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Denkmalpflege in Niederösterreich Carnuntum und Band 45 – Carnuntum und Limes

Mitteilungen aus Niederösterreich Nr. 2/2011 P.b.b.-Verlagspostamt 3100 St. Pölten Zulassungsnummer 02Z032683M Aufgabepostamt 3109 St. Pölten

Band 45

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Cover Band 45_407mm_breit.indd 1 01.07.2011 09:20:17

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01.07.2011 10:19:54 Carnuntum und Limes Kern Band 45.indd 2 01.07.2011 10:19:54 Vorwort

Das Römerland Carnuntum, diese einzigartige Kulturlandschaft mit ihrer spannenden Geschichte von der Frühzeit der Menschheit über die Kelten und Römer bis in die Gegenwart, ist bekanntlich heuer Austragungsort der Niederösterreichischen Landesausstellung „Erobern – Entdecken – Erleben im Römerland Carnuntum“, deren Titel bereits den ganzen Kosmos umschreibt, den sie darbietet. Dem nunmehr vorliegenden 45. Band der Broschüre „Denkmalpflege in Niederösterreich“ ist es zu danken, dass rechtzeitig zur Landesausstellung eine umfassende, wissenschaftliche und dabei äußerst informative und interessant zu lesende Dokumentation vorliegt, die das Gezeigte im Freilichtmuseum Petronell, im Museum Carnuntinum und in der Kulturfabrik Hainburg auf hervorragende Weise ergänzt. Als Landeshauptmann von Niederösterreich bin ich stolz darauf, dass man damit nicht nur eine für Jung und Alt gleichermaßen spannende Zeitreise durch die Jahrtausende antreten kann, sondern dass damit auch Bewusstsein für unsere Geschichte und unsere Herkunft geschaffen wird. Dieser Maxime, dass nur jemand, der seine Vergangenheit wach und lebendig hält, damit die eigene Identität bewahrt und an die nächsten Generationen weitergibt, daraus auch Kraft für die Zukunft schöpfen kann, fühlt sich ja auch die Denkmalpflege in höchstem Maße verpflichtet. Dazu kommt, dass von der Landesausstellung ein Signal der Offenheit und des Miteinander ausgehen soll, weshalb wir auch auf intensive grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn setzen. Zu diesem Aspekt passt es sehr gut, dass sich der vorliegende Band auch der internationalen Denkmalpflege und dabei insbesondere des Limes annimmt, der über Jahrhunderte die Außengrenze des römischen Reiches markierte. Weil dort mehr Friede als Krieg herrschte und die Grenze damit vor allem ein Ort der Begegnung und des Austausches war, könnte man den Limes durchaus auch als Symbol für das friedlich vereinte Europa verstehen. Ich darf Sie einladen, mit dieser Broschüre in der Hand die Reise zurück in die Zeit der römischen Metropole an der Donau anzutreten und dabei auch einen faszinierenden Blick über die heutigen Grenzen zu werfen.

Dr. Erwin Pröll Landeshauptmann von Niederösterreich

Kern Band 45.indd 3 01.07.2011 10:19:55 Editorial

Der Limes ist eine von den Römern errichtete historische Grenzlinie, die quer durch Europa verläuft und in Summe ca. 5000 km lang ist. Heute ist sie keine trennende, sondern eine verbindende Linie zwischen Großbritannien im Westen und Rumänien im Osten, entlang der die gemeinsamen kulturellen Wurzeln ganz Süd- und Mitteleuropas zu finden sind. Die Niederösterreichische Landesausstellung 2011 widmet sich diesem länderübergreifenden Thema und stellt damit, auch durch die Form der Präsentation, die Wissenschaft der Archäologie in ein neues Licht. Bis vor wenigen Jahren bedeutete Archäologie immer auch Ausgrabung, also Freilegung von Wällen, Mauern, Gräbern, Grabbeigaben etc. Damit einher ging ein schutzloses Zurschaustellen und damit die Gefahr einer langsamen, aber sicheren Zerstörung, teils durch Wind und Wetter, teils durch unsachgemäßes Restaurieren, oder auch durch Abbruch und Weiterverwendung des Baumaterials, wie es über Jahrhunderte üblich war.

Carnuntum und Limes Am Beispiel Carnuntum werden nun den Besuchern die beiden modernen Ansätze der Archäologie gezeigt: erstens nicht das Freilegen, sondern das Auffinden und wissenschaftliche Bearbeiten von in der Erde liegenden Kulturgütern mittels Luftarchäologie und Geoprospektion (Georadar) und zweitens die Sicherung archäologischer Fundstücke durch Überbauen, durch Rekonstruktion und Wiederherstellung mit modernen oder historischen Techniken. Bei beiden Methoden ist Niederösterreich international führend. Manche Besucher werden sich fragen, ob eine Rekonstruktion nicht eine Geschichtsfälschung ist. Dem ist entgegenzuhalten, dass solche Rekonstruktionen auf wissenschaftlicher Basis durchgeführt werden und dass das räumliche Erlebnis, das Spüren der dritten Dimension und das „Begreifen“ von Architektur durch nichts ersetzt werden können. Originalschauplätze sind immer stärker als Bilder, Filme oder virtuelle Animationen. Mit dieser Haltung zu Authentizität und zu Erlebbarkeit, zu einem lustvollen Vermitteln und Lernen ist Niederösterreich ebenfalls führend. Die Denkmalpflege ist meist im Umfeld touristischer Aktivitäten anzutreffen und muss sich damit täglich der Diskussion nach Original und Fälschung stellen. Klare Positionen sind gefragt, wobei jede Zeit ihren speziellen Blick auf die Geschichte und auf ihre Exponate hat. Schon alleine deshalb ist ein Besuch der „römischen Stadt Carnuntum“, einer der ehemals größten Städte entlang des Limes, spannend und empfehlenswert.

Gerhard Lindner

Kern Band 45.indd 4 01.07.2011 10:19:56 Carnuntum und Limes

Franz Humer Karte des Donaulimes in Österreich 52 Carnuntum – die größte archäologische Landschaft Mitteleuropas 6 Museen am Donaulimes 54

Christian Gugl Strukturierte Information – GI-Technologie Blick über die Grenzen in der Archäologie als Grundlage für Recherchen und wissenschaftliche Analysen 16 Ján Rajtár Die römische Grenze in der Slowakei 56 Christian Gugl Wie groß sind die canabae legionis? 19 Zsolt Visy Der pannonische Limes und das Wolfgang Neubauer europäische Donaulimes-Programm 58 Archäologische Prospektion der Landschaft Carnuntum 23 Florian Matei-Popescu Zum römischen Limes in Bulgarien 63 Michael Doneus Luftbildarchäologie im Hinterland Cristian Găzdac des niederösterreichischen Limes 27 Die römische Grenze in Rumänien – Dakien 64

Martina Himterwallner, Martin Krenn, Ute Scholz Archäologie am niederösterreichischen Limes 30 Restaurierbeispiel

Fritz Gollmann Christian Gurtner Schutzbauten über archäologischen Denkmälern: Bergung und Restaurierung eines römischen ein internationales Anliegen 37 Sarkophages aus der Zivilstadt Carnuntum 66

Franz Humer Die Wiederherstellung archäologischer Befunde Aktuelles aus der Denkmalpflege in der dritten Dimension 39 in Niederösterreich 68

Matthias W. Pacher Buchbesprechung 76 Die Vermittlung archäologisch-historischer Inhalte an ein breites Publikum 46 Tag des Denkmals: 25. September 2011 77

Bruno Maldoner Ausgewählte Fachliteratur 78 Limes-Grenzen des Römischen Reiches 49

Kern Band 45.indd 5 01.07.2011 10:19:57 Carnuntum – die größte archäologische Landschaft Mitteleuropas

Franz Humer Das Gebiet der einstigen römischen Stadt Car- der Stadt bildeten der Steilhang zur Donau bzw. nuntum in den heutigen Ortschaften Bad der Strom mit seinen vielen Nebenarmen und Deutsch-Altenburg und Petronell-Carnuntum dem Augebiet (heute der Nationalpark Donau- (Verwaltungsbezirk Bruck a. d. Leitha) erstreckte Auen). Der Verlauf der Donau mit ihren Nebenar- sich einstmals auf einer Fläche von über 10 km2. men ist in der Antike allerdings weiter im Norden Lage der einzelnen Die besiedelte Fläche reichte im Osten vom Pfaf- anzunehmen. Siedlungsteile von Car- fenberg in Bad Deutsch-Altenburg Richtung Wes- Im Süden reichte die Bebauung bis zu einer nuntum in der heutigen ten bis etwa einen halben Kilometer außerhalb der Linie, die in etwa dem Verlauf der heutigen Bundes- Landschaft, Blick nach barocken Tiergartenmauer in Petronell-Carnuntum straße 9 entspricht. Im Gegensatz zu vielen anderen Norden, 2006 in Richtung Wildungsmauer. Die Nordbegrenzung Städten des Donaulimes (, , Linz,

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Kern Band 45.indd 6 01.07.2011 10:20:07 Ruinen und Fundstücken darstellt. Die römischen Steine von Carnuntum sind so an vielen Bauwer- ken der Region zu finden: an romanischen Sak- ralbauten in Petronell, Bad Deutsch-Altenburg, Hainburg und Wildungsmauer ebenso wie an mit- telalterlichen Stadtmauern in Hainburg und Bruck a. d. Leitha oder an frühneuzeitlichen Schlössern nördlich und südlich der Donau. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts fanden in Carnuntum mit Unterbrechungen immer wie- der Ausgrabungen statt. Ein großer Teil der damals aufgedeckten Flächen (Legionslager, Lagerstadt, Zivilstadt im Bereich der Flur „Tiergarten“) wurde jedoch wieder zugeschüttet. Schließlich waren diese Flächen in Privatbesitz und nach dem Auffin- den der „Schätze“ wurden die Grundstücke wieder landwirtschaftlich genutzt. Heute ist Carnuntum Österreichs größte archäologische Landschaft, die jedoch nach wie Kolorierter Kupferstich Wien, Budapest) wurden die Bauwerke Carnun- vor in ihrer Substanz bedroht ist. Neben den Zer- von Petronell und Umge- tums im Mittelalter und der Neuzeit auch nicht störungen durch Landwirtschaft, Siedlungs- und bung von Matthäus Me- durch neue Bauten überlagert, sondern verwandel- Straßenbau sowie Rohstoffgewinnung setzten und rian bei Martin Zeiller, ten sich vielmehr in einen riesigen Steinbruch, der setzen auch Naturgewalten der historischen Sub- Topographia Germaniae nach und nach abgetragen und für andere Bauten stanz ziemlich zu. So sind große Teile der anti- (1656) verwendet wurde. Aus Sicht von Archäologie und ken Stadt im Norden durch die jahrhundertelange Denkmalpflege ein absoluter Glücksfall! Erosion fortgeschwemmt worden. Auf alten Auf- Dass die Menschen über Jahrhunderte neben nahmen sieht man noch deutlicher als heute, wie den Resten der römischen Stadt lebten, zeigen am Steilabhang der Donauabbruchkante stellen- viele bildliche Darstellungen von noch über der weise römische Mauern ins Leere ragen. Erst seit Erde erhaltenen römischen Monumenten. Als Bei- der Donauregulierung im späten 19. Jahrhun- spiel sei nur die bekannte „Ansicht von Schloss dert ist die fast senkrecht abfallende Geländestufe und Herrschaft Petronell“ aus dem Jahr 1656 ange- stark verwachsen und verwildert, denn die früher führt, welche die landschaftlichen Gegebenhei- so häufigen Unterwaschungen durch Hochwässer ten und das zum Schloss Petronell gehörige Herr- haben aufgehört und Abrutschungen treten heute schaftsgebiet mit archäologischen Motiven von nur noch selten auf. Grabung im Bereich der Lagerstadt Carnuntum, Blick nach Westen, um 1900 (links)

Geländeabbruchkante zur Donau zwischen Bad Deutsch-Altenburg und Petronell mit antiken Mauerresten, Blick nach Osten, um 1900 (rechts)

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Kern Band 45.indd 7 01.07.2011 10:20:09 Ein Blick auf den Plan des Legionslagers zeigt, dass bis zur Flussregulierung nicht nur die gesamte nördliche Lagermauer, sondern auch südlich anschließende Kasernenbauten auf diese Weise ver- schwunden sind. In der Lagerstadt und beim Statt- halterpalast zeigt sich das gleiche Bild. Doch die mächtige eiszeitliche Schotterterrasse, auf der Car- nuntum liegt und die zur Donau steil abfällt, war in römischer Zeit natürlich ein eindrucksvoller naturräumlicher Vorteil gegenüber den „flachen“ Landschaften nördlich der Donau. Ein großer Teil der in der zweiten Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf- Von oben nach unten: gedeckten Flächen wurden nach ihrer Freilegung und planerischen Erfassung wieder zugeschüt- Geländemerkmal des Le- tet und sind heute bestenfalls noch als Gelände- gionslagers: ansteigendes denkmal in der Landschaft zu erkennen. Jedoch Gelände der retentura haben moderne Prospektionsmethoden (Geophy- und links Lagermauer sik, Luftbildarchäologie, Oberflächensurveys) in mit darüber wucherndem den letzten 15 Jahren wertvolle Informationen Windschutzgürtel, Blick über die stadtbaugeschichtliche Entwicklung Car- nach Norden, 2011 nuntums erbracht. Legionslager Carnuntum in Bad Deutsch-Alten- Legionslager burg mit Amphitheater Die Errichtung eines ca. 17 ha großen Legions- und Limesstraße, Blick lagers war der entscheidende Ausgangspunkt für nach Westen, 2004 die Gründung der römischen Stadt Carnuntum. Ein erstes Lager wird bereits für das Jahr 6 n. Chr. Virtuelle dreidimensio- vom Historiker Velleius Paterculus erwähnt. Die- nale Rekonstruktion des ses diente als Basislager des Feldherren und spä- Legionslagers mit umge- teren Kaisers Tiberius (14 - 37 n. Chr.) im Krieg bender Lagerstadt in der gegen den Markomannenkönig Marbod. Die rekonstruierten antiken Donaulandschaft, Blick Lage dieses ältesten Lagers ist immer noch unbe- nach Südwesten, 2011 kannt. Das zwischen Bad Deutsch-Altenburg und Petronell gelegene Lager „auf dem Burgfeld“ war Lagerstadt südlich des Standort der XIV. und XV., vorübergehend auch militärischen Amphithe- der VII., X. und XXII. Legion. An dieser Anlage aters I in Bad Deutsch- sind auf Grund der neueren Forschungen sie- Altenburg mit Bewuchs- ben Bauperioden nachgewiesen, die von claudi- merkmalen der darunter scher Zeit (41 - 54 n. Chr.) bis in das Frühmittel- liegenden archäologischen alter reichen. Spätestens für das Jahr 73 n. Chr. Strukturen: römische Straßen mit Nebenstraßen ist durch eine Bauinschrift ein Umbau in Stein 100 Jahre später anzusetzen. Schließlich wurden und dazwischen liegenden belegt. In severischer Zeit kam es zu einem Neu- nach einem Erdbeben in der Mitte des 4. Jahr- Gebäuden, Blick nach bau, bei dem die Orientierung der Kasernen hunderts unter Valentinian nochmals neue Westen, 1998 leicht verändert wurde. Ein weiterer Umbau ist Gebäude errichtet.

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Kern Band 45.indd 8 01.07.2011 10:20:10 Lagerstadt östlich des Auf Grund dieser einmaligen Situation ist das militärischen Amphi- Carnuntiner Lager eines der wichtigsten archäolo- theaters I in Bad gischen Reservate am Donaulimes. Deutsch-Altenburg mit Bewuchsmerkmalen Lagerstadt (canabae legionis) der darunter liegenden Östlich, südlich und westlich dieser Militärfestung archäologischen Struktu- entstand seit der Mitte des 1. Jahrhunderts ren: breites Band der Li- messtraße mit Bebauung n. Chr. eine Barackensiedlung mit festen Holz- der canabae legionis, häusern (canabae = Baracke). Daraus entwickelte Blick nach Westen, 2006 sich bald eine städtische Siedlung mit festen Stra- (oben) ßenzügen, regelmäßig angelegten Steinbauten und öffentlichen Gebäuden. Um das Lager selbst Legionslager Carnuntum erstreckte sich ein 100 - 180 m breites, unbebau- im städtebaulichen Um- tes . Die Lagerstadt reichte im Osten bis zum feld der canabae legionis. Pfaffenberg in Bad Deutsch-Altenburg mit sei- Darstellung der bebau- nem Heiligtum des Jupiter Karnuntinus, im Wes- ungsfreien Zone rund um das Lager. Schaubild aus ten bis zum Reiterkastell. Nach Süden bzw. Süd- den Daten des Gesamt- osten reicht die dichte Verbauung bis zur Linie der modells in Petronell- Eisenbahntrasse Wien – Pressburg. Die Siedlung Carnuntum, Blick nach bedeckte in Carnuntum eine Fläche von rund 130 Süden, 2011 (unten) ha. Ihre größte Ausdehnung erreichten die canabae Der Lagergrundriss zeigt ein dem Geländeverlauf im 2. und 3. Jahrhundert. Kurz nach der Mitte des angepasstes unregelmäßiges Vieleck. Die Lager- 4. Jahrhunderts verursachte ein Erdbeben schwere mauer und das doppelte Grabensystem sind nur Zerstörungen. Die Randgebiete wurden dann als an drei Seiten erhalten, da die gesamte Nordfront Siedlungsareal aufgegeben. Darüber legte man nun gegen die Donau hin von der Stromerosion wegge- Gräberfelder an. rissen wurde. Drei der vier Haupttore sind bekannt Die Lagerstadt Carnuntum war im Gegen- und durch Grabungen des vorigen Jahrhunderts satz zur autonomen Zivilstadt, dem municipium ermittelt worden. Die Innenbebauung erfolgte Carnuntum, rechtlich dem Legionskommandanten auch in Carnuntum nach dem üblichen Bebau- unterstellt. Die Bewohner (Handwerker, Unterneh- ungsschema. Lediglich eine Badeanlage fehlt. Am mer, Gewerbetreibende, Kaufleute und Veteranen) Schnittpunkt der beiden Lagerhauptstraßen stan- bezeichneten sich nach Ausweis der Inschriften den die Hauptgebäude, principia und . selbst als cives Romani consistentes intra leugam. Ob Weiters wurden drei Offiziershäuser, 30 Doppel- das als Forum der Lagerstadt bezeichnete Bauwerk kasernen für die Unterbringung von 10 Kohor- wirklich das städtische Zentrum der Lagerstadt ten (= 6000 Soldaten), Magazine (horrea), Werk- oder vielleicht nicht eher doch ein Übungsplatz stätten (fabricae) und ein Lazarett (valetudinarium) (campus) war, werden erst künftige Feldforschun- aufgedeckt. gen klären können. Vom freigelegten Mauerwerk ist nur das Der Komplex zeigt einen großen Innenhof, Fundament des Südturms der porta principalis dex- der von zweigeschossigen Hallen umgeben war. tra offen gehalten und bis heute sichtbar. Carnun- Etwa 400 m westlich des Legionslagers liegt zwi- tum ist das einzige noch frei zugängliche, d.h. im schen der Limesstraße im Norden und der Bern- Mittelalter und der Neuzeit nicht überbaute Legi- steinstraße im Süden ein Häuserblock der Lager- onslager am Donaulimes zwischen Regensburg stadt. Die Anlage vermittelt eine gute Vorstellung ( Regina) und Belgrad (). vom ursprünglichen Stadtbild mit dem geordneten

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Kern Band 45.indd 9 01.07.2011 10:20:11 System von Straßen und Gebäudeblöcken. Denn wie in vielen Bereichen des täglichen Lebens ver- suchte man auch in der Architektur die Vorbil- der des Südens nachzuahmen. In den Wohnhäu- sern mit Höfen und vorgelagerten Hallen, den Gartenanlagen mit Umfassungsmauern und den Werkstätten lebten und arbeiteten römische Bür- ger der Lagerstadt. Nördlich dieser Wohnhäuser liegen an der Nordseite der Limesstraße die Reste eines prächtig ausgestatteten Gebäudes, welches als Amtshaus (praetorium) des Statthalters bezeichnet Von oben nach unten: wird und eine repräsentative Fassade nach Norden zum Donauabbruch aufwies. Häuserblock der Lagerstadt westlich des Im östlichen Siedlungsbereich der canabae Legionslagers und südlich legionis, unweit des Mühlgartens von Bad Deutsch- der Limesstraße. Die Altenburg, errichteten die Bürger der Lagerstadt Anlage vermittelt eine einen ausgedehnten Tempelbezirk für eine Gruppe gute Vorstellung vom von orientalischen Gottheiten. Der auf Grund von ursprünglichen Stadtbild Luftbildprospektionen entdeckte Kultbezirk ist von mit dem geordneten größter Bedeutung für die Geschichte der orientali- System von Straßen und schen Religionen am mittleren Donaulimes. In der Gebäudeblöcken. Ansicht ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts entstand dort über von Süden, 1968 einer älteren Bebauung mit Holzhäusern ein Tem- Visualisierung des pelbezirk für Jupiter Heliopolitanus. Das von einer Statthalterpalastes in der Mauer umschlossene Areal umfasste eine Gesamt- canabae legionis westlich fläche von rund 110 x 90 m. Der Kultbetrieb im des Lagers, monumentale Heiligtum fand möglicherweise schon im 3. Jahr- Repräsentationsfassade hundert, spätestens aber um die Mitte des 4. Jahr- über der Donauab- hunderts, ein Ende, als der Tempelbezirk – wie viele bruchkante, Blick nach andere Gebäude Carnuntums auch – durch ein hef- Südosten, 2011 tiges Erdbeben zerstört wurde. Etwa 100 m östlich des Legionslagers wurde Übersichtsaufnahme der Notuntersuchungen im in einer Geländesenke ein Amphitheater errich- Tempelbezirk der orien- tet. Diese Anlage diente in erster Linie als militä- talischen Gottheiten in rischer Exerzierplatz (ludus) der Truppe. Hier wur- Bad Deutsch-Altenburg, den später auch Tierhetzen und Schaukämpfe für Ansicht von Osten, 1988 die Bürger der Lagerstadt veranstaltet. Der erste Steinbau geht nach Ausweis der aktuellen Nachun- Das Amphitheater I in tersuchungen auf das Jahr 72/73 n. Chr. zurück. Bad Deutsch-Altenburg Die heute noch sichtbaren Baureste stammen von liegt etwa 100 m östlich einem Neubau am Ende des 2. Jahrhunderts. Die des Legionslagers und stellt das einzige heute 72 x 44 m große Arena kann über zwei Torzugänge noch sichtbare Gebäude im Osten und Westen betreten werden. In der Are- der Lagerstadt dar. Blick namitte befindet sich ein Wasserbecken mit einem nach Nordosten, 2009 in Richtung Donauabbruch verlaufenden Kanal.

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Kern Band 45.indd 10 01.07.2011 10:20:14 Der Zuschauerraum (cavea) bot Platz für etwa 8.000 Besucher. Über dem Arenazugang der Nord- seite waren die Sitze der städtischen Bürgermeis- ter (quattuor viri). In der Mitte der Südseite lag die Loge des Statthalters. Diese konnte über einen Vorplatz von der Limesstraße her erreicht wer- den. Am westlichen Eingang liegt ein Heiligtum für die Jagd- und Rachegöttin Diana-Nemesis. Der ursprünglich allein stehende Kultraum des Hei- ligtums wurde im 3. Jahrhundert um zwei Räume erweitert. Diese dienten der Aufbewahrung von Weihgaben. In der halbrunden Apsis des Tempels fand man als Inventar des Heiligtums das Kultbild der Göttin und eine Reihe von Weihaltären. Die Reste des Heiligtums wurden bei den in den Jahren 2007/2008 durchgeführten archäologischen Nach- untersuchungen mittels terrestrischen Laserscans dreidimensional dokumentiert. Zu den canabae legionis gehörte verwaltungs- technisch auch der am Ostrand von Carnuntum Von oben nach unten: liegende ursprünglich 330 m hohe Pfaffenberg, der Stadtberg von Carnuntum. Dort befand sich 3-D-Laserscan-Doku- mentation der archäo- ein Heiligtum für Jupiter Optimus Maximus und logischen Befunde der die vergöttlichten Kaiser. Die ältesten Gebäude des neueren Untersuchungen Tempelbezirkes stammen aus der Zeit des Kaisers im Heiligtum der Diana . Die gründliche Zerstörung des Heilig- Nemesis im Amphitheater tums erfolgte gegen Ende des 4. Jahrhunderts. Die Bad Deutsch-Altenburg, auf die Stadt Carnuntum ausgerichtete Kultanlage Ansicht von Norden, bestand aus zwei kleineren Jupitertempeln (Tem- 2009 pel I und III) und einem großen dreischiffigen Bau (Tempel II), welcher der kapitolinischen Trias Befundsituation des (Jupiter, Juno und Minerva) geweiht war. Eine Tempelbezirks auf dem Pfaffenberg in Bad kreisförmige Arena mit Zuschauertribünen hatte Deutsch-Altenburg, Blick die Funktion eines Kulttheaters. nach Osten, 1976 Im Lauf von vier Jahrhunderten wurden zahlreiche größere und kleinere Weihedenkmäler Moderner Siedlungsbau errichtet. Eine im nordwestlichen Bereich des Tem- über dem Areal des Au- pelbezirkes freigelegte Fundamentgruppe spielte xiliarkastells in Petronell, eine wichtige Rolle im Kaiserkult und gehörte Blick nach Süden, 1997 wahrscheinlich zu einem Kaiseraltar (Ara Augusto- rum). Bei kultischen Feiern wurden hier Opfer Westliche Vorstadt entlang der Limesstraße dargebracht und die Bildnisse (imagines) der/des in Petronell auf der Flur Kaiser/s aufgestellt. Im Kulttheater wurden die mit „Gstettenbreite“, Blick der Kaiserverehrung verbundenen Spiele (ludi) auf- nach Süden, 2009 geführt. Geopfert wurde vor allem dem römischen

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Kern Band 45.indd 11 01.07.2011 10:20:29 Südliche Vorstadt entlang des cardo zum Amphi- theater in Petronell auf der Flur „Johannesbreite“, Blick nach Osten, 2009 (links oben)

Georadarbild des Forums der Zivilstadt südlich der großen Therme, Blick nach Norden, 2006 (rechts oben)

Geophysikalische Prospek- tion der Fluren „Tiergar- ten“ und „Johannesbrei- te“. Neben Forum und Stadtmauer ist auch der cardo maximus rechts vom Forum erkennbar, der nach Süden verläuft. Blick nach Norden, 2006 (links unten)

Forumstherme der Zivil- stadt als Freilichtmuseum Jupiter, der hier den Beinamen K(arnuntinus) mit südlich anschließen- erhielt, und zu Ehren der göttlichen Kaiser. Die dem, nicht ergrabenem Forum, Blick nach Organisation und Ausführung des Kultes oblag Norden, 2003 einem eigenen Priesterkollegium, den magistri (rechts unten) montis. Die Denkmäler des Tempelbezirkes wur- den in den Jahren 1970 bis 1985 im Zuge von Ret- tungsgrabungen freigelegt und evakuiert. Zur Verstärkung der Legionstruppe errich- von einem, an der Südseite von zwei Gräben umge- tete die Armee etwa 1,3 km westlich des Lagers ben. Die Innengliederung zeigt im nördlichen Teil am östlichen Rand von Petronell ein Hilfstruppen- acht Doppelkasernen, südlich davon das Stabsge- lager für die Reiterei. Das Reiterlager war Stand- bäude (principia), ein Magazin (horreum), ein Bad, ort einer ala quinquenaria, also einer Einheit von Schmiedewerkstätten und ein Kastellkrankenhaus 480 Reitern, die als Verstärkung der Legionstruppe (valetudinarium). Diese zusätzliche militärische in Carnuntum stationiert war. Wie das Standla- Anlage Carnuntums wird seit 1977 im Rahmen ger war auch das Reiterkastell etwa 350 Jahre in von Rettungsgrabungen (Wohnbau) untersucht. Betrieb. In den 60er Jahren des 1. Jahrhunderts n. Chr. wurde über älteren Gebäuden (Werkstätten) Zivilstadt zunächst ein Erde-Holz-Kastell errichtet. Unter Die Zivilstadt war jener Teil des römischen Car- Kaiser Traian wurde das 207 x 177 m große Kastell nuntum, der sich seit der 2. Hälfte des 1. Jahr- in Stein umgebaut. Bis zum Ende des 4. Jahrhun- hunderts mehr als 2,2 Kilometer westlich des derts ließen sich mehrere Umbauphasen feststel- Legionslagers und der Lagerstadt im heutigen len. Das Kastell ist im Osten, Norden und Westen Ortsgebiet der Gemeinde Petronell-Carnuntum

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Kern Band 45.indd 12 01.07.2011 10:20:33 Amphitheater der Zivil- stadt mit umliegender Bebauung der Vorstädte außerhalb der severischen Stadtmauer, Blick nach Norden, 1997 (links)

Das Heidentor von Pet- ronell-Carnuntum nach der neuen Restaurierung mit perspektivischem Rekonstruktionsversuch von K. Müller, Blick nach Im Süden reichte die durchgehend dichte Verbau- Nordosten, 2003 ung etwa bis zum Amphitheater. Südlich davon (rechts) in Richtung Heidentor folgten Gräberfelder und lockere Verbauung. Im Norden war die Siedlung durch die Donau begrenzt. Im Osten reichte die Zivilstadt bis zum Bereich des heutigen Friedhofs. entwickelte. Hier entstand nach dem Beispiel Ein spätantikes Gräberfeld markiert in weiterer römischer Städte Italiens eine Zivilsiedlung. Wie Folge nach Osten den Übergang zum militärischen in anderen Städten des Reiches wurde auch dieses Bereich (Reiterkastell). Die früheste Bebauung der Gemeinwesen von zwei Bürgermeistern (duum- Zivilstadt reicht in die zweite Hälfte des 1. Jahr- viri) verwaltet, denen ein Gemeinderat (curia) hunderts zurück. mit Gemeinderäten (decuriones) sowie Beamte zur Seit etwa 100 n. Chr. wurde die flächen- Seite standen. Diese Ratsversammlung behandelte deckende Bebauung immer dichter, unter Kaiser alle Angelegenheiten der Stadtverwaltung und wurde der Siedlung offiziell das Stadtrecht vertrat die Interessen der Bürger nach außen. Sol- verliehen und die Zivilstadt als municipium Aelium che Ämter wurden meist von sehr begüterten Bür- Karnuntum gegründet. Die Stadt wurde der tribus gern, die finanziell unabhängig waren, bekleidet. Sergia zugeordnet. Unter Kaiser , Denn mit den Ämtern waren auch finanzielle Ver- dem früheren Statthalter der Provinz pflichtungen verbunden (Errichtung öffentlicher superior, wurde die Stadt in den Rang einer colo- Gebäude, Spiele etc.). nia erhoben. Auf Inschriften findet sich seit damals Trotz der seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhun- die Bezeichnung colonia Septimia Aurelia Antonini- derts durchgeführten Grabungen im Bereich der ana Karnuntum. Zivilstadt geben die wenigen offen gehaltenen – Das Forum bildete wie in jeder römi- noch dazu sehr verstreut liegenden – Ausgrabun- schen Stadt das Zentrum der Stadt. Dieser Mit- gen nur einen schwer verständlichen Einblick in telpunkt des antiken öffentlichen Lebens wurde den Stadtgrundriss. Die verbaute Fläche der anti- erst im Jahr 1996 mittels geophysikalischer Pro- ken Stadt erstreckte sich im Westen Richtung Wil- spektion im so genannten „Tiergarten“ südlich dungsmauer bis etwa 500 m westlich der barocken der ­Forumsthermen entdeckt und sein Grund- Tiergartenmauer. Wenn von diesen Stadtteilen bis- riss ohne Ausgrabungen festgestellt. Wie die Geo- lang auch nur sehr wenig „klassisch“ feldarchäolo- radarmessungen zeigen, wird das über 9400 m2 gisch ergraben wurde, so zeigen doch Luftbilder zu große Forum von einer 47 x 55,5 m großen, Nord- beiden Seiten der auf der Flur „Gstettenbreite“ ver- Süd gerichteten Platzanlage mit seitlich anliegen- laufenden Limesstraße dichte Verbauung. den Portiken und dahinter angebauten Tabernen

