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Der literarische Expressionismus und und den Reihungsstil thematisiert werden, seine Medien - zweitens soll die Rolle von Cabaret, Variété und die ihnen entsprechende Revueform in ihrer Bedeutung für die performative Präsentation des Expressionismus betrachtet werden, wobei ebenfalls - drittens die Bedeutung der Geste und der Pose für das expressionistische Andreas Anglet (Köln Uni.) Drama mit dem Stummfilm als Fluchtpunkt zu erörtern ist.

Eine abschließende Überlegung soll den Aporien gelten, die sich hieraus für die Auflösung des Expressionismus zu Beginn der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts ergeben. Dieser Titel bedarf der Erläuterung. Im Folgenden soll nicht der Zuvor soll jedoch kurz bestimmt werden, was hier als ,Expressionismus‘ Expressionismus in seiner Rezeption und Diskussion als „Medienereignis“ bezeichnet wird. Trotz aller Probleme solcher begrifflichen Festlegungen ist ein thematisiert werden. Vielmehr wird die sich wandelnde Medienwelt zwischen Großteil der Vertreter der expressionistischen Dichtergenerationen im 1910 und 1920 als Ort der Bemühung einer jungen Generation von Dichtern deutschsprachigen Raum leicht institutionell und auch in ihren grundlegenden um Publizität, der Selbstdarstellung und entsprechend als Bezugspunkt für ihre ästhetischen Bindungen an Gruppen und Publikationsforen festzumachen.1) Innovationen betrachtet werden. Im Zentrum der folgenden Überlegungen und Neben oft einseitigen und teilweise problematischen Versuchen der Analysen sollen dabei sowohl die prägnante Thematisierung dieser Medien in zeitgenössischen Begriffsbildung wie der von Hermann Bahrs Schrift expressionistischen Texten als auch deren Spuren in der expressionistischen Expressionismus (1920), Margret Susmanns Expressionismus 1918 (1918/19) Gestaltungsweise stehen. und anderen, sind es schon vorher eine Buchreihe wie Der jüngste Tag im Hypothese der Untersuchung ist, dass hier ein Spannungsverhältnis entsteht Kurt Wolff Verlag (Leipzig) seit 1913, Herwarths Waldens Der Sturm – der zwischen dem Anschluss expressionistischer Ausdrucksformen an zeitgenössische 100. Jahrestag seines Erscheinens wird in diesen Tagen gefeiert –, Franz mediale Formate und dem Anspruch, eine künstlerische Bewegung zu sein, Pfemferts Aktion und andere Zeitschriften sowie zeitgenössische Anthologien, deren Mission über die Banalität dieses Bezugsfeldes hinausweist. unter ihnen Der Kondor von (1912) oder Menschheitsdämmerung Diese beiden gegenläufigen Strategien sollen an drei medialen von Kurt Pinthus (1920), in denen sich die Texte und Vertreter einer neuen Präsentationsformen ausgeführt werden: Generation finden, für die sich der Begriff des literarischen „Expressionismus“

- erstens wird für die Sprachkritik und Sprachrevision des Expressionismus 1) Einen Überblick über die Vielfalt der literarischen Zeitschriften dieser Zeit und die Einbettung der expressionistischen Periodika ermöglicht nach wie vor Fritz Schlawe: seine Reaktion auf die Modi der neuen Printmedien durch den Telegramm- Literarische Zeitschriften 1910-1933. 2. durchges. und ergänzte Aufl., Stuttgart 1962. Der literarische Expressionismus und seine Medien․Andreas Anglet 201 202 유럽사회문화 제5호 einbürgert. Dass ihre künstlerische Ausdruckssuche geprägt ist durch die im Jahre 1884 sowie durch die Ermöglichung eines Drucks von Großstadterfahrung und die Zäsur des Ersten Weltkriegs, auch durch Suche Momentphotographien nach Georg Meisenbachs Erfindung der Autotypie im nach neuen Zielvorgaben wie dem „neuen Menschen“, unterscheidet sie nicht Jahre 1882 war die technische Grundlage für die Massenpresse geschaffen, wie allzu sehr von anderen zeitgenössischen politischen, sozialen oder ästhetischen wir sie trotz technischer Neuerungen bis heute kennen. Die zusätzliche Strömungen.2) Generell ist ihr künstlerisches Selbstverständnis durch eine Finanzierung der Presse durch Annoncen-Werbung, die Rudolf Mosse in den Gegenbewegung zum Naturalismus und zur zeitgenössischen neoromantischen sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum eingeführt Tradition geprägt, doch etwa der Einfluss des und die Abgrenzung vom hatte, und die immer kürzeren Erscheinungsphasen aufgrund neuer Futurismus ist bei den einzelnen Expressionisten recht unterschiedlich Schnelldruckmaschinen forderten beim wachsenden Straßenverkauf, der neben ausgeprägt und durch andere Einflüsse – etwa die der französischen den Abonnementvertrieb trat, neue Formate und eine neue Ausrichtung am Avantgarden der Zeit – vermittelt. Massengeschmack und den Erwartungen einer breiten Leserschicht nach All diesen stilistisch, ästhetisch und politisch substantiellen Kriterien soll an Abnormitäten, Sensationen, Katastrophen und Schockwirkungen. dieser Stelle eine Überlegung zu der medialen Selbstfindung und Liest man die Caféhausszene in Reinhard Sorges Stück Der Bettler, so hat Selbstinszenierung in den expressionistischen Kreisen vorangestellt werden, die man einen Eindruck von der Erfahrungswelt der jungen Expressionisten, die zwar auch den Habitus des Intellektuellen um 1900 in den Blick nimmt, mehr sich, ob in , Wien oder Dresden, in solchen Cafés trafen und dort ihre noch aber ein kleiner Beitrag zur Kulturgeschichte der Probleme bei der Kunstideen entwickelten: Modernisierung und Medialisierung von Kunst im sog. „expressionistischen Jahrzehnt“ sein soll. Sechster Zuhörer. Lest doch die Annoncen, die sind voller Schweinereien! Erster Zuhörer (gähnt). Ach ... langweilig! ... [...] Zweiter Vorlesender. „Hören Sie: Erdbeben in Mittelamerika!“ 1) Printmedien: Zeitung und Telegrammstil Stimmen. „Halloh! Wie viel Tote?“ Zweiter Vorlesender. Fünftausend.“ Die Erfahrungswelt dieser Generation der um und kurz nach 1890 geborenen Dritter Zuhörer. „Puh Teufel! jungen Leute ist geprägt von der neuen Art von Zeitung, die sich am Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt hatte. Mit der Erfindung der Rotationsmaschine und Der Sinn für die Sensation, der durch die Massenmedien geweckt wird, Ottmar Mergenthalers Konstruktion der Zeilenguss-Setzmaschine („Linotype“) während man selbst sicher im Café weit davon entfernt ist, kennzeichnet schon Goethe in seinem Faust, in dessen Szene Vor dem Tor sich die Bürger über 2) Für eine Orientierung s. Gottfried Küenzlen: Der Neue Mensch, München 1994, der den fernen Krieg in der Türkei unterhalten (V. 860-870). Mit den neuen zwar das Konzept des Expressionismus vernachlässigt, aber das Umfeld, insbesondere die Vorgeschichte im 19. Jahrhundert und in der Jugendbewegung exemplarisch erhellt. Massenmedien erhält die Meldung nun jedoch jene effekthascherische Der literarische Expressionismus und seine Medien․Andreas Anglet 203 204 유럽사회문화 제5호

