Zeitschrift für bündnisgrüne Politik in Sachsen OKTOBER 2001 THEMA: Terror in Amerika Beitrag von Dr. Dietrich Herrmann und die Erklärung des Landesvorstands

LANDESVERBAND Wir haben eine Wahl zu gewinnen Karl-Heinz Gerstenberg zu den Aufgaben grüner Politik in Sach- sen

EUROPA Globalisierung als 123Herausforderung Wolfgang Ullmann über Europa als Modell für eine globale Demokratie

JUGEND Stunde Null Jan Landmann über den Neuan- fang beim Grünen Jugendbündnis

LANDESVERBAND Sozialpolitik vertagt Anett Ramisch zur Diskussion des Dresdner Sozialpapieres 456

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Aufwind_01-10.indd v17p 1 02.10.2001, 12:07 Uhr EDITORIAL Foto: Jens Bitzka Foto: Inhalt VERÄNDERUNGEN

Editorial, Impressum 2

Bundestagswahl 3 Mitten in den Vorbereitungen dieser „Aufwind“-Ausgabe wurde auch Erklärung des Landesvorstands 4 die Reaktion mit den schrecklichen Bildern von den Terroranschlägen in den USA konfrontiert. Auch wir teilen die weltweite Trauer um die Denkmuster auf den Kompost 5 Opfer der Attentate und die Solidarität mit ihren Angehörigen. Es fällt schwer, Worte für das Geschehene zu finden, ich selbst gestehe meine 10 Jahre Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen 7 Hilflosigkeit und auch Angst ein.

Europa als Modell für globale Demokratie 8 Einer der meistgebrauchten Sätze der letzten Wochen ist: „Nichts ist mehr, wie es vorher war“. Für die Redaktion bedeutete dies, das bis- Vogtland auf dem Weg zu Ökolandbau 10 herige Konzept dieser Ausgabe umzustellen. Dietrich Herrmann setzt sich in einem Beitrag mit den Ereignissen und deren Folgen für uns Postkartenaktion Käfighaltung 11 auseinander, einige andere Artikel nehmen darauf Bezug, auch wenn das Thema vor dem 11. September eigentlich ganz anders gedacht war. Info-Tour gegen Rechts 12 Der Landesvorstand hat am 25. September in einer viel beachteten Pres- sekonferenz eine Erklärung zu den Terroranschlägen veröffentlicht. Vie- Aufschlussreiche Tage in Hamburg 12 le Stellungnahmen von der Basis zeigen, dass der Landesverband in wichtigen Fragen wieder zum Leben erwacht. Ich hoffe, dass die Dis- Stunde Null 12 kussion zu diesem Thema aussstrahlt und sich wieder mehr Mitglieder als in der Vergangenheit an den politischen Debatten im Lande aktiv Sozialpolitik wurde vertagt 14 beteiligen.

Nachrichten aus den Kreisverbänden 15 In einem bemerkenswerten Interview, das wir dankenswerterweise vom „Publik-Forum“ zur Verfügung gestellt bekamen, äußert sich Wolfgang DAKS e.V. 15 Ullmann zu den Folgen des „wilden Kapitalismus“ und den Hoffnungen der Globalisierungsgegner. Welche Aufgaben die Europäische Union, ge- Termine 16 rade bei der Entwicklung alternativer Wirtschaftsmodelle, haben könnte - diese Frage wird uns sicher noch eine geraume Zeit beschäftigen, nicht Infostand ausleihbar 16 nur in Hinblick auf die Auseinandersetzungen in Genua. Vor Bündnis 90/Die Grünen steht die Aufgabe, eigene Konzepte zur Globalisierung zu entwickeln und dabei auch mit den neuen Bewegungen der Globali- sierungsgegner ins Gespräch zu kommen.

In Sachsen neigt sich die Ära Biedenkopf nun endgültig dem Ende zu. Der alte Mann konnte nicht verhindern, dass ein in seinen Augen „unfähiger Politiker“ Chef der Landes-CDU wurde. Man darf gespannt IMPRESSUM sein, für welche Politik der ehemalige Finanzminister, der ja auch von Aufwind Bündnis 90/Die Grünen oft genug kritisiert wurde, steht. Bemerkens- Zeitschrift für bündnisgrüne Politik wert am sächsischen CDU-Parteitag war unter anderem auch die pein- in Sachsen liche Schlappe, die Kultusminister Rößler hinnehmen musste. Wann beweist dieser Mann endlich mal den Mut und tritt zurück? Im Streit Herausgeberin der Landeszeitschrift der Sorben um den Erhalt ihrer Schulstandorte hat Herr Rößler wieder BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen einmal bewiesen, wie perspektivlos die von ihm vertretene sächsische Landesvorstand Schulpolitik ist. In Abwandlung anderer, in der letzten Zeit häufig ge- Wettiner Platz 10, 01067 brauchter Wörter, können Eltern hierzulande sagen: Heute sind wir alle T: (0351) 494 01 09 Sorben. Fax: (0351) 496 19 75 E-Mail: [email protected] „Der Bundestagswahlkampf beginnt jetzt“, schreibt Karl-Heinz Gersten- berg und nimmt in seinem Beitrag nicht nur Bezug auf zentrale po- Redaktion: litische Inhalte. Wichtig sind die Menschen vor Ort, die die Themen Andreas Warschau (V.i.S.d.P.) glaubwürdig vertreten können. Im Oktober wird es eine „Info-Tour ge- Rolf Daehne, gen Rechts“ geben, die genau diese Präsenz in einigen Kreisverbänden Hartmut Steglich demonstrieren wird. Eine weitere Möglichkeit, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, ist die Aktion zur Legehennenverordnung, die im Fotos: Jens Bitzka, Hartmut Steglich, Archiv Oktober durch den Bundesrat beschlossen werden soll. Die sächsische Regierung ist in dieser Frage, genau wie beim Dosenpfand, noch wider- Redaktion Aufwind spenstig. Es wäre gut, wenn wir als Grüne überall im Lande klar machen, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen wo die Bremser sitzen und wer eine wirklich glaubwürdige ökologische Wettiner Platz 10, 01067 Dresden Politik vertritt. T: (0351) 494 01 09 Fax: (0351) 496 19 75 E-Mail: [email protected] Andreas Warschau

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Aufwind_01-10.indd v17p 2 02.10.2001, 12:07 Uhr LANDESVERBAND Foto: Jens Bitzka Foto: Der Bundestagswahlkampf beginnt jetzt

Wir haben nichts zu verlieren, aber eine Wahl zu gewinnen

Die Terroranschläge in den USA haben die po- tember in einer Erklärung versucht, die in diesem litische Situation und die Debatten in der Ge- Heft dokumentiert ist. sellschaft schlagartig verändert. Ende August Wenn wir diese Herausforderung meistern, dann berieten der Landes- kann es uns gelingen die Serie verlorener Wahlen von Karl-Heinz Gerstenberg vorstand und die Spre- im kommenden Jahr zu beenden. cherinnen und Spre- Für uns Bündnisgrüne in Sachsen cher der Kreisverbände erstmals über die ist die Bundestagswahl eine ent- Vorbereitung der Bundestagswahl 2002. Der Weg scheidende Zwischenstation auf dahin schien planbar und überschaubar. Heute dem Weg in das Jahr 2004. 1999 wissen wir, dass unsere Arbeit in den kommen- wurden wir mit 2,6% nahezu mar- den Wochen und Monaten maßgeblich von den ginalisiert, im nächsten Jahr ha- Ereignissen des 11. September und ihren Folgen ben wir es in der Hand, nicht nur beeinflusst werden wird. Das was wir in der näch- unseren Beitrag zu einem guten sten Zeit in der rot-grünen Regierung und den Bundesergebnis zu liefern, son- Koalitionsfraktionen entscheiden und durchset- dern auch wieder mit größerem zen, wird nicht nur Auswirkungen auf die deut- politischen Gewicht in die landes- sche und die internationale Politik haben. Wir politische Diskussion einzugrei- legen damit auch unsere Ausgangsposition zur fen. Die Chancen dafür stehen kommenden Bundestagswahl fest. gut: Seit 1990 haben wir bei Im Gefolge der Terroranschläge hat der Kampf Bundestagswahlen stets unsere der Meinungen und der Lebensentwürfe begon- besten Ergebnisse erreicht. Alle nen. Aus den Schubladen wird alles geholt, was Umfragen zeigen: Die grüne Pro- schon lange auf konservativen Wunschzetteln minenz der ersten Reihe ist be- Foto: Andreas Schoelzel stand, bis hin zur Aufhebung der Trennung von stens bekannt und, zumindest in Karl-Heinz Gerstenberg Polizei und Armee sowie Polizei und Geheimdien- der eigenen Wählerschaft, aner- ist Landessprecher sten. Wir scheinen zur Zeit die einzige politische kannt und beliebt. Und wir haben von Bündnis 90/ Kraft zu sein, die in sorgsamer Abwägung Sicher- 2002 eine wichtige Funktion, wenn Die Grünen in Sachsen heit gegen die neuen Bedrohungen herstellen in der zu erwartenden Richtungs- und zugleich Freiheit und Rechtsstaat verteidi- wahl die Frage nach einer Weiterführung von Rot- gen will. In dieser Diskussion sind wir Sachsen Grün steht. gefragt, denn die grüne Handschrift in der Ver- Unsere Vorbereitungen für die Wahl beginnen fassung des Freistaates ist bei der Selbstbestim- jetzt. Nicht nur, indem Großflächen gemietet wer- mung über die personenbezogenen Daten und den. Wichtiger als alle Plakate und Falter sind die der Kontrolle nachrichtendienstlicher Mittel zu Menschen, die mit ihrer Persönlichkeit für grüne finden. Politik stehen. Die etwas akademischen Diskus- sionen über Sinn und Unsinn von Direktkandi- daturen sollten der Vergangenheit angehören. Wichtiger als alle Plakate und Falter sind die Menschen, die Wahlen werden stärker denn je über die Medien mit ihrer Persönlichkeit für grüne Politik stehen. entschieden, und die konzentrieren sich auf Per- sonen. Das gilt nicht nur für die Promis in den zentralen Runden, sondern auch für unser Han- So sehr wir uns in den innenpolitischen Diskus- deln vor Ort. Gerade hier im Osten brauchen wir sionen bisher einig sind, so sehr wird uns die in- KandidatInnen in den Wahlkreisen, die Grünen ternationale Entwicklung umtreiben. Hier stehen zum Anfassen. Überdurchschnittlich gute Ergeb- wir vor der weit größeren Herausforderung. Wenn nisse haben wir bisher dort erreicht, wo über Jah- es der Staatengemeinschaft nicht gelingt, in ei- re überzeugende Menschen kontinuierlich agiert ner großen Antiterrorkoalition gemeinsam mit haben. Wenn das im Wahlkreis schwierig wird, den islamischen Staaten auf die massenmörderi- dann sollte auch die Hilfe großer Kreisverbände schen Angriffe eine zivilisierte Antwort zu geben, möglich sein. dann wird aus der Kriegsrhetorik Kriegshandlung Und wir brauchen Menschen, welche unsere Ar- werden – mit bisher unabsehbaren Folgen. Wir beit im Wahljahr 2002 steuern und verantwor- Grünen sind in dieser Situation in der Regierung, ten. Im November steht vor uns die Aufgabe, ei- wir sind vorn dran. Daraus erwächst uns die Auf- nen neuen Landesvorstand zu wählen. Gefragt gabe, mit allen Kräften nach politischen, wirt- sind dafür KandidatInnen, die politische Erfah- schaftlichen und zivilen Lösungen zu suchen und rung, fachliche Kompetenz und Einsatzbereit- das Abrutschen in einen Krieg zu verhindern. Al- schaft mitbringen. Und die sich in einem einig so: von vorn bremsen. Die politische Kunst liegt sind: Wir haben nichts zu verlieren, aber eine darin, auch die Grenzen für eine Mitwirkung zu Wahl zu gewinnen. setzen. Der Landesvorstand hat dies am 25. Sep- 3

