie die Selbstbilder, welche sich in Wechselwirkung zur äußeren Umwelt ausprägen.625 Wie Lehnert angibt, kommt bei der Mode stets beides zusammen, „Atmosphäre und Versprechen“, um

619 S. Strickland 2018, 00:11:21. 620 Ebd., 00:11:22. 621 Ebd., 00:11:29. 622 Ebd., 00:41:33. 623 Ebd., 00:13:27-00:13:50. 624 Vgl. Lehnert 2013, S. 25/112. 625 Ebd., S. 30. 107 das begehrte „Konsumobjekt“ zu erschafen.626 Mittels dieser Faktoren sollen die Menschen schließ­ lich in „Kaufust oder sogar in Kaufräusche“ versetzt werden.627 Die erste Szene im Kaufaus übermittelt durchgehend jene sinnlichen Verlockungen der Modewelt, etwa wenn Miss Luckmoore den Stof des Kleides mit ihren Fingerspitzen und deren rot glänzenden Nägeln befühlt (Abb. 21d) und Sheila aufordert, es ihr gleichzutun. Die Versprechungen der Mode erweisen sich allerdings als Trugschluss: Sheilas Date mit Adonis entwickelt sich zum Desaster. Als Erinnerung bleibt ihr das rote Kleid, welches sie ab da regelrecht verfolgt. Ein erster Hinweis auf die Bösartigkeit des Objekts ist gegeben, als Sheila einen schmerzhafen roten Fleck auf ihrer Brust ent­ deckt, nachdem sie es ausgezogen hat. Dass die Mode, wie Lehnert meint, den Körper mit formt und Spuren auf dessen Oberfäche hinterlässt, im Sinne von veränderten Haltungen, Bewegungen oder Ausstrahlungen628, wird hier als gewaltvoller Einschreibungsprozess, auf den das Wundmal einen Vorgeschmack liefert, in Szene gesetzt. Als Sheila das Kleid später waschen will, zerstört die­ ses die Waschmaschine, während sie sich dabei ihren Arm aufschneidet. Seine tatsächliche Leben­ digkeit beweist das Kleid anschaulich in jener Szene, in der Vince Gwen oral befriedigt und Gwen es plötzlich auf sie zufiegen sieht (Abb. 21e/f). Der Stof umwickelt ihren Kopf, Gwen beginnt zu schreien, Vince schreckt hoch und fragt was denn los sei. Bevor er das Kleid jedoch sehen könnte, ist es auch schon wieder zu Boden gerutscht (Abb. 21g) und so wirkt es, als habe sich Gwen den Angrif eingebildet. Doch das rote Kleid verlangt ein Blutopfer und um das zu signalisieren, schwebt es in einer Nacht demonstrativ über Sheilas Bett (Abb. 21h). Wie diese bei einem weiteren Besuch des Kaufauses erfahren muss, starb die Frau, die für das Kleid im Katalog modelte, weil sie kurz nach dem Shooting von einem Auto überfahren wurde. Da das rote Kleid das einzige seiner Art ist, wie Miss Luckmoore erwähnt, besteht kein Zweifel daran, dass es sich bei Sheilas Kleid um das des Models handelt. Nach einiger Zeit lernt die nun doch leicht beunruhigte Sheila Zach (Barry Adam­ son) kennen, der sie überredet, das Kleid wieder anzuziehen. Ihr gemeinsamer Ausfug endet daher damit, dass ein Hund Sheila anfällt und ihr Bein blutig beißt. Das Kleid bleibt wieder einmal unver­ sehrt. Als sie in der Nacht das Kleid auf der Stange im Schrank wie wild hin- und herrutschen hört, beschließt sie, es zurückzugeben. Doch Miss Luckmoore weigert sich, es zurückzunehmen und als die verzweifelte Sheila den Laden verlassen will, packt der eigenartige Shopmanager ihre Hand und lässt sie wissen: „Like a whisper in an ocean, like a feather in storm. A dress of deduction fnds its chracater in a prison of retail abstraction.“629 Entnervt entgegenet Sheila, sie verstehe nur nicht, wieso sie das Kleid nicht einfach umtauschen könne, woraufin Mr. Lundy sagt: „Te very reason of

626 Vgl. Lehnert 2013, S. 106. 627 S. ebd., S. 111. 628 Vgl. ebd., S. 57. 629 S. Strickland 2018, 00:58:27. 108 this seasonal retail occasion is to expunge. Returning what has already lef the ladies fashion bou­ tique of Dentley & Soper's trusted department store goes against the nature of things.“630 Es macht ganz den Eindruck, als sei diese Sprache, mit der sorgfältigen Betonung jedes einzelnen Wortes, während die Kamera den starrenden Blick des Mannes in Nahaufnahme zeigt, ein weiterer unter zahlreichen Fetischen dieses flmischen Universums. Und als wäre es nicht genug, dass Sheila das verfuchte Kleid nicht los wird, muss sie zusätzlich die sonderbaren Anschuldigungen ihrer beiden Vorgesetzten (Steve Oram/Julian Barratt) ertragen, die ihr in freundlichem Tonfall vorwerfen, ihr Handschlag sei nicht bedeutsam genug, ihre Klopausen zu lange und der Geliebten des Bankchefs zuzuwinken, ein peinlicher Fauxpas. Sie fragen Sheila, ob sie irgendetwas bedrücke, es sei gut darüber zu reden und Sheila erzählt ihnen von ihrem bizarren Traum letzte Nacht: Sie habe darin ein Kleid ihrer innig geliebten, verstorbenen Mutter gefunden, das dermaßen intensiv nach deren Parfum gerochen hätte, dass sie es anprobierte. Als sie sich im Spiegel betrachtete, sei ihr aufgefallen, dass sie nicht mehr wie sie selbst aussah, sondern wie ihre tote, verwesende Mutter. Während Sheila den Traum nacherzählt, sehen wir das rote Kleid: zuerst liegt es in einem Kofer, dann bewegt sich der fießende Stof in leuchtendem Rot vor einem schwar­ zen Hintergrund.631 Die daraufolgende Einstellung zeigt eine Detailaufnahme von Sheilas Schulter und ihrer Hand, die an dem roten Kleid zieht.632 Viele Einstellungen des Films fokussieren auf die gleitenden Verwehungen des glänzenden Textils und unterbrechen damit permanent die Kontinuität der Handlung. Auch Sheilas Tod, der sich wenig später ereignet, wird von den arterienroten Stofewegungen überlagert: Mit dem Kleid am Rücksitz ihres Autos fährt sie nachts eine Landstraße entlang, mit dem Entschluss, es endgültig zu entsorgen. Auf einmal fällt ihr Blick auf eine unbekleidete Schaufensterpuppe, die am Straßenrand steht. Sie gerät in Panik und fährt schneller. Da ist die Schaufensterpuppe schon direkt vor ihr, mit­ ten auf der Straße. Sheila erschrickt, verreißt das Lenkrad und prallt gegen einen Baum. Wir sehen Nahaufnahmen einer rot beleuchteten Schaufensterpuppe, auf die rote Glasscherben regnen633 und danach Sheila, die sich schwer verwundet am Boden entlang zieht. Danach erscheint das schwe­ bende rote Kleid in Untersicht vor dem schwarzen Nachthimmel (Abb. 21i). Sheila streckt ihren Arm in die Höhe, das Kleid fattert weiter über ihr (Abb. 21j), Sheila sinkt zur Seite und stirbt. Dar­ aufin fällt auch das Kleid zu Boden. Die Kamera zeigt eine tiefe Fleischwunde in Form der schwar­ zen Stofapplikation auf Sheilas Körper (Abb. 21k).

