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fest für clara zum 200. Geburtstag von fest für clara zum 200. Geburtstag von Clara Schumann

Medaillon Clara um 1827 © Robert-Schumann-Haus Zwickau GRUSSWORT 7

Vorwort 8

Ausstellung 10

. . . . konzerte 1 11 und 2 11 2019 11

i wunderkind und jugendtagebücher 20

iI warten auf Clara – mutter von acht kindern 27

iii clara in 34

IV Lebenslange freundschaften und wegbegleiter 40

V doppelgängerkonzert mit schwärmbriefen 45

IMPRESSUM vi hotel de russie – unter den linden 53

FESTSCHRIFT Fest für Clara kontakt [email protected] vII Die Orange und Myrthe hier 59 herausgeberIN Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin, umschlag Clara Schumann Gemälde (Adolph von Menzel, 1854) die Rektorin, Sarah Wedl-Wilson © Robert-Schumann-Haus Zwickau Quellen 70

TEXT Claar ter Horst, Theresa Schlegel (Kapitel III) auflage 1.000 Redaktionelle mitarbeit Sophia Schupelius druck Onlineprinters GmbH Korrektorat Marit Magister, Ulrike Japes, Danksagung 72 Sophia Schupelius, Ulrike Schrader redaktionsschluss 13. September 2019 Programm- und Besetzungsänderungen vorbehalten. redaktion Alexander Piefke, Marit Magister, Louise Hoffmeister, Ulrike Schrader www.hfm-berlin.de GRUSSWORT

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste, zum 200. Geburtstag von Clara Schumann ehrt die Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin die Komponistin, Pianistin, Musikmanagerin, Mutter und Ehefrau von in einem außerordentlichen, zweitägigen „Fest für Clara“.

Erst seit den 1980er Jahren hat sich die musikwissenschaftliche Forschung mit dieser Künstlerinnenbiografie auseinandergesetzt und dabei eine beeindruckend vielseitige und energische Frau für sich entdeckt. So wurde Clara Schumann von ihrem Vater zur Pianis- tin ausgebildet, als berühmteste Virtuosin ihrer Zeit ernährte sie lebenslang die Familie, sie komponierte bis zum Tode ihres Mannes Klavierwerke, Lieder, Kammermusik sowie ein Klavierkonzert und wurde als Herausgeberin der Werke Robert Schumanns zur strengsten Instanz um seinen Nachlass. Durch ihre enge Verbindung zu nahm sie Einfluss auf dessen Werk und zog ihre sieben Kinder nach dem Tod von Robert Schumann alleine groß.

Unter der künstlerischen Leitung von Claar ter Horst ist es gelungen, das weitreichende Spektrum dieser Künstlerinnenbiografie in einem umfangreichen Programm abzubilden. Studierende und Lehrende der Hochschule bringen Claras Werke, die gemeinsamen Kom- positionen des Ehepaares, aber auch die Musik ihrer Zeitgenossen und Wegbegleiter auf die Bühne. Dank der engen Zusammenarbeit mit den Schumann-Häusern in Zwickau und Bonn erleben wir Brieflesungen und szenische Umsetzungen ihrer bemerkenswerten Kor- respondenz, führen Sie auf einem Spaziergang durch das Berlin der Clara Schumann und feiern den Geburtstag der Komponistin mit einem großen Festkonzert.

Ich freue mich auf zwei inspirierende Tage, danke allen beteiligten Künstler*innen und Organisator*innen für ihr Engagement und begrüße sehr herzlich die prominenten Gäste, die in diesen Tagen unser Haus beehren. Ihnen allen wünsche ich viel Vergnügen beim „Fest für Clara“.

Ihre Sarah Wedl-Wilson

Rektorin

7 Vorwort

Seit mehr als 20 Jahren bin ich leidenschaftliche Schumann-Liebhaberin. Um seine Ehe- Betrachte ich Claras musikalisches Leben als Ganzes, so fällt mir etwas Ungewöhnliches auf: partnerin Clara hingegen habe ich mich nie besonders gekümmert. Weshalb eigentlich nicht? Claras musikalisches Dasein ist durchwoben von mehreren Phasen des Schweigens.

Neben der ungezügelten, genialen Künstlernatur Robert Schumanns war Clara mir immer Erst mit fünf Jahren fängt das doch so hochmusikalische Kind zu sprechen an, ihr Leben etwas fremd geblieben: Zu folgsam schien sie mir, zu geordnet und strukturiert. beginnt also mit einer fünfjährigen Phase des Schweigens – oder des Hörens? Auch ihr Ehe- leben mit Schumann beginnt und endet jeweils mit einer knapp dreijährigen Periode des War sie ihrem Mann Hemmschuh oder Inspiration? Den Eindruck der Einengung erhärteten Schweigens: Die erste Phase war eine erzwungene, auferlegt vom Vater, der die Ehe seiner beispielsweise die vielen Ermahnungen und Korrekturen gegenüber ihrem Mann wie etwa, er Tochter zu verhindern hoffte, die zweite entsteht auf Empfehlung der Ärzte Schumanns, die solle „nicht zu viel bairisches Bier trinken“ etc. einen Kontakt während seinem Endenicher Aufenthalt nicht für ratsam halten.

Erst später begann ich, mich mit Clara, meiner Namensschwester, näher zu beschäftigen. Als 1870 ihr Sohn Ludwig ebenfalls in eine Klinik eingewiesen werden muss, wird Clara ihn nur In dem Wunderkind, welches sich aller technischen Vollkommenheit bedienen konnte und dreimal besuchen und die letzten 20 Jahre ihres Lebens auch keinen Kontakt mehr zu ihm durch Bravour auszeichnete, entdeckte ich mehr und mehr eine wunderbare Künstlerper- suchen. Einen anderen Weg als den des Schweigens, die erneute Prüfung, ein Familienmit- sönlichkeit, die gerade wegen ihres Ausdrucks und ihrer großen Empfindsamkeit zu Recht in glied in der Klinik zu wissen auszuhalten, gab es für Clara nicht. aller Welt bewundert wurde. Auch ihre Verbindung zu Brahms geht zuletzt in ein großes Schweigen über und zwar eines, Auch der Vater überraschte mich bei näherem Hinsehen in seiner ganzen Widersprüch- das über den Tod hinaus reicht: die Briefe aus der Düsseldorfer Zeit und der Anfangszeit lichkeit. Man kann vieles sagen über diesen herrischen Menschen - aber welcher Mann kam ihrer Freundschaft werden im gegenseitigen Einvernehmen von beiden vernichtet. Auf die zu jener Zeit auf die Idee, schon vor der Geburt seines zweiten Kindes (das erste war ge- ewig wiederkehrende Frage, ob denn zwischen Brahms und Clara etwas gewesen sei, ant- storben) für sich festzulegen, dass er eine Tochter bekommen würde, die mit dem Namen worte ich hier mit: Ja, natürlich! Ein Liebesband hat sich in der schweren Situation, in der „die Strahlende“ als erste weibliche Pianistin unter seiner Anleitung Weltkarriere machen Brahms als rettender Engel und zutiefst mitfühlender Mensch in den Düsseldorfer Haushalt würde? Was war er? Visionär vielleicht, ehrgeizig zweifellos und in jedem Falle aber originell. einzog, gewiss entwickelt. Dass sie diese Liebe nicht leben konnten, ist der Zeit geschuldet. Ein Band treuer Freundschaft hielt bis in den Tod. Und was für einen Menschen braucht es für solch ein Unterfangen? Nun, in der, ihrem Vater und seinen Plänen folgenden, beunruhigend braven Tochter schlummerte ein eigenwilliges, Musik entsteht aus Stille. Waren die wiederkehrenden Phasen des Schweigens ihr schlus- temperamentvolles Menschenkind, das seine Begabung mit Ausdruckswillen zu füllen wusste sendlich vielleicht auch Rückzugsraum und Kraftquelle? und das, als es ums Heiraten ging, sogar gegen den eigenen, von ihr sehr verehrten Vater vor Gericht zog. Hören und entdecken wir nun das Leben und Werk dieser besonderen Musikerin und feiern wir Clara Schumann, die noch 200 Jahre nach ihrer Geburt Menschen inspiriert und bewegt! Auch auf Clara als Ehepartnerin genügte der oberflächliche Blick nicht. Mit Sätzen wie „ein Frauenzimmer sollte nicht componieren wollen“ oder „ein Lied, einen Text zu erfassen, Ich danke den knapp 70 Lehrenden und Studierenden, durch deren Mitwirkung diese dazu gehört Geist“ scheint sich Clara als Frau und Künstlerin erstmal in die zweite Reihe zu Clara Schumann Retrospektive zu einem zweitägigen Fest werden konnte. Zudem möch- drängen. Zugleich zeigte sich aber ihre große Persönlichkeit, die ebenso tief fühlende Frau, te ich an dieser Stelle auch einen ganz herzlichen Dank an das Veranstaltungsmanagement die - ihrer Zeit weit voraus - die Musik Schumanns nachempfand, erfasste und seine Genia- und die Pressestelle aussprechen, ohne deren Engagement und Erfahrung dieses Programm lität in vollem Umfang erkannte und ihm so zur Inspirationsquelle wurde. nicht hätte realisiert werden können!

Sehr beeindruckend ist die Zeit nach der Erkrankung und dem Tod Schumanns, den sie üb- Ich wünsche Ihnen viel Freude! rigens um 40 Jahre überlebt. Nachdem sie, kurz nach dessen Einweisung in die Nervenklinik Endenich, noch das letzte gemeinsame Kind zur Welt bringt, bestreitet sie als alleinerzie- Claar ter Horst hende Mutter – für die Zeit außergewöhnlich – selbst den Unterhalt für die sieben noch lebenden Kinder, von denen sie später noch drei begraben musste.

8 9 . . . . Ausstellung konzerte 1 11 und 2 11 2019

Clara in Berlin fr. . eintritt frei I Wunderkind und Jugendtagebücher Zehn Jahre lebte Clara Schumann in Berlin: von 1857 sowie von 1873 an jeweils für fünf 1 11 KKS Vortrag mit Musik Jahre. Auf Stadtplänen und Bildern beschreibt die Musikwissenschaftlerin Theresa Schlegel 18 H Neuer marstall „Das Mädchen hat mehr Kraft als sechs Knaben zusammen“ die Wohnorte von Clara Schumann in Berlin und stellt die Spielstätten vor, an denen die (Johann Wolfgang von Goethe) Pianistin ihre Berliner Konzerte gab. Vortrag mit Musik zu dem im März 2019 erschienenen Buch „Clara Schumann. Jugendtagebücher 1827-1940“, nach den Handschriften herausgegeben von Gerd Nauhaus Clara als Verlegerin dr. Gerd Nauhaus (Ehrenvorsitzender Robert-Schumann- 14 Jahre arbeitete Clara Schumann an der bei Breitkopf & Härtel erschienenen kritischen Gesellschaft Zwickau e.V.) Gesamtausgabe der Werke von Robert Schumann, eine Arbeit, deren Umfang die Hoch- schulbibliothek mit einer Auswahl aufzeigen wird. Als „einzig würdiger und sicherer Stät- J. S. Bach Präludium und Fuge Cis-Dur (Satzpaar aus dem 1. Teil des te" übergab Clara Schumann der damaligen Königlichen Bibliothek zu Berlin, der heutigen Wohltemperierten Klaviers, BWV 848) Staatsbibliothek zu Berlin, die bedeutendsten Autographen von Robert Schumann sowie Roni Levy Klavier ihrer eigenen Werke. Einige sind als Faksimiles in der Ausstellung zu sehen. Adolph Henselt Aus 12 Études Caractéristiques op. 2 Nr. 6 „Vöglein-Etüde“ Odric Aurelian Gaspers Klavier Clara als Lehrerin „Myliusstraße – Thränen- und Seufzerallee“ johann Vesque von Püttlingen Vertonung des Gedichts „Clara Wieck 14 Jahre währte auch die Lehrtätigkeit von Clara Schumann als erste Hochschulprofessorin und Beethoven“ (Frank Grillparzer) für Singstimme und Klavier an Dr. Hoch's Konservatorium in Frankfurt am Main. In einer Hörschleife sprechen ehemali- Frieda Jolande Barck Sopran — Katrin Dasch Klavier ge Schüler*innen über ihre Erinnerungen an den Unterricht bei Clara Schumann und geben einen direkten Einblick in ihren Unterrichtsstil. Außerdem sind Tonaufnahmen mit den von Clara Schumann Aus Quatre Pièces caractéristiques pour le pianoforte ihnen gespielten Werken zu hören. Die Hörschleife entstammt der Ausstellung „Clara Schu- op. 5 Nr. 1: Impromptu. Le Sabbat (Hexentanz) (1833-1836) mann und ihre Schüler" in Zwickau und wurde der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin Odric Aurelian Gaspers Klavier freundlicherweise vom Robert-Schumann-Haus Zwickau zur Verfügung gestellt. Clara Schumann Der Wanderer (Justinus Kerner, 1831) für Singstimme und Klavier Die Ausstellung befindet sich im Galakutschen-Saal I. Chiara Jarrell Sopran — Katrin Dasch Klavier

Clara Schumann Walzer (Johann Peter Lyser, 1833) für Singstimme und Klavier Isabelle Nahrstedt Sopran — Katrin Dasch Klavier

Clara Schumann Scherzo pour le pianoforte d-Moll op. 10 (1838) Roni Levy Klavier

10 11 fr. . eintritt frei II Warten auf CLara – Mutter von acht Kindern Clara Schumann Der Mond kommt still gegangen op. 13 Nr. 4 (Geibel) (Robert) 1 11 KKS Lieder in Szenen Fermin Basterra Tenor 20 H Neuer marstall „Benutzt die Minuten – sie sind unwiederbringlich“ (Clara Schumann) Clara Schumann Oh weh, des Scheidens, das er tat (Rückert) (Clara) Halbszenischer Liederabend mit Tagebucheintragungen, Erinnerungen und Lesungen Felicia Brembeck Sopran aus dem Briefwechsel Claras mit ihren Kindern und Enkeln Anita Keller, Claar ter Horst Klavier Clara Schumann Ich hab’ in deinem Auge op. 13 Nr. 5 (Rückert) (Eugenie) Cordula Däuper Szenische Einrichtung Clara Maria Kastenholz Sopran Judith Gerhardt Regieassistenz, Bühneneinrichtung Johannes Brahms Meine Liebe ist grün op. 63 (Felix Schumann) (Felix) Ehepaar Schumann Clara Felicia Brembeck Konstantin Parnanian Bariton Robert Fermin Basterra Kinder Claras Marie Frieda Jolande Barck Clara Schumann Beim Abschied (Friederike Serre) (Ferdinand) Elise Raquel Alves Carlo Schmitz Bariton Julie Chiara Jarrell Emil Finn Weigelt Clara Schumann Aus Romance o. O. (gewidm. Rosalie Leser) Ludwig JeongRee Park Ferdinand Carlo Schmitz Clara Schumann Die Gute Nacht, die ich Dir sage (Rückert) Eugenie Clara Maria Kastenholz Alle Felix Konstantin Parnanian

Robert Schumann Duett „Ich bin Dein Baum“ (Friedrich Rückert) op. 101 Nr. 3 (Clara u. Robert Schumann) Felicia Brembeck Sopran — Fermin Basterra Tenor

Robert Schumann Aus Kinderszenen: Von fremden Menschen und Ländern

Clara Schumann Lorelei (Heinrich Heine) (Marie) Frieda Jolande Barck Sopran

Clara Schumann Am Strande (Robert Burns) (Elise) Raquel Alves Sopran

Clara Schumann Die stille Lotosblume op. 31 Nr. 6 (Emanuel Geibel) (Julie) Chiara Jarrell Sopran

Clara Schumann Der Abendstern (anonym) (Emil) Finn Weigelt (Musikgymnasium C. Ph. E. Bach, Staats- und Domchor)

Clara Schumann Ich stand in dunklen Träumen op. 13 Nr. 1 (Heine) (Ludwig) JeongRee Park Bassbariton

Robert Schumann „Schlafliedchen für Ludwig“ aus Klavierbüchlein für Marie

12 13 sa. . eintritt frei III Clara in Berlin sa. . eintritt frei V Doppelgängerkonzert mit schwärmbriefen 2 11 Treffpunkt: Stadtspaziergang 2 11 kks Dialoge in Wort und Musik 11 H eINgang „Wir stehen groß da“ (Friedrich Wieck) 16 H „Es singt gewaltig in mir, aber ich kann es nicht zu Papier

Neuer marstall Die Musikwissenschaftlerin Theresa Schlegel führt zu Berliner Wohnorten und bringen“ (Clara Schumann) Spielstätten von Clara Schumann in der Straße Unter den Linden und in der derya Atakan, Thomas Quasthoff Lesung Umgebung: Hotel de Russie, Palais Redern, Kronprinzenpalais, Jagor’scher Saal u. a. R. S. = Robert Schumann, C. S. = Clara Wieck/Schumann Theresa Schlegel „Doppelgängergeschichten und Vollmondbriefspiegel“ R. S. Prolog (Erste Erinnerung Roberts 1828) R. S. „Liebe und gute Clara, Ob und wie Sie leben“ (1833) sa. . eintritt frei IV Lebenslange Freundschaften & Wegbegleiter C. S. „Lieber Herr Schumann! Mit vieler Mühe ...“ (1833) 2 11 kks Musikalische Lesung 14 H „Auf das, was folgt, kannst Du Dich ungeniert freuen!“ R. S. Aus Romance variée op. 3 Thema, Var. 1 (1830-1832) (Clara Schumann an Joseph Joachim, in Bezug auf op. 22) Yelyzaveta Rodionova Klavier Brieflesung mit Dr. Ingrid Bodsch mit Liedern und Schriften aus Clara Schumanns Freundeskreis (Johannes Brahms, Joseph Joachim, C. S. Aus Impromptus über eine Romanze von Clara Wieck op. 5 (1833) Franz Liszt, Pauline Viardot-Garcia, Jenny Lind, Julius Stockhausen, Emilie List u. a.) Florent Ling Klavier Dr. Ingrid Bodsch R. S. „Es gibt Schönheitshasser“ (Brief nach Paris, Leipzig 1834) Pauline Viardot-Garcia Duett: Die Bohémiennes C. S. „Lieber Herr Schumann!“ (8. Juni 1834) Felicia Brembeck Sopran — Jinyoung Lee Mezzosopran — Dorota Dobosz Klavier C. S. Aus Quatre pièces caractéristiques op. 5 Nr. 4 Scène fantastique: „Le Ballet de Revenants“ (1836) Clara Schumann Mein Stern (Friederike Serre) Yelyzaveta Rodionova Klavier Raquel Alves Sopran — Julius Asal Klavier R. S. Aus Sonate fis-Moll op. 11 „Clara zugeeignet von Florestan und Eusebius“ (1838) Clara Schumann Aus Jucundelieder op. 23: An einem lichten Morgen, 1. Satz Un poco Adagio – Allegro vivace (1836) Geheimes Flüstern hier und dort, Auf einem Grünen Hügel (Hermann Rollett) florent Ling Klavier (gewidm. Livia Freege) Derya Atakan Sopran — Anita Keller Klavier „Davidsbündlerin und Hochzeitsgedanken“ R. S. Aus Schwärmbrief Nr. 1 „An Chiara“ (1835) Franz Liszt Grandes Études de Paganini Nr. 6 (gewidm. Clara Schumann) C. S. „Ich glaube, ich hätte Dir gefallen gestern“ (1839) Jeongwhan Kim Klavier R. S. Aus Carnaval: „Chiarina“ (1834/35) Clara Schumann Violinromanzen op. 22 (1853, gewidm. Joseph Joachim): Mario Marzo Klavier 1. Andante, 2. Allegretto, 3. Agitato Anne Luisa Kramb Violine — Julius Asal Klavier R. S. „Und nun spiele Zilia!“ (Aus den Büchern der Davidsbündler) C. S. „Neulich habe ich das erste Auftreten im Theater ...“ (2. März 1838) Johannes Brahms Aus Liebesliederwalzer op. 52 Nr. 6: Der kleine, hübsche Vogel (Georg Friedrich Daumer) C. S. Aus Soirées musicales op. 6 Nr. 5: Mazurka (1834-36) Frieda Jolande Brack, Jinyoung Lee, Gerald Geerink, Yelyzaveta Rodionova Klavier Hubert Kowalczyk Gesang — Anita Keller, Dorota Dobosz Klavier

