Proletarier aller Länder vereinigt euch! Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch! Politische Berichte At

, 20. März 1987 G 7756 D Preis: Jg. 8 Nr. 6 2,50 §218: Jetzt noch bessere Beratung

Regierung: Reaktionäres Programm, für das in den Landtagswahlen wei-

Sowjetunion: Sucht Gorbatschow den offenen Konflikt mit der sowjeti­ schen Arbeiterklasse? Seite 15

Steuerreform: Wen Finanzminister Stoltenberg mit seiner Reform be­ glückt und wer dafür teuer bezah­ len soll Seite 30

Zeitschrift des Bundes Westdeutscher Kommunisten (BWK)

Herausgegeben vom Zentralen Komitee des BWK • 5000 Köln 1, Zülpicher Straße 7, Telefon 0221/216442 Erscheint vierzehntäglich bei :GNN Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung, Verlags­ gesellschaft Politische Berichte m.b.H., 5000 Köln 1, Zülpicher Straße 7, Telefon 0221 /2116 58. Preis: 2,50 DM Seite 2 Aus Verbänden und Parteien Politische Berichte 06/87

ge und Asylbewerber aus, als alle ande­ Aktuelles aus Politik Kongreß der ren EG-Staaten zusammen. Daß diese und Wirtschaft Volksfront „Kosten“ zum größten Teil Haftkosten Die Volksfront gegen Reaktion, Fa­ für die Flüchtlingslager sind sowie So­ Regierung: Reaktionäres Pro­ schismus und Krieg führt am 16./17. zialhilfezahlungen, weil den Asylbe­ gramm, für das in den Landtags­ Mai 1987 einen Kongreß in Köln werbern jede Arbeit außer Zwangsar­ wahlen weiter geworben wird ... 4 durch zum Thema „Faschisierung, was beit verboten ist - davon erwähnt das ist das - aktuelle Aufgaben des antifa­ „Handelsblatt“ und anscheinend Vetter Hessen: Im CDU-Programm Ange­ schistischen Kampfes“. Der Kongreß in seinem Bericht kein Wort Schließ­ bote an die Faschisten...... 7 ist öffentlich, die Teilnahme von Mit­ lich hat sich Vetter auch die demagogi­ gliedern anderer Organisationen und schen Zahlen Zimmermanns über an­ Ausländische Arbeiter: Kampagne Bündnisse, auch an der Vorbereitung, geblich 670000 Asylbewerber und für Aufenthaltsrecht ...... 7 ist erwünscht Die Volksfront beabsich­ Flüchtlinge zu eigen gemacht, Zahlen, Metall: Verweigerung der Über­ tigt keine „Begriffsdebatte“. Vielmehr die sowohl vom UN-Flüchtlingskom- stunden stört Flexi-Pläne ...... geht es darum, in Bezug auf die prakti­ missar als auch von der evangelischen sche Bündnisarbeit zu immer wieder und katholischen Kirche sowie den Berufsverbote: ILO-Bericht kriti­ auftretenden Fragen zur Klärung und Wohlfahrtsverbänden zu recht bestrit­ siert BRD...... 9 zur Annäherung von Positionen beizu­ ten werden, weil Zimmermann teilwei­ tragen. Solche Fragen sind z.B.: Gegen se Flüchtlinge doppelt zählt, frech über Volkszählung: Der Staatsapparat wen muß sich der antifaschistische hunderttausend Familienangehörige kriminalisiert den Widerstand ... 10 Kampf heute richten? (Nur gegen die behauptet usw. Bekanntlich hatte Kohl Meldepflicht zur Überwachung . . 11 faschistischen Organisationen, gegen vor einigen Monaten seine Asylpolitik „den Staat“, gegen den Prozeß reaktio­ mit allen Ministerpräsidenten der Län­ närer und faschistischer ideologischer der und damit auch mit der SPD abge­ Auslandsberichterstattung und politischer Formierung?); Ist heu­ stimmt Der Bericht Vetters vor dem te überhaupt eine besondere Frontbil­ Europaparlament ist ein Ergebnis die­ Frankreich: „Front National“ mo­ dung gegen Faschismus notwendig? ser Abstimmung. Die Bundesregierung bilisiert erfolgreich ...... 12 Der Kongreß findet in Arbeitsgruppen kann damit für ihre Asylpolitik auf die Nationalistische und faschistische statt. Themen: * Reaktionäre und fa­ Zustimmung der SPD und schlimm­ Organisationen ...... 13 schistische Formierung * Innere Si­ stenfalls auch auf die der gesamten cherheit * Reaktionäre und faschisti­ sozialdemokratischen Fraktion im Eu­ Südpazifik: Front gegen französi­ sche Politik der Konzerne * Theorie ropaparlament rechnen. - (rül) sche Neukaledonien-Politik .... 13 und Praxis vom „starken Staat“ * Ver­ fassung * Antifaschistische Gegenmaß­ Schlesien bleibt Brasilien: Ohne IWF-Sanierungs­ nahmen und Bündnispolitik * Berufs­ polnisch! programm keine Kredite...... 14 verbote * Ausländerpolitik. Mitte April Bereits in der letzten Ausgabe war be­ Südkorea: Verliert das Militärre­ erscheint ein Vorbereitungsreader. An­ richtet worden, daß sich ein hannover­ gime seine Basis?...... 14 meldung und Informationen: Bundes­ sches Bündnis sowohl gegen die ge­ geschäftsstelle der Volksfront, Zülpi­ planten NPD-Treffen wie gegen das Kaffee: Imperialisten boykottieren cher Str. 7, 5000 Köln 1. - (düb) Schlesiertreffen bildet. Die Resolution Abkommen ...... 15 gegen die NPD-Treffen berücksichtigte Zimmermanns Asylpolitik: bereits den politischen Zusammen­ SU: Sucht Gorbatschow den offe­ Hilfe von Vetter (SPD) hang zwischen Faschisten, Regierungs­ nen Konflikt mit der Arbeiterklasse? 15 Eine der Festlegungen der christlich-li­ reaktion und Revanchistenverbänden beralen Regierung in ihrem Regie­ und griff diese Politik an. Internationale Meldungen...... 16 rungsprogramm lautet: Die Asylpolitik Auf einem Treffen am 12.3., an dem müsse EG-weit vereinheitlicht werden. 14 Gruppen (a=ALPHA, AStA, BKA, Der ehemalige DGB-Vorsitzende und BWK, GABL, Grüne/KV, Jusos, Juso- Aus Verbänden und Parteien jetzige Abgeordnete der SPD im Euro­ HG, KB, Kuhle Wampe, SDAJ, Volks­ päischen Parlament, Heinz Oskar Vet­ front, VSP, WN/BdA) teilgenommen Veröffentlichungen: ter, hat jetzt der Bundesregierung mas­ haben, bestand Einigkeit darüber, daß Alternativer Geschäftsbericht: RWE 18 sive Schützenhilfe dafür geleistet Am ein Aufruf gegen das Schlesiertreffen Neues zu Arbeit und Freizeit ... 18 11. März legte Vetter im Europäischen vom 19. bis 21. Juni die Stoßrichtung BdKJ: Verschuldung der Dritten Parlament einen Bericht über die Asyl­ beinhalten soll: - Volle völkerrechtli­ Welt ...... 18 politik in den EG-Staaten vor. Das che Anerkennung der DDR und der Brandt: Vereinigung von Europa . 18 „Handelsblatt“ vom 12.3. berichtet: Westgrenze Polens, - Auflösung der Friedensbewegung: Was wurde „Die EG-Staaten sollten die jeweils Erfassungsstelle Salzgitter, - DDR- aus der Verweigerungskampagne? . 19 unterschiedlichen Lasten aus der Auf­ Grenze = Elbmitte, - Keine Schulkar­ Opposition gegen Zivilschutz . . .20 nahme von Flüchtlingen und Asylbe­ ten mit Vorkriegsgrenzen, - Streichung werbern solidarisch nach dem Schlüs­ der Zuschüsse für Schlesiertreffen und sel des Gemeinschaftshaushaltes vertei­ -museum etc. Dem Bündnis lagen Reportagen und Berichte len und ... gemeinsame rechtliche und zwei Aufrufentwürfe, von BWK/VSP/ regional soziale Standards definieren.“ Außer­ Volksfront und von der WN, vor. Da dem habe Vetter in seinem Bericht ver­ sich die beiden Entwürfe nach Auffas­ Regionale Nachrichten...... 21 sucht, die „Kosten“ der Asylbewerber sung der anwesenden Gruppen inhalt­ für die einzelnen Regierungen zu erfas­ lich vereinbaren ließen, wurde eine Flüchtlinge: Aktionen gegen Rund­ sen. Das Ergebnis: Die Bundesregie­ Arbeitsgruppe gebildet, die bis zum erlaß nehmen zu ...... 22 rung gibt angeblich mehr für Flüchtlin­ 26.3. einen Aufruf vorlegt. Politische Berichte 06/87 Aus Verbänden und Parteien Seite 3

Die anwesenden Gruppen einigten einer meßbaren Eindämmung ge­ Eiopak: Gegen Verschlechterungen sich, in der Woche vor dem Schlesier­ schlechtlich übertragbarer Erkrankun­ bei Nachtarbeit...... 22 treffen eine Mobilisierungsveranstal­ gen geführt Die durch die beschlosse­ tung durchzufuhren, zu der Georg nen Gesetze erhofften epidemiologi­ fuba-Unfalle: Flexibilisierung und Herde (WN) und ein Vertreter der schen Daten werden notwendigerweise intensivere Arbeit sind die Ursachen 23 polnischen Botschaft gewonnen wer­ unvollständig sein und fuhren - bei den sollen. Für den 20.6. morgens ist hinreichend bekannten Übertragungs­ Bau: Streikbeschluß brachte Kapita­ listen in Bewegung...... 23 eine Demonstration geplant, für den wegen - zu keinen neuen Erkenntnis­ Nachmittag ein Stand auf dem Uni- sen. Ohne medizinisch begründbare Mannheim: Gewalt gegen Frauen Sommerfest Vertreter des AStA wol­ Notwendigkeit wird ein Klima der Ein­ keine Randerscheinung ...... 24 len eine inhaltliche Verbindung vom schüchterung und Angst geschaffen, Schlesiertreffen zu der Ausstellung das unsere Gesellschaft mit einer un­ Kommunalhaushalt: Zusammen­ „Neofaschismus in der BRD“ (WN) sichtbaren Mauer durchzieht: Hier die arbeit der Opposition macht Fort­ herstellen. Vor zwei Jahren hatte der „Gesunden“, dort die „Aussätzigen“. schritte . . .•...... 25 Uni-Präsident die Ausstellung auf dem Auch das Argument, die neuen Ge­ Universitätsgelände verboten, ein Ge­ setze seien zur Ahndung mutwilliger Schulpolitik Westberlin: Lei­ richtsbeschluß hob dies später auf. Ansteckung nötig, verfängt nicht stungsdifferenzierung erzwungen . 25 - (bee/ard) Denn schon jetzt läßt sich das zur Zeit geltende Bundesseuchengesetz auf Per­ Ausländer: Das CSU-Kreisverwal- Presseerklärung zum sonen anwenden, die die Infektion vor­ tungsreferats macht den ausländi­ „Aids-Maßnahmenkatalog“ sätzlich weitergeben. schen Arbeitern schwer zu schaffen 26 Presseerklärung der „Liste Demokrati- 3. Die Zwangstestung für alle Be­ Forderungen zur Münchner Auslän­ ‘ V scher Ärztinnen und Ärzte“ zu den werber des öffentlichen Dienstes zeigt derpolitik ...... 27 bayerischen Aids-Beschlüssen: am deutlichsten, daß es den Verant­ Der Maßnahmenkatalog der Bayeri­ wortlichen nicht um medizinische, Nachrichten aus der Arbeiterbewe­ schen Staatsregierung stellt einen un­ sondern um politische Maßnahmen gung ...... 28 tauglichen Versuch dar, die Ausbrei­ geht Denn weder Briefträger oder tung der erworbenen Immunschwäche­ Müllmänner, noch Lehrer und Sozial­ Nationalistische Front: Bielefelder krankheit AIDS zu verhindern. Die arbeiter verbreiten das Virus bei ihrer Rat fordert Verbot als NSDAP- Gründe liegen auf der Hand: Arbeit Vielmehr ist dem öffentlichen Nachfolgeorganisation ...... 29 1. Da gegen AIDS weder eine wirk­ Dienst von der Staatsregierung eine same Behandlung noch ein Impfstoff Vorreiter-Rolle zugedacht worden, an Sozialstatistik zur Verfügung stehen, erwartet die der sich private Unternehmen schon staatlich registrierten Antikörperträger heute orientieren. Dem so geschaffe­ bestenfalls gesellschaftliche Ausgren­ nen Heer von HIV-positiven Personen Steuerreform: Wen Stoltenberg zung und Diskriminierung (Berufsver­ soll jede mitmenschliche Solidarität beglückt und wer dafür zahlen soll 30 bot, möglicher Verlust von Wohnung, verweigert werden. Besonders Drogen­ Arbeitsplatz und Versicherungsschutz), abhängigen und Häftlingen wird eine Aus Kultur und Wissenschaft - schlimmstenfalls Zwangsintemierung gesellschaftliche Wiedereingliederung Diskussionsbeiträge in „speziellen Heimen“ (CSU-MdB bzw. Resozialisierung durch das Seehofer). Mit diesen polizeistaatlichen Stigma der Virusinfektion von vornher­ Methoden soll sichergestellt werden, ein unmöglich gemacht Zabou: Die Werbewirtschaft zahlt’s: Polizeikommissar unge­ daß Infizierte keine anderen Menschen Die diskriminierende Testverord­ hemmt ...... 32 j auf sexuellem Wege anstecken. Unter nung für Menschen aus nicht zur EG Androhung behördlicher Vorführung gehörenden Staaten (die nach dem Mosquito Coast: Parabel vom er­ zum „AIDS-Test“ werden Personen, Willen des bayerischen Ministerpräsi­ folglosen Auswandererdasein ... 32 die infiziert sind oder auch nur willkür­ denten künftig auch für alle Bürger des lich als „ansteckungsverdächtig“ ange­ „europäischen Hygienekreises“ gelten WDR II: Esten in der BRD - „Hei­ sehen werden, alles tun, um der Regi­ soll) suggeriert der Bevölkerung nach mat oder Exil?“...... 32 strierung zu entgehen. Durch das „Ab­ bekanntem Muster, daß es wieder ein­ tauchen“ der Betroffenen in den „Un­ mal die Ausländer sind, die unsere Fernsehen: Juden, die vor dem tergrund“ begibt sich der Staat aber Brunnen vergiften. Faschismus in die USA flüchteten . 33 jeder Einflußnahme, durch Überzeu­ Die verantwortlichen Politiker der gungsarbeit eine Verhaltensänderung Bayerischen Staatsregierung sollten Aids: Die Propaganda der Bildzei­ herbeizufuhren. Das erzwungene Ab­ sich fragen, warum im (vom Bundes­ tung und das Regierungsprogramm 33 wandern in andere Bundesländer stellt gesundheitsministerium berufenen) KG (NHT): „Die Rolle der BRD einen geplanten oder zumindest in Nationalen AIDS-Beirat nicht eine ein­ im internationalen Klassenkampf4 . 34 Kauf genommenen Menschenexport zige Stimme für die bayerischen Geset- dar, mit dem die Verantwortlichen zu laut wurde ... Druck auf andere Bundesländer aus­ Bis eine wirksame Behandlungsmög­ Spezialberichte üben wollen: Ein solidarischer Beitrag lichkeit gegen AIDS gefunden ist, blei­ des „sauberen und AIDS-freien“ Bay­ ben die intensive Aufklärung der ge­ CUSA/AZACTU: „Wir sind beauf­ ern zur Stützung des Föderalismus. samten Bevölkerung über Infektions­ tragt zu sagen, daß wir die Apart­ 2. Unter vergleichbaren Umständen wege und Schutzvorkehrungen, zu­ heid beseitigen wollen, was es auch (keine Ansteckungsgefahr durch sozia­ sammen mit individueller Beratung, kosten mag“ ...... 34 le Kontakte, keine Therapie, kein Impf­ freiwilliger Testung und psycho-sozia­ stoff) haben staatliche Zwangsmaßnah­ ler Betreuung der Betroffenen die ein­ men noch nie in der Geschichte zu zig sinnvollen Maßnahmen. Titelbild: Karikatur, tis, HH. Seite 4 Aktuelles aus Politik und Wirtschaft Politische Berichte 06/87

Koalitionsvereinbarung Reaktionäres Regierungsprogramm, für das in den Landtagswahlen weitere Anhänger geworben werden

CDU/CSU und FDP haben eine Koalitionsvereinbarung für Gesetzen über die Steuerreform und mit Gesetzentwürfen die nächste vier Regierungsjahre getroffen. Kapitalisten und zur Inneren Sicherheit Warum soll das eine Schwäche sein? reaktionäre Kräfte zeigen sich zum Teil unzufrieden. Sozial­ Die Regierung geht davon aus, daß in den nächsten Mo­ demokraten und DGB halten das Regierungsprogramm für naten die Auswirkungen einer Krise deutlicher werden. „perspektivlos“. In der Öffentlichkeit hat sich der Eindruck Kohl sprach von einer schwierigen Amtsperiode. Darauf will verfestigt, die Koalitionsvereinbarung sei außer bei der Steu­ sie reagieren können. Darüberhinaus ist der Ausgang der erreform über weite Strecken ungenau und deshalb unmaß­ Landtagswahlen in Hessen, , Rheinland-Pfalz,Bre­ geblich. Das entspricht aber nicht den Tatsachen, wenn man men und Schleswig-Holstein ungewiß. Erringen CDU und sich das Koalitionspapier vollständig durchliest. Die Koali­ FDP in einem weiteren Bundesland die Mehrheit, haben sie tion hat weitreichende Festlegungen und Arbeitsaufträge für die nächsten Jahre im Bundesrat eine überaus sichere beschlossen. Im Herbst wird sie mit zahlreichen Gesetzent­ Mehrheit und können ihre Gesetzesinitiativen im Herbst würfen auftreten. Unter anderen mit der Neuregelung der noch viel umfassender gegen die Lohnabhängigen richten. Rentenversicherung, mit einer Strukturreform des Gesund­ Deshalb ist es ziemlich wichtig, sich heute schon intensiv heitswesens, mit der Novellierung des Betriebsverfassungs­ mit der Koalitionsvereinbarung auseinander zu setzen, um gesetzes und der Montanmitbestimmung, mit den genauen die Kritik an der Reaktion zu verbessern. Regierung das Arbeitszeitgesetz wieder hinauslaufen, daß das Solidarprinzip Flexi und Teilzeit in den einbringen, auf jeden weitgehend abgeschafft wird, Pflege Energisch unterstützt die Regierung Fall das Nachtarbeitsverbot für Frauen und Gesundheit noch mehr von der die Forderung der Kapitalisten nach abschaffen und den Mutterschutz än­ Größe des jeweiligen Einkommens mehr Hexibilisierung der Arbeitszei­ dern. abhängen. Der Gesundheitszustand ten. Im Koalitionspapier haben CDU/ ärmerer Leute wird dadurch noch Weniger Rente CSU und FDP die Verlängerung der schlechter werden. Ladenöffnungszeiten festgeschrieben Die Regierung will die Lebensarbeits­ und kündigen einen Dienstleistungs­ zeit neu regeln und den Übergang vom Betriebsgemeinschaft abend im öffentlichen Dienst an. Was Arbeitsleben in die Rente flexibel ge­ Das vermögenswirksame Konten- und in der Presse unterging: Die Regierung stalten. Das heißt, das Rentenalter wird Versicherungssparen (z.B. Lebensversi­ strebt eine „Offensive für Teilzeitarbeit angehoben. Gerade die vielen jetzt cherungen nach dem 624-DM-Gesetz) im Öffentlichen Dienst, auch in der schon Teilzeitbeschäftigten werden will die Bundesregierung nicht mehr Bundesverwaltung“ an. Die Rahmen­ dann weniger Rente bekommen und fördern. Etwa 2,5 Mrd. DM wird sie so bedingungen dafür sollen neu geregelt viel länger arbeiten müssen als heute. den Lohnabhängigen an Zuschüssen werden. 17 Prozent Teilzeitbeschäfti­ Das Arbeitsministerium hat den Auf­ zur „Vermögensbildung“ streichen. gung gibt es heute schon in diesem trag bekommen, eine „Strukturreform Bausparen soll nur noch mit 8 statt 14 Bereich, darunter 90 Prozent Frauen. des Gesundheitswesens“ vorzulegen. Prozent gefördert werden. Darüberhin­ Darüberhinaus will die Regierung das Das Koalitionspapier legt fest, daß der aus sollen Einkommensgrenzen über­ Post- und Femmeldesystem neu struk­ Versicherungsschutz beschränkt wird prüft werden. Die Regierung wird in turieren. Um weitere „Beschäftigungs­ und die „Eigenverantwortung“ der Ver­ Zukunft nur noch „Produktivkapitalbe­ hemmnisse“ zu beseitigen, will die sicherten zunimmt. Das wird darauf teiligungen“ fördern. Genaueres

dener Polizeibehörden festgestellt. Dies fonieren usw. Am Sonntag, den 8. Aktionen gegen legt in Zusammenhang mit der Tatsa­ März, fand am Regierungsbunker in WINTEX/CIMEX’87 che, daß auf Landesebene das Auto­ Dernau/Eifel eine Demonstration von Am 10. März ging der zivile Teil der bahnamt und auf Kreisebene alle Stra­ 150 Leuten gegen WINTEX/CIMEX NATO-Stabsrahmenübung WINTEX/ ßenbauämter beteiligt waren, die Ver­ statt. Im Bunker saßen Notparlament CIMEX ’87 in der Bundesrepublik mutung nahe, daß es besonders um und Notregierung mit Staatssekretär unter großer Geheimhaltung zu Ende. Aufgaben wie Evakuierung, Lenkung Schreckenberger aus dem Kanzleramt Weder das Übungsszenario noch Ma­ von Hüchtlingsbewegungen und Frei­ als „Übungskanzler“. növerschwerpunkte wurden trotz vieler halten der Straßen für Armeekolonnen Quellenhinweis: Gemeinsame Presse­ Anfragen in Kommunal- und Landes­ ging. - Gegen die Durchführung des erklärung von Kontaktstelle für gewalt­ parlamenten bekanntgegeben. Einige zivilmilitärischen Manövers gab es an freie Aktion, Föderation gewaltfreier Tatsachen können jedoch dennoch als mehreren Orten Protestaktionen. Infor­ Aktionsgruppen und Koordination Zi­ sicher gelten. Das die gesamte Übung mationsstände und Hugblatt-Verteilun­ viler Ungehorsam vom 11.3.87 - (jok) überlagernde Krisenszenario beginnt gen wurden in vielen Städten organi­ mit: „Wirtschaftliche Schwierigkeiten siert, gelegentlich kam es auch zu Ak­ Grüne erneut nicht im im Orange-Block“ und „Innere Unru­ tionen gegen städtische Einrichtungen Bundestagspräsidium hen in Polen“. Es läßt das Manöver wie zum Beispiel in Oldenburg, wo Nur 119 Abgeordnete votierten für die beim Stand gegenseitiger Truppenauf­ Demonstranten für einige Zeit die Zu­ Kandidatin der Grünen, Christa märsche und einer aus dem Östen ge­ fahrt zum Amt für Katastrophenschutz Nickels, für das Bundestagspräsidium. steuerten „Demotivierungskampagne“ blockierten. Vielfach wurden auch fin­ Zuvor hatte das Parlament in geheimer einschließlich einer „Aktionswoche für gierte Amtsschreiben verteilt bzw. ver­ Abstimmung abgelehnt, die Anzahl den Frieden“ starten. Über den schickt, in denen die Adressaten aufge­ der Präsidiumsmitglieder zu erweitern. Übungsschwerpunkt kann nur speku­ fordert wurden, Bezugsscheine in Die Grünen sind damit wiederum liert werden. In Baden-Württemberg Empfang zu nehmen, die Stadt nicht nicht in dem Gremium vertreten, das wurde eine starke Beteiligung verschie­ mehr zu verlassen, nicht mehr zu tele­ maßgeblich Einfluß auf Tagesordnung Politische Berichte 06/87 Aktuelles aus Politik und Wirtschaft Seite 5

