RP REPORT 2/2015 BERICHTE | 19 UNESCO-Welterbe
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NR. 2/2015 - 41. JAHRGANG RPMITARBEITERZEITSCHRIFT REPORT DES REGIERUNGSPRÄSIDIUMS STUTTGART remembery Was alles ein Denkmal sein kann Denkmalpflege in Baden- Württemberg RP REPORT 2/2015 BERICHTE | 19 UNESCO-Welterbe: Zwei laufende Welterbeanträge des Landes Baden-Württemberg Für die Höhlen auf der Schwäbischen Alb mit der ältesten figürlichen Kunst der Mensch- heit und die Kurstadt Baden-Baden laufen zwei UNESCO-Welterbeanträge des Landes Ba- den-Württemberg. von Dr. Anne Bantelmann-Betz, Volkmar Eidloth, Referat 83.3, Prof. Dr. Claus-Joachim Kind, Referat 84.2 und Prof. Dr. Claus Wolf, Abt.Präs. 8, Landesamt für Denkmalpflege uf Grundlage der „Haager Konvention zum um die eiszeitlichen Höhlen auf der Schwäbischen Alb Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Kon- mit der ältesten figürlichen Kunst der Menschheit und Aflikten“ aus dem Jahre 1954 verabschiedete die zum anderen um die Stadt Baden-Baden als Teil eines UNESCO am 16. November 1972 das „Übereinkommen seriellen Antrages, der internationale Kurstädte des 19. zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“. Dieses Jahrhunderts umfasst. Im Folgenden möchten wir diese als Welterbekonvention bekannt gewordene Dokument beiden Anträge etwas näher vorstellen. ist von der grundsätzlichen Überzeugung geprägt, dass Teile des Kultur- und Naturerbes von außergewöhnlicher UNESCO Welterbe-Antrag „Höhlen der Bedeutung sind und daher als Bestandteil des Welterbes ältesten Eiszeitkunst“ der ganzen Menschheit erhalten werden müssen. Heute Vor etwas mehr als 40.000 Jahren (cal BP) erreichte der umfasst die Welterbeliste 981 Kultur- und Naturerbestät- anatomisch moderne Mensch (Homo sapiens) Europa. ten in 160 Ländern, wovon sich 38 in Deutschland und Nach derzeitigem Wissen entwickelte sich nach seiner hiervon wiederum vier in Baden-Württemberg befinden: Ausbreitung in Europa die Kunst. Hierbei gehören die die zisterziensische Klosteranlage von Maulbronn (seit derzeit frühesten Kunstäußerungen zum sogenannten 1993), die Klosterinsel Reichenau im Bodensee (seit Aurignacien. Das Aurignacien war eine der frühesten 2000), der Obergermanisch-raetische Limes (seit 2005) Kulturstufen der jüngeren Altsteinzeit und wird in Euro- sowie die Prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen. pa auf ein Alter zwischen etwa 33.000 und 43.000 Jahren vor heute datiert. In Baden-Württemberg werden alle Belange des Welterbes beim Ministerium für Finanzen und Wirtschaft In Talabschnitten der Flüsse Ach und Lone (Ba- (MFW) als oberster Denkmalschutzbehörde gebündelt. den-Württemberg, Südwestdeutschland) liegen die sechs Von dort werden die konkreten Fragestellungen an das Höhlen Vogelherdhöhle, Hohlenstein Stadel-Höhle, Landesamt für Denkmalpflege herangetragen, das als Bocksteinhöhle/Bocksteintörle, Geißenklösterle, Sirgen- fachlicher Ansprechpartner für das Land fungiert. Durch steinhöhle und Hohle Fels. In ihnen wurden unter an- die hohe gesellschaftliche Anerkennung des Welterbe- derem Fundschichten des Aurignacien entdeckt. Diese titels sind gerade diese Bauwerke bzw. archäologischen Fundschichten mit einem Alter von 35.000 bis 43.000 