14 15 R. S. Davidsbündlertänze op. 6 Nr. 1 „Motto de Clara Wieck“ R. S. „Mein herzallerliebstes Weib“ (Anfang der Ehetagebücher – September 1841) Mario Marzo Klavier C. S. „Robert componiert immerfort ... Ei, ei! Mein Robert ...“ (Juni 1841)

R. S. „Hast Du die Davidstänze nicht erhalten?“ (Frühling 1838) C. S. Er ist gekommen op. 37 Nr. 1 (Friedrich Rückert, 1841) Clara Maria Kastenholz Sopran — Claar ter Horst Klavier „Stimm aus der Fern und tiefe Klage um Dich“ R. S. „Ich habe erfahren, dass die Phantasie ...!“ (1838) „Sie liebten sich beide und Albumblatt“ C. S. Aus Sonate Nr. 2 g-Moll: IV Rondo op. 22 (Weihnachten 1841) R. S. Anfangsthema der Fantasie op. 17 (1838) Yundi Xu Klavier Mario Marzo Klavier C. S. Sie liebten sich beide op. 13 Nr. 2 (Heinrich Heine, 1842) C. S. „Überhaupt könnt ich Dich doch nur einmal wieder fantasieren hören“ (1838) Felicia Brembeck Sopran — Dorota Dobosz Klavier

C. S. Notturno op. 6 Nr. 2 in F-Dur (1834-1836) C. S. „Heute fing ich seit Jahren ...“ (1853) Yundi Xu Klavier C. S. Variationen über ein Thema von Robert Schumann op. 20 R. S. „Erzählen will ich dir noch von neulich Nacht“ (1838) (Albumblatt aus „Bunte Blätter“) (1853, gewidm. Robert) Yundi Xu Klavier R. S. Aus Novellette op. 21 Nr. 8 Trio Nr. II „Stimm aus der Fern“ (1838) Mario Marzo Klavier C. S. Epilog (Erinnerung Claras, 1886)

C. S. „Warst Du gestern Abend bei unserem Fenster?“

C. S. Trois Romances op. 11 Nr. 2 (1838-1840, gewidm. Robert) sa. . eintritt frei VI Hotel de Russie – Unter den Linden yundi Xu Klavier 2 11 kks Historisches Konzert 18 H „Oh, herabgesunkene Menschheit!“ R. S. „An Deiner Romanze habe ich von abermals gehört“ (1839) (Clara Schumann, Jugendtagebücher)

C. S. „Die Sonate ist aber auch gar zu schön!“ (4. März 1838) Historisches Konzertprogramm vom 1. März 1837 der 17-jährigen Clara Wieck im Berliner Hotel de Russie R. S. Aus Sonate op. 22: 1. Satz (1833-1838) Wiederaufführung Mario Marzo Klavier Brief Clara Wieck an Clementine Wieck vom 20. Februar 1837 „Ehetagebücher und Gabentisch“ Martin Bruns Lesung R. S. „Clärchen, hast Du nichts ... Mach doch ein Lied mal!“ (1840) C. S. „Componieren aber kann ich nicht – und nun vollends ein Lied ...“ (1840) konzertprogramm vom 1. März 1837:

R. S. Frühlingsnacht op. 19 Nr. 12 (Joseph von Eichendorff, 1840) Friedrich Wilhelm Kücken Des Försters Töchterlein (August Schnezler) Gerald Geerink Tenor — Dorota Dobosz Klavier op. 9 Nr. 3, Die Bergstimme (Heinrich Heine) Carlo Schmitz Bariton — Kanako Nakagawa Klavier C. S. Liebeszauber op. 13 Nr. 3 (Emanuel Geibel, 1842) Clara Maria Kastenholz Sopran — Claar ter Horst Klavier Ludwig van Beethoven Aus Appassionata-Sonate op. 57: 2. Andante con moto, 3. Allegro non troppo Michael Cohen-Weissert Klavier

16 17 Louis Spohr Duett aus „Jessonda“ Grußwort Rektorin Sarah Wedl-Wilson Mitsuo Ogomori, Hubert Kowalczyk Gesang — Kanako Nakagawa Klavier festrede Bundespräsident a. D. Dr. Joachim Gauck

Johann Sebastian Bach Fuge in D-Dur aus dem Wohltemperierten Klavier Marie und Robert Schumann „Geburtstagsliedchen“ Jiaqi Chen Klavier (Scheveningen, zum 33. Geburtstag Claras) Maria Vidal, Raquel Alves Sopran Felix Mendelssohn-Bartholdy Lied ohne Worte (Manuscript) op. 38 Nr. 3 (An Fräulein „Clara Wieck, sehr schnell zu spielen“) Clara Schumann Aus Soirées musicales op. 6 Nr. 4: Ballade Roni Levy Klavier Birgitta Wollenweber Klavier

Frédéric Chopin Mazurka in fis-Moll, Étude op. 10 Nr. 11 (Arpeggio) Rezension 12. September 1837 zu op. 6: „Auch ein weiblicher Kopf soll Fedor Kossiy Klavier unser Museum schmücken“ (zum 18. Geburtstag Claras) Thomas Quasthoff Lesung – Pause – Clara Schumann Klaviertrio op. 17 (1846, beendet zum 27. Geburtstag) Adolph Henselt Poème d’Amour op. 3: Andante und Allegro Amatis Trio Lea Hausmann, Violine — Samuel Shepherd, Violoncello — Birgitta Wollenweber Klavier Mengjie Han, Klavier

Declamation Brief Wieck an Clementine vom 2. März 1837 – Pause – Martin Bruns Lesung Johannes Brahms Albumblatt (Postkarte an Clara Schumann zum 49. Wilhelm Taubert Lied nach Wilhelm Müller (Wo ein treues Herze), Geburtstag): „Also blus das Alphorn heut“ Beim Tanze Jacob Dean Alphorn Friedrich Curschmann Der Schiffer fährt zu Land, Bächlein, laß’ dein Rauschen sein (Wilhelm Müller) Robert Schumann Aus „Liebesfrühling“ op. 37 (herausgegeben zum 22. Gerald Geerink Gesang — Anita Keller Klavier Geburtstag): Schön ist das Fest des Lenzes (Duett), Warum willst du andere fragen, Liebst du um Schönheit, So wahr die Sonne scheinet (Duett) Clara Schumann Bravourvariationen über die Cavatine aus Bellinis Piraten Anna Korondi Sopran — Robert Dean Smith Tenor — op. 8 (Februar 1837) Wolfram Rieger Klavier Wanting Chen Klavier Clara Schumann Konzert a-Moll op. 7 für Klavier und Orchester (Fassung für Streichquintett) Julius Asal Klavier — Anne Luisa Kramb Violine — sa. . € 8.- erm 5.- VII Die Orange und Myrthe hier Dorothea Stepp Violine — Sào Soulez Larivière Viola — 2 11 kks Festkonzert Beata Antikainen Violoncello — Daniel Kamien Kontrabass 20 H „Es flogen gewiß an die 150 Bouquette!“ () Clara Schumann Drei gemischte Chöre nach Gedichten von Emanuel Geibel Robert Schumann Vokal-Quartett „Die Orange und Myrthe hier“ Kammerchor — Oliver Wunderlich Dirigent (bei Schenkung eines Flügels zum 34. Geburtstag Claras) Anna Korondi, Britta Schwarz, Robert Dean Smith, Martin Bruns Gesang — Claar ter Horst Klavier Deutschlandfunk Kultur sendet am 25.12.2019 ab 20:03 Uhr Mitschnitte aus den Konzerten IV, V, VI und VII.

18 19 i wunderkind und jugendtagebücher an seine Tochter Clara, mit der er als Vorzeigeschülerin oder den Vater (…) Clara bekommt die schönsten Zöpfe Vortrag mit Musik tatsächlich zu einem der bekanntesten Klavierpädagogen geflochten von Madame Kragen und seiner Zeit wurde. „Das Mädchen hat mehr Kraft ist ganz glücklich darum. als sechs Knaben zusammen“ (Goethe) Als alleinerziehender Vater nahm er nach seiner Schei- dung von Mariane Tromlitz die Laufbahn seiner Tochter Dresden, 1831 Leipzig, 1827 „Mein Tagebuch angefan- ganz und gar in die Hand und reiste mit ihr zunächst Wir haben gestern wieder Einladun- gen annehmen müssen (...). Enscher Meine Tochter Clara wird nach gen von meinem Vater d. durch Deutschland. Dabei fungierte er selbst als Im- meinem Dafürhalten eine gute Kla- hat in seinem Garten einen großen 7 Juni 1827 und fortzuset- pressario, Instrumentenbesorger, Lehrer und Betreuer vierspielerin werden, da sie jetzt Rutschberg und versteht sich, Clara schon einen guten Anschlag hat und zen von Clara Josephine – zunächst seines Wunderkindes, bald schon der weltbe- war so wütend, daß sie ohngeachtet Tongefühl und Geschick für schönen Wieck“, so lautet der An- kannten jungen Virtuosin Clara Wieck. Ihre gemeinsamen des gelbseidenen Kleides nicht genug bekommen konnte und da er nun Vortrag zeigt und ein feines Gehör fang der neun Jugendta- Erlebnisse auf den Reisen zwischen den europäischen hat. Doch möchte ich sie nicht las- dazu noch ein wildes Mädchen von 6 gebücher Clara Schumanns Konzertsälen, Theatern und Fürstenhöfen wurden in Cla- sen musikalisch zu Tode üben (das ist Jahren hatte, so war es natürlich, daß nunmal mein Ausdruck), denn fast alle in der Handschrift ihres ras Jugendtagebüchern umfangreich dokumentiert und sie Abends bei den ersten Stücken musikalischen Virtuosen haben sich Vaters Friedrich Wieck. Die väterliche Feder führt in der in diesem Jahr erstmals von Dr. Gerd Nauhaus in Zusam- versagte. Nachdem sie meinetwegen einige Thränen vergossen, spielte sie zu Tode geübt und gespielt, d. h. sie Ich-Person der klavierspielenden Tochter fort, wo sie ge- menarbeit mit Nancy Reich herausgegeben. haben eigentlich kein Gefühl und wohl darauf gut. boren ist, und dann wird das Tagebuch - abwechselnd von Kennen wir Wieck heute vor allem als grimmigen Mann, gar keinen Sinn mehr dafür, sondern bloß Gefallen an ihrem eignen mecha- Vater und Tochter – fortgeschrieben, in späteren Jahren der sich einer Beziehung Claras mit seinem ehemaligen Leipzig, 1831 nischen Fingerspiel!! nur noch von Clara. Schüler Robert widersetzte und das junge Paar in einen Unter vielen aus Neid erzeugten Verläumdungen sind folgende um so Wer war dieser Vater Wieck, der schon vor der Geburt dreijährigen Rechtsstreit zwang, so findet man in seinen Dresden, 1828 merkwürdiger, als die Kapellmeisterin seiner Tochter der festen Überzeugung war, dass das Schriften einen temperamentvollen und geistreichen d. 6 Juli fuhr ich mit meinem Vater und Reissiger dieselben meinem Vater ins meiner (Stief-) Mutter nach Dresden. Kind ganz sicher ein Mädchen sein, Clara, „die Strahlen- Menschen wieder. Seine feurige und schwungvolle, wir- Gesicht sagte z. B. ich kenne weder (...) Über Dresden bin ich erstaunt, de“, heißen und Pianistin werden würde - sogar erste belwindähnliche Schreibweise erinnert interessanter- lesen noch schreiben, ich müsse den Tag 12 Stunden spielen, ich sey statt auch über die schöne Gegend, aber in weibliche Klaviervirtuosin von Weltruhm? weise an die des jungen Schumanns, der im Stile Jean Simons Garten bei der kleinen Ida & 11 ¼ Jahr 13 od.(er) 16 – ich bewege Ein Selfmademan, der sich nach einem Theologiestudi- Pauls in seiner Neuen Zeitung für Musik genialisch gegen Thekla, bei dem Schäfchen und unter mich sosehr bei dem Spiel, daß dem den Kirsch-, Stachelbeer – u. Johan- um und einer einzigen Probepredigt unter Einfluss Pesta- die „Philister“ seiner Zeit anschrieb. Zuhörer schwindlig davon werden nisbeer Sträuchern hat es mir noch lozzis und anderer Reformpädagogen dazu entschied, müsse. – Wenn letzteres auch über- trieben, so meint doch der Vater, daß besser gefallen. (...) In der Blindenan- Hauslehrer zu werden, bis er des Adels überdrüssig wur- In seinem Buch „Clavier und Gesang“ erörtert er in Form stalt war ich auch und spielte auch da. ich binnen ein Jahr ruhiger spielen de und sich auf Anraten Dr. Samuel Hahnemanns – des eines pädagogischen Zwiegesprächs auf unterhaltsa- müsse. Leipzig, 1829 Begründers der Homöopathie – seiner Jugendliebe, der me Weise die Vorteile seiner Lehre. Er betrachtet den D. 4 October gingen wir vormittags Musik, zuwandte. Er kaufte ein Klaviergeschäft und be- Musikunterricht in Schulen, kritisiert den sentimentalen Paris, 1832 Du solltest uns Kaffee trinken sehen, (…) zu Paganini. (…) ich mußte ihm gann einen Klavierverleih und -handel. Darüber hinaus Hang der Zeit zu einem übermäßigen Pädalisieren und auf einem alten schlechten Pianoforte aus ungeheurn Tassen mit Brot! u. etablierte er, der er selbst kaum mehr als drei Klavier- Gebrauch des linken Pedals, der Verschiebung („Ver- mit schwarzer Klaviatur die von mir sehen wie alles anders ist als zuhaus. componierte Polonaise in Es vorspie- stunden in seinem Leben genossen hatte, dort eine eige- schiebungsgefühl – Gefühlsverschiebung“), und nimmt Clara muß immer ganz weiß gehen; len was ihn sehr erfreute und meinem ne Schule „im Reich der Töne“. Sein Ansatz verfolgte für den damaligen Opernbetrieb unter die Lupe. Er spricht in jeder Soiree muß alles neu sein – nur äußerlich – gewaschen braucht Vater mit den Worten andeutete: den Anfang vor allem das – fast Suzuki-ähnliche – Spielen sich dabei gegen die Ausbildung einer zu großen Anzahl „ich habe den Beruf zur Kunst, weil sie nicht zu sein und davon weiß man nach Modulieren durch alle Tonarten und Phantasieren von Sängern aus: ich Empfindung hätte“. nichts. Man giebt die ganze Woche am Klavier. Ferner sollten die Schüler sich „nicht zu Tode Frage: „Meine Sängerinnen werden für die Öffentlichkeit über eine kleine Serviette u. jeden Dresden, 1830 üben“ und (an die Damen): nicht zu viel stricken (!) – es - für das Theater gebildet, folglich müssen sie s t a r k Morgen 1 Glas Wasser zum waschen. Das ist der Clara eben recht. Liebstes Weibgen, Am Sonntag um raube „den Fingern die nöthige Lockerheit“ und würde singen, s t a r k studieren, f o r c i r t Auftragen mit vielem 5 Uhr sind wir richtig hier angelangt nach neuesten Erfahrungen „einen unnatürlichen Ner- Odemverbrauch - wie können sie sonst Effekt machen?“ mit unserem fetten, spekkigen und Dresden, 1833 glänzenden – aber gutmütigen und venreiz erzeugen.“ Wiecks Antwort: D. 27. hörte ich die Schroeder-Dev- gefälligen Kutscher. Seine Klavierlehre richtete sich vornehmlich an Mädchen „Welchen Effekt machen Sie denn? Ich kenne keinen rient im Fidelio. Sie ist eine wahrhaft dramatische Sängerin. Sie brachte nur Es wissen die Leute nicht, wen sie und Damen („Mädchen sind fügsamer“), in erster Linie anderen bei solchen, als dass sie nach 1 - 2 Jahren mehr bewundern sollen, ob das Kind, ein einziges Mal einen Triller an, der Abb.: Lithographie nach einem Gemälde von Eduard Clemens Fechner (1832) 20 21 war aber ganz vollendet. (…) Der s p u r l o s verschwinden und anfangs beklatscht werden, Grillparzer in seinem Gedicht über Claras Appassiona- tention ich mich an das Klavier setzen Vater sagte, aus den Momenten, wel- weil sie jung, hübsch und neu sind und Stimme haben ta-Sonate verarbeitet, liegt sicher nicht in ihrem phäno- würde und nun ohne Noten – Döh- che die Schroeder-Devrient hat, kann ler, das wäre ein bescheidener Künst- und das wohlwollende Publikum sie aufmuntern will.“ menalen technischen Können, sondern in dem tiefsinni- man Clavierspielen lernen. (…) Der ler gewesen, der hätte sich doch No- Vater sagte, wenn man so was ge- Selbstbewusst und vollkommen überzeugt von seinen gen Wesen dieses Kindes. ten vorgelegt. Verrückte Frau. hört hätte, müßte man das Ideal nicht pädagogischen Fertigkeiten wettert Wieck großmun- Das Gedicht Grillparzers, von Schumann als „das schöns- durch das Nachhören von etwas Mit- dig umher und nimmt es auch in Erziehungsfragen mit te überhaupt, was je über Dich geschrieben ist“ be- Wien, 1838 telmäßigen beschmutzen. Der 4te große Triumph gegen die Damen und Müttern allerlei Rang und Standes auf. „Ich zeichnet, ist natürlich ein Auswuchs der allgemeinen Thalbergianer, Neider u. lumpige Magdeburg, 1834 wünsche, daß alle Eltern ihren Kindern soviel Vergnügen Clara-Hysterie, die in Wien ausbrach. Und über die Ver- Lehrer. Das war ein Gedränge – 800 In der Pause muß ich vor dem ganzen machen können, als ich meiner Clara; übrigens hat meine tonung des Gedichts schreibt Schumann dann auch nicht Menschen? Meine 8 Billetabnehmer Publikum die Klaviatur herausnehmen Clara nicht Zeit, mit kleinen Kindern zu spielen und sie ganz zu Unrecht: „Aber daß es wieder Jemand in Musik haben Ohrfeigen u. Prügel ausgetheilt u. die Tasten machen. Es geht auch – nach dem Takt – falsche Billets, nach- soll dem Genuß der freien Luft dem Puppenspiel vorzie- setzt, ist unpoetisch und hebt die ganze Wirkung auf. Ein nun kommt im 2ten Theile staccato gemachte, ohne Bill. sich hineindrän- Variationen, jetzt stockt der ganze hen“, wehrt er sich gegen die Frau eines Geheimrats in wahrer Componist hätte das schon gar nicht unternom- gen pp, ich wäre in Interesse gewe- Dämpfer. (…) Clara spielt, darf den Weimar nach Einladung an Clara zu einer Kindergesell- men.“ sen, wenn ich nicht furchtbare Angst Dämpfer nicht heben (…) und ich schaft. (Die freie Luft war übrigens ein wichtiges Thema u. Herzklopfen gehabt hätte, weil die drücke vor dem ganzen Publikum Leistung der Clara heute zu groß war für Herrn Wieck: er bestand auf täglich dreistündiges viele 100 mal die einzelnen Dämpfer Ein Wundermann, der Welt, des Lebens satt, u. obendrein ihr Hexenchor u. das während des Spiels immer wieder Spazieren, denn ein gesunder Geist könne nur in einem Schloß seine Zauber grollend ein Vöglein (Etüde von Henselt) wieder- nieder. Clara spielt ja doch wie ein gesunden Körper gedeihen.) holen musste. (u. 79?) Gott.. In festverwahrten, demantharten Schrein, Und warf den Schlüssel in das Meer und starb. Paris, 1839 - Clara an Schumann Für dergleichen sich wiederholende Auseinandersetzun- Hannover, 1835 Du siehst also, daß ich wirklich allein Die Menschlein mühen sich geschäftig ab, Die ganze herzogliche Familie und gen mit der „wissbegierigen Hälfte des menschlichen Ge- in Paris bin. Bangst Du für mich? Mein der Adel von Hannover (das ist ein schlechts“, die die Lebensqualität eines Wunderkindes Umsonst! kein Sperrzeug löst das harte Schloß, Vater will durchaus nicht kommen vornehmer Adel, (...) viele Exzellen- infrage stellen, hat Friedrich Wieck sogar eine Liste von Und seine Zauber schlafen wie ihr Meister. (…). Ich hab einen Erard auf mei- zen, Grafen pp) war unser Publikum. nem Zimmer, der durchaus nicht Antworten zur Hand. Dort lautet es auf die immer wie- Hier war Pariser Beifall – jede schöne Ein Schäferkind, am Strand des Meeres spielend, zu erdrücken ist; (...) doch gestern derkehrende Frage „Sie müssen doch eine große Freude Stelle, jede Koketterie, jedes einfache Sieht zu der hastig unberufnen Jagd. hab ich Pleyel gespielt und die gehen Thema, wenn es Clara hinhauchte, haben, da Ihnen der Himmel so eine Tochter geschenkt doch nicht so schwer. Schon drei Sinnvoll gedankenlos, wie Mädchen sind, wurde beklatscht, bepocht und be- hat?“: „Ja, es schneite einmal, und da fiel mir eine un- große Instrumente sollte ich jetzt auf bravot – der Vicekönig stets an der meinem Zimmer haben – jeder will, gezogene Schneeflocke in den Arm und siehe – das war Senkt sie die weißen Finger in die Flut Spitze. ich soll das seine nehmen. Wenn ich diese Clara, gerade so, wie sie vor Ihnen steht.“ Und faßt, und hebt, und hats. - Es ist der Schlüssel! nur wüßte wie anfangen auf Pleyel zu Naumburg, 1836 Auf springt sie, auf, mit höhern Herzensschlägen, spielen ohne Erard zu beleidigen, der Das Unerhörbare ist geschehen! Und nun zu Clara: Wer war dieses wunderliche, vom Him- mir nur alle möglichen Gefälligkeiten Clara wurde vor dem Börsensaale Der Schrein blinkt wie aus Augen ihr entgegen, erweist. mel heruntergeschneite Wesen, das so selbstverständ- umgeworfen – beide Handgelenke Der Schlüssel paßt. Der Deckel fliegt. Die Geister, bekamen starke Contusionen – ingl. lich den von ihm für sie erdachten Weg verfolgt und sich Leipzig, 1840 Sie steigen auf und senken dienend sich die Füße – die Kette am Kopf wur- in ihre Laufbahn als reisendes Wunderkind und Virtuosin – Am Tag vor der Hochzeit de zerdrückt, das seidne Kleid be- ganz natürlich zu fügen scheint? Ein Mädchen, das die Der anmutreichen, unschuldsvollen Herrin, (..) so schließe ich dieses Buch, nicht schmutzt, ingl. der Schaal, die seidnen ohne Wehmuth! Eine Periode meines Stiefmutter aus der Ferne mal nach ihren Goldfischen Die sie mit weißen Fingern, spielend, lenkt. Schuhe zerrissen und – Clara spielet Lebens ist nun beschlossen; erfuhr ich doch und sang ungeachtet dieses gro- fragt, ob die auch nicht vergessen werden, und derweil Gedicht „Clara Wieck und Beethoven“ (Franz Grillparzer, 1838) gleich viel trübes in meinen jungen ßen Schrecks 2 Lieder von Banck und als eines der ersten klavierspielenden Mädchen europa- Jahren schon, so doch auch manches spielte auch auswendig. Gott hat sie in weit Aufsehen erregt, bei Goethe persönlich vorspielt, in Dennoch ist an diesem geheimen Schlüsselchen Cla- Freudige, das ich nie vergessen will. seinen Schutz genommen. Jetzt geht ein neues Leben an, das Le- Paris und Wien auftritt und dabei auch noch ziemlich sie ras etwas dran. Schumanns Florestan bringt es auf den ben in Dem, den man über Alles und Berlin, 1837 selbst zu bleiben scheint. Warum gelang bei Clara das, Punkt: „Die Perle schwimmt nicht auf der Fläche; sie sich selbst liebt, aber schwere Pflich- Die Bettina von Arnim hat zu Te- woran so manche in Wiecks Buch beschriebene Schüle- muß in der Tiefe gesucht werden, selbst mit Gefahr. ten ruhen auch auf mir, und der Him- schner gesagt ich wäre eine der un- rinnen und Schüler scheiterten? Clara ist eine Taucherin“ mel verleihe mir Kraft, sie getreulich ausstehlichste Künstlerinnen, die ihr wie ein gutes Weib zu erfüllen – Der geheime Schlüssel zu ihrem einzigartigen Spiel, den je vorgekommen. Mit welchen Prä-