Montanmitbestimmung neu geregelt Sicher ist, daß die Erleichterungen für werden. Dazu steht nichts weiter fest die unteren Einkommen niedrig sein Bis dahin steht nur fest, daß der Ein­ werden, vielleicht auch gar nicht ein­ fluß der Gewerkschaften bei der Be­ setzen. Das Koalitionspapier kündigt nennung der Arbeitnehmervertreter an, daß die Erhöhung einzelner indi­ von 4:6 auf 3:7 gesenkt wurde. Alles rekter Steuern geprüft wird. Zum Bei­ weitere ist offen! spiel bei der Erhöhung der Tabak­ oder Mineralölsteuer sind die kleinen Neues Ausländerrecht Steuererleichterungen schon wieder „Das Ausländerrecht wird umfassend futsch, denn die Masse dieser Steuern neu geregelt“, so steht es im Koali­ tragen schon immer die unteren Ein­ tionspapier. Das läßt Schlimmes be­ kommensgruppen. furchten, zumal Zimmermann schon Die Kinderfreibeträge, die vor allem vor geraumer Zeit einen Gesetzentwurf Beziehern höherer Einkommen nüt­ erarbeiten ließ. Mit dieser Festlegung zen, sollen erhöht werden, und das haben die Faschisten starke Anhalts­ Kindergeld steigt ab dem zweiten punkte, ihre rassistischen Hetzkampa­ Kind. Damit ist die Regierung einer gnen zu verstärken, z.B. bei den Land­ Forderung der katholischen Kirche tagswahlen. Ihre Forderung „Auslän­ weitgehend nachgekommen. Sie will der raus“ wird von der Regierung un­ den bestehenden §218 verschärfen, die Das Regierungsprogramm soll die Stel­ terstützt „Die Bemühungen der rück­ Bespitzelung erweitern und ein Bun­ lung der Kapitalisten enorm befestigen kehrenden ausländischen Arbeitneh­ desberatungsgesetz beschließen. Dazu gegenüber den Lohnabhängigen. Bild: mer, sich und ihre Familien in das so­ sind bereits zahlreiche Vereinbarungen Kohl vor dem BDL ziale Leben ihres Heimatlandes einzu­ getroffen u.a.: „Für die Nichterfüllung gliedern, werden durch gezielte Hilfen der ärztlichen Meldepflicht werden kommt erst im Herbst. Auf jeden Fall mit sozial-, arbeitsmarkt- und berufs­ stärkere Sanktionen vorgesehen.“ steht fest, daß ein Großteil staatlicher politischer Ausrichtung unterstützt“ „Nationale Zusammenarbeit“ Gelder direkt zu den Kapitalisten in Die Bundesregierung will das Asylrecht Form der Förderung von „Arbeitneh­ „auf europäischer Ebene harmonisie­ mer-Beteiligungen“ fließt und die Be­ ren“ und eine gesetzliche Regelung, Kohl kündigte kürzlich im ZDF an, schäftigten noch weiter in deren Ab­ „die eine unterschiedliche Würdigung daß er eine „nationale Zusammenar­ hängigkeit getrieben werden sollen. der Gefahr politischer Verfolgung im beit“ aller Verantwortlichen gegen Aids Die Forderung nach „Leistungsbereit­ Asyl- und Auslieferungsverfahren ver­ anstrebe. CDU/CSU und FDP haben schaft“ wird dann bei höheren Ange­ meidet“. Mit dieser Festlegung kann sich geeinigt, daß der „Kampf gegen stellten direkt materiell und konkret: sie gerade mit Verweis auf die erneut Aids ... das Meldewesen über die Aus­ Wenn sie sie gegenüber den Beschäf­ steigenden Asylbewerberzahlen jeder­ breitung“ umfaßt und daß seuchen­ tigten auch durchsetzen, sollen sie zeit auf die Grundgesetzänderung zu­ rechtliche Maßnahmen nicht ausge­ künftig über ihre „Betriebsbeteiligung“ rückkommen. schlossen werden. Die Bundesregie­ bzw. die Erträge daraus zusätzlich be­ rung wird einen „Koordinationsstab Steuer-, Familienpolitik lohnt werden. Betriebsgemeinschaften Aids“, eine „Kommission Aids“ aus will die Regierung auch mit der Ände­ Die Steuerreform, das „Schmuckstück“ Bund, Ländern und Gemeinden, ein rung der Montanmitbestimmung er­ der Koalitionsvereinbarung, wie das „Aids-Zentrum“ für wissenschaftliche richten. Das Trommeln der FDP hat Handelsblatt schreibt, nutzt den Mittel­ Forschung und einen „Nationalen genutzt. Die Glückwünsche des DGB klassen und den Reichen. Ob die große Aids-Beirat“ aus Fachleuten bilden. an die CDU-Sozialausschüsse sind tö­ Reform für 1990 überhaupt kommt, Die Vorschläge sind ausführlich und richt. Bereits in diesem Jahr soll die wird vom Verlauf der Krise abhängen. bedürfen einer gesonderten Untersu- und Gestaltung der Sitzungen nimmt. der Sozialhilfesatz immer ein wichtiges tholischen Bischöfe in der Bundesrepu­ CDU, CSU, FDP und SPD erreichten Kriterium gewesen, wie tief die Kapita­ blik die Entwicklung im Deutschen mit ihrem Vorgehen ebenfalls, daß die listen die Löhne senken können. Gewerkschaftsbund, in dem immer Grünen auch weiterhin von der Schon in den vergangenen Jahren hat­ mehr Einzelgewerkschaften die ersatz­ parlamentarischen Kontrolle der te sich die christlich-sozialliberale Re­ lose Streichung des Paragraphen 218 Geheimdienste ausgeschlossen sind. gierung deshalb bemüht, den Sozialhil­ fordern. Sie sehen darin einen Verstoß - (uld) fesatz so niedrig wie möglich zu hal­ gegen das Grundgesetz, das nach ihrer ten. Neuester Clou zu diesem Zweck Auffassung auch die ungeborenen Kin­ Wohlfahrtsverbände fordern ist die nun begonnene Abgabe von der schützt.“ Vor einiger Zeit hatte be­ höhere Sozialhilfe Butter und anderen überschüssigen reits Arbeitsminister Blüm den Ge­ Eine deutliche Anhebung der Sozialhil­ Nahrungsmitteln aus EG-Beständen an werkschaften öffentlich das Recht be­ fesätze haben die sechs Freien Wohl­ Sozialhilfeempfänger. Die Regierung stritten, gegen den Strafparagraph 218 fahrtsverbände auf ihrer Frühjahrsta­ plant, bis 1989 die Sozialhilfe nicht überhaupt beschließen zu dürfen, da gung in Bonn verlangt. Arbeiterwohl­ anzuheben. Dagegen richtet sich die dies eine „ethische Frage“ sei und fahrt, Caritas, Deutsches Rotes Kreuz, Erklärung der Wohlfahrtsverbände. - damit nicht Sache der Gewerkschaften. Diakonie, Paritätischer Wohlfahrtsver­ (rül) Offenbar hält man in Kreisen der Bi­ band und die Zentralwohlfahrtsstelle schöfe nun die Gelegenheit für gün­ der Juden in Deutschland kritisierten Bischöfe gegen Gewerkschafts­ stig, um den Druck auf die Gewerk­ in einer am 12.3. veröffentlichten ge­ beschlüsse zum §218 schaften nun zum Vorwurf, Beschlüsse meinsamen Erklärung, viele Sozialhil­ Auf ihrer Frühjahrsvollversammlung gegen den § 218 seien verfassungs­ febezieher könnten ihren Kindern bei­ haben die katholischen Bischöfe in feindlich, zu steigern. Das läßt für den spielsweise nur selten ein Buch kaufen. Vorbereitung des Papstbesuches am 1. Papstbesuch noch mehr Angriffe aus Derzeit liegt der Sozialhilfesatz für ei­ Mai ihre Angriffe auf die Gewerkschaf­ christlichen Kreisen, von Regierung nen Haushaltsvorstand bei 393 ten verschärft. Die „FAZ“ vom 13.3. und Bischöfen, auf die Gewerkschaften D-Mark. In der öffentlichen Debatte ist berichtet: „Mit Sorge verfolgen die ka­ erwarten. - (rül) Seite 6 Aktuelles aus Politik und Wirtschaft Politische Berichte 06/87

Wichtige Landtagswahlen Die Koalitionsvereinbarung ist wirklich umfänglich. Hier sind nur die wichtig­ sten Angriffe gegen die Interessen der Werktätigen kurz umrissen. Bei der Besetzung des Verteidigungsministeri­ ums mit einer Frau hat Kohl noch deutlich gemacht, daß das Thema „Frauen in der “ aktuell bleibt Der Zivildienst wird auf 24 Monate verlängert. Die FDP hat sich bei den Bundestagswahlen gestärkt und bei den Koalitionsverhandlungen eine gute Presse bekommen. Sie kann bei den bevorstehenden Landtagswah­ len nicht nur Stimmen von der Union bekommen, sondern auch von der SPD. Da in Hessen und Rheinland- Pfalz die NPD und in Hessen die Re­ publikaner nicht kandidieren, wird die Neue Einschränkungen des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung, noch über die Union mehr Stimmen von rechts be­ Verlängerung des Zivildienstes auf 24 Monate hinaus, sind, obwohl nicht aus­ kommen. Sozialdemokraten schwär­ drücklich im Regierungsprogramm erwähnt, zu erwarten. Schon meldet die men von Lafontaine. Was ändert das „FAZ“, der Anstieg der Zahl der Kriegsdienstverweigerer mache eine Beibehal­ aber? Hat er nicht kürzlich im „Stern“ tung der Personalstärke der Bundeswehr immer schwieriger. noch einmal gesagt, daß er den „kon­ servativen Teil der SPD repräsentiere“? chung. Die Behauptung der Regierung, auch auf verschärfte Strafen bei Ver­ Die SPD macht zur Zeit eine Politik sie wolle die Aids-Kranken nicht isolie­ mummung, passiver Bewaffnung, öf­ der kleinen Koalition mit der FDP und ren, kann man in Kenntnis der Koali­ fentlicher Befürwortung von Gewalt der großen Koalition mit der CDU und tionsvereinbarung als demagogisch Der Haftgrund der Wiederholungsge­ würde die Grünen am liebsten er­ abweisen: „Zur weiteren Verbesserung fahr soll erweitert werden. F.J. Strauß drücken. Die Kritik der Grünen ist der Betreuung und Versorgung von äußerte am Aschermittwoch in Passau schwach. Bei den bevorstehenden Aids-Kranken und -Infizierten sollten zufrieden, daß die Koalition Strafver­ Landtagswahlen müssen die antifa­ 10 Zentren der Aids-Krankertversorgung schärfungen bei Menschenraub und schistischen und antiimperialistischen und 50 Sozialstationen oder ähnliche Geiselnahmen beschlossen hat. Die Kräfte eine Kritik gegen die Reaktion Einrichtungen zur ambulanten Betreu­ Mindestfreiheitsstrafe soll von drei auf entwickeln, damit weitere Wahlsiege ung von Aids-Kranken oder -Infizierten“ fünf Jahre erhöht werden. Die Koali­ des bürgerlichen Lagers verhindert eingerichtet werden. tion hat Strafverschärfung bei Dieb­ werden. Das macht sonst niemand. stahl von Waffen u.a. beschlossen. Die Mehr innere Sicherheit Quellenhinweis: Koalitionsvereinba­ Koalition hat sich beim Meldewesen rung für die 11. Wahlperiode von Ebenfalls im Herbst will die Koalition geeinigt. In Zukunft sind die Woh­ CDU, CSU und FDP vom 10. März zahlreiche Gesetzesänderungen zur nungsgeber verpflichtet, der Meldebe­ 1987; Handelsblatt und FAZ, div. Aus­ Inneren Sicherheit vorlegen. Bereits hörde Ein- und Auszug von Personen gaben März 1987; Bayemkurier vom jetzt hat sie sich nicht nur auf die mitzuteilen. Das geht in Richtung 14.03.87, Stern vom 05.02.1987 - (jöd, Kronzeugenregelung geeinigt, sondern Blockwart. rül)

Satellitenfemsehen zu senden. Die stärken sollten. Hinsichtlich ihrer Trup­ Medienstaatsvertrag sichert Kosten für die „Aufsicht“ werden mit pen verfolgen die USA ganz andere Konzern-Fernsehen einem zweiprozentigen Zuschlag zu Pläne. Die „FAZ“ vom 13.3. berichtet, „Außenpluralität“ hin - „Binnenplura­ den Gebühren ab 1988 erhoben. daß das Pentagon im Kongreß einen lität“ her: Die Medienkonzeme Ber­ Kirchliche und sozialdemokratische Antrag eingebracht hat, die Obergrenze telsmann und Springer haben mit der Einsprüche gegen Werbung am Sonn­ für US-Truppen in Westeuropa von Einigung der Ministerpräsidenten auf tag wurden unter Dohnanys Vorsitz 326414 Mann aufzuheben. 1988/89 einen am 3. April zu unterzeichnenden kühl vom Tisch gewischt, die Werbung sollten weitere 2450 Mann nach West­ Medienstaatsvertrag ein wichtiges durch Landesrundfunkanstalten wird europa verlegt werden. Der Truppen­ Etappenziel erreicht Die ARD-Rund- beschränkt - (haj) aufmarsch wird dazu dienen, um die funkanstalten werden gestutzt auf eine Bedingungen für NATO-Interventio- „Grundversorgung“, d.h. Senkung des NATO verstärkt Truppen nen im Nahen Osten weiter zu verbes­ Aufwands pro Sendeminute mit allen in Westeuropa sern. - (rül) sozialen Folgen für die fest und frei Erst wenige Wochen ist es her, daß der Beschäftigten und politischen und kul­ US-Staatssekretär im Verteidigungsmi­ Honecker eingeladen - Diep­ turellen Konsequenzen der Programm­ nisterium, Perle, eine weitere Erhö­ gen: „Historische Situation“ gestaltung. Dem von Springer domi­ hung der Rüstungsausgaben der west­ Westberlin. Auf Empfehlung der BRD- nierten „Verlegerfemsehen“ SAT1 und europäischen Staaten propagiert hatte. Regierung und der Alliierten sprach dem von Bertelsmann forcierten RTL Andernfalls, so Perle damals, würden Diepgen in seiner Eigenschaft als Vor­ plus ist das Recht „privatautonomer“ die USA evtl, ihre Truppen in Westeu­ sitzender der Westberliner Senatskom­ Teilhabe am Femseh- und Hörfunk- ropa verringern. Nun zeigt sich, daß mission für die 750-Jahr-Feier am 12. Geschehen verbrieft. Ab August wer­ Perles öffentliches Gedröhn in Wirk­ März eine Gegeneinladung an den den beide Konzerne auch die Möglich­ lichkeit nur den westeuropäischen Re­ DDR-Staatsratsvorsitzenden und SED- keit haben, mit einer (zusätzlichen) gierungen bei einer weiteren Anhe­ Generalsekretär Honecker in dessen Parabolantenne direkt empfangbares bung der Rüstungsetats den Rücken Eigenschaft als Vorsitzender des DDR- Politische Berichte 06/87 Aktuelles aus Politik und Wirtschaft Seite 7