Aufwind_01-10.indd v17p 3 02.10.2001, 12:07 Uhr TERROR IN AMERIKA Foto: HartmutFoto: Steglich

„Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird beides verlieren“ B

Wir dokumentieren hier eine Erklärung des Landesvorstandes und lassen den Politikwissenschaftler Dr. Dietrich Herrmann mit seinen Einschätzungen zu Wort kommen.

Mit Sicherheit wird das Thema uns auch in der nächsten Ausgabe beschäftigen. Die Redaktion bittet um Leserbriefe.

TERROR BEKÄMPFEN - ESKALATION DER GEWALT VERHINDERN

Dresden, 25. September 2001. Der Landes- hen wir alle Versuche, die USA politisch ein- daran zu messen sein, ob dieses globale vorstand von Bündnis 90/Die Grünen Sach- zubinden und auf Besonnenheit und Klugheit Antiterrorbündnis erhalten und gestärkt wird sen hat zur Diskussion der Antwort auf die zu setzen. Wir halten die bedingte Annahme oder ob etwa der Fundamentalismus in den Terroranschläge in den USA nachfolgenden des Bündnisfalles für unvermeidbar und in islamischen Staaten neue Nahrung erhält Beschluss gefasst: erster Linie für ein Signal politischer Solida- und ganze Regionen destabilisiert werden. rität. Die Terroranschläge haben verdeutlicht, dass „Die Terroranschläge in New-York und Was- Sicherheit heute nicht national und gegen- hington haben die Welt erschüttert. Ihr ent- Wir beobachten und verstehen, dass bei vie- einander und auch nicht allein militärisch setzliches Ausmaß und ihre Wirkungen sind len Menschen die Trauer um die Opfer mehr hergestellt werden kann. Wer den Terroris- von historischer Tragweite. Wir teilen die und mehr der Angst vor einem Krieg ge- mus bekämpfen will, muss sich mit dem weltweite Trauer um die Opfer der Attentate wichen ist. Geschürt werden diese Ängste Geflecht der Ursachen beschäftigen. Neuen und die Solidarität mit ihren Angehörigen. durch eine Kriegsrhetorik, die von „Kreuz- Bedrohungen muss möglichst mit Krisenprä- zug“ und dem „monumentalen Kampf des vention und ziviler Konfliktbearbeitung bege- I. Eine den Menschenrechten, der Demokra- Guten gegen das Böse“ spricht und den Ein- gnet werden. tie und der Rechtsstaatlichkeit verpflichtete satz „jeder notwendigen Waffe des Krieges“ Diplomatische Offensiven - etwa für den Na- Politik muss den Terrorismus verfolgen und androht. Wir wenden uns gegen eine Spra- hen Osten - sind ebenso notwendig wie bestrafen. Die Verbrechen richteten sich ge- che, die einem Krieg eine problemlösende ein weltweiter Interessenausgleich auf wirt- gen die Wirtschafts- und Militärmacht USA. Kraft im Kampf gegen den Terrorismus zu- schaftlichem und sozialem, kulturellem und Aber sie sind auch Angriffe auf unser Zusam- weist. Massive militärische Einsätze nehmen ökologischem Gebiet. menleben, auf Menschenwürde, Offenheit Todesopfer unter der Zivilbevölkerung und Wir warnen ebenso vor der sich abzeichnen- und Toleranz. Zerstörungen in Kauf und drehen die Spirale den Gefahr, dass Staaten versuchen, unter Eine Gesellschaft, die sich als zivilisiert be- der Gewalt weiter. Wir wenden uns mit aller der Überschrift der Terrorismusbekämpfung zeichnet, muss im Kampf gegen den interna- Entschiedenheit dagegen, ganze Völker oder gegen Minderheiten und Sezessionsbewe- tional operierenden Terrorismus ihren eige- Regionen anzuklagen oder gar mit Krieg zu gungen mit verschärfter Gewalt vorzugehen. nen zivilisatorischen Ansprüchen genügen. überziehen, nur um terroristischen Mörder- Die Täter und ihre Hintermänner sollen in banden das Handwerk zu legen. II. „Der Mensch, der bereit ist, seine Freiheit Anlehnung an den Beschluss des UN-Si- Zugleich halten wir aber Äußerungen für aufzugeben, um Sicherheit zu gewinnen, cherheitsrat vor einen Internationalen Ge- bedenklich, die Terroranschläge im Kontext wird beides verlieren“. (Benjamin Franklin) richtshof gestellt werden. Zu ihrer Ergreifung der amerikanischen Politik im israelisch-pa- Die Freiheit zu sichern ist in unserer De- müssen polizeiliche bzw. polizeiähnliche Mit- lästinensischen Konflikt als „verdient“ zu be- mokratie die Aufgabe des Rechtsstaates. Er tel eingesetzt werden, die durch das Völ- zeichnen bzw. mit dem Verweis auf die täg- muss sich den in Ausmaß und Brutalität völlig kerrecht gedeckt sind. Rechtsstaatliche Prin- lichen Hungertoten weltweit relativieren zu neuen terroristischen Formen entschlossen zipien sind zu wahren. Deutschland steht wollen. und besonnen zugleich stellen. Notwendig vor der Aufgabe, mit politischen, wirtschaft- Im Gegensatz zur Rhetorik haben die USA ist nicht eine Vielzahl von Gesetzesverschär- lichen und polizeilichen Mitteln an der Fest- bisher auf schnelle Vergeltungschläge ver- fungen, sondern die ehrliche Debatte über nahme der Täter mitzuwirken. zichtet und die Koalition mit den NATO- eine Verbesserung der Qualität der Sicher- Das Ziel unserer Politik kann sich nicht dar- Bündnispartnern und der UNO gesucht. Na- heitskonzepte. Nur so nehmen wir das auf beschränken, eine Beteiligung der Bun- hezu alle arabischen Staaten haben die Sicherheitsbedürfnis der Menschen ernst. deswehr an einem drohenden Militäreinsatz Anschläge verurteilt und teilweise ihre Mit- Offene Gesellschaften sind aber immer auch zu verhindern. Wir wollen überhaupt keinen wirkung im Kampf gegen den Terrorismus verwundbare Gesellschaften, in denen es Krieg oder Vergeltungsschlag. Darum beja- angeboten. Jede künftige Maßnahme wird keine lückenlose Sicherheit geben kann. Ei- 4

Aufwind_01-10.indd v17p 4 02.10.2001, 12:07 Uhr AMERIKA Foto: HartmutFoto: Steglich DENKMUSTER AUF DEN “ Benjamin Franklin KOMPOST!