630 S. Strickland 2018, 00:59:26. 631 Vgl. ebd., 01:03:35-01:03:44. 632 Ebd., 001:03:46. 633 Ebd., 01:07:11. 109 Der Film endet allerdings nicht mit Sheilas Tod, sondern erzählt gleich im Anschluss die Geschichte von Reg Speaks (Leo Bill), einem Elektromechaniker für Waschmaschinen, der das Kleid bei seinem Junggesellenabschied aufgezwungen bekommt. Am nächsten Morgen hat er einen ähnlichen Aus­ schlag auf der Brust. Reg Speaks ist ungleich langweiliger als Sheila, er wird von seiner Verlobten Babs (Hayley Squires) herumkommandiert, hat einen heimlichen Nylon-Fetisch und versetzt seine Mitmenschen in orgasmusähnliche Zustände, sobald er über technische Details von Waschmaschi­ nen monologisiert. Seine Begegnung mit dem Kleid nimmt jedoch einen ebenso unglücklichen Aus­ gang wie Sheilas. Auch Babs probiert es an und erhält die prognostische Hautrötung. Wieder schwebt das Kleid nachts über dem Bett (Abb. 21l) und wieder ruiniert es die Waschmaschine sei­ ner BesitzerInnen. Als das Kleid zum Trocknen im Garten hängt, folgt eine längere Einstellung, die die Bewegungen des arterienroten Stofes – erneut vor einem schwarzen Hintergrund – lustvoll ein­ fängt (Abb. 21m/n). Später taucht das Kleid unverhof an allen erdenklichen Orten auf: Einmal fällt es von oben auf den Vogelkäfg, woraufin der Vogel stirbt, und ein anderes Mal liegt es, zu Babs Verwunderung, auf der Gastherme. Sie zieht es an und macht sich auf den Weg zu Dentley & Soper's, während Reg daheim dem Bann der Fernsehwerbung des Kaufauses verfällt. Die fortwäh­ rende Schleife der Synthesizer-Klänge entfaltet, in Kombination mit den roten Bildern von sich dre­ henden Schaufensterpuppen und dem Wort „Sale“, eine hypnotische Wirkkraf. Derweil erzählt Babs Miss Luckmoore von ihrem Traum, in dem sie als Katalogmodel dünner und dünner wird, während die Kleider auf ihrem Körper an Größe zunehmen. Als sie später in der Umkleidekabine verschwindet, landet das Kleid irgendwie auf dem Boden davor. Eine andere Kundin fndet es und hängt es an die Wand. Im Geschäf streiten sich zwei Kundinnen lautstark darüber, wer zuerst bezahlen darf. Das rote Kleid gleitet vom Haken und fällt auf einen Heizstrahler, der rasch Feuer fängt. Der Streit ist inzwischen eskaliert, die Kundinnen schlagen aufeinander ein und zerlegen den Laden in seine Einzelteile. Miss Luckmoore bemüht sich, eine zerteilte Schaufensterpuppe zu retten. Wir sehen den toten Regs, der mittlerweile an dem gifigen Gas aus der Terme erstickt ist, sowie Babs, die vergeblich versucht, aus der Umkleidekabine zu entkommen. Dentley & Soper's brennt jetzt lichterloh. Während alle KundInnen aus dem Geschäf stürmen, zwängt sich Miss Luckmoore mit ihrer Schaufensterpuppe in einen kleinen Warenlif. Sie fährt einen dunklen Schacht hinab und passiert dabei mehrere fensterlose Kammern, in denen Menschen hinter Nähmaschinen an einem großen, roten Stofstück nähen. Miss Luckmoore fährt zuerst an Sheila, anschließend an Reg und dann an Babs vorbei, bis sie zu einigen weiteren Räumen ohne Menschen gelangt. Die letzte Einstel­ lung zeigt einen Feuerwehrmann, der inmitten der verkohlten Reste des Dentley & Soper's Trusted Department Stores ein strahlend rotes Kleid fndet.

110 Der verrätselte Charakter des Films entsteht infolge der ständigen Wiederholungen auf Ton- und Bildebene: Die monotonen Klänge des Synthesizers wechseln sich mit den rot-schwarzen Stof-Bil­ dern ab, deren phantasmagorischer Bewegungsmodus tranceartige Zustände auslöst. Und auch der Duktus der eigenwilligen Kaufaus-Sprache entpuppt sich als verschnörkeltes Zeichen, das stilis­ tisch markante Elemente rhythmisch wiederholt. Die Wiederholungen rekurrieren auf die Kleider als Erinnerungsmaterial, die über ihre Bewegungen veranschaulichen, wie sich Inhalt und Bedeu­ tung von Erinnerungen mit jeder Wiederholung ein wenig verschieben.634 Lehnert schreibt dazu: „Mode kann folglich als Medium des Erinnerns betrachtet werden. Sie bewahrt die Vergangenheit in materiellen Spuren auf, de-kontextualisiert und rekonstruiert sie.“635 In Sheilas Traum treten neben die kollektiven Erinnerungen, die sich in den Formen, Schnitten, Materialien, Farben und Muster abspeichern, die individuellen, intimen Beziehungen der Menschen zu den Dingen. In der Weise wie sie sich in ihre tote Mutter verwandelt, wandeln sich über die Zeit auch die in die Dinge verlagerten Bedeutungen und so ist es vorstellbar, dass sich das Liebgewonnene wie Vertraute ins Schreckliche verkehrt. Babs Traum referiert hingegen auf die normierten und idealisierten Erwar­ tungen, die die Modebilder mittragen. Das rote Kleid agiert somit als lebendig gewordener Mode­ körper, der sich seiner KonsumentInnen entledigt hat und eigenmächtig die in ihm verankerten Körperformen und Illusionen variiert. In den Nahaufnahmen zerfießen sie zu Strömen bewegter Farbe und Textur. Alles ist Traum, Hypnose und Verführung. Durch die phantastische Mehrdeutig­ keit bleibt ebenfalls unklar, wie die erzählten Ereignisse einzuordnen sind. Sind es Alptraum- und Sehnsuchtsbilder eines bildgewordenen Warenfetischs oder ist das Kleid wirklich ein höllischer Dämon? Am Ende bleiben es unglückliche Zufälle, die den Figuren zum Verhängnis werden. In den Wiederholungen sind ebenso Anklänge an die ewig neuen und doch altbekannten Trends und Praxen der Modeindustrie zu erkennen. Insofern könnte in Anlehnung an Marx' Fetisch-Kritik behauptet werden, die Figuren stünden den tanzenden Dingen ohnmächtig gegenüber, die sie ver­ einnahmen und verdinglichen würden. Aber jene ProtagonistInnen, die dem Kleid zum Opfer fal­ len, sind gerade am allerwenigsten an dessen übersinnlicher, magischer Erscheinung und den daran hängenden Versprechungen interessiert. Vor allem Reg wirkt, als nehme er – abgesehen von Strümpfen – bloß den Gebrauchswert der Dinge wahr: Das Kleid ist ihm nichts weiter als ein lästi­ ger Gegenstand, der ihm nicht einmal am Körper seiner Verlobten sonderlich gefällt. Die Mitarbei­ terInnen des Kaufauses hingegen laben sich förmlich an den Genüssen, die die Dinge ihnen bereiten. Und so könnte man meinen, das Vergehen der Figuren wäre vielmehr, das Kleid nicht genügend zu verehren.