22 23 24 Die letzten Seiten aus den Jugendtagebüchern Clara Wiecks © Robert-Schumann-Haus Zwickau 25 Die Kinder Claras iI warten auf Clara – mutter von acht kindern Lieder in Szenen Marie Schumann (1841-1929) Über sie sagt Clara zu Eugenie: „Du mußt nie vergessen, was Marie in den Jahren nach Papas Tod, wo ihr alle „Benutzt die Minuten – sie sind unwiederbringlich“ war ein Lebensspruch Claras, den noch klein waret, gewesen ist; ohne sie hätte ich die Zeit gar nicht überleben können“. Tatsächlich hält Marie sie an ihre Kinder weitergab und nach dem sie selbst auch lebte. „Wir störten Mama nie den Haushalt aufrecht, sorgt für die jüngeren Kinder, besucht sie bei Schwierigkeiten, ist ihrer Mutter Se- ohne triftigen Grund, wenn sie am Klaviere saß, aber wir wußten, daß wir jederzeit bei kretärin und Assistentin und begleitet sie am häufigsten auf ihren Konzertreisen. In wichtigen Entscheidungen ihr eintreten durften. Was mich dabei am meisten wunderte, war, daß sie unentwegt wird sie von Clara zu Rate gezogen. Als Clara ihre Lehrtätigkeit aufgibt, hört sie ebenfalls auf zu unterrichten fortspielte, während sie uns dies oder jenes sagte; auch las sie beim Tonleiterspielen und wohnt bis zu Claras Lebensende bei der Mutter. Marie „war die Denkerin der Familie (…), wir wußten, oft eben angekommene Briefe, die vor ihr auf dem Pulte lagen.“ (Eugenie Schumann) wenn Marie über etwas nachdachte, so kam immer Gutes heraus“, charakterisiert Eugenie ihre Schwester. Ihre Rolle als Mutter und Ehefrau mit der Karriere als Virtuosin zu vereinen, brach- Und als Älteste habe sie in leichteren Zeiten die „Mama noch vor sich hinsingen hören“. te immer wieder auch Probleme mit sich: „Hat man erst Familie, dann ist man keinen Tag sein eigener Herr“, schreibt Clara an eine der List-Schwestern. Und der kompo- München, 16.11.1857 nierende Mann, der (andere) Musik im Haus nicht ertrug, schreibt im Ehetagebuch: „Meine liebe Herzens Marie, (...) Dir wollte ich nur einige liebe Worte sagen, wie ich so viel an Euch denke „rechts hängt ihr Marie am Kleid, Elise macht ihr auch zu schaffen, und der Mann sitzt und namentlich mit Dir mich soviel beschäftige; vorige Nacht habe ich (...) nur darüber nachgedacht, wie ich in Perigedanken vertieft.“ Weil sie aber konzertieren möchte, „ein Scherflein beitra- Dich im Hause behielte – es ist mir der Gedanke Dich wieder fortzugeben schrecklich hart, daß mir immer gen“, beschließt Clara einmal, eine Tournee nach Dänemark alleine zu bestreiten: ent- die Thränen kommen, wenn ich nur daran denke (…) Thue doch ja, was nur in Deinen Kräften steht, daß schlossen, wenn auch schweren Herzens, verabschiedet sie sich in Kiel von ihrem Du alles recht ordentlich machst, auch ohne Aufsicht, (…) denn ich selbst kann Dich nicht beaufsichtigen, bis dahin mitgereisten Mann, der zum Kind zurückfährt, um alleine weiterzureisen. daß weißt Du.“ Später, auf ihrer gemeinsamen russischen Tournee, erträgt der Ehemann seine Rolle als „Begleiter“ seiner hochgerühmten Frau nur schwer, wenngleich seine Werke während der Elise Sommerhof (1843 -1928) Tournee aufgeführt werden. Elise ist „starrköpfisch, (...) mußte oft die Ruthe fühlen, wenn etwas nicht nach ihrem Willen geht;zeigt sich humoristischer als Marie“, so Schumann über seine Tochter, die sich 20-jährig von der Familie un- Die Erkrankung Roberts, die sich in Depressionen, Zuständen höchster Erregung und Ner- abhängig macht. Sie arbeitet einige Jahre als Gouvernante, Musiklehrerin und Gesellschafterin und heira- vosität äußerte und sich bis hin zu Zeichen geistigen Verfalls immer mehr verschlimmerte, tet dann den Geschäftsmann Louis Sommerhof, mit dem sie sechs Jahre lang in Amerika lebt. Sie bringt verlangte Clara viel ab. Trotz Nannys und Dienstmädchen war sie nach zehn Schwanger- es zu einer guten Pianistin und bekommt vier Kinder, von denen drei das Erwachsenenalter erreichten. schaften und als Mutter von acht Kindern (von denen eines mit einem Jahr starb) extrem Wenn Elise in den kurzen Ferienwochen nach Hause kam, „so wehte es wie ein Sturmwind durch unser Haus. ausgelastet. So klagte sie nach dem sechsten Kind dann auch ihrer Mutter: „Meine besten Du schrecktest vor keiner Aufgabe zurück“, auch wenn es nicht immer gut ausging. So bei einem Rock für Jahre gehen hin in Schwangerschaft und Wochenbetten.“ Marie, für den nur sehr knapp Stoff vorhanden war: „Mit flinker Hand und großer Schere ging´s ans Werk, in kurzer Zeit lag der Rock kunstvoll geschnitten auf dem Tisch, aber o weh, Marie konnte nicht hinein, so Über die Zeit nach dem Selbstmordversuch Schumanns und seiner Einlieferung in die Ner- schlank sie war.“ (Eugenie Schumann) venheilanstalt Endenich schreibt ihre Tochter Eugenie: „Die Mutter (...) mußte sich ent- schließen, ein Wanderleben zu führen, und die Versorgung der Kinder Fremden übertra- Obersalzberg bei Berchtesgaden, 12.8.1887 gen“, denn „es trat die Notwendigkeit des Erwerbens an die Mutter heran.“ Und in ihrem „Meine theuere Elise, (…) Ich weiß, was Verluste sind, habe aber erfahren, wie mit der Zeit Schmerz sich ver- Tagebuch schreibt die noch hochschwangere Clara: „Mein Hauptstreben geht jetzt dahin, klärt, wie er uns wohl den ungetrübten Lebensgenuß raubt, aber andererseits einen mit Wehmuth getränkten das zu verdienen, was Roberts Krankheit kostet. Schenkt ihm der Himmel Genesung, so Lebensgenuß gewährt, der unser Naturel vertieft, unsere Interessen an geistigen Dingen mehr zuführt, u. so soll er aber auch dann durch nichts an diese unselige Zeit erinnert werden.“ Angebote der Seele die Kraft giebt, die des Lebens Ernst erfordert. Ich weiß nicht, ob ich ausdrücke, was ich meine.“ zur finanziellen Unterstützung aus dem Freundeskreis, wie folgendes von dem Verleger (Clara nach dem Tode Elises Töchterlein) Härtel, lehnt sie ab: „Mittwoch den 22. März 1854 – Freundliches Anerbieten von Dr. Här- tel, für mich und die Kinder in Leipzig ein Konzert zu geben. Ich lehnte es entschieden ab Julie Schumann, Contessa Marmorito di Radicati (1845-1872) (…) Konzert lasse ich Niemand für mich geben, das tue ich selbst, wenn ich es bedarf.“ „Julie entwickelt sich langsamer, vielleicht infolge, weil sie zu spät eine Amme bekommen, 13 Monate alt kann BITTE WEITERLESEN AUF SEITE 31 sie weder gehen, noch viel mehr als „Papa“ sagen. Dagegen macht Musik großen Eindruck auf sie, und sie fängt gleich hellauf mitzusingen an. Ein zartes, sensibles Pflänzchen überhaupt.“, schreibt Robert Schumann

26 27 in sein „Erinnerungsbüchlein“. Diese Zarteste der Schwestern wird ihrer schwachen Gesundheit wegen auf ärztlichen Rat immer wieder in den Süden geschickt. Dort heiratet sie einen italienischen Grafen und Witwer, mit dem sie zwei Söhne bekommt und von denen nur einer das Erwachsenenalter erreicht. Während ihrer dritten Schwangerschaft (das Kind sollte „Chiarina“ heißen) stirbt sie und Clara spielte nach Erhalt der Nach- richt an dem Abend noch ein geplantes Konzert. Wie Clara später erfuhr, hatte Brahms für Julie geschwärmt und sein Schmerz über diese Liebe habe Niederschlag in seiner Alt-Rhapsodie gefunden.

1860 über Julie (an Elise Pacher-List, 14. Oktober 1861) „Wie Du darauf kommst, zu große Strenge gegen Julie meinerseits zu fürchten, das weiß ich nicht, denn im Gegentheil wird mir von Allen (…) immer zu große Aufmerksamkeit gegen dieselbe vorgeworfen (…). Julies Fehler aber, die Unordnung (…), die immer noch schlechte Haltung, und der Mangel an Sinn für Sparsamkeit, kann ich nur durch größte Consequenz vermindern helfen. Meinst Du dies Strenge, nun, so bin ich streng (…) Wenn Du mir aber in musikalischer Hinsicht keine Einsicht zutraust, da irrst Du am allermeisten, denn, wer wie ich weiß, was dazu gehört, eine Sonate von Beethoven z.B. nur gut, ein Stück von Bach ohne Stocken zu spielen.“

Emil Schumann (1846-1847) Emil wird nur knapp über ein Jahr alt werden. Robert schreibt in das Erinnerungsbüchlein an seine Kinder: „In der Nacht vom 21. zum 22., früh zweieinhalb Uhr, starb unser kleiner Emil. Er war fast immer kränklich – hat wenig Freuden auf der Welt gehabt. Nur einmal habe ich ihn lächeln gesehen, den Morgen früh, als ich Ab- schied von ihm nahm, wie wir nach Wien abreisten. Mittwoch, den 23., abends sechs Uhr, wurde er begraben. Ihr Kleinen fühltet noch nicht, was ihr verloren habt.“

Ludwig Schumann (1848-1899) Über Ludwig schreibt Clara ihrer Freundin Emilie List (13.5.1848): „Ich bin sehr glücklich mit meinem Ludwig, dick wie so ein kleiner Posaunenengel und dabei immer freundlich“. Nach dem Tode Schumanns in Internaten großgezogen, zeigen sich um die Pubertät herum bei ihm erstmals Anzeichen psychischer Probleme. Clara versucht ihn verschiedene Male in eine Lehre zu geben und wendet sich mit Fragen zu seiner Erziehung des Öfteren an Brahms, dem sie dann im Mai 1870 aus Brüssel, wo sie gerade konzertiert, mitteilen muss: „Ich habe Hübner gebeten, mit einigen Ärzten zu konsultieren, und für mich zu handeln – das kann in diesem Falle nur ein Mann. Es wird schließlich nicht anders werden, als daß ich Ludwig in eine Anstalt bringen muß (...). Es ist doch zu grausam vom Schicksal, mir zweimal solch´ne Prüfung aufzuerlegen.“ Im Juni 1870 kommt Ludwig in die staatliche Heilanstalt Colditz, wo er noch dreißig Jahre leben wird. Von Clara wird er in den ersten Jahren dort dreimal besucht und danach wird er sie nie wiedersehen.