Zu den Anschlägen auf New York und Washington

von Dr. Dietrich Herrmann 2. Die US-amerikanische Regierung hat in den ersten Tagen mehrfach mit kriegerischer Seien wir ehrlich: Niemand hat Anschläge Rhetorik auf die An- in der Art, wie sie New York und Washing- schläge reagiert. Präsi- ton trafen, für möglich gehalten. Seien wir dent Bush sprach von ehrlich: Wir haben alle einen militärischen einem „Kampf zwischen (Gegen-?) Schlag der USA innerhalb der Gut und Böse“, mehrfach ersten Tage nach den Anschlägen für sehr war von „Krieg“ die Re- wahrscheinlich gehalten. Ebenso reflexar- de. Wir müssen uns da- tig wurden binnen kurzem vorhandene bei klar machen, dass Netzwerke aktiviert, um per (elektroni- die Vereinigten Staaten scher) Unterschriftensammlungen die er- Krieg auf dem eigenen warteten Militäraktionen zu verhindern, Territorium seit 136 oder besser, in der Erwartung, sie nicht Jahren nicht mehr ken- ne wirksame Bekämpfung des Terrorismus verhindern zu können, wenigstens nen (der amerikanische Dr. Dietrich Herrmann muss überlegt, besonnen und unter stren- auszudrücken, dass mensch mit diesem Bürgerkrieg endete ist Mitglied im KV ger Beachtung des rechtsstaatlichen Prinzips militärischen Teufelszeug nichts zu tun ha- 1865); die letzten krie- Dresden und Politik- der Verhältnismäßigkeit der Mittel erfolgen. ben will und auf langfristige Strategien gerischen Auseinander- wissenschaftler an Diskriminierungen oder Verdächtigungen setzt. setzungen mit auslän- der TU Dresden gegenüber unbescholtenen Menschen auf- An verschiedenen Schulen Sachsens sind dischen Kräften auf grund ihrer Religion haben in unserer Gesell- einzelne Lehrer bei dem Versuch, die Ereig- amerikanischem Boden sind beinahe 200 schaft keinen Platz. nisse kritisch zu deuten, weit übers Ziel Jahre her (1814 brannten die Briten das Wir warnen davor, dass im Sog der Ereig- hinausgeschossen. Wieder reflexartig ha- Weiße Haus ab). „Krieg“ wurde somit in nisse grundlegende Bürgerrechte aufs Spiel ben Regionalschulämter und Kultusminis- den vergangenen Jahrzehnten eher zu ei- gesetzt werden. Der Datenschutz und der terium einige dieser Lehrer vom Dienst sus- nem Begriff, der eine sehr entschlossene Schutz der Privatsphäre dürfen nicht einge- pendiert; der Kultusminister fordert von Handlungsweise ausdrücken sollte, so engt werden. Wer sich für die Werte einer den sächsischen Lehrern „Neutralität“ bei firmierte die Armutsbekämpfung in den zivilen und demokratischen Gesellschaft der Diskussion von Ursachen und Folgen sechziger Jahren unter dem Begriff „war einsetzt und diese auch im Nahen Osten ein- der Anschläge. on poverty“, in den achtziger und neun- fordert, macht sich selbst unglaubwürdig, Diese wenigen Beispiele mögen illustrie- ziger Jahren eine Anti-Drogen-Kampagne wenn diese Werte im eigenen Land einge- ren, dass die Denkmuster, auf deren Grund- als „war on drugs“. Wenn jetzt vom „war schränkt werden. lage genau diese reflexartigen Reaktionen against terror“ die Rede ist, so KANN das Wir wenden uns entschieden gegen den Ab- und Interpretationen entstanden, auf den Krieg im herkömmlichen Sinne bedeuten, bau von Grundrechten, gegen eine Aushöh- Kompost gehören. muss es aber nicht. lung der Demokratie und eine Entwicklung in Ich will an den genannten Beispielen erläu- Die Anschläge waren zweifellos ein ge- Richtung Überwachungsstaat. Eine Demon- tern, wo ich meine, dass wir Kategorien, waltiger Schlag für das amerikanische tage der Demokratie hilft nicht im Kampf ge- die in Deutschland, in Europa weitverbrei- Selbstbewusstsein (mensch möge sich gen den Terrorismus, sondern trifft uns alle tet sind, angesichts der neuen Situation bitte einmal vergleichbare Anschläge in und in besonderer Härte die Schwachen und grundlegend hinterfragen müssen. Deutschland vorstellen). Daraus erwächst Ausgegrenzten unserer Gesellschaft. natürlich eine gewaltige Verblüffung und 1. Der Anschlag auf New York und Washing- Ratlosigkeit, wie mit der neuen Situation III. Wir wenden uns gegen Bestrebungen, die ton ist auch ein Anschlag auf unsere Ge- umzugehen ist. Der Reflex, schnell Terroranschläge als Anlass zu nehmen, um sellschaft; er hätte auch das Frankfurter zurückschlagen zu wollen, liegt dann sehr die Diskussion für ein Einwanderungsgesetz Bankenviertel, die Berliner Regierungsge- nahe. Die amerikanische Bevölkerung zu blockieren. Gerade jetzt brauchen wir eine bäude, die Innenstädte von Leipzig oder hätte einen schnellen Schlag mit Debatte und eine gesetzliche Grundlage zur Dresden treffen können. Die offene Gesell- überwältigender Mehrheit gestützt. Unab- Verbesserung der Rechte von Einwandern- schaft, die Marktwirtschaft, der Plura- hängig von der Bewertung halte ich einen den, Asylsuchenden und Flüchtlingen. Nicht- lismus, die Demokratie wird von den solchen Reflex nicht für außergewöhnlich. staatliche Verfolgung - wie durch das Regime wahrscheinlichen Drahtziehern als Bedro- Mensch möge sich etwa die Reaktionen in Afghanistan - muss in der Bundesrepublik hung ihrer fundamentalistischen Positio- der britischen Öffentlichkeit beim Angriff endlich auch als Fluchtgrund anerkannt wer- nen empfunden. Auch die Säkularisierungs- Argentiniens auf die dünnbesiedelten Fal- den. und Modernisierungsprozesse innerhalb kland-Inseln 1982 vor Augen halten, wie Es muss das Ziel staatlicher Politik werden, der Länder der islamischen Kulturkreise dort die Kriegsbereitschaft und der Pa- alle bei uns lebenden Menschen in die Ge- sind eine Bedrohung für deren Wahrheits- triotismus kaum vorstellbare Ausmaße an- sellschaft zu integrieren.“ anspruch. nahm (wohl bemerkt: das war damals kein 5

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Angriff auf London gewesen.). Seien wir ehr- 4. Wir machen es uns natürlich zu einfach, lich: in einer vergleichbaren Situation würden wenn wir, wie angeblich eine sächsische Lehre- wir in der Öffentlichkeit in Deutschland enorm rin gesagt haben soll, diese Anschläge als ver- nationalistische Töne hören. Deshalb plädiere dienten Denkzettel für die USA interpretieren. ich bei aller notwendigen Auseinandersetzung Eine solche Aussage kann zur Rechtfertigung mit dem übersteigert erscheinenden Patriotis- der Anschläge dienen, auch wenn dies viel- mus der Amerikaner dafür, anti-amerikanische leicht nicht gemeint war. Es ist in jedem Falle Ressentiments zu hinterfragen. Wer die Be- platt. Doch ist dies ein Grund für das Ein- schwörungen des Patriotismus et- wa bei der Trauerfeier am 23. „Ich finde dieses militärische Potenzgehabe September im New Yorker Yan- kee-Stadion erlebt hat, konnte gefährlich“ in der taz 22.09.01 sehen, wie sehr dieser Patriotis- mus auf Gemeinschaftsgeist und bürgerliches Engagement zielte. schreiten von Regionalschulamt oder Kultusmi- Es ist in der amerikanischen Tradition nichts nisterium, sind angebliche oder tatsächliche anstößiges, Feuerwehrleute und Polizisten im anti-amerikanische Äußerungen Anlass für öf- Einsatz als große Amerikaner und wahre Patri- fentliche plakative Selbstkritik, die als Voraus- oten zu feiern. Die Einbindung von religiösen setzung für die weitere Arbeit im Kollektiv Führern verschiedener Religionen unterstrich angesehen werden? Ich möchte bewusst auf die Breite des Konsenses; die Beschwörung Beispiele aus der amerikanischen Demokratie des Patriotismus dient vornehmlich der Selbst- verweisen: Der Oberste Gerichtshof in den USA vergewisserung in einer Phase des angeschla- hat vor einigen Jahren ausdrücklich festgestellt, genen Selbstbewusstseins. dass das Verbrennen der amerikanischen Flag- Es mehren sich auch in den USA kritische Stim- ge als Ausdruck der Meinungsfreiheit zulässig men, die vor der Eskalation von Patriotismus ist. Die Flagge spielt für die insgesamt sehr pa- hin zu Nationalismus und Intoleranz führen. triotischen Amerikaner eine bedeutende Rolle, Diese Kräfte sind stärker als wir hier manchmal so war die Entscheidung natürlich nicht un- wahrnehmen, aber wir sollten nicht die Illusi- umstritten, ebensowenig wie das Engagement on haben, dass sie sich von selbst durchsetzen der amerikanischen Bürgerrechtsvereinigung oder dass sie etwa durch eine Kritik von außen „American Civil Liberties Union“ für die Mei- an den USA als Nation gestärkt werden könn- nungsfreiheit von Rassisten. Die Idee dahinter ten. Die Solidarität mit dem amerikanischen ist, dass öffentlich geäußerte Meinungen – Volk, mit den New Yorkern (welche Stadt in und selbstverständlich ebenfalls deutlich der Welt demonstriert eine vergleichbare ethni- geäußerte konträre Äußerungen – keine Ge- sche und kulturelle Vielfalt?), steht an erster fahr für die Demokratie sind. Auf Sachsen be- zogen: Sind mit der Verurteilung von platten „Wir dürfen . . . nicht die Fehler der Vergangenheit anti-amerikanistischen Äußerungen durchaus wiederholen. Einer der Fehler war ein von Interes- weitverbreitete anti-amerikanische Ressenti- ments erfolgreich zu bekämpfen? Ich zweifle. sen geprägtes, ein instrumentelles Verhältnis zu Schüler können nicht mit fertigen Antworten Gewalt und Terror.“ Jürgen Trittin in Bezug auf abgespeist werden. Zur Entwicklung eines kriti- die Solidarität mit den USA am 22.09.01 auf der schen Staatsbürgers gehört auch, Meinungen von Lehrern durchaus heftig zu widersprechen, Regionalkonferenz in Göttingen dazu gehört auch gelegentlich, „falsche“ Inter- pretationen zu hören. Es wäre aber umgekehrt fatal, wenn über gesellschaftliche Fragen, die Stelle. Solidarität heißt nicht Unterwerfung, naturgemäß nicht „neutral“ behandelt werden sondern kritische Begleitung. Kritik heißt aber können, nicht mehr in der Öffentlichkeit der auch nicht Besserwisserei. Schule gesprochen werden könnte. Denunzie- rung von Lehrern, auch wenn sie mal was Fal- 3. Nach der Rede von George W. Bush vom 20.9. sches sagen, hatten wir gehofft, ist eine Sache ist jedenfalls eines unmissverständlich klar: der Vergangenheit. Mit dem Verbot anti-ame- Der isolationistische Ansatz, der seine Wahl- rikanischer Äußerungen ist jedenfalls der of- kampagne und die ersten Monate seiner Amts- fenen Gesellschaft und der deutsch-amerikani- zeit prägte, ist Vergangenheit. Bushs Regierung schen Freundschaft nicht gedient. muss und wird entgegen früherer Beteuerun- gen stärker mit anderen Ländern zusammenar- Bekennen wir uns ein Stück zur Ratlosigkeit an- beiten, sich der Welt zu wenden. Hierin liegen gesichts der Ereignisse, bloß reflexartige Reak- enorme Chancen nicht nur für den Nahost-Frie- tionen auf der Basis alter Denkmuster bringen densprozess. Denken wir etwa an die interna- uns kaum weiter. Wir stehen an einem Para- tionale Strafgerichtsbarkeit, die bislang auf digmenwechsel: Schmeißen wir diese alten Ka- heftigen Widerstand bei der amerikanischen tegorien auf den Kompost. Der dort in Ruhe Regierung gestoßen war. Eine Einbindung der entstandene Humus mag dann gute Gedanken USA könnte ein großer Fortschritt sein. hervorbringen. 6

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10 Jahre Bündnis 90 / DIE GRÜNEN in Sachsen

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Aufwind_01-10.indd v17p 7 02.10.2001, 12:07 Uhr EUROPA

Die Folgen des wilden Kapitalismus und die Hoffnungen der Globalisierungskritiker