Landtagswahlen Hessen desrepublik Deutschland mit seiner stischen Intervention predigt die CDU langen innerdeutschen Grenze“ abge­ mit der Forderung: „Zur Schaffung Programm der CDU: leitet „Aus diesem Grund betont die von Arbeitsplätzen in den Heimatlän­ Angebote an die Faschisten CDU ausdrücklich den auch in der dern der hier lebenden Ausländer müs­ Hessischen Verfassung verankerten sen die Hilfsmaßnahmen der Wirt­ Auftrag an die Bürger dieses Landes, schaft und des Staates verstärkt wer­ Zu den Landtagswahlen in Hessen am sich für Freiheit und Einheit des gan­ den“, und statt „überlange Verwal­ 5. April kandidieren keine faschisti­ zen deutschen Volkes einzusetzen.“ tungsgerichtsverfahren zu finanzieren schen Parteien. Die These, daß sich die Wie das aussehen soll, wird in zehn und Wirtschaftsflüchtlingen Sozialhilfe Faschisten zugunsten von Stimmenge­ Unterpunkten, angefangen mit Ver­ zu zahlen ... müssen wir dadurch winnen für die CDU mit einer eigenen handlungen mit der DDR, „das Leben helfen, daß wir durch Entwicklungshil­ Kandidatur zurückgehalten haben, in beiden Teilen Deutschlands zu er­ fe zur Schaffung von Arbeitsplätzen in nachdem die Stimmengewinne in Hes­ leichtern“, über die Aufhebung des der Dritten Welt beitragen.“ Die Volks­ sen für sie ermutigend waren, liegt mörderischen Charakters der „Zonen­ gemeinschaft wird in der Innen- und nahe. Das CDU-Landtagswahlpro- grenze“ bis zur Forderung nach einem Rechtspolitik beschworen: „Der Schutz gramm macht den Wählern der Faschi­ hessisch-thüringischen Jugendwerk der Bürger und des Staats vor Verbre­ sten Angebote: ausgeführt. Unter der Überschrift: chen ist eine wichtige Grundvorausset­ Die CDU hat der hessischen „Flüchtlinge, Heimatvertriebene, Aus­ zung für ein Leben in Frieden und „Zwangsförderstufe“ den Kampf ange­ siedler“ heißt es: „Ein Fünftel der hes­ Freiheit Die Anschläge der jüngsten sagt Im Wahlprogramm heißt es: „Wir sischen Bevölkerung sind deutsche Zeit haben die weiterbestehende Ge­ treten für eine Schule ein, die ... be­ Heimatvertriebene, Flüchtlinge und fahr des Terrorismus sehr deutlich müht ist, den einzelnen Menschen zu Aussiedler ... Ihr Recht auf Heimat gemacht ... Die Verbesserung der in­ fördern, den Schüler, wie er tatsächlich bleibt“ Die kulturelle Bindung an die neren Sicherheit ist eine gesamtgesell­ ist und nicht die theoretische Kon- Heimat soll gefördert werden, Lands­ schaftliche Aufgabe, der Familie, der x-, struktion von dem, was er vielleicht mannschaften sollen zu diesem Zweck Bildungseinrichtungen, der Medien, xP sein sollte ... Schule, die die Schüler verstärkt unterstützt werden und Spät­ der Jugendorganisationen ...“ Be­ in ihrer Verschiedenartigkeit ... an­ aussiedlern ihre Eingliederung „in die stimmt wird sich ein Großteil der Wäh­ nimmt ...“ Ein Dom im Auge ist der freie Gesellschaft erleichtert werden“, lerschaft rechts von der CDU mit vie­ CDU die hessische Praxis, daß Schüler Schülerwettbewerbe sollen durch ost- len dieser Programmpunkte anfreun­ sechs Schuljahre lang grundsätzlich kundliche Themen erweitert werden, den können. - (rst) gemeinsame Klassen besuchen. Die mehr Mahnmale, Wegweiser, Gedenk­ unterschiedliche Bestimmung per Ge­ stätten errichtet werden. Eine „Auslän­ burt muß früher zum Tragen kom­ derpolitik mit Augenmaß“ fordert die Ausländische Arbeiter men! Die Schüler sollen außerdem CDU. Sie mißt offen und brutaler verstärkt Tugenden wie „Zuverlässig­ denn je mit den Augen des Kapitals. Kampagne für keit, Ausdauer, Anstrengungsbereit­ Integrationshilfen für „Integrationswil­ Aufenthaltsrecht schaft, Sorgfalt“ lernen und „sich auf lige“ werden davon abhängig gemacht, die Heimat als Kulturraum besinnen“. ob sich die Zahl der Ausländer nicht Nicht nur die Schulpolitik strotzt vor unabsehbar erhöht, denn „gemessen Hamburg. „Freizügigkeit ab 1.12.1986 Nationalismus. Die Großdeutschland- an der gesamthessischen Bevölkerung für alle türkischen Staatsangehörigen, Politik wurde für ein Landtagswahlpro­ betrug der Ausländerariteil über 9%. Grenzen auf für Alle“, ist das zweispra­ gramm erstaunlich stark ausgebaut Lediglich Baden-Württemberg wies ... chige Flugblatt von Devgenc, Devrimci und hat eine eigene Überschrift be­ eine ähnlich hohe Quote auf.“ Die Isci, Ausländergruppe, Jobber-Initiati­ kommen: „Verpflichtung Hessens für Begrenzung des Nachzugsalters für ven, Gesellschaft für Gefolterte und ganz Deutschland“. Diese Verpflich­ Kinder auf sechs Jahre sei deswegen Verfolgte überschrieben, mit dem diese tung wird aus der geographischen Lage entgegen der hessischen Praxis (18 und andere Organisationen eine Kam­ Hessens, nämlich „der Mitte der Bun­ Jahre) zwingend. Ausbau der imperiali­ pagne zur Erteilung von Aufenthaltser------Komitees für das 750jährige Bestehen von Berlin aus. Die offizielle Feier in Westberlin, auf der neben Diepgen als Redner auch BRD-Präsident von Weiz­ säcker und BRD-Kanzler Kohl spre­ chen sollen, findet am 30. April statt. Die Feier in der Hauptstadt der DDR findet am 23. Oktober statt. „Die Wahrheit“, Organ der Sozialistischen Einheitspartei Westberlin (SEW), kom­ mentierte: „Der deutsch-deutsche Dia­ log, von der DDR-Führung seit Jahren angeboten, propagiert und geführt, gewinnt eine Dynamik ... Es ist also zweifelsohne etwas in Bewegung ge­ kommen, das alle Elemente enthält, um eine sogenannte zweite Phase der Entspannungspolitik einzuleiten.“ Die Ab 1. April wird der im Zuge der „Rückkehrhilfeprogramme“ an türkischen und von Diepgen beschworene „historische kurdischen Arbeitern begangene Diebstahl von Rentenansprüchen eingeschränkt. Situation“ jedoch ist nicht zu trennen Dann tritt ein Zusatzabkommen zum deutsch-türkischen Sozialversicherungsab­ von NATO-versicherten Metropolen- kommen in Kraft, das die Auszahlung der Rentenversicherungsbeiträge bei Vorstellungen und weitreichenden gleichzeitiger Einbehaltung der Beiträge der Kapitalisten und Wegfall aller Ren­ Konzern-Plänen für wirtschaftliches tenansprüche nur noch erlaubt, wenn die „rückkehrenden“ Arbeiter in der Türkei Engagement der BRD und Westberlins nicht mehr versicherungspflichtig arbeiten. Das sei aber, so das „Handelsblatt" in der DDR - (haj) vom 13.3. bedauernd, nur selten der Fall. - (rül) Seite 8 Aktuelles aus Politik und Wirtschaft Politische Berichte 06/87 laubnissen zum Zwecke der Arbeits­ aufnahme begonnen haben. In einem weiteren zweisprachigen Flugblatt „An alle!“ wird ein vorformulierter Antrag verteilt, der bei der Ausländerbehörde eingereicht werden kann. „Hiermit beantrage ich die Erteilung einer Auf­ enthaltserlaubnis zum Zwecke der Arbeitsaufnahme. Ich stütze meinen Antrag auf § 2 AuslG iVm Art. 36 des Gesetzes vom 19. Mai 1972 (BGBl. II, s. 385 - Zusatzprotokoll zum Abkom­ men vom 12.9.1963 zur Gründung ei­ ner Assoziation zwischen der Europä­ ischen 'Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei). Das Zusatzprotokoll ist ein Bundesgesetz, aus dem ich eigene Rechte ableite. Nach Art. 36 des Geset­ zes wird mir als türkischem Staatsange­ hörigen die Freizügigkeit als Arbeit­ nehmer nach Ablauf des 22. Jahres nach Inkrafttreten des Assoziationsab­ weil 1984 eine zweite Schicht eingefuhrt wurde. Daimler-Benz bietet Über­ kommens (am 1.12.1964), also seit stundenbeschränkung gegen Neunstundentag und Samstagsarbeit. Ein übler dem 1.12.1986, garantiert Ich beantra­ Dreh, den Gesamtmetall in die Tarifverhandlungen einfuhren wird: Samstags-, ge außerdem die Ausstellung einer Schicht- und Saisonarbeit als Mittel zur Verringerung von Überstunden. Bescheinigung über die Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis, da ich Tarifbewegung Metall umgehend Antrag auf Erteilung der besonderen Arbeitserlaubnis beim Ar­ Die Verweigerung von Überstunden stört beitsamt stellen will...“ Der Ausgangspunkt dieser Kampa­ die Flexi-Pläne der Kapitalisten gne ist also ein Abkommen bzw. ein Bundesgesetz, mit dem sich die Kapi­ Die Kapitalisten der Metallindustrie ter Daimler-Benz, Bosch, SEL, Por­ talistenklasse zwischen ca. 1960 und haben ihre Verhandlungsposition ver­ sche, Zahnradfabrik Friedrichshafen, 1970 den reibungslosen Zugriff auf die vollständigt Sie bieten - immer unter Stihl. Die Kapitalisten reagierten weit Arbeiterklasse u.a. der Türkei sichern der Voraussetzung weiterer Flexibilisie­ heftiger als auf die kurzen Warnstreiks, wollte. Im Art. 36 heißt es: „Die Frei­ rung: Lohnerhöhung ab 1.4.87 um deren Produktionsausfall rasch wieder zügigkeit zwischen den Mitgliedsstaa­ 2,7% auf 15 Monate. Zum 1.7.88 dann hereingeholt wird. ..Stihl erklärte, die ten der Gemeinschaft und der Türkei eine weitere Erhöhung um 1,5% über Verweigerung von Überstunden schade wird nach den Grundsätzen des Art. zwölf Monate. Die Anlagennutzungs­ der Reaktionsfähigkeit der Unterneh­ 12 des Assoziierungsabkommens zwi­ zeit soll sofort ausgedehnt werden, die men im internationalen Wettbewerb. schen dem Ende des zwölften und Wochenarbeitszeit ab 1.7.88 um eine Außerdem seien die meisten Überstun­ dem Ende des zweiundzwanzigsten halbe Stunde auf 38 Stunden verrin­ den nur kurzfristiger Flexibilitätspuffer. Jahres nach dem Inkrafttreten des ge­ gert werden - auf drei Jahre. (1) Der Kapitalistenverband forderte nannten Abkommens schrittweise her­ Die Absichten sind deutlich: Bei der seine Mitglieder rechtswidrig auf, gege­ gestellt ...“ Seit Beginn der 80er Jahre Flexibilisierung soll die Bresche von benenfalls Überstunden einseitig an­ hat die Bundesregierung zwar die ver­ 1984 ganz freigeschlagen werden. Bei zuordnen. schiedensten Hebel in Bewegung ge­ der Arbeitszeitverkürzung soll die IG Bei Daimler-Benz wurden nach vier setzt, die zwangsweise Rückführung Metall als Kraft ohne Durchsetzungs­ Tagen Überstundenbeschränkung nach vor allem der verbrauchten türkischen vermögen vorgefuhrt werden. Bei den offiziellen Angaben 100 PKW täglich Arbeiter durchzuziehen, das Gesetz Löhnen und Gehältern schließlich sol­ weniger montiert. Die Überstunden selbst ist aber in Kraft, die Verhandlun­ len über lange Laufzeiten die Realein­ erweisen sich hier als eine langjährige gen zwischen BRD-Regierung und der kommen wieder gesenkt werden. Bei Flexi-Maßnahme, mit der der formale Türkei über die Aussetzung der Frei­ den Verbraucherpreisen hat sich näm­ Achtstundentag dauerhaft in Lang­ zügigkeitsregelung sind noch nicht lich die Entwicklungsrichtung umge­ schichten verwandelt wird. Widerstand abgeschlossen. Das Flugblatt vermerkt kehrt, sie steigen wieder: Von Januar gegen die Überstundenpraxis schränkt dazu: „Bis heute konnten sich die bis Februar um 0,1%, ohne Berück­ die schon praktizierte Flexibilisierung Herrschenden nicht einigen. Es wird sichtigung von Heizöl und Kraftstoffen ein und den Spielraum der Kapitalisten noch gefeilscht über den Preis, den um 0,5%. Nach Schätzungen bürgerli­ in den Betrieben für weitere Flexibili­ sich die türkische Regierung für den cher Wirtschaftsinstitute wird die Teue­ sierung. Verzicht auf die Freizügigkeit bezahlen rung anhalten. In dieser Lage würden Und die Kapitalisten furchten, daß läßt. Diese taktisch bedingte Uneinig­ lange Laufzeiten bei niedrigen Lohn­ eine Überstundenverweigerung die keit erhöht unseren Handlungsspiel­ abschlüssen den Kapitalisten erlauben, Lohnverhältnisse in die Kritik zieht. raum und macht die heute gestellten durch Teuerung die Reallöhne zu sen­ Dienen ihnen doch massenhafte Über­ Anträge auf Aufenthaltserlaubnis mög­ ken und der Gewerkschaft zugleich ta­ stunden auch dazu, eine ausreichende lich.“ riflich die Hände zu binden. Lohnzahlung auf einen achtstündigen Nach kurzem Zögern lehnte die Die IG Metall hat bundesweit eine Normalarbeitstag zu unterlaufen. Oder Hamburger Ausländerbehörde die An­ Welle von Warnstreiks begonnen. Au­ wie der Präsident von Gesamtmetall nahme der Anträge ab. Eine Aktion ßerdem mit Schwerpunkt in Baden- letztes Jahr frohlockte: Mitunter sei der von 150 türkischen, kurdischen An­ Württemberg eine Kampagne zur Ver­ Mehrverdienst aus Überstunden von tragstellern und westdeutschen Beglei­ weigerung bzw. Beschränkung von existentieller Bedeutung für die Arbeit­ tern wurde zusammengeknüppelt, der Überstunden. Am 5.3. gab die IGM- nehmerhaushalte. (2) Leiter der Ausländerbehörde ließ sich Bezirksleitung Stuttgart bekannt, daß Quellen: (1) Handelsblatt, 9.3.87; (2) auf keine Debatte ein. - (mek) 116 Betriebe einbezogen seien, darun­ Handelsblatt, 14./15.11.87 - (rok) Politische Berichte 06/87 Aktuelles aus Politik und Wirtschaft Seite 9

Berufsverbote im öffentlichen Dienst ILO-Bericht kritisiert BRD-Behörden wegen diskriminierender Praktiken

Der Ende Februar vorgelegte Bericht Kem der Berufsverbotspraxis der schaffe, bildet die Grundlage für die des Untersuchungsausschusses der In­ BRD ist jedoch das erklärte Ziel, einer behördlichen Verstöße gegen das Dis­ ternationalen Arbeitsorganisation grundlegenden gesellschaftlichen kriminierungsverbot, die darin liegen, (ILO) in Genf, ..der zur Prüfung der Umwälzung vorzubeugen: daß abstrakte politische Gesinnung Einhaltung des Übereinkommens über „Die Bundesregierung hat immer zum berufsbezogenen Erfordernis er­ Diskriminierung in Beschäftigung und mit Nachdruck auf den präventiven klärt wird, daß Nichteinstellung/Entlas- Beruf durch die BRD eingesetzt wurde, Charakter der Verfassungstreuepflicht sung auf vermutete, künftige Dienst­ stellt fest, daß die in der BRD in bezug und der damit im Zusammenhang ste­ pflichtverletzungen wg. Mitgliedschaf­ auf die Treuepflicht zur sogenannten henden Maßnahmen hingewiesen. Die ten, Parteitätigkeiten oder Versamm­ freiheitlich demokratischen Grundord­ freiheitliche Demokratie in der Bun­ lungsbesuchen von legalen, aber für nung, fdGO, gegenüber Bewerbern/ desrepublik Deutschland kann auf verfassungsfeindlich erklärten Organi­ Staatsbeschäftigten getroffenen Maß­ Dauer nur dann wirksam geschützt sationen gestützt werden ohne jeden nahmen gegen das Diskriminierungs­ werden, wenn in möglichen künftigen konkreten Anhaltspunkt Ein gravie­ verbot verstoßen. Krisen- und Konfliktsituationen die render Verstoß gegen das Abkommen Die Untersuchung geht auf die Be­ Beamtenschaft uneingeschränkt und stellt auch die völlig verschiedene schwerde des Weltgewerkschaftsbun­ geschlossen zur Verteidigung der frei­ Anwendung der Treuepflichtvorschrif­ des (WGB) vom Juli 1984 zurück, heitlich demokratischen Grundord­ ten in den einzelnen Bundesländern nachdem sich abgezeichnet hatte, daß nung bereit ist Notwendigkeit und dar. die Bundesregierung nach dem ersten Wirksamkeit der diesem Zweck die­ Der Ausschuß empfiehlt den betei­ Verfahren 1975 zwar 1979 gelockerte nenden Sicherungen können deswegen ligten Behörden in der BRD, die be­ Bundesrichtlinien, die u.a. die Regel­ nicht danach bewertet werden, ob be­ rufsbezogene fachliche Eignung als anfrage fallen ließen, beschlossen hat­ reits jetzt, ohne eine solche Krisensi­ entscheidendes Kriterium für die Be­ te, die Verwaltungspraxis sich jedoch tuation, überall dort, wo verfassungs­ urteilung der im öffentlichen Dienst bei Bundesbehörden und CDÜ-Län- dem weiter verschärfte, abgefedert durch die Rechtssprechung des Bun­ desverwaltungsgerichts. Der ILO wur­ de im Laufe des Verfahrens u.a. von DGB, ÖTV, GEW und DPG zugear­ beitet; 73 Berufsverbotsfälle lagen voll­ ständig dokumentiert vor. Der Bundesregierung war dieses Verfahren äußerst unangenehm, wes­ halb sie versuchte, die Legitimation der Untersuchung in Frage zu stellen und die Tatsachenerhebung durch die Kommission zu erschweren. Z.B. schob sie die Einreisegenehmigung für den aus drei Juristen zusammengesetz­ ten Ausschuß im Sommer 1986 wo­ chenlang hinaus. Die Bundesregierung wollte in dem Verfahren hauptsächlich über Rechtsfragen und weniger über Tatsachen verhandeln. Ihre Hauptein­ feindlich eingestellte Beamte über län­ Beschäftigten anzusehen, den Grund­ wände waren: gere Zeit tätig waren oder noch sind, satz der Verhältnismäßigkeit zu wah­ — Das ganze Verfahren sei unzuläs­ konkrete Beeinträchtigungen erkenn­ ren, d.h., „daß die Frage, ob ein Be­ sig, weil die Betroffenen den inner­ bar werden. Ein Sicherungssystem werber für den öffentlichen Dienst staatlichen Rechtsweg nicht erschöpft kann nicht beurteilt werden, bevor der oder ein öffentlich Bediensteter für die hätten, obwohl bekannt war, daß das Fall, dem es gilt, überhaupt eingetreten Zulassung oder für die Weiterbeschäfti­ Bundesverfassungsgericht seit 1975 ist.“ gung geeignet ist, in jedem Einzelfall vier Beschwerden gegen höchstrichter­ Der Deutsche Beamtenbund ver­ unter Bezugnahme auf die Funktionen lich ausgesprochene Entlassungen we­ deutlicht: „Vor dem Ausschuß hat der der jeweiligen Beschäftigung und auf gen mangelnder fdGO-Treue nicht Vertreter des DBB erklärt, das rei­ die Folgen des tatsächlichen Verhaltens zugelassen hatte, da keine Erfolgsaus­ bungslose Funktionieren der staatli­ des Betroffenen für seine Befähigung, sichten bestünden. chen Infrastruktur hänge von dem Ver­ diese Funktionen zu übernehmen und — Beamte.. seien generell dem halten deijenigen ab, die die Dienstlei­ auszuüben, beurteilt werden muß.“ In Schutz des Übereinkommens entzo­ stungen erbringen. Die ,kleinen Beam­ diesem Sinne sollten einheitliche Krite­ gen, da es nach den Verträgen der ILO ten1, seien es Lokführer, Postbeamte rien für den öffentlichen Dienst gesetz­ jedem Staat freistehe, den öffentlichen oder Gemeindebedienstete, seien es ja, lich verankert werden, die ihre Anwen­ Dienst nach den landesspezifischen die in allen öffentlichen Bereichen die dung unabhängig von der jeweiligen Erfordernissen zu gestalten, d.h. im ,Hand am Hebel1 hätten.“ politischen Richtung der beteiligten Falle der BRD von jedem Staatsbe­ In seinen Schlußfolgerungen kommt Behörden sichern. schäftigten als wichtigste berufliche der ILO-Ausschuß zu folgenden Er­ Quellenhinweis: ILO-Bericht zur Prü­ Qualifikation die positive Einstellung gebnissen: Das im Radikalenbeschluß fung der Einhaltung des Übereinkom­ zum Staat und der fdGO zu verlangen des BVerfGE vom 22.5.75 kreierte mens (Nr. 111) über die Diskriminie­ wie z.B. von einem Metallfacharbeiter Konzept der Verfassungsfeindlichkeit, rung (Beschäftigung und Beruf), 1958, die Fähigkeit zu schweißen. das eine zweistufige Parteienlegalität durch die BRD, Februar 1987 - (zem) Seite 10 Aktuelles aus Politik und Wirtschaft Politische Berichte 06/87

Volkszählung werden“ (FAZ, 12.3.87). Die rabiate staatliche Reaktion hat Der Staatsapparat kriminalisiert den eine gefährliche Lage entstehen lassen: Gegen die Volkszählung und zum Widerstand gegen die Zwangserhebung Boykott rufen auf die Grüne und Orga­ nisationen aus ihrem Umfeld, die DKP und ihr nahestehende Organisationen, In den letzten Wochen haben sich die an das Kriegsrecht erinnert. revolutionäre sozialistische Parteien scharfen verbalen und praktischen Besonders schroff bekommen dies und Organisationen. Nicht gegen die Angriffe von Mitgliedern der Regie­ die Grünen zu spüren, die parlamenta­ Volkszählung auftreten, sie im Gegen­ rung und der sie tragenden Parteien rische und stärkste Vertreterin des teil sogar befürworten, das machen die gegenüber Personen und Gruppen, die Widerstandes. Sie werden vor die Al­ SPD und fast alle Gewerkschaften. sich gegen die im Mai 1987 geplante ternative gestellt: Entweder sie stellen Holger Börner hat sich freiwillig als Volkszählung aussprechen, gehäuft. Es sich gegen die Volkszählung und damit Zähler gemeldet, Monika Wulf- drängt sich der Eindruck auf, als ob die in der Folge gegen die freiheitlich-de­ Matthies (ÖTV-Vorsitzende) spricht reibungslose Durchführung dieser mokratische Grundordnung mit allen sich für Sinn und Zweck der Volkszäh­ Totalerhebung von Seiten der herr­ Konsequenzen, die sich daraus erge­ lung aus, hätte nur gerne den Daten­ schenden Klasse zum Prüfstein ge­ ben, oder sie (er-)dulden diesen Akt schutz besser geachtet Die Front ge­ macht wird, inwieweit der staatliche staatlicher Kriegsvorbereitung und wer­ gen die Volkszählung hat praktisch Gewaltapparat in der Lage ist, die ge­ den auch damit weiterhin vom Staat kein Standbein in der Arbeiterbewe­ samte Bevölkerung zur Befolgung ei­ geduldet Die Volkszählung sei in ei­ gung und die Gefahr der Isolation ist ner hoheitlichen Maßnahme zu ver­ nem rechtmäßigen Gesetzgebungsver­ groß. Teile der Grünen weichen schon pflichten. fahren von einer demokratisch legiti­ vor dem immensen Druck der Reak­ Wir hatten in den Politischen Berich­ mierten Mehrheit des Bundestages tion zurück. Schily ist für das Gewalt­ ten Nr. 1/1987 geschrieben, daß die in beschlossen worden. Wer dagegen vor­ monopol des Staates auch in der Frage der Volkszählung erhobenen Daten gehe, handle undemokratisch, elitär, der Volkszählung. Bei einer Debatte zur erfolgreichen Durchführung der autoritär und stelle sich außerhalb der des baden-württembergischen Landta­ Pläne der westdeutschen Imperialisten Rechtsordnung und Verfassung. So die ges über die Stellung der Grünen zur benötigt werden. Dies umfaßt sowohl Argumentation von CDU/CSU/FDP Gewalt distanzieren sich diese von „zivile“ Vorhaben, wie z.B. Flexibilisie­ rung des Arbeitsmarktes, Rentenre­ form, wie auch direkt den Krieg vorbe­ reitende Maßnahmen, wie sie in den in jüngst auf Bundes- und Länderebene verabschiedeten Zivil- und Katastro- phenschutzgesetzen zum Ausdruck kommen. In diesen Gesetzen wurden eine Fülle von Sonderbestimmungen, möglichen Zwangsverpflichtungen, Einschränkungen der Grundrechte festgelegt, mit der Absicht, im (letzt­ endlich Kriegsfall Störungen an der Heimatfront auszuschalten bzw. recht­ zeitig ausmerzen zu können. Die Zivil- und Katastrophenschutz­ gesetze wie auch das Volkszählungsge­ setz definieren beide ein- und diesselbe Größe zur kleinsten operativen Ein­ heit: den Block. Ein Block umfaßt alle Häuser einer Straßenseite zwischen zwei Straßeneinmündungen. In der Volkszählung ist dies die Einheit, auf der die Einzeldaten der dort Lebenden zusammengefaßt und gespeichert wer­ Mitarbeiter des Statistischen Bundesamtes (zweiter von rechts Amtschef Holder) den. In dieser Form werden die Werte am Volkszählungs-Telefon bei der Beantwortung von Bürgerfragen. an die. Gemeinden von den Statisti­ schen Ämtern weitergereicht. Im Zivil­ und auch SPD. Damit nun auch jeder dem Sprecher ihrer Fraktion im Bun­ und Katastrophenschutz ist der Block erkennt, daß dies keine leeren Worte destag, Ebermann. die Einheit, auf der die Bevölkerung sind, hagelt es Strafmaßnahmen gegen­ Es erhebt sich die Frage, ob in die­ zur Ausführung der geplanten Aufga­ über den Grünen. Weil sie bei der ser Lage ein Boykott der Volkszählung ben organisiert wird. Zuständig hierfür Konstitutierung des Bundestages ein die richtige Losung ist. Oder ob da­ sind von den Städten bzw. Kreisen ein­ Transparent mit der Aufschrift „Boy­ durch nicht Einzelpersonen der Staats­ zurichtende Sonderstäbe. Die Volks­ kott der Volkszählung!“ getragen ha­ gewalt ans Messer geliefert werden. zählung liefert genau die Zustandsin­ ben, ermittelt der Bonner Staatsanwalt. Die Erfahrung lehrt, daß sich daraus formationen, welche die Krisenstäbe Im Bundestag, im baden-württember­ resultierende Prozesse nicht kollektiv zur Ausarbeitung von Notfallplänen gischen Landtag sowie in verschiede­ durchstehen und abwehren lassen. benötigen. nen Städten wurden Amtstelefone grü­ Unseres Erachtens scheint es nicht Für diesen Gesichtspunkt ist die ner Abgeordneter gesperrt, weil diese angebracht zu sein, an diesem Punkt Volkszählung praktisch eine kriegsvor­ zur Boykottberatung benutzt wurden. auf Teufel komm raus die Auseinan­ bereitende Maßnahme, quasi eine Innenminister Zimmermann tat kund, dersetzung zu suchen. Vielmehr sollten halbmilitärische Aktion. Unter diesem „daß bei Boykottaufrufen gegen die die mit der Volkszählung verfolgten Blickwinkel dürfte verständlich werden, Volkszählung mit breiter öffentlicher Pläne benannt und dagegen die Front weswegen die Reaktion staatlicher Stel­ Wirkung so bald wie möglich Ord­ vor allem in den Gewerkschaften aus­ len auf Boykottankündigungen so fatal nungswidrigkeitsverfahren eingeleitet gebaut werden. - (thh, uld) Politische Berichte 06/87 Aktuelles aus Politik und Wirtschaft Seite 11