Sprachform, die der neuen Geschwindigkeit des Lebens und ihrem Stilvorbild Bezug genommen wird. Die Katastrophenmeldungen sind Sensationscharakter entspricht, den ,Telegramm-Stil‘ der Schlagzeile.3) verfremdet, sei es durch die kubistische Deformation der Realitätsdarstellung Die Spuren dieser neuen Sprachform in einer Reihe von expressionistischen (den „spitzen Kopf“, V. 1), durch die Verdinglichung von Menschen (V. 2) Dichtungen lassen sich am prägnantesten an dem vielleicht bekanntesten sowie die Vermenschlichung von Dingen (V. 5), durch die akzentuierte expressionistischen Gedicht zeigen, an ’ Weltende aus dem Banalisierung der Katastrophen (V. 3, 7, 8) oder durch Euphemismen, die Jahre 1911: zwischen kindlicher Anschaulichkeit und Zynismus changieren (V. 3, V. 8). Die unbestimmte Verortung dieser Katastrophen – es gibt keine konkreten, Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut, nur allgemeine geographische („in allen Lüften“, V. 2; „an den Küsten“, V. 4) In allen Lüften hallt es wie Geschrei. oder zeitlichen Angaben zu den Nachrichten – ebenso wie die damit Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei einhergehende unbestimmte Verallgemeinerung des Katastrophengeschehens Und an den Küsten - liest man - steigt die Flut. erwecken den Eindruck allgegenwärtiger apokalyptischer Vorgänge. Durch die Lakonik und die Ironie des Textes sowie den fast schematisch eingesetzten Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen jambischen Pentameter, wird das Pathos, das das Thema fordert, jedoch An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken. gleichzeitig unterlaufen. Die meisten Menschen haben einen Schnupfen. Neben van Hoddis ist vor allem Alfred Lichtenstein ein Vertreter dieser Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.4) ironischen Linie im frühen Expressionismus. Eine andere ästhetische Aneignung dieser neuen medialen Gestaltungsweise Wie Schlagzeilen sind die Verse in einem parataktischen Stil gestaltet, der bei den jungen Expressionisten schließt an Apollinaires „Simultanstil“5) und höchstens einen Nebensatz enthält (V. 5 f.). Selbst die Geste des Zeitungslesers mittelbar an Marinettis futuristische Forderung einer „drahtlosen ist in das Gedicht integriert (V. 4). Die Hyperbel als vorherrschendes Stilmittel Telegraphenliteratur“6) – an. Neben dem Typ des „Konversationsgedichtes“ unterstreicht den durchgängig parodistischen Zug, mit dem hier auf das (poème-conversation), das einen Reihungsstil durch die sprachliche

3) Vgl. zum Telegramm-Stil Friedrich A. Kittler: „Im Telegrammstil“. In: Stil. Geschichten und Funktionen eines kulturwissenschaftlichen Diskurselements, hg. von Hans Ulrich 5) Apollinaire entwickelt diese Ästhetik in seiner Programmschrift Simultanisme ― Gumbrecht und Karl Ludwig Pfeiffer, Frankfurt am Main 1986, S. 358-367, sowie Librettisme, erstmals publiziert in Les Soirs de Paris, 15 juin 1914, vgl. Guillaume Bernhard Siegert: Relais. Geschicke der Literatur als Epoche der Post 1751-1913, Apollinaire: Œuvres complètes en Prose II. Hg. von Pierres Caizergues und Michel Berlin 1993, S. 202 f. Harro Segeberg: Literatur im technischen Zeitalter. Von der Decaudin. Paris 1991, S. 974-979. Vgl. hierzu meinen Beitrag The Café in Benn’s and Frühzeit der deutschen Aufklärung bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs. Darmstadt Apollinaire’s Lyrical Focalisation of the City, in: KulturPoetik 7.2 (2007), S. 215-233. 1997, S. 283-297. 6) Vgl. Filippo Tommaso Martinetti: „Zerstörung der Syntax. Drahtlose Phantasie. Befreite 4) Jakob van Hoddis: Dichtungen und Briefe. Hg. von Regina Nörtemann. Zürich 1987, S. Worte“ (1913). In: Futurismus. Geschichte, Ästhetik, Dokumente. Hg. von Hansgeorg 15. Schmidt-Bergmann. Reinbek bei 1993, S. 210-220, hier S. 214 f. Der literarische Expressionismus und seine Medien․Andreas Anglet 205 206 유럽사회문화 제5호

Organisation von Wahrnehmungssegmenten gestaltet, entwickelt Apollinaire um Widmungsgedicht aufgreift. Zudem: Wie in Zône flaniert der Leser durch 1913/14 den Typ des graphisch organisierten „Simultangedichts“ (idéogramme unterschiedliche Räume von Paris, zu denen immer wieder assoziativ Berliner lyrique). Mit Lettre-Océan, in dem das Radioteleskop des Eiffelturms simultane Örtlichkeiten und deutsche Namen in Bezug gesetzt werden. ‚poetische‘ Nachrichten in alle Teile der Welt ausstrahlt,7) hatte er zuvor ein Am Ende des Gedichts fasst Meyer den Eiffel-Turm als Ikone der Moderne sofort rezipiertes Modell geschaffen, das durch seine Visualisierung leicht und Allegorie des modernen Dichter-Ich, als „Leuchtturm“ im Sinne von verständlich war. Zum Vorfeld dieser Konzeption gehört das Gedicht Zône, in Baudelaires Programmgedicht Les Phares. Die Schlussstrophe lautet: dem der Text an der Grenze zwischen einer alten und einer neuen Welt Räume und Zeiten mit ganz unterschiedlichen Bedeutungsfeldern durcheilt, um so eine Ich glühe tief und weiß: Vision des Zustandes der Welt und des Menschen in dieser Situation der ich bin der Eiffelturm! Moderne heraufzubeschwören. Seine formale Gestaltung bietet noch einen Text [...] mit gereihten Segmenten, deren Struktur zirkulär angelegt sind. Ich empfange dankbar drahtlose Depeschen Schon früh im Sturm- Kreis knüpft Alfred Richard Meyer an Apollinaires aus Kanada Modelle an, mit Paris ein Jahr vor Apollinaires theoretischer Prägung einer Timbuktu, eigenen ästhetischen Begrifflichkeit für seine Experimente.8) Entsprechend Nauen wählt Meyer noch nicht die von Apollinaire im Folgejahr entwickelte Strategie und Adrianopel. der drucktechnischen Visualisierung, die an futuristische Vorläufer anschließt, Die liebe Mitwelt sorgt ganz mütterlich für Sensationen: sondern gestaltet sein Paris-Gedicht in einem Reihungsstil, der eher Nicht wahr? Paris liegt gar nicht an der Seine.9) Apollinaires Konversationsgedicht nahe steht – Meyers Widmung des Gedichts an Apollinaire zitiert dabei Zône, dessen Sprachorganisation und Die Lyrik ist eine Energie, die das Ich des dichterischen Mediums übergeordnete Sprecherposition zum einen dem expressionistischen Duktus durchströmt und in „drahtlose Depeschen“ an eine Welt gesandt wird, die verpflichtet ist, aber zum anderen die Anrede des Lesers aus dem ihrerseits für den Stoff, die „Sensationen“, sorgt, die dieses Ich wiederum künstlerisch (um-) gestaltet. Dichtung wird zum Energiekreislauf, in dem der