10.9.1865, über Ludwig (an Elisabeth Werner) „Ich sagte es Ihnen ja immer, daß ich keine Hoffnung habe, aber die Bestätigung hat mich dennoch getroffen wie ein furchtbarer Schlag auf meinem Herz (...). Dabei quälen mich die Vorwürfe, ich möchte jedes Wort Clara Schumanns Kinder (W. Severin, 1854) zurücknehmen können, mit dem ich dem armen Jungen Vorwürfe gemacht; freilich wußte ich ja damals nicht, wie es stand.“

28 29 Ferdinand Schumann (1849 – 1891) Clara überlebt ihren Mann um 40 Jahre. In dem Versuch, ihnen die bestmögliche Erziehung Nach Durchlaufen des Joachimsthaler Gymnasiums in Berlin nimmt Ferdinand eine Stellung bei einer Bank zu bieten, werden die sieben noch lebenden Kinder bei Freund*innen oder in Internaten an und will Kaufmann werden. Im Krieg gegen Frankreich 1870/71 zieht er sich ein rheumatisches Leiden untergebracht, in Pension gegeben oder von Nannys, Gouvernanten, Hausdamen, der Groß- zu, das mit Morphium behandelt wird. Er wird abhängig, mit 42 erliegt er seiner Morphiumsucht. Mit seiner mutter Mariane Bargiel und von Musiklehrern betreut, während sie konzertierend durch Eu- Frau Antonie (die Clara nie gemocht hat) bekommt er sieben Kinder, von denen sechs das Erwachsenenalter ropa reist, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Derweil beschäftigen sie die Sorgen um erreichen. Nach seinem Tod übernimmt Clara, wie oben erwähnt, die Sorge für seine Witwe und die sechs ihre Kinder permanent: „Denk nur allein fünf Kinder in Pension an drei verschiedenen Orten, Enkelkinder, von denen Julie durch Claras Beziehungen zum preußischen Königshaus einen Freiplatz am Ber- nur deren Toilette bei Jahreswechsel zu besorgen, welche Arbeit“, heißt es an Emilie List liner Luisenstift bekommt (einem modernen Mädchenlyzeum) und Ferdinand (und zeitweise auch Julie) bei (17.10.1856). Unentwegt sucht sie nach Verbesserungsmöglichkeiten und Lösungen. So wird für Clara in Frankfurt lebt. zwei der Buben dreimal eine neue Grundschule gesucht, einmal, weil an der Schule zu wenig „Bewegung an der freien Luft“ stattfand – etwas, auf das Clara stets besonderen Wert legte. An Herrn Rudorff: Andere Aspekte einer erfüllten Kindheit kamen laut der Erinnerungen Eugenie Schumanns „Ansprüche mache ich keine für ihn als ein kleines Stübchen in dem er schläft (...) und eine einfache aber trotz aller Bemühungen Claras zu kurz: „Wenn ich aber jetzt auf das Leben unserer Brüder kräftige Kost, Mittags ordentlich Fleisch, so viel er will, denn er wächst furchtbar schnell jetzt.“ zurückblicke, so erfaßt mich die Tragik ihres Geschickes mit unendlichem Wehe. Allen war eine seltene Innigkeit und Reinheit des Gemütes eigen; sie hingen mit allen Fasern ihres Schluderbach, 21.8.1880 an Elise: Daseins an Mutter und Geschwistern, und ein behagliches, trauliches Zusammensein in der „Ant. (seine Frau) hat ihn sehr unglücklich gemacht, wie er es mir endlich neulich ´mal in Frkf. eingestand – Familie ging ihnen über alle Lockungen der Außenwelt. Und gerade dies eine konnte die Mut- vom ersten Tage ihrer Vermählung an, habe sie ihn schlecht behandelt, und schon drei Jahren schon keinen ter ihnen nicht geben. (...) das spätere innige Zusammenleben mit der Mutter entschädigte Morgen und keinen Abendgruß mehr gegönnt. Du kannst Dir denken, wie mir das Herz geblutet hat, als er uns (Schwestern) in reichem Maße. Die Brüder hingegen haben nie ein Elternhaus gekannt.“ mir dies trauernd erzählte.“ Tatsächlich werden die älteren Mädchen dazu bewegt, den Haushalt zu überwachen, für die jün- Eugenie Schumann (1851-1938) geren Kinder zu sorgen, die Korrespondenz gegebenenfalls im Diktat zu übernehmen, anstehende Nach mehreren schrecklichen Jahren in einem Pensionat nahe Frankfurt, aus dem Eugenie erst sehr spät von Umzüge in die Hand zu nehmen, der Mutter bei der Vorbereitung ihrer Tourneen zu helfen bezie- Clara „befreit“ wird, genießt Eugenie, nach schöneren Zeiten in einem reformpädagogischen Internat, als hungsweise sie auf ihren Reisen zu begleiten und vieles mehr. Marie und Eugenie werden später einzige der Schumann-Töchter eine musikalische Hochschulausbildung – nämlich an der von Joseph Joachim die Assistentinnen Claras, wenn sie an der Frankfurter Musikhochschule eine Lehrstelle antritt. geleiteten damaligen Universität der Künste Berlin. „Ein Mädchen das sich nicht verheiratet, muß ein Glück darin finden, wenn sie Pflichten erfül- Literarisch begabt, hinterlässt sie in ihren „Erinnerungen“ wunderbare Beschreibungen über ihre Jugend und len kann – und einen Wirkungskreis hat, wo sie vor aller Welt gerecht dasteht; und, welch be- die Familie Schumann. Über den Vater (den sie kaum gekannt hat) verfasst sie das Buch „Robert Schumann. glückerendes Gefühl giebt es wohl, als möglicherweise auch einmal den Seinigen eine Stütze Ein Lebensbild meines Vaters“. sein zu können? (...) Überhaupt finde ich (...) jedes Verhältniß glücklicher als ein unglückliches Eugenie teilt ihr Leben mit einer Frau, der Sängerin , die ein Großteil der Zeit, in der Eugenie Eheliches.“ (Brief an Elise) bei ihrer Mutter und Marie wohnt, mit zum Frankfurter Haushalt gehört. Dennoch muss Claras Ausstrahlung eine ganz besondere gewesen sein und die Mutter wurde Eugenie Schumann – Erinnerungen: „Ich hatte immer große Sehnsucht nach meiner Mutter und nach Marie von allen Kindern heiß und innig geliebt. Auffallend waren wohl ihre beweglichen, sanften, und weinte mich oft in Schlaf. Die Tage, die mir einen Brief von ihnen brachten, waren Festtage, und die Briefe stets wechselnden Züge (über die sich ein berühmter Maler beim Skizzieren Claras einmal trug ich mit mir herum, bis sie in Stücke gingen. Welchen Wert ich schon als kleines Kind darauf legte, ersehe beschwerte): „Wunderbare Ruhe und lebhafteste Beweglichkeit wohnten auf diesem Antlitz ich jetzt daraus, daß ich jedes kleine Zettelchen aufs sorgfältigste aufbewahrt habe.“ dicht beieinander. Auf der schönen (…) Stirne las man Klarheit und Reinheit der Gedanken, und doch spiegelte sie jede Gemütsbewegung wider, was ich oft staunend beobachtete.“ I.I.1868 an Eugenie: (Eugenie Schumann) „Lege nur immerhin Deine Empfindung in die Musikstücke, die Du spielst, und wäre sie auch hie und da nicht ganz die richtige, so ist es mir lieber als keine, oder eingelernte. Ich denke, wir werden uns im Sommer In den Sommermonaten, in denen Clara nicht konzertierte, kamen die Kinder, soweit es darüber verständigen.“ finanziell möglich war, in dem Häuschen in Lichtenthal bei Baden-Baden, von den Kindern „Die Hundehütte“ getauft, um Clara beisammen. In dieser Zeit wurde so etwas wie ein

30 31 Felix Schumann (1854-1879) Familiengefüge wiederhergestellt und mit diesen Sommeraufenthalten verbanden die Kin- Felix, erst geboren, als Schumann schon nach Endenich gebracht worden war, ähnelte dem nie gekannten der später dann auch ihre schönsten Kindheitserinnerungen. Vater mit seiner literarisch-musikalischen Doppelt-Begabung von allen Söhnen am meisten. Dennoch wollte Clara von einem Musikstudium nichts wissen: „Wirst Du nicht einmal ein eminenter Geiger, so kannst Du sonst noch so tüchtig sein, Du wirst als Sohn Robert Schumanns eine kümmerliche Rolle spielen“ (immerhin wird Joachim ihm später seine Guarneri-Geige schenken!). Auch rät sie ihm, die Publikation seiner Gedichte erstmal anonym vorzunehmen – aus für uns heutzutage schwer nachvollziehbaren Ängsten um den Ruf der Schumann-Familie. Brahms, der Felix’ Patenonkel ist, vertont drei seiner Gedichte. Sein schlussendlich an- gefangenes Jura-Studium kann Felix nicht zu Ende führen, weil er an Tuberkulose erkrankt. Am Abend vor seinem Tod spielt Clara noch ein Konzert. „Mein Herz blutete, als ich Felix gute Nacht sagte, ins Concert gehend (...).“ Er wird in der nächsten Nacht sterben in den Armen Maries, die ihrer Mutter das Leid noch eines dahin scheidenden Kindes ersparen möchte.

Berlin, 20.6.1870 „Liebe Mama! Ich habe diesmal so viele Ausgaben und habe Dich auch zuletzt so gereizt, daß ich nicht ohne Bangigkeit und Schüchternheit frage, ob Du mir zu meinen Ferien (…) die Heimreise erlauben willst. (…) Sage mir recht bald die Antwort, damit es mir nicht zu plötzlich kommt; wenn ich traurig war, so sah ich immer auf diese Zeit und erfrischte Herz und Geist, die schweren, trägen Dinger (...).“ ichtenthal 14 L ichtenthal B aden, B aden- in Haus Schumann Clara An Felix: „Wegen der Hemden wollte ich Dir noch sagen, da braucht die Näherin nur eine kleine Falte in den Ärmel zu nähen, damit sie kürzer werden. Sprich mit Ferdinand darüber.“

Baden, 18.6.1869 „Mein lieber Felix! Wohl habe ich der Ausgaben ja viele in diesem Sommer, jedoch soll mich dies nicht Nach dem Tod ihres Sohnes Ferdinand übernimmt Clara teilweise die Fürsorge für dessen hindern, Dir die Freude zu machen zu uns zu kommen (...). So komme dann in Gottes Namen, aber dritte sechs Kinder, von denen Ferdinand und zeitweise Julie bei ihr mit im Haushalt leben. Klasse.“

32 33 iii clara in berlin IV Schöneberger Ufer 22 (1861-1863) Stadtspaziergang Da Clara Schumann sich nur wenig in Berlin aufhielt – seit 1854 hatte sie ihre Konzerttä- tigkeit verstärkt wieder aufgenommen – und ihre Töchter Elise sowie Julie 1860 Berlin ver- „Wir stehen groß da“ (Friedrich Wieck) ließen, wurde eine etwas kleinere Wohnung gesucht. Ende April 1861 zog Clara Schumann zusammen mit ihren Kindern Marie, Eugenie und Felix ans Schöneberger Ufer 22 (3. Stock). Clara Schumann (1819-1896) hat Berlin zwischen 1835 und 1889 unzählige Male besucht, Auch dieses Haus ist nicht mehr erhalten, es wurde 1940 abgebrochen. Heute existiert ca. 70 Konzerte in Berlin gegeben, zwischen 1857-1863 und 1873-1878 in Berlin gewohnt hier der „Park am Karlsbad“. und 1890 einen Teil des Nachlasses von Robert Schumann an die Königliche Bibliothek zu Berlin verkauft. Das Jubiläumsjahr 2019 ist Anlass, einige Clara-Schumann-Orte in Berlin zu V In den Zelten 11 (1873-1878) entdecken: Wo hat Clara Schumann gewohnt? Wo hat sie ihre Konzerte gegeben? Nachdem Clara Schumann ihr Haus in Baden-Baden aufgegeben hatte, zog sie 1873 ein zweites Mal nach Berlin und wohnte, zusammen mit ihren Töchtern Marie und Eugenie, Im Folgenden sind alle Spielstätten der Berliner Tournee von 1837 aufgeführt sowie einige bis 1878 In den Zelten 11, einer repräsentativen Adresse im Tiergarten. Clara Schumann temporäre Wohnorte Clara Wiecks und die späteren Wohnorte. gab in ihrer Wohnung auch private Soireen. Leider ist auch dieses Wohnhaus nicht mehr erhalten, es wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Heute befinden sich in unmittelbarer Nähe der damaligen Adresse das Haus der Kulturen der Welt und das Bundeskanzleramt. TEMPORÄRE WOHNORTE CLARA WIECKS IN BERLIN

I Hotel de Russie (Februar/März 1837) Während der ersten Berliner Konzertreise 1837 logierten Friedrich Wieck und Clara im Ho- AUFTRITTSORTE CLARA WIECKS IN BERLIN 1837 tel de Russie, einem Hotel erster Klasse unweit der Bauakademie und des Berliner Schlos- ses. Denn Wieck meinte: „Wer im Hotel de Russie in Berlin wohnt, ist schon 10 Prozent 1 Königliche Oper (Unter den Linden) mehr wert.“ Im Saal des Hotel de Russie gab Clara drei Soireen vor „Kennerpublikum“, bei In der Königlichen Oper, der heutigen Staatsoper denen bis zu 350 Personen anwesend waren. Unter den Linden, gab Clara Wieck am 16. Februar 1837 ihr erfolgreiches Berliner Debüt, bei dem sie II Hinter der Katholischen Kirche Nr. 2 (1839/40) ihr Klavierkonzert a-Moll op. 7 und Herz’ Variations Als Clara von ihrer Pariser Konzerttournee 1839 nach Leipzig zurückkehrte, untersagte brillantes op. 76 spielte. 1839 und 1870 trat sie hier ihr Friedrich Wieck per Brief eine Rückkehr ins väterliche Haus. Die Zerwürfnisse durch nochmals auf. Das Opernhaus wurde 1741/42 unter die von Friedrich Wieck nicht gebilligte Verlobung mit Robert Schumann und dem sich Friedrich II. erbaut und nach einem Brand im Jahr anschließenden gerichtlichen Ehe-Prozess fanden einen vorläufigen Höhepunkt. Clara er- 1843 wiederaufgebaut, es erfuhr aber bereits seit hielt aber Unterstützung durch ihre in Berlin lebende Mutter Mariane Bargiel und wohnte dem 18. Jahrhundert mehrere Umbauten. In den vier ca. ab September 1839 bis Anfang Juni 1840 bei ihr, in direkter Nähe zum Opernplatz. Logenreihen und im Parterre konnten zu Clara Wiecks Zeiten über 2500 Menschen Platz finden. Abb.: Königliche Oper Berlin, Ansicht 1832 nach Gemälde von C. D. Freydank, Druck auf Papier (Architekturmuseum TU Berlin, Inv. Nr. 5740)

SPÄTERE WOHNORTE 2 Hotel de Russie (Platz an der Bauakademie 1) Im Hotel de Russie, einem Hotel erster Klasse unweit III Dessauerstr. 2 (1857-1861) des Berliner Schlosses, logierte Clara mit ihrem Va- Clara Schumann zog 1857, ein Jahr nach Robert Schumanns Tod, von Düsseldorf nach Berlin ter Friedrich Wieck 1837 während ihrer ersten Kon- in die Dessauerstr. 2, unweit des Potsdamer Platzes, und wohnte hier bis 1861. Die Kinder zerttournee in Berlin. Clara gab 1837 insgesamt drei Marie, Elise, Julie, Eugenie und Felix wohnten auch zeitweilig mit in der Wohnung; die Söh- Soireen im Saal des Hotel de Russie, bei denen bis ne Ludwig und Ferdinand besuchten zu der Zeit die Erziehungsanstalt von Dr. Karl Stoy in zu 350 Personen anwesend waren. Sie spielte u. a. Jena. Das ehemalige Wohnhaus Clara Schumanns ist nicht mehr erhalten; es wurde 1905- Werke von Bach, Beethoven, Mendelssohn und Cho- 1906 durch ein neu gebautes Geschäftshaus ersetzt, das heute unter Denkmalschutz steht pin sowie eigene Kompositionen. Das Hotel de Rus- und die Adresse „Dessauer Straße 1-2“ aufweist. sie befand sich ab 1829 bis zu seinem Abriss 1890 am heutigen Schinkelplatz. Abb.: Hotel de Russie (Schinkelplatz 1, zw. 1837 und 1869 „Platz an der Bauakademie“), ca. 1880-89, Fotograf unbek. (Bildindex der Kunst & Architektur/Landesdenkmalamt Berlin)

34 35 3 Königliches Schauspielhaus (Gendarmenmarkt) 6 Jagor’scher Saal (Unter den Linden) Das Königliche Schauspielhaus auf dem Gendarmenmarkt Clara Wieck gab zum Abschluss ihrer erfolgreichen ersten Berlin-Tournee am 20. März 1837 eine ei- wurde ab 1819 nach Plänen Schinkels erbaut und 1821 er- gene Soiree im ausverkauften Jagor’schen Saal vor 500 Menschen. Clara spielte die Capriccio fis-Moll öffnet. Im Mittelbau befand sich ein halbkreisförmiger op. 5 von Mendelssohn, Chopins Variationen über Là ci darem la mano op. 2, Thalbergs Caprice op. 15 Theatersaal – der Flügel zur Taubenstraße hin enthielt zwei und Herz’ Bravour-Variationen op. 20. In dem 1763 erbauten kleinere Säle und den großen Konzertsaal, der bis zu 1500 und heute nicht mehr erhaltenen Haus Unter den Linden 23 Personen fasste. Clara Schumann trat hier insgesamt sechs (heute Nr. 35) ließ der Hoftraiteur J. Jagor 1820 einen Kon- Mal auf: 1837 sowie 1839/40 und 1855 zusammen mit dem zert- und Ballsaal nach Entwürfen von Schinkel errichten. Der Stern’schen Gesangverein und Joseph Joachim. Ein letztes Saal besaß drei Logen, errichtet auf korinthischen Pfeilern, Mal spielte Clara 1858 hier in einer Wohltätigkeits-Matinee. und zwei große Kronleuchter, deren Licht in zwei großen

Abb.: Gendarmenmarkt, Foto 1888, Fotograf unbek. (Architekturmuseum TU Berlin Inv. Nr. F 6695) Spiegeln reflektiert wurde. 1869-73 wurden hier die im Zwei- ten Weltkrieg zerstörten Linden-Passagen gebaut. Heute 4 Palais Redern (Unter den Linden 1) befindet sich auf dem Grundstück das Westin Grand Hotel. Das Palais Redern befand sich bis 1906 an der Stelle des Abb.: Unter den Linden 23, Ausschnitt aus der „Linden-Rolle“, unbek. Künstler, Nicolai Berlin um 1820 heutigen Hotel Adlon. Graf Wilhelm von Redern war in den 1830ern Generalintendant der Königlichen Schau- Text: Theresa Schlegel spiele in Berlin. Er gewährte Clara und ihrem Vater 1837 Weitere Informationen: www.clara-schumann-in-berlin.de auf der Berliner Konzertreise freien Eintritt in die Theater und lud Clara zu seiner Soiree ein. Am 2. März 1837 spielte sie im Saal des Redern’schen Palais, in Anwesenheit des Könighofs, eine Etüde von Henselt und drei Variationen von Herz. Zehn Jahre später, am 14. März 1847, trat Clara während ihres gemeinsamen mehrwöchigen Berlin-Aufenthalts mit Robert Schumann ein zweites Mal hier auf. Das Palais, das über einen Tanz- und Speisesaal sowie über eine Kunstsammlung und Bildergalerie mit ca. 70 Gemälden verfügte, war Anziehungspunkt für die kulturelle Elite der Stadt.

Abb.: Palais Redern, Fotografie um 1900 (aus: Fritz Stahl, Karl Friedrich Schinkel. Berlin: Ernst Wasmuth 1911, S. 116, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Berlin_Palais_Redern_um_1900.jpg)

5 Das Königliche Schloss Als 17-Jährige trat Clara Wieck bei einer Soiree am 14. März 1837 vor dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen (1795-1861) auf. Sie spielte die Fuge in Cis-Dur von Bach (vermutlich BWV 848) und eine Etüde von Henselt sowie den 2. und 3. Satz aus Beethovens Klaviersonate Appassio- nata op. 57. Zwar notierte Clara auf ihrem Programmzettel nur „Bei Hof“, wahrscheinlich ist aber, dass die Soiree im Königlichen Schloss stattfand. Denn zum einen ließ sich der Kronprinz in den 1820ern eine Wohnung im Schloss einrichten – im Gegensatz zu sei- nem Vater Friedrich Wilhelm III. (1770-1840), der das Königliche Palais (heute „Kronprinzenpalais“) bevor- zugte. Zum anderen war es üblich, dass halböffent- liche Hofkonzerte in der ersten Hälfte des 19. Jahr- hunderts entweder im Königlichen Schloss in Berlin oder in Potsdam im Schloss Sanssouci stattfanden.