634 Auf diese Möglichkeit verweist auch Lehnert, in Anlehnung an die „Teorie des Performativen“ von u. a. Judtih But­ ler. (vgl. Lehnert 2016, S. 23.) 635 S. Lehnert 2013, S. 143. 111 Böhme unterscheidet zwischen einem Fetischismus zweiter Ordnung und einem Fetischismus erster Ordnung: Während die Dinge zweiter Ordnung dem „Wertzerfall“ unterliegen, sind unsere „heili­ gen“ Dinge, Fetische erster Ordnung.636 Von Fetischen zweiter Ordnung muss sich das Ich befreien, um nicht mit ihnen zu verschleißen, werden dagegen Fetische erster Ordnung weggegeben oder verloren, verliert auch das Ich.637 Böhme formuliert es folgendermaßen: „Zwar kann alles zur Ware werden, und alles kann Ware gewesen sein; doch in dem Moment, wo ein Ding mit dem Status des Unveräußerlichen belegt wird – in einer Sammlung, im Museum, in der Kirche, im Privatbesitz -, transsubstantiiert sich seine ontologische Struktur. Es ist keine Ware, kein Gebrauchsding mehr, es ist, jenseits der Religion, sakral geworden.“638 Es scheint, als wehre sich das einzigartige rote Kleid dagegen, zu einem Fetisch-Ding der zweiten Ordnung, einem billigen Abklatsch der Fetische erster Ordnung und damit zu einem Konsumobjekt degradiert zu werden, das ständig weiterverkauf oder bald entsorgt wird. Seine abgrundtiefe Bösartigkeit verbirgt vielleicht tatsächlich eine Konsumkritik, die aber, anders als bei Marx, gerade den ästhetischen Überschuss des einzigartigen Dinges einfor­ dert.

636 Vgl. Böhme 2006, S. 304-307. 637 Ebd., S. 304-307. 638 S. ebd., S. 306. 112 4 RÉSUMÉ

113 Phantastische Kostümbelebungen treten in unterschiedlichsten Bewegungs- und Erzählmodi in Erscheinung: Die fatternden Geisterkleider demonstrieren dabei am eindrücklichsten, wie ein harmloser Lufstoß oder eine Wasserströmung unzählige medial vorgeprägte und im kulturellen (Bild-)Gedächtnis abgelagerte Assoziationsketten wie Afektbilder wachrufen kann. Die wechselsei­ tige Einfussnahme von bildlichen Phänomenen, (natur-)wissenschaflichen Diskursen und ästheti­ schen Teorien kommt in den, die Kostümbewegungen begleitenden sowie formierenden flmischen Subtexten zum Vorschein. Monströse Kostümbewegungen basieren darüber hinaus stets auf einem wunderbaren Kostümtypus, d. h. die Gestalt der Kleider selbst muss etwas Nicht- Menschliches darstellen. Die Bildtradition des Capes hat allerdings gezeigt, dass der fügelartige Ein­ druck des Stofes keines besonderen Schnittes bedarf, sondern sich allein mittels der (wunderbaren) Bewegungsfguren überträgt. Das Wundersame jener Gewänder, die auf erkennbare Formen abzie­ len, sticht daher schneller ins Auge, als die der wehenden Geisterkleider, die als Ursache häufg starke Windböen und dergleichen vermuten lassen. In der letzten Kategorie deutet sich an, was noch an phantastischen Kostümbewegungen denkbar ist: Abgesehen von dem tanzenden Kleid in Legend, sind alle Stofelebungen durch äußere Ein­ füsse motiviert und führen - obgleich sie in der Narration als möglicherweise übernatürlich oder beseelt lesbar werden -, keine klar defnierten, eigenständigen Handlungen aus. Selbst in seiner autonomen Bewegungsgestalt steht das rote Kleid konträr zu menschlichen oder tierischen Bewe­ gungsweisen. Dass die Gesten und Gebärden der Textilien stets vage bleiben, wird hier zwar als wesentlicher Bestandteil des phantastischen Bewegungsmodus' beschrieben, aber wie in Legend ersichtlich wird, kann ebenso eine explizit körperhafe Kleidergestalt phantastisch inszeniert sein. Sie ist immer noch eine hybride Entität, die zwischen einer gegenständlichen und einer übernatürli­ chen sowie einer menschlichen und einer dinglichen Wahrnehmung changiert, jedoch zudem sinn­ lich konkreter als die sich ins Immaterielle transzendierenden Geisterkleider, an die auch das rote Kleid erinnert. Eine derartige Konkretheit eignet z. T. auch den monströsen Kleidern, sie fallen im Gegenzug wiederum häufger auf die rein dingliche Ebene zurück. Alle phantastischen Kostümbele­ bungen erweisen sich im Film letztlich als ambivalent, sie besitzen nicht mehr den ontologischen Status eines Textils, weisen aber dennoch die formalen und strukturellen Eigenschafen des textilen Materials auf. Die Kostüminszenierungen spielen beständig mit der Wirkung des Unheimlichen, selbst in wunder­ baren Filmen, wie Hocus Pocus, Snow White and the Huntsman oder Doctor Strange, schwingen die unheimlichen Aspekte in den Stofahnen mit. So wäre es interessant, den wunderbaren Modus der Kleiderbewegung näher zu untersuchen und zu erörtern, wann der gespenstische Charakter von märchenhafen oder humorvollen Ausgestaltungen gebrochen wird. Insbesondere in Zeichentrick- 114 oder Animationsflmen bietet sich eine solche Erzählweise an. Ebenso könnte den Aufritten wun­ derbarer oder phantastischer Kostümbelebungen in Comics oder Videospielen nachgegangen wer­ den. Die phantastischen Kleider beweisen einerseits eine typisierende Tendenz, die andererseits eben jener phantastische Modus unentwegt wieder destabilisiert. Ebensowenig lassen sie sich auf eine psychologisierende Leseart begrenzen, die die Leidenschafen, Ängste oder Sehnsüchte der Subjekte in die Stofe projizieren möchte. So ist „das Gesicht der Dinge“639 in diesem Zusammenhang häufg ein trügerisches, das der Vorstellung einer sich in der äußeren Gestalt ausdrückenden Seele oder einer fassbaren Substanz widerspricht. Obwohl die pathetisch oder spektakulär inszenierten Kostüme konstant eine gewisse Stimmung wie Atmosphäre transportieren, können diese nicht umstandslos als eindeutige Zeichen interpretiert werden. In ihrer phantastischen Mehrdeutigkeit bieten sie stets verschiedene, einander widersprechende Deutungen an. Zuweilen rücken sie gänz­ lich von den sie tragenden Figuren ab und eröfnen eigenständige Diskurse, wie das zerfießende Kostüm in Te Cell, das sich sowohl als rhythmisierendes Bildmittel wie auch als fetischistisches Erinnerungsmaterial und therapeutischer Vermittlungsraum zu erkennen gibt. Daher kann behaup­ tet werden, dass der phantastische Modus die in den übernatürlich bewegten Kleidern zirkulieren­ den Termini der Beseeltheit, Vergeistigung, des Unbewussten und Unheimlichen auf eingängige Weise anschaulich macht wie er gleichermaßen deren performative Qualitäten hervorkehrt.