7) Guillaume Apollinaire: Œuvres poétiques. Mit einem Vorwort von André Billy hg. von Dichter lediglich als Kondensator und Katalysator der ihn durchströmenden Marcel Adéma und Michel Décaudin. Paris1965, S. 183. nicht-menschlichen Kräfte erscheint – und nur deshalb kann das 8) Welche der Konzepte Meyer kennen konnte, ist nicht geklärt. Zum Berlin-Besuch Personalpronomen noch im Gedicht als Anapher erscheinen. Poetologisch Apollinaires und zum Kontakt zwischen Walden, seinem Kreis und Apollinaire s. Correspondance Guillaume Apollinaire-Herwarth Walden. Der Sturm, 1913-1914. Hg. gelesen wird eine neue Distributionsform von Literatur projektiert, erträumt. von Philipp Rehage. Paris 2007. vgl. die beiden älteren Studien: Ina Maria Brümann: Apollinaire und die deutsche Avantgarde. Hamburg 1988; Willard Bohn: Apollinaire and the International Avant-Garde. New York 1997, S. 75-128, 322-330. 9) In: Der Sturm 1913, Jg. 4, Heft 197 (1913), S. 85 f., hier S. 86. Der literarische Expressionismus und seine Medien․Andreas Anglet 207 208 유럽사회문화 제5호

Noch radikaler könnte man das Gedicht produktionsästhetisch sogar als gleichzeitig zum Manifest entstandenen Gedicht Paris brennt wird der Manifest einer Preisgabe von dichterischer Subjektivität an die neuen Eiffelturm sogar – wie bei Meyer zum Kreuzungspunkt verschiedener Kommunikations-Medien wie das Radio lesen. Dann wäre das „Ich“ lediglich Nachrichten und Eindrücke, indem er als „Nervenakkumulator“ die Seele aller Ausdruck einer Personifikation des Mediums, nicht mehr aber der einer Friseure Europas in „Hochspannung“ setzt.13) Subjektivität hinter dem Medium. Golls Zweisprachigkeit und Zwischenstellung zwischen der französisch- und Wie sehr hier das Bewusstsein der Verknüpfung von Medialität und der deutschsprachigen Tradition lassen die Einflüsse beider erkennen: Elemente Modernität besteht, zeigt die Infragestellung einer nationalen oder gar an eine des Konversationsgedichtes ebenso wie den Reihungsstil der Eindrücke. Als einzige Metropole wie Paris gebundenen Vorstellung des Energiemonopols: Außenseiter vertritt er diese radikal modernistische Position, wie man sieht, Meyer denkt und dichtet bereits den Gedanken einer medialen Globalisierung! auch noch am Ende des Ersten Weltkrieges, an dem die deutschen Expressionisten Eine andere Konsequenz dieser Auffassung zieht Yvan Goll 1921 in seinem sich unter dem Eindruck der Kriegserfahrung von dieser ästhetischen Position einer Manifest Das Wort an sich. Dort fordert er – unter Bezug auf den Futurismus bewussten Desubjektivierung weitgehend zurückgezogen haben. Sie erscheint in – eine neue „elektro-radial[e]“ Dichtung, in der „das Prinzip Einfachheit“ den Dichtungen einer „Wandlung“ des Menschen oder deren Desillusionierung beim Telegramm Modell ist, so dass eine poetische „Ursprache“ in nunmehr als Mittel zur Gestaltung der Deformation durch den Krieg. ursprünglicher „Einfachheit und Keuschheit“ wiedergewonnen werden kann.10) Im Rücken dieser Wendung steht bereits der Kult um den expressionistischen Dieses Konzept ist direkt gegen einen, wie er ihn nennt, Expressionismus der Lyriker August Stramm, dessen Auflösung der konventionellen Syntax „Gesinnung“, gerichtet, dessen ,sentimentalem‘ Subjektivismus auf der einen zugunsten syntagmatischer Reihungen von Worten und Eindrücken im und dessen Überschätzung der Subjektivität auf der anderen Seite er angesichts Sturm-Kreis zu Lyrik-Theorien wie denen von Friedrich Benndorf14) und der „gehirnmaschinellen“ „Kraft“ der neuen Zeit keine Chance gibt.11) Ikone Herwarth Walden15) Anlass gegebenhat und eine neue Radikalität in das ist für Goll ebenfalls der Eiffelturm, den er gleichzeitig in mehreren Gedichten sprachliche Experiment der deutschsprachigen Moderne eingeführt hat. Waren feiert. Auch bei ihm sendet er „drahtlos“ „lyrische Dichtungen“.12) In dem es zum einen ekstatische Erlebnisbereiche wie zunächst Liebe und später die dichterische Gestaltung der Kriegserfahrung, die inhaltlich Stramms Experimente 10) Y. G.: „Das Wort an sich. Versuch einer neuen Poetik“. In: Die Neue Rundschau 32,10 legitimierten, so ist es andererseits eine besondere Pointe der modernen (1921), S. 1082-85. Zitiert nach: Manifeste und Dokumente zur deutschen Literatur 1910-1920: Expressionismus, hg. von Thomas Anz und Michael Stark, Stuttgart 1982, Literatur, dass ihr Verfasser selbst Postbeamter, ja Telegraphenfachmann S. 614 f. gewesen ist. 11) Y. G.: „Der Expressionismus stirbt“. In: Zenit 1,8 (1921), S. 8 f. Hier nach: Manifeste und Dokumente, a. a. O., S. 108 f. seiner Gedichte (Poésies. Édition du Matin) in Le Nouvel Orphée; ebd., S. 230. 12) „Drahtlos vom Eifelturm [sic]. (Neue Gedichte)“ - so der Titel einer von Golls 13) Ebd., S. 190 f. Vgl. auch sein Gedicht Electric, S. 316 f. Lyriksammlungen. In Yvan Goll: Die Lyrik, Bd. 1: Frühe Gedichte 1906-1930. Hg. von 14) Friedrich Kurt Benndorf: „Vom lyrischen Idiom“. In: Der Sturm 1 (1910/11), S. 341 f. Barbara Glauert-Hesse, Berlin 1996, S. 261. Vgl. zu dieser Mythisierung der Energie 15) Herwarth Walden: „Das Begriffliche in der Dichtung“. In: Der Sturm 9 (1918), S. 66 auch sein französischsprachiges Gedicht Téléphone sans fil aus der „Morgenausgabe“ f., zitiert nach: Manifeste und Dokumente, a. a. O., S. 618-622. Der literarische Expressionismus und seine Medien․Andreas Anglet 209 210 유럽사회문화 제5호