Meldepflicht: Gesetze zur polizeilichen Überwachung Bis 1930 war das Meldewesen im Deutschen Reich sehr unterschiedlich geregelt. Selbst im größten Land, in Preu­ ßen, waren die Meldevorschriften in den Bezirken nicht vereinheitlicht Gemeinsam war allen Vorschriften über An- und Abmeldungen, daß sie bei den örtlichen Polizei­ F. ■■'DÜSSELDORF'DÜSSELDORF u H behörden voigenommen werden mußten, völlig unter­ Hofxhandluns und Btomtferhlmn schiedlich waren die Vorschriften, was gemeldet werden WOHNUNG ta-NU-OU. mußte und ab wann sich eine Person bei der örtlichen Po­ ; oowuöotr «nstwotr. dgk 1?.Oktober „ 39 lizeibehörde anmelden mußte. Die Regelungen reichten 4 In Hx» von der Vorschrift, nur der Haushaltsvorstand habe seinen Wirtachaftsaart Namen anzugeben, bis zur Pflicht, alle Haushaltsmitglie­ Düaaeldo r f ¥ der und den exakten Wohnort anzugeben. In manchen Hofgartenstr..

Bezirken und Gemeinden mußte sich nur anmelden, wer Durch di« vor einigen, tagen erfolgte Volkselhlung hab« ich In . Erfahrung gebraaht. dass di* Trau des Mieters Hofer in ne Inen dort dauerhaft seinen Lebensunterhalt verdienen wollte. Hause 1 Judin ist. Joh. aache Jhnen hieralt verordnunga- Salias Mitteilung. Wanderarbeiter z.B. waren nicht zur Meldung verpflichtet, dl« Mieter des Haus*« mit dieeem Zustand niaht einverstanden \ sind. dnil b«i niegeralerm w. ein Terwailan mit/der Jüdin in in anderen Bezirken wiederum war jeder, der sich länger ein und denselben ,l»nsßbut»k«ll«r» sowie «ach daa/tohnjn unter einem Dache den Mietern nicht «usumtea lart«, ;bitt<Äoh baldmög­ als zwei Monate im Bezirk aufhalten wollte, zur Anmel­ lichst um Zuweisung einer Wohnung für Eofer. J|. / t dung verpflichtet 1930 erließ die preußische Landesregie­ rung eine Musterpolizeiverordnung, die zur Vereinheitli­ chung des Melderechts in den preußischen Bezirken dien­ te. Danach mußte jeder Haushaltsvorstand für den gesam­ ten Haushalt jeden Wohnungswechsel auf der Stelle bei der zuständigen Polizeibehörde melden. Jede Person, die sich länger als drei Monate an einem Ort aufhielt, mußte sich anmelden. Besondere Vorschriften der Meldever­ pflichtung wurden für Gastwirte, Pensionsinhaber und Krankenhäuser erlassen: Sie waren verpflichtet, die Per­ Denunzierung einer Jüdin aufgrund von Volkszählungs­ sonendaten jedes Gastes bzw. Kranken zu erfassen und ergebnissen 1939. der Ortspolizeibehörde zur Kenntnis zu bringen. 1932 wurden auch die ausländerpolizeilichen Vorschrif­ Sinti usw. ten vereinheitlicht, von diesem Zeitpunkt an mußte jeder 1942 erläuterte ein Kommentar zur Reichsmeldeord­ Ausländer, der sich länger als sechs Monate im Reichsge­ nung: „Spannt man ein Netz - und das Meldewesen biet aufhalten wollte, eine Aufenthaltsgenehmigung bean­ gleicht einem Netz, weil es der Erfassung der Bevölkerung tragen. nach mancherlei Richtung hin dient -, so darf dieses Netz Erst die Faschisten änderten die Zuständigkeit von Poli­ an keiner Stelle Lücken aufweisen. Es darf das umso weni­ zeibehörden für die Meldepflicht zugunsten der Einrich­ ger, weil das Meldewesen nicht nur ein Erfassungsmittel tung von kommunalen Meldeämtern, die unter Landesauf­ ist ..., sondern weil es zugleich eine unentbehrliche sicht standen, mit der Verordnung über das Meldewesen Grundlage für die Tätigkeit zahlreicher Behörden bildet, vom 13.1.1938 (Reichsmeldeordnung) ab. Die Verordnung die im Reichsmaßstab arbeiten und planen ...“ sollte die Einführung eines „Allgemeinen polizeilichen In­ Die alliierten Besatzungmächte hoben die faschistischen landsausweises“, dem Vorläufer des Personalausweises, Verordnungen in den verschiedenen Militärzonen zu­ vorbereiten. Mit Verordnung vom 22.7. 1938 wurde eine nächst auf und führten eigene Kennkarten, z.T. ohne Kennkarte eingefuhrt, die mit Lichtbild und Fingerab­ Lichtbild, z.T. der früheren Kennkarte ähnlich ein. 1950 drücken des Inhabers versehen war. Verstöße, gegen die erließ die Bundesregierung das Gesetz über den bundes­ Meldepflicht wurden nun mit Haft und als Übertretung einheitlichen Personalausweis und ein - allerdings sehr von Strafgesetzen bestraft, vorher waren Verstöße als Ord­ lockerer - Verwaltungsrahmen für die Meldegesetze wurde nungswidrigkeiten zu behandeln. Hauseigentümer wurden geschaffen. Ende der fünfziger Jahre wurde die gesonder­ zur Anmeldung von Mietern verpflichtet. Die Faschisten te, zentrale Erfassung der Ausländer beschlossen, das Aus­ erfaßten bei der Anmeldung nicht nur die bereits üblichen länderzentralregister, in dem jeder Ausländer, der sich län­ Daten (Geburtsdatum, Geburtsort, Wohnort, Religion), ger als sechs Monate in der BRD aufhält registriert wird, sondern auch die sogenannte Rassenzugehörigkeit der Per­ wurde geschaffen. son und Eltern, Beruf, Invalidität Zur Begründung führte 1973 legte die sozialliberale Koalition einen Entwurf für Göring 1938 in einer Sitzung des Reichsverteidigungsrates ein Bundesmeldegesetz vor, aus dem nach jahrelangen aus: Debatten schließlich das Melderechtsrahmengesetz von „Wir müssen einen Überblick über den deutschen Men­ 1980 und das Gesetz über den Personalausweis her­ schen bekommen, und da sehe ich tatsächlich keine ande­ vorgingen. Der Gesetzentwurf von 1973 hatte noch die re Möglichkeit als die bereits in Gang befindliche Aufstel­ Einführung einer Personenkennziffer vorgesehen, dieses lung einer Volkskartei. Die Volkskartei muß gemacht wer­ Vorhaben ließ die Regierung nach heftigen, zum Teil libe­ den ... Aber ich muß, wenn ich überhaupt Menschen ver­ ral begründeten Kritiken fallen. In einigen Landesmeldege­ teilen will, erst einmal wissen: Was habe ich überhaupt für setzen. Die nach dem Melderechtsrahmengesetz beschlos­ Menschen in Deutschland; abgesehen von vielen anderen sen wurden, sind jedoch Möglichkeiten für Personenkenn- Vorzügen ist das ganz selbstverständlich. Das wäre also die ziffem angelegt, so im Meldegesetz NRW. Der maschinen­ erste Erfassung, einmal Gliederung, Schichtung und Kar- lesbare Personalausweis wird ab 1. April dieses Jahres aus­ tiesierung der deutschen Menschen.“ gegeben. Für die Kriegsplanung und die Dienstverpflichtung war Quellenhinweis: Neuer computerlesbarer Personalausweis, die im Aufbau begriffene „Volkskartei“ von Nutzen, aber Hamburg 1984; Boykott ’83 Volkszählung, Ausgezählt, auch für die Vemichtungsprogramme gegen die innere Köln 1983; Geschichte des deutschen Verwaltungsrecht, Opposition, für die Aussonderung von „lebensunwertem Bd. 4, Heidelberg 1978; Deutsche Volkszeitung/die tat v. Leben“ und für rassistische Verfolgung von Juden, Roma, 20. Februar 1987 Seite 12 Auslandsberichterstattung Politische Berichte 06/87

Frankreich Teil der FN-Wählerschaft. Nach Um­ fragen der Zeitungen „Le Monde“, Die „Front National“: erfolgreiche „Liberation“ und „Nouvel Observa- teur“ nach den Europawahlen ergibt faschistische Mobilisierung sich folgendes Bild der FN-Wähler­ schaft: Kleinhändler (15%), höhere Angestellte und Freiberufliche (14%), Seit einem Jahr ist die faschistische geboren - 12% der Stimmen. Bei den Kapitalisten (17%); der Prozentsatz Organisation „Front National“(FN) in Europawahlen am 17.6.84 erreichte die von Arbeitern und Bauern ist niedrig, der französischen Nationalversamm­ FN 11% der Stimmen und hat seitdem 9% bzw. 8%. Gegen die Behauptung, lung vertreten, mit einem spektakulä­ zehn Sitze im Europaparlament inne. die FN werde vor allem von Arbeitslo­ ren Wahlergebnis von durchschnittlich Die nächsten hohen Ergebnisse sen und vielen Arbeitern gewählt, 11% und 35 Sitzen. Nach der Befrei­ erzielte die FN bei den Kantonalwah­ spricht die Tatsache, daß z.B. in Brest ung 1944 war die extreme Rechte nach len im März 1985. Sie erhielt im Lan­ oder Le Havre, Gebieten mit hoher der Kollaboration mit den Nazis im desdurchschnitt 8,67%, in 28 Departe­ Arbeitslosigkeit und Industrie, die FN Niedergang begriffen. Nach einem kur­ ments jedoch z.T. weitaus mehr. Die durchschnittlich weniger Stimmen er­ zen Wiederauftreten im Parlament in höchsten Resultate erzielte sie im Sü­ hielt den 50er Jahren organisierten sich die den, in den Departements Var Auch die Mitgliedschaft rekrutiert Faschisten erneut im Zuge des Befrei­ (20,40%), Bouches-du-Rhone (19,46%) sich entgegen Berichten z.B. in der ungskampfs in Algerien. Nach dem ge­ und Alpes-Maritimes (17,32%). In den westdeutschen Presse nicht aus der scheiterten Putschversuch der Militärs Wahlen zur Nationalversammlung Arbeiterklasse, sondern aus den besit­ 1961 gründete sich die „lOrganisation schließlich am 16. März 1986 waren zenden Klassen und den neuen und al­ Armee Secrete“ (OAS), berüchtigt für ähnliche Ergebnisse zu verzeichnen. ten Mittelklassen: „Freie Berufe“ 14%, Attentate und Folterungen gegen alge­ Das höchste Ergebnis erhielt die FN in Händler, Handwerker 11%, Betriebsbe­ rische Freiheitskämpfer. Nach ihrer Marseille mit 24,37%, wo z.B. die RPR sitzer 10,5%, Höhere Angestellte 8,0% Niederlage verschwand diese Organisa­ nur 7% erhielt Entsprechende Ergeb­ und Arbeiter 5%. tion. Bei den Präsidentschaftswahlen nisse gab es in Perpignan und anderen Das Programm der FN hat folgende 1965 stellten die Faschisten einen Kan­ Städten des Südens. In fast zehn Re­ Leitsätze: „Die Sicherheit der Franzo­ didaten auf und erhielten im ersten gionen konnten die Kandidaten der sen garantieren, den Strom der Ein­ Wahlgang 5,1% der Stimmen. Der bürgerlichen Parteien (RPR, UDF) nur wanderung umkehren, den Sozialis­ Kandidat selbst erklärte dann, er würde mit den Stimmen der FN den Vorsitz men den Rücken kehren, den Volkska­ im zweiten Wahlgang den gemeinsa­ im Regionalrat erringen. pitalismus aufbauen“. Hauptpunkt der men Kandidaten der Linken gegen de Wie sieht nun die Wählerschaft der Wahlkampagnen war die Ausländerhet­ Gaulle, Francois Mitterrand, wählen. Erneut zerfiel die organisierte Rechte, übrig blieb das „Mouvement Occi- dent“, das vor allem im Mai 1968 ihre Schlägertrupps gegen die Studenten entsandte. Im Oktober 1968 wurde „Mouvement Occident“ dann aufge­ löst Aber schon im November 1969 gründeten dieselben Leute „Ordre Nouveau“ (Neue Ordnung), aus der dann 1972 die „Front National“ her­ vorging. Ihr Führer Le Pen hat von Anfang an versucht, die verschiedenen Strömungen der extremen Rechten, von Ultra-Liberalen über Royalisten bis hin zu Faschisten (Mitgliedern der Waffen-SS, Kollaborateuren), zusam­ menzufassen. Gemeinsamer Nenner war und ist der Anti-Kommunismus, das Ablehnen des „Egalitarismus“, der Nationalismus, der Rassismus und die Ausländerfeindlichkeit. Le Pen selbst stellt sich mit der Devise „Arbeit, Fa­ milie, Vaterland“, die vom französi­ schen Faschismus im 2. Weltkrieg durch Polizei erzwungene Ausweisung einer Ausländerfamilie in Paris). kommt, in eine Linie mit diesem und präsentiert sich als „historische Figur“ FN aus? Die Höchstergebnisse im Sü­ ze. Le Pen fordert die Priorität de des Nationalismus. den Frankreichs lassen sich erklären „Franzosen bei Arbeitsplätzen, Ge Ab 1983, als die Sozialisten an der durch den hohen Anteil an „pieds- sundheitsversorgung, Wohnung un Regierung waren und die bürgerlichen noir“, die ehemaligen französischen Erziehung“. Den Beschäftigern auslär Kräfte geschwächt, erzielte die FN ih­ Siedler in Algerien und aus ihrer kaum discher Arbeitskräfte soll eine en ren Durchbruch bei Wahlen, zunächst gebrochenen kolonialistischen und ras­ sprechende Steuer auferlegt werdei bei den Kommunalwahlen in Dreux sistischen Tradition. Insbesondere in Ausländische Arbeiter sollen in keiner (bei Paris). Hier bewirkte ein Wahlab­ Lyon und Marseille, Städte mit hohen Bereich wählbar sein, Ausweisunge kommen zwischen der RPR (Gaulli­ Anteilen ausländischer Bevölkerung, sollen verschärft werden, Kinder au sten) und der FN, daß ein FN-Kandi- tun sie sich als Schläger- und Mörder­ ländischer Arbeiter sollen nicht mel dat im zweiten Wahlgang auf der RPR- banden gegen ausländische, vor allem das Recht auf kostenlosen Schulbesuc Liste mitkandidierte und so ins Stadt­ nordafrikanische Arbeiter hervor. Spit­ haben. Während des letzten Wal­ parlament kam. Im selben Jahr erzielte zenkandidat in Perpignon war übrigens kampfes 1986 machte Le Pen keine Le Pen selbst bei Kommunalwahlen P. Sergent, der frühere Chef der OAS. Hehl aus seiner faschistischen Gesi im Morbihan (Bretagne) - dort ist er Doch bilden die „pieds-noir“ nur einen nung. Er bestätigte, in Algerien geh Politische Berichte 06/87 Auslandsberichterstattung Seite 13