Europa als Modell für eine globale

Fragen an den ehemaligen Europa-Abgeord- rechtigkeit und ökologische Prinzipien einge- verschwunden. Im Gegenteil. Die sind eben neten Wolfgang Ullmann. Wir dokumentieren bracht werden. Wie notwendig dies ist, das auch global. Selbst die jetzt viel erörterten ein Interview, das Bettina Röder im „Publik- zeigt schon der Kampf um Klimaschutzabkom- Fundamentalisten in Afghanistan und anders- Forum“ mit ihm führte. men und die Obstruktion der amerikanischen wo sind zwar Verbündete des Kapitalismus, Wirtschaft und ihrer Regierung dagegen. aber es sind auch Leute, die antreten gegen Publik-Forum: Herr Ullmann, sehen Sie nach die Verwahrlosung, die der Kapitalismus auf den Auseinandersetzungen in Genua in der Publik-Forum: Sehen Sie in der Globalisie- der ganzen Welt anrichtet. Politik einen neuen Umgang mit der Globali- rung ein Stück struktureller Gewalt? sierung der Wirtschaft? Ullmann: Ja, natürlich. Dabei muss einem aber Publik-Forum: Inwiefern ist der Kapitalis- Wolfgang Ullmann: Überhaupt nicht, zumal klar sein, dass die Tatsache der Globalität gar mus antidemokratisch? die Vorgänge in Genua gezeigt haben, dass an nicht von der Wirtschaft erfunden wurde. Sie Ullmann: Weil er die Tatsache der Gemein- ganz falschen Fronten gekämpft wird. ist eine politische Konsequenz der Weltkrie- samkeit durch die Ungleichheit torpediert, die ge. Die Weltkriege haben die entsprechenden er hervorbringt. Und das ist eben der Unter- Publik-Forum: In welcher Hinsicht? Staaten zu einer politischen Einheit gemacht. schied zum Ende des 19. Jahrhunderts, dass Ullmann: Es wird nicht um Sachfragen gestrit- Davon kommen wir nicht wieder weg. Aber Ungleichheit jetzt auch global ist. Ganze Län- ten. Stattdessen reden die Regierungen die es kann doch nicht sein, dass eben diese Glo- der, ja Erdteile werden wirtschaftlich abge- teilweise katastrophalen Folgen der Globalisie- balität weiter nichts anderes darstellt als das schrieben und drohen im Elend zu versinken. rung schön. Kaum jemand formuliert eine klare Spielfeld für die Globalisierung des Kapita- Daraus resultieren oft Bürgerkriege, die wie- Kritik, von Alternativen ganz zu schweigen. lismus. Deshalb stehen wir vor einer ent- der Opfer fordern. scheidenden Frage: Wollen wir als Ziel der Publik-Forum: Gibt es denn Alternativen zu Menschheitsentwicklung die Globalisierung Publik-Forum: Muss man gleich den Kapita- einer globalen Wirtschaft? des Kapitalismus oder die Globalisierung der lismus abschaffen, um dies zu ändern? Ullmann: Zunächst muss man sich klar ma- Demokratie? Ullmann: Man kann ja durchaus auch auf chen, dass es eine Wahnidee ist, die ganze vernünftige Weise kapitalistisch wirtschaften. Welt in einen einzigen Markt zu verwandeln. Publik-Forum: Versteckt sich dahinter nicht Aber was wir zur Zeit tun, ist doch alles an- Das ist genauso eine Wahnidee wie der Gedan- eine antikapitalistische Kritik, die den moder- dere als vernünftig! Schon wegen der Vergeu- ke einer Weltregierung. Auf der anderen Seite nen Gesetzen des Marktes nicht mehr stand- dung ökologischer Ressourcen. Was wir heute werden wir hinter die bestehenden Weltwirt- hält? haben, das sind doch keine normalen Märkte schaftsabkommen nicht mehr zurückgehen Ullmann: Das ist eine beliebte Phrase. Sie wie- mehr, sondern Vertriebskämpfe in bestimm- können. derholt all jene Phrasen des 19. Jahrhunderts, ten Absatzgebieten. Im Süden können die mei- die man schon immer zu hören bekam, wenn sten Menschen nichts kaufen, und im Norden Publik-Forum: Also ist die globale Wirtschaft man den Kapitalismus kritisierte. Der heutige werden die Kaufkräftigen gezwungen, Sachen als solche unvermeidlich. Was bedeutet das Kapitalismus ist natürlich nicht mehr der aus zu kaufen, die sie überhaupt nicht brauchen. für die Politik? Bismarcks und Bebels Zeiten. Aber das heißt Ullmann: Jetzt wartet eine riesige Dimension doch noch lange nicht, dass der heutige Kapi- Publik-Forum: Gibt es in der Politik Kräfte, von globalen Gesetzgebungsaufgaben auf talismus problemloser wäre als der Kapita- die sich gegen diese Entwicklung stem- uns. Es kann nämlich nicht angehen, dass auf lismus des endenden 19. Jahrhunderts, als men? globaler Ebene alle gesetzlichen Regelungen Marx seine Analyse geschrieben hat. Und Ullmann: Im Augenblick gibt es auf der offizi- von Investitionsinteressen ausgehen. In die man kann doch nicht sagen: Weil die Marx- ellen politischen Ebene kaum Kräfte, die sich Welthandelsabkommen müssen auch Passa- schen Lösungsvorschläge nicht funktioniert der barbarisierenden und Ungleichheit erzeu- gen über soziale Rechte, über Umweltge- haben, sind die Probleme des Kapitalismus genden Tendenz entgegenstellen. Außer der 8

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großen Ausnahme, dass auf transnationaler berechtigt. Und die Uferlosigkeit der Kapi- Ullmann: Das liegt an der Stagnation der ge- Ebene politische Strukturen entstehen wie talvermarktungsinteressen ist verbunden mit genwärtigen Politik. Wir haben bei der Konfe- die Europäische Union. Das ist die einzig mög- Kulturlosigkeit und Barbarisierung. Wir haben renz von Nizza gesehen, dass die derzeitige liche Gegenkraft! doch in Gestalt der Nazis und in gewisser Wei- Dominanz des Europäischen Rates, in dem die se auch im kommunistischen Totalitarismus Regierungschefs der Nationalstaaten sitzen, Publik-Forum: Inwiefern ist die Europäische schon erlebt, dass technischer Perfektionis- nicht mehr funktioniert, weil sie nur ihre na- Union ein Gegenkonzept zur Globalisie- mus durchaus mit kultureller Barbarei einher- tionalen Interessen vertreten. Das EU-Parla- rung? gehen kann. Dass das die heutigen Lobredner ment und die EU-Kommission, die immer Ullmann: Sie ist ein Versuch, auf internationa- des globalen Kapitalismus nicht wahrhaben wieder progressive und gemeinschaftsorien- ler Ebene, aber in einer Region, die wirtschaft- wollen, halte ich für eine gefährliche Sache. tierte Vorschläge machen, werden dagegen liche, soziale und ökologische Entwicklung zu gebremst. gestalten. Warum sollen nicht anderswo ähn- Publik-Forum: Wir haben aber in diesem liche Modelle wie die Europäische Union ent- totalitären Kommunismus auch erlebt, dass Publik-Forum: Woran liegt das? stehen? Zum Beispiel im Bereich der ehemali- es sehr gefährlich ist, wenn man Dinge im Ullmann: Daran, dass die Vertretungen der gen Sowjetunion. Warum gründet man nicht Kopf baut, die nicht verwirklicht werden Nationalstaaten, der Regierungen und der eine politische Gemeinschaft, die natürlich kei- können. Was müsste denn zu Ihrer Forde- Verwaltungen die EU-Politik bestimmen, die ne Neuauflage des Sowjetzentralismus sein rung »Arbeit für alle« für eine Wirtschaft eben noch voll in ganz altmodischen Kategori- dürfte. Michail Gorbatschow hat mir einmal dazukommen? en nationalstaatlicher Politik denken. Und die gesagt: Man kann das Gebiet doch regionali- Ullmann: Die ganze Welt ist doch voll von gu- deshalb völlig unfähig sind, die Dinge anzu- sieren und dann einen Verbund stiften. Der ten Überlegungen. Angefangen von dem ganz packen, die auf europäischer Ebene vorliegen. böte Schutz gegen die Folgen der Globalisie- kleinen Schritt der Ökosteuer. Es gibt aber Ich kann da nur wieder warnen und sagen: rung. auch genug wirtschaftliche Untersuchungen, Macht nicht das nach, woran auch der Rat die uns davor warnen, das zu machen, woran für Gegenseitige Wirtschaftshilfe im Osten zu die DDR zu Grunde gegangen ist. Das Grunde gegangen ist. Der war genauso struk- e Demokratie? Verrückteste für einen Menschen aus der Ex- turiert wie der Europäische Rat. Der hat eben- DDR ist doch, dass er jetzt mit ansehen muss, so engstirnig immer nur die Interessen der wie die Weltwirtschaft genau dasselbe tut, einzelnen Regierungen vertreten. Die Europäi- Publik-Forum: Müsste sich in der Europäi- woran die DDR zu Grunde gegangen ist. Diese sche Union war aber einmal angetreten mit schen Union nicht erst sehr viel ändern, Fusionitis ist doch nichts anderes als das, was der richtigen Idee, man müsse gemeinsame bevor sie ein Vorbild für andere Regionen wir in der DDR gemacht haben: mit Kombina- Interessen erzeugen. Die sind nicht von al- sein könnte? ten, mit riesigen Genossenschaften, die öko- lein da. Und dazu bedarf es neuer Strukturen. Ullmann: Ich habe gemeinsam mit Daniel logischer Wahnsinn waren. Solche Dinge wer- Der Rat hat eine verknöcherte und bremsende Cohn-Bendit und anderen an dem Entwurf für den ständig gemacht, als hätten wir nicht Struktur, dessen Bremswirkung die Europäi- eine europäische Grundrechtecharta gearbei- unzählige andere Modelle. Diese Fixierung sche Union allmählich in eine gefährliche Si- tet, die – nun vom europäischen Parlament auch unseres Bundeskanzlers an Arbeitslo- tuation bringt. Die Leute merken eben: Es verabschiedet – die stabile Grundlage für ein senzahlen und Wirtschaftswachstum, das ist geht nicht voran, und jedes Projekt wird bei Modell einer demokratischen und sozialen Eu- doch völlig altmodisch. Weil es eben nicht mit- der nächsten Regierungskonferenz zerredet. ropäischen Union sein könnte. Das ist auch nö- berechnet, was uns diese Wirtschaft im Blick tig angesichts der wirtschaftlichen, sozialen auf die sozialen, kulturellen und ökologischen Publik-Forum: Was müsste geschehen? und ökologischen Probleme, die kein Natio- Ressourcen kostet. Genau das hat die DDR Ullmann: Die nationalen Parlamente müssten nalstaat mehr allein bewältigen kann. Und er auch gemacht. Daran ist sie zu Grunde gegan- sich sehr viel mehr mit dem beschäftigen, was kann sich eben auch nicht mehr allein gegen gen. in Brüssel vor sich geht. Niemand weiß so rich- die Ausbeutungsinteressen globaler Konzer- tig, was auf den Ratssitzungen eigentlich ge- ne wehren, die wegen ihrer kapitalistischen Publik-Forum: Hieße das nicht, dass gerade spielt wird. Da wird immer Maximierungsinteressen keine Rücksicht auf die Europäische Union noch viel mehr nur vom Demokratiedefizit soziale und ökologische Aspekte nehmen. alternative wirtschaftliche Modelle fördern der Europäischen Union ge- müsste? sprochen. Da kann man nur Publik-Forum: Dann müsste die Europäische Ullmann: Sie fängt ja schüchtern damit an. Es sagen: Ja, ihr lieben Leute, Union aber auch praktisch viel mehr sein gibt durchaus eine gewisse Bereitschaft, das dann tut mal was dagegen. als in erster Linie eine Wirtschaftsgemein- Konzept eines sozial und ökologisch kontrol- Während Europa in deut- schaft. lierten Kapitalismus gegen den unkontrollier- schen Zeitungen auf Seite 4 Ullmann: So ist es. Wir haben darum in der ten Neoliberalismus in Stellung zu bringen. vorkommt, steht es in fran- Grundrechtscharta auch etwas über das Recht Allerdings muss man wissen, dass es einen zösischen auf Seite 1. Das auf Arbeit gesagt. Arbeit muss mehr sein als engen Zusammenhang zu den USA gibt. Ich ist natürlich auch eine Auf- ein Spekulationsobjekt. Große Konzerne kön- halte es auch für gut, dass es die transatlan- gabe der Medien, aber eben nen nicht einfach fusionieren, um ihre Aktien- tische Gemeinschaft gibt. Wir müssen aber er- nicht nur. Es ist jedoch vor al- kurse in die Höhe zu treiben, und dann eine reichen, dass die EU eine so vernünftige Po- lem eine Sache der nationa- fünfstellige Zahl von Arbeitsplätzen streichen. litik macht, dass die Rückschrittlichkeit der len Parlamente, die alle Mög- Hier das Recht auf Arbeit zu fordern ist aller- Bush-Administration, die ja auch in den USA lichkeiten haben, mit dem Foto: Lehmann dings mit gewaltigen Konsequenzen verbun- auf Widerspruch stößt, überwunden wird europäischen Parlament zu den. und es zu einer rationalen Zusammenarbeit kooperieren. Aber die werden nicht genutzt. kommt. Publik-Forum: Mit welchen? Wolfgang Ullmann ist Theologe und Jurist. Er Ullmann: Wir leben Zuständen entgegen, in Publik-Forum: Sie malen das Zukunftsbild vertrat Bündnis 90/Die Grünen bis 1999 fünf denen Arbeit und Lohn – auch weltweit – völlig einer EU, die eine wirkliche Alternative sein Jahre lang im Europa-Parlament. unterschiedlichen Regionen angehören. Des- könnte. In den Köpfen der Menschen ist sie halb müssen wir sagen: Arbeit ist ein Grund- oft ein Angstgebilde. Wie erklären Sie sich Quelle: Publik-Forum, Zeitung kritischer recht, weil es zur Teilhabe an der Kultur das? Christen, Oberursel, Ausgabe Nr. 16/2001