Was bei ihm thematisch im Vordergrund steht, ist ebenfalls die Katastrophe, Interpunktion in die folgenden Versen hinzuzudenken, ergeben sich zwei doch der von den futuristischen Manifesten geforderten kraft- und einander ausschließende, verschiedene Möglichkeiten („Kreisch peitscht das gewaltverherrlichenden Pose steht bei Stramm unter dem Eindruck des Krieges Leben vor sich her“, „Peitscht das Leben vor sich her den keuchen Tod“), eine Ausdrucksform entgegen, die die Auflösung des vernünftigen, seine wobei beide Lösungen die Assoziation des Lesers durch lautmalerische Worte Affekte und Handlungen – und damit seine Sprache – kontrollierenden zudem immer wieder auf eine andere Ebene der Rezeption, die der Reihung Menschen so brutal anschaulich wie kritisch in Frage zu stellen beginnt: von Wahrnehmungen umleiten („Kreisch“, „keuchen“ verkürzt von „keuchenden“, wenn man das Wort auf eine vollständige Satzgrammatik hin Sturmangriff gedanklich ,korrigiert‘). Grammatische Mehrdeutigkeiten wie „Fürchte“ als Plural von „Furcht“, wofür die Großschreibung spräche, oder als isoliert Aus allen Winkeln gellen Fürchte Wollen eingeschobener Imperativ von „fürchten“ unterstreichen diesen Eindruck einer Kreisch Atomisierung der gedanklich-sprachlichen Ordnung unter dem Trommelfeuer Peitscht der Eindrücke und Empfindungen. Der „Himmel“ erscheint nicht mehr als Das Leben religiöser Bezugsort, als solcher und als Bestandteil des Schlachtfeldes ist er Vor – Plural! – in Fetzen aufgelöst. Sich Mit dem Schlussvers wird der scharfe Gegenpol zur martialischen Her futuristischen Pose erreicht: Die Menschen sind nicht die souveränen Den keuchen Tod Beherrscher der von ihnen ausgelösten Gewalten, sondern Objekte des Die Himmel fetzen Geschehens. Sie sind „Blinde“, die von ihrem „Entsetzen“ (Subjekt) ,wild‘ Blinde schlächtert wildum das Entsetzen.16) umhergetrieben und mit einem Neologismus, der typisch für Stramms Ableitungstechnik ist („schlächtern“, zusammengezogen aus „schlachten“ und Dieser Reihungsstil besteht in einer Reihung nicht mehr von Sätzen, sondern „Schlächter“) auf die Schlachtbank des Krieges gelegt werden. Dass hier kein von Eindrücken. Die Verbindung dieser Eindrücke zu einem Ganzen ist nicht souveränes Subjekt mehr spricht, ist nicht mehr Ausdruck der Überlegenheit mehr auf der Ebene des Satzes herstellbar. Satzstrukturen erscheinen wie einer technisierten Moderne gegenüber früheren Epochen und ihren Ruinen: der erste Vers lässt sich bis auf das letzte Wort als Satz lesen – mit Weltdeutungen, sondern Fanal eines Grauens im Angesicht der Zerstörung dem besagten ambivalenten „Fürchte“. Diese Leseweise wird aber durch das physischer und psychischer menschlicher Integrität. Die Faszination durch die isoliert angehängten „Wollen“ sofort irritiert. Versucht man eine gliedernde übermenschlichen Energien der neuen Technik mündet in eine sprachlich evozierte ins Apokalyptische geweitete Vision des Grauens.17) 16) August Stramm: Die Dichtungen. Sämtliche Gedichte, Dramen, Prosa. Hg. von Jeremy Adler. München 1990, S. 89. Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs erstarkt die von Goll als Der literarische Expressionismus und seine Medien․Andreas Anglet 211 212 유럽사회문화 제5호

„Gesinnungs“-Expressionismus kritisierten Strömung des Expressionismus, die Die Großstadt, in der diese Generation ihr Publikum sucht, hat aus in ihrer Dichtung das an der Moderne leidende Ich thematisiert. Sie arbeitet traditionellen Darbietungsformen neue Formen der Unterhaltungsperformanz dabei mit religiöser Symbolik, so der der erhofften „Wandlungs“, die mit einer ausgeprägt, die bereits zu großen Erfolgen geführt haben. Aus den „Ginguettes“ messianischen Erwartung eines „Neuen Menschen“ verknüpft ist; sprachlich ist und „Goguettes“ waren in Paris während der zweiten Hälfte des 19. sie durch eine nicht mehr primär deskriptiv-expositorische, sondern appellative Jahrhunderts auf den Kleinkunstbühnen von Kneipen die Formen einer neuen Haltung der Sprecher gekennzeichnet. Großstadt-Unterhaltung entstanden, die verschiedene Darbietungsformen reihten: das mit Tanzrevuen arbeitende Varieté oder das Cabaret, das als politisch zugespitztes Kabarett auch die deutschen Großstädte erobert hatte. 2) Modelle der Performanz: Kabarett, Varieté und Revueform Immer wieder sind diese neuen performativen Formen Gegenstand expressionistischer Großstadtdarstellung. Exemplarisch hierfür ist van Hoddis’ Einen ästhetischen Vorlauf besitzt diese antifuturistische Wendung des Gedichtzyklus Variété, der – auch im wörtlichen Verständnis des Titels – ein Expressionismus jenseits der expressionistischen Futurismus-Debatte18) in der ,Vielerlei‘ von Unterhaltungsformen präsentiert. Der erste Blick gilt dem sofort Auseinandersetzung mit anderen Großstadtphänomenen, die in manchen beschimpften hässlichen und dummen Publikum, das sich „gemeinen“ Facetten faszinierend, in anderen erschreckend sind. Einer dieser Bereiche ist Vergnügungen widmet (I Loge); nach drei Mädchen, die „mit gemeinen Gesten die neue Unterhaltungsindustrie der Moderne, vor 1910 geprägt durch Kabarett protzen“ (ebd., V. 8), tritt ein Athlet auf (II Der Athlet), der Bretter zerhaut, und Variété und Revueform – also einem szenischen Reihungsstil. Träumt in einen fleischigen, dicken Oberkörper, aber deformierte Füße besitzt. Als dritte den Eiffelturm-Gedichten eine junge Dichtergeneration von den Möglichkeiten, Attraktion erscheint III Der Humorist mit anzüglichen Erzählungen, aber die eigenen Produktionen in einer neuen elektrifizierten Oralität über das Radio vulgärer und seine Posen durch sein heruntergekommenes Äußeres ungewollt zu verbreiten, ist sie in der Realität dieser Zeit jedoch nach wie vor an die karikierender Ausstrahlung: die Schlagersängerin, die auf ihn folgt, ist weniger Printmedien und konventionelle Aufführungspraktiken gebunden. auf eine musikalische Darbietung aus als darauf, durch ihren Tanz den „jungen Leib“ unter dem Kleid (V. 8 f.) darzubieten (IV Tanz). Überboten wird ihr 17) Zur Ambivalenz der Faszination durch die Technik in den expressionistischen Auftritt in der Folge durch den einer Inderin, die – nur mit einem Gürtel Kriegsdichtungen vgl. die kommentierte Auflistung von Themen und Titeln bei Harro – Segeberg: Literatur im Medien-Zeitalter. Literatur, Technik und Medien seit 1914, bekleidet, an dem Perlenschnüre hängen zwei schwarze Panther bändigt (V Darmstadt 2003, 22-24. Die Inderin). Die Exotik wird fortgesetzt durch eine Tanzaufführung, in der 18) Grundsätzlich zur Ambivalenz dieser Beziehung, ohne dass jedoch die französische fast unbekleidete blonde Europäerinnen zusammen mit Schwarzen tanzen und Moderne mit ihren dem italienischen Futurismus teils verpflichteten, teils verwandten Konzepten in den Blick rückt, s. Hansgeorg Schmidt-Bergmann: Die Anfänge der ihnen mit Stöckelschuhen ins Gesicht treten eine Kritik an der Fortsetzung des literarischen Avantgarde in Deutschland. Über Anverwandlung und Abwehr des Kolonialismus im neuen Showbusiness (VI Ballett). Ebenfalls lediglich der italienischen Futurismus. Ein literarhistorischer Beitrag zum expressionistischen Jahrzehnt. Stuttgart 1991. Darbietung weiblicher Nacktheit mit albernem Kostüm (Jägerkleidung) und Der literarische Expressionismus und seine Medien․Andreas Anglet 213 214 유럽사회문화 제5호