Abb.: Das Königliche Schloss, Lustgartenseite, Foto 1888 (Architekturmuseum TU Berlin Inv. Nr. F 6694)

36 37 38 39 Sineck, Grundriss von Berlin 1871 (Wikimedia Commons); Markierungen hinzugefügt IV Lebenslange freundschaften und wegbegleiter und von der ein umfangreicher Briefwechsel Zeugnis ablegt: beginnend in der Zeit ihrer Musikalische Lesung allein angetretenen Reise nach Paris, wo die beiden Clara scherzhaft das Kochen für die bevorstehende Ehe lehrten – „um Dir die Clavierfinger zu verbrennen!“ – bis hin zu ge- „Auf das, was folgt, kannst Du Dich ungeniert freuen!“ (Clara Schumann an Joseph Joachim) meinsam geteiltem Leid im Erwachsenenleben: „Mein inneres das kennst Du, mein Herz ist krank, zerrissen (...), Sonne und Licht erstarb mir in Ihm“ (nach Schumanns Tod). „Liebe, beste, schöne, prächtige, nachsichtige, trostzusprechende Meisterin“, schreibt die Bei Elise List wird Claras Tochter Julie ein Jahr in Pension leben. 13-jährige Clara im ihrem Backfischalter entsprechenden Plapperstil an ihre Jugendfreun- din Emilie List. Von „den Clavierenthusiasten“ berichtet sie weiter, „die die Mäuler auf- „Meine liebe Rosalie, nur einen Kartengruß heute – ich darf nicht viel schreiben, habe sperrten wie dumme Jungen wenn sie einen Elephanten sehen“, aber ihre (tatsächlich gro- schlimme Tage gehabt“, schreibt die 76-jährige Clara zwei Monate vor ihrem Tod an ihre ßen) „Claviertatzen würden denen eines Elephanten doch nicht ganz nahe kommen (...)“. erblindete Freundin Rosalie Leser. Fräulein Rosalie Leser, die Nachbarin der Schumanns Mit den Schwestern List verband Clara eine Freundschaft, die lebenslang Bestand hatte in Düsseldorf, ist ebenfalls eine lebenslange Freundin Claras. Im Kreis der Familie ist sie während der Sommeraufenthalte in Lichtenthal immer mit dabei. Clara besucht sie zwei- mal jährlich und wichtige Ereignisse werden stets als erstes mit ihr geteilt – im Leid wie in der Freude. So schreibt Clara der Freundin zum 60-jährigen Künstlerjubiläum: „Meine liebste Rosalie, (…) Seien Sie innigst umarmt für Ihren herrlichen Lorbeerkranz, der von den Kindern gleich an meine Büste gehangen wurde. Sie Liebe Beste, wären Sie doch nur hier gewesen, es war doch eine erhebende Zeit für mich (...)! Als ich erschien, stand das ganze Publikum auf, Tusch gab´s auch und endloses Applaudieren und Rufen. Das Concert habe ich wohl kaum jemals so gespielt, fühlte mich den Tag so frisch, als wäre ich ein jun- auline Viardot-Garcia) Viardot-Garcia) auline ges Mädchen.“ Über Fräulein Leser, die drei Tage vor Clara sterben wird, schreibt Clara in ihrem Tagebuch: „Das ist Freundschaft, wie nur Gott sie dem Herzen geben kann.“

Freundschaften wie diese spielen im Leben Claras eine bedeutende Rolle, und sie pflegt sie mit großer Treue. Trotz schmerzender Hand unterhält sie kontinuierliche Korrespon-

ist (Skizzenblatt von P von (Skizzenblatt L ist lise denzen mit ihren Freunden – manchmal fünf Stunden am Tag schreibend, wenn nötig dik- tierend – und nimmt so auch aus der Entfernung regen Anteil an deren Leben.

In der Zeit, die Schumann in der Nervenheilanstalt in Endenich verbrachte, und nach sei- nem Tod haben vor allem Brahms, Joachim, Dietrich und Grimm Clara mit größter Hingabe und wahrhaftiger Liebe unterstützt. Was sie Brahms und Joachim verdanke, wisse nur sie milie und E und E milie reundinnen alleine, schreibt Clara später an Brahms.

So hütete Brahms, trotz der Ermahnungen seiner Mutter, sich um seine Laufbahn zu küm- mern, zwei Jahre lang Claras und Roberts Kinder. Er besorgte ihnen Weihnachtsgeschen- ke, gab ihnen Klavierstunden und rutschte den Erzählungen der Kinder nach jung und agil zum Spaß manches Treppengeländer herunter. Es war nicht nur Zeichen seiner Verehrung für das Künstlerpaar und seiner Liebe zu Clara, sondern ebenso seiner großen Menschlich- keit und tiefen Betroffenheit vom Schicksal Schumanns.

„Du mußt ernstlich darnach trachten und dafür sorgen, daß Deine trübe Stimmung nicht

riedrich Wieck und seine Tochter Clara mit ihren F ihren mit Clara Tochter seine und Wieck riedrich alles Maaß überschreite (...) Das Leben ist kostbar; (...) Rede Dir nicht ein, daß Dir das Le- F ben wenig werth sei. Das ist nicht wahr. Das ist bei ganz wenigen Menschen wahr“, schreibt Brahms Clara ein Jahr nach Schumanns Tod im Herbst 1857.

40 41 Brahms wird Clara lebenslanger Gefährte bleiben sowie auch Freund der ganzen Familie

(der jüngste Sohn Felix ist sein Patenkind), mit der er jährlich die Lichtenthaler Sommer bei Baden-Baden verbringt. In vielen Fragen steht er Clara bei, gemeinsam verlegen sie Schumanns Gesamtwerk neu. Umgekehrt steht sie ihm in musikalischen Fragen stets be- ratend zur Seite – fast alle seine Kompositionen wird sie als erstes zu hören bekommen. „Deine Musik hat meine Seele wahrhaft erfrischt – Über das Quartett (sein Klavierquartett in c-Moll) habe ich noch viel gedacht, die drei letzten Sätze sind mir tief in´s Gemüth ge- drungen, aber, dürfte ich mir erlauben es zu sagen, ich finde den ersten nicht auf gleicher Höhe stehend, es fehlt mir darin der frische Zug (...). Sollte es Dir, der Du doch oft Sätze lange mit Dir herum trägst, nicht gelingen daran zu ändern?“ Finanziell unterstützt Brahms sie, gegen ihre heftigen Proteste, ganz selbstlos, als Clara nach dem Tod Ferdinands die Fürsorge für die sechs Enkelkinder übernimmt. Umgekehrt kümmert sie sich – vom Vater geschäftstüchtig erzogen – um die Anlage seiner Wertpapiere. © Robert-Schumann-Haus Zwickau © Robert-Schumann-Haus Am wichtigsten ist ihr stets der musikalische Austausch, den sie nach dem Tod Schumanns bei Menschen wie Brahms und Joachim in ähnlicher Tiefe findet, ohne deren „künstleri- sche Anregung“ sie nicht habe weiterleben können. Und in der Endenicher Zeit Roberts, bei einer ersten Reise nach Berlin, kurz nach der oachim und Clara Schumann, Gemälde von Adolph von Menzel, 1854 Menzel, von Adolph von Gemälde Schumann, Clara und J oachim J oseph Geburt Felix’, schreibt sie: „Auch zu ihm (Joachim) fühle ich das tiefste Vertrauen, sein Gemüt, sein Empfinden ist so zart, daß er mein leisestes, zartestes Empfinden gleich ver- steht. Diese zwei Freunde, wie sind sie so recht für Robert geschaffen – er kennt sie noch nicht, wie ich! erst im Unglück lernt man seine Freunde kennen.“ Die Romanzen op. 22 schrieb Clara für Joseph Joachim („Auf das was kommt, kannst Du Dich ungeniert freuen!“) und später nahmen sie sie in ihr gemeinsames Repertoire auf. Mit dem „Posaunenengel“ Joseph Joachim, wie Mendelssohn den jungen begabten Vio- Der König von Hannover, so Joachim, war über diese wohl ganz in Extase geraten und kön- linisten nannte, („Der Posaunenengel hat für sein Instrument kein Konservatorium mehr ne „die Zeit kaum wiedererwarten, solch herrlichen Göttergenuß“ nochmal zu erleben.In nötig, überhaupt keinen Lehrer im Violinspiel“) kam Clara 1842 in Kontakt, verfolgte seine Claras zweiter Berliner Periode werden sich Joachim und sie in der im Berliner Tiergarten junge Laufbahn („Der kleine Joachim gefiel sehr“) und es entwickelte sich eine Freund- gelegenen Straße In den Zelten, die in dieser Form leider nicht mehr existiert, direkt ge- schaft, die 40 Jahre dauern sollte. „Jedoch nicht allein als Künstler haben wir Joachim er- genüber wohnen. kannt, sondern auch als liebenswürdigen, echt bescheidenen Menschen. Er hat eine Natur, die, um genau gekannt zu sein, eines nähern und längern Umgangs bedarf, wie das eigentlich Viele ihrer Freunde waren auch ihre Kollegen, deren Werdegang sie unterstützte und ge- wohl bei allen ausgezeichneten Menschen der Fall ist“, schreibt sie 1853 in ihrem Tagebuch. nau verfolgte. Mit dem Sänger Julius Stockhausen, einem Schüler Pauline Viardot-Garcias, In 238 Konzerten trat Clara mit Joachim gemeinsam auf – so viel wie mit keinem anderen gab sie sehr viele Konzerte. Auf seine Initiative ist es zurückzuführen, dass Zyklen wie Die Künstler – und die Art ihrer Programme ist wegweisend geworden für die Konzertprogramm- Winterreise und auch die Zyklen Schumanns als Ganzes, statt, wie damals üblich, nur einige gestaltung, wie wir sie heutzutage kennen. „Bonbons“ daraus, aufgeführt wurden. Bei einer ihrer gemeinsamen Soireen in Berlin Ende 1854 entstand das Bild Adolph von Men- Clara beschreibt seine Qualitäten ganz genau. „Stockhausen sahen wir einige Male (…) zels, das auf dem Titel dieses Programmheftes abgebildet ist. Die Engländer verstehen ihn nicht, können es auch nicht, da sie nicht Deutsch verstehen und seine ganz besondere Kunst (…), wie Vortrag deutscher Lieder, nicht schätzen kön- Clara vermeldet dazu in ihrem Tagebuch: „sehr besucht – unerhört für diese ungünstige Zeit nen. Überhaupt aber beurteilen sie den Gesang ganz anders als wir; sie verlangen Stimme (so kurz vor Weihnachten)! herrliches Programm, nur Bach, Beethoven und Robert. Joachim und Schule (…), haben auch gern Wärme im Vortrag; aber wir in Deutschland wollen bei war so innig beglückt, dass wir Robert mit diesen beiden ausschließlich zusammengebracht; dem allen noch Vergeistigung, wie eben Stockhausen sie gibt.“ Stockhausen selbst – groß- ich war auch recht selig dabei. Joachim spielte ganz herrlich.“ geworden im Elsass, wo Goethe, Schiller, Bach und Schubert mehr oder weniger verbo- ten waren – meint zu seiner Erziehung: „Von Frau Schumann, Joachim, Brahms und Kirch- ner habe ich mehr gelernt als von allen Andern. In Frankreich wurde ich gelehrt, daß der

42 43 Mensch nichts (...) ohne den Zustand der Gnade vollbringen könne, nur Eines, das Seelen- V doppelgängerkonzert mit schwärmbriefen heil sei wichtig, Künste und alles Schöne nur Verblendung. Ich mußte dies 1851 beichten!“ Dialoge in Wort und Musik Die Tochter Eugenie erinnert sich, wie er sich bei Aufführungen der Schönen Müllerin mit „Ich hört ein Bächlein rauschen“ „für ewig in ihr Kinderherz“ hineinsang. „Es singt gewaltig in mir, aber ich kann es nicht zu Papier bringen“ (Clara Schumann)

Von Bedeutung sind ebenfalls einige lebenslange Freundschaften mit Sängerin- „Meine liebe Clara, (...) ich weiß nicht wer mir verwehren könnte, Dir noch einmal soviel zu nen, so z.B. Pauline Garcia-Viardot, Livia Freege (der Clara ihre Jucunde-Lie- schreiben, als Du mir. Am liebsten möchte ich es mit Musik – denn das ist doch die Freun- der widmet), Wilhelmine Schroeder-Devrient, Jenny Lind, Amalia Joachim u. a. din, die alles am Besten ausrichtet, was innen steht“. Für das Singen und die Tiefe an Empfindung, die es braucht, hat Clara vonK ind an – sicher- lich durch Zutun von Vater Wieck – ein feines Gespür. Auch im Ehetagebuch wird erörtert, Etwa 20.000 Briefe des Künstlerpaares sind erhalten geblieben ob das „Gemüth“, das beim Deutschen Lied unentbehrlich ist, ausreichend vorhanden war. (und noch immer werden neue entdeckt), von denen die „Von Roberts Liedern sang sie einige, doch scheint mir, zu Deutschen Liedern fehlt ihr eine schönsten aus der Zeit des von Wieck auferlegten, fast tiefe Regung, ein inniges Erfassen des Textes, ich kann mich darüber gar nicht so ausspre- dreijährigen Schweigegebots stammen. Der Vater hatte chen, es ist etwas, das ich nicht zu benennen weiß. Es drängte sich mir dasselbe Gefühl der noch minderjährigen Clara jeden Kontakt mit ihrem auf, als ich von Pauline Garcia das Gretchen von Schubert hörte, was sie mehr nach Effect Geliebten untersagt und so mussten Clara und Robert ihre haschend vortrug, als mit dieser inneren Gluth, wie diese Worte, sowie Schuberts Musik es Hochzeit, die schließlich einen Tag vor Claras Geburtstag rnst Rietschel, 1846, Gipsabgus 1846, Rietschel, rnst so herrlich aussprechen.“ bei Leipzig stattfand, vor Gericht erstreiten. Nach einer Mit manchen dieser Sänger*innen trat sie auch auf, häufig aber überließ sie das Begleiten anderthalbjährigen Periode tatsächlichen Schweigens wurde einer Sängerin innerhalb eines Programmes anderen Pianist*innen. der Austausch von Gedanken, Worten und Musik fortgeführt: E von Relief mit Hilfe der Nanny und eines gemeinsamen Freundes wurden Briefe und Botschaften Das gespaltene Verhältnis zu Franz Liszt durchwandert einige Stadien der Bewunderung und verschickt, in Nachtstunden geschrieben, verborgen vor Papa Wieck, in fremder Abneigung. Steht er zu Anfang laut Clara „einzig da“, erregt er „Schrecken und Staunen“, so Handschrift oder unter falschem Absender. Und nicht zuletzt gab es Gespräche in Musik! wird später sein „Flitterwesen“ kritisiert und es kommt zu einigen hochinteressanten Be- Gab es vor der väterlich verordneten Schweigezeit schon Widmungen und gegenseitige gegnungen. „Liszt mag spielen wie er will, geistvoll ist es immer“, sagt das Tagebuch später, Zitate ihrer beider Kompositionen – so wurde der musikalische Dialog nun umso intensiver „aber geschmacklos sind seine Compositionen“, die sie „nicht anders als schauderhaft“ nen- und die Musik zu einer Sprache, in der die beiden Liebenden sich ungestört unterhalten nen kann. konnten und in der die einander zugespielten Melodien und Motive als heimliche Botschaften dienten. Mit dem Dirigenten Hermann Levi verband sie eine Familienfreundschaft. „Einmal brachte Levi“, so Eugenie Schumann, ‚Schufterle’, einen großen Bernhardiner, mit. Es war bei ei- Während der Ehe komponierte Clara kaum noch - bei zehn Schwangerschaften und einem ner festlichen Gelegenheit und wir tranken Champagner, den alle Schumanns sehr lieben. ständig komponierenden Mann, der „Lärm“ beziehungsweise andere Musik im Haus nicht Levi war in ausgelassener Stimmung und hielt plötzlich dem Hund das gefüllte Glas hin, wohl ertragen konnte, kaum möglich. Lediglich zu Festtagen, an Weihnachten und an Geburts- in der Meinung, er werde sich entrüstet abwenden, aber oha! Mein Schufterle wußte es bes- tagen wurde von ihr komponiert, geschwärmt, gewidmet und wie in alten Zeiten wieder in ser; begierig schlürfte er das prikkelnde Naß, und trotz des wiederholten „Aber Levi! Aber Themen gegenseitig zitiert. Levi!“ der Mutter (Clara Schumann) ließ dieser den Hund das Glas austrinken.“ Von diesen musikalischen Dialogen werden, im Wechsel mit den wunderbaren Briefen, in dem Schwärmkonzert einige zu hören sein. Wie viele dieser versteckten Botschaften wer- den uns Zuhörern auch nach 200 Jahren der Forschung noch entgehen ...?

„Was ist Clara für ein Wesen!“, schreibt Robert in seinem Tagebuch. „Gewiss sprach sie am geistreichsten von uns allen – kaum drey Schuh hoch liegt ihr Herz schon in einer Entwicklung, vor der mir bangt“, und: „Ach nein, aber Geschichten, sagt sie, Geschichten das ist mein Leben; wenn ich abends zu Bette gehen will, wie nehme ich mir vor, nur noch eine zu lesen, dann noch eine, aber nun die letzte, aber noch eine - bis die Mutter zankt und das Licht auslöscht.“

44 45 Wen wundert’s da, dass dieser geist- und fantasiereiche junge Mann, der 1830 im Hause Im zweiten musikalischen Dialog des Programms entnehmen Florestan und Eusebius Claras Wieck Einzug hielt, die junge Geschichtenliebhaberin für sich einnahm mit seinen Räuber- Scène Fantastique op. 5 Nr. 4, „Le Ballet de Revenants“, die Quintenfigur und lassen sie im geschichten und selbsterfundenen Märchen, mit seinen Doppelgänger-Erfindungen und 1. Satz ihrer der Davidsbündlerin Clara gewidmeten fis-Moll Sonate als reine Quinte wieder nicht zuletzt mit seinen Spielen und Gespensterverkleidungen für die Kinder. Zwei Seelen- auftauchen. verwandte hatten sich gefunden – Doppelgänger, wie Clara und Robert meinten.

Als Clara ihn um Variationen über ihr ihm gewidmetes nach Rittern und Jungfrauen klin- Clara: Scène Fantastique op. 5 Nr. 4 gendes Thema op. 3 bittet, da beginnt Roberts Antwort mit der Kadenz aus ihrem os- tinaten Bass. „Abends riss ich mit Clara (Wieck) sechs Bacchische Fugen ab“, sagt sein Tagebuch (beachte die Schreibweise mit doppeltem c!), „vierhändig à vista prima (…) und als ich nach Haus kam gegen neun Uhr setzte ich mich ans Clavier und mir war’s, als kämen lauter Blumen und Götter aus den Fingern hervor, so strömte der Gedanke auch fort. Das war der Gedanke C-F-G-C.“

Clara: Romance Variée op. 3

Robert: Sonate op. 11, 1. Satz

Robert: Impromptus op. 5

Das schnelle Motiv in der Bassfigur weist hier Ähnlichkeit mit Schumanns „Fandan- go“-Thema auf, über das er berichtet: „Am Clavier kam der Fandangogedanke über mich – da war ich ungemein glücklich.“ (Der 2. Satz von dieser fis-Moll Sonate, „Aria“, ist mit dem 2. Satz des im Abendkonzert Zu diesem ostinaten – tatsächlich dem einer Bach´schen Fuge ähnlichen – Bass gesellt sich erklingenden Klavierkonzertes der 16-jährigen Clara verwandt (genauso wie mit Roberts Claras Thema hinzu, ganz so wie es in einer Tagebucheintragung vom Abend zuvor heißt: frühen Kernerliedern „An Anna“ und „Im Herbste“) und Clara wird das Thema in ihrem „Du aber, Fantasie, gib der Fuge schwesterlich die Hand!“ Lied „Ich stand in dunklen Träumen“ später wiederholen.)