tert zu haben: „Ich habe nichts zu ver­ pflicht für Nicht-EG-Staaten einzufüh­ bergen. Ich habe gefoltert, weil es nö­ ren, wurde zunächst von den Regie­ tig war, das zu tun.“ Die FN bezeich­ rungsparteien abgelehnt, aber bereits net die französischen SS-Truppen der im September unter „terroristischem „Division Charlemagne“ als „romanti­ Druck“ schließlich verabschiedet. Wei­ sche Helden“. Le Pen arbeitet ständig tere Gesetzesvorschläge der FN: Am­ propagandistisch an der Rehabilitie­ nestie für OAS-Verbrecher, „Verbesse­ rung faschistischer Traditionen und rung der staatlichen Sicherheit“, um Positionen. die sich die Regierung bereits hinläng­ Faschistische Positionen (FN) und lich bemüht und Vorschläge, die direkt liberal-konservative (Regierungspartei­ die Kapitalisten fördern: Wegfall der en RPR und UDF) nähern sich gefähr­ Einkommenssteuer innerhalb von fünf lich einander an. Die Parlamentstätig­ Jahren, stattdessen Ausgabensteuer, keit der FN im vergangenen Jahr zeigt Erhöhung der Mehrwertsteuer. dies: Die FN prescht vor und die Re­ Mit der FN, viertstärkste Partei noch gierung zieht nach. Dafür gibt es etli­ vor der Kommunistischen Partei, ver­ che Beispiele: So fordert neben der FN fügen die französischen Kapitalisten auch die RPR die Wiedereinführung über eine wichtige Kraft zur Unter­ der Todesstrafe. Eine Verschärfung der drückung der Arbeiterklasse und zur Zugangs zur französischen Staatsbür­ Zerschlagung der Gewerkschaften und gerschaft wird schon länger von der der linken Organisationen. Der weit­ Regierung verhandelt. Ein Vorschlag verbreitete französische Nationalismus, der FN zur Änderung des Finanzgeset­ selbst unter linken Organisationen, hat stützt von der kommunistischen Ge­ zes 1987 wurde bereits angenommen. den konsequenten Kampf gegen Fa­ werkschaft CGT ... Die Ausländergesetze wurden drastisch schismus und Rassismus behindert. y verschärft. Ein FN-Antrag, die Visums­ Gegen den rassistischen Terror der FN und die ausländerfeindliche Politik der Regierung entwickeln sich inzwischen breitere Bündnisse. Stellungskrieg“ (de Benoist) gegen Quellenhinweis: Le Monde, L Huma- Nationalistische und faschi­ eine Bedrohung der „nationalen Iden­ nite, verseh. Ausgaben; Article 31, Nr. stische Organisationen tität“ Frankreichs und der „europäi­ 25, Dez. 1986; EG-Magazin, 01.10.86; Mit 50000 Mitgliedern ist die Front schen Zivilisation“ zu wirken. Insbe­ Lendemains, 36-1984, 38/39-1985, 42- National unter Führung von Le Pen sondere unter der Intelligenz verfügt 1986; FAZ, 24.04.86; Ministern des die stärkste unter den nationalisti­ die Nouvelle Droite über Einfluß. Sie Relations Exterieures, les partis poli- schen und faschistischen Organisatio­ betrachtet sich selbst zusammen mit tiques en France, 1986; Arbeiterkampf, nen. Daneben existieren weitere Or­ ihrem Ableger, die GRECE (Wissen­ 18.11.85; Weserkurier, 23.02.87; Criti- ganisationen, u.a. die „Partei der schaftliche Vereinigung für die euro­ con, Nov./Dez. 1985 - (sur, sie) Neuen Kräfte“ (PFN), die 1983 über päische Zivilisation), als eigentliche 7000 Mitglieder zählte, die „Neue Kaderschmiede, als „Avantgarde des Royalistische Aktion“ (NAR) mit über intellektuellen Kampfes der Rechten Südpazifik 1500 Mitgliedern sowie die Organisa­ gegen die linke Ideologie“. De tion „Nationale Wiederherstellung“ Benoist: „Ich bin der Meinung, daß Front gegen französische (RN). Einer der wichtigsten Hebel die Rechte schon viel weiter gekom­ Neukaledonien-Politik der rechten Kräfte ist der Medienbe­ men sein wird, wenn sie 1. die Not­ reich. Die FN verfügt über bedeuten­ wendigkeit einsieht, sich für das aus­ den Einfluß z.B. über das Figaro zugeben, was sie ist (selbst die Initia­ Die 13 Mitgliedsstaaten des Südpazifi­ Magazin (geschätzte Leser ca. zwei tive zu übernehmen); 2. ihren schen Forum, darunter Australien und bis drei Millionen), die Wochenzeit­ ,Hauptfeind4 erkennt, d.h. den die Neuseeland, beschlossen auf einer Ta­ schrift Minute, die Tageszeitung Weltvielfältigkeit leugnenden und ver­ gung am 3. März, künftig nur noch Prenant sowie ca. zehn weitere Publi­ einfachenden Egalitarismus; 3. er­ geschlossen mit Frankreich über die kationen. Besonders stark ist der Ein­ kennt, daß nichts im Leben ,neutral4 Unabhängigkeit der französischen Ko­ fluß in der rechten Polizeigewerk­ ist und daß sie demnach über jedes lonie Neukaledonien zu verhandeln. schaft FPIP, in großen Teilen der be­ Thema eine Meinung erarbeiten muß Das Forum verwarf den von der fran­ rüchtigten Polizeitruppe CRS, im ... Und natürlich kann das Endergeb­ zösischen Rechtsregierung ausgearbei­ rechten Bauernverband CNIP. Ab nis dieser von ,rechts4 gestarteten teten Entwurf eines Referendums, über 1983 gelang es der Front National, Unternehmung nur die Verbindung das womöglich schon im August die unterstützt von Konservativen, Teilen der Begriffe ,rechts4 und ,links4 zu Einwohner Neukaledoniens abstim­ der RPR und ehemaligen Royalisten, einem einzigen Ganzen sein, ... daß men sollen, als untauglich für eine drei größere Kulturvereine zu grün­ man es schafft, gleichzeitig die Rechte „freie, ehrliche und genuine Entschei­ den, die eine „französische Kultur­ und die Linke zu sein ... Sie (die dung“ über die Selbstbestimmung politik“ entwickeln sollen. Rechte) hat nicht nachvollzogen, wie Neukaledoniens. Für das Erstarken nationalistischer der politische Frontalangriff die Im Herbst letzten Jahres hatten die und faschistischer Organisationen Früchte des ideologischen Stellungs­ Mitgliedsstaaten auf Initiative von Pa­ wesentlich mit beigetragen, hat die krieges erntet“ Neben der Herausga­ pua-Neuguinea, Vanutu und den So­ „Nouvelle Droite“ (Neue Rechte) be von Büchern und Broschüren, die lomon-Inseln in der UNO durchge­ Ende der 70er und Anfang der 80er insbesondere unter nationalistischen setzt, Neukaledonien auf die Agenda Jahre. Ihr Cheftheoretiker ist de Kreisen der Intelligenz Verbreitung des UN-Ausschusses für Entkolonisie­ Benoist. Die Bedeutung der „Nou­ finden, vertreibt die Nouvelle Droite rung zu bringen und damit internatio­ velle Droite“, zu der auch ehemals u.a. einen monatlichen Informations­ nal als französische Kolonie behandeln linke Intellektuelle zählen, besteht dienst, Nachrichtenbriefe, Dossiers zu lassen. Die französische Regierung darin, nicht unmittelbar für eine be­ über Organisationen und Personen hatte vergeblich diese UN-Entschei- stimmte Organisation, sondern im der Linken sowie ein „Ideologisches dung zu sabotieren versucht, u.a. da­ „Kulturkampf“, im „ideologischen Lexikon für die Basis“. mit, daß sie einzelnen Mitgliedsstaaten des Forum mit dem Entzug von Ent- Seite 14 Auslandsberichterstattung Politische Berichte 06/87 wicklungshilfe drohte. Nach der Ent­ teressen des Landes gewesen wäre. ... Südkorea scheidung der UN erklärte der franzö­ In den letzten fünf Jahren hat Brasilien sische Innenminister Pasqua, er „neh­ 55,8 Mrd. Dollar allein an Schuldzin­ Verliert das Militär­ me das nicht zur Kenntnis.“ sen gezahlt Ich sage noch einmal, wir regime seine Basis? Die französische Rechtsregierung können die Schulden nicht mit dem hat inzwischen einen Gesetzesentwurf Hunger des Volkes bezahlen.“ über das geplante Referendum auf Neben der Beschaffung von günsti­ Seit dem Bekanntwerden des Folter­ Neukaledonien vorgelegt, der im April geren Kreditbedingungen will die libe­ todes des Studenten Park Chong Chol von der französischen Nationalver­ ral-konservative Regierung Brasiliens im Polizeiarrest im Januar reißen die sammlung verabschiedet werden soll. den Zinszahlungsboykott dazu nutzen, Aktionen von Studentenorganisatio­ Der Referendumstext ist so angelegt, einen „nationalen Konsens“ für den nen, Gewerkschaften, Oppositionspar­ daß im Ergebnis die fortgesetzte fran­ Cruzado-Wirtschaftsplan mit Lohnsen­ teien, Menschenrechtsgruppen und re­ zösische Herrschaft über Neukaledo­ kungen für die Lohnabhängigen herzu­ ligiösen Organisationen gegen das Mili­ nien unvermeidlich bestätigt wird. Die stellen und die stattfindenden Kämpfe tärregime nicht mehr ab. Park war im zur Entscheidung vorgelegten Alterna­ der brasilianischen Arbeiter zu isolie­ Polizeiverhör gestorben, und Ärzte tiven sind: Integration Neukaledoniens ren. Präsident Sarney: „Es ist nun die hatten bei der Autopsie Tod durch Er­ mit Frankreich bei etwas lokaler Auto­ Zeit für einen verantwortungsvollen tränken in einer Badewanne im Ver­ nomie und fortgesetzter Wirtschaftshil­ Patriotismus angebrochen und nicht hörraum festgestellt Das Militärregime fe, oder völlige Unabhängigkeit ohne dafür, das Land unter dem Vorwand sah sich zum ersten Mal gezwungen, jede Finanzzusage. Diese Erpressung der Kritik an der Regierung zu schädi­ den Tod eines politischen Gefangenen geht einher mit einer Politik, die die gen.“ im Polizeiverhör zuzugeben; der In- minimalen Zugeständnisse der frühe­ Zwar zeigten sich die imperialisti­ ren sozialistischen Regierung an die schen Banken bereit, neue Kredite zu Unabhängigkeitsbewegung FLNKS, vergeben, jedoch nur zum Preis eines die die eingeborenen Kanaken (47% weitergehenden Sanierungsprogramms der Inselbevölkerung) vertritt, konter­ mit Auflagen des Internationalen Wäh­ kariert: Die Finanzierung der von den rungsfonds. Die Unterwerfung unter Kanaken kontrollierten Regionen auf ein IWF-Diktat jedoch lehnt die brasi­ Neukaledonien ist gestrichen, Zusagen lianische Regierung seit der Ablösung über Landreform zu Lasten der franzö­ der Militärdiktatur vor zwei Jahren sischen Siedler wurden nicht eingehal­ strikt ab. ten, etc. In ihrem neuen Brasilien-Konjunk­ Die frühere sozialistische Regierung turbrief formuliert die Berliner Bank hatte dagegen versucht, die FLNKS für die Forderungen der imperialistischen eine fortgesetzte Assoziation eines un­ Banken. Trotz eines Preis- und Lohn­ abhängigen Neukaledonien mit Frank­ stopps der Regierung im letzten Jahr reich zu gewinnen - etwa wie in Form sei es dennoch zu kräftigen Lohner­ der neokolonialen Beziehungen Frank­ höhungen gekommen, „aus dem Anti­ reichs zu den ehemaligen Kolonien in inflationsprogramm sei eine Politik der Westafrika. Einkommensverteilung geworden“. Quellenhinweis: Far Eastem Ec. Re­ Daher müsse jetzt die „Expansion der Demonstration gegen Polizei und Mili­ view, 19.3.87; SZ, div. Ausgaben Binnennachfrage auf ein tragbares tärregime aus Anlaß des Foltertodes - (wom) Maß“ zurückgeführt werden. Die Berli­ des Studenten Park Chong Chol ner Bank verlangt eine massive Sen­ kung der „Massenkaufkraft“, der Löh­ nenminister mußte seinen Sessel räu­ Brasilien ne und der Staatsausgaben. men. Der Foltertod führte in den fol­ Bereits Anfang März verständigten genden Wochen zu einer öffentlichen Ohne IWF-Sanierungs- sich die fünf größten imperialistischen Diskussion über weitere Fälle von Fol­ programm keine Kredite Gläubiger auf ein gemeinsames Vorge­ terpraktiken und sog. Selbstmorden in hen. Der US-Notenbankchef Volcker Polizeigewahrsam, Fälle, die das Mili­ warnte seine Kollegen vor „Kriegsmü­ tärregime in den vergangenen Jahren Am 20. Februar verkündete der brasi­ digkeit“ in der Schuldenfrage und ver­ erfolgreich kaschiert hatte. Die südko­ lianische Präsident Sarney einen Zins­ langte die Bereitschaft zur „Koopera­ reanische Strafverteidigervereinigung zahlungsstopp gegenüber den imperia­ tion“. Der Chef der US-Citibank, der erklärte: „Alle Folterpraktiken, die bis­ listischen Banken auf mittel- und lang­ führenden Gläubigerbank, äußerte, lang von der Regierung gedeckt oder fristige Schulden in Höhe von ca. 75 daß ein wirtschaftliches Sanierungspro­ ignoriert worden sind, müssen strengs­ Mrd. US-$. In einer Rede an die gramm Brasiliens für seine Bank min­ tens untersucht und ans Tageslicht „Nation“ erklärte er: „Brasilien ist nicht destens genauso wichtig sei wie die gebracht werden.“ ein Land, das Konfrontation will... es US-Steuerreform des vergangenen Jah­ Erst jetzt wird das ganze Ausmaß strebt nicht nach einer autonomen res oder gar die Revision der wichtig­ der Verfolgung der Arbeiterbewegung Wirtschaft außerhalb der internationa­ sten US-Bankengesetze. Der brasiliani­ und der Revolutionäre in Südkorea of­ len Gemeinschaft. Was es will, sind sche Finanzminister Funaro versuchte fenbar: In den 18 Amtsjahren von Park faire Verhandlungen. Wir wollen eine einige Tage später, mit den Regierun­ Chong Hee, ebenfalls Diktator und freie Marktwirtschaft, die wettbewerbs­ gen zu verhandeln. Einhellige Reak­ Vorgänger des amtierenden Chun Doo fähig, dynamisch und modern ist und tion: keine staatlichen Kredite, Ver­ Hwan, gab es insgesamt 750 Verurtei­ das Recht auf Wachstum hat. ... Wir handlungen mit den Banken und Sa­ lungen aus politischen Gründen, in haben große Anstrengungen zur Wie­ nierungsprogramm. Auch der Versuch, den sechs Jahren unter Chun insge­ derbelebung unseres Außenhandels Kredite der Imperialisten für brasiliani­ samt 7000; etwa 1900 der Verurteilten unternommen, aber wir konnten nicht sche Einfuhren zu erhalten, schlug sind noch in Haft. Im letzten Quartal die Anpassungen vollziehen, die für fehl. 1986 meldeten Oppositionsgruppen eine Rezessionspolitik erforderlich Quellenhinweis: NZZ, 24.02.-10.03.87; 238 illegale Festnahmen; das Schicksal sind, deren einziges Ziel die Erzeu­ Die Weltwoche, 26.02.87; Handels­ von 28 Verhafteten ist bis jetzt unbe­ gung von Handelsüberschüssen unter blatt, 03.03.87; Brasilien-Ausschnitt­ kannt Zu den Verhafteten gehören Mißachtung der unveräußerlichen In­ dienst, 2/87 - (sie) Gewerkschafter wie der Führer der Politische Berichte 06/87 Auslandsberichterstattung Seite 15

Nationalen Chemiearbeitergewerk­ vertreten sind. Unmittelbar danach ten jährlich rund zehn Mrd. US-$ an schaft Kim Song Sik, der zwei Monate nutzten die imperialistischen Kaffee­ Devisen aus dem Kaffeeverkauf. Be­ ohne Anklage eingesperrt war. großhändler panikartige Verkäufe von sonders viele afrikanische Länder sind Die relative Stabilität der Kontrolle Produzentenländer, um den Preissturz auf den Kaffeeexport und -verkauf an­ der Imperialisten über Südkorea, die weiter zu beschleunigen, der durch gewiesen, so beziehen Uganda, Burun­ sich politisch auf das Militär und die Überproduktion und rückläufigem Ab­ di und Ruanda fast ausschließlich ihre Militarisierung aller Lebensbereiche satz eingeleitet worden war. zur Schuldenrückzahlung notwendigen stützt und sozial auf eine zahlenmäßig Die Produzentenländer hatten gefor­ Devisen aus dem Verkauf von Kaffee, dert, die früher bestehende Ausfuhr­ zu über 50 Prozent Äthiopien, El Sal­ große, westlich orientierte Mittel­ höchstmenge wieder einzufuhren, um vador und Kolumbien, zu über 30 Pro­ schicht, scheint zumindest in Frage die Weltmarktpreise zu stabilisieren. zent Madagaskar, Nicaragua, Tansania, gestellt Bislang war der Kampf gegen Die imperialistischen Abnehmerländer Guatemala, Haiti, Costa Rica und Ke­ die Militärdiktatur von der südkorea­ boykottierten dies. Sie verlangten hin­ nia. Viele dieser Länder hatten ihre nischen Arbeiterbewegung und Teilen gegen erst eine „Einigung“ über die Kaffeeproduktion in den vergangenen der Intelligenz, vor allem an den Neuverteilung der Anteile einzelner Jahren mit Hilfe von Krediten der Hochschulen, getragen. Die organisier­ Produzentenländer. Damit gelang den Imperialisten ausgeweitet, um zunächst te und legale Opposition in Gestalt der Imperialisten die Spaltung zwischen die Mittel für wirtschaftliche Aufbau­ Oppositionspartei NKDP und ihrer den Hauptproduzenten wie Brasilien, programme zu finanzieren und später Führer Kim Dae Jung und Kim Jung Kolumbien und Elfenbeinküste auf der um die gestiegenen Schulden bei den Sam beschränkte ihren Widerstand auf einen Seite und auf der anderen einer Imperialisten bezahlen zu müssen. eine Kampagne für Verfassungsänder­ Gruppe von acht Ländern, die ihre Jetzt droht vielen Kaffeeproduzenten- ungen und suchte dafür Unterstützung Produktion in den letzten Jahren be­ ländem der wirtschaftliche Ruin, Gele­ in den USA Die katholischen und die sonders gesteigert haben und deutlich genheit für die Imperialisten, die neo­ protestantischen Kirchenführer grenz- höhere Quotenanteile als im alten Kaf­ kolonialistische Abhängigkeit dieser x ten sich in dem vorwiegend buddhisti- fee-Abkommen anstreben. Zu ihnen Ländern zu vertiefen und ihnen weite­ sehen Land zwar vom Militärregime gehören unter anderem Indien, Indo­ re Wirtschaftsdiktate aufzuzwingen. ab, warnten aber zugleich immer vor nesien und Costa Rica. Quellenhinweis: NZZ, 05.03.87; Han­ den Aktionen der Linken. Jedenfalls Die Produzentenländer erwirtschaf- delsblatt, 04.03. und 11.03.87 - (sie) gelang es bisher nicht, in die Front gegen die Militärdiktatur auch größere Teile der Mittelklassen einzubeziehen. Sowjetunion Das ist jetzt anders. Die Aktionen aus Anlaß der Beerdigung von Park Sucht Gorbatschow den offenen Konflikt mobilisierten in über 20 Städten Hun­ derttausende. Den vereinten Bemü­ mit der sowjetischen Arbeiterklasse? hungen von Regierungspropaganda und Polizeigewalt gelang es nicht, in diesen Aktionen die Revolutionäre von Ende Februar fand der Kongreß der unqualifizierten Abeitern wurde nivel­ z.B. Gruppen katholischer Gläubiger sowjetischen Gewerkschaften statt. Wie liert Die Abeit als Ingenieur verlor an oder buddhistischer Mönche zu tren­ man erwarten konnte, versuchte die Atraktivität ... Der Verdienst der un­ nen. Das Auftreten des buddhistischen KPdSU-Führung, die Gewerkschaften qualifizierten Abeiter erhöhte sich viel Klerus, der sich traditionell politischer auf ihren Kurs von Wirtschaftsrefor­ schneller als der der Facharbeiter.“ Aussagen enthielt und damit zur Stabi­ men zu bringen. Bei aller gebotenen Inzwischen ist deutlich erkennbar, lität des Regimes beitrug, markiert eine Vorsicht in der Deutung verschiedener daß die Einführung eines neuen Lei­ bislang unerreichte Stärke der Front Anzeichen steuert sie auf einen wahr­ stungslohn-Systems Kern und Haupt­ gegen das Regime. Quellenhinweis: Far Eastem Ec.Re- scheinlich schweren Konflikt mit der bestandteil der Gorbatschow’schen x'> view, div. Ausgaben; Süddeutsche Zei- sowjetischen Abeiterklasse zu. Wirtschaftsreform ist. - tung, div. Ausgaben; Asia Yearbook „Bei uns wird nichts klappen, wenn „Die Reform“, führt der zitierte Arti­ 1987, Hongkong 1986 - (wom) wir nicht die trägen und bremsenden kel in „Sowjetunion heute“ aus, „läuft Kräfte ganz brechen“, sagte Gorba­ darauf hinaus, die Volkswirtschaft ins­ tschow. Dabei ließ er keine Zweifel gesamt, jeden einzelnen Betrieb dyna­ Verfall der Kaffeepreise aufkommen, wen er vor allem darunter misch auf die Selbstkostendeckung versteht. „Den Gewerkschaften warf und Eigenfinanzierung umzustellen Imperialisten boykot­ Gorbatschow vor, sie wehrten sich ge­ und auf Gewinn zu orientieren.“ tieren Kaffeeabkommen gen sein Vorhaben, das System des lei­ A und O des Erfolgs ist die Unter­ stungsunabhängigen Einheitslohnes ordnung der Abeiter unter diese Ziele. abzuschaffen.“ Er forderte: „Wer mehr Nichts anderes bezweckt die Reform Der Kaffeepreis auf dem Londoner leistet, soll mehr verdienen.“ (Zitate des Lohnsystems, die Anfang 1987 ein­ Kaffeemarkt, den die Produzentenlän­ nach „Hamburger Abendblatt“, 26.2.) geführt wurde und bis 1990 durchge­ der erzielen, ist innerhalb eines Jahres Ähnlich hat kürzlich die deutsch­ um die Hälfte auf den niedrigsten Wert setzt sein soll. Sie zielt auf die verstärk­ seit fünf Jahren gefallen: von 3000 sprachige Zeitschrift „Sowjetunion heu­ te Differenzierung der Werktätigen und Pfund je Tonne auf 1500. Die Preise te“ (10/86) losgelegt: darauf, ihre Konkurrenz untereinander für spätere Kaffeeauslieferungen, z.B. „Der erste Mangel unserer Wirt­ zu schüren. Die „Presseschau Ostwirt­ im Mai konnten die imperialistischen schaft, sowohl seinem Ater als auch schaft“ (10/86) schreibt dazu: Kaffeegroßhändler nochmal um bis zu seiner Bedeutung nach, sind ... die „Das Tariflohnsystem soll wieder die 20 Prozent senken. Tendenzen zur Gleichmacherei bei der Rolle des Hauptregulators des Abeits- Dem Kaffeepreisverfall vorausgegan­ Abeitsentlohnung ... Das sind die lohnes erhalten (nachdem zeitweilig gen war das Scheitern der Neuver­ Ketten unserer Wirtschaft, Sand im der Anteil der Prämien stark erhöht handlungen über ein Kaffee-Abkom­ Getriebe des gesamten Wirtschaftsme­ worden war - Red.). Sein Anteil soll men der Internationalen Kaffeeorgani- chanismus, ein Hemmschuh der Ent­ von 50 auf 70 bis 75% steigen ... Bei sation (ICO) in London, in der 50 Pro­ wicklung.“ Denn: „... der Unterschied den Abeitern werden die Tarifsätze duzenten- und 25 Abnehmerländer im Verdienst von qualifizierten und um 20-25% steigen. Um ein größeres Seite 16 Auslandsberichterstattung Politische Berichte 06/87