Gesang dient an siebter Position der Auftritt der Soubrette; endgültig zerstört Physiognomie des Menschen“ durch rhythmische Sprache beeinflusst wird und werden die romantischen Jugendträume und Wünsche des lyrischen Ich von werden kann.20) Liebe und Schönheit im Leben und in der Kunst jedoch von dem „blöden Wie eine Darbietung aussah, die mit solchen Überlegungen entstand, lässt Lächeln“ der folgenden Tänzerin (VIII Die Tänzerin). Als vorletzter sich aus einem Artikel von Hans Hentig in der Münchener Allgemeinen Programmpunkt erscheint noch ein Lebendes Bild über den Zustand der Zeitung vom 16. Juli 1910 über den zweiten Abend des „Neopathetischen Literatur, in deren Blutlosigkeit der Teufel und seine Missgeburten herrschen, Cabarets“ vom 6. Juli nachlesen: In einem verdunkelten Raum tritt zunächst und den Schluß gestaltet als jüngste Errungenschaft und als Steigerung der „ein junger Mann“ auf Darbietungen die des Kinematographen, über die später noch gesprochen werden soll. Als Abschluss folgt noch XI Draußen, eine ironische Schilderung „und beginnt eine Art Skizze vorzulesen. Er lispelt leider, spricht Cocktail des Zustands des Großstadtpublikums nach dieser Aufführung und bittere Kritik französisch aus und erzählt hauptsächlich von einem jungen, natürlich blassen an der Banalität des anschließenden Großstadtlebens und der Plumpheit seiner Kapellmeister, aus dessen Stirnlocke die Musik hervortritt. [...] Als er geendet hat Reklamen (V. 7), die den feinen Geschmack des lyrischen ich beleidigt (V. 9). – der Neopathetiker, meine ich –, erwacht jubelnd der Beifall. [...] An seine Gegen die geschilderte Banalisierung des modernen Lebens durch die Stelle tritt ein gesund und frisch aussehender junger Mann [Georg Heym] und Unterhaltungsindustrie tritt die Kunst der Expressionisten an. Trotzdem suchen schmettert mit energischer Stimme ein paar Gedichte seinen Zuhörern ins auch sie ihr Publikum durch die Aufführung und öffentliche Lesung ihrer Gesicht. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit Würmern, die im Kopf einer Texte. Während etwa der Neue Club 1909 mit Vorträgen und Lesungsabenden Leiche umherschwirren, und sucht uns auch dafür zu interessieren.21) Als beginnt, entsteht am 27. März 1910 bei den Mitgliedern der Plan eines irgendeiner schüchtern lacht, wirft er dem Publikum einen scharfen Blick zu. öffentlichen, in regelmäßigen Abständen stattfindenden „Cabarets“, das – in Schon fürchten wir, er will uns mit der Entziehung seiner Gedichte bestrafen. Anlehnung an Stefan Zweigs Aufsatz über Das neue Pathos (1908/09) – den Aber nein, die Gefahr geht vorüber. Am Schluss Jubel. Namen „Neopathetisches Cabaret“ erhält. Erklärtes Ziel ist – gegen die Nummer drei des Programms. Ein magenkrank aussehender Herr erklärt, er herrschende, auf „Belustigung“ und „Unterhaltung“ gerichtete „Cabarettie“ – müsse platzen, wenn er uns nicht eine Stelle aus Nietzsche vorlesen dürfe. [...] Er eine Versöhnung von Intellekt und Kunst.19) 20) Aus: Erwin Loewenson: Kleines dummes Notiz-Büchlein. In: Die Schriften des Neuen Die ästhetischen Ideen, die im Neuen Club diskutiert werden, kreisen um die Clubs 1908-1914, Bd. II. Hg. von Richard Shepard. Hildesheim 1983, S. 323-347; „Affekteinstellung des Sprechens“, die „,Affektform‘ [...] der „inneren Zitate: S. 335 und 333. 21) Vgl. Georg Heym: Der Schläfer im Walde. In: ders.: Dichtungen und Schriften. Sprachmimik“, d. h. wie die „äußerlich sichtbare und innerlich fühlbare Gesamtausgabe, Bd. 1: Lyrik. Hg. von Karl Ludwig Schneider, unter Mitarb. von Klaus Hurlebusch und Dieter Knoth. Hamburg und München 1964, S. 40 f. Eine Nähe zu 19) Aus dem Brief von Erwin Loewenson an Erich Unger vom 29. März 1910. In: Die Arthur Rimbauds Le dormeur du val ist unverkennbar; zu dieser Traditionslinie vgl. Schriften des Neuen Clubs 1908-1914, Bd. II. Hg. von Richard Shepard. Hildesheim Rémy Colombat: Rimbaud – Heym – Trakl. Essais de description comparée. Bern 1983, S. 285 f. 1987. Der literarische Expressionismus und seine Medien․Andreas Anglet 215 216 유럽사회문화 제5호

[...] liest so lange und mit so falscher Betonung, dass Zwischenrufe laut werden. Bierbaum, Musik von Debussy, mitunter Lieder zeitgenössischer Komponisten [...] vor, kurz ein aus verschiedensten Beiträgen zusammengewürfeltes, durchaus Dann wundert man sich plötzlich, dass Tilla Durieux auf dem Podium sitzt heterogenes Programm. und den letzten Akt aus Wedekinds: ,Mit allen Wassern gewaschen‘ vorzulesen Pathos, Schockwirkungen, pointierte Selbstdarstellung und ein ausgeprägtes beginnt. Es wird ganz still. [...] Sendungsbewusstsein spielen hier eine ebenso wichtige Rolle, wie die Suche Nach einer kurzen Pause [...] kommt der Herr mit dem wohlgebauten Frack nach dem angemessenen Affektausdruck. Die große Geste, das Pathos der [Kurt Hiller] an die Reihe. Er trägt eigene und fremde Gedichte vor. [...] es wird Darstellung und die Revue von stark individualisierten, mitunter zur Karikatur Heiterkeit laut, und auf einmal lacht das ganze Zimmer. Aber der Herr liest verzerrten Redepositionen kennzeichnen diese Phase des Expressionismus und weiter fremde und eigene Gedichte. [...] Der Herr ist unglaublich komisch. prägen ihn. Wollte er es sein? Die Ablösung von dieser teilweise dilettierenden, teilweise gezielt Das Schlimmste aber erleben wir jetzt. Ein junger Mann, der sich J. van parodistischen Anlehnung an die Unterhaltungskunst der Zeit erfolgt am Hoddis nennt, nimmt auf dem Podium Platz und lächelt schon von vornherein deutlichsten bei der Etablierung einer Gruppe und ihrer Kodifizierung einer schadenfroh über die gemißhandelten Zuhörer. Dann liest er so schnell seine identifizierbaren, präskriptiven Ästhetik wie im Falle des „Sturm“. Machwerke ab, dass man überrascht nicht mehr Zeit hat, an die Tür zu kommen. Dass im Neuen Club auch Herwarth Walden 1911 nicht nur einen Vortrag Nach jeder Strophe lächelt er befriedigt. Ich habe selten so etwas bodenlos hält, sondern an einem offenen Abend auch seine Lieder von Claire Waldorff Hässliches gehört. [...] gesungen werden, verweist auf die Fortführung dieser Präsentationsform im Dann beginnt noch ein Herr mit sympathischer Stimme eine längere Novelle „Sturm“-Kreis, der diesen Cabaret-Gedanken aufnimmt. Gab es ab 1912 die von Jacob Wassermann zu lesen. Auf das Wort ,länger‘ hin flüchte ich, obwohl „Sturm-Galerie“, so fanden dort ab 1913 Vortragsabende statt, ab 1916 unter ich vor Wassermanns Kunst Respekt habe.“22) der Leitung von Rudolf Blümner die „Sturm-Abende“ mit Rezitationen expressionistischer Dichtung, während ab 1918 die „Sturm-Bühne“ nach einem Der Ablauf, der hier geschildert wird, zeigt nicht nur die Provokation des expressionistischen Gesamtkunstwerk strebte, das sich am Modell von Stramms Publikums durch die Aufführungen, sondern auch den Synkretismus, der auch Dichtungen und Waldens Wortkunst-Theorie orientieren sollte.23) die Veranstaltungen des späteren dadaistischen Cabaret Voltaire oder der Anders als im Neuen Club steht die Etablierung der Vortrags- und frühen Surrealisten kennzeichnen wird. Im Rahmen des „Neopathetischen Rezitationsabende unter dem Vorzeichen des Ersten Weltkriegs. Die Cabarets“ und an den „offenen Abenden“ des Neuen Clubs tragen seine Anwesenheit von politischem Zensor, Polizeirat Henning, auf den Mitglieder eigenes, aber auch Werke von Anderen – darunter Rilke und Abenden ist ein Hinweis auf die Grenzen, die dem Sturm während des Krieges