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Kern Band 45.indd 13 01.07.2011 10:20:34 eingenommen. An der Nordseite des Platzes liegt Erhaltungszustandes lässt sich im Südteil des frei- eine Ost-West gerichtete Basilika mit vorgelager- gelegten Areals zum decumanus hin der Grundriss ten Tabernen. An der Südseite findet sich ein etwa einer öffentlichen Markthalle (macellum) erken- 65 x 45 m großer Gebäudekomplex mit sym- nen. Nach Norden folgte ein großer, offener Hof, metrisch angeordneten Räumen, dem Zentrum die Palästra. Hier trafen sich die Thermenbesucher der städtischen Verwaltung: der curia (Sitzungs- zu Frei- und Turnübungen. Noch weiter nördlich saal des Gemeinderates), dem tabularium (Arbeits- lag das eigentliche Badegebäude. Dieses war sehr raum der Schreiber) sowie dem Amtssitz der höchs- prächtig und kostbar ausgestattet. Der Hauptzu- ten Stadtbeamten. Auch die beiden Hauptstraßen gang befand sich im Osten. der Stadt konnten durch diese Messungen festge- Südlich von Forum und Stadtmauer, quasi legt werden: der decumanus maximus führte, aus in der dicht verbauten „Vorstadt“, lag ein Amphi- westlicher Richtung kommend, an der Nordseite theater mit Nebengebäuden. Das 68 x 52 m große des Forums unmittelbar südlich der Forumsther- ovale Bauwerk entstand bereits im 2. Jahrhun- men vorbei und verlief nördlich von Schloss Petro- dert und wurde später mehrmals umgebaut. Bei nell durch die Flur „Spaziergarten“ als Limesstraße der Freilegung in den Jahren 1923 bis 1930 wurde weiter nach Osten auf das Legionslager zu. Der der Grabungsschutt der Arena und der beiden cardo maximus verlief östlich des Forums in Rich- Zugänge im Norden und Süden über den Unter- tung Süden auf die nach Italien führende Bern- bauten der Zuschauerränge aufgeschüttet. Das Fas- steinstraße zu. sungsvermögen der (hölzernen) Zuschauertribü- Unmittelbar westlich des Meierhofes von nen, die auf rund 18 m Höhe (also der Höhe eines Schloss Petronell liegt mit den Forumsthermen vierstöckigen Hauses) rekonstruiert werden kön- der Zivilstadt (früher als „Palastruine“ bezeich- nen, kann auf Grund der Abmessungen auf etwa net) eines der bedeutendsten Bauwerke der Römer- 13.000 Besucher berechnet werden. Geophysikalische Pros- zeit nördlich der Alpen. Hier konnte während Die einzelnen Abteilungen des Zuschauer- pektion im Umfeld des der Untersuchungen 1939 bzw. 1957 bis 1977 raumes waren ursprünglich durch besondere Auf- spätantiken Heidentores, eine Bebauung vom 1. bis ins 5. Jahrhundert schriften gekennzeichnet. Sie gaben an, wer zu den Blick nach Norden, 2001 nachgewiesen werden. Trotz des sehr schlechten verschiedenen Platzgruppen Zutritt hatte. Einige dieser aus Stein gefertigten Zugangsinschriften zu den „VIP-Bereichen“ wurden gefunden. Im Süd- westen des südlichen Durchganges wurde ein aus wiederverwendeten Architekturstücken errichtetes, sechseckiges Becken mit Abfluss gefunden, das von den damaligen Ausgräbern als christliches Tauf- becken gedeutet wurde. Jedoch können erst neue Untersuchungen zeigen, ob diese Interpretation richtig ist. Heute wird die Arena des Amphithea- ters für Theateraufführungen antiker Autoren im Rahmen des Internationalen Theaterfestivals „Art Carnuntum“ genutzt. Unmittelbar westlich des Amphitheaters liegt ein großer Gebäudekomplex, dessen Deutung noch nicht ganz sicher ist. Südlich des Amphitheaters erheben sich die Reste des so genannten Heidentores. Dieses bekannteste römische Bauwerk Österreichs wurde in den Jahren 1998 bis 2001 durch umfassende

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Kern Band 45.indd 14 01.07.2011 10:20:36 Archäologische Land- schaft von Carnuntum. Im Vordergrund Petro- nell-Carnuntum mit Stadtmauer und Forum, rechts das Amphithea- ter II. In der Bildmitte Wohnstadtviertel südlich des Schlosses Petronell, Blick nach Osten, 2003

Sanierungs- und Konservierungsmaßnahmen gesi- auch eine Aufmarschzone für größere militärische chert. Die parallel dazu durchgeführten archäolo- Aktionen zur Grenzsicherung oder zur Vorberei- gischen und bautechnischen Untersuchungen erga- tung von größeren Feldzügen zu sehen. ben, dass das Heidentor ursprünglich ein 15 m Die Ausgrabungen des südlich von Schloss hoher Quadrifrons, also ein Bogenmonument mit Petronell in der Flur „Spaziergarten“ gelegenen vier Durchgängen und darüber liegender Attika römischen Stadtviertels geben einen Eindruck von war. Das Obergeschoss war reich mit Relieffiguren der innerstädtischen Bebauungsstruktur Carnun- sowie marmornen Inschrifttafeln dekoriert. tums. Die hier im Freilichtmuseum des Archäolo- Auffällig ist die vielfache Wiederverwendung gischen Parks ausgeführten Präsentationen antiker von Werkstücken älterer Bauten („Spolien“). Diese Architektur zeigen, wie man sich die aus Luftbil- auf ökonomischen Überlegungen beruhende Bau- dern und Prospektionsergebnissen bekannten zwei- praxis hat in der antiken Architektur eine lange dimensionalen Pläne in der dritten Dimension vor- Tradition. Es handelt sich in erster Linie um Wei- stellen kann. Doch ungeachtet dessen warten trotz hesteine aus Heiligtümern, die durch Abarbeitung 160-jähriger Forschung in Carnuntum immer wie- zu Bauquadern mit geraden Kanten zugerichtet der neue und völlig überraschende Befunde, die wurden. In der Mitte des Bogenmonuments stand durch kontinuierliche Prospektion bzw. Verglei- ein ca. 4,3 m hoher Statuensockel. In unmittelba- che der Prospektionsergebnisse der einzelnen Jahre rer Nähe des Bauwerkes verliefen Straßen sowohl erzielt werden können, auf eine wissenschaftliche in Nord-Süd- als auch in Ost-West-Richtung. Der Auswertung. spätantike Triumphbogen wurde in der Regie- rungszeit Kaiser Constantius II. (351 - 361 n. Chr.) errichtet. Geophysikalische Prospektionen in der Umgebung des Heidentores könnten auf Reste römischer Zeltlager hinweisen. Damit wäre hier

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Kern Band 45.indd 15 01.07.2011 10:20:36 Strukturierte Information – GI-Technologie in der Archäologie als Grundlage für Recherchen und wissenschaftliche Analysen

Christian Gugl Während der letzten 150 Jahre hat eine Reihe Das Know-how und die vielfältigen Ressour- unterschiedlicher Institutionen an den Forschun- cen, die die einzelnen Institutionen einbrachten, gen in Carnuntum teilgenommen. In den Jahr- waren eine wesentliche Grundlage für die wis- zehnten nach dem Zweiten Weltkrieg waren die senschaftlichen und denkmalpflegerischen Fort- Hauptträger der archäologischen Feldforschungen schritte in den letzten Jahrzehnten. Dennoch neben dem Museum Carnuntinum, einer Einrich- brachte diese Vielfalt auch eine Zersplitterung tung des Landes Niederösterreich, das Österreichi- mit sich. Zahlreiche Informationen, ob in analo- sche Archäologische Institut (ÖAI), die ehemalige ger oder digitaler Form, finden sich mittlerweile Limeskommission der Österreichischen Akademie verstreut an verschiedenen Orten, aufgeteilt auf der Wissenschaften (ÖAW) sowie das Bundesdenk- verschiedene Institutionen, vielfach ohne dass malamt (BDA). Daneben waren noch zahlreiche entsprechende Inventare der Bestände vorhan- weitere Institutionen mit der wissenschaftlichen den wären. Bearbeitung von Carnuntum-Themen beschäftigt. Mit finanzieller Unterstützung des Lan- Mit der fortschreitenden Entwicklung moderner des Niederösterreich erarbeitete deshalb ein archäologischer Prospektionsmethoden engagier- Team von Archäologen am Institut für Kulturge- ten sich zuletzt auch das Luftbildarchiv des Insti- schichte der Antike (ÖAW) ein neues Ordnungs- tuts für Ur- und Frühgeschichte der Universität schema, das sämtliche archäologische Tätigkei- Wien sowie die Abteilung ArcheoProspections® der ten in Carnuntum erfassen, klassifizieren und Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik geographisch verorten sollte. Grundlage der Ver- (ZAMG) mit großem Erfolg. ortung bilden sogenannte „GeoCodes“, die in

Archäologisch rele- vante Informationen aus gedruckten Medien zu extrahieren und in strukturierter, digita- ler Form abzuspeichern, ist ein sehr aufwendi- ger Arbeitsprozess. Auf- grund der unterschied- lichen Anforderungen werden wissenschaftli- che Einrichtungen und die Denkmalpflege hier unterschiedliche Lösun- gen entwickeln.

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Kern Band 45.indd 16 01.07.2011 10:20:36 einem Geographischen Informationssystem Literaturabkürzungen erfolgten mittels Kurzzi- (GIS) die räumliche Ausdehnung jeder erfass- taten, die in einer eigens erstellten Literaturliste ten Tätigkeit in Form eines Polygons bestmög- CARLIT mit mittlerweile über 2.400 Titeln auf- lich abdecken. Grabungen, Fundbeobachten gelöst wurden. und andere archäologische Tätigkeiten wurden Im Rahmen des FWF-Projekts P 17542- mit einer eindeutigen Zahlenkombination verse- G2 wurde eine bestmögliche Verortung der aus hen, die den Beginn der Aktion (Jahresangabe), Carnuntum bekannten Kult- und Weihedenk- gefolgt von einer laufenden Nummer, umfasst mäler durchgeführt. Wie bei den oben genann- (z.B. 1971_01). ten Befunden kann man nun auf diese 767 Angefangen von der ersten lokalisierbaren Steinobjekte sowohl über die in einer Sachda- Tätigkeit im Bereich des Heidentors (1668_01) tenbank gespeicherten Beschreibungen als auch bis in die Gegenwart ließen sich bisher knapp über die auf einer Karte darstellbaren Fundberei- über 450 Aktionsbereiche („GeoCodes“) kar- che zugreifen. tieren. Diesen Aktionsbereichen können eine Zwischen 2008 und 2010 war es möglich, In einem Geographi- oder mehrere Beobachtungen bzw. Katego- darüber hinaus mehrere externe Datenbanken schen Informationssys- tem lassen sich die mit rien archäologischer Quellen zugeordnet wer- einzubinden. Am Institut für Alte Geschichte den Aktionsbereichen den, also Siedlungsbefunde, Gräber, Einzel- oder und Altertumskunde, Papyrologie und Epigra- („GeoCodes“) verknüpf- Streufunde sowie Depotfunde. Auch Nega- phik der Universität Wien wurde in den letz- ten Informationen sehr tivbefunde, also Aufschlüsse ohne erkennbare ten Jahren eine Neubearbeitung der lateini- schnell und übersicht- archäologische Strukturen, wurden berücksich- schen Inschriften aus Carnuntum in Angriff lich anzeigen bzw. ent- tigt. Neben grundlegenden Informationen wie genommen. Für diese Neuauflage des Cor- sprechende Recherchen zur Datierung und einer knappen Beschreibung pus Inscriptionum Latinarum (CIL) konnten durchführen. wurde auch die relevante Literatur erfasst. Die 1153 Inschriften mit Fundort Carnuntum in

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Kern Band 45.indd 17 01.07.2011 10:20:37 Steindenkmäler aus Carnuntum (CSIR): ein etwas unterlebensgroßer Kopf einer römischen Göttin (Minerva?) (links)

Lateinische Inschriften aus Carnuntum (CIL): ein Bauquader („Zentu- rienstein“), der vermut- lich in der Legionslager- mauer verbaut war. (rechts) unterschiedlichste Informationen, sogenannte Geofachdaten, miteinander in Beziehung gesetzt werden. Diese miteinander verknüpften (Geo-) Datenbanken bilden bereits jetzt eine wichtige Grundlage für aktuelle wissenschaftliche For- schungen in Carnuntum. Wenngleich diese ers- ten Bausteine für ein zukünftiges Archäolo- gisches Informationssystem Carnuntum für einer Sachdatenbank erfasst werden. Die Veror- Forschungszwecke konzipiert wurden, sollten tung der Denkmäler in einem GIS übernahm sie auch für die (digitale) denkmalpflegerische wiederum das Institut für Kulturgeschichte der Erfassung der Denkmäler von Nutzen sein. Antike. Die „GeoCode“-Systematik sowie die Befunddatenbank bilden ferner die Basis für eine Reihe weiterer digitaler Materialsammlungen, die andere Einrichtungen zur Verfügung stellten, um geographisch verortet zu werden. • 3-D-Kulturdatenbank Carnuntum: vom Land Niederösterreich betriebenes Web-Portal mit größtenteils Laser-gescannten Fundobjekten aus Carnuntum. • Etwa 38.500 Fundmünzen, die im Zuge des FMRÖ-Projektes von der Numismatischen Kommission der ÖAW aufgenommen wurden. • Die von Martin Mosser (Stadtarchäo- logie Wien) bearbeiteten Steindenkmäler der 15. Legion aus Carnuntum. Anzuschließen sind hier mehrere instituts- eigene Datensammlungen zu römischen Zie- 3-D-Kulturdatenbank geln und Grabsteinen. Durch die Definition der Carnuntum: Scan einer „GeoCodes“ und die damit erfolgte Verortung römischen Amorstatuette von Befunden und Funden können mittlerweile

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Kern Band 45.indd 18 01.07.2011 10:20:41 Wie groß sind die canabae legionis? – Ein archäologischer Oberflächensurvey im Umfeld der Carnuntiner Lagervorstadt

Christian Gugl Seit dem systematischen Einsatz von Luftbildar- etwa 3,8 ha im südlichen Vorfeld des Auxiliarkas- chäologie und geophysikalischer Prospektion hat tells sowie auf den Mühläckern an der östlichen sich unser Bild von der Ausdehnung und Struk- Siedlungsperipherie. tur der römischen Stadt Carnuntum grundlegend In der Osthälfte von Carnuntum sind vor verändert. Bis in die 1970er Jahre bildeten aus- allem der Luftbildarchäologie zahlreiche neue schließlich Ausgrabungen die Grundlage, um Fra- Ergebnisse zu verdanken, die es erlauben, einen gen zur Siedlungsstruktur und -entwicklung von sehr detailreichen Gesamtplan einer Lagervorstadt Carnuntum beantworten zu können. Mit dem zu zeichnen. Die siedlungsarchäologische Auswer- Beginn der systematischen Luftbildprospektion tung der Luftbilder aus dem Bereich der Carnun- und – etwas später – dem Einsetzen groß ange- tiner canabae konnte mittlerweile abgeschlossen legter geophysikalischer Messungen lässt sich nun werden. Über 5.300 anhand von Bewuchsmerk- sehr viel präziser abschätzen, wie groß die römi- malen identifizierte Objekte geben in Verbindung sche Siedlung war und wie dicht bebaut einzelne mit den bereits veröffentlichten Grabungsergeb- Siedlungsareale angelegt wurden. Seit 1990 wer- nissen einen sehr detaillierten Einblick in eine den in der sogenannten Zivilstadt sowie westlich römische Lagervorstadt, wie sie bisher von kei- und südlich davon auf einer Fläche von mittler- nem anderen Legionsstandort vorliegt. Die Stär- weile mehr als 115 ha geophysikalische Prospekti- ken einer Prospektionsmethode wie der Luft- Luftbildarchäologie in onen durchgeführt, wobei unterschiedliche Mess- bildarchäologie liegen vor allem in der Detektion Carnuntum: Blick vom Legionslager Richtung methoden zum Einsatz kamen (Geomagnetik, großräumiger Siedlungszusammenhänge. Im Falle Süden. Das Straßensystem Geoelektrik, Georadar). Im Bereich der Lagervor- der Carnuntiner canabae ist die Qualität der Luft- der Lagervorstadt ist be- stadt (canabae legionis) erfolgten bisher geophysi- aufnahmen aber vielfach so ausgezeichnet, dass sonders gut zu erkennen. kalische Untersuchungen auf einer Fläche von nur auch kleinste Details – nicht nur Gebäude, son- dern auch Gräber und manchmal sogar alte Gra- bungsschnitte – aus der Luft dokumentiert wer- den konnten. Dennoch bieten die genannten archäolo- gischen Prospektionsmethoden keine Möglich- keiten, die unter der Erde georteten Strukturen chronologisch einzuordnen, da nur Ausgrabun- gen datierendes Fundmaterial in Verbindung mit zugehörigen Baustrukturen liefern können. Mit dem sogenannten Oberflächensurvey verfügt die Archäologie jedoch über eine Methode, die gewis- sermaßen einen Kompromiss darstellt: Unter Ver- zicht auf langwierige Ausgrabungen wird das an der Oberfläche befindliche archäologische Fund- material systematisch aufgesammelt, seine Ver- teilung und Dichte dokumentiert und die so

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Kern Band 45.indd 19 01.07.2011 10:20:42 gewonnenen Daten werden dann auf verschiedene Wie Luftbildarchäologie und geophysikalische Fragestellungen hin, zumeist unter chronologi- Prospektion lassen sich auch Oberflächensur- schen und funktionalen Aspekten, ausgewertet. veys zerstörungsfrei und großflächig anwenden. Weil zwischen den Oberflächenfunden Die offene, unverbaute Landschaft in Carnuntum und den Befunden kein baulich-stratigraphischer kommt diesen Untersuchungsmethoden sehr ent- Zusammenhang mehr besteht, sind diese hin- gegen. In Carnuntum wurden bereits zwischen sichtlich ihrer Aussagekraft größeren Einschrän- 1999 und 2001 Oberflächenbegehungen und kungen unterworfen als Fundmaterial aus Ausgra- Kartierungen von Kurt Bors durchgeführt. Im bungen. Insbesondere wenn keine oder nur sehr Gegensatz zu diesen älteren Arbeiten wurde der wenige zusätzliche Informationen zu den Sur- Oberflächensurvey der Jahre 2009/2010 auf die veyarealen zur Verfügung stehen, ist bei der Inter- Luftbildauswertung abgestimmt. Fragen nach der pretation der Fundensembles Umsicht gefragt. Siedlungsausdehnung und der Siedlungsdichte Weil die Prozesse, die die spezifische Zusammen- der Lagervorstadt standen zunächst im Vorder- setzung von Oberflächenensembles beeinfluss- grund. Fehlstellen im Luftbildplan müssen bei- ten, in der Regel nicht mehr nachvollziehbar sind, spielsweise nicht unbedingt siedlungsfreie Zonen ist es ratsam, bei der Auswertung möglichst viele darstellen, sondern können auch auf bestimmte andere Datenquellen zu berücksichtigen. Eine Faktoren zurückgehen, die die Ausbildung von Gegenüberstellung von Prospektionsergebnis- erkennbaren Bewuchsmerkmalen verhinderten. sen und Oberflächenfundmaterial kommt deshalb Die Verteilung der Oberflächenfunde sollte also der siedlungsarchäologischen Auswertung zugute. ein Korrelativ zu den Informationen darstellen, Auch eine Einbeziehung von nicht-archäologi- die die Luftbilder bereitgestellt hatten. schen Daten, beispielsweise der naturräumlichen Die in den letzten beiden Jahren durchge- Gegebenheiten, kann zur Deutung beitragen. führte Untersuchung war nicht als reiner Stadt- Blick vom Hundshei- Nur in den seltensten Fällen wird man aus dem survey konzipiert, der sich auf den unmittelba- mer Berg Richtung Wes- Umfeld eines Surveys auf Ausgrabungsergebnisse ren Siedlungsbereich der canabae beschränkt. ten. Ein Großteil der um zurückgreifen können, die dem Oberflächenma- Vielmehr wurden auch das Umland und einzelne das Legionslager gelegenen terial gegenübergestellt werden können und prä- identifizierbare Fundstellen im weiteren Vor- canabae legionis ist auch zisere Aussagen zu den Fundablagerungsprozessen feld der Lagervorstadt einbezogen. Der Unter- heute noch unverbaut. ermöglichen. suchungsraum wurde so gewählt, dass spezifi- sche Oberflächenensembles aus unterschiedlichen Siedlungsräumen zu erwarten waren: In den Nah- bereichen zum Legionslager wurden Fundvertei- lungsmuster angetroffen, die, im Gegensatz zu anderen Surveyflächen, die sich teilweise mehr als zwei Kilometer vom Lager entfernt befanden, als charakteristisch für dicht besiedelte Stadtare- ale angesehen werden können. Diese Vorgangs- weise versprach erste grundlegende Erkenntnisse zur Besiedlungsdynamik der Carnuntiner cana- bae, die sich im Spannungsfeld von verdichtetem Stadtraum, Siedlungsperipherie und angrenzen- dem Umland besonders gut herausarbeiten las- sen sollten. Aus arbeitsökonomischen Gründen war aber auch eine Reihe von Einschränkungen

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Kern Band 45.indd 20 01.07.2011 10:20:42 notwendig. Der Schwerpunkt der Tätigkeiten lag den Sommermonaten Juli, August und Sep- im Südbereich der Carnuntiner Lagervorstadt, tember wurden mit einem standardisierten Ver- insbesondere auf den Feldern südlich der heu- fahren sämtliche freien Flächen durchschnitt- tigen Bundesstraße B9. Vereinzelt wurden auch lich von vier bis fünf Personen abgesucht, die in Felder begangen, die weit außerhalb der canabae ca. 10 - 15 m voneinander entfernten Suchlinien Richtung Pfaffenberg bzw. entlang der Überland- arbeiteten. Nach einer Wegstrecke von zumeist straße zum Nachbarkastell - (SK) 25 - 35 m wurden die aufgelesenen Oberflächen- lagen. Letzteres diente vor allem dazu, potenti- funde jeweils verpackt und beschriftet. Die Ein- elle Fundstellen im Umland der Lagervorstadt zu messung erfolgte über die mittlere Suchposition verifizieren bzw. chronologische Anhaltspunkte mit Hilfe eines differentiellen GPS-Feldcompu- sicherzustellen. In der Kernzone südlich der Bun- ters, in dem auch andere Beobachtungen wie auf- desstraße wurde die Auswahl der Flächen nicht fällige Fundkonzentrationen (z.B. von Baustei- nur auf Fundhoffnungsgebiete beschränkt. Sie nen) oder die generellen Auffindungsbedingungen erfolgten ohne Präferenzen, weder topographi- am Feld vermerkt wurden. Um im Gelände eine scher noch chronologischer Natur. Somit wur- möglichst flexible Anpassung des Personalstands den auch Äcker begangen, die aufgrund der Pros- an unterschiedliche Parzellenbreiten oder andere pektionsergebnisse nicht unmittelbar als besiedelt (unerwartete) Bedingungen vornehmen zu kön- ausgewiesen waren. In diesem Bereich schloss der nen, nahm man variierende Entfernungen zwi- Die in den Jahren 2009 Survey Areale ein, die zur Peripherie der geschlos- schen den einzelnen Suchlinien in Kauf. Hier und 2010 begange- senen Bebauung zu zählen sind, ferner Gräber- erwies es sich als vorteilhaft, die Außenpositionen nen Flächen. Die Kern- zone des Survey befindet felder, danach bereits anscheinend offenes Land, des Suchpersonals mit einfachen GPS-Datenlog- sich südlich der heuti- aber auch die ersten ländlichen Siedlungsstellen gern auszustatten, die zudem die Funktion eines gen Bundesstraße B9 im Vorfeld der canabae. Surveyprotokolls erfüllten, indem sie den gesam- auf dem Gebiet der KG Eine flächendeckende Begehung dieses ten Bewegungsablauf aufzeichneten. Bad Deutsch-Alten- Gebiets war dennoch nicht möglich: einerseits In den Jahren 2009 und 2010 konnten burg (Kartengrundlage: wegen der bestehenden landwirtschaftlichen Nut- auf diese Weise an insgesamt nur 16 Arbeitsta- SW-Orthofotos BEV EB zung auf einzelnen Parzellen, andererseits wegen gen über 27.000 Funde, überwiegend Keramik, 2003/01203). einzelner nicht-kooperativer Grundbesitzer. In auf einer Gesamtfläche von etwas mehr als 200 ha gesammelt werden. Besonderes Augenmerk wurde darauf gelegt, tagtäglich möglichst dieselben Auf- findungsbedingungen vorzufinden. Bekannterma- ßen stellen frisch bestellte Äcker, die bereits einem ausreichenden Niederschlag ausgesetzt waren, die besten Bedingungen für einen Oberflächensurvey dar. Während sich unterschiedliche Suchabstände und andere divergierende räumliche Parame- ter bei der Auswertung in einem Geographischen Informationssystem (GIS) vergleichsweise einfach korrigieren lassen, gestaltet sich die Modellie- rung unterschiedlicher Auffindungsbedingungen und ihres Einfluss auf die Fundhäufigkeit weitaus schwieriger. Im Anschluss an die Feldbegehungen wurde das Fundmaterial sofort gereinigt und nach defi- nierten Materialgattungen und Zeitperioden

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Kern Band 45.indd 21 01.07.2011 10:29:25 der Lagervorstadt erfolgte Untersuchung Modell- charakter auch für andere Teilbereiche von Car- nuntum beanspruchen kann. Mein besonderer Dank gilt allen Kolle- ginnen und Kollegen, die sich am Surveypro- jekt beteiligten: Magdalena Bru Calderon, Emira Hasanović, Simon Heinrich, Michael Hirschler, Isabella Kitz, Markus Weissenhorn (Feldbegehun- gen) sowie Michaela Kronberger (und Mitarbei- ter), Silvia Radbauer (Fundauswertung).

bestimmt. Diese erste grobe Klassifikation des Fundmaterials erlaubt sofort eine Visualisie- rung von Fundverteilungen nach qualitativen und quantitativen Kriterien. Besonders vielver- sprechend, vor allem im Hinblick auf Wachs- tums- und Schrumpfungsprozesse der Siedlung, erscheint die Auswertung der Importkeramik, wie der Terra Sigillata, die chronologisch besonders aussagekräftig sind. Gerade im Hinblick auf Vor- gänge wie der Rekonstruktion der Besiedlungs- dynamik wird man sich auch mit dem bekannten Phänomen des „Schmutzgürtels“ („Scherben- schleiers“) auseinandersetzen müssen, also der ausgeprägten Zone außerhalb einer Siedlung, in der auf den umliegenden Äckern die Abfälle ent- sorgt wurden. Der Oberflächensurvey 2009/2010 wurde zwar als reines Forschungsprojekt konzipiert. Survey-Methode: Die Mittelposition (M) wurde mit- Dennoch ist er meines Erachtens auch für die tels GPS-Feldcomputer zumeist im Submeter-Genau- Denkmalpflege in Carnuntum von großer Bedeu- igkeitsbereich eingemessen, die Wegstrecke der Außen- tung. Er bildet nicht nur eine sehr gute Ergän- positionen – in diesem Fall R1 und L2 – mithilfe von zung zu den bisher erfolgten Fundmeldungen, GPS-Datenloggern (gelbe und hellblaue Punkte) auf- sondern bietet auch die Möglichkeit, im Zusam- gezeichnet (oben). menwirken mit der archäologischen Prospek- tion unsere Kenntnisse zur Siedlungsperipherie, GPS-Feldcomputer Trimble GeoXH 2005 zur Ausdehnung und zum Vorfeld der römischen (rechts oben) Stadt entscheidend zu erweitern. Es wäre zu wün- schen, dass diese bisher ausschließlich im Umfeld Holux GPS-Datenlogger (rechts unten)

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Kern Band 45.indd 22 01.07.2011 10:29:28 Archäologische Prospektion der Landschaft Carnuntum

Wolfgang Neubauer Die Bodendenkmäler in der archäologischen Land- Die unbefriedigende Situation wird durch die schaft von Carnuntum, der größten Österreichs, immer knapper werdenden finanziellen Mittel in sind durch die moderne Siedlungs- und Infrastruk- der Bodendenkmalpflege und der archäologischen turentwicklung und den damit verbundenen mas- Forschung weiter verschärft. Wurden in der Ver- siven Landverbrauch ständig von der Zerstörung gangenheit großflächige archäologische Ausgrabun- bedroht. Wegen der raschen Bauplanung und -aus- gen und Sondierungsschnitte vorgenommen, um führung und des Ausmaßes der zentralen archäo- den Gesamtplan der römischen Stadt zu rekonst- logischen Zone (ca. 6,5 km2) ist die personell ruieren, nutzt die moderne Archäologie in immer Archäologische Zonen und finanziell unterdotierte Bodendenkmalpflege höherem Ausmaß zerstörungsfreie Methoden der im Bereich der Kernzone alleine mit dem Schutz bzw. der Dokumentation Auffindung und Kartierung des im Boden verbor- von ­Carnuntum dieser Denkmale bei weitem überfordert. genen archäologischen Erbes. Im Besonderen die

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Kern Band 45.indd 23 01.07.2011 10:29:29 Eigenschaften der archäologischen Struktur zu dem sie umgebenden Material. Für die archäologischen Anwendungen werden spezielle Messkonfigurati- onen und automatisierte Systeme verwendet, mit denen eine flächenhafte, rasterförmige Erkundung mit Messpunktabständen im Dezimeterbereich in kurzer Zeit möglich ist. Nur diese kleinen Raster- weiten, kombiniert mit der höchsten Genauigkeit der Messgeräte, ermöglichen die Erkundung von archäologischen Feinstrukturen im Bereich von 10 - 50 cm. Die bei solchen Messungen anfallenden großen Datenmengen werden mit speziell dafür entwickelten Verfahren ausgewertet und als digi- tale Bilder der erfassten magnetischen oder elektri- Großflächige­Pr ospek- luftbildarchäologische und die geophysikalische schen Eigenschaften des Untergrunds visualisiert. tionsmessungen im Prospektion haben sich hervorragend für die Kar- Das GPR ermöglicht es, die im Boden verborgenen Bereich der Zivilstadt tierung und Detaildokumentation von römischen Strukturen durch den Einsatz elektromagnetischer von Carnuntum Städten bewährt. Um mit der rasch fortschreiten- Wellen dreidimensional zu erfassen und detailliert den Zerstörung des kulturellen Erbes Schritt zu zu untersuchen, um den durch die Luftbildarchäo- halten, sind sowohl für die Archäologie als auch für logie und Magnetik geschaffenen Überblick weiter die Raumplanung die genaue Lokalisierung, Aus- zu verdichten. dehnung und der Erhaltungszustand der archäolo- Im Verlauf der letzten 15 Jahre wurde in gischen Strukturen von grundlegender Bedeutung. Österreich für die großflächige archäologische Pro- Das Ausmaß der archäologischen Land- spektion römischer Städte im Rahmen unterschied- schaft Carnuntum macht jedoch die Entwick- licher Forschungsprojekte in Kooperation mit lung und den systematischen Einsatz noch effizi- Bund, Land und Gemeinden eine integrative Stra- enterer Techniken und Untersuchungsmethoden tegie aus kombinierter luftbildarchäologischer und notwendig, um den Herausforderungen, welche geophysikalischer Prospektion entwickelt, die auch durch die dringend erforderliche Dokumentation des bedrohten archäologischen Erbes entstehen, gerecht zu werden. Dabei bieten neben Luftbildar- chäologie (vgl. Beitrag Doneus) und flugzeuggetra- genem Laser- und Hyperspektral-Scanning beson- ders die letzten Entwicklungen im Bereich der geophysikalischen Prospektion eine verglichen mit dem Informationsgewinn außerordentlich kos- tengünstige Möglichkeit, um rasch und detailliert Hochauflösende Boden- Information über den Untergrund zu gewinnen. radarmessung im Bereich Von den zahlreichen geophysikalischen des Südteils des Forums Methoden haben sich im Falle von Carnuntum der Zivilstadt von Car- besonders die Magnetik, die elektrische Bodenwi- nuntum, Tiefenscheibe aus dem dreidimensio- derstandsmessung und das Bodenradar (ground nalen Datenblock aus penetratig radar = GPR) bewährt. Die geophysi- dem Tiefenbereich von kalische Prospektion beruht auf der Messung von 1,35 - 1,5 m geringfügigsten Kontrasten in den physikalischen