46 47 Das Eröffnungsmotiv seiner Davidsbündlertänze entnimmt Schumann der Mazurka op. 6 „Weißt Du was mir das Liebste von Dir ist – Dein Notturno in F-Dur im sechsachteltact. Nr. 5 seiner Clara: Was dachtest Du dabei? Schwermüthig ist es hinlänglich, mein ich“, schreibt Schumann im Februar 1838, kurz bevor er seine Phantasie beendet.

Clara: Notturno op. 6 Nr. 2

Da sind die Davidsbündler, ein Kreis lebender, toter und fiktiver Künstler, mit denen sich Schumann tatsächlich wie gedanklich austauscht und umgibt, auch schon längst gebo- ren: Mit Florestan und Eusebius verkörpern zwei erfundene Kunstgestalten Jean Paulscher Machart die teils widerstreitenden, unterschiedlichen Teile seiner Künstlerseele – sei es literarisch in seiner Neuen Zeitung für Musik oder musikalisch als Motive und Themen in Schumanns Kompositionen: Florestan, der Extrovertierte, stürmisch nach oben fliegend (vgl. Papillons, Anfang op. 21 Nr. 8 sowie auch Claras „Walzer“ und ihr op. 2 u.a.). Und Eusebius, der Dichter der beiden, besinnlich still in schönen Umspielungen, seufzenden Motiven und eher absteigenden Figu- ren. Clara tritt im Davidsbund meist unter dem Namen „Chiara“ oder „Zilia“ in Erscheinung. „Buchstabenstapeleien“, das Spielen mit Noten als Buchstaben, sagte Schumann, mache er so viel wie niemand seit Bach. So erkennen wir Claras Motiv C-H-A -A (Chiara) nicht nur im Klavierkonzert, sondern auch in vielen anderen seiner Werke. Im Trio seiner Novelette op. 21 Nr. 8 erscheint dieses Notturno Claras, von Schumann als „Stimm aus der Fern“ bezeichnet: Abgesehen von diesem Buchstabenmotiv und der puren fallenden Quinte scheint das An- fangsthema von Claras Notturno in F (aus op. 6) zu einem bedeutenden Clara-Motiv zu werden: Eine seufzend absteigende Figur von einer Quinte oder sogar mehr, die in Roberts Phantasie op. 17 „Eine tiefe Klage um Dich“ gleich zu hören ist:

48 49 Auch im „Andantino de Clara Wieck“ aus der Sonate op. 14 findet man dieses „Clara-The- ma“ wieder und schnell und leidenschaftlich im Anfangsmotiv der Sonate op. 22, über das Clara wiederum gerne „fantasiert“:

Viel später, und ganz kostbar, erklingt es noch einmal wieder in op. 90 im Lied „Meine ... zu Heinrich Heines melancholischem Text in einem langsamen Tempo auf: Rose“ (Lenau):

Ihre für den weihnachtlichen Gabentisch 1841 angefangene und im Januar 1842 been- dete Sonate, aus der das Rondo stammt, hat Clara nie veröffentlicht. Von Clara selbst wird dieses absteigende „Clara-Motiv“ nochmal in der zweiten Romanze aus op. 11 verwendet. „Für Dich habe ich schon seit längerer Zeit eine Romanze angefan- In op. 20, 1853 komponiert zu Schumanns letztem gemeinsam erlebten Geburtstag, gen, und es singt ganz gewaltig in mir, kanns aber nicht zu Papier bringen“, schreibt sie lässt Clara am Schluss das Thema aus ihren ersten Robert gewidmeten Jugend-Roman- im Sommer 1838 an Robert. Auch in dem später von ihr in op. 20 variierten Albumblatt zen op. 3 versteckt im Bass noch einmal aufklingen: Schumanns taucht es auf.

In dem Hochzeits- und „Liederjahr“ 1840 wurde ebenfalls gegenseitig zitiert, wie hier in der bebenden Begleitfigur aus „Frühlingsnacht“ in Claras „Liebeszauber“ (deren Melo- die übrigens dem Lied „Liebesbotschaft“ Schumanns ähnelt) zu hören ist. In dem Lied „Er ist gekommen in Sturm und Regen“ ist die Melodie von „Liebeszauber“ noch einmal versteckt und das Lied basiert auf Claras eigenem Scherzo op. 14, das wiederum das Nachspiel von „An meinem Herzen, an meiner Brust“ aus Schumanns „Frauenliebe und -leben“ in sich birgt.

„Das Gelungenste, was sie bis jetzt überhaupt geschrieben hat“ meinte Robert zu den Ein Zufall oder ein Kreis, der sich schloss, bevor Schumann im nächsten Jahr in Ende- ihm im Juni 1842 zum Geburtstag geschenkten Liedern „Liebeszauber“ und „Sie liebten nich sein sollte, wo er in einer Nervenanstalt seine letzten Lebensjahre verbrachte? sich beide“. In letzterem Lied „Sie liebten sich beide“, besonders in der 2. Fassung, Es sollten mehr als zwei Jahre werden, in denen ihnen erneut der Kontakt verboten greift Clara das leidenschaftlich-schnelle Thema ihres Rondos ... wurde.

50 51 vi hotel de russie – unter den linden Historisches Konzert

„Oh, herabgesunkene Menschheit!“ seufzt die 17-Jährige ihrem Tagebuch. „Concert. un- geheuer voll. (...) Zu beiden Seiten des Saales sitzen zwei Herren und fangen allemal an zu husten, wenn eine piano Stelle kommt, damit das Publikum nichts davon hören soll. – Ich spielte auf dem neuen Flügel, welcher erst vor einigen Tagen angekommen war.“

Von den Berlinern und ihren Manieren sind weder Wieck noch Clara besonders ange- tan. So heißt es einen Tag nach ihrer An- kunft „in dem prachtvollen Berlin“ im Tage- buch: „Wir sind in Berlin gleich mit Prügel empfangen worden, indem ich nemlich beim (Table +) Tisch vom Kellner eine Ohr- feige bekam. Wie soll das enden? –“. Das „Absteigequartier im Hotel de Russie“ Un- ter den Linden bezeichnet Wieck als „theu- re Schule – schlechte und mißmutige Be- dienung – ein Diminitivum von einem Cotelett, mit dem Knochen noch kein Bissen – dafür ein Portier, der den ganzen Tag frißt –“. Und dass die Nanny das Frühstück jeden Morgen beim Bäcker holen gehen muss, findet der Vater unerhört.

Zum Anfang ihrer Tournee hatte Clara im Opernhaus (der heutigen Staatsoper Unter den Linden) ihr Klavierkonzert op. 7 zur Aufführung gebracht. Darauf folgte eine Reihe von Vater Wieck veranstalteten Soireen in kleineren Sälen in verschiedensten Besetzungen (siehe „III Clara in Berlin“). Zusätzlich beeinflusst wurde die Organisation durch zwischen- menschliche Befindlichkeiten, über die sowohl Clara als auch Friedrich Wieck berichten. So wurde ein Quartett, das zu viele Freikarten verlangte, von Wieck kurz vor Beginn des Konzertes mit dem Satz abserviert: „nein, nun will ich nicht, meine Tochter ist selbst Or- chester genug“.

„Alles schreit nach dem Schauspielhause“, aber weil andere kleinere Spielstätten gewisse Vorteile bieten, heißt es dann kurz vor dem Konzert vom 1. März 1837: „Wir stehen groß da im Hotel de Russie!!“ Der Entscheidung für den Saal des Hotels mit ihren 350 Sitzen waren einige Auseinan- dersetzungen Wiecks mit den Berliner Ämtern und ihren Preußischen Gepflogenheiten vorausgegangen: „Die Vorbereitungen zur Soiree und die Schwierigkeiten mit der Polizei sind unerhört. Fünf Mal muß eine Anzeige die Censur passieren. Großes Concert ist hier gar nicht zu geben denn das würde ein halbes Menschenleben kosten“.

Die Wahl eines Klavieres für das Konzert ist einfach, ... BITTE WEITERLESEN AUF SEITE 55 Original Konzertprogramm 1. März 1837 © Robert-Schumann-Haus Zwickau Abb.: Bauakademie von der Schlossbrücke aus gesehen, Zeichnung von Ludwig Eduard Lütke 1840, Seitenränder beschnitten. Das Hotel de Russie ist am rechten Bildrand zu sehen. Architekturmuseum TU Berlin, Inv. Nr. 51059)

52 53 Berichte von der Berlin-Tournee Februar bis März 1837 ... denn Clara spielt stets auf Instrumenten aus dem väterlichen Geschäft: Tomascheck-Flü- gel mit Wiener Mechanik. Da Wieck die Tournee neben der Vermarktung und Förderung der Clara im Tagebuch am 11. März: Tochter auch zum Handeln mit seinen Instrumenten nutzt, muß nach Verkauf eines Flügels „Ich spielte auf dem neuen Flügel, welcher erst vor einigen Tagen angekommen war. Er gefiel nicht sosehr wie der jeweils ein neues Instrument angeliefert werden, an das Clara sich dann neu gewöhnen Andere, ist aber doch schöner besonders der Diskant. Keiner von den Klavierspielern war da, denn die können es muss. vor Neid nicht aushalten. Rellstab und noch viele gingen nach der Sonate von Beethoven fort, denn die Hitze war unerhört, so daß mehrere ohnmächtig wurden. Man hatte zu spät eingeheizt und nun war der Ofen noch zu heis.“ Das Programm des Konzertes ergibt sich, wie üblich, aus den örtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten und muss, vor allem was das Begleitprogramm betrifft, abhängig von Wieck an seine Frau „Tinchen“: dem Dienst der jeweiligen Mitwirkenden an Hof und Oper gestaltet werden. So wirken bei „Ein Instrument ist verkauft nach Stargard in Pommern. Der dortige Musiklehrer Weber ist besonders 20 Meilen dem Programm vom 1. März nach einer spontanen Umdisponierung, in deren Zuge Vater weit daher gekommen, um auch von Chopin u. Bach zu hören. Schicke mir sogleich den Mahagony-Tomaschek Wieck binnen zwei Stunden sämtliche Programmzettel umdrucken lassen muss, Eduard wieder durch Freigang (quer über) 18 RL pro Centner. Hier sind große Geschäfte zu machen (...). Tomaschek wird Mantius, „1. Tenorist an der Königlichen Oper“, sein Kollege Bötticher und der Schauspie- doch schicken?“ ler des Hoftheaters Franz Wilhelm Grua mit. „Gestern musste ich die Zettel umdrucken lassen, morgen ist Ali Baba im Opernhause, Ziesche, Bader (…), alle mussten es absagen“ Clara im Tagebuch: schreibt Wieck an seine Frau. „In 2 Stunden war ein anderer Zettel fertig (Kind, bin ich in „D. 16ten spielte ich im Opernhaus. Der Beifall war sehr groß (…) Auf der Bühne herrschte große Unordnung, den Droschken herumgesprengt), alles kam uns entgegen, unser herrlicher lieber Ziesche keinen Herrn, der mich herausführen sollte. Die Theaterdiener sind in der Probe nicht da um das Stellen des Flügels hat sich beinahe die Beine abgelaufen – es singen Mantius, Bötticher, und Grua deklamiert auszuprobiren und stellen ihn ganz falsch und schief. Das Wachs ist in Haufen in das Clavier gefallen, denn der Zug u. Taubert – will nicht accompagnieren oder kann vielmehr nicht – nun, dann thut es ein ist unerhört auf diesem Theater. Der König selbst (…) hat mir zugeklatscht.“ anderer oder – Clara.“ (Gesangseinlagen wurden meist nicht von der Solistin begleitet.)

Wieck an seine Frau: Hinter den Kulissen des Konzerts geht es jedoch nicht ganz spannungsfrei zu: „Herr Böt- „Clara hat also gestern in dem Möserschen Concert vor einem schleußlich u. teuflisch zusammengetrommeltes ticher ist ungeheuer grob, daß kein Wagen gekommen was hier gar nicht gebräuchlich, da Publikum einen neuen Triumph erfochten. (…) Clara ist schon bis in alle Stände gedrungen u. alle sagen: sie könnte jeder Sänger sich selbst einen ‚Wagen’ besorgt. Der Vater mußte während ich spielte für einen ganzen Winter durchspielen, so würde sie immer noch nicht fertig sein. (…) In der Staatszeitung bin ich ihn eine Schuhbürste besorgen und eine Droschke holen lassen damit er gleich wieder fort erwähnt u. das schöne Klavier.“ könnte.“ Die anderen beiden Mitwirkenden, der Tenorist Eduard Mantius und der Schau- spieler Wilhelm Grua hingegen helfen glücklicherweise „auf das freundlichste“. Wieck an Tinchen: „Schreibe Tomaschek sogleich, (…) daß 12 Stück von Tomaschek noch lange nicht reichen würden für meinen Zu den Solowerken des Programms vom 1. März ist Folgendes zu bemerken: Absatz diesen Sommer allein, daß er die 2 Instrumente Anfangs April je abschricken sollte. Überhaupt aber, da im Claras Aufführung der Appassionata-Sonate wird in Wien, als sie ein Jahr nach der Berliner Sommer besserer Transport, bessere u. leichtere Fabrikation sey, so möge er mir diesen Sommer so viel abschi- Tournee dort 1838 erstmalig alle drei Sätze hintereinander spielt, zur Sensation; das wird cken als möglich (…) Er solle nur ja die Instrumente ordentlich fertig machen, egalisiren, keine stumpfen Töne in dem Gedicht Franz Grillparzers „Clara Wieck und Beethoven“ bezeugt. In Berlin steht darinnen lassen und gehörig intonieren.“ noch auf dem historischen Programmzettel: „Auf Verlangen alle drei Sätze“, und vermut- lich spielte sie, wie des Öfteren, Satz 2 und 3. Clara aus Hamburg an ihre Stiefmutter: „...heute hatte ich schon wieder von neuem Angst, denn des schlechten Wetters wegen muß ich mich mit dem Das Lied ohne Worte op. 38 Nr. 3 war ein Geschenk Felix Mendelssohns an Clara im Jahre Vater in eine Droschke (die hier jedoch besser sind als in Berlin) setzen und nun in den engen Straßen Hamburgs 1835: „Für Fräulein Wieck – sehr schnell zu spielen“. Claras Aufzeichnung im Tagebuch, herumfahren. (…) In sieben Wochen war keine Sehnsucht in mir erwacht, doch hier ist es mit aller Stärke losge- nach Besuch einer Aufführung von Bachs Matthäuspassion in der Singakademie, bezeugt brochen, jetzt erst merke ich, wie sehr es mir doch in Berlin, ohngeachtet der Cabalen, gefallen.“ ihre von Robert Schumann häufig kritisierte Neigung zu schnellen Tempi: „D. 9ten in der Singacademie die Passionsmusik von Bach. Alle Tage ein Chor daraus und es wird mir ge- Ludwig Rellstab, Musikkritiker: fallen, doch die ganzen 77 Chöre im Lento und Adagio auf einmal, das hab ich noch nicht „Das Concert der Dlle. Clara Wieck, im Hotel de Russie, ist sehr glänzend ausgefallen. Sie spielte mit solchem Bei- gelernt aushalten. Nach dem ersten Teil ging ich fort.” fall Musikstücke von den verschiedensten Meistern, daß sie am Tage darauf sogleich ein neues Concert ankündigte. Am besten hat sie uns in den stärksten Gegensätzen (...) gefallen.“

54 55 Adolph Henselt besuchte Clara und Wieck kurz vor der Berlin-Tournee. Der von Schu- Beim heutigen Konzert hören Sie einen Broadwood-Flügel aus dem Jahr 1848 mit eng- mann als „gewaltiger Klavierheros“ und „Nordischer Chopin“ bezeichnete Pianist setzte lischer Mechanik. Der Broadwood ist ein schönes Beispiel zur Präsentation der Zeit um sich rasch ans Klavier und hörte nicht eher wieder auf zu spielen „als bis wir ihn daran Clara Schumann. Die englische Patentmechanik von Broadwood und die neue Stoßme- erinnerten, daß es Zeit sei auf die Post zu gehen.“ Sein Poème d’amour spielte Clara in chanik verbreitete sich 1830-1850 revolutionär in ganz Europa. Das Spielgefühl auf diesen Berlin vom Manuskript und es wurde erst 1838 veröffentlicht. Instrumenten kommt - im Gegensatz zur leichten Wiener Mechanik - dem heutigen Flügel sehr nahe. Wir finden aus dieser Zeit sehr ähnliche Instrumente, so in Schloss Branitz ein Das Schlussstück des Programms, Claras Bravour-Variationen op. 8, wurde fünf Tage vor Instrument unter dem Firmennamen Breitkopf & Härtel, das Clara für den Fürsten Pückler Beginn der Reise nach Berlin fertig komponiert. Es erweist seinem Namen Ehre, gänzlich aussuchte. in der Bravourschule der Zeit komponiert und ist „(Adolph) Henselt dedicirt“. Spontini, Wieck war eher Anhänger der Wiener Mechanik. Als Clara 1839, zwei Jahre nach der dem Clara nach Tisch in dessen Hause vorspielt, „war nach dem Spiel meiner Variationen Tournee, im Zuge des Rechtsstreites des jungen verlobten Paares gegen Wieck, alleine in (op. 8) sehr entzückt. Das war etwas nach seiner Liebhaberei. Großartigkeit, die liebt er. Berlin verweilt und Wieck jede Gelegenheit nutzt, um Claras Karriere Steine in den Weg Hervorstechende Melodie und doch Bewegung dabei“, so das Tagebuch. zu legen, wettert er gegenüber einem Freund, man möge Clara sein Instrument nicht an- vertrauen, sie sei jetzt „an die Englische Mechanik gewöhnt und zerschlüge alle anderen Claras Konzert im Hotel de Russie, genau wie ihre anderen Soireen in der Nähe der Straße Instrumente!“ Obwohl Clara selbst auch die Wiener Mechanik bevorzugte, hatte sie ab Unter den Linden und ihre Konzerte bei Hof, werden ein überwältigender Erfolg. „Clara ist 1867 einen Broadwood-Flügel in ihrem Besitz. Ein weiteres Instrument wurde der Tochter Tagesgespräch.“ Der gefürchtete Kritiker „Rellstab hat ja selbst schon die Clara als erste Julie von der Londoner Firma – zu Ehren der Mutter – sogar geschenkt. jetzt lebende Pianistin (mit einigen Aber) anerkennen müssen, denn ein Berliner enthusi- astisches Publikum ist fürchterlich und Recensenten haben auch Furcht. Tinchen, war es nicht Zeit, dass wir nach Berlin gingen, um mit einem Schlage in ganz Europa groß dazu- stehen?“

Jedoch nicht jeder gönnt Clara ihren Erfolg: Von einem eifersüchtigen Mitveranstalter wird sie während des Applauses „schleunigst von den Brettern gerissen“, und ihr Auswendig- spielen, das in der Zeit gänzlich neu war, wird von Bettina von Arnim als Zeichen großer Selbsteingenommenheit gewertet. Aber die „warmen Kennerseelen und Klavierspieler“ in- dessen „(100 Klavierspielerinnen gewiß darunter) schweinerln ordentlich vor Wonne – wie ich mannigmal“, schreibt Wieck an seine Frau.