23) Vgl. Kurt Möser: Literatur und die „Große Abstraktion“. Kunsttheorien, Poetik und 22) Die Schriften des Neuen Clubs II, a. a. O., S. 665 f. „abstrakte Dichtung“ im „STURM“ 1910-1930. Erlangen 1983, S. 66-68, 122-145. Der literarische Expressionismus und seine Medien․Andreas Anglet 217 218 유럽사회문화 제5호 gesetzt waren.24) interessierten .26) Die Nähe zwischen religiösem Entwurf und Die Annäherung an den Gedanken des Gesamtkunstwerks zeigt eine Nähe einer Dramaturgie des Ich – dessen psychische und moralische Zustände – zu traditionellen Formen wie dem Opernkonzept des späten Wagner, dessen gestaltet er erstmals in Nach Damaskus, dessen Titel auf die Bekehrung des Erlösungsgedanke aus dem Parsifal einen nach wie vor viel zu wenig Paulus, also die Thematisierung einer inneren (religiösen) Erfahrung verweist. untersuchten Einfluss auf den sog. „messianischen Expressionismus“ und Das Erlösungsbedürfnis des Menschen als Zentralzauber der offenen oder dessen Konzept des ,Neuen Menschen‘ gehabt hatte. Findet man aber in verdeckten Teleologie vieler expressionistischer Dramen kann sich ebenso auf Wagners Erlösungskonzept eine Entwicklungsstruktur, so zielt die Sturmästhetik den nordeuropäischen Dramatiker wie auf den Parsifal Wagners berufen, nur nach wie vor auf einen Reihungs-,25) genauer Potenzierungsgedanken. Hier dass viele expressionistische Gestaltungen die Möglichkeit einer umfassenden steht die Diskussion unter dem Einfluss der Ästhetik von Kandinsky und dem Erlösung angesichts der Katastrophe des Weltkrieges zunehmend dementieren „Blauen Reiter“ mit ihrer Betonung der eigenen Semantik und der oder als großartige Ausnahme gestalten. Eigendynamik künstlerischer Materialien und Parameter. Charakteristisch für diesen Reihungsstil auf der expressionistischen Bühne ist Georg Kaisers Drama Von morgens bis mitternachts von 1916 (UA 1917). Die Szenenfolge stellt die Verführungskraft der modernen Großstadtwelt und ihrer 3) Die Geste: das Stationendrama und der Unterhaltungsindustrie dar, deren Erlösungsversprechen und -phantasien bei den Erlösungsgedanke – Fluchtpunkt Stummfilm Konsumenten. Im Bankkassierer sind das Fehlen von Befriedigung in einem mechanisierten Berufsleben und die Sehnsüchte nach Glück, körperlicher und Das Reihungsprinzip in der anderen performativen Großform wird kurz vor spiritueller Erfüllung verkörpert. Im Drama gibt es folgende Stationen für die 1900 eingeführt durch den Dramatiker und an neuen Medien hochgradig Sehnsüchte der Menschen: I die Realität des Kassenraums weckt als Kontrast die Sehnsucht nach dem 24) Mehrings rückblickende Äußerungen sind ein Ausdruck seiner späteren politisch hier unerreichbaren mondänen Leben, verkörpert durch die Dame aus Florenz motivierten Abgrenzung gegenüber dem Ästhetizismus des Sturm jener Zeit. Walter Mehring: Verrufene Malerei. Berlin DADA. Erinnerungen eines Zeitgenossen und 14 als moderne Fassung der Allegorie der „Frau Welt“; die Folge ist die Essais zur Kunst. Hg. von Christoph Buchwald. Düsseldorf 1983, S. 12. Die Unterschlagung von Geld in der Hoffnung, sich das im bisherigen Leben ästhetischen Reflexionen, die er für den Sturm verfasst hatte, wollte er später lieber gekürzt gedruckt sehen; vgl. ebd., S. 15-21. Vermisste kaufen zu können; 25) Betrachtet man strukturell zum Reihungsstil eines Stramm verwandt scheinende II die Hoffnung des Kassierers auf eine Aufnahme in die Welt der Textstrukturen – z. B. den Text zum Liebestod aus dem Tristan, so ist doch Lebemänner durch das Jugendstil-Ambiente des Hotelschreibzimmers scheitert anzumerken, dass diese klanglich-emotionale Reihung von Textsegmenten das Sprachmaterial der Musik zuordnet, die bei Stramm fehlt, so dass die Assoziation nicht an der Fremdheit der Denk- und Lebensweisen; allein durch die Organisation des sprachlichen Syntagmas erfolgt, sondern durch den thematischen Zusammenhang des Stoffes und die mit emotionalen und semantischen 26) Vgl. August Strindberg. Der Dichter und die Medien. Hg. von Walter Baumgartner und Signalen aufgeladene Musik. Thomas Fechener-Smarsly. München 2003. Der literarische Expressionismus und seine Medien․Andreas Anglet 219 220 유럽사회문화 제5호

III die Begegnung des Kassierers mit dem Tod in der eisigen Wüste der Sprachgesten und Evokationen treten an die Stelle von Aussagen, um die Welt – das Bühnenbild der Regieanweisung erinnert an Franz Marc – zeigt Sehnsüchte zu formulieren wie hier im Monolog des Direktors, erste Szene: seine Hoffnung, sich den Tod durch das ekstatische Leben einverleiben, ihn hintergehen zu können; „Diese Dame aus Florenz [...]? Pelz parfümiert. Das riecht nachträglich, man IV die Sehnsucht nach familiärem Glück wird durch die Konfrontation mit zieht mit der Luft Abenteuer ein! – Das ist die große Aufmachung. Italien, das der – als naturalistisches Genrebild eingerichteten – kleinbürgerlichen wirkt verblüffend – märchenhaft. Riviera – Mentone – Bordighera – Nizza Familienroutine enttäuscht; – Monte Carlo! Ja, wo Orangen blühen, da blüht auch der Schwindel. Vom V die ekstatische und soziale Entgrenzung im Sportpalast beim Schwindel ist da unten kein Quadratmeter Erdboden frei. Dort wird der Raubzug Sechs-Tage-Rennen wird beim Eintritt des Fürsten als kurzlebige Ekstase arrangiert.28) desillusioniert, hinter der die traditionellen Herrschaftsstrukturen wieder hervortreten; Aposiopesen und Hyperbeln kennzeichnen das Pathos der Wünsche und VI die Sehnsucht nach erotischer Libertinage und Erfüllung im Ballhaus – Hoffnungen. mit einer Atmosphäre, die vergleichbaren Orten bei Schnitzler nahe steht – Die Desintegration der Hoffnungen am Dramenschluss wird als Auflösung entpuppt sich als kommerzielle Vorspiegelung öffentlicher Intimität, die aber der Ausdrucksformen inszeniert: Die Posaunenstöße im Hintergrund ersterben nur eine Prothese für das fehlende Glück ist; im Moment des Schusses, das Licht wird angedreht, wobei die Lampen VII die Sehnsucht nach Buße und religiöser Erneuerung im Lokal der explodieren, die letzten Worte des Kassierers „Ecce Homo“ sind ebenfalls Heilsarmee trifft aber auch hier, bei den vermeintlich anderen Bußfertigen, auf deformiert, ächzend gehüstelt und ausgehaucht. Die Sprache und der Klang die Gier nach Geld, und selbst das scheinbar unschuldige Heilsarmeemädchen werden zur Gebärde, die in den suggestiven Allegorien und Anspielungen auf verrät den Kassierer für die auf ihn ausgesetzte Belohnung an die Polizei. Bildtraditionen im szenischen Arrangement ihr bildliches Pendant besitzen, so Der abschließende Freitod in der Pose des gekreuzigten Christus jedoch auch das Sinken gegen das aufgenähte Kreuz des Vorhangs, bevor es ganz führt zu keiner Erlösung. Er ist Ausdruck einer abschließenden Resignation, die dunkel wird. Die Hoffnung auf Erlösung bricht an einer Kulisse zusammen, auf einen Weg durch die Versprechen der modernen Welt und das Erkennen einem Potemkinschen Dorf, als die das Lokal der Heilsarmee erscheint. der in ihnen verborgenen Irrtümer folgt – insbesondere der, dass mit Geld Dennoch ist das Drama keineswegs spracharm. Die Radikalität, mit der die erkauft werden kann, was im Leben fehlt. Der Weg des Kassierers erscheint als Kreislauf, auf dem er einsam bleibt und alle Ziele sich als Chimären 27) Walter Hinck: „Botschafter des Neuen Menschen, Märtyrer der Hoffnung: Georg erweisen. Soweit der Inhalt. Kaiser“. In: ders.: Theater der Hoffnung. Von der Aufklärung bis zur Gegenwart. Die Sprache ist „geschrumpft auf ihr logisches Skelett [...] auf, die Frankfurt am Main 1988, 82-90, hier S. 86. 28) Georg Kaiser: Werke. Bd. 1: Stücke 1895-1917. Hg. von Walther Huder. Frankfurt am Lapidarform einer Telegrammsprache, die lediglich dem Schlagabtausch dient.“27) Main, Berlin, Wien 1971, S. 471. Der literarische Expressionismus und seine Medien․Andreas Anglet 221 222 유럽사회문화 제5호