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Aufwind_01-10.indd v17p 9 02.10.2001, 12:08 Uhr LANDWIRTSCHAFT Vogtland auf dem Weg zum Ökolandbau AKTIONSTAG BIOLANDWIRTSCHAFT IN PLAUEN UND UMGEBUNG von Dieter Rappenhöhner, und Vermarktungsmöglichkeiten. Bemerkenswert, dass dieser Sprecher KV Plauen Hof mit ca. 1.100 ha den größten Gäa-Betrieb in Sachsen dar- stellt. Noch schöner aber, dass er nach 5 Jahren schwarze Zah- len schreibt (wenn auch wie jeder Landwirtschaftsbetrieb nicht ohne Fördermittel auskommend) und die Genossenschaftler Am 30.08.01 haben beide Kreisverbände in enger Kooperation voll zu ihrer damaligen Entscheidung stehen. Das gute Beispiel mit der Bundestagsfraktion sowie mehreren Verbänden einen scheint Schule zu machen: zum Jahresende will ein weiterer „Aktionstag Biolandwirtschaft“ in der Region abgehalten, der Betrieb umstellen. Mit seinen zusätzlich 1.200 ha unterlägen gemischte Resonanz bei Landwirten, Verbrauchern und Medi- damit bereits 5 % der Nutzfläche des Vogtlandes den strengen en gefunden hat. Kriterien der ökologischen Anbauverbänden.

Zeitgleich mit dem Wochenmarkt fand eine Kampagne zu- Das Landwirtschaftsamt will einen Antrag auf Förderung des sammen mit BUND („Bio iss besser“), NABU („Landschaft Vogtlandes als Modellregion für eine multifunktionale Land- schmeckt“) und der Verbraucherzentrale Sachsen (Ernährungs- wirtschaft unter Einschluss der Erzeugung nachwachsender beraterin) statt, die ob ihrer auch optisch reizvollen Ausstat- Rohstoffe einreichen, was unterstützt. Man er- tung reges Interesse bei Marktbesuchern und Reisenden fand. kennt: langsam ist man sogar stolz auf die eigene Ökolandwirt- Die fünf Meter große Sau Berta des BUND diente als erster schaft. Staatskanzlei und Landwirtschaftsministerium haben Blickfang, reichhaltig waren unser eigener wie auch die Stän- bereits ihren Segen erteilt, dass das Vogtland als sächsischer de der Naturschutzverbände mit schmackhaft ausschauenden Kandidat ins bundesweite Rennen geht. Eine Einladung zu ei- Bioprodukten ausgestattet. Zwei leibhaftige, artgerecht gehal- ner weiteren Betriebsbesichtigung im Herbst haben wir gerne tene Ziegen mitten auf dem Altmarkt waren Anziehungspunkt angenommen, damit wir mit (noch) konventionell wirtschaften- für Jung und Alt und schafften durch die gelegentliche Möglich- den Landwirten im Fachgespräch bleiben. keit, sie auch melken zu können selbst bei Jugendlichen in sonst schwierigem Alter reges Interesse. Unsere Stadträtin Eli- Am späten Nachmittag fand mit verschiedenen Vertretern sabeth Tanzer erzeugte zusammen mit einem stadtbekannten von Verbänden ein Fachgespräch in unserer Kreisgeschäfts- Koch leckere, warme (und vor allem kostenlosen) Vollwertkost, stelle statt. Anwesend waren Verbraucherzentrale Sachsen, die nach Überwindung einer ersten Scheu gerne von Passan- Gäa Sachsen, Regionaler Bauernverband, Verband der privaten ten angenommen und gelobt wurde. Begleitet von sehr guter Landwirte, Tierschutzverein Plauen, BUND sowie Naturschutz- Darstellung in den Medien (u.a. Radiointerview) kann dieser bund. Teil des Tages als voller Erfolg gewertet werden. Verbraucher müssen den Eindruck gewinnen, dass Biokost nicht nur für Müslis ist, sondern gut aussieht und schmeckt. Der lebhafte Besuch unserer Stände gab Zeugnis von Interesse und Wert- schätzung ab.

Unsere Bundestagsabgeordnete Steffi Lemke aus Dessau, Mit- glied des Ausschusses für Verbraucher, Ernährung und Land- wirtschaft und parlamentarische Geschäftsführerin der Frak- tion war dann ab Mittag zu Gast. Mit Baubürgermeister und Liegenschaftsamtsleiterin gab es ein informatives Gespräch im Rathaus, welches unter anderen kommunale Möglichkei- ten zur Förderung der Biolandwirtschaft zum Inhalt hatte. Ge- rade wir Plauener haben uns da in Zukunft einiges vorgenom- men. Durch mittlerweile vergangenen Reichtum besitzen wir Stadtbürger sehr viele Ländereien in und außerhalb des eige- nen Territoriums (früher für Talsperreneinzugsgebiet benötigt). Mit Hilfe dieses Anstoßes durch Steffi Lemke wollen wir in näch- Das Gespräch behandelte natürlich in erster Linie das Thema ster Zeit einen Stadtratsbeschluss erwirken, der eine bevorzug- „Ökolandwirtschaft“ und wurde sehr tiefgründig und durchaus te Verpachtung von Ländereien an Betriebe des Ökologischen kritisch behandelt. Dass Steffi Lemke voll im Stoff und „ihren Landbaus zum Inhalt hat. Mann“ stand, war nicht anders zu erwarten. In Zweifel gezogen wurde insbesondere das Ziel der ... langsam ist man sogar Stolz auf Bundesregierung, binnen 10 Jahren eine Steigerung von heute 2-3 % die eigene Ökolandwirtschaft. auf 20 % hinzubekommen. Umstel- lungen von einer Produktförderung (DM pro Rind) auf die Fläche und da- mit den gesellschaftlichen Nutzen wurden eher allseits begrüßt. Ein nachmittäglicher Besuch auf einem Biohof des Oberen Die Verbraucherzentrale kritisierte scharf, dass ihr derzeit erheb- Vogtlandes ergab einen fachlichen Austausch von Erkennt- lich die Mittel für Verbraucherberatung (außer für Ernährung) nissen über Umstellungsschwierigkeiten, Arbeitskräfteeinsatz gekürzt würden. Insgesamt eine sehr lohnenswerte Diskussion. 10