Ein prägendes Ereignis ihrer Berlinreise war für Clara ganz bestimmt noch das Wiederse- hen mit ihrer Mutter. Nach jahrelanger Trennung trifft sie Mariane Bargiel, die nach der Ehescheidung von Friedrich Wieck im Jahr 1825 mit ihrem neuen Mann neben der Hofoper Unter den Linden lebt. „Ich besuchte gleich meine Mutter und alles war besser als ich ge- dacht“. Während der Vater in den Briefen an seine zweite Frau Clementine kein gutes Haar an Mariane Bargiel lässt, entstand zwischen Clara und der Mutter Vertrauen, das zu einer lebenslangen Verbundenheit führte.

Letzten Endes sehen die Wiecks ihrer Abreise aber erleichtert entgegen: „Übermorgen soll der Tag seyn, wo wir mit heißer Sehnsucht nach bessern Menschen und gerettet aus diesem furchtbaren Sündenpfuhl den Wagen besteigen. Ich erschrecke, was ich gethan und ausgeführt habe – acht mal zu spielen unter solchen Kämpfen mit lügenhafter Bosheit u Hinterlist, mit entsetzlicher Gemeinheit u einer Schamlosigkeit, die über alles geht.“ Und so beendet Clara die Berliner Reise: „Addio Du wunderschöne Stadt, ich muß Dich lassen, Cabale und Tod mögen hinter uns bleiben“.

56 57 5. Geburtstag: vII Die Orange und Myrthe hier „Mein Vater hatte mich unter der Bedingung mit meiner Mutter reisen lassen (die sich geschieden hatte – zu Festkonzert den Großeltern), daß ich an meinem fünften Geburtstag, den 13. September, wieder in Leipzig sein müsse, und nach vieler Mühe gelang es dem Vater ohne Gewalt zu gebrauchen (denn das Recht, mich vom fünften „Es flogen gewiß an die 150 Bouquette“ schreibt die Tochter Eugenie nach Claras Auftritt Jahre an zu besitzen, stand ihm zu), daß mich Johanne Strobel (Kindermädchen), von Altenburg abholte, bis bei der Bonner Gedächtnisfeier für Robert Schumann im Jahr 1873. Und nach dem Konzert wohin meine Mutter und Großmutter gebracht hatten.“ zu ihrem 60. Künstlerinnenjubiläum berichtet sie ihrer alten Freundin Rosalie Leser: „Ich fühlte mich an dem Tag so frisch, als wäre ich ein junges Mädchen. Alles im Künstlerzimmer 8. Geburtstag: war geschmückt mit Bäumen, kurz, so festlich wie nur möglich. (…) Und Blumen, so etwas „Du hast noch nichts von mir gelesen, da ich nur wenig schreiben kann.. Zu meinen 8. Geburtstag bin ich auch von einer Pracht habe ich nie gesehen. Wir mußten Corridor und Treppen damit besetzen, beschenkt worden, von meiner guten Bertha und von meinen guten Vater, Von meinen guter Vater hab ich denn in den Stuben war kein Platz.“ ein Wunderschönes Kleid bekommen, und von meiner Bertha hab ich ein Aschkuchen ein Pflaumkochen und ein rechten schönen Strikbeutel bekommen. Auch spilte ich ein Concert aus Es dur von Mozart.. ich habe Feiern und Festlichkeiten hat Clara ihr Leben lang genossen. Und so nahmen ihre Geburts- nicht gestokt, nur meine Kadänz wollte nicht gleich gehen, wo ich eine chromatische Tonleiter 3 Mahl spielen tage immer einen zentralen Platz in ihrem Leben ein. „Uns der geliebteste Festtag des mußte, Angst hatte ich garnicht, Das Klatschen hat mich aber verdroßen.“ Jahres“, erinnert sich die Tochter Eugenie. So werden die Geburtstagsfeste Clara Schu- manns auch heute Abend beim abschließenden Festkonzert zu ihrem 200. Geburtstag 13. Geburtstag: einen zentralen Platz einnehmen. „mein 13. Geburtstag wurde gefeiert und Dem. Müller, Rodens u Kietzens waren da wie H. Pfundt u Wenzel. Ich sollte auf dem Pfte spielen, weil es das Errath Spiel so mit sich brachte und es mir mein Vater, um mich Die Orange und Myrthe hier zu necken aufgegeben hatte, spielte ein kleines Scherzo von mir, war es zu verwundern, wenn ich es schlecht Die größte Geburtstagsüberraschung wird wohl ein heimlich ins Musikzimmer der Düssel- spielt, mehrere Male stecken blieb? So viele kleine Mädchen als Zuhörerinnen – und an mein Geburtstag dorfer Wohnung transportierter Flügel gewesen sein, den Robert Schumann seiner Ehe- Klavier spielen müssen? – Meine Mutter in Berlin schrieb mir dazu, bedankte sich für das erhaltene Bild und frau Clara zum 34. Geburtstag schenkte. Er hatte seine geliebte Clara spazieren geführt schenkte mir einen Haarring.“ und bei ihrer Heimkehr stand der neue Flügel bereit, mit einer Orange und Myrthen ge- schmückt! Dazu boten ein eigens engagierter Pianist und ein Vokalquartett Roberts frisch 16. Geburtstag, „Der berühmte 16. Geburtstag“: komponiertes „Ständchen“ dar: „(...) in der Mitte der Stube einen mit Blumen verzierten „(…) so schön ist ein Geburtstag noch nie ausgefallen als dieß Jahr. 1) bekam ich ein wollenes feines Mousse- Flügel, dahinter zwei Damen und zwei Herren, am Flügel selbst Frl. Then (eine Schülerin) linkleid (...) 4) ein kleines Crepptuch (...) 7) Ein Buch voll Balladen und Romanzen (...) zum componieren.“ Es und im Augenblick meines Eintretens fingen sie an zu singen.“ Robert hatte passend dafür waren sieben Herren, unter ihnen Schumann und Mendelssohn, zu Gast, die ihr eine, in einem „Körbchen mit das Gedicht „Die Orange und die Myrthe hier“ vertont, das 13 Jahre zuvor für die Schen- Henkel von Porzellan“ liegende „goldene Cylinder-Uhr“ schenkten. Das erwähnte Körbchen von Porzellan kung eines Flügels verfasst worden war. Die Zeilen „Und kann ich nicht immer bei Dir sein, war von Herrn Schumann allein“ (fügt Clara hinzu.). eil´ dann zum Freund (der Flügel) und denke mein“ gewinnen angesichts der Tatsache, dass „Nun denke mir meinen Heldenmuth, nämlich als es beim Champagner war, stand ich auf mit dem Glase in dies der letzte gemeinsam erlebte Geburtstag des Ehepaars sein sollte, noch einmal an der Hand. (…) und sage „Meine Herren, ich kann nicht umhin Ihnen meinen verbindlichsten Dank für das Tragweite. schöne Geschenk zu spenden.“ War das nicht schön? Die Herren können es mir noch gar nicht vergessen. Nach Tisch spielte ich Mendelssohn viel vor und auch er spielte. Dies war der berühmte 16. Geburtstag.“ Albumblatt: Liedchen von Marie und Papa Eines der beiden heute erklingenden Albumblätter – zwei Kuriositäten – ist Schumanns 18. Geburtstag: Liedchen „Gern macht‘ ich Dir heute“, das er zu Claras 33. Geburtstag auf ein selbstge- Robert Schumann an Wieck: „Es ist so einfach was ich Ihnen zu sagen habe – Eine zitternde Hand vermag die dichtetes „Verselein“ der sechsjährigen Tochter Marie während der Seekur in Schevenin- Feder nicht ruhig zu führen. (...) Es ist heute Klaras Geburtstag – der Tag an dem das Liebste, was die Welt gen komponiert: für mich hat, zum ersten Male das Licht erblickt. Achtzehn Monate lang haben Sie mich geprüft, schwer wie ein Schicksal für sich.. vielleicht gewinne ich Ihr Vertrauen wieder. Finden Sie mich dann bewährt, treu und männlich, so segnen Sie dies Seelenbündnis, dem zum höchsten Glück nichts fehlt als die elterliche Weihe. Vertrauensvoll lege ich meine Zukunft in Ihre Hand.“ Clara: „Du glaubst nicht, was ich damals an meinem 18. Geburtstag litt. Nicht nur, daß mir der Vater Deinen Brief nicht einmal zeigte, sondern er gab mir auch den nicht, den Du an mich gerichtet hattest.“

58 59 19. Geburtstag: Robert an Clara: „Nenne mich nur ein Kind, daß ich wie diese an Neujahr oder am Christabend ihren Eltern tun, mir den zierlichsten Bogen ausgelesen, an diesem schönen Tag für Dich etwas darauf zu schreiben. Geben möchte ich dir heute vieles und Dich mit Blumen überschütten und Dir die Augen zu halten und Dich fragen, ob du den Schelm wohl erräthst. Es gibt Schelme die Thränen im Auge habe an so ernstem Tage, und es gibt 19-Jährige Jungfrauen die das vom Herzengrund verstehen.“

20. Geburtstag: Emilie List an Robert Schumann: „Jetzt zum Geburtstag unserer lieben Clara. Allerdings würde sie das Bild am meisten freuen; nur fürchte ich, gibt es in Leipzig keinen ausgezeichneten Miniaturmaler, und es wäre doch ärgerlich, wenn das Neue, den zweien die sie von Ihnen hat, nicht gleich käme. (…) Über das Andere werde ich Ihnen bald schreiben; ich muß ein wenig Zeit haben um Claras Wünsche unvermerkt erforschen

zu können. Ein schwarzes seidenes Kleid wäre glaube ich unzweckmäßig, da sie schon zwei sehr schöne hat.“ Zwickau © Robert-Schumann-Haus

21. Geburtstag: Robert im Ehetagebuch (am Tag nach ihrer Hochzeit): „Den 13. feierten wir recht schön. Früh nach Grimma, „Verselein“ Maries zu L iedkomposition Schumanns Robert ganz allein bei ganz heiterem Wetter… Einstweilen haben unsre Verwandte und Freunde aufgeputzt. Klara war innig erfreut über alles. (...) Klara spielte auch recht genialisch, auch ich ein wenig. Es ging alles ganz ge- müthlich zu, blieb alles in den Schranken und war doch alles im Überfluß da.“

22. Geburtstag: „Gern macht‘ ich Dir heute Robert: „Am 1. September schenkten er (der Himmel) uns durch meine Klara ein Mädchen… Die Mutter eine kleine Freude, kam aus Berlin hinzu und am 13. September, Klara´s 22. geburtstag, ließen wir es taufen mit dem lieben Na- doch wirst du wohl zufrieden sein, men Marie. Es war viel Aufregung im Haus. Nun gestern auch die Mutter wieder nach Berlin zurückgekehrt bring‘ ich dir nur dies Verselein! ist, wird es ruhiger.“ Dir immer versüßen dein Leben 23. Geburtstag: wird ewig sein mein Streben „Der 13. war ein Tag voller Freude und Genuß. Mein Robert überraschte mich mit Vielerlei, doch die größte dir ein dankbar Herz zu weihn Freude machte mir das Geschenk seiner 3 Quartette, die er mir noch am selben Abend von David, Witt- wird niemals ich vergessen sein! mann, u.a. vorspielen ließ (…) Auch die Mutter schenkte mir ein allerliebstes Körbchen, und mein Mariechen ließ mir der Himmel wohl und munter mit einem Kränzchen entgegen kommen. Das kleine liebe Kind (…) lachte wie die Rosenknospen die sie trug.“ „Erinnerst Du Dich wohl, wenn er so zärtlich zu Dir war, wenn er sich über Deine kleinen Ge- dichte so freute und gar, wenn Du in Melodien sie sangest als kleines Kind! (...) Oft schrieb er 24. Geburtstag: die Melodien auf“, schreibt Clara kurz nach Schumanns Tod an die älteste Tochter. Robert: „Den 13.ten feierten wir recht freundlich, Klaras 24. Geburtstag. Zwei Kindlein schon? Sie kamen früh mit Blumenkränzchen an das Bett. Später Mendelssohn (…) etc. Wir musicirten einiges.“ Soirées musicales op. 6 Nr. 4 Die erstaunlich tiefgründige Ballade stammt aus den sechs Charakterstücken op. 6, die 25. Geburtstag: Robert anlässlich ihres 18. Geburtstages in der Neuen Zeitung für Musik rezensierte – „Wie Robert (Reise zum Harz): „Freitag d. 13 September – der 25.ste Geburtstag meiner guten Klara – der großen die Knospen (...) ehe sie die Farbenflügel in offener Pracht auseinander treiben“ – am glei- Blumenstrauß und der versteckte Ring, den wir nicht finden konnten – Besehen des Schlosses, das malerisch chen Geburtstag, an dem Robert in einem eindringlichen Brief an Vater Wieck nochmals liegt – die Buche im Schloßhof – dann über den Ziegenberg nach Rübeland mit theuren Forellen u. der Baum- um die Hand der Tochter anhält und um die Aufhebung des Kontaktverbots bittet. Clara anshöhle .. schauerliche ungewohnte Finsterniß.. die Felsennasen „wie sie schnarchen wie sie blasen (Göthe‘s spielte ihre Ballade 1836 Chopin vor. Er sprach sich „enthusiastisch aus u. schied gerührt Faust) – die Fremdenbücher im Harz – dann (...) zu Fuß den Brocken hinan bei günstiger Witterung – die von uns“, heißt es im Jugendtagebuch Claras.

60 61 Felsblöcke u. Bergbäche – Klaras rüstiges Aufsteigen – Ankunft ½ 7 Uhr am Brokenhaus – die letzten Strahlen Klaviertrio op. 17 der Sonne – vortrefflicher Wein“ Das Klaviertrio op. 17 beendete Clara am Vorabend ihres 27. Geburtstags und – ein typisches Beispiel eines musikalischen Dialogs in der Romantik – exakt ein Jahr später beschenkte Ro- 26. Geburtstag bert seine Frau mit der erst 2013 aus einem Privatbesitz wiederaufgetauchten Erstfassung Gedicht der zweieinhalbjährigen Elise für ihre Mutter vom Vater notiert: seines d-Moll-Trios op. 63. Claras eigene Einschätzung ihres (so wunderbaren) 4-sätzigen Trios fällt nicht besonders positiv aus: „Es sind einige hübsche Stellen in dem Trio, und wie Genieße ich glaube, ist es auch in der Form ziemlich gelungen, aber natürlich bleibt es immer Frau- Ist meine Devise enzimmerarbeit, bei denen es immer an Kraft und hie und da an Erfindung fehlt“ (Tagebuch, Elise 2. Oktober 1848). Allerdings stellt sie während des Komponierens fest: „Es geht doch nichts über das Vergnügen, selbst etwas komponiert zu haben und dann zu hören“. Felix Mendels- 31. Geburtstag: sohn war von ihren Leistungen sehr beeindruckt und der Geiger Joseph Joachim erinnert „Der heutige Geburtstag von mir war, wenn auch kein trauriger, so doch ein höchst fataler. Ich stak in sich Jahre später: „Hätte ich dafür lieber ihr Trio hören können; ich entsinne mich eines schrecklichem Trubel… Dies und so manches andere kostete mir der Tränen heute nicht wenige, besonders Fugato im letzten Satz – und daß Mendelssohn einmal (...) großen Spaß darüber hatte, daß aber kümmerte mich der Gedanke an die schrecklichen Unkosten, die dieser Umzug Robert verursacht hat… ich’s nicht glauben wollte, eine Frau könne so etwas komponieren, so ernst und tüchtig!“ Noch nie haben mich die materiellen Sorgen so gequält wie jetzt, dazu der Umstand, daß ich nichts verdiene ..kurz, wir haben eine schlimme Zeit durchzumachen..“ Albumblatt: Also blus das Alphorn heut Johannes Brahms gratulierte Clara Schumann zum 49. Geburtstag mit einer musikalischen 33. Geburtstag: Postkarte: „Also blus das Alphorn heut“. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich die beiden Robert: „Reise nach Scheveningen. d. 12. Sept. Unser 12. jähriger Hochzeitstag, Klara immer beßer. Die See Freunde gerade in einem etwas angespannten Verhältnis, da Brahms Clara geraten hatte, in größter Bewegung, wie ich noch nie gesehen. Der Kinder Geburtstagsgedicht‘chen u. meine Composition. mit dem Konzertieren etwas zurückzutreten. So setzt er ein Zeichen und grüßt seine alte Montag, d. 13. Sept. Klara´s 33.er Geburtstag (...) Nach dem Seebad (d. 29.sten) sehr schlechtes Befinden u. Gefährtin mit diesem frisch notierten, gerade in einem Schweizer Bergtal vernommenen Si- Anfall von Nervenschwindel (...) Spät am Abend mit den Kindern noch am Strand.“ (Gedicht Marie u. Com- gnal eines Alphorns. Das Motiv wird später das Thema des IV. Satzes seiner 1. Sinfonie bilden. position Roberts „Gern schenkt ich Dir heute“)

34. Geburtstag: Nachdem Robert ihr mitgeteilt hatte, dass er eine Hiobspost bekommen habe – ein Geschenk sei ausgeblie- ben und komme erst am nächsten Nachmittag: „Herrlicher Morgen, das wundervolle Wetter und Roberts heiteres Gesicht leuchtete ordentlich! Ich konnte mir doch gar nicht denken, was er vorhabe. Das war ein geflüßter mit Dietrich, dann lief er fort, kam wieder, kurz, es wäre ein Wunder gewesen da nicht neugierig zu werden.“ (Es folgte die Schenkung eines Flügels, „Die Orange und Myrthe hier“)

35. Geburtstag: Robert (aus Endenich geschrieben): „ Wie habe ich mich über Eure Briefe gefreut, und daß Ihr so fleißig und der Mama an ihrem Geburtstag drei Stücke aus meinen Bilder aus Osten vorgespielt. Das hat mich ganz heut“ Alphorn das blus „Also ostkarte überrascht.“ (Brahms hatte die Bilder mit den Kindern einstudiert.)

36. Geburtstag: (Robert ist in Endenich) „Johannes überraschte mich mit einer Präludie und Arie zu seiner A-moll-Suite.“ rahms’ musikalische P musikalische rahms’ Brahms: „Ich habe doch etwas zum Geburtstag oder zur Wiederkehr geschrieben.“ Clara: „Die Kinder und B Marie und Elise spielten mir Schuberts Duo in C-Dur, vortrefflich einstudiert. Joachim beschenkte mich mit Beethovens Sonate für Klavier und Violine und Fräulein Leser (die Blinde!) mit einer Arbeit von ihren Händen, Briefe erhielt ich die Menge. Kurz, es fehlte nichts, was zu einer Geburtstagsfeier gehört, und doch an alles Hoch aufm Berg, tief im Thal, in Ihm!“ grüß ich dich viel tausend mal!