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Kern Band 45.indd 24 01.07.2011 10:29:31 international Beachtung gefunden hat. In den ver- Strukturen erkennen ließ. Hier wurde vor 15 Jah- gangenen zwei Jahrzehnten wurden bedeutende ren mit einer Bodenwiderstandsmessung ein Investitionen in die archäologische Prospektion monumentaler Gebäudekomplex um einen offe- von Carnuntum getätigt. Eine Unzahl von Luft- nen Platz entdeckt: das Forum der Zivilstadt von bildaufnahmen und topographischen Daten konn- ­Carnuntum. Eine zusätzliche großflächige mag- ten zu einem detailreichen Gesamtplan verarbeitet netische Prospektion ergab einen Einblick in die werden. Hochauflösende geophysikalische Pros- gesamte umliegende Stadtfläche. Ständig wieder- pektionsmethoden wurden in Carnuntum getestet, holte und immer höher auflösende GPR-Messun- entwickelt und für die Untersuchung ausgedehnter gen von ausgewählten Teilbereichen resultierten in Flächen innerhalb des archäologischen Parks und Daten von hervorragender Qualität und einer Fülle der umliegenden Gebieten eingesetzt. neuer archäologischer Information. Carnuntum diente über mehrere Jahre hin- Parallel dazu wurden neue spezialisierte weg als eine der wichtigsten Testflächen für die Softwarewerkzeuge für die effiziente Verarbeitung Entwicklung von hochauflösenden geophysikali- und Darstellung der erfassten geophysikalischen schen Prospektionsmethoden durch VIAS-Univer- Daten entwickelt und ständig verbessert. Die in sität Wien und das Team ArcheoProspections® der den komplexen Prospektionsdaten enthaltene Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik. Information wurde durch eine GIS-basierte integ- Großflächige Magnetfeldmessungen im Ausmaß rierte archäologische Interpretation in archäologi- von annähernd 2 km² konnten mit äußerst sensib- schen Überblickskarten und Detailpläne einzelner len, optisch gepumpten Cäsiummagnetometern Gebäude, Straßen und der römischen Infrastruk- Motorisiertes MIRA-Bo- vorgenommen werden. GPR erwies sich als äußerst tur konvertiert und erlaubt eine virtuelle Rekon- denradarsystem (MALÅ) potente Methode, die einen dreidimensionalen struktion des grundlegenden Stadtplanes und der mit einer Multiantennen- Einblick in den Untergrund ermöglicht und seit Entwicklung der ehemaligen Landschaft in drei Anordnung bestehend 1998 intensiv in Carnuntum zum Einsatz gebracht Dimensionen. Die bisherigen Arbeiten belegen, aus 16 Radarantennen mit einer Zentrums- und stetig weiterentwickelt wurde. dass eine professionelle archäologische Prospek- frequenz von 400 Die bisher bedeutendste Entdeckung gelang tion römischer Städte wie auch gesamter archäo- MHz im Testeinsatz in innerhalb eines 5 ha großen Gebiets, in dem die logischer Landschaften nur in Kombination mit ­Carnuntum 2010 luftbildarchäologischen Auswertung nur wenige zerstörungsfreien Fernerkundungsmethoden wie Luftbildfotografie, flugzeuggetragenem Hyper- spektral- und Laserscanning und geophysikali- schen Prospektionsmethoden durchgeführt wer- den kann. Dieser in Wien entwickelte, zerstörungs- freie und nachhaltige Zugang zur archäologischen Dokumentation von römischen Städten ist auch im internationalen Vergleich beispielhaft für eine moderne, kosten- und zeiteffiziente Archäologie, die sich nicht nur mit der jeweiligen archäologi- schen Fundstelle, sondern auch mit der umliegen- den Landschaft auseinandersetzt. Die in diesen Fallstudien gewonnenen Erfahrungen und die entwickelten Auswerte- und Interpretationsverfahren stellen die Grund- lage für die Erstellung einer Strategie zur Gesamt- prospektion in Carnuntum dar. Eine solche

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Kern Band 45.indd 25 01.07.2011 10:29:32 Von oben nach unten: Gesamtprospektion scheint sowohl aus wissen- schaftlicher als auch in raumplanerischer und Motorisierte Messsysteme denkmalpflegerischer Sicht dringend erforderlich. des Ludwig Boltzmann Sie könnte für den Schutz und die wissenschaft- Instituts für Archäolo- liche Erforschung wie auch für die wirtschaftli- gische Prospektion und che Nutzung der größten archäologischen Zone Virtuelle Archäologie: Österreichs richtungsweisende Impulse geben und A: Multiantennen die verschiedenen Anstrengungen auf klare Ziel- Radarsystem (MALÅ setzungen fokussieren. Imaging Radar Array) an Das neu gegründete und auf einer interna- der Fronthydraulik eines tionalen Partnerschaft beruhende Ludwig Bolt- Kommunaltraktors im zmann Institut für Archäologische Prospektion Einsatz im Bereich des und Virtuelle Archäologie (LBI) ist der Entwick- Amphitheaters der Zivil- lung und Anwendung modernster zerstörungs- stadt von Carnuntum für freier Prospektionsmethoden gewidmet. Es ist hochauflösende Messun- das erklärte Ziel des LBI, den Stand der Tech- gen in einem Raster von 8 x 8 cm nik im Bereich der archäologischen Prospek- tion weiterzuentwickeln und die Grundlagen für B: Multiantennen-Bo- eine effiziente Dokumentation gesamter archäo- notwendigen Schritte zu setzen und durch den denradarsystem SPIDAR logischer Landschaften zu entwickeln. Die tech- systematischen Einsatz dieser neuen Methoden (sensors and software ltd) nischen Möglichkeiten und notwendigen For- zu einem nachhaltigen, wissensbasierten Manage- für hochauflösende Mes- schungsstrukturen sind damit geschaffen, um für ment der archäologischen Landschaft Carnuntum sungen in einem Raster eine nachhaltige und zukunftsweisende Doku- zu kommen. von 25 x 5 cm mentation des archäologischen Erbes systematisch zum Einsatz zu kommen, wie dies auch durch C: Multisensor_Magneto- metersystem die Valleta-Konvention gefordert wird. Es ist an der Zeit, durch eine entsprechende Wende in Schrägansicht der integrierten archäologischen Pros- der Bodendenkmalpflege und Raumplanung die pektion des Forums der Zivilstadt von Carnuntum

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Kern Band 45.indd 26 01.07.2011 10:29:35 Luftbildarchäologie im Hinterland des niederösterreichischen Limes

Michael Doneus Die Luftbildarchäologie zählt zu den ältesten ständiges Bedrohungsszenario für die im Boden archäologischen Prospektionsmethoden. Auch verborgene materielle Hinterlassenschaft dar. Diese wenn ihre Anfänge im deutschsprachigen Raum kontinuierlich ablaufenden Zerstörungsvorgänge bereits auf die Zeit um den Ersten Weltkrieg sind irreversibel – erst durch Kenntnis der bedroh- zurückgehen, wird sie erst seit den 1960er Jahren ten Archäologie lassen sich die Fundstellen und mit regional unterschiedlicher Intensität mehr oder deren Strukturen wirksam schützen oder das Aus- weniger systematisch betrieben. Die Luftbildar- maß der Zerstörung schlimmstenfalls beurtei- chäologie trägt so viel wie keine andere Methode len. Dabei stellt die Luftbildarchäologie die im zum Denkmalschutz bei. Moment effizienteste Methode dar, große Gebiete Die Überreste früherer Kulturen wer- systematisch mit finanziell vertretbarem Aufwand Römische Villa in Lei- den in steigendem Ausmaß großflächig zer- zu untersuchen. Dies stellen die bis 1995 entdeck- thaprodersdorf, fotogra- stört. Die natürliche Erosion, beschleunigt durch ten 47.000 Fundstellen aus Deutschland nur allzu fiert im Juni 2005. Die modernen Ackerbau und die damit verbunde- eindrucksvoll unter Beweis. Mauern des Hauptge- bäudes und zahlreicher nen Flurbereinigungen, aber auch Abbauvorha- Aus der Luft lassen sich archäologische Nebengebäude zeigen sich ben, Straßen- und Eisenbahnbau, Errichtung Fundstellen deshalb erkennen, weil menschliche deutlich als helle Linien von Industriearealen und Windparks sowie nicht Tätigkeiten, wie z.B. das Errichten von Häusern, im Getreide. zuletzt die zahllosen Neubaugebiete stellen ein das Bestatten der Toten oder das Befahren von Wegen, zu allen Zeiten Spuren im Boden hinterlie- ßen. Diese Bodendenkmäler können je nach Erhal- tungszustand unter bestimmten Bedingungen an der Erdoberfläche sichtbar werden. In Abhängigkeit der Hauptkomponente, die für die Sichtbarkeit von Fundstellen an der Erd- oberfläche verantwortlich ist, werden mehrere soge- nannte Sichtbarkeitsmerkmale unterschieden. In erster Linie sind dies Schatten-, Boden- und Bewuchsmerkmale. Vor allem die Bewuchsmerk- male sind für die Luftbildarchäologie von Bedeu- tung: Die im Boden verborgenen Spuren frühe- rer menschlicher Tätigkeit wirken sich auf das Wachstum der darüber angebauten Pflanzen aus. Über mit feinerem und humosem Material gefüll- ten Gräben oder Gruben haben Pflanzen ein größe- res Feuchte- und Nährstoffreservoir, wachsen höher, haben ein intensiveres Grün und reifen später. Der Luftbildarchäologe spricht hier von einem positi- ven Bewuchsmerkmal. Über Mauern oder Wegen ist das Gegenteil der Fall. Den Wurzeln steht eine

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Kern Band 45.indd 27 01.07.2011 10:29:36 Dieses Luftbild vom Juni oft zu trockene, dünne Humusdecke zur Verfü- 2000 zeigt das Haupt- gung. Die Pflanzen haben daher einen kürzeren gebäude und mehrere Wuchs, reifen früher oder verkümmern rasch (nega- Nebengebäude einer tives Bewuchsmerkmal). Besonders gut lassen sich großen villa rustica diese Bewuchsmerkmale aus der Luft beobachten: in Pöttsching. Zusammenhänge und Details werden einfacher und schneller verstanden und können durch photogra- phische Aufnahmen dokumentiert werden. In Carnuntum wird bereits seit Längerem luftbildarchäologisch gearbeitet, was mittlerweile zu einem Gesamtplan von Zivilstadt, canabae legio- nis und ihrer näheren Umgebung geführt hat (siehe den Artikel von Franz Humer in diesem Band). In den letzten Jahren konnten auch Teile des Hinter- Ein wesentlicher Punkt luftbildarchäologischer landes systematisch prospektiert werden: Im Zuge Arbeit ist die Auswertung dieser Bilder unter Ver- des vom FWF geförderten Projektes „Die Kelten wendung modernster Technologien. Die archäo- im Hinterland von Carnuntum“ wurde ein Gebiet logische Interpretation der Luftbilder geht in der entlang der Leitha zwischen Wiener Neustadt und Regel Hand in Hand mit einer genauen Umzeich- Römische Villa in Au Bruck an der Leitha archäologisch untersucht. In nung ihrer unzähligen Gruben, Gräben, Mauern, am Leithagebirge vom nur 35 Flugstunden konnte das etwa 600 Quad- Grabgruben, Wege etc. Diese Kartierung erfolgt in Juni 2005. Neben dem ratkilometer große Areal mehrfach systematisch einem Geographischen Informationssystem. Das Gebäudekomplex kann untersucht werden. Zusätzlich wurden über 2000 erklärte Ziel dabei sind die archäologische Deu- man auch große, recht- Senkrechtaufnahmen des Österreichischen Bun- tung des Luftbildinhaltes und dessen Darstellung eckige, dunkelgrüne desheers ausgewertet und in Bezug auf archäologi- in einem verständlichen und maßstäblichen Plan. Bewuchsmerkmale sche Fundstellen interpretiert. Dadurch konnte das Dabei müssen zuerst die geometrischen Verzerrun- erkenne, die von einge- Inventar archäologischer Fundstellen verdoppelt gen korrigiert werden, die unter anderem durch tieften Gebäuden stam- werden: Wir kennen in diesem Gebiet nun über den schrägen Aufnahmewinkel, die Höhenunter- men dürften. 1400 Fundstellen. schiede am Boden oder die Objektivverzeichnung der Kamera entstehen. Diese Entzerrungen werden mit Hilfe modernster digitaler photogrammetri- scher Methoden durchgeführt. Im Zuge der systematischen Umzeichnung aller archäologisch relevanten Strukturen, welche in den Luftbildern interpretiert werden konnten, wurden in Summe etwas mehr als 20.000 archäo- logische Merkmale (in der Hauptsache Gruben, Grubenhäuser, Gräber, Mauern, Hausgrundrisse und Gräben) mit einer Genauigkeit zwischen 0,5 und 2 m kartiert. Darüber hinaus konnten über 12.000 landschaftsbezogene Merkmale (z.B. Drai- nagen, Paläomäander etc.) in derselben Genauig- keit umgezeichnet werden. Sämtliche neuen Fundstellen wurden in der Folge gezielt und zum Teil mehrfach began- gen. Die dabei an der Oberfläche aufgefundenen

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Kern Band 45.indd 28 01.07.2011 10:29:38 Von oben nach unten: Artefakte dienten zur Bestätigung und zur Datie- rung der Luftbildinterpretationen. Dadurch Verteilung der römischen konnte die Kenntnis zu den archäologischen Fundstellen im Projekt- Fundstellen des Leitharaumes stark erweitert wer- gebiet. Weiß: Fundstellen den. So stieg die Zahl der Nachweise von Fund- vor Projektbeginn, grau: stellen aus der römischen Kaiserzeit von 142 auf durch luftbildarchäologi- 220. Wenn man bedenkt, dass es sich hier um ein sche Prospektion entdeckte archäologisch gut erkundetes Gebiet in Österreich Fundstellen. handelt, so zeigt dies deutlich, welches Poten- zial in der systematischen luftbildarchäologischen Ausschnitt des Projekt- Prospektion steckt. gebietes mit Fundstel- Ebenso wichtig erscheint, dass man durch len, Paläomäandern und das Luftbild auch ehemalige Flurgrenzen und Stra- anderen umweltrelevan- ßen großflächig erkennen und kartieren kann. Das- ten Strukturen selbe gilt für Merkmale der Landschaft, wie z.B. Auf der Kartierung von ehemalige Flussmäander, Terrassenkanten, Über- römischen Siedlungen schwemmungsebenen, aber auch Drainagen, die (rote Quadrate) und ehe- auf ehemalige Feuchtgebiete hinweisen. Viele die- maligen Flussarmen der ser Strukturen lassen sich im Luftbild direkt beob- Leitha zeigt sich deut- achten und auch zu Plan bringen. Durch die Inter- lich ein räumlicher pretation von über 400 entzerrten Luftbildern Zusammenhang. Even- entstand auf diese Weise auch eine Karte aller als tuell handelt es sich hier- Schatten-, Boden- oder Bewuchsmerkmal erkenn- bei um den eisenzeitli- baren Paläomäander entlang der Leitha. Die chen / römischen Verlauf Gesamtdarstellung zeigt die Dynamik der Leitha, der Leitha. die sich innerhalb der vergangenen 10.000 Jahre immer wieder neue Wege gebahnt hat. Im Raum Lichtenwörth kann man anhand der kartierten Paläomäander einen zusammenhängenden Fluss- lauf erkennen, der von Siedlungen der jüngeren Eisenzeit und römischen Kaiserzeit begleitet wird: Eventuell handelt es sich hierbei um den eisenzeit- lichen / römischen Verlauf der Leitha. Luftbildarchäologie ist viel mehr als das „bloße“ Auffinden von Fundstellen oder eine Ergänzung zur Verbreitungskarte. Sie kann den Archäologen detaillierte Einblicke auch in sub- tile Strukturen der materiellen Hinterlassenschaft geben. Luftbildarchäologie nur für die Auffin- dung von Fundstellen einzusetzen, würde daher ihre Bedeutung verkennen. Ein Ignorieren ihres Potenzials bei der detaillierten Kartierung der archäologischen Strukturen ist ein freiwilliger Informationsverzicht, den sich die Archäologie nicht leisten kann.

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Kern Band 45.indd 29 01.07.2011 10:29:40 Archäologie am niederösterreichischen Limes

Martina Himterwallner Seit nunmehr über 30 Jahren ist der römische handschriftlich anmerkte, dass es sich bei Tulln Martin Krenn Donaulimes ein zentrales Betätigungsfeld der um das römisches Comagenis handelt. Die frü- Ute Scholz archäologischen Denkmalpflege. Bedingt durch hesten archäologischen Untersuchungen auf dem zahlreiche Bauvorhaben in den bis dato weitgehend Stadtgebiet gehen auf das Jahr 1871 zurück, als im unversehrten innerstädtischen Bauensembles kann Zuge des Eisenbahnbaues römische Gräber frei- hier die im Boden verborgene Geschichte der ältes- gelegt werden konnten. 1926 bis 1928 erforschte ten historischen Städte Österreichs untersucht und Nowalski de Lilia in der Flur Wildacker das römi- die 2000-jährige Besiedlungsgeschichte erforscht sche Gräberfeld Südwest und zwischen 1930 und werden. Im Folgenden sollen die drei wichtigs- 1933 Lebzelter und Thalmann das Gräberfeld Süd ten Untersuchungsbereiche der letzten Jahre – in der Wilhelmstraße. Ab 1929 wurde in dem Tulln, Pöchlarn und Schwechat – näher vorgestellt vom „Verein Heimatmuseum Tulln“ gegründe- werden. ten Heimatmuseum Tulln das ab dem 19. Jahrhun- dert gesammelte archäologische Fundmaterial der Tulln Öffentlichkeit präsentiert. Der Beginn der wissenschaftlichen Erforschung In den 70er und 80er Jahren des 20. Jahr- Tullns setzt bereits 1451/52 mit dem mittelalter- hunderts begannen erste systematische Grabun- Tulln, das römische lichen Historiker Thomas Ebendorfer von Hasel- gen des Denkmalamtes unter Hansjörg Ubl im Comagenis bach ein, der in einer Abschrift der Vita Severini Bereich der Stadtpfarrkirche, des Lagerinneren und

spätantike Gräber Alenkastell Albrechtsgasse Ost ? Vicus West

Gräberfeld Nordwest Gräberfeld Ost

Vicus Süd

Limesstraße Gräberfeld Süd Gräberfeld Südost Gräberfeld Südwest

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Kern Band 45.indd 30 01.07.2011 10:29:41 besonders im Bereich der porta principalis dextra, rekonstruierte Größe von 196 m (West-Ost-Erstre- die heute noch unter einem Schutzbau zu besich- ckung) zu 269 m (Nord-Süd-Erstreckung). Im tigen ist. In den späten 1980er Jahren erfolgten in Zuge der Grabungen im Bereich der Ländgasse der Donaugasse 44 und im Bereich des südöstli- konnten insgesamt vier Lagerbauphasen nachge- chen Fächerturms Untersuchungen des Institutes wiesen werden. Bei der ersten Bauphase handelt es für Ur- und Frühgeschichte unter Herwig Friesin- sich um ein Holz-Erde- mit vorgeblendeter ger. Besondere Unterstützung erhielten diese Arbei- Lehmziegelmauer und Palisaden, dem ein einfacher ten durch den Lokalforscher Karl Kubat, der par- Sohlgraben vorgelagert war. Diese Phase ist paral- allel zu den Forschungsgrabungen eine Reihe von lel mit den Befunden Ubls bei der porta principalis Bauprojekten überwachte, das Fundmaterial sam- dextra in das späte 1. Jahrhundert zu datieren. Tulln, Spruchbecher melte und Befunde dokumentierte. Im Jahr 104 erfolgten der Bau einer ersten mit der Inschrift „tibi Mit dem Jahr 1991, der Grabung Minori- steinernen Befestigung sowie die Errichtung eines do“, Grabfund aus dem tenkloster, setzten in Tulln bedingt durch zahlrei- zweiten, vorgelagerten Grabens. In der zeitlich bis- Gräberfeld Nordwest che innerstädtische Bauvorhaben bis jetzt laufende lang nicht näher eingrenzbaren dritten Bauphase kontinuierliche Grabungsaktivitäten der Abteilung wurde der innere Graben verfüllt und darüber für Bodendenkmale des Bundesdenkmalamtes ein. ein Holz-Erde-Wall errichtet. Dem 4. Jahrhun- Im Sinne eines stadtarchäologischen Pilotprojektes dert ist die Errichtung der Fächer- und Hufeisen- werden sämtliche Bauvorhaben seit diesem Zeit- türme sowie die Anlage eines Spitzgrabens zuzu- punkt archäologisch betreut. ordnen. Einer der Hufeisentürme, der sogenannte Mit dem Jahr 2005 ergaben sich neue quan- „Salzturm“, ist heute noch bis unter seine Dach- titative und qualitative Herausforderungen für das linie erhalten und stellt eines der bedeutendsten Bundesdenkmalamt. Mehrere große Bauvorhaben, baulichen Überreste am österreichischen Limes dar. die zusammen eine Fläche von rund 40.000 m² Archäologisch konnten für diese Phase weiters der umfassten, erforderten die Planung und Durch- südwestliche und südöstliche Fächerturm sowie der führung zahlreicher Großgrabungen, die großteils südwestliche Hufeisenturm belegt werden. Mitte parallel abgewickelt werden mussten. So ist es im des 5. Jahrhunderts verliert die Befestigung offen- Gebiet des antiken Comagenis, dem heutigen Tulln sichtlich ihre Funktion, wie die Grabenverfüllun- an der Donau, erstmals in Österreich möglich, die gen des spätantiken Spitzgrabens im Bereich Sport- Wiederbesiedlung und Nachnutzung antiker Bau- hauptschule zeigen. strukturen am Limes detailiert zu erforschen und Die zivilen Siedlungsbereiche zum Kastell die Grundlagen der Stadtentwicklung zu erfassen. lassen sich grob in ein westliches und ein südliches Das Alenlager Comagenis wurde vermutlich Lagerdorf gliedern, eine Verbauung östlich des Kas- Tulln, Henkelkrug, im späten 1. Jahrhundert n. Chr. unter der Herr- tells ist anzunehmen, konnte aber bislang archäo- Balsamar und Becher aus schaft Domitians (81 - 96 n. Chr.) errichtet. Ver- logisch nicht nachgewiesen werden. Der westli- Glas, Grabfunde aus dem einzelte Befunde, z.B. ein Ziegelplattengrab mit che Vicus orientiert sich am heutigen Verlauf der Gräberfeld Nordwest Ziegelstempel der 15. Legion sowie ein römischer Albrechtsgasse und war im Westen durch einen Graben westlich der porta principalis dextra und Spitzgraben unter dem ehemaligen Minoriten- der älteren Lagerbefestigung aus Lehmziegel deu- kloster begrenzt. Baulich charakterisiert war die- ten möglicherweise eine frühere Nutzung des Are- ser Bereich durch Streifenhäuser (Albrechtsgasse/ als an. Donaugasse) sowie durch einfachere Holzbau- Der Umbau zu einem Steinkastell erfolgte, ten. Spätantike Bestattungen über den Befunden wie auf einer Bauinschrift aus dem Jahr 104 des 2. und 3. Jahrhunderts deuten eine Aufgabe dokumentiert, einige Jahre später unter Tra- des westlichen Lagerdorfes ab dem ausgehenden jan (98 - 117). Das Steinkastell wurde bis in die 4. Jahrhundert an. Der südliche Vicus erstreckte Zeit des 5. Jahrhunderts belegt und besaß eine sich entlang der südlichen Ausfallstraße aus dem

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Kern Band 45.indd 31 01.07.2011 10:29:57 Lager, die knapp westlich der heutigen Karnergasse in einfachen Erdgräbern. Parallel zu der ersten verlief. Der südliche Abschluss konnte durch Gra- Belegungsphase des Gräberfeldes Nordwest sind bungen im Bereich Bahnhofstraße definiert wer- die Gräberfelder Ost und Südost zu datieren, wäh- den und reichte damit knapp über die mittelalter- rend die Bestattungen der entlang der Limesstraße liche Stadtbefestigung hinaus. Befunde unter der ausgerichteten Gräberfelder Südwest und Süd dem Stadtpfarrkirche und in der Wienerstraße, ein von 4. und der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts zuzu- Hansjörg Ubl ergrabener größerer Gebäudekom- rechnen sind. Bei den rund 400 Bestattungen im plex mit Hypokaustheizung und ein westlich daran Gräberfeld Süd konnten neben Erdgräbern zahlrei- anschließendes Gebäude mit reicher Wandbema- che Steinkistengräber sowie Bestattungen in Ziegel- lung, zeigen, dass direkt südlich des Lagers geho- plattengräbern befundet werden. bene bauliche Strukturen situiert waren. Tulln, Lampe mit Die archäologischen Untersuchungen und Pöchlarn Maskendarstellungen, Fundbergungen in Tulln konnten im heutigen Seit über 400 Jahren ist bekannt, dass sich im enge- Grabfund aus dem Stadtgebiet mehrere römische Gräberfelder nach- ren Stadtgebiet von Pöchlarn die Überreste des in Gräberfeld Nordwest weisen. Es handelt sich hierbei um das Gräber- antiken Quellen Arelape genannten Limes-Kastells feld Süd, das sich im Bereich der Bahnhofs- und befinden. Nach einer Überlieferung des Humanis- Frauentorgasse erstreckte, das Gräberfeld Südwest ten W. Lazius floss im 16. Jahrhundert die Donau im Gebiet der Konrad-von-Tulln-Gasse, der Wild- hier noch über römische Pflaster und Gemäuer. gasse und der Jahngasse, das Gräberfeld Nordwest, Heute ist der gesamte Kastellbereich überbaut. Pöchlarn, Hufeisenturm das Gräberfeld Südost im Bereich westlich des Oberirdisch war bis zu den großflächigen Gra- (rechts) Bahnhofes sowie das Gräberfeld Ost nördlich der bungen im Schlossareal in den Jahren 2002/2003 Langenlebarner Straße. Entsprechend der gesetzli- nichts mehr zu sehen. Umso sensationeller war chen Bestimmungen finden sich auch in Tulln die Gräberfelder entlang einer der Hauptausfallstraßen des römischen Lagers bzw. des zugehörigen Vicus. Die Gräberfelder Südwest, Süd und Süd- ost orientieren sich in etwa am Verlauf der süd- Tulln, Figur eines lich von Tulln vorbei führenden Limesstraße (heu- sitzenden Hundes, tiger Verlauf der Jahnstraße, der Franz Josef Straße Grabfund aus dem sowie der Bahnhofstraße), während die Gräberfel- Gräberfeld Nordwest der Nordwest und Ost an der von der Limesstraße abzweigenden, in das Lager selbst führenden Straße angeordnet sind. Im heutigen Straßenbild entsprä- che dieser Verlauf der Schießstattgasse, der Alb- rechtsgasse und dem östlichen Teil der Langenle- barner Straße. Das Gräberfeld Nordwest erstreckte sich vom Areal der ehemaligen Niederösterreichischen Landesfeuerwehrschule nach Westen. Durch die Grabungen 2005 bis 2008 konnten hier rund 600 Gräber erfasst werden, die eine erste Belegungs- phase vom 1. bis in das 3. Jahrhundert mit Brand-, Bustum- und Körpergräbern sowie eine Nachnut- zungsphase im 4. Jahrhundert zeigen. Hierbei han- delt es sich hauptsächlich um Körperbestattungen

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Kern Band 45.indd 32 01.07.2011 10:30:00 daher auch die Freilegung der Südost-Ecke des Die im Jahr 2009 durchgeführten Grabungen im Kastells im Bereich des Schlosses mit zwei sehr gut Innenstadtbereich westlich der Kirche (Kommu- erhaltenen Türmen. nalzentrum) erbrachten neue Daten zur Entwick- Einen guten Anhaltspunkt bezüglich der lungsgeschichte des römischen Kastells. Die ersten Westgrenze lieferten die Aufzeichnungen von archäologischen Spuren stellen zwei Ost-West aus- G. Melzer, die im Zuge von Kanalbauarbeiten in gerichtete Spitzgräben dar. Fehlendes Fundmate- den Jahren 1982 und 1983 erfolgten. Dokumen- rial erlaubt keine exakte Datierung. Wahrscheinlich tiert wurden dabei wahrscheinlich Teile des Fächer- handelt es sich aber um das Grabensystem des ers- turms im Bereich des Thörringplatzes. Diesen Infor- ten römischen Bau- bzw. Marschlagers. mationen zur Folge lag das Kastell somit deutlich Der Bau des ältesten Kastells fällt in die weiter im Norden, als bislang vermutet wurde und zweite Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. Die ist durch Erosion und neuzeitliche Veränderungen für den Bau verantwortliche Einheit kann nicht des Donauufers bereits partiell zerstört. Die Position genannt werden. Dieses Lager war vollstän- der südlichen Toranlage ist bisher nicht gesichert, dig aus Holz. Von den Innenbauten sind bis- lässt sich aber durch die Beobachtungen eines römi- her zwei Ost-West orientierte Mannschaftsbara- schen Straßenkörpers beim Kanalisationsbau und cken zur Unterbringung der Soldaten bekannt. den Abstand zwischen den beiden bekannten Hufei- Die langrechteckigen Gebäude zeigen Reste von Pöchlarn, Lageplan des sentürmen etwa im Bereich der Kapelle des Heiligen nebeneinander liegenden Raumreihen. Die Wehr- römischen Kastells Johannes südlich der Kirche rekonstruieren. mauer des Kastells bestand vermutlich aus einer

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Kern Band 45.indd 33 01.07.2011 10:30:03 Holz-Erde-Konstruktion mit vorgelagerten Grä- Dort verbreiterte sich der Kanal und verließ ben, die aber bisher nicht nachgewiesen werden anschließend das Lagerareal. Dafür wurden die konnten. Wahrscheinlich wurde diese Konstruk- Lagermauern nachträglich durchbrochen. Die tion durch die spätere Steinverbauung zerstört. „Kanalverbreiterung“ wird als Sammelbecken inter- Ab dem 2. Jahrhundert kam es zu einer Neu- pretiert, der fehlende Mörtelfußboden spricht für gestaltung. Nach Schleifung der älteren Holzbau- ein holzverschaltes Gerinne. ten wurden am selben Platz neue hölzerne Sol- Im 3. Jahrhundert findet eine „Versteine- datenbaracken errichtet, wobei Ausrichtung und rung“ der Gebäude statt. Im westlichen Grabungs- Lage kaum verändert wurden. Als Befestigung areal blieben die Soldatenunterkünfte weiterhin diente nun eine 1,2 m breite Steinmauer, die mit bestehen. Die Ausrichtung des Gebäudes wurde einem quadratischen Turm an der Innenseite ver- nicht verändert, der östlich gelegene Abwasserkanal stärkt wurde. Gleichzeitig oder nur knapp danach stand nicht mehr in Betrieb. Im Osten der unter- entstand eine zweite parallel verlaufende Mauer, suchten Fläche befand sich ein mit Schotter befes- deren Funktion auf Grund fehlender Vergleichs- tigter Bereich, in dem ein steinernes Punktfunda- beispiele bisher noch nicht restlos geklärt werden ment positioniert war. Es besteht die Möglichkeit, konnte. Eventuell handelt es sich um eine Verstär- dass dieser Kastellabschnitt weiterhin mit Holzge- kung der Lagermauer oder einen aufwändig gestal- bäuden in Schwellbalkenbauweise bebaut war. Die teten Wehrgang. Spuren dieser Gebäude waren jedoch archäologisch Im Laufe des 2. Jahrhunderts wurden die nicht mehr fassbar. Holzgebäude im Kastellinneren erneut abgebro- In der Spätantike kam es zu der bisher letz- chen und ersetzt. Es änderte sich nicht nur die ten nachweisbaren baulichen Veränderung. Das Ausrichtung der Soldatenbaracken, sondern auch äußere Erschienungsbild des Kastells wurde durch die Konstruktionsweise der Holzwände. Im Gegen- den Zubau eines hufeisenförmigen Wehrturms ver- satz zu tiefen Fundamentgräben ruhen die neuen ändert. Der Turm ragte nun weit über die Flucht Nord-Süd orientierten Gebäude auf durchgehen- der Umfassungsmauer hinaus. Im Lagerinneren den Schwellbalken, die kaum in den Boden ein- konnten aus dieser Bauphase keine Gebäudestruk- getieft wurden. Archäologisch lässt sich diese Bau- turen nachgewiesen werden. weise nur durch die Lage der erhaltenen Fußböden Die neuen Grabungsbefunde zeigen deutlich, rekonstruieren. Für die Entsorgung von Abwäs- dass entgegen älteren Theorien das Kastell bereits sern wurde in einer Gasse östlich des Gebäu- in der 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts an der gleichen des ein Kanal angelegt. Die Kanalwangen bestan- Stelle errichtet wurde, an der es zumindest bis zum den aus gemörtelten Bruchsteinmauern. Bevor der 5. Jahrhundert bestand. Ob es allerdings zu diesem Kanal die südliche innere Lagermauer erreichte, Zeitpunkt seine militärische Funktion noch in vol- schwenkte er in den Bereich der via sagularis. lem Umfang erfüllte, erscheint vorerst zweifelhaft.