Brasilien: Militär gegen streikende Arbeiter 1964 begann der Militärputsch in Bra­ silien mit einer Militäraktion gegen die streikenden Arbeiter einer Erdölraffi­ nerie des Staatskonzems Petrobras. Am 10.3.87 schickte die Regierung wieder Hunderte von Soldaten mit Panzern und Kampffahrzeugen, um die Produktionsanlagen von Petrobras zu besetzen. Durch den Einsatz von Streikbrechern wollen Geschäftsleitung und Regierung jetzt den Streik von 55000 Petrobras-Arbeitern brechen. Vor zwei Wochen beschlossen die 55000 Arbeiter der Petrobras Streiks und Besetzungsaktionen, um ihre Lohnforderungen von über 70 Prozent Studienaufenthalte in Afrika, LA und Asien), Jahrgang 1986, und der Weltfrie­ durchzusetzen, nachdem der Konzern densdienst e.V. eine Rundreise mit einer Vertreterin der azanischen Hausange- nur 38% angeboten hatte. Seit Anfang stellten-Gewerkschaft SADWU aus Südafrika. Näheres ist in den Ankündigungen März streiken ebenfalls über 40000 der Veranstalter und auf den Veranstaltungen zu erfahren. Termine: 19.3. Bre­ Seeleute der brasilianischen Handels­ men; 20.3. Oldenburg; 23.3. Münster; 30.3. Bonn; 1.4. Köln; 2.4. Oberhausen; marine und Hafenarbeiter, allein im 3.4. Bielefeld; 6.4. Hannover; 8.4. Kassel; 13./14.4. Westberlin; 21.4. Nürnberg; Hafen von Santos liegen über 175 . 23.4. Regensburg; 24./28.4. München; 27.4. Traunstein; 30.4. Augsburg; 4.5. Schiffe fest. Das „Oberste Arbeitsge- ( Stuttgart; 6.5. Ludwigsburg; 8.5. Freiburg; 11.5. Frankfurt; 13.5. Gießen - (sie) richt“ hat den Streik nach „Nationalen Sicherheitsgesetzen“, die noch aus der gungen der japanischen Gewerkschaf­ Zeit der Militärregierungen stammen, Japan: Gewerkschaften ten zur „Frühjahrsoffensive“ vergeb­ für illegal erklärt, damit sind die im Lohnkampf lich. - (wom) Streikenden fristlos gekündigt. Den­ Die von den wichtigsten japanischen noch führen die Arbeiter ihren Streik Gewerkschaftsdachverbänden ausge­ Schweden beschließt gegen für Lohnerhöhungen von ca. 200 Pro­ rufene „Frühjahrsoffensive“ (Shunto) Südafrika Handelsboykott zent fort Die Regierung setzte darauf für neue Lohn- und Gehaltstarife steht Am 3.3. verkündete die schwedische hin Verbände der Kriegsmarine ein, di^s Jahr unter besonderem Druck: Regierung einen Boykott gegen Süd­ die die Abfertigung übernehmen soll­ Did"industrielle Reservearmee in Japan afrika. Die Festlegung soll das Außen­ ten, bislang jedoch ohne großen Er­ wächst, die Konzerne im Montanbe­ ministerium treffen. Keine Warengrup­ folg. Die bürgerliche Zeitung „O Glo­ reich führen Massenentlassungen und pe soll ausgenommen werden. Schwe­ bo“ hetzt gegen den Streik, die Arbei­ Werksschließungen durch, innerbe­ den hatte zuvor gehofft, bindende Boy­ ter seien „kompromißlos“ und wollten triebliche Lohnkürzungen und Aus­ kottbeschlüsse des UNO-Sicherheitsra­ ohne Rücksicht auf die Folgen für das dehnung unbezahlter Mehrarbeit sind tes zu bekommen, die nach ihrer An­ ganze Land möglichst viel für sich an der Tagesordnung. Die japanischen sicht effektiver wären. LO-Gewerk- durch Streik herausholen. Die Gewerk­ Stahlkonzeme, deren Tariferhöhungen schaftschef Malm hält den Boykott für schaften fordern den sofortigen Abzug bislang faktisch Maßstab für die Tarife wirkungslos. Metallkapitalisten sagten des Militärs aus den Häfen und Pro­ der gesamten Industrie waren, lehnen mindestens 800 Arbeitsplätze wären duktionsanlagen. In Rio de Janeiro be­ Lohnerhöhungen generell ab. Schon in betroffen. Zentrums- und Volkspartei schlossen die Arbeiter die Fortführung den letzten Jahren waren die Anstren­ sind auch für Boykott. - (uwb) des Streiks. - (sie)

Interesse an höherer Qualifikation und am wenigsten qualifizierten Arbeiter schäften, aufschlußreich ist. Qualität der Arbeit zu schaffen, wird stark herabzudrücken. Laut „Sowjet­ „Ein Artikel in der Moskauer Regie­ der Unterschied zwischen den Tarif­ union heute“ (10/86) wird das Verhält­ rungszeitung ,Iswestija‘ hat gezeigt, wie lohnsätzen der verschiedenen Lohn­ nis zwischen höchster und niedrigster ungemein schwierig sich das Unterfan­ gruppen wachsen. In der Folge werden Lohngruppe 2:1 statt wie bisher 1,5:1 gen der Gorbatschow-Führung ... an­ sowohl die absoluten als auch die rela­ betragen. lassen dürfte, die Industrieproduktion tiven Zuwächse der Tariflohnsätze für Es wird aber auch immer deutlicher: von extensiv auf intensiv umzustellen die höchsten Lohngruppen beträchtlich Im Kampf gegen die Differenzierung und ihre Effizienz über Betriebsver­ höher sein als bei den niedrigen Lohn­ entwickeln sich die gleichmacheri­ selbständigungen und die Einführung gruppen. So wird z.B. der Tariflohn­ schen, auf Sicherung von Mindestbe­ von Leistungslöhnen zu steigern. Bei satz für einen Arbeiter der 1. (d.h. nie­ dingungen bedachten, d.h. kommunisti­ diesem ... entscheidenden Vorhaben drigsten - Red.) Lohngruppe in der schen Bestrebungen der sowjetischen haben die ,Reformer4 nicht nur große Lebensmittelindustrie um 16% steigen, Arbeiter. Ihr Widerstand ist allem An­ Teile der Wirtschaftsbürokratie, son­ in der 6. Lohngruppe um 33% ... schein nach massenhaft und zäh. dern offenbar auch der Arbeiterschaft Auch das System für die Entlohnung Bereits am 24.5.85, als in einem Teil gegen sich, die Eingriffe in das alther­ der Spezialisten (d.h. die Angehörigen der Industriebetriebe Experimente gebrachte eingefahrene System der der werktätigen Intelligenz - Red.) durchgeführt wurden, die die Refor­ Lohngleichmacherei (,urawnilowka‘) wird unter den neuen Bedingungen men einleiteten, veröffentlichte die als soziale Ungerechtigkeit und nach­ grundlegend geändert. Um das Prestige Bonner Zeitschrift „Die Wirtschaft des gerade als eine Beschneidung der Bür­ der Ingenieurstätigkeit zu heben, wer­ Ostblocks“ einen Bericht, den wir aus­ gerrechte empfindet.“ den die Bezüge der Leiter, Spezialisten führlich zitieren, weil er für die Ent­ Bezugnehmend auf die ersten Erfah­ und Angestellten um durchschnittlich wicklung des Klassenkampfes in der rungen mit den Wirtschaftsexperimen­ 30- 35% angehoben.“ UdSSR, der anders verläuft als in den ten gibt das Blatt die Klage des Direk­ Beabsichtigt ist offensichtlich, die auf Privateigentum beruhenden Gesell- tors des sowjetischen Forschungsinsti- Politische Berichte 06/87 Auslandsberichterstattung Seite 17

„Auslandsaufklärung“, „Gegenaufklä­ Kongreß versprach, noch dieses Jahr Militärische Erfolge rung“ und „Terrorismus“ eine ausge­ ein entsprechendes Gesetz zu verab­ der DARS dehnte Überwachung der politischen schieden. Etwa 15 Mio. Lohnabhängi­ Laut Berichten der Polisario, der Be­ Opposition inklusive Einbrüche ohne ge müssen ihre Arbeitskraft derzeit zu freiungsorganisation der Demokrati­ richterlichen Durchsuchungsbefehl. 3,35 US-$ die Stunde verkaufen. Bei schen Arabischen Republik Sahara, - (ger, her) Vollzeitbeschäftigung ist das etwa 7000 konnten den marokkanischen Besat­ US-$ im Jahr. Die Armutsgrenze für zungstruppen bei Angriffen in der öst­ USA: AFL-CIO fordert eine vierköpfige Familie liegt derzeit lichen Westsahara schwere Verluste Erhöhung des Minimallohns bei 11000 US-$. Die Reagan-Regierung zugefugt werden: 120 marokkanische Der Geschäftsführende Ausschuß des will ihre eventuelle Zustimmung von Soldaten wurden getötet, über 200 ver­ AFL-CIO (Gewerkschaftsdachverband) der Einführung eines separaten Mini­ letzt und große Mengen an Waffen verlangte auf einer Sitzung Mitte Fe­ mallohns für Jugendliche unter 21 Jah­ und Munition erbeutet Marokko treibt bruar die stufenweise Erhöhung des ren abhängig machen. Seit 1981 propa­ den Bau weiterer militärischer Sperr­ seit 1981 festgeschriebenen Minimal­ giert Reagan 2,50 US-$ pro Stunde für gürtel mit Mauern und Minenfeldern lohns von 3,35 US-$ pro Stunde auf Jugendliche - bisher erfolglos. - (ger, gegen die bewaffneten Befreiungskräf­ 4,61. Die demokratische Mehrheit im her) te voran. - (sie) USA: FBI-Einbrüche bei der politischen Opposition Washington, D.C. Organisationen der Zentralamerika Anti-Interventionsbe­ wegung und der Bewegung zur Unter­ stützung der politischen Flüchtlinge, die Opfer von offensichtlich politisch motivierten Einbrüchen und Unter­ wanderung durch den FBI geworden waren, brachten Anfang März ihren Fall vor einen Unterausschuß des Re­ präsentantenhauses. Zwei Tage lang hörte der Unterausschuß Vertreter von Kirchen, Forschungszentren und Soli­ daritätsgruppen an, bei denen einge­ brochen worden war. Außerdem sagte ein ehemaliger bezahlter FBI-Infor­ mant aus, daß er sich in die Ortsgrup­ pe eines El Salvador Solidaritätskom- mitees in Dallas eingeschlichen hatte. In den von der UNO vermittelten afghanisch-pakistanischen Verhandlungen über Nach der Aufdeckung der FBI-Infiltra- die Lösung des Afghanistan-Konflikts scheint ein Fortschritt erzielt. Die Sowjet­ tionen in Befreiungsbewegungen der union ist, was selbst die bürgerliche Presse nicht mehr verhehlen kann, stark an Schwarzen und in die Anti-Vietnam­ einer politischen Lösung, d.h. am Rückzug ihrer Truppen aus Afghanistan, inter­ kriegsbewegung Mitte der 70er Jahre essiert und hat inzwischen eine Abzugsfrist von weniger als zwei Jahren angebo­ war der FBI bei der Überwachung auf ten - ganz Genaues ist nicht bekannt Über die anderen Punkte eines Abkom­ Fälle von nachweislich kriminellen mens - Nichteinmischung, US- und sowjetische Garantien für Unabhängigkeit Aktivitäten beschränkt worden. Eine und Blockfreiheit Afghanistans, Rückkehr der Flüchtlinge - besteht bereits Einig­ von Reagan 1981 unterzeichnete Ver­ keit. Es ist jedoch zu befürchten, daß die USA, die die SU in dem militärischen fügung änderte das und erlaubte dem Konflikt binden wollen, auf einer Abzugsfrist von sechs Monaten bestehen, um FBI und dem CIA unter dem Titel die friedliche Lösung zu blockieren. - (scc) tuts für Arbeitsfragen wider: sei dabei gar nichts. Der Grundlohn geht aus einem Artikel in „Blick durch „Von den zugestandenen Rechten, werde vom Arbeiter als eine Mindest­ die Wirtschaft“ vom 6.1.87 hervor, der selbst für eine leistungsgerechtere Ent­ zahlung betrachtet, auf die man auch den Direktor des Instituts für Ökono­ lohnung zu sorgen, hätten aber sogar dann einen Anspruch habe, wenn man mie der sowjetischen Akademie der die Belegschaften dieser Experimen­ überhaupt nichts geleistet habe ... In­ Wissenschaften zitiert: tierbetriebe, die u.a. auch einen Wan­ zwischen würden aber auch die als Lei­ „Wie sehr es am Verständnis für die del in der Lohnpolitik einleiten sollten, stungsanspom gedachten Prämien und Reformabsichten fehle, zeige ein seit bisher nur einen ,äußerst schüchternen Zulagen im Rahmen der ,Urawnilow- über zwei Jahren in einem Teil der und nicht immer richtigen Gebrauch4 ka4 gleichmäßig an alle, ob gut oder Industriebetriebe laufendes Experi­ gemacht. Auch dort laufe alles auf die schlecht, ausgeschüttet. Gleiches gelte ment. Diese Betriebe hätten Sonder­ Festlegung von Einheitslöhnen, unab­ auch für den ,13. Monatslohn4, der fonds erhalten, um Bestarbeiter besser hängig von Leistung und Qualifizie­ zum Jahresende nur an Bestarbeiter zu bezahlen. Davon sei mehrheitlich rung des Einzelnen, hinaus ... Man gezahlt werden sollte ... Im gleichen kein Gebrauch gemacht worden. Man habe geglaubt, eine stimulierende Wir­ Sinne werde von den Betrieben aus habe die Mittel gleichmäßig auf die kung4 auf die Arbeitsleistung durch Humanitären Erwägungen4 auch bei Belegschaften, unberücksichtigt der Kürzung des Grundlohn- und Erhö­ der Vergabe von anderweitigen Son­ Leistung des einzelnen, aufgeteilt. Die hung des Anteils von Prämien und derleistungen wie Wohnbaukredite, experimentell beabsichtigte Einführung Leistungszulagen an der Gesamtbezah­ kostenloser Urlaub oder Zuteilung von von Leistungslöhnen sei damit an der lung erreichen zu können. Mit diesem Mangelware verfahren, die ,gerechtig­ anhaltenden Tendenz zur Lohngleich­ Ziel sei der Grundlohn-Anteil in den keitshalber4 ebenfalls nach dem Gieß­ macherei gescheitert.“ letzten zehn Jahren von 65-70 auf kannenprinzip verteilt würden, statt als Ob Gorbatschows allgemeiner 50-55 Prozent zugunsten der Erhö­ Belohnung für gute Arbeit.“ Lohnreform ein anderes Schicksal wi­ hung der Prämien- und Zulagenanteile Daß die Arbeiterbewegung bis heute derfährt? Oder ob er die widerstreben­ reduziert worden. Herausgekommen ihre Positionen verteidigen konnte. den Kräfte „brechen44 kann? - (scc) ■