639 S. Balázs 2017 [1924], S. 59. 115 5 ANHANG

116 5.1 Abbildungen

Abb. 1 Abb. 2

Abb. 3 Abb. 4

Abb. 5 Abb. 6

117 Abb. 7 Abb. 8

Abb. 9a Abb. 9b

Abb. 10 Abb. 11

118 Abb. 12

Abb. 13a Abb. 13b

Abb. 13c

Abb. 13d Abb. 13e

119 Abb. 13f Abb. 13g

Abb. 14a

Abb. 14b

Abb. 14c

120 Abb. 14d

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121 Abb. 15b

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122 Abb. 16d

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123 Abb. 17b

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124 Abb. 17f

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126 Abb. 18g

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127 Abb. 20a

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Abb. 21f

130 Abb. 21g

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Abb. 21j

131 Abb. 21k

Abb. 21l

Abb. 21m

Abb. 21n

132 5.2 Bildnachweise

Abb. 1: Ernesto Michahelles (Tayaht) für Madeleine Vionnet, De La Fumée: Robe de Madeleine Vionnet, Tafel 13 aus der Gazette du Bon Ton, v. 1, n. 2, handkolorierte Lithographie (Schablone). Übergeben von der William Morris Hunt Memorial Library, aus: Stamatina Kousidi, "Te skins we live in. Zu Archigrams Cushicle and Suitaloon (1966-1968)", in: Karl R. Kegler/Anna Minta/Niklas Naehrig (Hg.), RaumKleider. Verbindungen zwischen Architekturraum, Körper und Kleid, Bielefeld: transcript Verlag, 2018, S. 184.

Abb. 2: Giovanni Lorenzo Bernini, Verzückung der Heiligen Teresa von Ávila, 1647-1652, Kapelle der Cornaro-Familie, Altar; Rom, Santa Maria della Vittoria, Marmor (Abbildungsnachweis: R. Toman (Hg.), Die Kunst des Barock, Architektur, Skulptur, Malerei, Köln 1997), aus: Universität für angewandte Kunst, Bilddatenbank Image, Abrufar unter: https://base.uni-ak.ac.at (20.10.2020).

Abb. 3: Issey Miyake, Kostüme für TänzerInnen der Choreographie Te Loss of Small Detail von William Forsythe, Frankfurt/M. 1991, Foto: Susan Lamèr (aus: FAZ-Magazin, 5. Juli 1991), aus: Gabriele Brandstetter, "Spiel der Falten. Inszenierte Plissee bei Mariano Fortuny und Issey Miyake", in: Gertrud Lehnert (Hg.), Mode, Weiblichkeit und Modernität, Dortmund: 1998, S. 182.

Abb. 4: Harald Kreutzberg, Apokalyptischer Engel, 1920er Jahre, aus: Katja Stromberg, "Kleider- Tanz-Schuhe. Wer bewegt wen?", in: Anna-Brigitte Schlittler/Katharina Tietze (Hg.), Mode und Bewegung. Beiträge zur Teorie und Geschichte der Kleidung. Textile Studies 5, Emsdetten/Berlin: Edition Imorde, 2013, S. 28.

Abb. 5: „Die Wirkung von Wind“, aus: J. C. Flügel, "Psychologie der Kleidung" [engl. Orig. 1930, aus: „Psychology of Clothes“, Kapitel 1 und 2, S. 15-39, Kapitel 4 und 5, S. 53-84, London: Hogarth Press, 1966, dt. Übers. von Christoph Grofy.], in: Silvia Bovenschen (Hg.), Die Listen der Mode, Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1986, S. 231.

Abb. 6: Sandro Botticelli, Der Frühling (La Primavera) (Detail: Die drei Grazien), 1482-1485, Italien, Ufzien (Abbildungsnachweis: G. C. Argan, Botticelli, Genf 1989, S. 6), aus: Universität für angewandte Kunst, Bilddatenbank Image, Abrufar unter: https://base.uni-ak.ac.at (20.10.2020).

Abb. 7: Sandro Botticelli, Die Geburt der Venus, um 1485, Italien, Ufzien, Tempera auf Leinwand (Abbildungsnachweis: Rolf Toman (Hrsg.), Die Kunst der italienischen Renaissance, Köln 1994, S. 283), aus: Universität für angewandte Kunst, Bilddatenbank Image, Abrufar unter: https://base.uni-ak.ac.at (20.10.2020).