Schwechat Im Jahr 2010 fanden in der Stadt Schwechat meh- rere durch Bautätigkeit verursachte Grabun- gen statt, die neue Erkenntnisse hinsichtlich des Aufbaus und der Lage des römischen Alenkas- tells Ala Nova sowie eines zugehörigen Friedhofes erbrachten. Die Lage des Kastells war schon seit Ende des 19. Jahrhundert in der Nähe des Schwecha- Schwechat, Brandgrab ter Friedhofes und des Alanovaplatzes vermutet

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Kern Band 45.indd 34 01.07.2011 10:30:04 Schwechat, Freilegungsar- beiten im Kastellareal (links)

Schwechat, Körpergrab eines Mannes, Grab 122, Messerscheidenbeschlag (rechts)

worden, stichpunktartige Ausgrabungen erfass- in ihrer vollständigen Breite von beinahe 11 m, ten Anfang des 20. Jahrhunderts die porta prin- eine zweite reichte zur Hälfte unter den Ala- cipalis sinistra und Teile der Lagerbefestigung. novaplatz. Die beiden Kasernen lagen gespie- Im Jahr 2000 fanden erste Sondierungsgrabun- gelt mit der Seite der Contubernien Rücken an gen auf einem zwischen der Wiener Str. 25 - 29 Rücken in einem Abstand von 2 m nebenein- und dem Alanovaplatz 13 - 16 gelegenen Grund- ander. Die Außenmauern der Bauten fielen in stück statt, auf dem die Stadt Schwechat einen der Spätantike vollständig dem Steinraub zum Neubau plante. Wie zu erwarten wurden dabei Opfer, so dass nur noch wenige Stücke des kai- römische Baustrukturen angeschnitten. Im Jahr serzeitlichen Fundamentes in situ erhalten blie- 2010 kam nun das Projekt des Neubaus eines ben. Die Innenkonstruktion war hingegen recht Wohn- und Geschäftshauses in Gang, und die gut erhalten, denn auf einem nur 0,20 m niede- Stadtgemeinde Schwechat beauftragte den Ver- ren Fundamentsockel aus Opus Spicatum war ein AS – Archäologie Service mit der Ausgra- teilweise bis zu 70 cm aufgehendes Lehmziegel- bung auf einer 3000 m² großen Fläche, die von mauerwerk vorhanden. Januar bis November 2010 dauerte. Zunächst stellte sich die Frage nach der Datierung und dem Aufbau der ersten Lager- phase. Im Allgemeinen wird entlang des Donau- limes vor der Errichtung eines Steinkastells eine Holz-Erde-Konstruktion angenommen, die meist ins 1./2. Jahrhundert datiert wird. In Schwechat konnte jedoch keine ausgedehnte Holzbauphase nachgewiesen werden. Lediglich im Südosten der Fläche befanden sich einige wenige Strukturen (Pfostenlöcher und ein kur- zes Gräbchen), die einen Hinweis auf eine ver- mutliche erste Bauphase geben könnten. Durch das Fundmaterial lässt sich diese Phase in die zweite Hälfte des 2. Jahrhunderts datieren. Anfang des 3. Jahrhunderts wurde ein Steinkastell errichtet, von dem großflächig Gebäude ergraben wurden. Es wurden zwei par- Schwechat, das Kastell allel liegende Kasernenbauten auf einer Länge des 3. Jahrhunderts von 45 m nahezu zur Gänze erfasst, eine davon

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Kern Band 45.indd 35 01.07.2011 10:30:07 Dass es sich beim Kastell von Schwechat tatsäch- wurden und ein durchgehender Lehmestrichbo- lich um ein Reiterkastell handelte, wurde durch den auch in den Stallräumen aufgebracht wurde. die Grabung bestätigt, denn die Kasernen folg- Diese wurden also nicht mehr genutzt. Im ten in ihrem Aufbau dabei dem eines typischen 5. Jahrhundert wurde die militärische Nutzung römischen Reiterlagers: Neben den neun ergrabe- des Areals aufgegeben und eine Zivilsiedlung nen, etwa 18 m² großen Contubernien der Solda- entstand. Die Hausgrundrisse aus losem Bruch- ten lagen jeweils direkt nordöstlich anschließend steinmauerwerk erreichten eine Größe von etwa die rund 19 m² großen Stallräume für die Pferde, 16 x 10 m und hatten teilweise eine recht gute in denen so genannte Stallgruben zur Entsorgung Ausstattung: In einem Gebäude wurde eine von Mist und Urin nachgewiesen wurden. Im T-förmige Schlauchheizung ergraben. Südosten der Kaserne war der so genannte Kopf- Eine die römischen Befunde abschlie- bau situiert, der ungefähr zur Hälfte dokumen- ßende Dark Earth konnte zwar nicht dokumen- tiert werden konnte. Er kragte etwa 2,70 m vor tiert werden, jedoch war stellenweise Humus- die Außenmauer der Stallräume. Mit ihm fluch- bildung zu verzeichnen. Interessanterweise fand tete ein aus Holzstehern konstruierter Porticus, auch eine frühmittelalterliche Nachbesiedlung der vor den Stallungen lag und auf eine geschot- des Areals statt, die anhand von Befunden des terte Lagerstraße ausgerichtet war. 6./7. Jahrhunderts nachgewiesen wurde. In einem Abstand von 5,80 m wurde ein Im Süden von Schwechat wurde kurzes Stück einer parallel laufenden, weite- 2009/2010 auf der Flur Frauenfeld eine durch ren Pfostenreihe erfasst, so dass es sich bei der Wohnungsbau bedingte Ausgrabung ebenfalls Straße um die Praetentura handeln könnte, vom Verein AS – Archäologie Service durchge- auf die sich erneut ein Kasernenbau mit Porti- führt, bei der ein römischer Friedhof bearbei- cus und Stallseite öffnen würde. Am Rande der tet wurde. Unter den 124 Bestattungen waren Wiener Straße wurde zudem der verfüllte Lager- sowohl Brandgräber als auch Körpergräber, die graben erkannt, so dass die bisher vorgelegten in das 2./3. Jahrhundert zu datieren sind. Da Rekonstruktionen zur Größe und Lage des Kas- die Gräber größtenteils nicht beraubt waren, ist tells überarbeitet werden müssen: Der Verlauf eine außerordentlich gute Erhaltung der Grab- des Grabens war bis dahin etwa 30 m weiter beigaben hervorzuheben. Neben vielen kom- südlich angenommen worden, die neu zu rekon- pletten Keramikgefäßen wurden zahlreiche zur struierende Lagerfläche ist somit größer. Gänze erhaltene Glas- und Metallgefäße gebor- Im 4. Jahrhundert wurden die Innen- gen. Ein am nordöstlichen Eingang des Grä- Schwechat, Körpergrab räume der Kasernenbauten umgebaut, wobei die berfeldes gelegenes Körpergrab eines Man- eines Mannes, Grab 122 Lehmziegelwände durch Wände aus Holz ersetzt nes enthielt eine 23-teiligen Gürtelgarnitur aus Bronze, einen Thekenbeschlag aus Bronze samt zugehörigem Eisenmesser, eine Armbrust- scharnierfibel sowie drei Keramikgefäße. Auch das Gräberfeld wurde frühmittelalterlich wei- ter belegt. Es umfasste eine langobardenzeitliche Bestattungsgruppe des 6. Jahrhunderts.

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Kern Band 45.indd 36 01.07.2011 10:30:08 Schutzbauten über archäologischen Denkmälern: ein internationales Anliegen

Fritz Gollmann Der Schutz von Denkmalen und die daraus fol- Das Wiederzuschütten von ausgegrabenen Bau- gende Notwendigkeit, Schutzmaßnahmen für das werksresten – einst eine gefährliche Drohung – ist anvertraute Kulturgut zu übernehmen, ist in der bei begleitenden Schutzmaßnahmen sinnvoll, es Charta von Venedig (1964) festgeschrieben. In sei denn, man möchte wertvolle Zeugnisse der Ver- Hüfingen ließ Karl Egon II von Fürstenberg 1821 gangenheit der Öffentlichkeit präsentieren. Freilie- über einem kleinen römischen Bad wohl einen der gendes Mauerwerk zu sanieren, stellt nur eine zeit- frühesten Schutzbauten errichten. Er zeigt, dass lich begrenzte Lösung dar, die, mit hohen Kosten bereits im frühen 19. Jahrhundert der Schutz und verbunden, laufende Kontrollen und Pflege erfor- die Erhaltung von antiken Bauwerksresten Teilen dert und schließlich dazu führt, dass der Original- der Gesellschaft ein Anliegen war. Denn im Wis- befund immer mehr verschwindet. sen, dass Mauern ohne ein schützendes Dach sehr Ein Schutzdach über einem ausgegrabe- schnell zerfallen, war es naheliegend, auf den aus- nen Bauwerk hält die Witterung einigermaßen ab; gegrabenen Mauern wieder ein Haus - ein Schutz- andere Einflüsse, der Natur und des Menschen, haus – zu errichten. jedoch nicht. Da eine geeignete Schutzkonstruk- Archäologische Ausgrabung bedeutet oft die tion mehr leisten soll, bietet sich die geschlossene Entfernung einer schützenden Erdüberdeckung Einhausung an, die den Schutzbau zum Ausstel- und somit die Freilegung von Mauerwerk, von Ver- lungsort, zum Museum, werden lässt. Vor allem ist putzen, Wandmalereien und Bodenbelägen, die in Schutzbauten ein entsprechendes Raumklima dann der Witterung ungeschützt ausgesetzt sind. von größter Bedeutung, denn zu viel Luftfeuch- Wasser, in all seinen Aggregatzuständen, spielt tigkeit wird das Wachstum von Pflanzen – wie in zusammen mit dem Klima und der Witterung bei einem Glashaus – fördern und zu große Hitze oder der Zerstörung von Architekturteilen die größte Trockenheit kann den Befunden ebenso Schaden Rolle. Ungeschützte Bauwerksstrukturen können zufügen. im alpinen Klimabereich, mit den vielen Frost- Dass Schutzbauten dem Zeitgeist unterwor- wechseln während eines Winters, nicht lange beste- fen sind, zeigen frühe Beispiele aus Deutschland hen. Daher sind Lösungen zum Schutz gefragt, die (Hüfingen, ) mit ihren einfachen Bau- von Fall zu Fall nach sorgfältiger Prüfung anzuwen- formen. Später wurde fallweise durch spektaku- den sind. läre Konstruktionen und/oder Formen der Blick

Hüfingen, Bayern, das 1821 erbaute Schutzdach über einer kleinen römischen Badeanlage (links)

Weissenburg, Bayern, Konstruktion versus Ausgrabung (rechts)

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Kern Band 45.indd 37 01.07.2011 10:30:11 Piazza Armerina, Sizilien, Strukturelle Rekonstruk- tion der römischen Villa (links)

Sargans, Schweiz, Kiosk über den Resten des Badehauses eines römischen Gutshofes [Anm.: Dafür wurde auch die Straße verlegt!] auf das Wesentliche, den zu schützenden Gegen- dass viele Schutzbauten ihre Funktion nicht oder stand, gemindert. Die ab 1958 errichteten Schutz- nur mangelhaft erfüllt haben und nach einiger Zeit dachkonstruktionen über der spätantiken Villa von erneuert bzw. umgebaut werden mussten (Baden- Piazza Armerina mit ihren bedeutenden Mosai- weiler, Ephesos), zeigt, dass es einer umfassenden ken seien als wegweisendes Beispiel erwähnt. In der Planung vieler Fachgebiete bedarf, um brauchbare Form einer „Strukturellen Rekonstruktion“ wird Ergebnisse zu erhalten. versucht über den Mauerwerksresten mit Stahl und Die formale Einbindung eines Schutzbaues Acrylglas neben der Schutzfunktion das Gebäude in ein Ruinenambiente stellt eine große Anforde- nachzuformen. Auf die klimatischen Verhältnisse rung dar. Ein Schutzbau als freistehendes Einzelob- Siziliens hat man jedoch zu wenig geachtet. In der jekt kann ein Zeichen darstellen, im Ausgrabungsa- Schweiz (z.B. Augst, Sargans, Chur) sind in den real jedoch ein Störfaktor sein – ein „Industriebau“ vergangenen Jahrzehnten eine Reihe kleiner elegan- in der Ruinenlandschaft. Auch Rekonstruktio- ter Kioske – aus Beton, Stahl und Glas sowie aus nen, eine Sonderform des Schutzbaus, werden in Holz – entstanden, die, wie Vitrinen, Einblicke in einem nicht entsprechenden Umfeld als Fremdkör- ihren Inhalt gewähren. per erscheinen. Über die angeführten Beispiele weit Dass auch Schutzbauten, wenn sie von hinausgehend finden sich, unabhängig vom Klima, bekannten Architekten entworfen werden, Nach- Schutzbauten in nahezu allen Ländern mit schüt- Chur, Schweiz, Schutzbau ahmer finden und oft zum Spielzeug von Gestal- zenswerten Kulturgütern. über römischen Wohnhäu- tern werden, die den Inhalt gegenüber der äußeren Als abschließendes Argumente für den Bau sern (links) Form vernachlässigen, ist ein weiteres Thema. Vom von Schutzkonstruktionen unter Berücksichtigung Graz, St. Martin, Schutz- Planer ist in jeder Hinsicht Zurückhaltung gefor- aller relevanten Kriterien, auch der Kosten, sei bau über einem römischen dert und der Befund ist hervorzuheben. Ob Kons- der hervorragende, nahezu unveränderte Zustand Hügelgrab truktionen, die fast nur aus Glas bestehen, infolge des Mauerwerks der villa urbana in Carnuntum (Entwurf: K. F. Gollmann) des zu erwartenden Raumklimas die von ihnen erwähnt, nach nahezu 20 Jahren unter einer tem- (Mitte) erwartete Schutzfunktion erfüllen, muss ebenso porären Schutzdachkonstruktion. Korinth,Griechenland, hinterfragt werden wie die formalen Qualitäten Ausgrabungsgelände mit Membranen bespannter, von mächtigen Pylo- (rechts) nen abgehängter Seilkonstruktionen. Die Tatsache,

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Kern Band 45.indd 38 01.07.2011 10:30:17 Die Wiederherstellung archäologischer Befunde in der dritten Dimension

Franz Humer Ein wesentliches Ziel des Archäologischen Parks die aufgedeckten antiken Bauwerke nach inter- Carnuntum ist es, den Besuchern einen verständli- national gültigen Maßstäben der archäologischen chen Eindruck von der antiken Stadtstruktur und Denkmalpflege konserviert und präsentiert. Dies der flächenmäßigen Ausdehnung zu geben. Auf- geschieht in Form von Mauerwerksrestaurierun- grund der enormen Größe und der lokalen Gra- gen, Teil- und Vollrekonstruktionen oder multime- bungsgeschichte präsentieren sich die sichtbaren dialen Präsentationsformen. Dazu im Folgenden Petronell-Carnuntum, Bereiche der Stadt räumlich sehr zersplittert und drei Beispiele. Freilichtmuseum mit befinden sich darüber hinaus oftmals in einem modellhaft rekonstru- schlechten Erhaltungszustand. Für einen interes- Haus I ierten Gebäuden im sierten Besucher ist es schwer, sich eine Vorstellung Nach erfolgter archäologischer Untersuchung in antiken Wohnstadtviertel, von der Ausdehnung der antiken Stadt zu machen. den Jahren 2001 - 2002 wurde dieser im südwest- Besucherzentrum und Eine vordringliche Aufgabe ist es daher, die (in lichen Bereich des Freilichtmuseums gelegene Verkehrsinfrastruktur, Relation zur Gesamtgröße der antiken Stadt) weni- Komplex als Teilrekonstruktion eines carnun- Ansicht von Norden gen sichtbaren archäologischen Stätten zu konser- tinischen Wohnbaus aus dem frühen 4. Jahr- (2010) (links) vieren und bestmöglich zu präsentieren. Die in den hundert n. Chr. gestaltet. Die 1200 m2 große letzten Jahren durchgeführten Untersuchungen, Anlage setzt sich aus drei miteinander verbun- Petronell-Carnuntum, Freilichtmuseum, vor allem in der Flur „Spaziergarten“ (= Freilicht- denen Einheiten zusammen. In ihrem Zentrum Teilrekonstruktion eines museum des Archäologischen Parks) erbrachten liegt ein 255 m2 großer, rechteckiger Wohnbau. römischen Wohnhauses, wichtige Kenntnisse über die stadtbaugeschichtli- Von Norden nach Süden durchläuft ihn ein brei- Ansicht von Südwesten che Entwicklung Carnuntums. Nach Beendigung ter Korridor mit Zugängen von beiden Enden. (2003) (rechts) der feldarchäologischen Untersuchungen wurden Im Norden und im Süden sind diesem Kom- plex breite Veranden in Ost-West-Richtung vor- gelagert. Südlich des Rechteckbaus erstreckt sich ein großzügig angelegter Garten, der von einer steinernen Mauer eingefasst wird. Außen- und Zwischenmauern des Hauses waren aus zuge- hauenen Bruchsteinen und Kalkmörtel errich- tet. Ein Raum des Hauses war mit einem Mosaik

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Kern Band 45.indd 39 01.07.2011 10:30:20 mit geometrischen Ornamenten (farbige Flecht- Die Gehhorizonte wurden mit verdichtetem Fels- bänder und Pelten) verziert. Die Sockelzone der brechgut unterschiedlicher Körnung und Färbung Wände war polychrom mit vegetabilem Wandver- (Innen-/Außenbereich) hergestellt. Die aufgefunde- putz gestaltet. Das Mosaik ging nach der Aufde- nen Reste von Ziegelmosaiken wurden mit modern ckung im vorigen Jahrhundert leider verloren. Im reproduzierten Ziegelsteinen kleinflächig angedeu- Norden lag vor dem zentralen Bau und der vorge- tet. Eine vollständige dreidimensionale Rekonst- lagerten Veranda ein Hof. Der Garten im Süden ruktion dieses Hauses kam auf Grund der archäo- des Hauses wurde vom Wohnbereich über eine logischen Befunde nicht in Frage. mit Ziegelmosaikboden ausgelegte Veranda betre- ten. Die Steinschwelle dieser Türöffnung wurde in Haus II situ vorgefunden. Parallel zu diesen Gestaltungsmaßnahmen wurde Nach Auswertung der archäobotanischen in den Jahren 2003 - 2005 die Sicherung der Befunde von Grubenverfüllungen im Garten archäologischen Befunde östlich anschließend an wurde dieses Areal eines antiken Gartens wie- Haus I, im so genannten Haus II, durchgeführt. der gestaltet. Der Bereich stellt jetzt eine Ideal- Hier konnten sechs unterschiedliche Bauperio- rekonstruktion dar; d.h. er zeigt, wie römische den vom 1. bis zum 4. Jahrhundert nachgewiesen Gärten in Pannonien aussehen konnten. Bei der und die seinerzeitigen Funktionen der Räume fast denkmalpflegerischen Präsentation des Befun- gänzlich festgestellt werden. Auf einer trapezförmi- des wurden sämtliche noch erhaltene Original- gen Parzelle mit einer Fläche von knapp 1.100 m2 befunde bewahrt, gesichert und darüber dann befanden sich ein in der 1. Hälfte des 4. Jahrhun- die neu errichteten, maximal 0,90 m hohen Stein- derts auf den Mauern eines Vorgängerbaus errich- mauern errichtet. Die (jetzt sichtbaren) neuen tetes Gebäude und ein von einer Mauer umschlos- Mauerkronen sind leicht gewellt und im oberen sener Garten im Süden, an den sich gegen Norden Abschluss unregelmäßig ausgeführt. Diese leicht das eigentliche Wohnhaus anschloss. Daran folgte geneigte, satteldachförmige Ausbildung der Mauer- weiter nach Norden, bis an die öffentliche Süd- krone gewährleistet den raschen Ablauf der Nieder- straße reichend, ein Hofbereich mit Wirtschafts- schlagswässer und damit einen Schutz vor negati- bauten. Das Wohnobjekt hatte eine Grundfläche ven Witterungseinflüssen. Türen bzw. Durchgänge von ca. 355 m2. Der Ost-West orientierte Haupt- (Schwellen, Gewändungen) wurden, soweit archäo- teil des Hauses wurde von einem in Nord-Süd- logisch gesichert, wiederhergestellt. Soweit sie nur Richtung verlaufenden Mittelgang geteilt, an dem vermutet oder als funktionelle Notwendigkeit beiderseits jeweils ein Raum lag. Im Süden wurde angenommen werden mussten, sind diese Bereiche dieser Hauptteil auf seiner ganzen Breite von einem durch Absenken der Mauerkronen angedeutet. quer gelagerten Anbau abgeschlossen. Im Norden Petronell-Carnuntum, Freilichtmuseum, Modell des rekonstruierten römischen Wohnhauses, M 1: 100 (links)

Petronell-Carnuntum, Freilichtmuseum, rekon- struiertes Wohnhaus des beginnenden 4. Jahrhun- derts n. Chr., Ansicht von Südwesten (2007) (rechts)

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Kern Band 45.indd 40 01.07.2011 10:30:21 eine virtuelle Rekonstruktion des Hauses sowie ein gebautes Modell des Gebäudes im Maßstab 1:100 hergestellt. Beim Nordbereich zur Südstraße hin wur- den die Mauerzüge nur angedeutet und maxi- mal 0,40 m hoch gemauert. Klar erkennbar ist der westlich gelegene, relativ breite Hauszugang, den man sich mit einem hölzernen Tor vorstellen kann. Hier betrat man, von der öffentlichen Südstraße kommend, das Grundstück von Haus II. Hatte man das erste Tor hinter sich, konnte man ent- weder weiter nach Süden zum eigentlichen Haus gehen oder östlich in den gewerblich genutzten Bereich eintreten. Dort ergaben die Befunde meh- Petronell-Carnuntum, befand sich neben einem kleinen ummauerten Hof rere große Brennöfen für die Herstellung kerami- Freilichtmuseum, Re- der Küchen- und Heizungsbereich, der mit einem scher Produkte. Daher wurden in diesem Bereich konstruktion einer villa weiteren Baukörper im Norden seinen Abschluss zwei Brennöfen aus Lehm zur Herstellung von Zie- urbana, Ansicht von fand. geln und Keramik rekonstruiert. Südwesten (2009) Sämtliche Grabungsflächen und Origi- Bei der Wiederherstellung des Kernbaus nalmauern wurden mit Geotextilvlies abgedeckt wurde jeder einzelne Stein der Außenmauern von und die Grabungsflächen mit grobem Felsbrech- Hand zu antikem Bruchsteinmauerwerk zusam- gut gefüllt. Im südlichen Garten wurde die Flä- mengefügt. Zuvor wurden die seit Jahren im che bis zum antiken Gehniveau (vorgegeben durch gesamten ehemaligen Stadtgebiet von Carnun- die in situ befindliche Türschwelle der sogenann- tum gesammelten Steine an Ort und Stelle mit ten „Südveranda“ in den Garten) mit Humusmate- Werkzeugen vorbereitet. Als Mörtel wurde ein rial aufgefüllt. dem römischen Original nachempfundener Kalk- Die Fundamente der Mauern wurden in situ mörtel (Mischung mit Trassit Plus und regiona- belassen, fehlende Bereiche dazwischen mit moder- len Gruben- und Flusssanden) für die Herstellung nem Material ergänzt. Beim aufgehenden Mau- der Steinmauern an Ort und Stelle gemischt. Wie erwerk ergab sich im Verlauf der Rekonstruktion die Befunde bei diesem Gebäude zeigten, war das durch die starken Außenmauern des Kernbaus und der daraus resultierenden Grundrissform ein Ost- West gerichtetes Rechteck, das mit einem ebenso verlaufenden Satteldach eingedeckt ist. Der süd- liche Anbau ist mit einem Pultdach versehen, das am Kernbau angesetzt war. Im Norden besteht ebenfalls ein Pultdach, das über der Herdstelle von der den Korridor begleitenden Mauerzunge und der Westmauer begrenzt ist und gegen Osten Petronell-Carnuntum, als Flugdach weiterführt. Die sogenannte Nord- Freilichtmuseum, veranda ist ebenfalls mit einem Satteldach einge- rekonstruierte Innenein- richtung mit Liegekline deckt, sodass zwischen dieser und dem Kernbau und Wandmalerei im einerseits ein kleiner Hof und ein überdachter, öst- römischen Wohnhaus lich offener Innenhofbereich bestehen. Zur Ver- (2006) deutlichung wurden vor Baubeginn am Computer

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Kern Band 45.indd 41 01.07.2011 10:30:39 Gelegenheit dazu ergab: Abbruch von Scheunen, Dachstühlen alter Gebäude etc. Die Bearbeitung der Holzteile vor Ort, vor allem der Dachkonstruk- tionen, wurde manuell ohne den Einsatz moderner Maschinen in antiker Handwerkstradition (Holz- verzapfungen, Holznägel) durchgeführt. Die Bauphase wurde so zu einer lebendi- gen Zeitreise, römische Baukunst und Wohnkultur konnten detailreich und hautnah miterlebt werden. Schwellen, Türen und Fenster wurden ebenfalls in einfacher Form aus Holz gefertigt. Wie sich bereits während der Bauphase zeigte, entstehen durch die großen Dachflächen enorme Niederschlagswäs- ser. Daher wurde entschieden, dieses Wasser mittels Petronell-Carnuntum, Steinmauerwerk meist verputzt. Das Verputzen hölzerner Dachrinnen in V-Form zu sammeln und Freilichtmuseum, Stein- hat, neben dem ästhetischen Wert, vor allem eine punktgenau abzuführen. Bei Haus II werden durch mauerung in antiker schützende Funktion für die Mauer. Denn durch die Dachrinnen die Niederschlagswässer in den Handwerkstechnik beim den Putz dringt nicht so schnell Feuchtigkeit in das Innenhof, zu einem Sammelschacht an die West- Bau der villa urbana, Mauerwerk. Daher wurde auch hier ein einfacher seite des Hauses sowie zum Sammelschacht an der Ansicht von Nordwesten Putzmörtel mit Beimengung von geriebenem Zie- Ostmauer des südlichen Gartens geleitet. (2007) gelsplitt, der eine leichte Rotfärbung des Putzmör- Die Dachdeckung erfolgte mit reproduzier- tels bewirkt, verwendet. ten Leisten- und Halbrundziegeln (tegulae bzw. Für die Dachstuhlkonstruktion und andere imbrices). Letztere decken die Fugen zwischen Teile aus Massivholz wurde bewusst kein moder- den Leistenziegeln ab und waren gegen den Wind nes Schnittholz aus einem Sägewerk verwen- durch Mörtel an den darunter liegenden tegulae det, sondern vorwiegend Altholz aus dem 19. und fixiert. Als Model dienten die bei der Ausgrabung Petronell-Carnuntum, frühen 20. Jahrhundert. Dieses Material wurde gefundenen Originalziegel. Freilichtmuseum, Rekon- struktion eines Innenrau- noch von Hand mit Werkzeugen „gehackt“ und Die Fundamente vieler Innenmauern waren mes einer villa urbana nicht im Sägewerk zugeschnitten. Auch hier war vielfach nur 0,30 m stark, viel zu gering, um darauf des beginnenden es notwendig, über Jahre vorher Altholzbestände eine bis zum Dach reichende Steinmauer zu errich- 4. Jahrhunderts (2008) in der Region zu sammeln, wo immer sich die ten. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelte es sich daher um die Fundamente für Holzständerkons- truktionen: Die einzelnen Felder eines massiven Holzrahmens wurden dabei mittels geeigneter Trä- germaterialien ausgefüllt. Wie vielfach im Befund nachgewiesen, kamen als Träger Weidenruten (lokal vorhanden: Donauauen) oder Schilf (regio- nal vorhanden: Neusiedlersee) in Frage. Diese bei- den Materialien wurden auch für die Rekonstruk- tion verwendet und dann mit Lehm nach außen abgedeckt. In den westlichen Räumen wurde die Fuß- bodenheizung funktionstüchtig rekonstruiert. Bei der im Haus freigelegten Anlage handelt es sich um eine doppelte T-Kanalheizung, also die