Verfilmung das Stück auf die Geste reduziert, zeigt jedoch, wie gerade die Die Polemik des Gedichts gegen diese Heterogenität und Diskontinuität der Stationenreihe eine Form bietet, die der allegorischen und gestischen Sprache frühen Kinovorstellung ist aber nur eine Seite der Medaille. Van Hoddis der Dramen Kaisers und des Expressionismus Raum schafft, wenn die Sprache übernimmt in seinen Schreibstil die Technik des Kinematographen: den fehlt. schnellen Wechsel von Heterogenem, so dass aus den Gegensätzen eine Kaiser selbst stand dem Kino noch in den frühen zwanziger Jahren skeptisch Steigerung hervorgeht. Die Reizüberflutung, die die letzte Strophe beklagt und gegenüber. Den „Kinoismus“ stellte er zusammen mit dem „Naturalismus“ als unter deren Eindruck sich die Besucher ins Freie drängen, ist aber dem Schock „ununterbietbare Anspruchslosigkeit“ und „künstliche Unterhaltung“ dem des expressionistischen Gedichts so fremd nicht. Dass die „Expressionismus“ gegenüber.29) Deutlich wird hier seine für die expressionistische Wahrnehmungsdispositive der Reihungsformen mit den Formaten der Kino-Debatte so charakteristische Abwehr des traditional illusionistischen aufkommenden Massenmedien aufeinander zulaufen,30) ist in der paradoxen langen Erzählfilms der Zeit. Verklammerung von Abwehr und Assimilation der Schreibweise bereits genau Gegen diese genannten Filmtraditionen polemisierte bereits Jakob van erkannt. Hoddis mit dem oben genannten Variété-Gedicht Kinematograph. Dort wird die Zentral für die Verfilmung von Kaisers Drama ist bei Karl-Heinz Martin die Diskontinuität dessen vorgeführt und parodiert, was in den frühen Stummfilmen Raum- und die Bildgestaltung durch den Einsatz des Lichts, worin schon die zu sehen war. Diese gehörten bis 1908 noch zur Subkultur der Jahrmarktswelt, Zeitgenossen eine Errungenschaft der expressionistischen Film-Ästhetik sahen.31) wurden als Schaubudenattraktionen auf Wandermärkten, auf Messen, in eben Die Gesichter in Großaufnahme, insbesondere das des Kassierers, stechen vor solchen Variétés und in Vorstadtkneipen gezeigt. Die großindustriell der Dunkelheit des Hintergrundes blass hervor; jede mimische Veränderung produzierten und konzeptionell durchgeplanten Stummfilme, wie sie ab 1910 bekommt in solchen Momenten eine besondere Intensität. Die Enttäuschung, zunächst in den USA, aber auch in Europa zu entstehen begannen, sind noch das Erstaunen, die Ekstase des Kassierers, der in immer neue Welten seiner nicht in der Perspektive des Gedichts. Van Hoddis’ zeigt, wie in den Filmen Sehnsüchte vordringt, wird, da die Sprache fehlt, durch seine Gestik und vor Exotika (Indien mit dem Ganges, Palmen, Tempeln und Brahmanen; V. 2) allem durch seine Mimik differenziert ausgedrückt, wobei Ernst Deutsch, einer vorgeführt werden, aber auch Famliendramen mit Lebemännern und der damals bedeutendsten expressionistischen Schauspieler, eine Glanzleistung Maskenbällen, wobei Revolverduelle als Einlage eines Kriminalstücks erscheinen (V. 5 f.). Alles dies steht ganz in der Tradition des Naturalismus, 30) Weitere Quellen zu dieser zeitgenössischen Diskussion finden sich bei Segeberg: ebenso der Heimatfilm, der aus der Vorführung europäischer Alpenwelten als Literatur im technischen Zeitalter, a. a. O., S. 268-271. 31) Verwiesen wird dabei auf die Schreib- und Gestaltungsweise in Carl Einsteins heimischer Exotika (V. 7-12) hervorgeht. Bebuquin, auf den hier nicht eingegangen werden soll; vgl. Rudolf Kurtz: Expressionismus und Film. Berlin 1926, S. 19 f. und S. 59 f. Zur Bedeutung dieser 29) Georg Kaiser: „[Ein neuer Naturalismus??] Antwort auf eine Rundfrage der Zeitschrift Raumgestaltung für die Phantastik des expressionistischen Kinos s. das Standardwerk ,Das Kunstblatt‘.“ In: ders.: Werke. Bd. 4: Filme, Romane, Erzählungen, Aufsätze, von Lotte H. Eisner: L’écran démoniaque. Les influences de et de Gedichte. Hg. von Walther Huder. Frankfurt am Main, Berlin, Wien 1971, S. 571 f. l’expressionnisme. Neuausgabe, Paris 1981 [1965], S. 35-50 und S. 61-113. Der literarische Expressionismus und seine Medien․Andreas Anglet 223 224 유럽사회문화 제5호 zeigt. Bühnenbildes.34) Der Wiederholungscharakter von Verführungen und Enttäuschungen wird u. In dieser hochgradig artifiziellen und verfremdeten Dekoration spielt sich die a. dadurch herausgestellt, dass z. B. die kleineren Frauenrollen im Film – Handlung mit ihren Wiederholungen der Desillusionierung ab. Sprachliche Tochter, Bettelmädchen, Kokotte, Maske, Heilsarmeemädchen – durch eine Orientierungen geben – bis auf die wenigen Sprechtexte – nur die einzige Schauspielerin dargestellt werden: Roma Bahn. Zwischentitel. Die Reihung aber der Orte, deren so abstrakte wie auf klare Ganz besondere Beachtung für die expressionistische und eben nicht Erkennbarkeit ausgelegte Inszenierung, ermöglicht es, dem Ablauf der realistische oder naturalistische Inszenierung des Filmes aber verdient das Handlung zu folgen, die nun ganz durch die Abfolge von Gesten gestaltet wird. Bühnenbild von Robert Neppach. Bis auf wenige Requisiten ist der Dekor Hat man den expressionistischen Reihungsstil auch als Simultanstil bezeichnet, aufgemalt, und es ist sichtbar, dass er aufgemalt ist, so etwa die Innenräume, so tritt nun die Simultanität von Geste und Bild ins Zentrum der Darstellung. aber auch die Funkmasten, die den Aufruf zur Fahndung nach dem Kassierer Die Konsequenz hieraus ist die Ablösung des expressionistischen Dramas durch verbreiten, und selbst der Weg, der im Zickzack durch den Schnee führt, an die Möglichkeiten des Stumm-Films als Medium expressionistischer verkrüppelten aufgemalten Bäumen vorbei, über eine Brücke mit krummen und Selbstdarstellung. Mit dem Tonfilm, der die Geste aufgrund der Dominanz von dünnen Bohlen. Entsprechend erhalten die Räume in fast allen Szenen keine Sprache zurückdrängt, bleibt für diesen gestischen Impuls des Expressionismus Tiefendimension. So erhalten die Bereiche des Gegenständlichen und die des kein Raum. Die besprochene Szenenreihe bindet die Aufmerksamkeit der Menschlichen nur eine untergeordnete Bedeutung. Ihnen gegenüber stehen die Zuschauer nicht mehr in dem Maße, wie es die des Stummfilms vermochte. dominierende, aber abstrakte Materialität des Geldes und die Wunschphantasien Bezeichnend aber ist es, dass die Ironisierung, die mit Sprache auch im des Kassierers! Drama Kaisers möglich war, mit der Geste zurücktritt. Besonders deutlich wird Die Figuren und Gegenstände sind in erster Linie durch ihre Konturen und dies am Filmschluss. Während das Ausröcheln des „Ecce Homo“ im Drama Oberflächen, ihre Platzierung in beleuchteten oder verschatteten Zonen, durch den Verweis auf eine mögliche Erlösung oder durch die Deformation der gerade oder deformierte Linien bzw. Formen und damit zu geordneten oder Äußerungsform dementiert, zumindest in Frage stellt, zieht der Film mit seiner solchen Räumen bestimmt, die Traumcharakter erhalten. Überhaupt „badet der Visualisierung der Inhalte eine andere Konsequenz: der zusammenbrechende Film in einer Atmosphäre des Traums“, wie Jean-Michel Palmier einmal Kassierer fällt gegen das überdimensional gestaltete Kreuz des Vorhangs, festgestellt hat.32) Dies liegt nicht nur an fehlenden Farben, am Schwarz-Weiß, während am oberen Bildrand – also im quasi himmlischen Bereich – über das damals zu der blasseren Farbwahrnehmung in Träumen in Bezug gesetzt ohne Kino. Schriftsteller über den Stummfilm. Eine Textsammlung. Hg. von Felix wurde,33) sondern an der systematischen Verfremdung der Requisiten und des Güttinger. Frankfurt am Main 1984, S. 120-123. 34) Palmier hat darauf hingewiesen, dass selbst die berühmten phantastischen Stummfilme 32) Jean-Michel Palmier: L’Expressionnisme et les arts, Bd. 2 : Peinture – Théâtre – in der Nachfolge einer expressionistischen Bühnendekoration wie Das Cabinet des Dr. Cinéma. Paris 1980, S. 275. Caligari eine ,reale‘ Dekoration besitzen und so eine geringere Abstraktion betreiben als 33) Vgl. hierzu Theodor Heinrich Mayer: „Lebende Photographien“ [1912]. In: Kein Tag die Verfilmung des Kaiser-Dramas; Palmier: L’Expressionnisme, Bd. 2, a. a. O., S. 275. Der literarische Expressionismus und seine Medien․Andreas Anglet 225 226 유럽사회문화 제5호 ihm bereits deutlich lesbar die Schriftzeichen „Ecce Homo“ erscheinen. Bei der Filmmarkt, aber auch der Mentalität des neuen Publikums nach dem Ersten Verdunkelung der Leinwand leuchten sie sogar noch einmal hell auf. Durch Weltkrieg entgegen kamen. diese Visualisierung wird die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen zum Telos der Ereignisse.