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BdKJ: Verschuldung Veröffentlichungen - der Dritten Welt mit ausländischen Produkten den Ef­ Der Arbeitskreis „Entwicklungspolitik“ Alternativer Geschäfts­ fekt heraufbeschwören, daß wir aus­ bericht: RWE im Bund der katholischen Jugend schließlich Arbeitsplätze verlieren, oh­ Stuttgart hat eine Broschürenreihe ver­ Die Arbeitsgruppe „RWE-Koordinati­ ne daß neue geschaffen werden“, er­ öffentlicht, die sich kritisch mit der on“ ist im Frühjahr 1985 im Anschluß klärt Dieter Weirich stellvertretend für an das Tribunal “RWE Angeklagt“ ent­ alle Autoren. Hanns-Eberhard Schleyer Entwicklungspolitik der Industriestaa­ standen. In diesem Tribunal befaßten fordert verstärkte Finanzierung von ten befassen will. Die Broschüren be­ sich Bürgerinitiativen gegen Atomkraft, Forschungen der Konzerne durch den handeln vor allem die Verschuldung energiepolitische Arbeitskreise der Staat und besseres Angebot der Uni­ der Staaten der Dritten Welt, eine ins­ Grünen, Initiativen gegen Umweltver­ versitäten dafür. Er fordert Flexibilisie­ besondere die Frage, ob Verschuldung schmutzung mit den Geschäften eines rung im Produktionsalltag: „Die Uni­ eine „moderne Form der Ausplünde­ der größten Energiekonzeme der BRD, formität der großen ,Massen6 (gleicher rung“ ist. Die Verfasser bemühen sich der in der Rangliste aller Unternehmen Arbeitsbeginn, gleiche Mittagszeit, glei­ um eine verständliche Darstellung der in der BRD Platz Neun einnimmt Die ches Arbeitsende, gleiche Tätigkeit) Verschuldung und der Abhängigkeiten. Arbeitsgruppe hat aus Anlaß der Jah­ wird sich in Richtung einer immer grö­ In ihrer Kritik sind sie jedoch be­ reshauptversammlung 1987 der Rhei­ ßeren Differenzierung verändern.“ schränkt auf den biblischen Ansatz, nisch-Westfälischen Elektrizitätswerke Heimarbeit fordern viele Autoren: daß Zinswucher eine Sünde ist Sie AG (RWE) eine Broschüre veröffent­ „Wir stehen also am Beginn einer Ent­ untersuchen einzig und allein die licht, die zur Kritik der RWE beitragen wicklung, die für viele die Arbeitsstätte Bankgeschäfte und kommen zu dem will. In ihr sind Beiträge zur Bilanz, an den Ort der Wohnung zurückver- Schluß, daß insbesondere multinatio­ der Atomenergiepolitik, zur Umwelt­ nale Banken, d.h. in ihrem Verständnis politik, zu Kohle- und Braunkohlenut­ Banken, die auf dem Weltmarkt tätig zung und zur Politik gegenüber den sind, die Hauptverursacher der Ver­ Kommunen enthalten. Nützlich für schuldung sind. Die Verfasser lenken kommunale Auseinandersetzungen ist direkt von den Verursachern der die Beweisführung gegen die von den Schwierigkeiten ab, wenn sie schlußfol­ RWE verlangte Strompreiserhöhung gern, daß eine der Hauptaufgaben von für Tarifkunden, die das Unternehmen kritischen Gruppen in den Industrie­ 1986 mit gestiegenen Umweltschutzbe­ staaten ist, revolutionäre und reforme­ lastungen, nämlich mit noch einzubau­ rische Bewegungen in den Ländern der enden Rauchgasentschwefelungsanla­ Dritten Welt zu fordern, damit diese gen in Braunkohlekraftwerken, begrün­ sich den Zwängen des Weltmarktes dete. In der Broschüre wird nachgewie­ entziehen können, statt die imperiali­ sen, daß die Kosten für diese Anlagen stischen Staaten direkt anzugreifen. jedenfalls nicht allein Ursache für die ^Banken, Kredite und die „Dritte Strompreiserhöhungen sein konnten, Welt“, Hrsg.: BdKJ Stuttgart, Juli 1986, sondern vor allem die Investitionen 5,- DM - uld) der RWE in das Atomenergiepro­ Wunsch der Jungen Union: Arbeitszeit gramm. Die RWE sind an den Hanau­ gleich Lebenszeit. Willy Brandt: Vereinigung er Atombetrieben NUKEM mit 45% von ganz Europa beteiligt und mit 25% an der Deut­ legt, wenn etwa die modernen Textver­ In Form eines Interviews breitet schen Gesellschaft für Wiederaufarbei­ arbeitungssysteme es einer Schreibkraft Brandt seine Lebensgeschichte aus. Er tung von Kernbrennstoffen mbH, die ermöglichen, Texte zu Hause zu erstel­ bezweckt dabei, politische Konsequen­ die Wiederaufbereitungsanlage in len, die dann im Betrieb ausgedruckt zen für die Zukunft aus der jüngeren Wackersdorf bauen will. werden“, (Laufs). „Der Bildschirmar­ deutschen Geschichte abzuleiten und (Alternativer Geschäftsbericht: RWE, beitsplatz in der eigenen Wohnung festzulegen und auf die Programmde­ Hrsg.: Arbeitskreis Chemische Indu­ eröffnet neue Perspektiven für die batte innerhalb der SPD Einfluß zu strie, Köln, zu beziehen über: Kölner nehmen. Zur “Deutschen Frage“ klopft Familie“, (Weirich). Christina Althen, Volksblatt-Verlag - uld) er Positionen fest, wie sie in letzter wissenschaftliche Mitarbeiterin der JU, Zeit von verschiedenen SPD-Politikern Neues Verhältnis erklärt die Lohnarbeit zum Lebens­ geäußert wurden: Nicht die plumpe von Arbeit und Freizeit zweck: „Es ließe sich leicht beweisen, „Wiedervereinigung von BRD und „Leben mit der Technik“ heißt eine daß viele Menschen ihre Freizeit ver­ DDR stünden auf der Tagesordnung - von der Jungen Union herausgegebe­ schwenden, während ihrer Arbeitszeit sondern: nen Aufsatzsammlung, in der verschie­ jedoch an sozialen Sinnprozessen teil­ „Eine quasi isolierte Lösung deut­ dene Autoren, darunter Paul Laufs (in­ nehmen und so die Geschichte ihrer scher Fragen paßt in kein europäisches nenpolitischer Sprecher der CDU/ Freiheit gestalten ... Gerade die Frei­ Konzept, im Westen nicht und im Os­ CSU-Bundestagsfraktion), Dieter Wei- zeit, die oft nur in Trägheit und Priva­ ten nicht. Aber vielleicht gewinnen ja rich (Medienpolitiker und CDU-MdB), tisieren vertan wird, ist reformbedürf­ die Teile Europas ein neues Verhältnis Christoph Böhr, Hanns Eberhard tig.“ Negative Folgen vermögen die zueinander. Jedenfalls sehe ich im Schleyer, Gerhard Herdegen, Prof. Autoren nicht zu sehen. Und wo Miß­ Westen und im Osten Deutschlands Vollrath Hopp, Hans-Martin Sass, brauch droht, wacht das Grundgesetz. den latenten Wunsch, unabhängiger zu Hubertus Hoffmann u.a. sich äußern sein, wieder das zu sein, was man ge­ Trotzdem sei Technikfeindlichkeit zu gesellschaftlichen Veränderungen schichtlich darstellen kann ... Wenn durch neue Informations- und Kom­ bzw. -Skepsis weit verbreitet. Wie er­ sich daraus etwas entwickelt, was auf munikationstechniken, zur Gentech­ klärt sich das? Es sei hier verraten: Es eine größere europäische Einheit hin­ nologie, versehentlichem Krieg mit liegt am Irrationalen im Menschen. geht, dann könnte es ohne größere atomaren Waffen und vorhandener (Christoph Böhr (Hrsg.): Leben mit Schwierigkeiten für die Nachbarn mög­ Technikfeindlichkeit. „Verweigern wir der Technik; sinus-Verlag, Reihe Mit­ lich sein, die beiden Teile Deutsch­ uns der technischen Entwicklung, wird verantwortung Band 3, 18,80 lands in ein anderes Verhältnis zuein­ die Überflutung des deutschen Markes DM - kek) ander gelangen zu lassen. Dieses ande- Politische Berichte 06/87 Aus Verbänden und Parteien Seite 19 re Verhältnis wird allerdings wohl nicht Friedensbewegung einfach die Form eines Nationalstaates haben ... Für mich ist die Frage, wie zwei deutsche Staaten, die dann in ei­ Was wurde aus der nem vielleicht engeren Verhältnis zu­ Verweigerungskampagne? einander stehen könnten als heute, ihren Platz in einer europäischen Frie­ densordnung finden.“ Im Februar 1984 beschloß die Aktions­ der NATO verweigere ich hiermit jede Mit dieser Auffassung von europäi­ konferenz der Friedensbewegung die Form der Mitwirkung an Kriegsvorbe­ scher „Vereinigung“ kann die Sozialde­ „Kampagne zur umfassenden Verwei­ reitungen. Ich erkläre bereits jetzt, daß mokratie Bündnisse bis in christlich­ gerung aller Kriegsdienste und Kriegs­ ich mich auch im „Ernstfall,, allen Be­ konservative Kreise schließen - vor al­ vorbereitungen“. Diese Verweigerungs­ fehlen widersetze, der meine Einberu­ lem, da Brandt zwar von „zwei deut­ kampagne war ein Zugeständnis an die fung zu militärischen oder zivilen Ein­ schen Staaten“ spricht, aber jeden Hin­ unabhängige Friedensbewegung. Die­ heiten verlangen, die der Vorbereitung weis vermeidet, wie er oder die SPD ser ging die von der Friedensbewegung und Führung von Kriegen dienen.“ sich zu den Forderungen nach Aner­ geplante und ebenfalls auf der Aktions­ Wie auch in der Friedensbewegung kennung der Staatsbürgerschaft der konferenz beschlossene „selbstorgani­ fehlte dem Aufruf eine Kritik und Be­ DDR, Abschaffung der Erfassungsstel­ sierte Volksbefragung“ nicht weit ge­ nennung der imperialistischen und le in Salzgitter etc. verhalten will, und nug. Sie enthielt keine Kritik an den kriegsvorbereitenden Politik der BRD. Brandt sich in derselben Passage gegen Kriegsvorbereitungen der BRD. Der Mit der Selbstverpflichtung sind jedoch Vorwürfe des „Pangermanismus“ aus­ überwiegende Teil des „Koordinations­ spezielle, auf die BRD bezogene Ver­ spricht ausschuß der Friedensbewegung“, weigerungsaktionen und -formen für Interessant ist, daß Brandt festhält, mehrheitlich vertreten durch SPD­ alle Berufs- und Bevölkerungsgruppen die Grünen seien nicht ein Spaltpro­ nahe Organisationen, kirchlichen entwickelt „Es wird aufgerufen zur dukt der SPD, sondern vermutlich in Gruppen und dem DKP-Spektrum, Verweigerung: den konkreten politischen Umständen beschloß diese Volksbefragung, die - des Kriegsdienstes durch Soldaten, eine nicht zu verhindernde Parteibil­ sich gegen die NATO und den War­ Wehrpflichtige und Reservisten dung, über deren Zukunft allerdings schauer Pakt richtete. - aller bestehenden und geplanten noch nicht entschieden sei. Daß die Kriegs- und Kriegshilfsdienste durch Grünen politische Fragen aufgeworfen Vom Koordinationsausschuß wurde Frauen haben, die die SPD nicht aufwerfen die Arbeitsgruppe Verweigerungskam­ - jeglicher Wehrplicht und Reserve­ konnte und - weil sie staatstragend ist pagne eingerichtet Dort arbeitete nur pflicht (Totalverweigerung) - auch nicht wollte, leugnet Brandt ein kleiner Teil der ca. 30 Gruppen - aller Tätigkeiten im Zivilschutz und bekräftigt sein Vorhaben, die SPD und Organisationen mit Ziel der Kam­ - aller ABC-Abwehrausbildungen im auf Kosten der Grünen zu stärken. Die pagne war es zum einen, die bis dahin Katastrophenschutz und Gesundheits­ Gesichtspunkte, die er dafür anführt, schon verschiedensten Verweigerungs­ wesen lassen sowohl ein Bündnis mit Grü­ aufrufe und -aktionen zu koordinieren - der Katastrophenmedizin und Ge­ nen, aber gleichfalls auch ein Bündnis und andererseits „den millionenfachen sundheitssicherstellung für den Atom­ mit konservativ-liberalen Kräften zu. Protest der Bevölkerung ... durch ei­ krieg sowie entsprechender Vorberei­ Über den „Sozialstaat“ fuhrt er z.B. genes Tun, durch die eigene Verwei­ tungen hierauf gerung an dieser Kampagne zu beteili­ - der Mitwirkung an Kriegsgerichten aus: gen“. Es wurde der Aufruf „Verweigert „Ich glaube, die große Mehrheit un­ jetzt“ heausgegeben, mit dem sich die - von Wehrpropaganda und Wehrkun­ seres Volkes ist sich darin einig, daß Unterzeichner verpflichteten, alle de an den Schulen und in den Medien der Sozialstaat bewahrt werden muß. Kriegsvorbereitungen und Kriegsdiens­ - von Rüstungsforschungen und Wehr­ Das werden wir nicht dadurch errei­ te zu verweigern: „Angesichts der Sta­ kunde an den Hochschulen chen, daß wir immer noch ein bißchen tionierung von Pershing II und Cruise - von militärischen und zivilen Über­ mehr an staatlicher Regelung zulegen. Missiles und der Entwicklung neuer wachungsanordnungen Leben heißt vor allem auch, auf eige­ offensiver Militärstrategien innerhalb - von Kriegssteuerzahlungen nen Füßen stehen. Das ist ein Gebot der Menschenwürde ... In dem Maße, in dem wir die Arbeitszeit verkürzen, wird es nicht schaden, die Menschen in wichtigen Bereichen dazu anzuhal­ ten, sie zu ermuntern, zu stützen, daß sie wichtige soziale Aufgaben in die eigene Hand nehmen und nicht alles der staatlichen Gemeinschaft überlas­ sen.“ An die Stelle der Sozialversicherung oder staatlich geregelter Aufgaben und Ansprüche soll die individuelle, fami­ liäre oder nachbarschaftliche Selbsthil­ fe treten. Brandt greift umlaufende Kri­ tik am Bürokratismus und staatlicher Bevormundung auf und wendet sich, wenn auch nicht konkret, gegen die Garantie kollektiver Sicherungen zu­ gunsten von Eigeninitiativen. Chancen­ gleichheit in der Bildung soll laut Brandt eine Voraussetzung dafür sein. (Willy Brandt, „... wir sind nicht zu Helden geboren“, Ein Gespräch über Deutschland mit Birgit Kraatz, Dioge­ nes-Verlag, 9,80 DM - uld) Aktion von Zivildienstpflichtigen gegen die Militarisierung des Ersatzdienstes. Seite 20 Aus Verbänden und Parteien Politische Berichte 06/87

- aller in diesem Rahmen entstehen­ den Ausgaben und Maßnahmen in den kommunalen, Landes- und Bundespar­ Zivilschutz in Baden-Württemberg lamenten. Opposition dagegen Zu den Punkten wurde eine sehr Protokollvermerk wenigstens von ein­ nützliche Broschüre erstellt, die aller­ In der zweiten Februarwoche hat die zelnen SPD-Abgeordneten mit Beifall dings erneuert werden müßte. Es ist Landesregierung Baden-Württemberg unterstützt wurde. Die CDU schäum­ die bisher einzige zusammenfassende mit der absoluten CDU-Mehrheit te: „Üble Volksverhetzung!“ Sowieso Darstellung, der damals bestehenden gegen FDP, SPD und Grüne die fällt auf, daß die Reaktionäre in ihrer Gruppen sowie Aktionshinweise und Novellierung des Landeskatastrophe­ Propaganda großen Wert auf den „zi­ gesetzliche Grundlagen. Schweipunkt schutz-Gesetzes (nach dem geschei­ vilen“ Nutzen der Gesetzesnovelle le­ ist der Bereich der Zivilverteidigung. terten Versuch im Dezember 1986) gen, also eine offene Propaganda für Hier wurde vor allem die kommunale im Alleingang durchgezogen. Etwas Innere-Feind-Bekämpfung, Not­ Kriegsvorbereitung (Zivilschutz, Win- überraschend ist die scheinbare oppo­ stands- und Kriegszweck, zumindest tex Cimex, Bunkerbau, Bildungswesen, sitionelle „Einheitsfront“. Über die derzeit, noch eher scheuen. Gesundheitswesen) angegriffen. Die doch sehr unterschiedlichen Ableh­ Die einschlägige Fachpresse ist hier Unterschriftenaktion wurde im Febr. nungsgründe gibt die Landtagsdebat­ offener: „Katastrophen und Kriege 85 abgebrochen, da bis dahin lediglich te vor der endgültigen Verabschie­ müssen im Zusammenhang gesehen 5000 Leute unterschrieben hatten. dung einigen Aufschluß: werden, die Abgrenzung ist nicht Diese Aktion, sowie der Kongress Gegen die Zwangsverpflichtung leicht ... So können chemische Ka­ „Verweigert jetzt“ und die „Verweige­ der Ärzteschaft zu Katastrophen­ tastrophen ebenso durch technische rungstage im Friedensherbst 84“ wurde schutzübungen ist der Protest von Pannen wie durch Sabotage ausgelöst von einem Großteil der Friedensbewe­ FDP und SPD am heftigsten. Ender- werden. Der Übergang von Katastro­ gung nicht unterstützt, teilweise sogar lein (FDP) fordert, „den Ärzten und phen zu Gewaltakten ist ebenso flie­ boykottiert Es wurde zum einen ange­ ihrem Berufsethos zu vertrauen“ und ßend wie jener vom Katastrophen­ führt, daß diese Selbstverpflichtung „diese ärztliche Ethik hochzuhalten. schutz zum Zivilschutz ...“ (aus: Zi­ gesetzeswidrig ist, andere wollten diese Offensichtlich bangt man in FDP- vilverteidigung III/86) Kampagne nicht politisch unterstützen. Kreisen um Stimmen aus der Ärzte­ Hier muß die Kritik offensichtlich Wichtigster Punkt des Scheiterns war, schaft. Immerhin hatte die „Liste verbessert werden, wie auch der daß die bereits bestehenden Gruppen Demokratischer Ärzte“, die sich ge­ nicht koordiniert werden konnten und gen die Novelle gewandt hatte und es ein Nebeneinander der verschiede­ sie als „Fortsetzung der Notstandsge­ nen Einzelkampagnen gab und auch setzgebung aus den 60er Jahren“ kri­ heute noch gibt. „Es gelang nicht, eine tisiert hatte, bei den jüngsten Ärzte­ Öffentlichkeit für die Einplanung der kammerwahlen in Baden-Württem­ Bevölkerung für den Krieg zu schaf­ berg 20% der Sitze erhalten. Auch die fen.“ CDU will in dieser Richtung gegen­ Die Verweigerungskampagne wurde steuern, denn der von ihr eingebrach­ auf einem Vemetzungstreffen „zu En­ te Änderungsantrag beinhaltet bezüg­ de“ gebracht Die bis dahin Beteiligten lich der Datenerfassung sämtlicher (DFG/VK, SOdZDL, Rüstungssteuer­ Ärzte jetzt eine Kann-, keine Muß- boykott, Ini. Kirche von unten, Gras­ Bestimmung mehr. Das gesamte üb­ wurzelrevolution, Pax Christi, Grüne, rige Pflegepersonal muß aber erfaßt FögA, Frauen f. Frieden) gründeten werden! dann den Koordinationskreis Verwei­ Weite Teile der SPD geben sich bei gerung, den es jedoch auch nicht mehr aller Kritik katastrophenschutzbereit: gibt z.B. forderte ein SPD-Änderungsan­ Quellen: Handbuch der Verweige­ trag, sämtliche Kosten für ehrenamtli­ rungskampagne, Div.Nr. „Ausbruch“, che oder hauptberufliche Hilfsdienste div. Protokolle und Papiere AG Ver­ nicht von Helfern oder Arbeitgebern, weigerungskampagne, PB Nr.26/83, sondern auf jeden Fall vom Land zu 4/84; AKNr.241 - (thb) tragen. Besonders übel waren SPD- Ausfälle der folgenden Art, die sich Kommunaler Zivilschutzbunker direkt gegen die antimilitaristische Kritik der Grünen richteten: Abge­ Nachweis geführt werden muß, daß ordneter Reling, SPD: sowohl mit der Diskussion „Konse­ „Zuerst eine Anmerkung, damit quenzen aus Tschernobyl“ als auch der Kollege Habs-Hoffschrör (Grüne, mit der Datenerfassung mittels Volks­ d. Verf.) nicht immer wieder auf die zählung die Reaktion die Vorausset­ Gefahr der paramilitärischen Verdre­ zungen zur Bekämpfung des inneren hung hinweisen muß: Ich will ein wie äußeren Feindes ständig ausbau­ Vergleichsbeispiel bringen: Herr Kol­ en will. Bezeichnend ist, daß die über lege Habs-Hoffschrör, als Sie in den die Volkszählung zu erfassenden Da­ Landtag nachgerückt sind, ist auch ten weitgehend den Erfassungskriteri­ die latente Gefahr entstanden, daß en im Zivil- und Katastrophenschutz Sie Ministerpräsident werden. Aber entsprechen (z.B. Orts- und Kreisbe­ die Gefahr können wir, glaube ich, schreibung, Objektschutz, Wohnbe­ vergessen. Also vergessen Sie auch reichsbeschreibungen, Evakuierungs­ dieses Ihr Argument.“ planung, Verkehrssicherstellung usw. Die Grünen blieben aber bei ihrem usf.). wiederholt geäußerten Vorwurf, es dokumentiert aus: Landesseite Ba­ handle sich um ein „heimliches den-Württemberg der Lokalberichte Zivildienstleistende - billige Arbeits­ Kriegsvorbereitungsgesetz“, was laut v. 5.3.87 kräfte im öffentlichen Dienst Politische Berichte 06/87 Reportagen und Berichte regional Seite 21

Radi-Redakteu­ re verurteilt Nürnberg. Die drei angeklagten Redak­ teure des Anti-AKW-Magazins Radi- Aktiv wurden am Rosenmontag zu 3600, 3000 und 900 DM Geldstrafe wegen Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole sowie wegen öf­ fentlicher Aufrufe zur Verletzung des Dienstgeheimnisses verurteilt. Von dem Vorwurf der öffentlichen Auffor­ derung zu Sachbeschädigungen und Brandanschlägen auf die am Bau der Wiederaufarbeitungsanlage Wackers­ dorf beteiligten Firmen wurden die Angeklagten freigesprochen. Der Ab­ druck einer Liste der am Bau der WAA beteiligten Firmen ließe zwar den Schluß zu, die Angeklagten Köln. Eine Demonstration zur Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungs­ würden solche Aktionen befürworten, kampf fand auf Initiative von Autonomen und Antiimperialisten am 14.3. in doch sei zu bezweifeln, daß die Köln statt. 300 beteiligten sich, vor allem Autonome und Antiimperialisten, Au­ Angeklagten bewußt zu solchen tonome Flüchtlingsgruppen Rhein/Ruhr sowie FighT bAck, TKPML, BWK. Die Anschlägen aufgerufen hätten. BRD kam kaum unter Beschuß, wohl aber die PLO und Syrien. - (düb) Während der Urteilsverkündung ließ der Richter den Saal räumen, da sich Außerdem soll durch eine Dokumenta­ die ca. 80 Besucher Radi-Aktiv- ÖTV: Volkszähler „frei­ tion der Bundeswahlergebnisse aufge­ Aufkleber auf die Stirn klebten. So­ willig“ verpflichtet zeigt werden, daß die NPD wieder an wohl die Verteidigung, die Freispruch Stuttgart. Die ÖTV-Vertrauensleute des Einfluß gewinnt und dies auch mit der gefordert hatte, wie auch die Staats­ Stuttgarter Jugendamtes führten am Propaganda der Reaktion zusammen­ anwaltschaft, welche Bewährungsstra­ 25.2. eine Veranstaltung zur Volkszäh­ hängt. Es wird das Verbot der NPD fen forderte, wollen gegen das Urteil lung durch, an der ca. 300 Beschäftigte und aller faschistischen Organisationen noch Berufung einlegen. - (dax) teilnahmen. Dort wurde enthüllt, daß nach Art 139 Grundgesetz gefordert die sogenannte „freiwillige“ Zählerge­ (Aus: Antifaschistische Nachrichten Kanzler Kohl bei winnung unter Druck geschieht. So der Volksfront, Nr. 6/87) - (gba) Paneuropa-Union wurden Briefe in die städtischen Kin­ . Gegen die „Europa-Tage“ der dertagesstätten geschickt mit dem Hin­ Aktionseinheit gegen Paneuropa-Union (PEU) Deutschland weis, daß aus diesem Bereich 176 Zäh­ Abschiebungen vom 15.-17.5.1987 bereitet die „Initiati­ ler gestellt werden müßten. Nachdem Karlsruhe. Am 6.3. fand ein zweites ve für ein Antifaschistisches Plenum sich 60 gemeldet hatten, erging die Treffen Karlsruher Antifaschisten ge­ Goslar“ (u.a. WN/BdA, Volksfront, Dienstanweisung an die Tagheimleiter, gen die Abschiebepolitik gegenüber SJD/Die Falken, DKP, SDAJ, Mitglie­ Zähler in ihren Einrichtungen zu be­ Asylbewerbern statt Auch die Vorsit­ der der Grün-Alternativen Wählerge­ nennen bzw. an die Bereichsleiter, für zende der „Grünen Liste“ nahm teil. meinschaft) Gegenaktionen vor. Zu­ eine Benennung zu sorgen. Unter die­ Der „Freundeskreis der Asylbewerber“ nächst sollen Ratssitzung samt Bürger­ sem Druck wurden viele Zähler per schlug die Gründung eines Hüchtlings- fragestunde am 30.3.87 genutzt wer­ Los ermittelt. Die Versammlung verab­ rates vor. In der Diskussion wurden den, um den geplanten Empfang durch schiedete eine Resolution, in der die Differenzen innerhalb des versammel­ den SPD-OB und die Zurverfügung­ Vorgehensweise verurteilt und der ten Spektrums deutlich. Während Ver­ stellung von Räumen für die großdeut­ Amtsleiter aufgefordert wurde, die so treter christlicher Gruppen den Sinn sche Europapropaganda anzugreifen. „gewonnenen“ Zähler nicht der Erhe­ öffentlicher Stände gegen die Auslän­ Die „Europa-Tage“, zu denen die Ver­ bungsstelle zu melden. Bisher wurden derpolitik der Regierung grundsätzlich anstalter 1000 Gäste erwarten und nur die Namen der freiwilligen Zähler in Frage stellten, da zu befürchten sei, Kanzler Kohl als Hauptredner, stehen an die Erhebungsstelle gemeldet, (aus: daß damit Ausländerfeindlichkeit ge­ unter dem Motto: „Ein Deutschland - Antifaschistische Nachrichten 6/87 schürt werde, traten Vertreter des ein Europa“. Unter diesem Motto fin­ - mok) Freundeskreises dafür ein, wöchentli­ det auch einer der beiden Arbeitskreise che Stände zu machen wie etwa die unter Leitung von Filbinger statt. Der Vorbereitungen gegen Friedensgruppen, um die Eüchtlings- zweite hat das Thema: „Vereinigte NPD-Landesparteitag politik dauernd ins Bewußtsein zu he­ Staaten von Europa - organisierte Viel­ Konstanz. Auf Einladung des DGB- ben. Beschlossen wurde die Einrich­ falt“. Für die Großkundgebung im Saal Kreises Konstanz trafen sich am 5.3. tung von zwei Arbeitsgruppen: Eine ist neben Kohl der Präsident der Inter­ Mitglieder von SPD, Friedensliste, AG soll einen Leitfaden für die Eücht- nationalen PEU und Sohn des letzten DKP, ÖTV, WN-BdA, KSP, Friedens­ linge in der ZAST erarbeiten, der sie österreichischen Kaisers, Otto v. Habs­ initiative und Volksfront zu einem Vor­ über ihre Rechte bzw. Hilfsmöglichkei­ burg, als Redner vorgesehen. Ein bereitungstreffen gegen den NPD- ten unterrichten soll. Die zweite AG „Grußwort“ soll der niedersächsische Landesparteitag in Sigmaringen. Mit will Möglichkeiten und Aufgaben eines Ministerpräsident Albrecht halten. Die einem Eugblatt soll zu der Demon­ Eüchtlingsrates erarbeiten. Dazu sol­ aggressiven, großdeutschen Pläne zur stration am 11.4. um 14.30 h in len Erfahrungen aus anderen Städten Neuordnung Europas sollen mit einer Sigmaringen mobilisiert werden. In verarbeitet werden. „Grüne Liste“ und „Zonengrenzfahrt“ samt Bundesgrenz­ dem Fugblatt soll die NPD wegen „Karlsruher Liste“ sagten zu, im Ge­ schutz sowie einem „Feldgottesdienst“ ihrer ausländerfeindlichen Hetze, ih­ meinderat eine Anfrage einzubringen, und einer „Bekenntnisfeier zu Europa“ rem Anspruch auf ein „Deutschland in um über Umfang und Ablauf von Ab­ am „Kreuz des deutschen Ostens“ in den Grenzen von 1937“ und ihrem schiebungen Auskunft zu erhalten, Bad Harzburg unterstrichen werden. Eintreten für die Zerschlagung der (aus: Antifaschistische Nachrichten - (mio) Gewerkschaften angegriffen werden. 6/87) - (rül) Seite 22 Reportagen und Berichte regional Politische Berichte 06/87