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Kern Band 45.indd 42 01.07.2011 10:30:41 „Sparversion“ einer großflächigen Hypokaustan- die südliche Veranda sowie der Eingangsbereich lage. Der Hohlraum unter dem Fußboden war an im Norden mit Rechteck-Ziegelwürfel gepflastert. vier Stellen mit an der Innenseite der Wände ange- Damit ergibt sich in Kombination mit den bunten brachten Hohlziegeln (tubuli) in Verbindung, Wandverputzen eine gute Vorstellung vom antiken so dass das heiße Luft-Rauch-Gemisch in diesen Aussehen dieser Innenbereiche. Der Wohnbereich Kaminen nach oben aufsteigen und nach außen erbrachte im archäologischen Befund einen Mör- weitergeleitet werden konnte. Die verwendeten telestrich. Der oberste Bodenbelag in diesen bei- Bauteile wurden nach aufgefundenen Originaltei- den Räumen konnte nicht mehr festgestellt wer- len (Suspensurplatten, tubuli) an Ort und Stelle im den. Daher wurde hier ein einfacher Estrichboden rekonstruierten Brennofen im gewerblich genutz- mit eingearbeiteten Ziegelfragmenten (opus signi- ten Nordbereich von Haus II als experimentalar- num) hergestellt. Im nördlichen Raum (Küche) chäologischer Versuch gebrannt und anschließend wurde ein einfacher Lehmstampfboden aus Petro- im Haus verbaut. Die Ziegel der Hypokaustpfeiler neller Lehm hergestellt. Dem Lehm wurden kleine wurden als Kopie einer vorgefundenen originalen Strohhäcksel beigemengt, was die Kompaktheit des Vorlage von einer Privatfirma hergestellt. Den obe- Bodens massiv erhöhte. ren Abschluss der Kamine außen am Dach bilden Der Schwerpunkt „Römischer Garten“ nachgetöpferte Dachaufsätze. Die Dachaufsätze wurde – in Weiterführung des in Haus I gezeig- ermöglichten, dass die warme Luft aus der Tubula- ten Modells eines römischen „Zier- und Kräuter- tur der Hypokaustheizung am Dach ins Freie ent- gartens“ – um den Bereich „Obstgarten“ erweitert. weichen konnte. Wie für römische Gärten nachweisbar, wurde um Die Gehhorizonte rund um das Haus die beiden Bäume (Blutpflaume, Pfirsich) herum (Zugang, nördlicher Hof, Freibereiche zu den eine kurz gehaltene Wiese angelegt. Am westlichen Mauern bei Haus I und Haus III) wurden mit ver- und östlichen Endpunkt des Ost-West-Weges sind dichtetem Felsbrechgut unterschiedlicher Körnung in Viertelkreisbeeten Beerensträucher gepflanzt. Petronell-Carnuntum, hergestellt. Auch der Innenhof wurde geschot- Freilichtmuseum, Rekon- struktion einer römischen tert. Die aufgefundenen Ziegelmosaike der Raum- villa urbana Therme des beginnenden böden wurden mit modern reproduzierten Ziegel- In den Jahren 2005 - 2007 wurden im Nordos- 4. Jahrhunderts, Ansicht steinen (teilweise Sponsorleistung des Herstellers) ten des Freilichtmuseums im vom früheren Aus- von Osten (2010) wiederhergestellt. So wurden der Mittelkorridor, gräber als „Peristylhaus“ bezeichneten Baukom- plex archäologische Untersuchungen durchgeführt. Die Untersuchungen erbrachten auch hier den Nachweis mehrerer zeitlich aufeinander folgen- der Gebäude an ein und demselben Platz. Beson- ders die Reste eines Gebäudes aus dem beginnen- dem 4. Jahrhundert waren sehr gut erhalten und auch die Funde, die zu diesen Resten gehörten, sta- chen besonders hervor, etwa polychrome Wandma- lereien, Ziegelmosaike, Marmordekor. In interdisziplinärer Zusammenarbeit zwi- schen Archäologen, Architekten, Bauforschern, Denkmalschützern und Restauratoren wurde dann eine mögliche modellhafte Rekonstruk- tion dieses römischen Bauwerks erarbeitet. Im Herbst 2006 wurde das von Architekt Fritz Goll- mann visualisierte Projekt dann sowohl von der

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Kern Band 45.indd 43 01.07.2011 10:30:42 Denkmalbehörde als auch vom international entsprechenden Materialien, Werkzeugen und Bau- besetzten wissenschaftlichen Fachbeirat des Projek- techniken heute wieder auszuführen. tes Carnuntum grundsätzlich gutgeheißen. Wie schon bei Haus II wurden auch hier alle Auf Basis historischer Quellen (archäologi- Steinmauern mit ehemals römischem Bruchstein- sche Befunde, Vergleichsbeispiele aus Pannonien material aus dem Raum Carnuntum und reinem und Germanien) entstand hier nach mehr als 1600 Kalkmörtel errichtet und verputzt. Zur Einfärbung Jahren die Rekonstruktion einer großen und sehr erhielt der Außenputz eine Zugabe von Ziegel- stattlichen (mehrere große, beheizte Räume, Apsi- mehl, ein in der Antike oft verwendetes Verfahren, denraum mit steinerner Halbkuppel, Wandmale- das neben einer natürlichen, leicht terrakottafarbi- reien) innerstädtischen villa urbana der Zivilstadt gen Oberfläche eine Verbesserung der Putzquali- Carnuntum. tät mit sich brachte. Auch bei den Dachstühlen aus Auch für diese modellhafte Rekonstruktion Altholz erwies sich der Rückgriff auf antike Binder- galt es herauszuarbeiten, wie das Gebäude seiner- konstruktionen und Holzverbindungen bzw. Holz- zeit ausgesehen haben könnte. Dazu mussten alle bearbeitung als interessanter Versuch. archäologischen Informationen (Ausgrabungsbe- Alle Dachflächen wurden, wie schon bei der funde, Grundriss mit vorhandenen Mauern, deren Ausführung von Haus II, nach römischem Vor- Stärken, Bodenbeläge und Wanddekor der ein- bild mit Dachplatten (tegulae) und Abdeckziegel zelnen Räume) und eventuelle Vergleichsbeispiele (imbrices) eingedeckt, die ein steirisches Ziegel- herangezogen, überprüft und ausgewertet werden. werk nach einer antiken Modellvorlage herstellte. Auch das Werk Vitruvs, das u.a. viele Hinweise zu Die Fenster stellten bei der Rekonstruktion ein Baumaterialien und Verarbeitungstechniken bein- großes Problem dar: Zur Belichtung von Räu- haltet, war ein gefragter Ratgeber. Anhand dieser men waren sie unbedingt erforderlich; Fenster- Quellen konnten als nächster Schritt die Ermitt- glas war, wie die Funde zeigen, meist ein eher trü- lung einer möglichen „Dachlandschaft“ sowie bes Gussglas. Über Fenstergrößen, besonders in Überlegungen zu den Höhen der einzelnen Gebäu- unserem Gebiet, ließ sich nur mutmaßen, da kei- deteile erfolgen. nes der ausgegrabenen Bauwerke Mauern bis zur Dazu wurden alle bautechnischen Gegeben- Höhe eines Fensters aufwies. Auch Fensterflügel heiten (römische Bautechnik, konstruktiv-statische und -­stöcke, beide aus Holz, haben nicht überdau- Aspekte, Fragen der Raumnutzung und der Belich- ert. Auf Grund von andernorts erhaltenen Origi- tung – die mögliche Anordnung von Fenstern – naldenkmäler (Pannonien, Germanien, Nordaf- oder etwa auch die einfache Ableitung der Nieder- rika) ließen sich schließlich funktionell und auch schlagswässer) auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft. formal befriedigende Fenstergrößen finden. Aus einer Reihe von möglichen Bauformen wurden Für die Fußböden lagen für alle Räume ein- anhand dieser Kriterien in der Folge Ausschließun- deutige Befunde vor. Die Ziegelmosaik-Steine gen vorgenommen, bis sich ein schlüssiges Gesamt- wurden in Handarbeit gefertigt und in mühsa- bild des Hauses ergab. mer Kleinarbeit im Mörtelbett verlegt. Die Zie- Von Anfang an bestand seitens der zuständi- gelsplitt-Estrichböden der Wohn- und Nutzräume gen Bundesdenkmalbehörde, des Ausgräbers, des des Hauses wurden nachgeahmt, der Wirtschafts- Grundeigentümer, des Bauherrn und des nunmeh- bereich erhielt einen Lehmestrich. rigen Nutzers die Vorstellung, dass das Gebäude Die Türen, von denen nur teilweise die als Modellbaustelle geführt, also antike Bautech- Steinschwellen erhalten sind, wurden entspre- niken und Baumethoden angewandt werden chend den spärlichen archäologischen Befunden mussten. Das bedeutete, dass wiederum der Ver- und dem Wissen über römische Türen von regio- such unternommen wurde, ein in der Antike ent- nalen Tischlereibetrieben unter Verwendung alter standenes Bauwerk mit den der damaligen Zeit Werkzeuge und Techniken hergestellt. Aus den

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Kern Band 45.indd 44 01.07.2011 10:30:42 umfangreichen Resten der ursprünglichen Wand- Teil- als auch zweier modellhaften Vollrekons- malereien der Innenräume in Stucco-lustro-Tech- truktionen von unterschiedlichen innerstädti- nik konnten das Grunddekormuster sowie einige schen römischen Wohnhäusern in Kombination Detailfelder rekonstruiert werden. Diese gelang- mit der Anlage idealtypischer Gärten einerseits ten wieder zur Anwendung. Für die Möblie- und die behutsame Wiederherstellung antiker Ver- rung der Räume dienten ebenfalls provinzialrömi- kehrswege andererseits zeigen, dass der Umgang sche Vorbilder (Reliefs, Malereidarstellungen) als mit dem archäologischen Erbe in Carnuntum Grundlage. im internationalen Vergleich bewusst zurückhal- Der Bau dieses Hauses wurde als Beispiel tend durchgeführt wird. Denn der Archäologische antiker Bauweise modellhaft in allen Details für Park Carnuntum inmitten der relativ unberührten Fachleute und Laien teilweise experimentalarchäo- Donaulandschaft zwischen Wien und ist logisch ausgeführt, in Material und Technik wur- neben seiner wissenschaftlichen Bedeutung als eine den antike Bautraditionen durchgeführt. So wurde der wichtigsten Quellen antiker Kulturgeschichte auf die Verwendung moderner Stahlgerüste ebenso in Österreich auch ein wichtiger Identifikations- verzichtet wie auf motorisierte Hebevorrich- faktor als Bewahrer unserer römischen Vergangen- tungen. Soweit die arbeitsrechtlichen Vorschrif- heit und bietet darüber hinaus für die Zukunft ten es zuließen, wurden Baustoffe und Geräte auch enorme Erfolg versprechende kulturtouristi- mit Muskelkraft über Rollen, Seil- und Flaschen- sche Perspektiven. züge aufwärts zu den rasch wachsenden Mauer- Im Vordergrund all dieser Bemühungen steht kuppen gezogen. Beim Bau wurden nachgebildete dabei der Versuch der Darstellung, wie die Men- antike Carnuntiner Werkzeuge aus dem Museum schen vor 1600 bzw. 2000 Jahren hier gelebt haben Carnuntinum eingesetzt. könnten. Wo es wissenschaftlich vertretbar ist, wird Neben diesen drei völlig unterschiedlichen dem Besucher ein dreidimensionaler Eindruck mit Privathäusern konnten im Freilichtmuseum Petro- Hilfe modellhafter Rekonstruktionen gegeben. Die nell in den letzten Jahren auch mehrere römische Rekonstruktionsmaßnahmen erfolgen unter der Pflasterstraßen, ein öffentlicher Portikus sowie Voraussetzung, dass sie reversibel sind, d.h., dass eine Thermenanlage untersucht und denkmalpfle- auch nach einer allfälligen Entfernung der Nach- gerisch gestaltet werden. bauten noch die originale Bausubstanz gezeigt wer- Diese kurz angeführten Beispiele sowohl einer den könnte. Zum einen wird der archäologische Bestand dadurch dauerhaft geschützt, zum ande- ren kann den Besuchern ein eindrucksvolles, drei- dimensionales Bild römischer Lebenskultur ver- mittelt werden. Alle Nachbauten werden nach Möglichkeit in antiker Handwerkstechnik voll funktionstüchtig errichtet.

Petronell-Carnuntum, Freilichtmuseum, Rekonst- ruktion einer römischen Therme des beginnenden 4. Jahrhunderts, Ansicht von Osten (2010)

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Kern Band 45.indd 45 01.07.2011 10:30:43 Die Vermittlung archäologisch-historischer Inhalte an ein breites Publikum

Matthias W. Pacher In der Tourismuswirtschaft ist es ein besonders span- Vermarktung eine adäquate Abwicklung durch nendes Betätigungsfeld außergewöhnliche Ideen zu Experten notwendig macht. realisieren, die einem möglichst breiten Publikum Beim Archäologischen Park Carnuntum zeigt ins Bewusstsein dringen und dabei Aufmerksamkeit sich, wie strategische Kooperation zwischen den bei- wecken. Ein bedeutendes Segment der „Freizeitwirt- den augenscheinlich konträren, aber doch eng mit- schaft“ ist der Bereich Kultur, welcher großen Raum einander zu verbindenden Bereichen Archäologie für die Entwicklung von Attraktionspunkten zulässt. und Tourismus eine wissenschaftlich wie auch wirt- Ausflugsziele mit kulturhistorischem Inhalt stehen schaftlich effektive Zusammenarbeit hervorbrin- sowohl bei Fernreisenden als auch bei Nahurlaubern gen kann. Dass sich Carnuntum gegenüber anderen ganzjährig hoch im Kurs. archäologischen Parks in Europa durch ein speziel- Unabhängig von der natürlichen Ressour- les Besucherangebot und einzigartige Rekonstrukti- cenbreite des kulturellen Angebots hat die gestei- onen ausweisen kann, ist eng mit dem historischen gerte Nachfrage inzwischen zu einem gesättigten Werdegang dieser römischen Stadt verbunden. Die Freizeitmarkt geführt. Dabei haben wir es nicht archäologische Landschaft wurde – anders als die nur mit verschärfter Konkurrenz unterschiedli- meisten antiken Stätten des römischen Reiches – ab cher Anbieter zu tun, weitere Faktoren wie etwa dem 5. Jahrhundert n. Chr. bis zum heutigen Tage Privatisierungstendenzen im öffentlichen Bereich nur zu einem geringen Teil überbaut, wodurch die und der Rückgang öffentlicher Fördermittel füh- weite Ruinenlandschaft oft nur wenige Zentimeter ren zwangsläufig zu einem notwendigen Umden- unter der Erde begraben ist. Dazu kommt die güns- ken bei kulturellen Institutionen. Die komplexe tige geografische Lage Carnuntums zwischen den Aufgabe liegt in der engeren Zusammenarbeit beiden Städten Wien und Bratislava. zwischen Tourismusverantwortlichen und Kul- Waren es früher militärische und handelspo- Petronell-Carnuntum, turschaffenden. Kreative Produktentwicklung litische Aspekte, die zur Gründung Carnuntums an Freilichtmuseum bedingt spezielles Fachwissen, ebenso wie dessen eben dieser Stelle führten, so ist es heute die touris- muswirtschaftlich bedeutende Lage, die Investitio- nen zur Wiederbelebung der ehemaligen Metropole an der Donau rechtfertigt. Das ehemalige Stadtge- biet von Carnuntum erstreckt sich über die zwei heutigen Gemeinden Petronell-Carnuntum und Bad Deutsch-Altenburg. Zu den eintrittspflichtigen Aus- stellungsbereichen gehören das Freilichtmuseum in Petronell-Carnuntum, das Amphitheater der Lager- stadt in Bad Deutsch-Altenburg sowie das Archäolo- gische Museum Carnuntinum. Im Freilichtmuseum liegt der zu vermittelnde Schwerpunkt auf dem zivilen Leben der Römer, während im Amphitheater der militärische Aspekt in den Vordergrund tritt. Im Archäologischen Museum

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Kern Band 45.indd 46 01.07.2011 10:30:44 Als ein wichtiger Schritt zur Schaffung einer Art „römischer Erlebniswelt“ wurde im Freilichtmu- seum Petronell-Carnuntum bis Juni 2006 ein römi- sches Wohnhaus aus dem frühen 4. Jahrhundert am Originalstandort in voller Größe modellhaft rekon- struiert. Das Gebäude wurde unter Berücksichti- gung von Techniken und Materialen errichtet, die in der römischen Antike eingesetzt wurden. Nach dem Wiederaufbau wurden die geschlossenen Innen- räume mit nachgebildetem funktionstüchtigem Mobiliar ausgestattet. Um der Rekonstruktion noch mehr Leben einzuhauchen, sollte das Haus nicht im klassischen Sinn als Museumsobjekt empfunden werden. Es wurde daher der mögliche Hausbesitzer (der uns mit großer Wahrscheinlichkeit als Lucius Bad Deutsch-Altenburg, Carnuntinum werden mit museumspädagogischen Maticeius Clemens inschriftlich überliefert ist) in Archäologisches Museum Vermittlungsmethoden archäologische Fundstücke den Mittelpunkt der Führung gestellt, um den Besu- Carnuntinum präsentiert. Es werden eigens konzipierte Führungs- chern den Eindruck zu vermitteln, das Haus sei programme angeboten, die sich nach den unter- noch immer bewohnt. schiedlichen thematischen Inhalten der Ausstel- Eine ganz andere Dimension stellt die römi- lungsstandorte richten. sche Stadtvilla (villa urbana) im Freilichtmuseum Das war nicht immer so: Im römischen Zivil- dar, deren Wiederaufbau im Juni 2008 fertig gestellt stadtviertel in Petronell-Carnuntum entstand im wurde. In den Jahren 2009 und 2010 wurde die Zuge der Ausgrabungen in der ersten Hälfte des Führung „Reiche Römer – ganz privat“ initiiert, die 20. Jahrhunderts ein Ruinenensemble als Freilicht- diese beiden experimentalarchäologischen Projekte museum, welchem es an fachspezifischen Erklärun- touristisch wirksam aufbereitete. Die seit dem Jahr gen und öffentlichkeitswirksamer Präsentation fehlte. 2006 angebotenen „Zeitreiseführungen“ des Archäo- Carnuntum besaß zwar einen hohen Bekanntheits- logischen Parks Carnuntum basieren auf der Idee, grad in Fachkreisen, in der breiten öffentlichen Wahr- römisches Leben für den Besucher mit allen Sinnen nehmung allerdings ein eher verstaubtes Image. erfahrbar zu machen. So treten bei diesen Sonder- Wegen des desolaten Zustandes der in den 1950er führungen Darstellende als Akteure einer (fingier- Jahren rekonstruierten Mauerzüge wurde eine Erneu- ten, aber historisch durchaus passenden) Hand- erung derselben jedoch bald unverzichtbar. Darüber lung auf und lassen das Publikum interaktiv an dem hinaus waren archäologische Nachuntersuchungen Geschehen teilhaben. Strukturmodelle und Uten- notwendig, weil keines der bis dahin freigelegten Bau- silien (Repliken) zu diversen Themenbereichen des werke nach den Maßstäben moderner Feldforschung untersucht worden war. Um die neuen Forschungs- ergebnisse einem breiten Publikum zugänglich zu machen, wurden erstmals über Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen hinausgehende Teil- oder Petronell-Carnuntum, Vollrekonstruktionen umgesetzt. Denn eine modell- Freilichtmuseum, villa hafte Rekonstruktion – basierend auf den archäologi- urbana, funktionstüch- schen Funden und Befunden vor Ort – ist am besten tige Hypokaustheizung in der Lage, über die antike Bau- und Lebensweise im Innenhof der Römer in Österreich zu informieren.

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Kern Band 45.indd 47 01.07.2011 10:30:47 Petronell-­Carnuntum, Freilichtmuseum, villa urbana, Ausstat- tung mit Repliken von Mobiliar aus dem frühen 4. Jahrhundert (links)

rechts von oben römischen Alltags ergänzen die museumsdidaktische nach unten: Aufbereitung. Zielgruppenspezifische Angebote wer- den nicht nur für Individualgäste geschaffen, son- Willkommen bei der dern auch für Vereins- und Betriebsausflüge, Senio- Zeitreiseführung „Reiche renreisen sowie Incentives. Römer – ganz privat“ Große und kleinere Eigenveranstaltungen wie das Carnuntiner Römerfest und die Gladia- Carnuntiner Römerfest torenkämpfe in der Arena des Amphitheaters hel- 2010, römische Legionäre fen dabei, Carnuntum zu einer erlebnisorientierten Attraktion für historisch interessiertes Publikum zu Interaktive machen. Für Schulklassen aller Altersstufen werden Schulklassenprogramme spezielle Programme zur Kulturvermittlung kon- zipiert, wobei die Lehrer zwischen Führungen zu Führung durch den bestimmten Themenschwerpunkten sowie Aben- Archäologischen Park teuer- und Aktivprogrammen frei wählen können. Carnuntum So werden im Freilichtmuseum etwa die Führungen „Die Stadt lebt! – Erlebnistour durch Carnuntum“ und das interaktiv gestaltete Programm „Rätselrallye – Römische Detektive“ angeboten. In den Sommer- monaten Juli und August gibt es für Kinder zudem die Möglichkeit, im Rahmen von Projekttagen und Sommercamps das Leben der Römer auf spielerische Art und Weise im Amphitheater von Bad Deutsch- Altenburg kennen zu lernen. Alle Angebote erfolgen unter Betreuung fach- kundiger Kulturvermittler, die eine Reihe von Qua- lifizierungsmaßnahmen zu absolvieren haben, bevor sie im Archäologischen Park Carnuntum tätig wer- den können. Dass diese Vorgehensweise von der Öffentlichkeit gut aufgenommen wird, zeigt sich in den jährlich steigenden Besucherzahlen. Waren es 1996 noch rund 40.000 Besucher, so hat der Archäologische Park Carnuntum im Jahr 2010 mit rund 150.000 Gästen alle bisherigen jährlichen Besucherzahlen übertroffen.

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Kern Band 45.indd 48 01.07.2011 10:30:50 Limes-Grenzen des Römischen Reiches Anmerkungen zur geplanten Zufügung des österreichischen Anteils zu den bereits in die Liste der UNESCO-Welterbestätten eingetragenen Teilstücken

Bruno Maldoner Eine zentrale Aufgabe der unmittelbar nach dem Stätten“ zugebilligt werden (hier bilden Natur und Zweiten Weltkrieg gegründeten UNESCO besteht Kultur ein Ganzes). Den „Erklärungen zum außer- darin, Kenntnisse und Wissen möglichst umfas- gewöhnlichen universellen Wert“ kommt dabei eine send zu pflegen, zu erhalten, zu vertiefen und zu Schlüsselrolle zu. Diese Erklärungen bauen auf vor- verbreiten. Beständiges Anschauungsmaterial dafür gegebenen Kriterien auf und werden von den Bera- bieten materielle Gegenstände aus Natur und Kul- terorganisationen der UNESCO auf ihre fachliche tur. Für den Bereich der Kultur lässt sich beobach- Richtigkeit hin überprüft. Natur- bzw. Kulturerbe ist ten, dass auf uns gekommene Sachen und Bauten jedoch vielfach gefährdet. Grundsätzlich lassen sich die Geschichte fassbar machen und damit wesent- folgende Bedrohungsszenarien beobachten: lich zu unserer Identität beitragen. a) Naturgefahren wie Hochwasser, Felsstürze, Vor diesem Hintergrund bildet das von der Hangrutschungen, die sich aus sich heraus ereignen, UNESCO 1972 beschlossene „Übereinkommen eine Folge des Klimawandels sein können oder in zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“, Folge menschlicher Eingriffe geschehen. kurz als „Welterbekonvention“ bezeichnet, mit der b) In Städten wie in anderen urbanen Zonen damit eingerichteten Liste von Welterbestätten einen hat der Entwicklungsdruck ein anderes Gesicht als wesentlichen Denkanstoß und eine hervorragende auf dem Land. Das Sprengen des Maßstabs ist bei Plattform. Denn damit können besondere Teile des Städten eine der großen Gefahren. In ländlichen Natur- und Kulturerbes als von „außergewöhnli- Gegenden zehrt dagegen die Zersiedelung langfristig cher universeller Bedeutung“ deklariert werden. Der die Ressourcen auf (der Kunsthistoriker Hans Sedl- 1992/1993 auch von Österreich unterzeichnete völ- mayr übernahm dafür den Begriff „große Landzer- kerrechtliche Vertrag schafft den rechtlichen Rah- störung“). Während Dorfkerne und Kleinstadtkerne Schwechat; die Grabung men für alle Bemühungen im Zusammenhang mit entvölkert werden, kommt es an vielen Siedlungs- erbrachte wesentliche der Liste des UNESCO-Welterbes. rändern zu einem „Speckgürtel“, also einer weithin Einsichten zum Voraussetzung für die Eintragung ist ein ungeordneten Ansiedlung aller möglichen Funktio- römischen Kastell. „außergewöhnlicher universeller Wert“. Dieses Prädi- nen mit vielen negativen Auswirkungen. (Foto: September 2010) kat kann Natur- und Kulturstätten und „Gemischten c) Soziale Unruhen wie Krieg und Revolu- tionen sind derzeit bei uns im Gegensatz zu vie- len anderen Weltgegenden kein Thema. Soziale Ver- änderungen wie der Rückgang der Beschäftigten in der Landwirtschaft bilden jedoch eine Herausforde- rung: Denn wer wird unsere Kulturlandschaften in Zukunft pflegen?

Welterbe in Österreich Österreich trat, wie bereits angemerkt, der Konven- tion 1992/1993 bei. Seither können auch Güter auf österreichischem Staatsgebiet in die Liste des

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Kern Band 45.indd 49 01.07.2011 10:30:51 UNESCO-Welterbes eingetragen werden. Der- Außengrenzen des ehemaligen Imperium Romanum zeit ist Österreich mit acht Welterbestätten auf der in Europa, Asien und Afrika das archäologische Erbe Liste des UNESCO-Welterbes vertreten, die alle der des Limes erhalten, pflegen und nutzen. Kultursphäre zugeordnet sind: drei Altstädte, drei Die Reste der Einrichtungen zur Grenzsiche- Kulturlandschaften, Schloss Schönbrunn und die rung entlang der Donau unterschieden sich prin- Semmeringbahn. Für die Kulturlandschaft Fertö- zipiell von den Limesabschnitten, welche künstli- Neusiedlersee sind Österreich und Ungarn gemein- che Barrieren bildeten. Während beim ersten Typ sam verantwortlich. der Fluss ein natürliches Hindernis bildete, errich- Für die Einreichung des Limes als serielle tete man beim zweiten Wälle und Palisaden. Beim UNESCO-Welterbestätte gilt folgende von Exper- Flusslimes situierte man unterschiedliche Arten von ten erarbeitete Definition: „Das Weltkulturerbe militärischen Stützpunkten in geringer oder grö- ‚Die Grenzen des Römischen Reiches‘ umfasst die ßerer Entfernung zum Ufer. Das Verschieben von Grenzlinie(n) am Höhepunkt des Reiches unter Tra- Truppen und Gütern zwischen diesen Stützpunk- jan bis Septimus Severus (ca. 100 bis 200 n. Chr.) ten ermöglichte die – heute nur noch teilweise nach- und Militäreinrichtungen anderer Perioden, die an weisbare – Limesstraße. dieser Linie bestanden. Zu den Einrichtungen gehö- In Österreich wurden vom Bundesdenkmal- ren Legionslager, Kastelle, Türme, die Limesstraße, amt bis 2009 etwa 83 Fundstellen in 21 Bezirken, künstliche Barrieren und unmittelbar angeschlossene 64 Gemeinden und 75 Katastralgemeinden digi- zivile Einrichtungen.“ tal erfasst und in Gesamtpläne übernommen. Die Bisher wurden drei Abschnitte des Limes Fundstellen und ihre Präsentation wurden jeweils in die Liste des UNESCO-Welterbes eingetragen: ausführlich beschrieben. Es liegt damit eine archäo- Hadrianswall (1987) und Antoninuswall (2008) in logische Befundübersicht der Fundstellen am Limes Großbritannien sowie Obergermanisch-Raetischer auf österreichischem Gebiet vor, die als umfassend Limes (2005) in der Bundesrepublik Deutschland. bezeichnet werden kann. Außerdem fließen ins Pro- Traismauer; das Wiener Diese drei Abschnitte bilden drei Elemente einer jekt laufend neueste Grabungsergebnisse ein. Zudem Tor enthält römisches transnationalen, seriellen Welterbestätte „Grenzen wurden Ergebnisse von „Kultur-2000“-Projekten in Mauerwerk bis in die des Römischen Reiches / Frontiers of the Roman eine Datenbank eingearbeitet (durch die Europä- oberen Geschoße. Empire“. Im angestrebten Endzustand werden zwei ische Union und Österreich gefördert). Auch eine (Foto: Februar 2011) Dutzend Staaten entlang der einige 1000 km langen Website wurde eingerichtet. Auf Fundstellen treffen wir in heute bebau- tem wie auch unbebautem Gebiet. Für die Diskus- sion um die Ausdehnung möglicher Zonen und Schutzbereiche (Kern- und Pufferzonen) erwei- sen sich Darstellungen des Bundesdenkmalamtes als geeignet. Die österreichischen Fundstellen haben hohes Potential wegen ihres hohen Anteils an auf- gehendem Mauerwerk, des guten Zustands der unter der Erde befindlichen Materialien und ihres hohen Maßes an Siedlungskontinuität. Auch könn- ten Betrachtungen zur Interaktion zwischen Römern und Germanen auf unserem Gebiet von wissen- schaftlichem Interesse sein. Der auf österreichischem Gebiet liegende Anteil am Flusslimes soll sobald wie möglich der „seriellen UNESCO-Welterbestätte“ zugefügt

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Kern Band 45.indd 50 01.07.2011 10:30:51 werden. Die Bemühungen Österreichs wie einer zentrale Rolle bei der Beurteilung von Anträgen zur Reihe anderer Staaten werden durch die „Bratis- Aufnahme in die UNESCO-Welterbeliste. Man lava-Gruppe“ unterstützt (in Bratislava fand die erste muss Maßnahmen nachweisen, welche die langfris- Konferenz zur Koordination statt). Der Gruppe tige Erhaltung der Welterbestätte garantieren sol- gehören Delegierte aus Deutschland, Großbri- len. Dazu sind Mechanismen zu erläutern, wel- tannien, Kroatien, Österreich, der Slowakei und che die Erhaltung der unverzichtbaren Elemente der Ungarn an. Gespräche gibt es aber auch mit Bulga- Welterbestätte garantieren. Denn im Unterschied zu rien, Serbien und Rumänien. Für vertiefende Arbei- Schutz und Pflege einzelner Objekte, wie dies beim ten konnten bisher auch finanzielle Mittel der Euro- Denkmalschutz meist der Fall ist, haben wir es bei päischen Union gesichert werden. Die Koordination Welterbestätten mit Räumen zu tun, deren Erhal- der Arbeiten erfolgt im jeweiligen EU-Projekt. Frau tung private Möglichkeiten überschreitet und in Dr. Sonja Jilek vom Institut für Österreichische die auch Gemeinwesen einzubinden sind. Voraus- Geschichtsforschung ist seit sechs Jahren dafür ver- gesetzt wird, dass die vorgeschlagene Welterbestätte antwortlich und fixiert gemeinsam mit dem Vorstand bereits bei der Einreichung maximalen innerstaatli- der „Bratislava-Gruppe“ die zu behandelnden The- chen Schutz genießt. Effektives Management wird men und organisiert die wissenschaftlichen Treffen. auch in Finanz- und Verwaltungsbelangen erwartet. Die Bemühungen zur Eintragung wurden Zusätzlich zu Fragen der Archäologie und archäo- ab 2009 intensiviert. Seither koordiniert das Bun- logischen Denkmalpflege spielen hier Architek- desministerium für Unterricht, Kunst und Kul- tur und Bauwesen, Land- und Forstwirtschaft, Ver- tur zusammen mit einer Arbeitsgruppe die Abstim- kehrs- und Raumplanung, Naturschutz, Tourismus mung der wissenschaftlichen Grundlagen mit den und Pädagogik eine Rolle, um nur einige Einflussfak- betroffenen Gebietskörperschaften. Für Niederös- toren zu nennen. Um nachhaltige Erfolge zu erzie- terreich werden nach derzeitigem Stand 15 Fund- len, bedarf es „kreativer Ansätze“, denn Erfassung, stellen in Betracht bezogen. Der offizielle Antrag Schutz, Pflege und Nutzung müssen sinnvoll zusam- durch die Republik Österreich zur Eintragung in menspielen. Das bedeutet, dass speziell Verwaltungs- die bei der UNESCO geführte Nationale Vor- experten auf allen Ebenen ihre Einflussmöglichkeiten schlagsliste wird demnächst erfolgen. unter den Gesichtspunkten der Verantwortung für Zur Arbeitsgruppe gehören: Univ.-Prof. Dr. die Erhaltung des Welterbes prüfen und aus den sich Michael Doneus, Universität Wien (für spezielle Fra- ergebenden Einsichten erwachsende Beiträge leis- gestellungen); Mag. Heinz Gruber, Bundesdenk- ten sollten. Bisher wenig genutzte Ressourcen könn- malamt; Dr. Sonja Jilek, Institut für Österreichische ten aktiviert werden (z.B. Kooperationen zwischen Geschichtsforschung, Universität Wien; Dr. Mar- Denkmalschutz, Landschafts- und Naturschutz für tin Krenn, Bundesdenkmalamt; Dipl.-Ing. Wolfgang nachhaltige Bewirtschaftung). Freilich sollten auch Kusché, Planer; Dr. Christian Mayer, Bundesdenk- gesetzliche Möglichkeiten auf Welterbe hin orientiert malamt (für spezielle Fragestellungen); MinRat Dr. werden, basiert doch in einem Rechtsstaat alles Ver- Bruno Maldoner, Welterbebeauftragter im BMUKK; waltungshandeln auf gesetzlicher Basis. Dr. Marianne Pollak, Bundesdenkmalamt; Dipl.- Damit hat die drei Bundesländer einschlie- Ing. Anton Schabl, Planer; Univ.-Prof. Dr. Andreas ßende Erarbeitung des Einreichdossiers zur Einbezie- Schwarcz, Institut für Österreichische Geschichtsfor- hung des österreichischen Anteils an den „Grenzen schung, Universität Wien; Dr. Peter Strasser LLM, des Römischen Reiches“ in die Liste des UNESCO- Konsulent für UNESCO-Welterbe Weltkulturerbes das Potential, eine zukunftsträchtige Perspektive für Strategien für den gesamten österrei- Managementpläne chischen Donauraum mitzuentwickeln. Seit einigen Jahren spielen Managementpläne zur (Der Autor dankt Frau Dr. Sonja Jilek für nachhaltigen Erhaltung von Welterbestätten eine Anregungen und Kritik.)