62 63 40. Geburtstag: Liebesfrühling op. 37 Brahms an Clara: „Ich muß Dir doch, herzliebe Clara, mit meinem besten Glückwunsch auch einige Noten „O thu’ es Klärchen!“, fordert Schumann seine Ehefrau zur Komposition einiger Lieder für zum 13. September schicken. Möchtest Du recht Schönes und Liebes heraushören; ich denke, ein treues die Herausgabe eines gemeinsamen Liederheftes „Liebesfrühling“ auf. Clara tut sich mit Gemüt und ein liebewarmes Herz kann in Tönen klingen. So laß denn die Musik reden, und gib den Gedanken der Umsetzung zunächst schwer: „Ich habe mich schon einige Mal an die mir von Robert Abschied. Habe mich lieb!“ aufgezeichneten Gedichte von Rückert gemacht, doch es will gar nicht gehen – ich habe Clara an Brahms: „Wie innig erfreut hat mich Dein Geburtstagsgruß, liebster Johannes, der mir noch am gar kein Talent zur Composition!“ Und Robert, der schon an dem Liebesfrühling gearbei- Abend des 13.ten, als ich allein am Fenster sitzend der untergehende Sonne nachsah, kam. Der Himmel voll tet hat, schreibt dem Verleger: „Haben Sie Lust, das Heft bis Anfang September an das wundersüßer Harmonien, die Du mir sandtest -“ Licht zu fördern ...? Meiner Frau wegen, die ich damit überraschen möchte, wünschte ich übrigens, daß die Sache unter uns bliebe“. Zwei Monate später schreibt Clara wieder: 41. Geburtstag: „Mit dem Componieren will’s nun gar nicht gehen – ich möchte mich manchmal an meinen Brahms an Clara: „Den innigsten Gruß sende ich Dir zum Geburtstage (…) Ich hatte gehofft, Dir einen recht dummen Kopf schlagen!“ Später aber: „Ich habe (...) vier Gedichte von Rückert für meinen schönen musikalischen Gruß schicken zu können. Nun, da haben wir nicht allein die Macht, da reden die lieben Robert zu Stande gebracht. Möchten sie mir nur einigermaßen genügen, dann ist Götter auch ein Wort mit: so mußt Du denn jede Note mit doppelter Liebe ansehen, die macht alles gut.“ mein Wusch erfüllt.“ Über dieses Geschenk Claras zu seinem Geburtstag am 8. Juni 1841 freut er sich sehr. Dass dies kleine Meisterwerke einer Frau sind, die sehr wohl Talent, aber Clara an Sohn Felix: „Mein liebes Lixemännchen, Du hast mir ja ein allerliebstes Briefchen zu meinem Ge- schlicht keine Übung im Komponieren hatte, ist an ihren drei in op. 37 zu Druck gebrachten burtstag geschickt! Aber allein geschrieben hast Du es wohl nicht?.. Daß Du nun eine Geige hast, freut mich. Liedern zu hören, die in einem Heft gemeinsam mit Roberts Liedern und Duetten pünkt- Wie heißt denn der Ton den Du darauf gespielt hast? ..Hast Du denn einen Sack für die Geige? Sei ja recht lich zu ihrem 22. Geburtstag erschienen. vorsichtig damit, denn so eine Geige ist kein Spielzeug. Nun, lebe Wohl, Du lieber kleiner Musikant. (…) Denke recht viel an Deine Dich küssende Mutter Klara“ Klavierkonzert op. 7 An ihrem Klavierkonzert op. 7, das am 9. November 1835 im Leipziger Gewandhaus unter 45. Geburtstag: Felix Mendelssohn Bartholdy erstmalig zur Aufführung kam, fing Clara Wieck schon mit 14 13. September 1864 – Konzert in Baden-Baden Jahren zu komponieren an. Im November 1833 steht im Jugendtagebuch: „Den 22. bin ich Maison de Conversation, Grand Concert des Orchesters des Hoftheaters Karlsruhe. mit meinem Concert fertig geworden und Schumann will es nun instrumentieren, damit Mitwirkende: Pauline Viardot, J. hauser: Ed. Singer (Vl.), J. Pohl (Harfe), Ltg.: Kalliwoda ich es in meinem Concerte spielen kann“. Es handelt sich hier um den „Concertsatz“, der Beethoven, Rossini, Weber (Concertstück für Pfte. und Orch.), Schumann aus Faustszenen, Paganini, Schu- später zum 3. Satz ihres Klavierkonzertes wird und den sie im Mai 1834 in Leipzig spielt. mann (Andante), Chopin (Scherzo), Gluck, Vieuxtemps, Mendelssohn In der Staatsbibliothek zu Berlin befindet sich die Partitur in Schumanns Handschrift mit der Aufschrift: „Concertsatz von Clara, meine Instrumentation“. Die ersten beiden Sätze 47. Geburtstag: entstehen später und diese instrumentiert sie selbst. Wenn sie Schumann in einem Brief „Meinen Geburtstag feierten wir heute so froh, wie es unter den mir jetzt so vielfach obliegenden Sorgen vom 1. September 1835 erklärt, warum sie so wenig an der frischen Luft sei, heißt es: „Die möglich war. Die Kinder hatten mich alle reizend und practisch zugleich beschenkt und Johannes uns am frü- Ursache davon ist mein großer Fleiß. Sie werden lächeln, doch es ist wahr. 1. Habe ich hen Morgen durch den humoristischen Gedanken, kleine bunt gemalte Carricaturen an der Wand zerstreut meine Partitur beendigt; 2. die Stimmen alle selbst ausgeschrieben, und das in zwei Tagen; aufzukleben, was er am Abend zuvor so geschickt bewerkstelligt, daß ich es gar nicht gemerkt, sehr belustigt; (…). Das Conzert habe ich angefangen zu instrumentieren, abgeschrieben hab’ ich es aber überhaupt war er den ganzen Tag liebenswürdig, wie er es jetzt fast immer ist.“ noch nicht. Das Tutti habe ich ein wenig geändert.“ An Elise: „Herzlichen Dank.. für das reizende Geschenk, das ich viel zu schön finde, um es unter den Tisch zu stellen; ich stelle es jeden Tag neben den Tisch, um es recht hübsch zu sehen, und immer aber stellt Helene Originell in ihrem Konzert ist, dass Clara von den klassischen inneren Strukturen abweicht den Korb aus alter Gewohnheit unter den Tisch.“ Ich küsse Dich innigst dafür!“ und die Sätze nahtlos ineinander übergehen lässt. Das Thema vom 2. Satz – eine Roman- ze, die ein wunderschönes Duett zwischen Klavier und Solo-Cello enthält – weist starke 49. Geburtstag: Verwandtschaft mit dem 2. Satz „Aria“ aus der etwa gleichzeitig entstandenen, ihr von Brahms an Clara: Postkarte „Hoch auf‘m Berg, tief ins Tal, grüß‘ ich dich viel tausendmal!“ (Alphorn, später Florestan und Eusebius gewidmeten, fis-Moll Sonate Schumanns op. 11 auf (und ebenso mit Thema in der 1. Sinfonie) dem 2. Thema vom 1. Satz). Dieses sehr gesangliche Thema stammt aus Schumanns bereits 1828 komponierten vier Kerner-Liedern „An Anna“ und dem Lied „Im Herbste“. Clara greift die Melodie später selbst wiederum auf in ihrem Lied „Ich stand in dunklen Träumen“.

64 65 52. Geburtstag: Schumann rezensiert ihr Klavierkonzert in seinem vierten Schwarmbrief „An Chiara“ in der „Es war ein recht heiterer Tag, Grimms, die so höchst gemüthlich sind und Johannes.. feierte mit uns, Nach- Neuen Zeitung für Musik: „Ich sah oft Kähne kühn über den Wellen schweben, und nur ein mittags kam auch Levi und Allgayer und so war nur Eines was mir die Feier in etwas trübte, das war, daß die Meistergriff am Steuer, ein straff gezogenes Segel fehlte, dass sie so siegend und schnell arme Marie (älteste Tochter) so viel im Hause zu thun hatte, wie denn überhaupt all die Zeit (…) daß ich ganz als sicher die Wogen durchschnitten: So hört ich hier Gedanken, die oft nicht die rech- in Verzweiflung bin und immer Angst habe, sie übernimmt sich. Wir haben keine Köchin, nur ein Mädchen ten Dolmetscher gewählt hatten, um in ihrer ganzen Schöne zu glänzen, aber der feurige das kommt und kocht und einige Male eine Köchfrau, die aber auch nicht besonders kocht. Alles Besondere Geist, der sie trieb, und die Sehnsucht, die sie steuerte, strömte sie endlich sicher zum macht Marie selbst.“ Ziel.“ Auch wenn Schumann sich hier teilweise kritisch äußert, ist das Werk eine erstaun- liche Leistung für ein 14- bis 15-jähriges Mädchen. 54. Geburtstag: Clara an Brahms: „Felix hatte zu meinem Geburtstag einen kleinen Schwank gemacht, den sie aufführen In Berlin spielte Clara ihr Klavierkonzert in der Königlichen Oper Unter den Linden beim wollten, aber nun natürlich nicht konnten (wegen seiner Brustfellentzündung). Ich sende Dir mit den abge- ersten Konzert ihrer Berliner Tournee 1837. Heute Abend kommt es in einer aus der Zeit schriebenen Liedern seine Gedichte, und wäre es mir lieb, wenn Du sie mal durchsähest und an die, welche stammenden Kammermusikfassung zur Aufführung. Dir etwas gefallen, ein Zeichen machtest.“ Brahms vertonte tatsächlich drei Gedichte seines Patensohns Felix.

59. Geburtstag: „Marie kam aber zum 13. hinaus, und so hatte ich wenigstens den Trost ihrer Nähe, aber einen traurigen Geburtstag, denn Eugenie war mit Felix nach Falkenstein gegangen – eine Anstalt für Lungenkranke, die.. vor- trefflich sein soll. Er wollte so gern zu uns, das wollten wir auch, aber in ein noch nicht eingerichtetes Haus, ohne Dienstleute etc. konnten wir ihn nicht nehmen (...)“.

61. Geburtstag: Nach einer Reise mit Brahms nach Berchtesgarden: „Ich habe an die 80 Briefe zum Geburtstag bekommen, die Hälfte etwa beantwortet, dazu kommt viel anderes noch, kurz, ich habe vollauf zu tun. Denke Dir, gestern machten wir eine Spazierfahrt und wurden umgeworfen – es war ein schrecklicher Mo- ment, aber zum Glück niemand verletzt und nur die Deichsel gebrochen und ein Rad, so daß wir in einem anderen Wagen nach Haus mußten. Leb’ wohl!“

62. Geburtstag: An Elise: „Dann habt ihr mir so ein prachtvolles Geschenk gemacht mit der Decke, die ich jedoch, so herrlich ich sie fand, gegen eine Andere etwas größere auf meinem großen Tisch im Salon vertauschen will (…). Tau- send Dank für das schöne Geschenk, daß nun wieder viel zu groß ist! Wie ein Traum ist es mir seit ihr fort seyd, - hättet ihr nur auch am 13. da sein können! wir feierten den Tag zwar in dem beglückenden Gefühle innigsten Vereins, aber die Wehmuth spielte doch sehr in diese Empfin- dung hinein, dachten wir an uns Reisenden, und das geschah viel. Noch immer schwimmt Ihr auf dem Ocean!“

64. Geburtstag: „Den 13. Blumengruß von den Kleinen und Großen gleich zum Frühstück. (...) lauter schöne und nützliche Geschenke. ich bin nun mal so ein practischer Mensch, den das Nützliche am meisten freut. Brahms (…) meinte, er habe mir ein Bouquet bringen wollen, das sein aber außer seinem Wege gelegen, dann habe er mir Bilder von dem Germania-Denkmal bringen wollen, sei aber zu faul dazu gewesen!! (...) daß er eine dritte Symphonie geschrieben habe, entschlüpfte ihm nur so gesprächsweise.“

Clara Wieck mit der Partitur ihres Klavierkonzerts a-Moll op. 7

66 67 65. Geburtstag: Drei gemischte Chöre An Elise: „Der 13. war ein himmlischer Tag, die Kinder bescheerten erst ganz reizend, dann fuhren wir a.d. Die Geibel-Chöre entstanden erst 1848. Wie auch das Klavierkonzert stehen sie nicht Königssee, und es war so herrlich, daß nichts Einen beunruhigte, zu Mittag aßen wir gemüthlich mit Cäclieie in direkter Verbindung zu einem zeitlebens gefeierten Geburtstagsfest Claras. Dennoch u. ihrer Freundin, tranken Champagner. Nachmittags überraschte mich Eure Depesche (sie schenkten Clara schließen sie die Veranstaltungen zu Claras 200. Geburtstag festlich ab, weil sie als Ge- neue Vorhänge), u. Abends waren wir noch bei Herzogenbergs. Am Abend beim Schlafengehen wurde mir burtstagsgeschenk von Clara hier auch als zeitloser Gruß an die Nachwelt dienen. noch sehr traurig zu Muthe, wenn ich mir dachte, daß ich doch bald von Euch fort muß, ich lebte so gern noch umfangen von Eurer Liebe, und möchte auch so gern Deinen Schwestern noch liebend zur Seite stehen. Es Robert Schumann leitete zu dieser Zeit in Dresden den Chorgesangverein. Seine Chor- ist gar so traurig, das alt werden.“ arbeit inspirierte sie zu diesen letzten drei Kompositionen nach Gedichten von Emanuel Geibel vor einer längeren Schaffenspause. Ihre Liebe zur italienischen Musik, vor allem zum 68. Geburtstag: Belcanto, über die Clara und Robert sich mehrmals auseinandersetzen, ist hier zu hören! Brahms an Clara: „Meinen allerschönsten Gruß zum 13. Sept.! Da ich Verse und Variationen über dies schöne Clara schenkte ihrem Mann die drei Geibel-Chöre im Juni 1848 zum Geburtstag, zusam- Thema allernächstens mündlich singen und sagen kann, so lasse ich heute den Versuch. Eigentlich dachte ich men mit ihrem heute als Sonate in g-Moll bezeichneten Werk. Zur persönlichen Begegnung gar heute (d.h. Übermorgen) dort zu sein. Aber ich habe nicht gehört, daß Du und ob Du schon dort, also ob mit Geibel war es 1846 in Dresden schon gekommen. unsere Probe auch dort sein wird (…)“.

69. Geburtstag: Brahms an Clara: „Ich weiß ja und denke mit Plaisir daran, wie gewissenhaft Du Dich jetzt durch den riesigen Berg Geburtstagesbriefe durcharbeitest und wie er täglich vor Deinem Fleiß zusammenschmilzt!“ An Elise: „Euer Geschenk ist so großartig, daß ich gar nicht weiß, wie ich Euch danken soll – ich bin so entsetzt darüber als ich entzückt bin! das Dach ist reizend und wird Euch sicher auch gefallen.“ Tochter Elise schenkte Clara ein Dach über ihre Terrasse.

Baden-Baden, d. 13. September 1889 „Endlich war er da, der siebzigste – soll man sich freuen? eine wehmüthige Freude ist es doch nur. Viel Liebe umgiebt mich, wie viele aber vermissen wir! (...) Als Künstlerin in das Greisenalter zu treten ist auch nicht leicht! Am Frühstückstisch wurde ich überrascht durch ein Kästchen, in dessen Deckel die Bilder Ben- demanns, zum Sprechen ähnlich (…). Die Kisten mit Blumen waren endlos.., ein Korb mit Rosen von der Großherzogin (…). Freudig überrascht wurde ich durch die große goldene Medaille für Kunst von Kaiser Wilhelm… Telegramms kamen den ganzen Tag, auch von der Kaiserin, der Kaiserin Friedrich, Anna von Hes- sen u. A. Im Laufe des Vormittags kam Scholz von Frankfurt im Auftrag des Curatoriums mit einem riesigen wunderbaren Blumenkorb, den kaum ein Mensch zu tragen vermochte. Nur eine Bitte, einen Gedanken hatte ich heute beim Schlafengehen, daß der Himmel mich der Kinder Liebe noch einige Jahre genießen lassen möchte, nicht in Siechthum, sondern mit der Genußfähigkeit, wie sie mein Herz noch hat.“

75. Geburtstag: Enkel Ferdinand: „Großmutters 75. er Geburtstag. Zahlreiche Depeschen, zahlreiche Briefe. Das Geburts- tagskind bekommt manchmal einen Schreck, wenn die Post immer neue Gratulationen bringt.“ Clara Schumann 1888 © Robert-Schumann-Haus Zwickau

68 69 Quellen Briefwechsel Clara Johannes Brahms Berthold Litzmann, Breitkopf und Härtel 1927

Du bist mir so unendlich lieb, Krausnik Taschenbuch, Welllhöfer 1910 Zitate Schumann-Briefedition I.10 und 1.11, hg. von Thomas Synofzik und Michael Heinemann, Clara Schumann Jugendtagebücher 1827-1840 Her. Gerd Nauhaus und Nancy B. Reich Köln: Dohr-Verlag Olms Verlag 2019

Clara Schumann - Ein Künstlerleben nach Tagebüchern und Briefen, Berthold Litzmann, Notenbeispiele Breitkopf und Härtel Bd. 1 1925, Bd. 2 1918, Bd. 3 1910 Clara Wieck-Schumann – Ausgewählte Klavierwerke, Henle Schumann Briefedition – Briefwechsel mit der Familie Bargiel Verlag Dohr 2011 Schumann Klavierwerke, Gesamtausgabe Edition Breitkopf Clavier und Gesang – Didaktisches und Polemisches von Friedrich Wieck ConBrio Ver- lagsgesellschaft 1996 Clara Schumann Lieder, Edition Breitkopf

Clara und Robert Schumann – Briefwechsel Bd. 1 und 2, Kritische Gesamtausgabe Weis- Robert Schumann Lieder, Edition Peters weiler Stroemfeld/Roter Stern 1984 Handschrift Clara: Clara und Robert Schumann – Briefwechsel Bd. 1, Kritische Gesamt- Robert Schumann Tagebücher, Haushaltsbücher Bd. 1 -3 VEB Deutscher Verlag für Musik ausgabe Weisweiler Stroemfeld/Roter Stern 1984 1987

Robert und Clara Schumann – Ehetagebücher 1840-1844, Gerd Nauhaus und Ingrid Bo- dsch, Stroemfeld 2013

Clara Schumann- Romantik als Schicksal Nancy B. Reich Rowohlt 1997

Das ewige Band der Liebe – Clara Schumanns Briefwechsel mit Emilie List und Elise List Metzler Musik 1969

Clara Schumann – Ihr Leben, eine biographische Montage, Beatrix Borchard, Olms Verlag 2015

Aus Robert Schumanns Briefe und Schriften, Richard Münnich, Kiepenhauer 1956

Robert Schumann – Das Vokalwerk, Dietrich Fischer-Dieskau, Bärenreiter 1985

Eugenie Schumann – Claras Kinder Ullstein Buchverlag 1999

Wir waren sieben – Die Kinder Robert und Clara Schumanns, Gerd Nauhaus, Robert Schumann Gesellschaft Shaker Verlag 2013

Clara Schumann – Mein liebes Julchen, Briefe Nymphenburger Verlag 1990

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Für die freundliche Unterstützung danken wir

allen beteiligten und mitwirkenden

Der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin e. V.

Dem Robert-Schumann-haus Zwickau

Dr. Ingrid Bodsch, Schumann-Netzwerk BONN

unserem medienpartner deutschlandfunk kultur

Was Sie immer schon über Robert und Clara Schumann Musik Cantus – Riedel wissen wollten – hier finden Sie es!

www.schumannportal.de Das Portal des Schumann-Netzwerks Staatsbibliothek zu Berlin

Thomas Nierlin, Leitung Hochschulbibliothek der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin

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