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Am Abend fand dann eine zweite Öffentlichkeitsveranstal- tung statt. Von rund 50 Leuten besucht (davon allerdings POSTKARTENAKTION DER fast die Hälfte Bündnisgrüne) und mit einer Reihe von sehr interessierten, wenn auch kritischen Landwirten. Zum in- BUNDESTAGSFRAKTION haltlichen Erfolg haben das hochkarätig besetzte Podium (Vorsitzender des Regionalen Bauernverbandes Vogtland, Eine Postkarten- und Email-Aktion, um die von Renate Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Sachsen, Vorstands- Künast geplante Abschaffung der Käfighaltung von Lege- vorsitzender der Gäa Sachsen und MdB Steffi Lemke) hennen in Deutschland zu unterstützen, ist jetzt gestartet. und das lebhaft fragende und mitdiskutierende Publikum Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 06. gleichermaßen beigetragen. Die Diskussion hatte zwei The- Juli 1999 die bis dahin geltende Hennenhalteverordnung menschwerpunkte: der eine stellte den Verbraucher bzw. aus dem Jahre 1987 als tierquälerisch bewertet und deswe- den Verbraucherschutz mit den Produkten und dem Käufer- gen für nichtig erklärt hat, besteht dringender Handlungs- verhalten in den Mittelpunkt, der zweite beleuchtete die Öko- bedarf von Seiten des Gesetzgebers. logische Landwirtschaft selbst. Es wurde sehr diszipliniert Abstimmungstermin im Bundesrat ist der 19.Oktober. Bis und auf hohem Niveau diskutiert. Neben Statements der auf dahin müssen die Länder über ihr Abstimmungsverhalten dem Podium Vertretenen kamen dazu hinreichend die Besu- entschieden haben. Die Zustimmung der Länder im Bun- cher zur Rede. Eines muss man hervorheben: Bemerkenswer- desrat, die die Verordnung braucht, um geltendes Recht terweise wurde von mehreren Landwirten die Ökolandwirt- zu werden, ist aber durchaus nicht sicher. Auch Sachsen ist schaft als „die hohe Kunst der Landwirtschaft“ bezeichnet, momentan noch nicht bereit, Belange des ethischen Tier- wenn man auch (noch) genügend Argumente hatte, wes- schutzes und des Verbraucherschutzes über die wirtschaft- halb man (noch) nicht umstellt. Vor 1-2 Jahren wäre diese lichen Interessen Einzelner zu stellen. Ganz offensichtlich Betriebsform auf so einer Veranstaltung von Bauern noch verkennen die verantwortlichen Politiker aber, dass ihre niedergebrüllt, zumindest aber lächerlich gemacht worden. Wählerinnen und Wähler in diesen Fragen anders denken. Ob dies nun an der BSE-Krise, an der „neuen Landwirt- Postkarten mit den abgebildeten Motiven können in der schaftspolitik“ von Renate Künast oder dem guten Vor-Ort- Landesgeschäftsstelle bezogen werden. Sie sind direkt Beispiel aus dem Oberen Vogtland liegt, sei dahingestellt. an Ministerprä- sident Biedenkopf adres- Das kostenlose Büffet eines Plauener Bioladens hat offen- siert. Betei- ligung an der Email-Ak- sichtlich allen (mithin auch den konventionell anbauenden tion ist im Internet möglich. Bauern) gemundet, denn es ist außer Dekoration nichts www.kaefig-weg.de übrig geblieben.

Bleibt die Frage, ob sich der ganze Aufwand im Vorfeld des Aktionstages gelohnt hat. So etwas ist nur mit großem eh- renamtlichen Einsatz durchführbar, weil sonst schlicht unbe- zahlbar. Bereits so hat es unsere Kreiskasse ganz schön be- lastet. Bei unseren Kreisverbänden hat es sicher aber auch neue Motivation erzeugt und allein dies ist für den ja nun

langsam bevorstehenden Bundestagswahlkampf von nicht zu unterschätzender Bedeutung.

Das Medienecho auf die Marktveranstaltung war enorm, da- gegen wurde der Besuch auf dem Biohof nicht einmal be- gleitet und auf der Abendveranstaltung war die Presse be- reits nach 10 Minuten wieder weg. Ergo wurde auch nur völlig oberflächlich darüber berichtet, was für die Verbrau- cher schade ist, denn das, was wir jeden Tag in unseren Mund stopfen, sollte nicht nur in Krisenzeiten das Interesse der Medien erwecken.

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Info-Tour gegen Rechts im Herbst von Antje Kierstein von Thoralf Möhlis Natürlich wurde bei unserer letzten Mitgliederversammlung in Meißen auch mal wieder der Terminkalender durchforstet. Nach längerer Vorbereitungsphase und einigen Rückschlä- An dieser Stelle fiel der für das erste Septemberwochenende gen ist es nun endlich soweit. Im Oktober und November geplante „Länderausschuß der Grünen Jugend“ in Hamburg. 2001 gibt es unter dem Titel „Wo gehts lang? Aktiv gegen Wir überlegten nicht lange und entschieden, daß dazu der kom- rechts!“ eine Info-Tour des Landesverbandes zum Thema plette Vorstand fahren sollte, um so gemeinsam diese völlig Rechtsextremismus . neue Perspektive kennenlernen zu können. Da jedoch auch noch andere Interesse daran bekundeten, soll künftig jedes Gerade in Anbetracht der ständigen Aufmärsche der NPD Mitglied die Möglichkeit haben, sich für einen Länderaus- und diverser Kameradschaften in verschieden Städten Sach- schuss delegieren zu lassen und daran teilzunehmen. sens, der Ansiedlung der Deutschen Stimme (Zentralorgan der NPD) und des NPD-Versand- und Logistik-Zentrums in Eine freundliche, leicht chaotische Stimmung empfing uns in Riesa und zahlreicher Übergriffe gegen Andersdenkende, Hamburg. Natürlich genau das richtige Feeling um sich wie Andersaussehende und MigrantInnen in der Vergangenheit, „Zuhause“ zu fühlen. Anfangs hatten wir ja ein leicht schlechtes soll die Tour unter anderem die Hintergründe der rechtsex- Gewissen, eben weil bei uns in Sachsen noch nicht allzu viel tremistischen Szene beleuchten, Standpunkte und Vorha- gelaufen ist. Als jedoch alle Länder ihren Aktionsbericht zum ben von Bündnis 90/Die Grünen zum Rechtsextremismus Besten gaben, merkten wir deutlich, dass auch andere Länder darstellen und Jugendliche aber auch die Bevölkerung allge- die gleichen Schwächen und Kränkeleien hatten. Dagegen gibt mein für das Thema sensibilisieren. Die Tour besteht einer- es wiederum Länder wie Bayern oder Baden-Württemberg, die seits aus Infoständen gemeinsam mit den Kreisverbänden vor Aktionen nur so strotzen. Und der Bericht zog sich entspre- und dem Grünen Jugendbündnis am Nachmittag und einer chend hin. Ich muß sagen, daß beides ein beruhigendes Gefühl Abendveranstaltung mit Referenten zum Thema Rechtsextre- in mir auslöste. Immerhin bedeutet das doch, dass es ins- mismus. gesamt ein starkes „Grünes Jugendbündnis“ gibt, mit netten Aktionen, die man unterstützen kann und die einen in der An den Infoständen wird neben verschiedenen Materialien Gewißheit bestärken, am richtigen Platz zu sein. Andererseits und einem Reader zum Thema auch die 1. Auflage der säch- gibt es dann auch die anderen Länder, die die gleichen Proble- sischen bündnisgrünen Broschüre „Tu was gegen Rechts!“ eingesetzt. Die Broschüre beinhaltet neben allgemeinen Hin- weisen, was man und frau gegen Rassismus und Rechtsex- tremismus im Alltag tun kann auch ausführliche Hinweise zu juristischen Fragen, aber auch Tipps. Zum Beispiel: Wie melde ich eine Demo an, was ist bei Faltblättern zu beachten STUNDE NULL! bis hin zur Gründung eines Vereins. Auch eine ausführliche von Jan Landmann, Linksammlung zu Seiten gegen Rechtsextremismus und Sprecher Grünes Jugendbündnis Sachsen Rassismus und eine Übersicht über verbotene Zeichen, Sym- bole und Slogans der Neonazi- und Skinszene sind Inhalt der Broschüre. Diese wurde von der AG Rechts mit Unterstützung Jung wollen wir sein, ohne Zweifel an Grünen Grundsätzen ori- des Landesvorstandes erarbeitet und erscheint Anfang Ok- entiert, stachlig aber auf jeden Fall . . . tober. Ein noch leichtes Lüftchen war´s, das da Mitte des Jahres Bei der Abendveranstaltung soll der Informations- und Er- in Oschatz wehte, gegen den Verwesungsgeruch einer fast fahrungsaustausch mit Gruppen, Initiativen und aktiven Ju- totgelaufenen Jugendorganisation. Wir sind in Sachsen eine gendlichen die sich mit dem Thema Rechtsextremismus be- recht trostlose Region, wenn es um die Durchsetzung schäftigen im Vordergrund stehen. Dabei werden auch die grünidealistischer Vorhaben geht. Man bewegen will und nicht Rechtslage und juristische Möglichkeiten eine Rolle spielen. klagen, mehr tun, weniger reden. Auf den Veranstaltungen wollen wir nicht den Zeigefinger er- heben und so tun, als hätten wir das Allheilmittel. Vielmehr Der Neubeginn wurde eingeleitet. „Reset“ gedrückt. Nicht die soll den Jugendlichen und der interessierten Bevölkerung Verhältnisse von vor 10 Jahren wünschen wir uns wieder. Nein, eine Plattform geboten werden, um über ihre eigenen und eher eine wirklich existierende Basis. Mitglieder sind die, wel- ganz persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen im Kampf ge- che heute mit dabei sind, die Interesse haben, die sich beteili- gen Rechtsextremismus zu reden und eventuell neue Ideen gen wollen. So waren die ersten Zusammenkünfte ermutigend und Fakten mitzunehmen. mit mehrheitlich jungen, politisch eher noch unerfahrenen Menschen, die das sächsische Grüne Jugendbündnis mit Leben Organisiert wird die Info-Tour „Wo gehts lang? Aktiv gegen füllen, als zwar Bündnis 90/Die Grünen nahestehende, aber Rechts!“ vom Landesvorstand und der AG Rechts bei Bündnis eben doch politisch unabhängige Jugendorganisation. Insge- 90/Die Grünen und wird vom Grünen Jugendbündnis Sach- samt kann man sich noch gut jeden Namen merken. Zur Zeit sen begleitet. Stationen der Tour sind neben Meißen auch wohnen fast alle Beteiligten noch in der Gegend zwischen Plauen und Glauchau. Die Materialien sind in der Landesge- Oschatz und Dresden, was sich aber gerne ändern kann. schäftsstelle erhältlich. Dementsprechend fand unsere erste richtige Mitgliederver- sammlung am 11. August 2001 auch in Meißen statt. Wir pas- 12

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me haben. Mit denen kann man sich solidarisch zeigen oder heute noch genauso wie gestern! Immer noch werden viel zu vielleicht sogar zusammen Aktionen planen sollte, um eben- viele in die Illegalität gezwungen beziehungsweise nach Ent- so stark und aussagekräftig auftreten zu können. Da ist deckung ohne jegliche Menschenwürde hin und her gescho- zum Beispiel unser Nachbar Thüringen. Hier herrscht derzeit ben. Das soll und muß anders werden. Außerdem geht es doch die gleiche Krise, die wir zum Glück gerade überwunden ha- nicht an, dass wir auf der anderen Seite fähige Arbeiter in unser ben. Wer hindert uns daran, nicht einfach ein gemeinsames Land holen und diese aber gerade mal so lange bleiben lassen, Länderbündnis wachsen zu lassen. So haben wir beide den wie wir Sie benötigen. Wenn wir schon anderen Ländern ihr Vorteil ein wenig mehr Mitglieder auf unserer Liste und für wertvollstes Potential wegnehmen, dann doch bitte nur unter Aktionen zur Verfügung zu haben. Außerdem entwickelt sich der Prämisse, dass ein Aufenthalt ohne Befristung gewährlei- so vielleicht noch eher die Chance die Mitgliederzahlen ins stet wird und auch Familienangehörige das Recht auf ein Leben „Unermessliche“ steigen zu lassen. in Deutschland erhalten.