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Kern Band 45.indd 51 01.07.2011 10:31:05 Der Donaulimes in Österreich

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Kern Band 45.indd 52 01.07.2011 10:31:07 © Medienagentur 7reasons, Absdorf

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Kern Band 45.indd 53 01.07.2011 10:31:09 Museen am Donaulimes

Niederösterreich Römermuseum Favianis – St. Severin, Römermuseum Tulln Mautern Darstellung der 400-jährigen Geschichte des Ausgrabungen aus dem Kastell Favianis Kastells Comagenis anhand von Originalfunden Geschichtliches Museum (Gläser, Fibeln, Münzen, Keramik, und Objekten aus dem Stadtbereich. Texte, der Stadt St. Valentin Alltagsgegenstände, Schmuck), römische Schautafeln, Figurinen, Modelle, Landkarten, Archäologische Abteilung mit Funden aus der Wandfresken, römische Kücheneinrichtung Fotocollagen und Zinnfigurendioramen zur Römerzeit (Archäologie Enns-Donauwinkel) Themenweg durch die Stadt Verdeutlichung der Kastellgeschichte. Schwerpunkte: Militärisches Leben im Kastell, Hauptplatz 5, 4300 Sankt Valentin Schlossgasse 12, 3512 Mautern ziviles Leben im Lagerdorf, Grabkultur. Tel.: +43 7435 58660 Tel.: +43 2732 81155 (Museum) Ausgrabungsstätte des östlichen Lagertores neben E-Mail: [email protected] oder +43 2732 83151 dem Museum, Römerturm (Flankenturm des Internet: www.valentinmuseum.at E-Mail: [email protected] Kastells), zur Gänze erhalten, an der Donaulände ÖZ: Di/Do 17h-19.30, So/Fei 10h-12h u. 15h-18h ÖZ: 1.4.-31.10.: Mi-So 10h-12h, Fr/Sa 16h-18h, (5 Min. vom Museum entfernt). Kontakt: Uta M. Matschiner mit Führung jederzeit nach Voranmeldung Kontakt: Werner Kristament Marc-Aurel-Park 1b, 3430 Tulln Tel.: +43 2272 65922 E-Mail: [email protected] Stadtmuseum Ybbs an der Donau Kontakt: Christine Pauser Römische Funde Museum E-Mail: [email protected] Römische Funde, Dokumentation Herrengasse 23, 3370 Ybbs an der Donau zum Kastell Asturis Tel.: +43 7412 53191 E-Mail: [email protected] Kirchenplatz 1, 3435 Zwentendorf an der Donau Zeiselmauer ÖZ: nach Vereinbarung Tel.: +43 676 7437987 Baudenkmäler im Ort: Kontakt: Kulturverein OKAY, Dr. Walter Labuda E-Mail: [email protected] Internet: www.museum-zwentendorf.at Fächerturm und Römermauern ÖZ: jeden 1. u. 3. Sonntag im Monat 10h-12h, Publikation „Geschichte von Cannabiaca jeden 2. u. 4. Mittwoch im Monat 18h-20h – dem römischen Zeiselmauer“ Kontakt: Römermuseum Wallsee-Sindelburg u. nach Vereinbarung Verein der Freunde von Zeiselmauer Römische Funde, Dokumentation über Kontakt: Richard Richter Informationen unter: das römische Leben in der Provinz http://www.zumlustigenbauern.at/roemer/fotos.php (Heer, Religion, Alltagskultur) (der Gasthof „Zum lustigen Bauern“ bietet Donauberg 1, 3313 Wallsee Stadt- und Heimatmuseum Traismauer römische Küche, Tel.: +43 2242 70424) Tel.: +43 7433 2270 Im Heimatmuseum: Dokumentation der Römerzeit, E-Mail: [email protected] Innenstadt von Traismauer: ehemaliges Auxiliar- ÖZ: 1.5.-30.9.: jeden Mi 18h-19h kastell Augustianis, Standort der Ala Prima Augusta u. nach telefonischer Vereinbarung Thrakum (Reitereinheit), römische Baudenkmäler Stadtmuseum Kontakt: Johann Wahl in der Innenstadt: Porta Principalis Dextra – Rö- Römische Funde aus dem Stadtgebiet Klosterneu- mertor, römischer Hufeisenturm – „Hungerturm“ – burg, Dokumentation des ehemaligen römischen Standort des Heimatmuseum, Überreste der Lagerdorfs mit Hausgrundrissen, Kelleranlagen Principa – Ausgrabungen in der Unterkirche, und Brunnenschächten mit mannigfaltigen Bron- Stadtmuseum Arelape – Bechelaren ze- und Tongeschirren aus den ersten drei nach- – Pöchlarn Grundmauern des ehemaligen Kleinkastells – heutiges Schloss Traismauer, Römerbrunnen mit christlichen Jahrhunderten. Höhepunkt bildet die Funde aus der Römerzeit, Ausstellung „Arelape – Weihestein – ehemalige Zivilsiedlung des Kastells Entdeckung eines mittelalterlichen Weinlesehof- das römische Pöchlarn“ im historischen Welserturm komplexes, der sich als der Weinlesehof des Dom- Museum: Hungerturm/Hufeisenturm, Welserturm, Regensburgerstraße, 3380 Pöchlarn und Hochstiftes Passau identifizieren ließ (Teile Florianigasse, 3133 Traismauer Tel.: +43 2757 2310-14 der freigelegten Mauern sind im Untergeschoss des Tel.: +43 2783 8651-0 (Stadtgemeinde) E-Mail: [email protected] Museums integriert). Als Sensation galt der Fund E-Mail: [email protected] ÖZ: Mo-Fr 9h-12h u. 13h-16h während der Amts- von 1238 figural verzierten und glasierten Boden- ÖZ: April-Oktober: Mi/Fr 17h-19h stunden der Stadtgemeinde (Glocke beim Turm), fliesen (14. Jahrhundert) aus der ehemaligen Kapel- u. jederzeit gegen Voranmeldung Sa 10h-12h u. nach Vereinbarung le des Lesehofs, welche in ihrer Anzahl und ihrem Kontakt: Jeanette Hammer Kontakt: Gertrud Kuttner

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Kern Band 45.indd 54 01.07.2011 10:31:09 guten Erhaltungszustand im europäischen Raum Archäologischer Park Carnuntum Wien einzigartig sind. 3 Standorte: Kardinal-Piffl-Platz 8, 3400 Klosterneuburg – Archäologisches Museum Carnuntinum: Römermuseum Hoher Markt in Wien Tel.: +43 2243 444-299 oder -393 Badgasse 40-46, 2405 Bad Deutsch Altenburg Einblick in die Geschichte des Legionslagers E-Mail: Vindobona [email protected] – Freilichtmuseum Petronell: ÖZ: Sa 14h-18h, So/Fei 10h-18h Hauptstraße 3, 2404 Petronell-Carnuntum Hoher Markt 3, 1010 Wien Kontakt: ADir. Mag. Michael Duscher Tel.: +43 1 535 56 06, Fax: +43 1 505 87 47-7201 – Amphitheater I: Tel.: +43 2243 444225 E-Mail: [email protected] Wienerstraße 52, 2405 Bad Deutsch Altenburg Internet: http://www.wienmuseum.at/de/­ Tel.: +43 2163 33770 standorte/ansicht/roemermuseum.html E-Mail: [email protected] ÖZ: Di-So u. Fei 9h-18h Internet: www.carnuntum.co.at Stiftsmuseum Klosterneuburg Geschlossen: 1.1., 1.5., 25.12. ÖZ: Mitte März-Mitte November: tägl. 9h-17h Römische Funde Kontakt: Dr. Michaela Kronberger Kontakt: Archäologische Kulturpark Stiftsplatz 1, 3400 Klosterneuburg Niederösterreich Betriebs GmbH Tel.: +43 2243 411212 E-Mail: [email protected] Erweiterte Museumsliste unter: ÖZ: tägl. 9h-18h, http://www.limes-oesterreich.at Wintersaison (Mitte November-Ende April): (inkl. Museen mit bedeutenden römischen 10h-17h, 24. u. 31.12.: 9h-13h, 1.1.: 13h-17h Funden, die abseits der Donau liegen, (25. u. 26.12. geschlossen) z.B. Stadtmuseum St. Pölten) Kontakt: MMag. Wolfgang Huber Informationen zu den NÖ Museen im Oberösterreich Internet unter: http://www.noemuseen.at Museum – Römermuseum Heimatmuseum Fischamend in Enns Römische Funde Umfangreiche Sammlung der Römerzeit Fischaturm, Smolekstraße 57, 2401 Fischamend Hauptplatz 19, 4470 Enns Tel.: +43 2232 77300 Tel.: +43 7223 85362 E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] Internet: www.heimatmuseum-fischamend.at Internet: museum-lauriacum.at ÖZ: Mai-Oktober: So 10h-12h ÖZ: April und Oktober: Mo-Fr 9h-15h, Kontakt: Franz Lorenz Sa/So 10h-12h u. 14h-16h, Mai bis September: Mo-Fr 9h-18h, Sa/So 10h-12h u. 14h-16h, November bis März: Mo-Fr 9h-15h, Museum Petronell-Carnuntum So 10h-12h u. 14h-16h Auxiliarkastell Kontakt: Dr. Reinhardt Harreither (Obmann Foto- und Textdokumentation über die Wiederent- des Museumsvereins Lauriacum, Kustos) deckung Carnuntums und besonders des Auxiliar- kastells, Wasserbautechnik im antiken Carnuntum, Dokumentation über den römischen Totenkult anhand von rekonstruierten Gräbern mit Grab- beigaben etc. Im Tiefkeller antikes Bodendenkmal (Kreuzung Trinkwasserleitung mit Abwasserkanal). Hauptstraße 78, 2404 Petronell-Carnuntum Tel.: +43 2163 209 35 (Museum) oder +43 699 10121911 ÖZ: Anfang Mai-Ende Oktober: Sa/So/Fei 10h-17h, Gruppen nach Voranmeldung Kontakt: Alfons O. Just (Obmann Museumsverein)

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Kern Band 45.indd 55 01.07.2011 10:31:09 Die römische Grenze in der Slowakei

Ján Rajtár

Vor der Ankunft der Römer siedel- Mannschaftsbaracke mit vier Räu- ten beiderseits der mittleren Donau men. Unter Traian wurde nach Geru- keltische Stämme. Im Raum von lata die ala I cananefatum abkom- Bratislava errichteten die Boier ein mandiert. Bei ihrer Ankunft wurde mächtiges . Die neuesten vermutlich das Holz-Erde-Lager Grabungsergebnisse auf der Bratis- durch ein Steinkastell ersetzt. Seine lavaer Burg mit den überaschenden Ausdehnung ist nicht vollständig Befunden von Steinbauten mit Ter- bekannt. In der Umgebung des Kas- razzo-Böden und Mosaik-Dekoratio- tells ist eine Zivilsiedlung entstanden, nen belegen ihre intensiven Kontakte am Rande lagen mehrere Gräberfel- mit Italien bereits vor der Zeitwende. der und Werkstätten. Die heute sicht- Unter Augustus erreichte die baren Mauerreste im Museumareal in römische Expansion den Mittel- der Nähe der Pfarrkirche gehörten zur

Blick über die Grenzen DenkmalpflegeInternational donauraum und brachte grundle- Kleinfestung aus dem späten 4. Jahr- gende machtpolitische und ethnische hundert. Nach der notitia dignitatum Änderungen in das Gebiet. Seit dem war noch am Anfang des 5. Jahrhun- 1. Jahrhundert n. Chr. verliefen die derts in Gerulata eine Reitertruppe Nordgrenzen des Römischen Reiches von Bogenschützen stationiert, die entlang der Donau. Von der heuti- equites . gen Slowakei gehörte zum römischen Unter Kaiser Marcus Aure- Territorium nur ein ganz kleiner Teil lius kam es im mittleren Donauraum am rechten Donauufer, die übri- zu großen Konfrontationen mit den gen Gebiete lagen bereits jenseits der transdanubischen Germanen. Die Grenzen im . Römer führten gegen die Markoman- Karte rechts: Mit dem Aufbau der ständigen nen und Quaden mehrere Kriegs- Die römische Grenze in Nordpannonien Limesanlagen entlang der nordpanno- züge, wobei sie mehrfach in das Qua- und ihr Vorland in der Slowakei nischen Grenze wurde unter Domi- denland auf das Gebiet der heutigen tian begonnen. Damals gründeten die Westslowakei vorgestoßen sind. Aus Legende: Römer südöstlich von Carnuntum dieser Zeit stammen die Spuren von 1 germanische Siedlungen auch das Limeskastell Gerulata, das in römischen temporären Feldlagern, die und Gräberfelder 2 römische Grenzanlagen der Gemeinde Rusovce, einem Vorort hier in den letzten Jahren in größerer (Legions- und Auxiliarlager) von Bratislava, liegt. Das erste Lager Anzahl entdeckt und untersucht wur- 3 temporäre römische Lager errichtete man am Westufer des ehe- den, wie auch die Inschrift auf dem aus der Zeit der Markomannenkriege maligen Donauarmes. Seine Umweh- Burgfelsen in Trenčín/Laugaricio. 4 römische Bauten im Quadenland rung bildeten zwei parallele Spitzgrä- Während dieser sogenann- 5 Limesstrasse ben, von der Innenbebauung kennt ten Markomannenkriege erhielt das 6 heutige Staatsgrenzen man nur einen Teil einer hölzernen Gebiet um die Waagmündung eine

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Kern Band 45.indd 56 01.07.2011 10:31:09 große strategische Bedeutung. Damals 3 ha Fläche. Sein Grundriss in Form liches Phänomen die römischen bzw. erbauten die Römer gegenüber dem eines regelmäßigen Vierecks mit abge- nach römischen Vorbildern gebauten Legionslager von Brigetio am nördli- rundeten Ecken (172 x 172 m) war Architekturen im quadischen Milieu. chen Donauufer in der Nähe von Iža nach den Weltrichtungen orientiert. Solche Bauten in Bratislava-Devín, bei Komárno ein Holz-Erde-Kastell. Wesentlichen Teil der Innenbebauung Bratislava-Dúbravka, Cífer-Pác, Stu- Seine Ausmaße sind nicht vollständig bildeten die gassenartig angeordne- pava und in Veľký Kýr stammen aus bekannt, doch nahm es mindestens eine ten Kasernenbaracken, Ställe, Maga- dem 2., 3. bis späten 4. Jahrhundert Fläche von 3 ha ein und war mit zwei zine und Speicher. Das Stabsgebäude und zeigen einen starken römischen tiefen Spitzgraben befestigt. Von der befand sich im Raum beim West- Einfluss auf die quadische Nobilität. Innenbebauung sind die Reste von elf tor, die Bäder waren in seinem Süd- Das Gebiet der Slowakei befand aus ungebrannten Lehmziegeln erbau- ostteil untergebracht. Sein Name und sich am Rande und in unmittelba- ten Mannschaftsbaracken bekannt. die Besatzung sind nicht bekannt. Als rer Nachbarschaft des Römischen Diese erste Anlage wurde noch vorgeschobener Brückenkopf diente Reiches. Diese Tatsache hat bedeu- während der Markomannekriege bei es zur Kontrolle des Vorfelds von Bri- tende Spuren nicht nur in der eigenen einem unerwarteten germanischen getio nach mehreren Umbauten etwa Grenzzone, sondern auch in ihrem Angriff zerstört. Nach Kriegsende bis Ende des 4. Jahrhunderts. breiteren Vorland hinterlassen. errichteten die Römer an der glei- Auf dem Gebiet der Südwest- chen Stelle ein Steinkastell von über slowakei gibt es als ein außergewöhn-

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Kern Band 45.indd 57 01.07.2011 10:31:10 Der pannonische Limes und das europäische Donaulimes-Programm

Zsolt Visy

Ein bedeutender Teil der einsti- iranischen Jazygen die Roxolanen und vollständig ausgebaut wurde. Mit der gen römischen Provinz Pannonien Alanen anschlossen. Die gesamte Zeit Errichtung der Provinz Dakien im befindet sich in Ungarn. Die äußere der römischen Okkupation im Karpa- Jahr 106 entstand eine spezielle Situ- Grenze der Provinz, die Donau, bil- tenbecken vom Anfang des 1. bis zum ation im Vorfeld Pannoniens. Die dete zugleich die Grenze des Römi- 5. Jahrhundert n. Chr. ist von die- Sarmaten gerieten zwischen die bei- schen Reichs. Diese etwa 450 km sen und anderen Völkerwanderungen den Provinzen und Superior. lange Linie war stets gefährdet, weil gekennzeichnet. Zusätzlich wurden sie von Norden sich an der anderen Seite des Flus- Die römischen Truppen waren von den ins Karpatenbecken eindrin- ses zahlen- und stärkemäßig immer einige Jahrzehnte lang im Inneren der genden Vandalen bedrängt. wieder wachsende Völkerschaf- Provinz stationiert, seit der Mitte des Dieses Gebiet war also wäh- ten ansiedelten: kurz vor und nach 1. Jahrhunderts wurden sie stufen- rend der gesamten Römerherr- der Zeitwende die Markomannen weise an die Limeslinie kommandiert. schaft sehr gefährdet. So verwun- und Jazygen, später weitere germani- Ab der flavischen Zeit kann man von dert es wenig, dass die pannonische sche Gruppen wie die Quaden, Van- einer linearen Verteidigung sprechen, Armee – zusammen mit den Armeen dalen und Goten, während sich den die bis zur Regierungszeit Hadrians der weiteren Donauprovinzen des

Der alte Lauf der Donau auf der Karte von L. Marsigli mit dem eingezeichneten Kastell neben Kölked (links)

Pannonia im 2./3. Jahrhundert (rechts)

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Kern Band 45.indd 58 01.07.2011 10:31:12 Die Armee von Pannonien – ab 106 Pannonia Superior und Inferior und ab dem Ende des 3. Jahrhunderts vier pannonische Provinzen – besaß über vier, im 4. Jahrhundert sechs, Legionen und mehr als 30 Auxiliar- truppen, die alle entlang der Donau- grenze stationiert waren. Die zwei Legionen im ungarischen Gebiet lagen in Brigetio (Szőny) und Aquin- cum (Budapest-Óbuda). Neben die- sen Legionen befanden sich noch mindestens 21 Auxiliartruppen dort. Ihre Standlager wurden zunächst aus Holz und Erde, ab der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts aus Stein gebaut. Im 4. Jahrhundert erhielten die Kastelle herausspringende Türme. Die Kastelle wurden durch die Mili- tärstraße (Limesstraße) verbunden, der teilweise bis in unsere Zeit wich- Balkangebiets – bald die stärkste tige Verkehrsadern folgen. Neben Dunaújváros, das konservierte Südtor des Kastells Intercisa (oben) Armee des Imperiums wurde. Diese der Limesstraße und am Donauufer Militärmacht riss auch mehrmals die wurden Wachtürme errichtet. Die oberste Führung des Reichs an sich, meisten Türme stammen aus dem Dunaújváros, 3-D-Rekonstruktion im 3. und 4. Jahrhundert regierten 4. Jahrhundert. Die Römer sahen die des Südtors des Kastells Intercisa (unten) mehrere illyrische Kaiser. Donau und auch das gegenüberlie- gende Ufer als ihr Eigentum. Dem- entsprechend bauten sie Brücken- köpfe und bei den Legionslagern Festungen. Diese militärischen Einrich- tungen bildeten mit den dazugehö- renden Zivilsiedlungen und Städten das Verteidigungssystem der Provinz. Archäologen konnten seit dem Ende des 19. Jahrhunderts viele Militäran- lagen teilweise oder vollständig freile- gen. Einige davon konnten denkmal- pflegerisch behandelt und präsentiert werden, viele andere, die zugedeckt oder gar nicht erforscht wurden, können im Gelände identifiziert wer- den. Einige Kastellgräben sind bis zu 3 m Tiefe erhalten geblieben.

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Kern Band 45.indd 59 01.07.2011 10:31:15 Zeitpunkt habe ich im Weltkultur- erbe-Komitee vorgeschlagen, eine ein- zige, umfassende Limes-Weltkulturer- bestelle zu entwickeln. Im Jahre 2005 wurde der obergermanisch-rätische Limes als zweite und der Antoninus- Wall als dritte Teilstrecke des Welt- kulturerbes „Frontiers of the “ aufgenommen. Seit mehreren Jahren gibt es eine Initiative, auch mehrere Strecken des römischen Limes für das Weltkul- turerbe zu nominieren. stand an der Spitze dieses Kreises. Bei der EAA-Konferenz in Thessaloniki wurde erstmals eine darauf fokussierte Gruppe eingerichtet, im Jahr 2003 wurde dann in Bratislava die Bratis- lava-Gruppe gegründet. Diese kleine internationale Fachgruppe hat die Aufgabe, die Umstände der Nominie- rung des römischen Limes als Welt- Dunaújváros, altchristliche Kirche in Intercisa kulturerbe zu bestimmen Von vornherein wurde festge- legt, dass nicht einzelne hin- und her- geschobene oder gar parallele Stre- Der römische Limes in Ungarn gehört Die internationale Limesforschung cken nominiert werden können, zum Grenzsystem des Römischen arbeitet eng zusammen. Regelmäßig sondern nur eine. Weiters wurde fest- Reichs. Die Grenzlinie hat sich mehr- organisierte Konferenzen und zahl- gelegt, dass nur eine Linie und nicht fach verändert. Doch trotz mehrma- reiche Publikationen ermöglichen ein breiter Streifen mit im Hinterland liger Versuche, dem Reich neue Pro- eine gute Übersicht. Dabei zeigt sich gebauten Kastellen einbezogen wer- vinzen anzuschließen, konnten die immer klarer, dass der römische Limes den kann. meisten nur kurze Zeit gehalten wer- eines der wichtigsten Monumente Diese Aufgabe hat das Tref- den. Die pannonische Grenze blieb der Menschheit ist und gleichzeitig fen der Gruppe in Konstanz gelöst. stets gleich. Der unter Marc Aurel die mächtigste Macht der klassischen Die Definition ist wissenschaftlich mögliche Versuch, die Provinzen Mar- Welt, das Fundament unserer moder- begründet, betrachtet jedoch den comannia und Sarmatia zu begrün- nen Kultur, repräsentiert. Es lohnt Limes in einem engeren Sinn. Sie den, wurde nie verwirklicht. Die sich also, den römischen Limes als liest sich wie folgt: „The Frontiers gesamte Länge des römischen Limes Weltkulturerbe anerkennen zu lassen! of the Roman Empire World Heri- umfasst mehr als 5000 km. Er lief Der Hadrians-Wall wurde tage Site (FREWHS) should con- entlang Seeufern, Wüsten, Gebirgen bereits im Jahr 1987 in die Liste sist of the line(s) of the frontier of und Flüssen. Wo es kein Naturhinder- des Weltkulturerbes aufgenom- the height of the empire from Traian nis gab wie in Schottland oder zwi- men, andere Strecken jedoch län- to Septimius Severus (98 - 211 AD), schen Rhein und Donau, baute man gere Zeit nicht. Diese Situation hat and military installations of different eine Mauer oder einen Wall. sich 1999/2000 geändert. Zu diesem periods which are on that line. The

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Kern Band 45.indd 60 01.07.2011 10:31:16 installations include fortresses, forts, von 2008 - 2011 (Zentral Europe Pro- archäologisch nachgewiesen wer- towers, the limes road, artificial bar- gramm). Die drei ungarischen Part- den. Mehrere davon können in die riers and immediately associated civil ner werden die Nominierung bis zum Nominierung aufgenommen werden. structures.“ Ende der Laufzeit des Programms fer- Sie stellen die Verbindung zwischen Der pannonische Limes ent- tig stellen. den unterschiedlichen Limesanlagen spricht den in der Konstanzer Dekla- Die ungarische Nominierung her und bestätigen die Linearität des ration festgelegten Kriterien. Der wird die erste sein, die keine künst- Limes. Umstand, dass seine Linienführung lich geschaffene Grenze, sondern eine Ein Problem in diesem Zusam- während der Römerherrschaft nicht Flussgrenze nominiert. Das bedeutet menhang ist freilich, dass die Donau verändert wurde, erlaubt es, nicht nur eine große Aufgabe und Verantwor- ihren Lauf und ihr Bett während der die hierher gehörenden Limesanla- tung. Man kann auf die Donau hin- Jahrhunderte mehrmals verändert hat. gen aus dem 2. Jahrhundert, sondern weisen, aber diese Naturgrenze darf Auch Flussregulierungen verursach- auch frühere und spätere Militär- und und kann nicht für das Weltkultur- ten wesentliche Änderungen in der dazugehörende Zivilanlagen zu nomi- erbe nominiert werden. Die in regel- Region. Geographische Forschungen nieren. Dieser Limes kann vollständig mäßiger Abfolge gebauten Kastelle haben gezeigt, dass die Donau abge- einbezogen werden, da ab dem späten stellen eine perlenartige Linie dar. sehen vom Gebiet des Donauknies 1. Jahrhundert alle Kastelle und ande- Auch wenn man die Limestürme ein- meistens in mehreren Armen floss ren Militäranlagen direkt am Limes bezieht, entsteht keine befestigte Linie und ihrem Lauf oft sumpfige Gebiete oder in seiner unmittelbaren Nähe wie der Hadrians-Wall oder der ober- folgten, bis zu 30 km Breite. Die erbaut wurden. germanisch-rätische Limes. Eine römerzeitliche Grenze kann und muss Ungarn bereitet die Nominie- Möglichkeit, trotzdem die Linearität auf Basis dieser Forschungsergebnisse rung vor und arbeitet dafür im Rah- des Limes aufzuzeigen, ist die Limes- und der in etwa rekonstruierten Lauf- men internationaler Projekte eng straße. Diese Straße wurde vom Mili- linie der Donau sowie der bekannten mit Forschern weiterer europäi- tär angelegt und musste hauptsäch- Limesanlagen rekonstruiert werden. scher Länder zusammen. Die erste lich dessen Ansprüchen genügen. Dabei ist zu beachten, dass mehrere Etappe lief von 2005 - 2008 (Kul- Glücklicherweise konnten lange Stre- Limesanlagen von der Donau teil- tur 2000 Programm), die zweite läuft cken dieser Straße der Donau entlang weise oder vollständig vernichtet oder beschädigt wurden. Der pannonische Limes soll also in die römerzeitliche Landschaft integriert werden. Weltkulturerbestellen ziehen große Mengen von Besuchern sowohl aus dem jeweiligen Land als auch aus dem Ausland an. Obwohl bereits mehrere archäologische Parks gestaltet

Dunafalva, Ruinen des spätrömischen Schiffslände gegenüber des Kastells Florentia in Dunaszekcső

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Kern Band 45.indd 61 01.07.2011 10:31:30 und Limesobjekte konserviert wur- konservierte und ergänzte Bau- Militärvicus, ein Haus und eine alt- den, ist in dieser Hinsicht noch viel ten des Militärs hingegen nur spär- christliche Kapelle können in kon- zu tun. Die Zivilstadt und manche lich ausgebaut. Hervorzuheben sind serviertem Zustand besichtigt wer- Bauten des Legionslagers und der das Kastell und Freilicht-Lapida- den. Die Konservierungen und das in Militärstadt sowie die beiden Amphi- rium in Dunaújváros/Intercisa. In Kubatur rekonstruierte spatrömische theater repräsentieren die Haupt- diesem Archäologischen Park konn- Nordtor der spätrömischen Festung stadt auf hohem Niveau. ten mehrere Teile des Kastells konser- von Dunakomlőd/Lussonium ziehen In den weiteren Limesgebieten sind viert werden. Auch zwei Bauten des viele Besucher an. Kleinere und größere römische Bauten kann man ferner in Százha- lombatta/Matrica, Nagytétény/Cam- pona, Szentendre/Ulcisia Castra, Leá- nyfalu, Verőce, Visegrád, Tokod und Gönyü in konserviertem oder provi- sorisch konserviertem Zustand besich- tigen. Außerdem gibt es mehrere Militäranlagen, die als Ruine besucht werden können. Eine große Aufgabe der Zukunft ist, nicht nur weitere Anlagen zu konservieren und herzu- richten, sondern auch die nicht frei- gelegten, lediglich auf der Oberfläche erhaltenen Spuren von Kastellen, Tür- men und Limesstraße-Strecken sicht- und besuchbar zu machen sowie sie mit mehrsprachigen, ausführlichen Informationen zu versehen, damit sie für interessierte Besucher leicht zugänglich werden.