Abb. 8: Domenico Ghirlandaio, Geburt des Johannes (Detail), 1486-1490, Italien, Cappella Tornabuoni (Hauptchorkapelle), Fresko (Abbildungsnachweis: S. Roettgen, Wandmalerei der Frührenaissance in Italien, Band 2, Die Blütezeit, 1470-1510, München 1997, S. 164), aus: Universität für angewandte Kunst, Bilddatenbank Image, Abrufar unter: https://base.uni-ak.ac.at (20.10.2020).

Abb. 9a/b: Alexander McQueen, Widows of Culloden, 2006, aus: Fashionide.com, „Kate Moss Hologram Video from Alexander McQueen Fall/Winter 2006 Fashion Show“, Vimeo, 9a: 00:00:35; 9b: 00:01:21, Abrufar unter: https://vimeo.com/130190632 (26.10.2020).

133 Abb. 10: Film-Still, Lady in White, aus: Andrew G. La Marca/Charles M. LaLoggia/Frank LaLoggia/Clif Payne/Carl R. Reynolds/Peter Kolokouris (Produz.) & Frank LaLoggia (Regie), Lady in White (dt. Titel: Die phantastische Reise ins Jenseits), Costume Design: Jacqueline Saint Anne, Cinematography: Russell Carpenter, Production Design: Richard K. Hummel, Art Direction: Howard Kling/Kenneth Wolf Jr., Set Decortation: Sarah Burdick Stone, US: New Century Vista Film Company, 1988, 01:48:47.

Abb. 11: Film-Still, Galadriel (Cate Blanchett), aus: Peter Jackson/Michael Lynne/Mark Ordesky/Barrie M. Osborne/Rick Porras/Tim Sanders/Jamie Selkirk/Robert Shaye/Ellen Somers/Fran Walsh/Bob Weinstein/Harvey Weinstein (Produz.) & Peter Jackson (Regie), Te Lord of the Rings; Te Fellowship of the Ring (dt. Titel: Der Herr der Ringe: Die Gefährten), Costume Design: /Richard Taylor, Cinematography: Andrew Lesnie, Production Design: Grant Major, Art Direction: Joe Bleakley/Dan Hennah/Philip Ivey/Rob Outterside/Mark Robins, Set Decoration: Dan Hennah/Alan Lee, US/NZ: New Line Cinema/WingNut Films, 2001, 02:21:59.

Abb. 12: Film-Still, Sarah Sanderson (Sarah Jessica Parker), aus: Bonnie Bruckheimer/Mick Garris/Steven Haf/Jay Heit/ David Kirschner/Ralph Winter (Produz.) & Kenny Ortega (Regie), Hocus Pocus, Costume Design: Mary E. Vogt, Cinematography: Hiro Narita, Production Design: William Sandell, Art Direction: Nancy Patton, Set Decoration: Rosemary Brandenburg, US: Walt Disney Pictures, 1993, 01:14:57.

Abb. 13a/b/c/d/e/f/g: Film-Stills, Lucy Westenra (Sadie Frost), aus: Michael Apted/ Fred Fuchs/Charles Mulvehill/Francis Ford Coppola (Produz.) & Francis Ford Coppola (Regie), Dracula (dt. Titel: Bram Stoker's Dracula), Costume Design: Eiko Ishioka, Cinematography: Michael Ballhaus, Production Design: Tomas E. Sanders, Art Direction: Andrew Precht, Set Decoration: Garrett Lewis, Romanvorlage: Bram Stoker, Drehbuch: James V. Hart, US: Columbia Pictures, 1992, a: 00:40:38; b: 00:40:57; c: 00:41:44, d: 00:58:27; e: 00:58:28; f: 00:41:45; g: 00:41:45.

Abb. 14a: Catherine Deane (Jennifer Lopez), in: Screenmusings (Online), Cinematography: Paul Laufer, Abrufar unter: https://screenmusings.org/movie/blu-ray/Te-Cell/pages/Te-Cell-246.htm (08.11.2020), aus: Julio Caro/Donna Langley/Carolyn Manetti/Eric McLeod/Mark Protosevich/Stephen J. Ross/Nico Soultanakis/Tommy Turtle (Produz.) & Tarsem Singh (Regie), Te Cell, Costume Design: Eiko Ishioka/April Napier, Cinematography: Paul Laufer, Production Design: Tom Foden, Art Direction: Geof Hubbard/Michael Manson, Set Decoration: Tessa Posnansky, US/DE: New Line Cinema/Kinowelt Verleih, 2000, 00:38:01.

14b/c: Film-Stills, Catherine Deane (Jennifer Lopez), aus: Julio Caro/Donna Langley/Carolyn Manetti/Eric McLeod/Mark Protosevich/Stephen J. Ross/Nico Soultanakis/Tommy Turtle (Produz.) & Tarsem Singh (Regie), Te Cell, Costume Design: Eiko Ishioka/April Napier, Cinematography: Paul Laufer, Production Design: Tom Foden, Art Direction: Geof Hubbard/Michael Manson, Set Decoration: Tessa Posnansky, US/DE: New Line Cinema/Kinowelt Verleih, 2000, b: 00:56:05; c: 00:57:05.

Abb. 14d: Catherine Deane (Jennifer Lopez), in: Screenmusings (Online), Cinematography: Paul Laufer, Abrufar unter: https://screenmusings.org/movie/blu-ray/Te-Cell/pages/Te-Cell-459.htm (08.11.2020), aus: Julio Caro/Donna Langley/Carolyn Manetti/Eric McLeod/Mark Protosevich/Stephen J. Ross/Nico Soultanakis/Tommy Turtle (Produz.) & Tarsem Singh (Regie), Te Cell, Costume Design: Eiko Ishioka/April Napier, Cinematography: Paul Laufer, Production Design: Tom Foden, Art Direction: Geof Hubbard/Michael Manson, Set Decoration: Tessa Posnansky, US/DE: New Line Cinema/Kinowelt Verleih, 2000, 00:57:37.

134 Abb. 14e: Catherine Deane (Jennifer Lopez), in: Screenmusings (Online), Cinematography: Paul Laufer, Abrufar unter: https://screenmusings.org/movie/blu-ray/Te-Cell/pages/Te-Cell-462.htm (08.11.2020), aus: Julio Caro/Donna Langley/Carolyn Manetti/Eric McLeod/Mark Protosevich/Stephen J. Ross/Nico Soultanakis/Tommy Turtle (Produz.) & Tarsem Singh (Regie), Te Cell, Costume Design: Eiko Ishioka/April Napier, Cinematography: Paul Laufer, Production Design: Tom Foden, Art Direction: Geof Hubbard/Michael Manson, Set Decoration: Tessa Posnansky, US/DE: New Line Cinema/Kinowelt Verleih, 2000, 00:57:42.