Fundstellen ein besonderer Kristallisationspunkt für die Jahren enthielten hunderte Schmuckgegenstände, min- Landesdenkmalpflege. Nirgendwo sonst können auch destens acht Musikinstrumente (Flöten aus Elfenbein komplexe Fragestellungen so detailliert und vertieft an- und Vogelknochen) und mehr als 50 aus Mammutelfen- gegangen werden, was dann wiederum den gesamten bein geschnitzte Figuren. Unter ihnen sind drei Mischwe- Denkmalen im Lande zugutekommt. sen aus Mensch und Tier, zudem wurden die Statuette einer Frau sowie Abbildungen vieler Tiere der Eiszeit Neben den bereits erwähnten vier Welterbestätten be- gefunden. Die betreffenden Talabschnitte der Lone und reitet das Landesamt im Auftrag des MFW zwei weitere der Ach besitzen somit eine weltweit singuläre Konzen- Anträge vor, die hoffentlich in den nächsten Jahren zum tration von Fundplätzen der ältesten figürlichen Kunst Ziel führen werden. Es handelt sich dabei zum einen und der ältesten Musik. Die nur wenige Kilometer von- 20 | BERICHTE RP REPORT 2/2015 einander entfernten Höhlenfundstellen in den beiden und Musikinstrumente gehören zu den derzeit weltweit Talabschnitten formen zusammen mit den Fundobjekten frühesten Meisterwerken der menschlichen Schöpfer- und der sie umgebenden Landschaft ein einzigartiges En- kraft. In den Fundschichten der „Höhlen der ältesten semble frühester Kultur. Eiszeitkunst“ sind die kulturellen Hinterlassenschaften des Aurignacien in ihrer gesamten Komplexität erhalten. Seit dem 19. Jahrhundert fanden in den Höhlen immer Besonders außergewöhnlich sind die figürlichen Kunst- wieder archäologische Ausgrabungen statt. Diese lange objekte und Musikinstrumente, die Rückschlüsse auf die und ergiebige Forschungstradition hatte bedeutenden Anfänge von Kunst, Musik und Religion zulassen. Sie Einfluss auf die Erforschung der jüngeren Altsteinzeit wurden vor Ort hergestellt, genutzt und deponiert. Da- in Mitteleuropa. Die „Höhlen der ältesten Eiszeitkunst“ mit repräsentieren Landschaft, Höhlen und Fundobjekte und ihre Umgebung sind als Lebensraum mit den Schöp- als Ensemble ein einzigartiges und außergewöhnliches fern der Kunst, dem frühen modernen Homo sapiens, Zeugnis von einer kulturellen Tradition und einer unter- untrennbar verknüpft. Sie sind also nicht nur „Lagerstät- gegangenen Kultur. ten“ der beweglichen Objekte, sondern darüber hinaus Inspiration, Entstehungsort und Kontext der ältesten In den „Höhlen der ältesten Eiszeitkunst“ kommen nicht figürlichen Kunst des frühen modernen Homo sapiens. nur Werkzeuge aus Stein, Knochen, Geweih oder El- Die Komponenten „Landschaft“, „Höhlen“ und „Funde“ fenbein, sondern auch nichtfunktionale Komponenten sind somit als Ensemble zu betrachten. Die in den Höh- vor. Die Tier- und Menschenfiguren, die Darstellungen len gefundenen, einzigartigen figürlichen Kunstobjekte von Mischwesen aus Mensch und Tier sowie die Musik- instrumente in den „Höhlen der ältesten Eiszeitkunst“ bereichern erstmals den technologischen Komplex des Aurignacien durch eine künstlerische Facette. Die Höhlen und ihre Umgebung sind deshalb ein hervorra- gendes Beispiel eines technologischen Ensembles und einer Landschaft, die einen bedeutsamen Abschnitt der Menschheits-Geschichte versinnbildlichen. Während