Paks-Dunakömlőd, das in Kubatur rekonstruierte Nordtor der spätrömi- schen Festung Lussonium

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Kern Band 45.indd 62 01.07.2011 10:31:32 Der römische Limes in Bulgarien

Florian Matei-Popescu

Die römische Grenze an der unteren bulgarisch-polnisches Team tätig war. Italica), Durostorum (Legio XI Clau- Donau in Bulgarien ist 471 km lang Auch das Gebiet von Novae bis zum dia ) und Troesmis (Igliţa, und erstreckt sich zwischen Dorticum Donaudelta stand unter römischer Rumänien; Legio V Macedonica). (Vrăv) und Durostorum (Silistra). Militärkontrolle, da unter Kaiser Auch eine bedeutende Anzahl von Dieser Limesabschnitt gehörte zur Domitian ein praefectus classis et ripae Lagern, in denen Auxiliareinheiten römischen Provinz Moesia und mit Danuvii nachgewiesen werden kann. untergebracht waren, können nach- dem Beginn der Herrschaft Domiti- Es hat den Anschein, dass der gewiesen werden. Im westlichen Teil, ans (85/86 n. Chr.) zu Moesia supe- Limes mit Beginn der Herrschaft Ves- in den ehemaligen Militärzentren rior und Moesia inferior. pasians noch weiter Richtung Osten Ratiaria (Arčar) und wurden Die römische Grenze an der bis zum Donaudelta erweitert wurde, von Trajan neue römische Kolonien Donau wurde in den letzten Jahren wie eine Inschrift aus Appiaria und errichtet – das römische Zivilleben der Herrschaft von Augustus errich- eine weitere aus Aegyssus (Tulcea, erfuhr einen Aufschwung. tet und zu Beginn der Herrschaft Rumänien; eine Widmung für Titus) Diese Situation änderte sich von Tiberius fertiggestellt. Den- zu belegen scheinen. Der Limesab- unter der Herrschaft von , noch war der Limesabschnitt in jener schnitt von Durostorum bis zum als die Provinz Dakien aufgelassen Zeit auf die Flusstäler der Morava Donaudelta im Gebiet des heutigen und der Limesabschnitt von Bulga- und des Timok im heutigen Ser- Rumänien wurde jedoch erst unter rien erneut die Reichsgrenze wurde. bien beschränkt (wo nachweislich der Herrschaft Trajans mit Steinkas- Die dakischen Legionen wurden in zwei Legionen waren, die Legio IV tellen und der ergänzenden Militär- Ratiaria (XIII Gemina) und Oescus Scythica und die Legio V Macedo- straße zur Gänze fertiggestellt. (V Macedonica) stationiert und die nica), mit einer östlichen Verlänge- Nach Gründung der neuen Legionslager und Hilfstruppenlager rung zwischen Ratiaria und Oescus Provinz Dakien () im Jahr 106 wieder aufgebaut. Der Limes an der (vermutlich die Grenzen der soge- wurde der Limesabschnitt im heu- unteren Donau bestand auch wäh- nannten praefectura civitatium Moesiae tigen Bulgarien zu einer inneren rend des spätrömischen Reichs bis et Treballiae). Mittlerweile kann ost- Grenze im westlichen Gebiet (auch zum Beginn des 7. Jahrhunderts, er wärts eine ripa Thraciaenachgewiesen in Moesia superior und Moesia infe- gilt als eine der am längsten bestehen- werden, die dem thrakischen König- rior, bis Oescus) und in den östlichen den Grenzen des Römischen Reiches. reich unterstand. Teilen Richtung Norden erweitert, da Mit Beginn der Herrschaft von die gesamte Ebene der Walachei bis Claudius und nach der Gründung der 117/118 Teil des Reiches war. Danach thrakischen Provinz im Süden wurde wurde der Limes erneut an der Donau der Limes bis Novae erweitert; begin- errichtet. Eine der Konsequenzen dar- nend mit dem Jahr 46 kann hier die aus, dass der Limes zu einer inneren Legio VIII Augusta nachgewiesen Grenze im westlichen Gebiet wurde, werden. Novae ist eine der bedeu- war die Verlagerung des Militärzent- tendsten Ausgrabungsstätten am bul- rums des Limes Richtung Osten, mit garischen Limesabschnitt, an der ein den Legionslagern Novae (Legio I

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Kern Band 45.indd 63 01.07.2011 10:31:32 Die römische Grenze in Rumänien – Dakien

Cristian Găzdac

Nach dem Zweiten Dakerkrieg Mark Aurel im Jahr 168 wurde die Jeder der drei Distrikte Dakiens ver- (105/106 n. Chr.) waren während der Legio V Macedonica in Potaissa (dem fügte über eine eigene Truppenaufstel- Herrschaft Trajans in Dakien (Dacia) heutigen Turda) stationiert. Bis zu lung (exercitus). Bis heute ist lediglich vermutlich drei Legionen stationiert: ihrer Auflassung war Dacia eine Pro- vom Exercitus Daciae Porolissensis ein die Legio IIII FlaviaTHE ROMAN in Berzobis FRONTIER (dem IN ROMANIA vinz – DACIA mit zwei Legionen, die in Apu- epigrafisches Zeugnis erhalten. Neue- Cristian Găzdac heutigen Berzovia), die Legio XIII lum und Potaissa stationiert waren. ren Berechnungen zufolge sollen etwa After the second DacianGemina war (AD in 105-106) Apulum, during (dem the reign heutigen of Trajan three legions wereNeben probably garrisonedden zwei in DaciaLegionen: IIII Flavia at 50.000 - 55.000 Soldaten in Dacia Berzobis (today Berzovia),Alba XIII Gemina Iulia) atund Apulum möglicherweise (today Alba Iulia) and,die possibly, Iwaren Adiutrix auch (?). Around zahlreiche AD 117 -118,Auxiliartrup- IIII Flavia was stationiert gewesen sein. transferred to Singidunum (modernLegio Belgrade)I Adiutrix. in Moesia Um Superior etwa and117/118 I Adiutrix after thepen Parthian in campaigndieser Provinzof Trajan returned stationiert. to Pannonia at Die Römer nutzten beim Auf- Brigetio. After the administrativewurde reform die ofLegio M. Aurelius IIII Flavia in AD 168, nach the V Sin- Macedonica Auswas garrisoned epigrafischen at Potaissa (modernQuellen Turda). und Until von its bau ihres Verteidigungssystems in abandonment, Dacia was a province with two legions garrisoned at Apulum and Potaissa. Apart from the twogidunum legions, numerous (das auxiliaryheutige troops Belgrad) were also in stationed in Militärurkunden this province. From epigraphic sind etwa sources 16 and alae military Dacia die geografischen Gegeben- diplomas 16 alae (cavalry), Moesiaabout 50 cohortes Superior (infantry), verlegt 15 numeri und (ethnics die Legio or special troops)(Kavallerie), and the equites 50 and cohortespedites singulares (Infante- (governor’s heiten. Im zentralen und nördlichen guards) are known. I Adiutrix kehrte nach Trajans Feldzug rie), 15 numeri (kleine Einheiten von Teil der Provinz bildeten die Karpa- Each of the three districtsgegen of dieDacia Parther had its own wieder army organisation nach Brige- (exercitus). UntilEinheimischen now only the exercitus oder Daciae Spezialtruppen) Porolissensis has ten eine ideale natürliche Grenze. In 1 been epigraphically attested.tio in der Provinz Pannonien zurück. sowie die equites und pedites singulares jüngerer Zeit einigte man sich darauf, Recent calculations suggest that there were 50-55,000 soldiers garrisoned in Dacia.2 Nach der Verwaltungsreform von (Leibgarde) bekannt. dass der südwestliche Teil des ehema- ligen dakischen Reichs, das Gebiet, das durch die Flüsse Mureş (Maris, dt. Mieresch oder Marosch) und Theiß (Tisia) begrenzt wird, und besondere das Gebiet des heutigen Banats, nicht Teil der römischen Provinz Dacia war. Neuere archäologische Ausgrabungen in diesem Gebiet dokumentieren die Existenz von Nekropolen der Sarma- ten und dakische Siedlungen.

Das römische Dakien, Grenze und Militäreinheiten

Figure 1. - the frontier and military units 64 More recently, it has been agreed that the SW part of the former Dacian realm, the territory on the corner made by the rivers Mureş (Maris) and Tisza (Tisia) was not part of the of Dacia. The Romans based their defensive system in Dacia on geographical features. For the central and northern part of the province the CarpathianKern Band Mountains 45.indd 64 were perfect natural .3 01.07.2011 10:31:33 It must be mentioned here that, in the last decades, it has been demonstrated that the SW part of Dacia (mainly today region of Banat) did not belong to the Roman province. Die Zugangsstraßen zu der Pro- errichtet und Die Präsenz vieler Truppen und Sied- vinz waren durch die an den Flüssen genannt (235 km lang). lungen erforderte ein gut entwickel- Mureş, Micia, (heute: Veţel) gelege- Die zweite Befestigungslinie, tes Straßennetz. Die wichtigsten Stra- nen Hilfstruppenlager und eine Kette der , mit Auxiliarlagern ßen waren jene, die die Donau im von Lagern am Fuße der Berge von von den Karpaten bis zur Donau, Süden mit dem nördlichen Teil der Bologa (im nordwestlichen Dacia) bis erstreckte sich entlang des Flusses Olt Provinz verbanden: Lederata – Berzo- (heute Breţcu, am Fuß der (Alutus). Dieser Teil des dakischen bis – ; Dierna – Teregova – Karpaten) versperrt. Die Stationie- Limes verlief vom Rotenturmpass, Tibiscum. Anschließend führte die rung der beiden Legionen – V Mace- der vom Militärlager Hauptroute durch folgende Siedlun- donica und XIII Gemina – nahe der abgesichert wurde, bis zur Festung gen: Tibiscum – Ulpia Traiana Sarmi- westlichen Grenze der Provinz in Sucidava (heute Celei) an der Donau zegetusa – Aquae – Apulum – Pota- Potaissa (Turda), Apulum (Alba Iulia) (ca. 260 km). Nach dem karpischen issa – Napoca – ; Drobeta zeigt, aus welcher Richtung häufig Krieg von Philip I. oder auch wäh- – Auxiliarlager von Bumbeşti – Aquae Gefahren von außen drohten, sowie renddessen wurde der limes transaluta- – und dann entlang der Hauptroute die Notwendigkeit, das Gebiet der nus aufgelassen und die Verteidigung über den Vulcan-Pass. Die Straße Goldbergwerke zu schützen (Albur- der südöstlichen Grenze der Provinz des limes alutanus verlief von - nus Maior – Roşia Montană). am Fluss Olt organisiert. dava nach Caput Stenarum und dann Vom Karpatenbogen aus wurde Die Gesamtlänge der römischen ebenfalls entlang der Hauptroute bis der Limes entlang zweier Linien Grenze in Dacia belief sich auf etwa Apulum. Zweitstraßen ermöglich- entwickelt. Eine Befestigungsli- 880 km (~ 595 mille passum, mit limes ten gute Verbindungen zwischen dem nie mit Lagern verlief von Comalău transalutanus) und zirka 950 km (~ Zentrum und den Kastellen am nord- (am Karpatenbogen) bis zum Kas- 644 mille passum, am limes alutanus). östlichen Limes. tell Flămânda (an der Donau). Die- Gleichzeitig wurden im Landesinne- ser Grenzabschnitt wurde unter Had- ren der Provinz zahlreiche Auxiliar- rians oder Antonius Pius’ Herrschaft lager errichtet, um sowohl die Pro- 10 bis 50 km westlich des Flusses vinz als auch die Straßen zu schützen.

Porolissum, Porta Praetoria (Rekonstruktion)

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The access routes toward the province were blocked by the auxiliary forts placed on the river Mureş (Maris): Micia, (today Veţel), and a chain Kernof forts Band at 45.indd the bottom 65 of the mountains from Bologa (in north-west Dacia) to Angustia (today Breţcu, on the corner of the Carpathian arc). 01.07.2011 10:31:34 The two legions – the 5th Macedonica and the 13th Gemina - placed close to the western – at Potaissa (Turda), Apulum (Alba Iulia) - of the province indicate the direction from which external threats often came, as well as reflecting the need to protect the region of the gold mines Bergung und Restaurierung eines römischen Sarkophages aus der Zivilstadt Carnuntum

Christian Gurtner

Die Bergung archäologischer Neu- Materialzusammensetzung und Bau- Die Bergung archäologischer Neufunde unter restauratorischenfunde unter restauratorischen Aspekten ist an sich einart schwierigesvon Natur aus Unterfangen: inhomogen ist. ein Wettlauf gegen die Zeit. Schon während des Ausgrabens und zeitgleichAspekten mit ist der ein Freilegung schwieriges desUnter- ObjektesEine am besondere Grabungsgelände Herausforderung sind ankonservierende Eingriffe erforderlich, um den unmittelbar beginnendenfangen: Zerfall ein Wettlauf hintanzuhalten. gegen die Schimmelbildung,den Archäologen Austrocknung und den Restau- und Salzkristallisation des über Jahrhunderte in stabilen Verhältnissen gelagertenZeit. Schon Gegenstandes während des Ausgra- wären ohnerator entsprechender ist zweifelsohne Maßnahmen die Bergung die Folge. Besonders fatal würden sich diese Prozesse an Fundobjektenbens und zeitgleich auswirken, mit der deren Freile- Materialzusammensetzunggemauerter und großformatiger und Bauart von Natur aus inhomogen ist. Eine besondere Herausforderung angung den des Archäologen Objektes am undGrabungsge- den RestauratorObjekte, ist zweifelsohnedie neben den genanntendie Bergung gemauerter und großformatiger Objekte, die neben den genanntenlände Schadensmechanismensind konservierende Eingriffe auch erheblicheSchadensmechanismen Gewichte aufweisen. auch erheb- erforderlich, um den unmittelbar liches Gewicht aufweisen. Ein Sarkophag, etwa zwei Meter unter dem heutigen Niveau, auf einer losen Bruchsteinschüttung, mit magerem Kalkmörtel nur beginnenden Zerfall hintanzuhal- Ein Sarkophag, der sich etwa notdürftig gemauert, mit Glattstrich an den Innenflächen und der Draufsicht verputzt, rund 1500 Kg schwer. Eine Aufgabe mit ten. Schimmelbildung, Austrock- zwei Meter unter dem heutigen unsicherem Ausgang. nung und Salzkristallisation des Niveau auf einer losen Bruchstein- über Jahrhunderte in stabilen Ver- schüttung findet und mit magerem hältnissen gelagerten Gegenstandes Kalkmörtel nur notdürftig gemau-

Restaurierbeispiel wären ohne entsprechende Gegen- ert, mit Glattstrich an den Innen- maßnahmen die Folge. Besonders flächen und der Draufsicht verputzt fatal würden sich diese Prozesse an und rund 1500 Kilogramm schwer Gemauerter Sarkophag in situ freigelegt Fundobjekten auswirken, deren ist, bietet in diesem Zusammenhang

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Er ist nunmehr eingespannt zwischen dem Betonkranz und einer mit niedrigen Stehfüßen ausgebildeten, verschweißten Winkelkonstruktion aus Niro- Stahl, die die Mobilität des Objektes für Ausstellungszwecke sicherstellt. eine Herausforderung mit unsiche- reichenden, armierten Betonkranz, sollen die eigentlichen Restaurie- Nach einer mehrtägigen Aushärtung der Betoneinfassung galt es nun Niro- Stahlplatten segmentweise und bündig unter den Betonkranz zu schieben und somit den gesamten Komplex vom Untergrund zu trennen. Eine schwierige Aufgabe, da der gewachsene Boden unterhalb des Sarkophags reminhomogen Ausgang. und mit zahlreichen Schotterkieseln durchsetzt war. Der erhebliche Wiederstand beim der die ausreichende Stabilität und rungs- und Konservierungsarbei- horizontalen Einschieben der 3mm dicken Stahlplatten wurde mit manuell zu betreibenden Gleishebewinden überwunden. Untereinander verschweißt bilden sie den tragfähigen,Um korrosionsbeständigen die Zerrüttung und dichten Boden oderder Konstruktion. gar die Tragefunktion sicherstellen ten beginnen. Bis dahin wird das

den Zerfall des labilen Mauerwerks sollte. Im Betonkranz eingebunden Objekt vollkommen durchgetrock- während der Manipulationen zu und somit zusätzlich stabilisierend net sein, sodass als erste Maßnahme verhindern, erfolgte zunächst eine wirkten mehrere 20 mm dicke, quer die Entfernung der noch aufliegen- temporäre Ummantelung der frei- an der Unterkante des Sarkophags den, losen Erd- und Schmutzreste liegenden Außenflächen mit relativ platzierte Niro-Stahlstangen. erfolgen kann. Erst dann wird die druckstabilen Schaumstoffstreifen Nach einer mehrtägigen Aus- strukturelle Verfestigung der gerei-

und entsprechend dimensionier- Erhärtung ist nunmehr eingespannt zwischender dem Betoneinfassung Betonkranz und einer mit niedrigen Stehfüßen ausgebildeten, galt verschweißten nigten Originalsubstanz in mehre- Winkelkonstruktion aus Niro- Stahl, die die Mobilität des Objektes für Ausstellungszwecke sicherstellt. ten, untereinander verschraub- es nun, Niro-Stahlplatten segment- ren Zyklen möglich sein. ten Doka-Platten. Letztere dienten weise und bündig unter den Beton- Eine Feinreinigung der kon- auch zur Herstellung einer Schalung kranz zu schieben und somit den solidierten Oberfläche mit Skalpell, für einen rundum 15 cm hohen, gesamten Komplex vom Unter- pneumatischen Mikromeißeln, Ult- etwa 20 cm unter den Sarkophag grund zu trennen. Eine schwierige raschall und Mikrosandstrahl wird Aufgabe, da der gewachsene Boden zeigen, ob die verputzten Flächen unterhalb des Sarkophags inhomo- monochrom oder mehrfarbig gefasst gen und mit zahlreichen Schotter- waren und in welchem Zustand sich kieseln durchsetzt war. Der erhebli- die Fassungsreste befinden. Für die- che Wiederstand beim horizontalen sen Fall müsste ein eigens dafür Einschieben der 3 mm dicken maßgeschneidertes Konservierungs- Stahlplatten wurde mit manuell konzept ausgearbeitet werden. zu betreibenden Gleishebewinden überwunden. Untereinander ver- schweißt bilden sie den tragfähigen, korrosionsbeständigen und dichten Boden der Konstruktion. Der Sarkophag ist nunmehr Temporäre Ummantelung und Scha- eingespannt zwischen dem Beton- lungsbau für Betonkranz (oben links) kranz und einer mit niedrigen Steh- Eintreiben der Niro-Stahlplatten füßen ausgebildeten, verschweißten (oben mitte) Winkelkonstruktion aus Niro-Stahl, Niro-Stahlrahmen mit Stehfüßen die die Mobilität des Objektes für (oben rechts) Ausstellungszwecke sicherstellt. Abheben und Abtransport des stabili- Nach der Frostperiode 2010/2011 sierten Sarkophags (unten links)

Nach der Frostperiode 2010/2011 sollen die eigentlichen Restaurierungs- und Konservierungsarbeiten beginnen. Bis dahin wird das Objekt vollkommen durchgetrocknet sein, sodass als erste 67Maßnahme die Entfernung der noch aufliegenden, losen Erd- und Schmutzreste erfolgen kann. Erst dann wird die strukturelle Verfestigung der gereinigten Originalsubstanz in mehreren Zyklen möglich sein. Eine Feinreinigung der konsolidierten Oberfläche mit Skalpell, pneumatischen Mikromeißeln, Ultraschall und Mikrosandstrahl wird zeigen, ob die verputzten Flächen möglicher Weise monochrom oder sogar mehrfarbig gefasst waren und in welchem Zustand sich die Fassungsreste befinden. Für diesen Fall müsste eine eigenes und maßgeschneidertes Konservierungskonzept ausgearbeitet werden. Kern Band 45.indd 67 01.07.2011 10:31:37

Auf den folgenden Seiten informieren wir Sie über die wichtigsten derzeit laufenden Restaurierungen und die anstehenden Probleme im Bereich der Denkmalpflege in Niederösterreich. Beiträge von Roman Igl, Martin Krenn, Marco Kultus, Brigitte Muschal, Cyrill von Planta, Fritz Preinfalk, Ronald Risy, Oliver Schmitsberger, Ute Scholz, Alexander Stagl, Ursula Zimmermann

Schonbühel-Aggsbach, Zellenbauten wurde dabei kom- Kartause Aggsbach plett geschleift. Das Abbruchma- Die jüngste der drei niederösterrei- terial fand unter anderem 1795 im chischen Kartausen, neben Mauer- Turmneubau zur Kirche wieder bach 1314/1316 und Gaming 1330, Verwendung. wurde 1373 von Heidenreich von Die geplante Errichtung eines Me- Schönbühel- Maissau und seiner Frau Anna von ditationsgartens führte im Oktober/ Aggsbach, Kartause, Kuenring gegründet und als Grab- November 2008 zu ersten Feststel- Übersicht des ehemali- lege ausgewählt. Im Jahr 1380 wur- lungsgrabungen im Bereich des gro- gen nördlichen Kreuz- de die Kartause Aggsbach mit 12 ßen Kreuzganges sowie der daran ganges (unten links) Mönchen aus Mauerbach unter dem anschließenden Mönchszellen der neuen Prior P. Johannes Fleischesser Kartause Aggsbach. Schönbühel- Aggsbach, Kartause, besiedelt. Um die Jahre 1590 und Schon die ersten archäologischen Aktuelles aus der Denkmalpflege inNiederösterreich Zelle 12 (unten 1673 kam es zu Umbauten bzw. Freilegungsarbeiten zeigten, dass rechts) Neuausstattungen der Räume. Die knapp unter der Grasnarbe die Aufhebung des Klosters durch Kai- Oberkanten der Kreuzgangmauern ser Josef II. führte 1782 zum Ver- sowie der Zellenbauten noch vor- kauf und zum teilweisen Abbruch handen waren, wobei die Bauteile der Klosterräumlichkeiten. Vor al- bis zu 1 m über dem Fußbodenni- lem der Bereich des großen Kreuz- veau im Aufgehenden erhalten ge- ganges und der anschließenden blieben waren. Bis in diese Höhe

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Kern Band 45.indd 68 01.07.2011 10:31:40 zeigten alle Mauern noch Verputz gewonnenen Erkenntnissen wurde Körperbestattung, es konnten nur und Farbfassungen. Auch die Zie- ein landschaftspflegerisches Kon- einzelne Brandbestattungen (Urnen- gelfußböden haben sich zu großen zept erarbeitet, das den Grundriss gräber) gerettet werden. Teilen erhalten, während sämtliche des Zellentraktes aufnimmt und die Vor dem geplanten Kelleraushub für Werksteine vor der Schleifung syste- Baukörper in Form von Rankgittern ein Einfamilienhaus wurde auf Par- matisch ausgerissen wurden. und Hecken für zukünftige Besu- zelle 832/8 am 10. Juni 2010 ein Ziel der archäologischen Untersu- cher erfahrbar machen soll. ca. 38 x 46 cm großes Sandstein- chungen war die lagemäßige Defini- In den drei Grabungskampagnen behältnis freigelegt. Es handelt sich tion der Zellen sowie des Kreuzgan- 2008 bis 2010 konnten der gesam- um eine römische Aschenkiste, die ges und der Totenkapelle. Hierzu te Kreuzgang, neun Kartäuserzellen in Form eines Miniatur-Sarkopha- wurden in den Jahren 2009 und sowie die Totenkapelle im großen ges gestaltet ist. Nach erfolgter Ver- 2010 der Humus und das Abbruch- Kreuzhof archäologisch und bauhis- brennung wurden Knochenreste am material aus der Zeit nach 1782 torisch untersucht werden. U.S. Verbrennungsplatz aufgelesen und maschinell abgetragen und ein Do- dann in einem Behältnis wie etwa kumentationsniveau auf dem ers- einer Urne oder stattdessen in einer ten fassbaren Laufniveau herge- Carnuntum-Petronell, „Aschenkiste“ aus Stein beigesetzt. stellt. Einzelne Bereiche wurden römische Aschenkiste Der nur bruchstückhaft erhaltene als Referenzflächen vollständig un- Im Vorfeld der Erschließung ei- Deckel des Steinbehälters weist an tersucht, sämtlicher Mauerbestand ner Siedlungsfläche in Petronell- der Unterseite eine blaue Fassung sowie die Fliesenböden bzw. die Carnuntum wurden auf den Par- auf, die als Himmelsdarstellung in- Estriche unverändert im Boden be- zellen 832/1 und 832/14 in den terpretiert werden kann. lassen und nach einer Sicherung Sommermonaten der Jahre 2008 Die Außenseiten sind nur grob ge- mittels Folienüberdeckung wie- und 2009 großflächige archäologi- glättet und zeigen keinerlei Ver- der zugeschüttet. Basierend auf den sche Notgrabungen durchgeführt. zierungen. Innen hingegen ist die- Insgesamt wurde eine Fläche von se Aschenkiste ausgesprochen reich ca. 6000 m² im Friedhofsbereich verziert: An den Innenwänden zeig- Petronell-Carnuntum, südlich der antiken Zivilstadt Car- te sich eine polychrome Bemalung. römische Aschenkiste nuntums untersucht. In diesem rö- Die Grundierung der Flächen er- (unten links und rechts) mischen Gräberfeld überwiegt die folgte in Weiß oder Gelb, der obere

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Kern Band 45.indd 69 01.07.2011 10:31:42 Rand der Aschenkiste ist mit einer Brandbestattung ab. Dieser Prozess glücklicherweise auch die innen auf- breiten roten Linie abgesetzt, knapp dürfte auch mit einem starken Ein- gefundenen Beigaben Hinweise auf darunter liegt eine zweite, allerdings fluss östlicher Religionsvorstellun- den sozialen Rang der/des Bestatte- schmälere Linie in Schwarz. Wäh- gen und auch der Christianisierung ten: Vermischt mit den Knochenres- rend an den beiden Längsseiten je weiter Teile der Bevölkerung in Ver- ten (Leichenbrand) fanden sich in eine rot-grüne Girlande zu sehen bindung gebracht werden. der Steinkiste Fragmente eines Glas- ist, finden wir an den Schmalsei- Besonderes Augenmerk wurde auf gefäßes. Aufgrund der guten Lage- ten je einen Vogel. Bei einem der die Behältnisse der Leichenbrand- rung (Sauerstoffabschluss) konn- beiden Tiere handelt es sich um ei- reste gerichtet. Häufig dienten Ur- ten darüber hinaus Fragmente eines nen Pfau, an der gegenüberliegen- nen (Keramik) als solche. Je nach Holzgefäßes oder -kästchens doku- den Seite kann es sich um eine Tau- sozialem Rang des/der Verstorbenen mentiert werden. R.I. be handeln. Der Pfau ist im Kontext und den finanziellen Möglichkeiten mit Grabdenkmälern als Symbol der Familie wurden auch aufwän- der Unsterblichkeit und Auferste- dig gestaltete Steinbehälter zur Auf- Gemeinlebarn, ein reich ausgestat- hung zu interpretieren. Die Taube nahme der sterbliche Überreste ver- tetes keltisches Kriegergrab galt als Friedenssymbol. Vögel wur- wendet, die eventuell sogar in eigens Bei Ausgrabungen des Vereins AS den allgemein mit der Befreiung errichteten Grabbauten deponiert – Archäologie Service vor der Er- von jedem Gewicht der physischen wurden. richtung eines neuen Wohnhauses Ebene assoziiert und haben daher Aschenkisten wurden wegen ih- wurden im Oktober und November starke Symbolkraft im Kontext von rer geringen Größe gelegentlich 2010 am westlichen Ortsende von Jenseitsvorstellungen. mit Kindersarkophagen verwech- Gemeinlebarn bemerkenswerte Fun- Besonders vom 1. bis 3. Jahrhundert selt. Wenn es sich um ein beraub- de gemacht. Auf einer Fläche von n. Chr. war in den römischen Do- tes Grab handelt, Beigaben und 1650 m² wurden – inmitten eines nauprovinzen die Brandbestattung Leichenbrandreste fehlen, kann un- altbekannten Fundgebietes – 40 ur- vorherrschend. In der Spätantike ter Umständen tatsächlich keine und frühgeschichtliche Objekte neu ist ein Wandel im römischen Be- Unterscheidung getroffen werden. entdeckt. Darunter befanden sich stattungsbrauchtum erkennbar, die Abgesehen von der qualitätvollen ein jungsteinzeitliches Brandgrab, Körperbestattung löst allmählich die Ausarbeitung der Steinkiste geben zwei endneolithische Körpergräber der sogenannten schnurkeramischen Kultur, vier Brandgräber der Spät- bronzezeit, unter anderem ein an- tik völlig ausgeraubtes Steinkisten- grab, Schotterentnahmegruben der römischen Kaiserzeit und mehrere Pfosten, die die Ausläufer einer na- hegelegenen urnenfelderzeitlichen Siedlung darstellen könnten. Herausragend war jedoch ein unberaubtes, frühlatènezeitli- ches Kriegergrab mit sehr reicher

Gemeinlebarn. frühlatènezeitliche Kriegerbestattung

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Kern Band 45.indd 70 01.07.2011 10:31:43 Ausstattung, das nur wenige Zenti- ungestört. Dadurch konnte eines der Befunde der Bandkeramik, des Epi- meter unter dem Ackerhorizont an- interessantesten latènezeitlichen Grä- Lengyel, der Badener Kultur und getroffen wurde. Der Verstorbene ber der letzten Jahre aus Ostösterreich der frühen Bronzezeit beinhalteten war in einem Ost-West orientierten, ausgegraben werden, das uns zeigt, zum Teil relativ vollständig erhalte- etwa 3 m langen und 1,7 m breiten mit welchen Beigaben und Ausrüs- ne Gefäße. Grabschacht bestattet worden. Ne- tungsgegenständen ein vornehmer In einer frühbronzezeitlichen Vor- ben dem schlecht erhaltenen Skelett keltischer Krieger beigesetzt wurde. rats-/Abfallgrube fanden sich die zeigten sich ein Topf sowie zahlrei- F.P. vollständigen Skelette von etwa 10 che Beigaben bzw. Trachtbestandtei- Ziegen. Besonders hervorzuheben le aus Metall. Außer zwei bronzenen ist ein kleines Depot mit 17 bronze- Fibeln, einem kleinen Goldringlein, Gobelsburg, ein polykultureller nen Ösenhalsringen/Ösenbarren. das im Halsbereich knapp unterhalb Fundplatz Mehrere Vorratsgruben sind der des Schädels lag, und mehreren Bron- Im Zuge der Erschließung eines späten Bronzezeit zuzuordnen. Be- zeplättchen bzw. -röllchen war vor Neubauareals für Eigenheime in sonders bemerkenswert waren drei allem das Schwert herausragend. Es Gobelsburg (SG Langenlois) waren Gefäßdepots, die aufgrund der gro- handelt sich um ein Eisenschwert mit Rettungsgrabungen notwendig, die ßen Anzahl der verwahrten Gefäße bronzenem Knauf auf der Griffangel, vom Verein ASINOE unter der Lei- nahezu einzigartig im modern er- das in einer eisernen Scheide steck- tung von Mag. Marco Kultus durch- grabenen Fundbestand Niederös- te. Im Bereich des Griffes lagen zahl- geführt wurden. Die Fundstelle liegt terreichs sind. In einem Fall waren reiche bronzene Ziernieten. Das Ort- auf einem Geländesporn über der rund um ein großes Gefäß mehr als band weist lange, bronzene seitliche Kampaue, der durch die Weinbau- 40 Tassen deponiert. Ein zweites be- Leisten und einen massiven Abschluss terrassierung bereits stark eingeeb- stand aus fünf größeren Gefäßen, aus Bronze auf, der von einer Zier- net ist. die zum Teil auf der Gefäßmündung scheibe an der Spitze ausgehend zwei Der Fundplatz war vom Neolithi- deponiert waren. Diese waren um seitliche Stege hat, die in stilisierten kum an durch Jahrtausende hin- etwa 30 Tassen angeordnet, die sich Tier- bzw. Vogelköpfen enden. Zum durch immer wieder genutzt. in einem oval abgegrenzten Bereich Wehrgehänge gehören zwei bronzene Ringe und ein rechteckiger Gürtelbe- schlag aus Bronze mit feiner Ritzver- zierung. Neben dem Schwert lag ein sehr schlecht erhaltener, länglicher Gegenstand aus Eisen, bei dem es sich der Lage nach um ein Messer gehan- delt haben könnte. Links neben dem Skelett lagen insgesamt fünf gleich ge- arbeitete längliche Bronzebeschläge. Während die meisten der in Gemein- lebarn bislang entdeckten frühlatène- zeitlichen Gräber antik beraubt wa- ren, ist das vorliegende Grab völlig