Abb. 14f: Catherine Deane (Jennifer Lopez), in: Screenmusings (Online), Cinematography: Paul Laufer, Abrufar unter:https://screenmusings.org/movie/blu-ray/Te-Cell/pages/Te-Cell-465.htm (08.11.2020), aus: Julio Caro/Donna Langley/Carolyn Manetti/Eric McLeod/Mark Protosevich/Stephen J. Ross/Nico Soultanakis/Tommy Turtle (Produz.) & Tarsem Singh (Regie), Te Cell, Costume Design: Eiko Ishioka/April Napier, Cinematography: Paul Laufer, Production Design: Tom Foden, Art Direction: Geof Hubbard/Michael Manson, Set Decoration: Tessa Posnansky, US/DE: New Line Cinema/Kinowelt Verleih, 2000, 00:57:51.

Abb. 15a: Film-Still, Justine (Kirsten Dunst), aus: Meta Louise Foldager/Louise Vesth (Produz.) & Lars von Trier (Regie), Melancholia, Costume Design: Manon Rasmussen, Cinematography: Manuel Alberto Claro, Production Design: Jette Lehmann, Art Direction: Simone Grau Roney, DK/SE/FR/DE/IT: Zentropia Entertainments/Memfs Film/Slot Machine/ Liberator Productions/ Film i Väst/Danmarks Radio/Arte France Cinéma/Sveriges Television/Canal+/Centre national du cinéma et de l'image animée/CinéCinéma/Edition Video/Nordisk Film/Det Danske Filminstitut/Eurimages/Swedish Film Institute/Filmstifung Nordrhein-Westfalen, 2011, 00:06:45.

Abb. 15b: Kirsten Dunst in Melancholia, in: Magnolia Pictures, Photo: Christian Geisnaes, Abrufar unter: http://www.magpictures.com/presskit.aspx?id=bbcb733d-8d0e-495a-ba6d-be9a79453d1c (08.11.2020).

Abb. 16a/b/c/d/e/f/: Film-Stills, Ravenna (Charlize Teron), aus: Joe Roth/Sam Mercer (Produz.) & Rupert Sanders (Regie), Snow White and Te Huntsman, Costume Design: , Cinematography: Greig Fraser, Production Design: Dominic Watkins, Art Direction: Andrew Ackland-Snow/Alastair Bullock/John Frankish/Oliver Goodier/Stuart Rose/David Warren, Set Decoration: Fainche MacCarthy, US: Universal Pictures, 2012, a: 01:28:09; b: 01:28:21, c: 01:29:09, d: 01:29:09, e: 01:31:39, f: 01:31:38.

Abb. 17a/b/c/d/e/f/g: Film-Stills, Batman (Christian Bale), aus: Charles Roven/Emma Tomas/Larry Franco (Produz.) & Christopher Nolan (Regie), Batman Begins, Costume Design: , Cinematography: Wally Pfster, Production Design: Nathan Crowley, Art Direction: Peter Francis/Paul Kirby/Simon Lamont/Dominic Masters/Alan Tomkins/Su Whitaker/Eggert Ketilsson/David Lee/Shane Valentino, Set Decoration: Gene Foad/Andrew Hodgson/Paki Smith/Simon Wakefeld, US/UK: Warner Bros. Pictures, 2005, a: 01:58:04, b: 01:32:03, c: 01:57:51, d: 01:05:47, e: 01:04:10, f: 01:04:18, g: 01:03:17.

Abb. 18a/b/c/d/e/f/g: Film-Stills, Te Girl (Sheila Vand), aus: Ana Lily Amirpour/Justin Begnaud/Sina Sayyah (Produz.) & Ana Lily Amirpour (Regie), A Girl Walks Home Alone at Night, Costume Design: Natalie O'Brien, Cinematography: Lyle Vincent, Production Design: Sergio De La Vega, Art Direction: Sam Kramer, US: Capelight Pictures/Shahre Bad Picture, LLC.., 2014, a: 01:20:42, b: 01:21:08, c: 00:39:00, d: 00:39:06, e: 01:02:54, f: 01:11:48, g: 01:11:49. Abb. 19a/b/c: Film-Stills, Doctor Strange (Benedict Cumberbatch), aus: Kevin Feige (Produz.) & Scott Derrickson (Regie), Doctor Strange, Costume Design: Alexandra Byrne, Cinematography: Ben

135 Davis, Production Design: Charles Wood, Art Direction: Julian Ashby/Jim Barr/Tomas Brown/Ray Chan/Miles Christensen/Jason T. Clark/Jordan Crockett/Jef Julian/ Calla Klessig/Michael Manson/Mike Stallion/Mark Swain, Set Decoration: John Bush, US: Walt Disney Studios Motion Pictures, 2016, a: 01:00:51, b: 01:01:14, c: 01:05:36.

Abb. 20a/b/c/d/e/f/: Film-Stills, Lily (Sara Mia) aus: Arnon Milchan (Produz.) & Ridley Scott (Regie), Legend, Costume Design: Charles Knode, Cinematography: Alex Tomson, Production Design: Assheton Gorton, Art Direction: Leslie Dilley/Norman Dorme/Clif Robinson, Set Decoration: Ann Mollo, US: Embassy International Pictures N.V., 1985, a: 01:01:03, b: 01:01:18, c: 01:02:20, d: 01:02:55, e: 01:03:17, f: 01:03:26.

Abb. 21a/b/c/d/e/f/g/h/i/j/k/l/m/n: Film-Stills, Te red Dress, aus, Andrew Starke (Produz.) & Peter Strickland (Regie), In Fabric, Costume Design: Jo Tompson, Cinematography: Ari Wegner, Production Design: Paki Smith, Art Direction: Felicity Hickson, Set Decoration: Adrian Greenwood, UK: Rook Films/BBC Films, British Film Institute/Headgear Films/Metrol Technology, 2018, a: 00:11:52, b: 00:12:01, c: 00:13:13, d: 00:15:34, e: 00:47:59, f: 00:48:02, g: 00:48:18, h: 00:49:43, i: 01:07:30, j: 01:07:53, k: 01:07:37, l: 01:21:25, m: 01:27:40, n: 01:27:46.

5.3 Literatur

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145 Aby Warburg, "Bilder aus dem Gebiet der Pueblo-Indianer in Nord-Amerika" [Orig. 1923], in: Martin Treml/Sigrid Weigel/Perdita Ladwig (Hg.), Aby Warburg. Werke in einem Band. Auf der Grundlage der Manuskripte und Handexemplare, Berlin: Suhrkamp, 2018, S. 524-566.

Aby Warburg, "Mnemosyne Einleitung" [Orig. 1929], in: Martin Treml/Sigrid Weigel/Perdita Ladwig (Hg.), Aby Warburg. Werke in einem Band. Auf der Grundlage der Manuskripte und Handexemplare, Berlin: Suhrkamp, 2018, S. 629-639.