Die Länderberichte waren zwar bloß ein kleiner Teil, bedeute- Wir wollen, daß Grenzen flexibler gestaltet werden und jeder ten aber auch eine wirkliche Möglichkeit Einsicht in die Länder Anspruch auf die gleichen Menschenrechte hat. Wir wollen, und ihre Sichtweise zu erhalten. Es hat sehr geholfen und lö- dass die bereits hier lebenden Kulturen sich intensiv mit in ste mal eine euphorische, mal eine depressive Stimmung aus. unser Land eingliedern können und daraus ein multikultureller, Weiterhin gaben die verschiedenen Fachforen, beispielsweise weltoffener Staat wird. Dass es bis dahin noch ein weiter Weg „Drogen“ und „Medien“, ihre Arbeitsberichte ab, ebenso der ist, ist uns allen klar. Wichtig ist allerdings, dass das Denken in Bundesvorstand. Abstimmungen zu bestimmten Themen wa- unseren Köpfen sich ändert und diese Punkte nicht in Verges- ren notwendig und führten im Vorfeld meist zu einer regen senheit geraten, sondern im Gegenteil eine ständige Entwick- Diskussion. Gerade hier – beim Streit – war klar zu erkennen, lung durchlaufen. Wir hoffen, dass sich auch Bündnis 90/Die dass wir alle am gleichen Strang ziehen, ähnlich denken und Grünen zu diesem Thema klar engagieren und nicht ihre Wur- etwas grundlegendes bewirken wollen. zeln in Frage stellen.

Wichtig und wirklich spannend war jedoch die gemeinsame Abstimmung eines Leitantrages. Um als Grüne Jugend auch auf ein Grundsatzprogramm zurückgreifen zu können wie Bündnis 90/Die Grünen, nehmen wir solche Treffen unter anderem war, um in Form eines Leitantrages konkret zu einem Thema den Standpunkt der Grünen Jugend zu verankern. So stand diesmal zum Beispiel das Thema Einwanderung zur Diskussion. Sicher wurde bislang schon einiges erreicht, aber eben doch noch Antje Kierstein ist Schatzmeisterin des Grünen nicht genug. „Kein Mensch ist illegal!“, dieser Grundsatz gilt Jugendbündnis Sachsen

sten die alte Satzung unseren Vorstellungen an und wählten Kino recht gemütlich aus und gab uns allen ein Stückchen mehr einen neuen Landesvorstand. Dieser besteht aus der neuen das Gefühl eine kleine Keimzelle gefunden zu haben, die es Schatzmeisterin Antje Kierstein (22, Bürokauffrau) sowie den sich lohnt gedeihen zu lassen. Sprechern Thomas Trepte (25, Denkmalpfleger) und Jan Land- mann (22, Zimmererlehrling). Dann machten wir uns Gedanken Laßt es uns anpacken, gehofft haben wir lange genug. über künftige Aktionen des GJB.

„Wo wollen wir uns engagieren? Wo können wir uns beteiligen? und Wie tun wir dies?“ Hier einige Stichworte (z. T. schon kon- kreter geplant, andere noch gänzlich luftig): Info-Tour gegen TERMINE Rechts (mit Bündnis 90/ Die Grünen und Courage), erneuerba- 03. November, Riesa re Energien erleben, Bahnprobleme an- und aufgreifen (Grüne Landesmitgliederversammlung fahren besser!), internationale Partnerschaften fordern und för- dern und natürlich sich über die heutige Schulbildung auf- und tolle Schulprojekte anregen.

Der Tag in Meißen stand des weiteren thematisch unter dem KONTAKT Motto „Elbe als Natur- und Lebensraum wiederentdecken“. Das Herzstück der Aktion, das „Elbeschwimmen“ mußte in sei- Grünes Jugendbündnis Sachsen ner offiziellen Form zwar abgesagtwerden. Das hinderte jedoch Wettiner Platz 10, 01067 Dresden ein paar Mutige nicht daran die Elbe zu durchschwimmen und Tel.: 0351/4940108 etwas erschöpft nach etwa 40 Minuten wieder zu uns zu stos- Fax: 0351/4961975 sen. Im Anschluß hörten wir noch einen interessanten Vortrag www.gjb-sachsen.de von Alfred Olfert (European Rivers Network) über Geschichte [email protected] und Perspektiven der Elbe. Gegenaktionen bezüglich Staustu- fen- und Stellwerke-Neubau wären ein sehr interessantes Pro- jekt und befinden sich auch schon in der Planungsphase.

Der Abend klang mit Klostermusik, Lagerfeuer und Open-Air- 13

Aufwind_01-10.indd v17p 13 02.10.2001, 12:08 Uhr LESERBRIEF Sozialpolitik wurde vertagt Leserbrief zum LDK-Bericht von Karl-Heinz Gerstenberg

von Anett Ramisch Wie Ihr vielleicht wisst, wurde auf der letzten LDK ungeheuer bewegt. Viele Delegierte haben mir gesagt, wie gut das Sozialpapier des Dresdner Stadtverbandes sie meine Initiative fänden. behandelt und - zum Großteil - vertagt. Neben inhaltlichen Kontroversen fanden sich zwei Argumente, Das Sozialpapier hat zum Ziel, die Themen Ar- die letztlich für die Vertagung des Themas ausschlaggebend beitslosigkeit und Soziale Gerechtigkeit stärker waren: in den Mittelpunkt grüner Politik zu rücken. Es So wurde von mehreren Menschen kritisiert, dass das Papier beinhaltet einen humaneren Umgang mit Arbeits- zu umfangreich und breit angelegt sei. (Beim Punkt Vermögens- losen, notwendige Änderungen im Sozialgesetz- steuer beanstandete Pino Olbrich übrigens genau das Gegen- buch III, es wendet sich gegen die Umwandlung teil: frau könne das Thema Soziale Gerechtigkeit nicht an einer der Arbeitslosenhilfe in Sozialhilfe, den Zwang einzelnen Steuer festmachen sondern müsste das Finanzsy- zur Arbeit und andere Diskriminierungen Arbeits- stem der BRD im Zusammenhang sehen.) loser, es spricht sich für eine Grundsicherung aus, Wenn man schon so ein umfangreiches Papier diskutiere, so für die vermehrte Einbindung starker Schultern argumentierte der Leipziger KV, dann wäre das nicht auf einer Foto: Hartmut Steglich in die Finanzierung der Sozialstaates (z.B. durch einzigen LDK möglich. Die Schwierigkeit war mir auch klar, des- eine Vermögenssteuer), für öffentlich finanzierte Arbeit und wegen habe ich ja auch versucht, die Diskussion vorher zu be- anderes. ginnen. Vergeblich.

Zur Bewertung dieser LDK möchte ich erst mal Karl-Heinz Ger- In seinem Artikel haderte Karl-Heinz Gerstenberg damit, dass stenberg aus dem Dresdner Monatsechos zitieren: „Neben die- sich das Papier zum Teil abseits aktueller Diskussionen bewe- sem Erfolg bleibt unserem Dresdner Kreisverband eine bittere ge. Nun, ich bin der Auffassung, dass unabhängig von aktu- Erkenntnis: Das Dresdner Sozialpapier wurde von einer Mehr- ellen Gesetzesvorhaben unsere Haltung klar sein sollte. Und heit der Delegierten als das eingestuft, was es auch aus meiner das ist sie eben des öfteren nicht, ich möchte die vielen Sicht ist: Eine mit großem Fleiß erarbeitete Sammlung sozial- Widersprüche, die sich zwischen unserer Programmatik und unserem politischen Agieren auftun, gar nicht erst „Der Landesvorstand steht jetzt vor der Aufgabe, die Diskussion aufzählen. Mir ist natürlich auch klar, dass sich aktu- elle Themen viel besser und effektiver diskutieren im Landesverband und mit den anderen ostdeutschen lassen. Und wenn das Sozialpapier wieder auf die Ta- Bündnisgrünen zu organisieren.“ gesordnung kommt, wird es sich leider noch mehr ab- Karl-Heinz Gerstenberg seits aktueller Diskussionen bewegen. Denn derzeit wird im das Sozialgesetzbuch III geändert politischer Positionen und Probleme, die sich aber teilweise (Job-Aktiv-Gesetz). Das Gesetz wird je nach aktueller Lage im abseits aktueller Diskussionen bewegt und nicht die Reife Herbst voraussichtlich beschlossen werden. Dann wird es erst für eine Beschlussfassung auf der Landesversammlung hat. recht schwierig sein, den Umgang mit Arbeitslosen ernsthaft Der Landesvorstand steht jetzt vor der Aufgabe, die Diskus- zu diskutieren. Wie bei der Rentenreform wird es heißen, „das sion im Landesverband und mit den anderen ostdeutschen Thema ist erst Mal gegessen, machen wir uns doch nicht lächer- Bündnisgrünen zu organisieren. Dafür gibt es nur einen er- lich.“ folgversprechenden Weg, der mit dem „Altersübergangsgeld für Langzeitarbeitslose“ vorgezeichnet wurde: Aus vier Zeilen Für diese aussichtsreiche Situation möchte ich mich beim Lan- im Dresdner Sozialpapier wurde mit viel Arbeit, mit Hilfe von desvorstand und bei allen Delegierten, die dazu beigetragen Verbündeten in den Gewerkschaften und durch die Pressear- haben, herzlich bedanken. Eigentlich hätte ich mir ein bißchen beit von Antje Hermenau ein Projekt, welches über die Medien- mehr Unterstützung erhofft, bei einem Thema, was unsere Mit- berichterstattung öffentlich wurde, das im Bündnis für Arbeit glieder und die Menschen in Ostdeutschland doch offensicht- diskutiert wird und eine Chance auf Realisierung hat.“ lich stark bewegt. KeineR hat mir vorher einen Tipp gegeben, wie aus unseren umfangreichen Vorstellungen zur Sozialpo- Es ist schon traurig, dass ich die wirklichen Kritiken zu diesem litik beschlussfähige Anträge werden könnten. Wenn immer Papier auf der Landesebene erst erhalten habe, als es zu spät von der Förderung von ehrenamtlichen Engagement geredet war. Und genau dies wollte ich eigentlich vermeiden, deswe- wird: so funktioniert das bestimmt nicht. Falls ich ein bis- gen habe ich auch vorher um Rückmeldungen gebeten. Der schen leichter zu entmutigen wäre, würde ich den ganzen Kram Landesvorstand hatte das Papier frühzeitig. Der Beschlusstext hinschmeißen. Ich tu‘s aber (noch) nicht! stand im März im Kreisrundbrief, außerdem wurde das Papier an alle sächsischen Kreisverbände geschickt beziehungswei- Wie geht es also weiter? se gemailt. Auch die Bundesebene, speziell die Ost-Landesver- Die LDK hat das Thema in den Landesvorstand zur Weiterbear- bände wurden „versorgt“. Und die Rückmeldungen? Mit Aus- beitung und Wiedervorlage verwiesen. Ich bin mit Pino Olbrich nahme von Antje Hermenau gingen sie gegen Null! übereingekommen, dass wir dazu die Mitglieder der LAG So- ziales und weitere sozialpolitisch interessierte Menschen zu Dieses Schweigen von unseren erfahrenen „FunktionsträgerIn- unserer 10-Jahresfeier nach Oschatz einladen und dort weitere nen“ stimmt mich um so trauriger, als dass ich auf der LDK Schritte diskutieren. Nun ratet mal wieviel Interessierte gekom- gemerkt habe, dass es ein Thema ist, was unsere Mitglieder men sind ... Eine! Ich würde ja gern mit Euch diskutieren, wenn 14