Abschließende Überlegungen

Bestand im sog. „messianischen Expressionismus“ immer eine Spannung zwischen seinem Menschheitspathos und der Nüchternheit der Technik als Signum der Moderne, so stellte sich dieses Problem in der futuristischen und in der satirischen Linie des Expressionismus nicht. Hier ergab sich ein Spannungsverhältnis zwischen der Ablehnung der neuen Medien wegen der Banalität, ja Fragwürdigkeit ihrer Themenwahl und deren Gestaltung sowie einer tiefen Neigung zu den neuen Darstellungsweisen, die sich in der Vorliebe für die Geste auf der einen, den Telegramm- und den Reihungsstil auf der anderen Seite niederschlug. Das Problem, dem sich der Expressionismus mit seinem ausdrücklichen Wunsch gegenübersah, in seinem neuen Umfeld eine Kunst – mit den Implikationen dieses Begriffs aus dem 19. Jahrhundert – zu schaffen, bestand darin, sich durch die Aufnahme neuer performativer Techniken eine Präsentation zu verschaffen, die ein breiteres, ja ein modernes Publikum überhaupt erreichen konnte, ohne der Gefahr der Angleichung an die Banalisierung zu erliegen. Dies schuf in den Jahren zwischen 1910 und 1920 die eigentümliche Gemengelage zwischen traditionellen Formen und radikalen, neuen Darstellungswiesen. Die Affinität zu den neuen Techniken jedoch hatte zur Konsequenz, dass die Abwendung von expressionistischen Schreibweisen und Konzepten bei vielen Autoren dazu führte, dass sie Darstellungsweisen aufgreifen konnten, die ihnen vertraut waren und dem neuen Buch- und 국문초록

문학적 표현주의와 그 매체

Andreas Anglet

본 논문에서 주제화되는 것은 표현주의 사조와 관련하여 1910년부터 1920년까지 급변하던 매체의 영역이다. 이는 젊은 작가 세대들이 명성을 얻기 위해 노력하던 장소이자 자기표현의 장소로서, 그리고 이에 적합하 게 혁신을 위한 기준점으로서 관찰될 것이다. 이러한 분석의 중심에는 표 현주의 텍스트 속에 당시의 매체들이 의미심장하게 주제화되어 있다는 것 뿐만 아니라 표현주의의 형상화방식에 있어 매체의 흔적들이 있다는 사실 이 자리한다. 이러한 상황은 하나의 긴장관계를 형상하는데, 표현주의의 표현형식은 당시의 매체 형식에 연결되어 있지만, 동시에 그러한 연결지 평의 진부함을 넘어서는 사명을 가진 예술적인 운동이어야 한다는 요구가 있었다는 것이다. 표현주의에서 서로 반대방향의 전략은 작품 속에서는 한편으로는 풍자적인 어조로서, 다른 한 편으로는 구원의 파토스로서 나 타난다. 이러한 양식적, 미학적, 정치적으로 본질적인 기준들을 다루는데 있어서는 무엇보다 표현주의 영역 안에서의 매체적 자아발견과 자기연출 에 대한 성찰이 먼저 선행되어야 한다. 이러한 성찰은 1900년대의 지식인 들의 하비투스를 관찰하는 것이기도 하지만, 이른바 “표현주의 10년” 시 기 예술의 현대화와 매체화에 있어서 문화사적인 문제점을 탐구하는 작은 기여가 될 것이다.

주제어: 표현주의(Expressionismus), 매체(Medien), 신문(Zeitung), 무성영화(Stummfilm)

<논문투고일: 2010.10.25 / 심사일: 2010.11.23 / 심사완료일: 2010.12.10>