Aby Warburg, „Mnemosyne I. Aufzeichnungen“ [Orig. 1927-29], in: Martin Treml/Sigrid Weigel/Perdita Ladwig (Hg.), Aby Warburg. Werke in einem Band. Auf der Grundlage der Manuskripte und Handexemplare, Berlin: Suhrkamp, 2018, S. 640-646.

Christine Weder, "Das Zeichen mit der Bedeutung 'Nicht-Zeichen'. Die paradoxe Signifkanz des Fetischs für die Kultur- und Literatursemiotik", in: Hartmut Böhme/Johannes Endres (Hg.), Der Code der Leidenschafen. Fetischismus in den Künsten, München: Wilhelm Fink Verlag, 2010, S. 307-323.

Sophie Wennerscheid, „Phantasmagorien des Untergangs bei Richard Wagner und Lars von Trier“, in: Stefan Börnchen/Georg Mein/Elisabeth Strowick (Hg.), Jenseits von Bayreuth. Richard Wagner Heute. Neue Kulturwissenschafliche Perspektiven, Paderborn: Wilhelm Fink, 2014 (eBook), S. 275-296.

Gundula Wolter, "Mode im Wind. Über zufällige, imaginierte und künstlich erzeugte Kleidermetamorphosen in Bilder der Mode", in: Anna-Brigitte Schlittler/Katharina Tietze (Hg.), Mode und Bewegung. Beiträge zur Teorie und Geschichte der Kleidung. Textile Studies 5, Emsdetten/Berlin: Edition Imorde, 2013, S. 87-109.

Michael Zepter, "Zum Aspekt des Phantastischen in der Kleidung", in: Heidi Lerche-Renn (Hg.), Kleid und Menschenbild, (Schrifenreihe Kunst & Terapie - Zeitschrif zu Fragen der Ästhetischen Erziehung, Hef 18), Köln: Claus Richter Verlag, 1992, S. 29-41.

Cornelia Zumbusch, "Probleme mit dem Pathos. Zur Einleitung", in: Cornelia Zumbusch (Hg.), Pathos. Zur Geschichte einer problematischen Kategorie, Berlin: Akademie Verlag GmbH, 2010, S. 7-24.

5.4 Internetquellen

5.4.1 Papers

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Caroline Arni, „... and I shall love again“, in: Arbeitsgemeinschaf CINEMA (Hg.), Cinema 43, unabh. Schweizer Filmzeitschrif. 43. Jahrgang, Zürich: Chronos Verlag, 1998, S. 120-128, Abrufar unter: https://forschdb2.unibas.ch/inf2/rm_projects/object_view.php?r=144094 (17.11.2020). 146 Jonathan Bignell, "A taste of the gothic: flm and television versions of Dracula" [Orig. 2000 in: Sheen, E. and Giddings, R. (Hg.), From Page to Screen: Adaptations of the Classic Novel, Manchester: Manchester University Press, S. 114-130, ISBN 9780719052316], in: CentAUR: Central Archive at the University of Reading, Abrufar unter: http://centaur.reading.ac.uk/31782 (16.11.2020), S. 1-23.

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Melanie Haller, "Mode Macht Körper - Wie sich Mode-Körper-Hybride materialisieren", in: Body Politics 2, Hef 6, 2015, S. 187-211, Abrufar unter: http://bodypolitics.de/de/wp- content/uploads/2016/09/Hef_06_02_Haller_Mode-Macht-Koerper_End-1.pdf (3.3.2020).

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Christopher McGunnigle, „My Own Vampire: Te Metamorphosis of the Queer Monster in Francis Ford Coppola's Bram Stoker's Dracula“, in: ProQuest, Gothic Studies, Vol. 7 (2), Literature Online, Manchester: Manchester University Press, 2005, S. 172-184, Download unter: https://search- proquest-com.uaccess.univie.ac.at/docview/216251836/fulltextPDF/89CE167E09684475PQ/1? accountid=14682 (26.10.2020).

Kristin Tompson, "Te Concept of Cinematic Excess", in: David Ellen/Teresa de Lauretis (Hg.), Ciné-Tracts. A Journal of Film, Communications. Culture, and Politics, Montréal: Vanier College Press, 1977, S. 54-63, Abrufar unter: https://library.brown.edu/cds/cinetracts/CT02.pdf (28.02.2020).

5.4.2 Artikel

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"Phantasmagorie", in: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschafen (Hg.), DWDS - Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, Abrufar unter: https://www.dwds.de/wb/Phantasmagorie (02.08.2020).

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"Spektakel. Etymologie", in: Wolfgang Pfeifer et al. (Hg.), Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (1993), digitalisiert und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, Abrufar unter: https://www.dwds.de/d/wb-etymwb/ https://www.dwds.de/wb/Spektakel (01.07.2020).

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Emma Myers, „ND/NF Interview: Ana Lily Amirpour“, in: Film Comment, Published by Film at Lincoln Center, 2014, Abrufar unter: https://www.flmcomment.com/blog/interview-ana-lily- amirpour/ (23.11.2020).

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Virginie Sélavy, „A Girl Walks Home Alone At Night: Interview with Ana Lily Amirpour“, in: Electric Sheep Magazine, 2015, Abrufar unter: http://www.electricsheepmagazine.co.uk/2015/05/19/a-girl-walks-home-alone-at-night-interview- with-ana-lily-amirpour/ (23.11.2020).

Christina Striewski, „Nichts, das ist kein schlechter Slogan“, in: Tierry Chervel/Tekla Dannenberg/Arnim Eisenhut/Anja Seeliger (Hg.), Perlentaucher. Das Kulturmagazin (Online), Berlin: 2011, Abrufar unter: https://www.perlentaucher.de/essay/nichts-das-ist-kein-schlechter- slogan.html (07.11.2020).

Genevieve Valentine, „ Shall We ?: Legend's Lily and the Subversion of the Damsel Stereotype“, in: Fantasy Magazine, 2015, Abrufar unter: https://www.fantasy-magazine.com/old- categories/non-fction/articles/shall-we-dance-legends-lily-and-the-subversion-of-the-damsel- stereotype/ (24.11.2020).

Eva-Marie Verfürth, „Iranische Blutsaugerin“, in: E+Z Entwicklung und Zusammenarbeit/D+C Develeopment und Cooperation, 2016, Abrufar unter: https://www.dandc.eu/de/article/mit- einem-vampir-western-auf-farsi-erobert-die-us-iranische-community-die-internationalen (23.11.2020).

Jonas Vogt, „'A Girl Walks Home Alone At Night' ist der iranische Vampir-Western, den ihr braucht“, in: Vice Media Group, 2015, Abrufar unter: https://www.vice.com/de/article/avqnkj/a- girl-walks-home-alone-at-night-premiere-111 (23.11.2020).