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es denn möglich wäre. Falls doch jemand Interesse hat, Nachrichten aus den Kreisverbänden sich mit dem Thema zu beschäftigen, kann er die aktuel- le Fassung des Sozialpapiers bei der Landesgeschäfts- stelle anfordern. Über Anregungen, Kritiken und Ange- Leipzig Kamenz bote zur Mitarbeit freue ich mich unter 0351/4882699, auch wenn ich da nur begrenzte Hoffnung habe. Ich würde auch noch den einen oder anderen interessierten Im Rahmen des Europaweiten Aktions- Die Bemühungen einer Niedersäch- Kreisverband besuchen, um das Thema bei Euch auf der tages „In die Stadt - ohne mein Auto“ sischen Firma zum Aufschluß eines MV zu diskutieren. Mit Chemnitz und Leipzig ist dies veranstalteten die Leipziger Grünen Großsteinbruches am Wal- und Wüste- bereits vereinbart. Also meldet Euch. gemeinsam mit der „Phorus Corpora- berg bei Kamenz sind vorerst ge- tion“, einer Gesellschaft die sich zum stoppt. Der beabsichtigte Erwerb von Außerdem hat die LDK den Landesvorstand beauftragt, Ziel gesetzt hat, Elektromobile mit Grundstücken aus dem Treuhand- auf der Basis des Sozialpapieres Anträge mit den ande- dem dazugehörigen Elektro-Tankstel- nachlaß kam nicht zustande, da die An- ren Ost-Landesverbänden zu erarbeiten, die dann zur len-Netz von Leipzig aus bekannt zu liegergemeinden Kamenz und Bisch- BDK in Rostock eingebracht werden. Ein Termin mit den anderen Landesvorständen zu diesem Thema ist auf- machen, eine Elektromobil-Ralley. heim-Häslich von ihrem Vorkaufsrecht grund der aktuellen Ereignisse in den USA leider ge- Gebrauch machten. platzt, es ist zu hoffen, dass noch ein neuer zu Stande Dresden Dass die dafür notwendigen Stadt- kommt. Sicherlich wird in Rostock schwerlich Raum und Gemeinderatsbeschlüsse noch sein, um über Ost- oder Sozialthemen zu sprechen, aber Nach der Neuwahl der Beigeordneten rechtzeitig zustande kamen, ist vor die nächste BDK kommt bestimmt. Nur die Zeit rennt in Dresden, gibt es nun keinen grünen allem der Aufmerksamkeit und dem uns davon. Bürgermeister mehr in der Landes- Wirken der beiden örtlichen Bürger- hauptstadt. Ende August drückte die initiativen zu verdanken, denn die PS: Die Befürwortung der Wiedereinführung der Vermö- CDU/FDP-Mehrheit im Stadtrat alle ih- „Schaumburger Steinbrüche“ hatten genssteuer wurde übrigens beschlossen. Natürlich sind die sächsischen Grünen noch lange nicht die Grünen, re Kandidaten durch. In den Abstim- den Deal im Juni eingefädelt um die und die Grünen sind noch lange nicht die Mehrheit im mungen unterlagen neben dem bis- 2-monatige Einspruchsfrist in die Som- Bundestag bzw. Bundesrat. Aber: es ist ein erster klei- herigen grünen Umweltbürgermeister merpause zu legen. ner Schritt auf dem langen Weg zu einer angestrebten Klaus Gaber auch andere Amtsinha- Veränderung. Hier müssen wir weiter dran bleiben, an- ber, darunter Bernd Ihme (CDU, Ord- sonsten wäre der Beschluss sinnlos. nung) und Klaus Deubel (SPD, Sozi- ales) gegen die Wunschkandidaten Anett Ramisch ist Mitglied im KV Dresden und der bürgerlichen Ratsmehrheit. Geschäftsführerin der Stadtratsfraktion

DAKS - DIE ALTERNATIVE KOMMUNALPOLITIK SACHSENS

Bürgerbegehren und Einwohneran- Seminare von DAKS kommunikativem Grundlagenwissen und Be- träge leicht gemacht sonderheiten und Möglichkeiten des Inter- Erläuterungen und Musterformulare für 03. November 2001, Dresden nets gegenüber anderen Formen der „Stand- Bürgerbegehren und Einwohneranträge ste- „Politik im Internet“ - Ein Seminar für punktvermittlung“, sollen die Erfahrungen hen unter http://www.daksev.de im PDF- Leute die etwas mitzuteilen habe. der Teilnehmer zu anregenden und nutzbrin- und RTF-Format zum Download bereit. Die Referent: Peter W. Schubert genden Diskussionen führen. Formulare wurden vom DAKS-Vorstandsmit- glied Peter Schubert erstellt. Da hat sich die Mitgliederversammlung nach langer Diskussion auf ein Papier geeinigt. 17. November 2001, Leipzig, Landtagsdrucksachen im Internet Was so viel Mühe machte, verdient es ein- „Rechtliche Grundlagen in der Das Elektronische Dokumentations- und fach allen kund getan zu werden. Also ab auf Kommunalpolitik“ Archivsystem des Sächsischen Landtages die Internetseite. Und da steht es nun – we- Referentin: Rechtsanwältin Eva Jähnigen (EDAS) steht nun auch der Öffentlichkeit zu gen des Themas angeklickt von vielen, wirk- Verfügung. lich gelesen von keinem. Warum? Darum soll Alle Materialien und Informationen, die zur es unter anderem in diesem Seminar gehen: 14. / 15. Dezember 2001, Dresden Arbeit des Parlamentes erforderlich sind, „Rhetorik für Frauen und Männer in werden vom Informationsdienst inhaltlich er- Was wird gelesen? Wie wird gelesen? Was Politik und Öffentlichkeit“ schlossen und bereitgestellt. macht unsere Seite interessant? Referent: Kommunikationstrainer Wolfram Nach verschiedenen Kriterien kann auf Druck- Der Ton macht die Musik. Walther sachsen (Gesetzesentwürfe, Große und Klei- Aktive User (Gästebuch, Chats). ne Anfragen, Tagesordnungen ... ) zugegriffen werden. Der Zugang erfolgt über http:// Das Seminar richtet sich an alle, die schon et- Nähere Informationen und intranet.landtag.sachsen.de/edas/edas.htm was Erfahrung mit eigenen Seiten haben. Es Anmeldung bei Jens Bitzka im Internet. geht nicht um die technische Gestaltung ei- unter 0351/ 490 43 05 oder ner Homepage, sondern um den inhaltli- [email protected] chen Aufbau und die Gestaltung. Neben 15

Aufwind_01-10.indd v17p 15 02.10.2001, 12:08 Uhr TERMINE

Tag Ort und Zeit Anlaß

Oktober 18.10. Bundesaktionstag gegen Legehennenbatteriehaltung

26./27.10. Görlitz Kongreß der grünen Europaabgeordneten

November 03.11. Riesa Landestreffen Grünes Jugendbündnis

06.11. Dresden, 17.30 Uhr Landesvorstandssitzung

09./10.11. Leipzig Landesversammlung mit Neuwahl Landesvorstand

16.11. Tag der Toleranz

18.11. Dresden 8. Sächsischer Windenergietag VEE

23.-25.11. Rostock Bundesdelegiertenkonferenz

Dezember 01.12. Welt-Aids-Tag

07.12. Dresden Mitgliederversammlung DAKS e.V.

10.12. Tag der Menschenrechte

Stand der Termine: 1.10. 2001, Änderungen auf Grund der politischen Lage vorbehalten.

INFOSTAND AUSLEIHBAR

Klip-Klap und Escort haben ihre erste Bewährungs- Die Alternative Kommunalpolitik - probe bestanden. Für seine Präsentation beim „Tag der Sachsen“ konnte der Landesverband den neuange- AKP - Die Zeitung für Kommunalos schafften Infostand „Klip-Klap“ und die Soundanlage „Escort“ einsetzen. Gemeinsam mit einer Buttonma- schine steht den Kreis- und Ortsverbänden nun eine AKP 5/2001: attraktive Ausstattung für ihre Straßenaktionen zur Bauen und Wohnen Verfügung. Sie kann in der Landesgeschäftstelle aus- geliehen werden. Wohnungsleerstand im Osten Für den Transport des Infostandes ist ein Pkw–Anhän- - Wohnungsmangel in Mün- ger, ein Kleinbus oder ein Dachgepäckträger not- chen, Wohnungspolitik für wendig. Die Soundanlage besteht aus Boxen mit benachteiligte Gruppen und Stativ, Mikrofon und Mischpult für Anschluß von CD- innerstädtische Eigentumsför- Playern oder Kassettendecks. Sie benötigt einen 230V derung für Familien: Dieses Netzanschluß. Spannungsverhältnis lotet der Schwerpunkt Bauen und Wohnen aus. Abgerundet wird er durch Beiträge zu nachhal- tigem Bauen.

Weitere Themen sind unter anderem Maßregelvollzug, Stadtmarketing, Gemeindefinanzen und Kultur.

Das Heft kostet 14 DM plus Versand und ist erhältlich bei: Alternative Kommunalpolitik Luisenstr. 40, 33602 Bielefeld, Tel: 0521-177517, Fax: 0521-177568, Mail: [email protected] Internet: www.akp-redaktion.de Foto: Jens Bitzka Foto:

Nähere Informationen zur Ausleihe gibt es in der Lan- Der nächste Aufwind erscheint im Dezember. desgeschäftsstelle unter 0351 / 494 01 08. Thema: Auf dem Weg zur Bundestagswahl

Redaktions- und Anzeigenschluss: 12. November 2001 16

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