Gobelsburg, spätbronzezeitliche Grube mit Gefäßdepot

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Kern Band 45.indd 71 01.07.2011 10:31:58 Mautern, Gräberfeld Süd, Frauengrab mit reichen Beigaben

fanden. Ein dritter weitaus kleine- rer Depotfund bestand aus größeren Fragmenten und teilweise fast voll- ständigen Gefäßen (rund zehn Tas- sen), die ebenfalls in einer Grube niedergelegt worden waren. Diese Gefäßdepots sind als Hinterlassen- schaft von Symposien (Symposi- on – rituelles Gastmahl) zu inter- pretieren, wie sie von Abbildungen aus Keramik deponiert war. Am Beigaben, vorwiegend Keramik und der nachfolgenden Hallstattzeit und rechten Unterarm lag ein Messer eine Münze (Hadrian) weisen keine vor allem aus der antiken Literatur und unterhalb der Hand eine Pin- Brandspuren auf. Die Funde lassen überliefert sind. zette aus Buntmetall. Bei den Män- sich durchwegs ins 2. Jahrhundert Mehrere Grubenhäuser bezeugen nern fand sich noch je eine eiserne n. Chr. datieren. eine latènezeitliche Besiedlung auf Gürtelschnalle als Rest der Klei- Die Körperbestattungen sind über- diesem Hang. Von den Häusern wa- dung. M.K., O.S. wiegend Ost-West orientiert. Bei- ren der verfestigte Lehmboden und gaben und Trachtbestandteile wa- tiefe Pfostenlöcher für die Firstpfos- Mautern, das römische ren nur selten zu beobachten. Es ten erhalten. Eine Reihe von Ste- Gräberfeld Süd handelt sich dabei um kleine Bei- ckenlöchern lässt auf eine Untertei- Vor der geplanten Errichtung ei- gabengefäße oder Trachtbestandtei- lung des Innenraumes schließen. nes Einfamilienhauses auf der Par- le (Armreif, Schuhschnalle). In ei- Ins 5. Jahrhundert datieren Kör- zelle 710/6 in Mautern wurde der nem Frauengrab fanden sich neben perbestattungen von drei männli- Verein ASINOE von der Abteilung dem linken Oberschenkel ein Drei- chen Individuen und zwei Kindern. für Bodendenkmale des Bundes- lagenkamm, eine Perlenkette und In den Kindergräbern fanden sich denkmalamtes beauftragt die Flä- zwei Eisenfibeln, die in einem Beu- im Brustbereich kleine Glasper- che des geplanten Kellers zu unter- tel verwahrt waren. Ein Eisenröhr- len (ca. 5 mm Durchmesser) und suchen. Bereits im Jahr 2000 waren chen neben der Kette könnte als Bruchstücke von Glasbechern. Im in der nördlich anschließenden Flä- Taschenverschluss zu deuten sein. Grab eines männlichen Individuums che römische Körper- und Urnen- Eine zeitliche Zuordnung der Kör- fanden sich auf der rechten Körper- bestattungen des zum römischen pergräber ins 4. Jahrhundert lässt seite fünf eiserne dreiflüglige Pfeil- Militärlager Favianis gehörenden sich über die Beigaben erschließen. spitzen, unter dem linken Unterarm Südgräberfeldes freigelegt und do- U.Z. lagen eine bronzene Pinzette, Res- kumentiert worden. te eines Schlageisens und ein Feuer- 2010 konnten in einer Fläche von stein. Zur Ausstattung des zweiten ca. 240 m2 21 Köperbestattungen Mautern, Kanalbauarbeiten in der männlichen Individuums gehörten und acht Brandbestattungen aufge- St. Pöltenerstraße drei Messer, die auf Höhe des rech- deckt werden. Bei den Brandbestat- In der die Mauterner Altstadt ten Unterarms lagen. Die Grabgru- tungen handelt es sich um Brand- durchziehenden St. Pöltnerstraße be der dritten Bestattung war am schüttungsgräber, bei denen der fand im Jahr 2010 eine durch die Kopfende mit einer Nische ausge- Leichenbrand in kleinen gerunde- Verlegung eines Abwasserkanals not- stattet, in der eine komplette Kanne ten Gruben niedergelegt wurde. Die wendig gewordene archäologische

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Kern Band 45.indd 72 01.07.2011 10:31:59 Mautern, Kanalbauarbeiten, römische Heizanlage

Untersuchung statt, die vom Verein ASINOE durchgeführt wurde. Da die Kanalkünette in diesem Bereich durch noch relativ ungestörten Bo- den führt, war hier mit aufschluss- reichen Befunden, speziell zum römerzeitlichen Abschnitt der Stadt- geschichte zu rechnen. Die St. Pöltnerstraße liegt im Kern- gebiet des einstigen Militärlagers Fa- vianis, das an dieser Stelle zur Siche- rung der Nordgrenze des römischen Imperiums errichtet wurde. Darüber hinaus gab es durch Skelettfunde Ausrichtung der Gräber war einheit- Wandbeheizung zutage gebracht bei früheren Bodeneingriffen (diver- lich West-Ost. Die Toten wurden werden. Von den einstigen Stein- se Hauszuleitungen) in unmittel- in gestreckter Rückenlage mit dem mauern des römischen Militärlagers barer Umgebung Hinweise auf die Kopf im Westen beigesetzt. Bei drei haben sich nur sehr spärliche Reste Nutzung des Areals als frühmittelal- weiblichen Skeletten fanden sich erhalten. terlicher Begräbnisplatz. Ohrgehänge, Fingerringe und Per- Den Erwartungen entsprechend Durch die Grabung konnten mehr lenketten, bei drei Männern je ein konnte durch die archäologische als 40 zum Großteil beigabenlo- Eisenmesser. Untersuchung in der St. Pöltnerstra- se Körperbestattungen des 9./10. Nach Bergung der in diverse Pla- ße erstmals ein größerer Ausschnitt Jahrhunderts n. Chr. aufgedeckt nierungen eingebetteten Skelette des vermuteten mittelalterlichen Be- werden. Die Verstorbenen waren wurden die darunter liegenden rö- stattungsplatzes freigelegt und do- in einfache Gruben gelegt, bei ei- merzeitlichen Befunde aufgedeckt. kumentiert werden. Mit den Befun- nigen waren noch Spuren des eins- Unter einem massiven Zerstörungs- den aus römischer Zeit ließen sich tigen Holzsarges erkennbar. Die horizont mit Fundmaterial aus dem weitere Mosaiksteine zur Rekons- 2./3. Jahrhundert n. Chr., der eine truktion der Militäranlage gewin- Brandkatastrophe bezeugt, ließen nen. B.M. sich Relikte der älteren römischen Lagerverbauung nachweisen. So ge- lang es, Reste von Holzbauten, bei Obersiebenbrunn, archäologische denen es sich vermutlich um Ka- Untersuchung am Pavillon des sernenbauten handelte, anhand Schlossparks von Balkengräbchen und Pfosten- Der Schlosspark Obersiebenbrunn löchern zu belegen. Ebenso konn- und der Pavillon in dessen Mittel- te eine Heizanlage mit Boden- und punkt wurden zwischen 1725 und 1728 errichtet. Die originale Park- Obersiebenbrunn, Schlosspark, gestaltung ist nur mehr zu erahnen, Pavillon, Rekonstruktionszeichnung obwohl kaum bauliche Eingriffe (Fa. NOVETUS) stattgefunden haben. Die Vegetation

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Kern Band 45.indd 73 01.07.2011 10:32:01 St. Pölten, Domplatz, Blick auf den spätmittelal- terlichen Klostertrakt von Norden, im Bildvorder- grund die barocken Kalkwannen

hat jedoch inzwischen aus dem ba- rocken Park einen Auwald entstehen lassen. Der Pavillon selbst wurde auf einer leichten Erhebung errich- tet, welche über vier Rampen in den Haupthimmelsrichtungen erreich- bar ist. Ziel der archäologischen Untersu- chung war es, die gärtnerische und konstruktive Gestaltung des direk- ten Umfeldes des Pavillons zu eru- ieren. Bei der Untersuchung wurde der Rampen bestehen aus kom- erfolgen. Die Grabungsfläche liegt der Oberboden von der gesamten paktem Schotter, der mit gräuli- an der Ostseite des Platzes, entlang Erhebung und den vier Rampen ab- chem Kies durchmengt ist. In den des ehemaligen barocken Klosters, getragen sowie zwei Detailschnit- Oberflächensegmenten zwischen heute Sitz der Diözese St. Pölten. te im westlichen Bereich der Erhe- den Rampen fanden sich Reste von Aus dem erhaltenen historischen bung und der Westrampe angelegt. Rundbändern aus demselben gelbli- Quellenmaterial, einer Georadar- Die Detailschnitte ergaben, dass die chen Kiesmaterial. untersuchung sowie kleineren Son- Rampen aus mehreren Lagen Schot- Die gärtnerische Gestaltung des Be- dierungsgrabungen war bekannt, ter aufgebaut wurden, die Böschung reiches um den Pavillon scheint dass am Domplatz mit römischen jedoch mit Humus aufgeschüttet demzufolge das Konzept der gesam- Bauwerksresten und zwei mittelal- wurde. Der Humusaufbau wies le- ten Parkanlage im Kleinen weiterge- terlichen Kirchenbauten (ehema- diglich eine kompakte Schotterla- führt zu haben – die Wege sind in lige Pfarrkirche und eine Doppel- ge in Oberflächennähe zur Stabili- konzentrischen Kreisen angeordnet, kapelle) sowie einer unbekannten, sierung auf. Darüber hinaus konnte den Mittelpunk bildet der Pavillon. aber sicherlich in die Tausende ge- das originale Gefälle der Böschung A.S.,C.v.P. henden Anzahl von Bestattungen zu und der Rampen festgestellt werden. rechnen ist, da sich hier mindestens Nur wenige Zentimeter unterhalb ab der Mitte des 11. Jahrhunderts der Grasnarbe konnte auf der Bö- St. Pölten, Archäologie am bis 1779 der Stadtfriedhof befun- schung ein den Pavillon umlaufen- Domplatz den hat. der Weg gefunden werden. Dieser Als einen der Eckpfeiler beinhaltet Zum jetzigen Zeitpunkt – die Gra- ist mit rundkörnigem gelblichem der Masterplan der Stadt St. Pölten bung ist noch nicht abgeschlossen Kies versehen. Auf Höhe der Ram- die Sanierung und Neugestaltung – liegen noch keine genauen Kennt- pen folgt die Kiesung dem Ram- des Domplatzes. Aus diesem Grun- nisse über die römischen Befunde penverlauf um ca. 2,5 m bis 3 m. de wurde Ende Juli 2010 mit den innerhalb der Grabungsfläche vor. Ein dünner Humusstreifen auf den archäologischen Ausgrabungen be- Sicher ist die Existenz eines Nord- Rampenlaufflächen (ca. 40 cm breit) gonnen, die, um die weiteren Nut- Süd verlaufenden innerstädtischen begrenzt die Oberflächengestaltung. zungen des Platzes nicht allzu sehr Straßenzuges, dessen Oberfläche wie Die weiterführenden Laufflächen zu beeinträchtigen, abschnittsweise bei allen anderen bisher entdeckten

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Kern Band 45.indd 74 01.07.2011 10:32:02 Straßenabschnitten aus mehreren einem Mauergeviert, dessen Verfül- Die Ostmauern des kurz vorgestell- Schotterbelägen bestand, die stellen- lung bis auf eine Tiefe von 3,90 m ten Klostertrakts wurden bereits in weise mit Mörtel angereichert sind. ausgehoben wurde. Darin fanden das Areal des Friedhofes eingetieft, Völlig überraschend kamen mehrere sich eine Reihe von verschiedenen wie zahlreiche durch die Mauern Mauerzüge, die aufgrund ihrer Bau- Gefäßen aus Keramik und Glas so- gestörte Gräber belegen. Mit Ende weise als Bestandteil des spätmittel- wie zahlreiche Tierknochen, dar- Oktober konnten bereits mehr als alterlichen Klosters angesprochen unter Unterkieferfragmente von 300 Gräber dokumentiert und ge- werden können, zu Tage. Bisher war Hechten. Hervorzuheben ist eine borgen werden. Die anthropologi- man der Meinung, die barocke Bau- figürliche Hohlform, die in ih- sche Untersuchung findet parallel flucht habe der mittelalterlichen rer Gesamtheit eine weibliche Fi- zur Ausgrabung statt, deren vorläu- entsprochen. gur darstellt, während das Gesicht, fige Zwischenbilanz (geringe Le- Über die Funktion der freigelegten vor allem von der Seite betrachtet, benserwartung, hohe Kindersterb- Baulichkeiten können nur bedingt an heutige Hexen- oder Teufels- lichkeit etc.) ein für mittelalterliche Aussagen getroffen werden. Mehr- masken erinnert. Die exakte Funk- Friedhöfe typisches Bild zeigt. heitlich handelt es sich um offene tion lässt sich, da der wesentliche Als weiteres Ergebnis der noch nicht Bereiche, wie die nur seicht fun- Bereich dieses außergewöhnlichen abgeschlossenen Kampagne ist die damentierte Westabschlussmauer Objektes abgebrochen ist, nicht be- Entdeckung des Ostabschlusses der und die Entdeckung eines Latrinen- stimmen, möglicherweise handelt gotischen dreischiffigen Pfarrkirche schachtes nahe legen. Die ca. 1,70 es sich um ein Beleuchtungsgerät. anzuführen, deren Fundamente im x 1,35 m große Latrine bestand aus Eine erste oberflächliche Analyse des Gegensatz zu den unmittelbar un- Fundmaterials in seiner Gesamtheit ter der Asphaltoberfläche liegenden lässt an eine Datierung der letzten Klostermauern fast vollständig be- Nutzungsperiode der Latrine in die raubt wurden. In Kombination mit zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts den Kenntnissen der Georadarmes- denken. sungen, die aus noch nicht geklär- Während der Errichtung des baro- ten Umständen nur den Westteil der cken Klosters wurde nach Abriss des Kirche erfassten, kann die Gesamt- spätmittelalterlichen Vorgängerbaus länge der Pfarrkirche mit 39 m bei im ergrabenen Bereich die zugehö- ca. 22 m Breite erschlossen werden. rige Baustelle eingerichtet, erkennt- Unter den zahlreichen relativ jungen lich an einer weißen Kalkschicht, Störungen wie Kanal- oder Strom- die sowohl den Boden als auch die leitungen ist ein kreisrunder Beton- vorhandenen Mauern überzogen ring erwähnenswert, der den Aus- hat. Mehrere Wannen, ursprünglich stiegsschacht eines von einem im mit Holz verschalt oder aus Ziegeln Kellerbereich des Diözesangebäu- errichtet, dienten zum Verarbeiten des während des Zweiten Weltkriegs von Kalk. Abdrücke von Holzbret- eingerichteten Luftschutzbun- tern und Pfostenlöcher von Bau- ker wegführenden, noch intakten gerüsten verdeutlichen noch den Fluchtganges markiert. R.R. Baustellencharakter.

St. Pölten, Domplatz, mittelalterliche Bestattung in einem Holzsarg

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Kern Band 45.indd 75 01.07.2011 10:32:03 Buchbesprechung

Natascha Müllauer Die Publikation beginnt mit einem rekonstruierten Hauses. Günther E. Abriss der Geschichte des römischen Thüry widmet sich der Küche, dem Lagers Carnuntum. Franz Humer Kochen und der Zubereitung von rö- geht dabei auch auf die Bedeutsam- mischen Gerichten – mit Rezepten keit archäologischer Fundstellen und zum Nachkochen. Robert Reitbauer den verantwortungsvollen Umgang und Simon Heinrich erklären Funk- mit archäologischen Denkmalen ein. tionsprinzip und Bau der römischen In den folgenden Kapiteln werden die Fußbodenheizung. Zur malerischen Forschungsergebnisse zu einem rö- Ausstattung der Räume gibt Christian mischen Wohnhaus dargelegt. Das Gurtner Einblick in Technik, Materi- Areal wurde bereits um die Mitte des al und Formensprache. Franz Humer 20. Jahrhunderts erstmals intensiver beschäftigt sich mit dem Mobiliar, das untersucht und seitdem als Freilicht- für das Wohnhaus rekonstruiert wur- museum genutzt. Witterungseinflüs- de. Zum Wohngebäude gehörte ein se und Altkonservierungen machten Garten mit verschiedenen, teilweise umfassende Sanierungsarbeiten an exotischen, Obst- und Zierpflanzen, den Ruinen nötig, die von wissen- der im Kapitel von Günther E. Thüry Ein römisches Wohnhaus der schaftlichen Untersuchungen und ar- und Franz Humer behandelt wird. Spätantike in Carnuntum chäologischen Grabungen begleitet Ein kleiner Weihaltar schließlich werden konnten. Diese brachten neue lässt Franziska Beutler auf den Be- Franz Humer (Hrsg.) Erkenntnisse, so stellte sich heraus, sitzer des Hauses Rückschlüsse zie- Archäologischer Park Carnuntum – Die Ausgrabungen, Band 5 dass der Gebäudekomplex in sechs hen. Die letzten beiden Kapitel fassen St. Pölten 2009 Bauperioden vom Ende des 1. bis zwei Themen der Publikation zusam- ISBN 978-3-85460-243-9 zum 4. Jahrhundert n. Chr. zahlreiche men, deren Bedeutung in den voran- ISBN 3-85460-243-X 133 S., zahlreiche Farbabbildungen Umbauten erfuhr, die im Kapitel von gegangenen Beiträgen immer wieder Verkaufspreis: € 12,50 Andreas L. Konecny und Franz Hu- klar herauszulesen war: die Sicht des mer detailliert dargestellt werden. Denkmalschützers von Christa Farka Der bereits fünfte Band aus der Reihe Karl F. Gollmann legt die Überle- und die des Touristikers von Markus „Archäologischer Park Carnuntum“, gungen zur 3-D-Rekonstruktion des Wachter. herausgegeben von der Kulturabtei- Wohnhauses anschaulich dar, die als Insgesamt stellt der vorliegende Band lung des Landes Niederösterreich und Ausgangsbasis für die 1:1-Rekonst- mit zahlreichen Einzelstudien, um- der Archäologischer Kulturpark Nie- ruktion des Wohnhauses diente. Das fangreichen Illustrationen und einer derösterreich Betriebsges.m.b.H., be- Gebäude wurde am Originalstandort Vielzahl aktueller Literaturverweise schäftigt sich mit einem kulturhisto- in antiker Bautradition in Material ein spannendes Kompendium zur Er- risch höchst spannenden Bereich der und Technik errichtet. Das teilweise forschung der römischen Wohnkultur römischen Wohnkultur. Franz Hu- experimentalarchäologische Arbeiten in Carnuntum dar. Mit hohem An- mer, der Schriftleitung und Redak- am Gebäude brachte erstmals Aussa- spruch an zeitgerechte Kulturvermitt- tion innehatte, präsentiert mit einer gen zu bauspezifischen Themen wie lung werden die wissenschaftlichen hervorragenden KollegInnenschar die Bauzeit und Tauglichkeit von anti- Erkenntnisse des spannenden For- verschiedenen Themen für den inte- ken Werkzeugen. Die folgenden Ka- schungsgebietes einem breiten Publi- ressierten Leser wissenschaftlich fun- pitel beschäftigen sich mit der Aus- kum zur Verfügung gestellt. diert und anschaulich. stattung und Raumaufteilung des

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Kern Band 45.indd 76 01.07.2011 10:32:03 Tag des Denkmals am 25. September 2011 Thema: „aus Holz“

24 Veranstaltungen in ganz Niederös- Nähere Informationen über die Ver- terreich, die von der Holzgewinnung anstaltungsorte, deren Erreichbarkeit, und -bearbeitung bis zum Bauwerk Öffnungs- und Führungszeiten, even- aus Holz und der Verwendung von tuell erforderliche Anmeldung etc. Holz in der Kunst erzählen. unter: www.tagdesdenkmals.at

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Kern Band 45.indd 77 19.07.2011 09:34:32 Ausgewählte Fachliteratur

Ausstellungskatalog Die Römer an Humer Franz, Carnuntum – ein Sasel Kos Marjeta – Scherrer Pe- der Donau. Noricum und Pannoni- „Pompeji vor den Toren Wiens“, in: ter (Hrsg.). The autonomous towns en. Katalog des niederösterreichischen M. Alram – F. Schmidt-Dick (Hrsg.), of Noricum and Pannonia. Pannonia Landesmuseums Nr. 54, Wien 1973 Numismata Carnuntina – Forschun- II. Situla 40, 41, 42, Ljubljana 2002, gen und Material, FMRÖ Bd. III/2. 2003, 2004 Friesinger Herwig – Krinzinger Fried- Die antiken Fundmünzen im Mu- rich Swoboda Erich, Carnuntum. Sei- (Hrsg.), Der römische Limes in seum Carnuntinum (= DSchr 353), ne Geschichte und seine Denkmäler, Österreich, Wien 1997 Wien 2007, S. 17 - 54 Graz 19644 Gassner Verena – Jilek Sonja – Lad- Humer Franz (Hrsg.), Legionsad- stätter Sabine Wolfram Herwig, Die Geburt Mittel- , Am Rande des Reiches. ler und Druidenstab. Vom Legionsla- europas. Geschichte Österreichs vor Die Römer in Österreich, in: H. Wolf- ger zur Donaumetropole. Katalog zur seiner Entstehung 378 - 907 n. Chr., ram, Österreichische Geschichte 15 v. Sonderausstellung aus Anlass des Jubi- Wien 1987 Chr. - 378 n. Chr., Wien 2002 läums „2000 Jahre Carnuntum“, Text- Genser Katharina, Der österreichische band und Katalogband, Horn 2006 Donaulimes in der Römerzeit. Ein Jobst Werner, Provinzhauptstadt Forschungsbericht. Der römische Li- Carnuntum. Österreichs größte ar- mes in Österreich 33, Wien 1986 chäologische Landschaft, Wien 1983 Gömöri Janos (Hrsg.), Landschaf- Pascher Gertrud, Römische Siedlun- ten und Denkmäler entlang der Bern- gen und Straßen im Limesgebiet zwi- steinstraße. Int. Symposium Sopron- schen Enns und Leitha. Der römische Eisenstadt 1995, Sopron 1999 Limes in Österrreich 19, Wien 1949

Abbildungsnachweise

Titelbild: Großes Bild: ÖNB/Wien Cod. 324 Innenteil: ÖAW: S. 18; LBI ArchPro: S. 26; M. Doneus: (Tabula Peutingeriana) ÖNB: S. 4, 5; 7reasons Medien GmbH: S. 6, 8, S. 27 - 29; M. Krenn: S. 30; A. Schuhmacher: 9, 10; Arch. Park Carnuntum – Bad Deutsch- S. 31, 32; M. Hinterwallner: S. 32, 33; R. Igl: Kleine Bilder: Göttinnen-Kopf (G. Kremer, Altenburg: S. 7, 8, 9, 11, 13 (Entwurf K. Müller), S. 34; U. Scholz: S. 35; B. Leingartner: S. 35, ÖAW); rekonstruierte Straßenhalle und dahinter 18, 19, 39 (M. Doneus unten links, N. Gail unten 36; F. Gollmann: S. 37, 38; Archäologischer anschließende Therme im Freilichtmuseum rechts); F. Humer: S. 8, 15, 40, 41 oben, 42, 45; Park Carnuntum, Petronell-Carnuntum: S. Petronell, Ansicht von Nordosten (2010), Bmlvs/luaufklsta: S. 10; Amt der NÖ LR – Abt. 41 unten, 43 (Foto: M. Pacher), 47, 48; www. Archäologischer Park Carnuntum, Petronell- Geohydrologie und Vermessung (BD 3): S. 11; studiobaumann.com: S. 46, 48; atelier olschinsky: Carnuntum (Foto: M. Pacher) Univ. Wien, Inst. für Ur- und Frühgeschichte S. 48; Floridofilm: S. 48; B. Maldoner: S. 49, 50; – Luftbildarchiv: S. 10, 11, 12, 13; ZAMG J. Rajtár: S. 57; Z. Visy: S. 58 - 62; C. Găzdac: Rückseite: Tulln, Grabfunde aus dem Gräberfeld Archeo-Prospections® & VIAS – Univ. Wien: 12, S. 64, 65; C. Gurtner: S. 66, 67; BDA, Abt. Nordwest, Lampenpferd (A. Schuhmacher) 14, 23, 24 (Grafik: Löcker), 25, 26; Ch. Gugl, Bodendenkmale: S. 68 - 75; BDA, Archiv: S. 77 ÖAW: S. 16, 17, 18, 20, 21, 22; G. Kremer,

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Kern Band 45.indd 78 19.07.2011 09:34:32 Bisher sind erschienen: Nachbestellung, Bezug Band 1 Stift Dürnstein * Wenn Sie die Broschüre der Reihe „Denkmalpflege in Niederösterreich“ 2 Kleindenkmäler * noch nicht regelmäßig erhalten haben und die kostenlose Zusendung 3 * wünschen, senden Sie uns bitte die Antwortkarte ausgefüllt zu. 4 Industriedenkmäler * Verwenden Sie bitte die Antwortkarte auch für allfällige Mitteilungen, 5 Gärten * Anregungen und Adressänderungen. Schreiben Sie bitte an: 6 Handwerk * Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll, Landhausplatz 1, 3109 St. Pölten 7 Rückblicke – Ausblicke oder senden Sie uns ein E-Mail an [email protected] 8 Sommerfrische * bzw. senden Sie uns ein Fax unter 02742/9005-13029 9 Denkmal im Ortsbild * 10 Verkehrsbauten * Hinweis 11 Elementares und Anonymes * Vergriffene Broschüren können im Internet heruntergeladen werden 12 Burgen und Ruinen * unter: http://kultur.noe.at/denkmalbroschuere 13 Kulturstraßen * Auf Wunsch können Ihnen alle verfügbaren Broschüren zugeschickt 14 Zur Restaurierung 1. Teil * werden. 15 50 Jahre danach * 16 Zur Restaurierung 2. Teil * 17 10 Jahre Denkmalpflege in Niederösterreich 18 Zur Restaurierung 3. Teil * 19 Umbauten, Zubauten *

20 Leben im Denkmal Bitte frankieren 21 Speicher, Schüttkästen * ausreichend 22 Der Wienerwald * 23 Die Via Sacra * 24 Blick über die Grenzen 25 Die Bucklige Welt 26 Die Wachau, UNESCO Weltkultur- und Naturerbe 27 Südliches Waldviertel 28 Most- und Eisenstraße 29 Semmering UNESCO Weltkulturerbe An Herrn Landeshauptmann Erwin Pröll Dr. Landhausplatz 1 Polten 3109 St. 30 St. Pölten, Landeshauptstadt und Zentralraum 31 Waldviertel 32 Archäologie 33 Weinviertel 34 Gemälde 35 Holz 36 Menschen und Denkmale 37 Stein 38 Wallfahren 39 Lehm und Ziegel 40 Klangdenkmale – Orgeln und Glocken 41 Glas – Baustoff und unstwerkK 42 Friedhof und Denkmal 43 Beton 44 Maria Taferl Die mit * versehenen Titel sind bereits vergriffen.

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Kern Band 45.indd 79 19.07.2011 09:34:32 Autoren von Band 45 Spenden Impressum Univ.-Prof. Mag. Dr. Michael Doneus Gelegentlich erhalten wir eine Nachricht Herausgeber und Verleger Wien, Universität, Institut für über die Bereitschaft zu einer Zahlung für Amt der NÖ Landesregierung Ur- und Frühgeschichte die Denkmalpflegebroschüre. Hierzu dürfen Abteilung Kunst und Kultur wir festellen, dass die Broschüre weiterhin Dr. Cristian Găzdac Leiter: HR Mag. Hermann Dikowitsch kostenlos erhältlich ist. Spenden zur Erhaltung Landhausplatz 1, 3109 St. Pölten Cluj-Napoca, Rumänische Akademie der bedeutender Denkmäler sind jedoch sehr Wissenschaften, Institut für Archäologie Broschürenbestellung willkommen, beispielsweise für die: [email protected] Arch. Univ.-Doz. Dipl.-Ing. Dr. Renovierung des Doms der Wachau Karl Friedrich Gollmann Tel. 02742/9005-13093 Krems St. Veit Fax. 02742/9005-13029 Graz Bank: Raiffeisenbank Krems Redaktionskomitee Dr. Christian Gugl M.A. MSc (GIS) BLZ: 32397, Kontonummer: 100000745 Edith Bilek-Czerny Wien, Österreichische Akademie der Wis- IBAN: AT643239700100000745 Hermann Dikowitsch senschaften, Institut für Kulturgeschichte BIC: RLNWATWWKRE Martin Grüneis der Antike Verwendungszweck: „Dom der Wachau Krems St. Veit“ Margit Kohlert Univ.-lekt. Mag.art Christian Gurtner Andreas Lebschik Wien, Atelier Gurtner Gerhard Lindner Rechte und Haftung Mag. Martina Hinterwallner Renate Madritsch Krems, Archäologie-Service Alle Rechte, insbesondere das Recht der Patrick Schicht Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Alexandre P. Tischer Mag. Franz Humer Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Wer- Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung kes darf in irgendeiner Form (durch Fotoko- Koordination Kunst und Kultur, Archäologischer Park pie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) Edith Bilek-Czerny Carnuntum ohne schriftliche Genehmigung des Verlegers Gerhard Lindner Dr. Martin Krenn reproduziert oder unter Verwendung elektro- Lektorat Wien, Bundesdenkmalamt, nischer Systeme gespeichert, verarbeitet, ver- Else Rieger, Wien Abteilung für Bodendenkmale vielfältigt oder verbreitet werden. Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen Übersetzung Mag. art. Dipl.-Ing. Dr. techn. MinRat trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr; Martina Bauer, Wien Bruno Maldoner eine Haftung der Autoren, des Herausgebers Layout Wien, Bundesministerium und des Verlegers ist ausgeschlossen. für Unterricht und Kunst David M Peters, Wien Dr. Florian Matei-Popescu © 2011 Land Niederösterreich, St. Pölten Hersteller Bukarest, Rumänische Akademie der Druckerei Berger, Horn Wissenschaften, Institut für Archäologie Linie „Vasile Pârvan“ Informationen über denkmalpflegerische Mag. Natascha Müllauer Vorhaben im Land Niederösterreich, Wien in Zusammenarbeit mit dem Bundes­ denkmalamt, Landeskonservatorat für Dir. Dr. Wolfgang Neubauer Niederösterreich. Namentlich gezeichnete Wien, Ludwig Boltzmann Institut Beiträge müssen nicht unbedingt die für Archäologische Prospektion und Meinung der Redaktion bzw. des Virtuelle Archäologie Herausgebers darstellen. Mag. Matthias W. Pacher Archäologische Kulturpark Niederösterreich Betriebsgesellschaft m.b.H. Ján Rajtár PhDr., CSc. Nitra, Slowakische Akademie der Wissenschaften, Institut für Archäologie Mag. Ute Scholz Krems, Archäologie-Service Prof. Dr. Visy, Zsolt DSc, FSA Pécs, Universität, Institut für Alte Geschichte und Archäologie

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Denkmalpflege in Niederösterreich Carnuntum und Limes Band 45 – Carnuntum und Limes

Mitteilungen aus Niederösterreich Nr. 2/2011 P.b.b.-Verlagspostamt 3100 St. Pölten Zulassungsnummer 02Z032683M Aufgabepostamt 3109 St. Pölten

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