5.5 Filme

Andrew G. La Marca/Charles M. LaLoggia/Frank LaLoggia/Clif Payne/Carl R. Reynolds/Peter Kolokouris (Produz.) & Frank LaLoggia (Regie), Lady in White (dt. Titel: Die phantastische Reise ins Jenseits), Costume Design: Jacqueline Saint Anne, Cinematography: Russell Carpenter, Production Design: Richard K. Hummel, Art Direction: Howard Kling/Kenneth Wolf Jr., Set Decortation: Sarah Burdick Stone, US: New Century Vista Film Company.

Peter Jackson/Michael Lynne/Mark Ordesky/Barrie M. Osborne/Rick Porras/Tim Sanders/Jamie Selkirk/Robert Shaye/Ellen Somers/Fran Walsh/Bob Weinstein/Harvey Weinstein (Produz.) & Peter Jackson (Regie), Te Lord of the Rings; Te Fellowship of the Ring (dt. Titel: Der Herr der Ringe: Die Gefährten), Costume Design: Ngila Dickson/Richard Taylor, Cinematography: Andrew Lesnie, Production Design: Grant Major, Art Direction: Joe Bleakley/Dan Hennah/Philip Ivey/Rob Outterside/Mark Robins, Set Decoration: Dan Hennah/Alan Lee, US/NZ: New Line Cinema/WingNut Films, 2001.

Bonnie Bruckheimer/Mick Garris/Steven Haf/Jay Heit/ David Kirschner/Ralph Winter (Produz.) & Kenny Ortega (Regie), Hocus Pocus, Costume Design: Mary E. Vogt, Cinematography: Hiro Narita,

149 Production Design: William Sandell, Art Direction: Nancy Patton, Set Decoration: Rosemary Brandenburg, US: Walt Disney Pictures, 1993.

Michael Apted/ Fred Fuchs/Charles Mulvehill/Francis Ford Coppola (Produz.) & Francis Ford Coppola (Regie), Dracula (dt. Titel: Bram Stoker's Dracula), Costume Design: Eiko Ishioka, Cinematography: Michael Ballhaus, Production Design: Tomas E. Sanders, Art Direction: Andrew Precht, Set Decoration: Garrett Lewis, Romanvorlage: Bram Stoker, Drehbuch: James V. Hart, US: Columbia Pictures, 1992.

Julio Caro/Donna Langley/Carolyn Manetti/Eric McLeod/Mark Protosevich/Stephen J. Ross/Nico Soultanakis/Tommy Turtle (Produz.) & Tarsem Singh (Regie), Te Cell, Costume Design: Eiko Ishioka/April Napier, Cinematography: Paul Laufer, Production Design: Tom Foden, Art Direction: Geof Hubbard/Michael Manson, Set Decoration: Tessa Posnansky, US/DE: New Line Cinema/Kinowelt Verleih, 2000.

Meta Louise Foldager/Louise Vesth (Produz.) & Lars von Trier (Regie), Melancholia, Costume Design: Manon Rasmussen, Cinematography: Manuel Alberto Claro, Production Design: Jette Lehmann, Art Direction: Simone Grau Roney, DK/SE/FR/DE/IT: Zentropia Entertainments/Memfs Film/Slot Machine/ Liberator Productions/ Film i Väst/Danmarks Radio/Arte France Cinéma/Sveriges Television/Canal+/Centre national du cinéma et de l'image animée/CinéCinéma/Edition Video/Nordisk Film/Det Danske Filminstitut/Eurimages/Swedish Film Institute/Filmstifung Nordrhein-Westfalen, 2011.

Joe Roth/Sam Mercer (Produz.) & Rupert Sanders (Regie), Snow White and Te Huntsman, Costume Design: Colleen Atwood, Cinematography: Greig Fraser, Production Design: Dominic Watkins, Art Direction: Andrew Ackland-Snow/Alastair Bullock/John Frankish/Oliver Goodier/Stuart Rose/David Warren, Set Decoration: Fainche MacCarthy, US: Universal Pictures, 2012.

Charles Roven/Emma Tomas/Larry Franco (Produz.) & Christopher Nolan (Regie), Batman Begins, Costume Design: Lindy Hemming, Cinematography: Wally Pfster, Production Design: Nathan Crowley, Art Direction: Peter Francis/Paul Kirby/Simon Lamont/Dominic Masters/Alan Tomkins/Su Whitaker/Eggert Ketilsson/David Lee/Shane Valentino, Set Decoration: Gene Foad/Andrew Hodgson/Paki Smith/Simon Wakefeld, US/UK: Warner Bros. Pictures, 2005.

Ana Lily Amirpour/Justin Begnaud/Sina Sayyah (Produz.) & Ana Lily Amirpour (Regie), A Girl Walks Home Alone at Night, Costume Design: Natalie O'Brien, Cinematography: Lyle Vincent, Production Design: Sergio De La Vega, Art Direction: Sam Kramer, US: Capelight Pictures/Shahre Bad Picture, LLC.., 2014.

Kevin Feige (Produz.) & Scott Derrickson (Regie), Doctor Strange, Costume Design: Alexandra Byrne, Cinematography: Ben Davis, Production Design: Charles Wood, Art Direction: Julian Ashby/Jim Barr/Tomas Brown/Ray Chan/Miles Christensen/Jason T. Clark/Jordan Crockett/Jef Julian/ Calla Klessig/Michael Manson/Mike Stallion/Mark Swain, Set Decoration: John Bush, US: Walt Disney Studios Motion Pictures, 2016.

Arnon Milchan (Produz.) & Ridley Scott (Regie), Legend, Costume Design: Charles Knode, Cinematography: Alex Tomson, Production Design: Assheton Gorton, Art Direction: Leslie Dilley/Norman Dorme/Clif Robinson, Set Decoration: Ann Mollo, US: Embassy International Pictures N.V., 1985. 150 Andrew Starke (Produz.) & Peter Strickland (Regie), In Fabric, Costume Design: Jo Tompson, Cinematography: Ari Wegner, Production Design: Paki Smith, Art Direction: Felicity Hickson, Set Decoration: Adrian Greenwood, UK: Rook Films/BBC Films, British Film Institute/Headgear Films/Metrol Technology, 2018.

151 Eidesstattliche Erklärung:

Ich erkläre hiermit, dass ich die Diplomarbeit selbstständig verfasst, keine andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfen bedient habe, dass diese Diplomarbeit weder im In- noch Ausland (einer Beurteilerin / einem Beurteiler zur Beurteilung) in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt wurde, dass dieses Exemplar mit der beurteilten Arbeit übereinstimmt.

Anna Bergmann Wien, 30. November 2020

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