der jüngeren Altsteinzeit waren Achtal und Lo- netal der unmittelbare Lebensraum des frühen modernen Homo sapiens. Er enthielt die für das alltägliche Leben des frühen modernen Menschen notwendigen Ressour- cen. Die Höhlen nahmen dabei eine zentrale Rolle als Wohn-, Lager- und Arbeitsplätze ein. Die im Antrag auf- geführten Höhlen sowie ihre unmittelbare Umgebung repräsentieren deshalb ein hervorragendes Beispiel einer überlieferten menschlichen Siedlungsform, die für eine oder mehrere bestimmte Kulturen und der Wechselwir- kung zwischen Mensch und Umwelt typisch ist. Seit mehreren Jahren bereiten Mitarbeiter des Landes- amtes für Denkmalpflege (RPS Abt. 8) den Antrag vor, die „Höhlen der ältesten Eiszeitkunst“ in die Welterbe- liste der UNESCO aufzunehmen. Die deutsche Kultus- ministerkonferenz hat die Höhlen auf Platz 1 der deut- schen Vorschlagsliste für das UNESCO Weltkulturerbe platziert. Der Antrag soll 2016 bei der UNESCO einge- reicht werden. Somit steht zu erwarten, dass sich in we- Abb 1: Der Löwenmensch, ein Mischwesen aus einem Menschen und einem eiszeitlichen Höhlenlöwen. Gefun- nigen Jahren eine weitere Welterbestätte in Baden-Würt- den in der Stadel-Höhle im Hohlenstein, Gemeinde As- temberg befinden wird. selfingen, Alb-Donau-Kreis (Foto: Y. Mühleis, LAD) RP REPORT 2/2015 BERICHTE | 21 Transnationaler serieller Welterbeantrag: „Great Spas of Europe“ – Kurstadt Baden-Baden Europäische Kurstädte unterscheiden sich in ihren kulturge- schichtlichen wie städtebaulichen Ausprägungen von Orten anderer Bäderkulturen auf der Welt. Die europäische Traditi- on der Bade- und Trinkkur fußt auf natürlichen Thermalquel- lenvorkommen. Ihre Blütezeit erlebten die Kurstädte jedoch vornehmlich durch die Gesellschaftskur, die im 19. Jh. mehr und mehr an Bedeutung gewann. Einige Kurstädte entwickel- ten in dieser Zeit eine nie dagewesene internationale Anzie- hungskraft, die sich in der Vielzahl und hohen Diversität an ausländischen Gästen ausdrückte. Monarchen, Adlige, Politi- ker, Industrielle und Künstler aus aller Welt begegneten sich hier erstmals ungeachtet gesellschaftlicher Konventionen und Räume; sie blieben über die Sommermonate oder wurden dauerhaft sesshaft. Kurtherapie, körperliche Bewegung, doch ebenso Zerstreuung und Vergnügungen bestimmten den Kur- alltag. Es entstanden abwechslungsreiche Parkanlagen mit Wie groß ist die Welterbestätte in Baden-Baden? Übergängen in die freie Landschaft. Weiterhin wurden hoch- wertige Hotels, anspruchsvolle Gesellschaftsbauten, zahlrei- Die Welterbestätte umfasst alle Stadtviertel, welche die cha- che Villen und Gotteshäuser verschiedener Konfessionen er- rakteristische historische Stadtanlage einer Kurstadt ausma- richtet. Viele bedeutende Werke der europäischen Literatur-, chen und einen dichten Bestand an historischen Bauten auf- Musik- oder Kunstgeschichte entstammen dieser inspirieren- weisen. In Baden-Baden liegen die Thermalquellen unterhalb den Atmosphäre. des Neuen Schlosses am Florentinerberg, an den sich die Unter Eindruck der sozialen und wirtschaftlichen Veränderun- Altstadt anschließt. Hier befindet sich auch das Bäderviertel, gen formte sich ein eigener Stadttypus mit städtebaulichen in dem u.a. die antiken Ruinen der römischen