Flüchtlinge politik und gegen Rassismus auf, um „die Bedingungen für Verbesserungen Aktionen gegen Runderlaß überhaupt erst zu schaffen“. Anschluß­ aktionen an die „Schubkarrenaktion“ - nehmen zu siehe Foto - sind ebenfalls geplant. In Kiel werden in den nächsten Wochen Aktionen vor den Einzelhandelsge­ Kiel. In der Unterdrückung „seiner“ sie als Mehrheit Entscheidungen für Flüchtlinge ist Schleswig-Holstein Spit­ Barauszahlungen der Sozialhilfe treffen schäften geplant, in denen die Flücht­ ze. Schon 1984 teilt Innenminister könnte, fuhrt sie „Kostengründe“ an. linge einkaufen sollen. Die Fachgruppe Zimmermann mit: 68% aller Flüchtlin­ In Neumünster hält die SPD-Rats­ Einzelhandel der Gewerkschaft Han­ ge seien in diesem Bundesland in La­ mehrheit, nachdem der SPD-Oberbür­ del, Banken und Versicherungen wird gern untergebracht (Bundesdurch­ germeister sich gegen Bargeldauszah­ vom Komitee zur Unterstützung der schnitt: 25,1%). Im Jahr 1986 waren lung ausgesprochen hatte, die Flücht­ Forderungen angesprochen. Es gibt 4292 Flüchtlinge auf Sozialhilfe des linge weiter hin mit vagen Äußerun­ Vorschläge aus einigen Orten für die Landes angewiesen. „Wir müssen dazu gen. In Kiel beschloß die SPD-Mehr­ gemeinsame Organisierung einer lan­ kommen, daß - wo immer es möglich heit eine andere Variante von Ver­ desweiten Demonstration zu einer der ist - den Asylbewerbern Sachleistun­ schlechterungen für die Flüchtlinge: nächsten Landtagssitzungen in Kiel. gen statt Bargeld gewährt werden“. die Bargeldzahlungen wurden einge­ Die landesweite Aktionseinheit, die „Nur über Sammelunterkünfte können stellt; ab 1. April 1987 sollen die sich seit ca. eineinhalb Jahren als „Ini­ wir in den Griff kriegen, daß sie kein Flüchtlinge in „Einzelhandelsgeschäf­ tiativen gegen Ausländerfeindlichkeit“ Bargeld bekommen“, so leitete Mini­ ten in der Nähe ihrer Unterkünfte an trifft, hat zur politischen Unterstützung sterpräsident Barschel (CDU) in der 5-10 Stunden pro Woche“ ohne Bar­ Landeszeitung im letzten Jahr ein, was geld einkaufen. Spießrutenlaufen vor des Kampfes gegen die Verschärfungen dann als Runderlaß des schleswig-hol­ Kunden und Verkäufern, polizeimäßi­ im Asylrecht im Dezember ein Semi­ steinischen Sozialministeriums vom ge Kontrolle ihrer Berechtigung, sich nar durchgeführt, das als Ergebnis die f 20.6.87 („Binnenerlaß“) folgte. Laut für Faschisten zeigen, dies alles heißt direkte bundesdeutsche Verantwortung besagtem Binnenerlaß sind nur noch diese Variante für den Flüchtling. an den Zuständen in Ghana nachge­ wiesen hat. Die Ergebnisse dieses Se­ minars werden als Broschüre erstellt und sollen auf den örtlichen 1. Mai- Demonstrationen und -Kundgebungen die Forderungen der Hüchtlinge unter­ stützen. - (dam)

Elopak/Speyer Gegen Verschlechterungen bei Nachtarbeit

Speyer. Am 1.11.86 trat für die Papier­ verarbeitung die 38,5-Stunden-Woche in Kraft. Bei Eiopak, Hersteller von Milch- und Fruchtsaftverpackungen im Zweischicht-Betrieb (6 Uhr bis 23 Uhr), wurden täglich 18 Minuten Ver- kürzung vereinbart. Damit wollte der Betriebsrat auch Festlegungen für spo­ radisch anfallende Nachtschichten tref­ fen. Das lehnte die Geschäftsleitung ab. Bisher wurde gearbeitet von Sonn­ tagnacht (acht Stunden) bis Freitag­ Sammelunterkünfte mit Versorgung Überall in Schleswig-Holstein finden morgen (pro Tag sieben Stunden) bei durch Gemeinschaftsverpflegung zuläs­ Auseinandersetzungen um die Ver­ täglich zwei mal 15 Minuten Pause sig. Gemeinden, die gegen den Erlaß schärfungen, vor allem gegen Zwangs­ ohne Maschinenstillstand. Bezahlt verstoßen, erhalten ab Januar 1987 die unterbringung und Verpflegung statt. wurden 40 Stunden je Woche ohne Sozialhilfekosten nicht mehr erstattet. In Rendsburg, Kiel, Neumünster - die­ Sonntagszuschläge. Jetzt verlangen die In den letzten Monaten nimmt der se sind uns bekannt - sind Komitees Kapitalisten pro Nachtschicht 36 Minu­ Druck des Sozialministeriums auf Ge­ zur Unterstützung der Hüchtlinge und ten mehr Arbeitszeit, was genau der meinden und Städte zu. Der Kreis ihrer Forderungen gegründet worden. Zeit entspricht, die Früh- und Spät­ Nordfriesland will seine Entscheidung 138 Flüchtlinge haben sich im Kreis schicht zusammen kürzer arbeiten. vom letzten Jahr, keine Zwangslager Rendsburg mit einem offenen Brief für Damit soll ein ununterbrochener Über­ einzurichten, wieder zurücknehmen. die Beibehaltung der Barzahlung an gang von Schicht zu Schicht gewährlei­ Im Kreis Rendsburg-Eckernförde ha­ die Öffentlichkeit gewandt und deut­ stet werden, weil die Nachtschicht „die ben viele Flüchtlinge gerade jetzt Brie­ sche Organisationen aufgefordert, sie Zeit zwischen Spät- und Frühschicht fe erhalten, daß ab dem 1. April 1987 zu unterstützen. In Neumünster for­ auszufüllen hat“. nur noch gemeinschaftlich verpflegt derten auf einer Veranstaltung Flücht­ Der Betriebsrat wollte dem zustim­ werden soll. Die SPD führt schon den linge, unterstützt von den GRÜNEN men, wenn dafür eine Pause von 30 Wahlkampf zu den kommenden Land­ und dem örtlichen Arbeitskreis, alle Minuten ohne Maschinenlauf stattfin­ tagswahlen und ist verbal auch gegen Anwesenden zu einer politischen Kam­ det. Außerdem soll auch für die Nacht­ den Runderlaß. Doch überall dort, wo pagne gegen die bundesdeutsche Asyl­ schicht Arbeitsbeginn am Montag sein. Politische Berichte 06/87 Reportagen und Berichte regional Seite 23

Nach diesen Vorschlägen hätte die täg­ letzungen im Fertigungsbereich um (3% ab 1.4.86 und 3,1% ab 1.4.87) liche Arbeitszeit sieben Stunden sechs 100 Prozent. Überdurchschnittlich ver­ wurden Gespräche über den 13. Mo­ Minuten betragen plus 30 Minuten treten waren dabei Beschäftigte mit natslohn vereinbart Diese Gespräche Pause bei Bezahlung von 38,5 Stunden Zeitverträgen und Schichtarbeiter. im Herbst 1986 verliefen ergebnislos. je Woche. Dabei stützte sich der Be­ Ebenso nahmen die Kopf- und Augen­ Die Kapitalisten kündigten darauf den triebsrat auf den Manteltarifvertrag verletzungen durch Metallspäne und Tarifvertrag zum 31.12.86. In den seit und die Arbeitszeitordnung. Die Ge­ ätzende Eüssigkeiten überproportional Jahresbeginn laufenden Verhandlun­ schäftsleitung lehnte das ab. Sie würde zu. Auch hier ist der Anteil der gen forderte die IG Bau Steine Erden die Erhöhung des 13. Monatslohnes nicht zugestehen, daß bei Eiopak für Schichtarbeiter doppelt so hoch wie ihr auf 100%. Die Baukapitalisten beharr­ die Nachtschicht die 35-Stunden-Wo- BelegschaftanteiL Im Lagerbereich und ten auf ihrer bisherigen Forderung. In che eingefuhrt werde. im Montagedienst verhält es sich ähn­ dem Schlichtungsverfahren nach dem Zwischenzeitlich wurde der Landes­ lich. Betroffen von schwereren Unfäl­ Scheitern der Verhandlungen legte der bezirk der IG Druck eingeschaltet und len sind hauptsächlich in Schicht Ar­ Schlichter Hermann Höcherl am 20.2. der Hauptvorstand informiert. Beiden beitende, Beschäftigte mit Zeitverträ­ ist kein vergleichbarer Fall bekannt, bei gen und Akkordlöhner. dem wegen Arbeitszeitverkürzung Tei­ Von den 44 gemeldeten Wegeunfäl­ le der Beschäftigten Arbeitszeitverlän­ len entfallen 29 auf Schichtarbeiter. gerung haben sollen. Der Anteil der Unfälle, die nach einer Nach über vier Monaten Auseinan­ Nachtschicht passierten, liegt mit 20 dersetzung hält der Betriebsrat, dem es Autounfällen fünfmal höher als der in dieser Zeit nicht gelungen ist, mit Anteil der in Nachtschicht Beschäftig­ den betroffenen Arbeitern guten Kon­ ten an der Gesamtbelegschaft Interes­ takt zu halten, nur noch an der Pause sant ist auch, daß von den Wegeunfäl­ fest, egal ob mit oder ohne Bezahlung. len fast ausschließlich Belegschaftsan­ Trotz grundsätzlicher Unterstützung gehörige mit unteren oder mittleren durch den Landesbezirk ist dieser mit Einkommen betroffen waren. Nicht dem Betriebsrat bereit, Verstöße gegen nur die intensiveren Arbeitsbedingun­ den Manteltarifvertrag, z.B. Nichtbe­ gen spielen hier eine Rolle, sondern zahlung der Zuschläge und Verlänge­ wohl auch die nicht gerade sichersten rung der bisherigen Arbeitszeit, zu dul­ PKWs. Sichere und qualitativ gute den. - (urb) Autos anzuschaffen bzw. sie regelmä­ ßig überprüfen und instandsetzen zu lassen, ist finanziell für sehr viele nicht fuba: Unfälle nehmen zu möglich. Der Betriebsrat will die Arbeit des Flexibilisierung und intensi­ Sicherheits- und Unfallverhütungsaus­ vere Arbeit sind die Ursachen schusses ausdehnen. Er verlangt von einen Schlichtungsspruch vor, der we­ der Geschäftsleitung mehr Zeit für die sentliche Merkmale der Vorstellungen zusätzlichen Aufgaben der nicht-freige­ der Kapitalisten beinhaltete. Danach Bad Salzdetfurth. Der Ausschuß für stellten Mitglieder des Ausschusses. sollte die Einmalzahlung zwar noch Arbeitssicherheit und Unfallverhütung Die Zusammenarbeit mit dem Sicher­ beibehalten werden aber auf gesenk­ des Betriebsrates bei fuba legte auf der heitsbeauftragten der Firma soll ausge­ tem Niveau und mit einem leistungs­ letzten Betriebsversammlung die Stati­ dehnt werden. Der Betriebsrat will Ein­ bezogenem Berechnungsverfahren. stik der Arbeits- und Wegeunfalle von fluß auf die Einweisung neuer Beschäf­ Der 13. Monatlohn sollte ermittelt wer­ 1986 vor. Die gemeldeten Arbeitsunfäl­ tigter durch Meister und andere Vorge­ den in den Monaten Januar bis No­ le stiegen im Vergleich zum Voijahr setzte bekommen. Zukünftig sollen vember durch Multiplikation der gear­ von 67 auf 89, eine Steigerung um fast nicht nur Lötkurse oder andere pro- beiteten Stunden mit dem Faktor 33 Prozent. Die Wegeunfälle erhöhten duktionsfördemde Ausbildungen ange­ 0,049. Hiernach mußten 2076 Stunden sich von 25 auf 44 gemeldete Vor­ setzt werden. - (mal) gearbeitet werden um den bisherigen kommnisse, also um 76 Prozent. 1986 Betrag zu erhalten. 1985 wurde im arbeiteten bei fuba ca. 1300 Beschäftig­ Gewerbe aber nur durchschnittlich te. Die Zahl der befristeten Arbeitsver­ Baugewerbe - 13. Monatslohn 1535 Stunden gearbeitet. Als Aus­ träge bewegte sich um 250 (1985: 50), gleich für die Senkung sollte der Bau­ der Schichtanteil lag bei 32 Prozent Streikbeschluß brachte die zuschlag, um den sich der Tarifstun­ (1985: 25 Prozent). Kapitalisten in Bewegung denlohn zum Gesamttarifstundenlohn Die hohe Euktuation der Beleg­ erhöht, von derzeit 5,4% auf 6,4% er­ schaft, Zeitverträge, Ausdehnung der höht werden. Für die Angestellten war Schicht- und Nachtarbeit, erhöhte Ar­ Am 16.3.87 hat der Beirat der IG Bau eine Senkung des 13. Monatsgehaltes beitsintensität, geringe Erfahrung und Steine Erden auf Vorschlag der Gro­ von 60% auf 53% vorgesehen. Bei den fehlende Ausbildung oder Unterrich­ ßen Tarifkommission einem erneuten Auszubildenden sollte der Betrag von tung der Belegschaft sind nach Ansicht Angebot der Kapitalisten zum 13. bisher 300 DM auf 275 DM gesenkt des Betriebsrates die Hauptursachen Monatslohn zugestimmt. Danach soll, werden. für diese extrem hohe Steigerungsrate rückwirkend vom 1. Januar an, die bis­ Am 24.2.87 beschloß die Große Ta­ bei Unfällen. Er kritisierte die Auffas­ herige Regelung für weitere zwei Jahre rifkommission den Schlichtungsspruch sung der Geschäftsleitung, daß die in Kraft gesetzt werden. abzulehnen und Streikvorbereitungen Explosion der Arbeits- und Wegeunfäl­ Vorangegangen war diesem Ab­ zu treffen. Die Kapitalisten boten dar­ le durch Unaufmerksamkeit, Schlam­ schluß eine mehijähige Auseinander­ aufhin an, die bisherige Berechnung, pigkeit oder fehlendes Sicherheitsbe­ setzung. Bereits in den Lohnverhand­ aber mit nur 85 Stunden zu vereinba­ wußtsein der Beschäftigten zu erklären lungen 1986 verlangten die Kapitalis­ ren. Die Gewerkschaft lehnte ab. Da­ sei. ten anstelle einer Einmalzahlung eine rauf boten die Kapitalisten die Einset­ Bei den Arbeitsunfällen erhöhte sich Umverteilung auf den Tariflohn. In zung der bisherigen Regelung die Anzahl der Finger- und Handver­ dem damaligen Schlichtungsspruch an. - (kaq) Seite 24 Reportagen und Berichte regional Politische Berichte 06/87

Fünf Jahre Frauenhaus Mannheim gene Frauen stehen materiell vor dem Nichts; sie er' ehen der Mißhand­ lungssituation i. I kaum mehr als der Gewalt gegen Frauen Kleidung, die sic und ihre Kinder tra­ keine Randerscheinung gen. Sie verlieren ihr bekanntes sozia­ les Umfeld, die gemeinsame Woh­ nung, den jahrelang erarbeiteten und Mannheim. Die Diskriminierung der per der Frau; unbegrenztes Eigentums­ angeschafften Hausrat. Da die meisten Frau in der Arbeitswelt, innerhalb der recht an ihrer Arbeitskraft; unbegrenz­ von ihnen kleine Kinder aufziehen, familiären Arbeitsteilung und beim tes Eigentumsrecht an ihrem Besitz sind sie vor der Flucht ins Frauenhaus Zugang zu öffentlichen Ämtern ist seit (Erbteil, Geschenke und Lohn aus oft nicht erwerbstätig und ökonomisch langem Thema öffentlicher Diskussion. Erwerbsarbeit). Körperliche Mißhand­ vom Partner abhängig. Nach dem Doch erst Anfang der 70er Jahre rück­ lung war ausdrücklich als Züchtigungs­ Weggang werden sie zu Sozialhilfe­ te die Frauenbewegung einen Bereich recht (sog. munt) des Hausvaters über empfängerinnen, was von vielen Frau­ der Diskriminierung der Frauen ins Frau, Kinder und Gesinde festgelegt en als sozialer Abstieg erfahren wird. öffentliche Bewußtsein, der bislang und ist erst 1900 mit dem ALP abge­ Die Bedrohung endet nicht mit der nahezu verborgen war: die körperliche schafft worden. Trotz formalem Flucht ins Frauenhaus. Viele Ehemän- Gewalt gegen Frauen im Bereich der Gleichberechtigungsgebot des Grund­ ner/Partner akzeptieren die Entschei­ privaten Beziehungen, innerhalb von gesetzes existiert die patriarchalische dung der Frauen nicht; sie versuchen, Ehe und Familie. Gewalt gegen Frau­ Rechtsprechung fort. Wen wundert, die Frauen zu finden, ihre Rückkehr en ist keine Randerscheinung , kein wenn auf diesem Boden die Brutalität zu erzwingen durch Verfolgungs- und individuelles Versagen. 1985 schätzte gegen die Frauen gedeiht? Morddrohungen oder durch Entfüh­ das Bayerische Sozialministerium 4 Es bedurfte einer eigenständigen rung der Kinder. Im Mannheimer Mio. mißhandelte Frauen in der BRD, politischen Bewegung der Frauen, um Frauenhaus müssen Frauen und Kin­ bekannt und statistisch erfaßt werden den bedrohten, mißhandelten und ge- der unzumutbare räumliche Bedingun- z- jedoch nur die wenigsten Fälle. Studi­ demütigten Frauen Zufluchtsmöglich­ gen in Kauf nehmen: Vier Personen leben in Zimmen von 12 bis 15 m2; zwölf Personen benutzen ein Bad. Ei­ ne Stockwerksküche von weniger als 10 m2 muß für 15 Personen reichen, es gibt weder Garten noch Spielhof für die Kinder. All dies sind Gründe für die hohe Rückkehrquote der Frauen (1986: 41%) in ihre alten Verhältnisse. Besonders unerträglich ist die Situation für die mißhandelte ausländische Frau. Oft ist die Aufenthaltsberechtigung an die Ehe gekoppelt; eine Flucht aus der Ehe bedeutet ständige Angst vor Aus­ weisung. (Der Anteil der Ausländerin­ nen betrug 1986 21%). Seit Bestehen muß das Frauenhaus in Selbstverwaltung um seine finanziel­ le Absicherung kämpfen. Eine geplante Kürzung des Zuschusses der Stadt Mannheim 1985 um 10% konnte durch intensive Öffentlichkeitsarbeit Die Karikatur zeigt liebevoll, doch unmißverständlich: Die Kapazität des Frau­ abgewendet werden. Der städtische enhauses reicht nicht aus. Immer noch ist es auch auf Spendengelder angewie­ Zuschuß wurde auf dem Stand von sen, weil die Stadt die vollständige Finanzierung nicht überehmen will. 1983 bei 400000 DM festgeschrieben, was einen 20%igen Stellenabbau des en zeigen: Mißhandelt wird von Män­ keiten und Schutz zu verschaffen. 1971 Mitarbeiterinnenteams zur Folge hatte. nern aller gesellschaftlichen Klassen. wurde das erste Frauenhaus in London Gleichzeitig erhöhte sich die Anzahl Eine Umfrage von 1985 unter mißhan­ eröffnet; 1976 das erste in Westberlin. der neu aufgenommenen Frauen und delten Frauen zeigt: 83% wurden ge­ Inzwischen existieren in der BRD 87 Kinder, wodurch die Beratungsarbeit schlagen, getreten, geboxt, gewürgt. autonome Frauenhäuser, 14 Initiati­ zugenommen hat. Gerade in den er­ 41% geben an, ausschließlich oder zu­ ven, getragen von Frauenvereinen und sten Wochen des Aufenthaltes ist eine 20 bis 30 Frauenhäuser in kirchlicher intensive Betreuung nötig: Unterstüt­ sätzlich seelisch und nervlich „fertig zung der Frauen und der - meist eben­ gemacht“ zu werden. 25% wurden mit oder anderer Trägerschaft. Das Mann­ falls mißhandelten - Kinder bei der Gegenständen geschlagen, verletzt heimer Frauenhaus in Selbstverwal­ Verarbeitung des völligen Verlustes ih­ oder bedroht (meist Morddrohungen). tung besteht seit 1981 und geht eben­ res bisherigen sozialen Umfelds, aber Die gesellschaftliche Brutalität, der falls auf eine Selbsthilfeinitiative zu­ auch der jahrelang erlittenen Demüti­ die Frau auch in der Bundesrepublik rück. Das Haus beherbergt täglich zir­ gungen. Abklärung vieler organisatori­ ausgesetzt ist, begründet sich historisch ka 17 Frauen und 20 Kinder. Die Hälf­ scher und rechtlicher Schritte (Woh­ auf eine patriarchalische und sexisti­ te der Frauen und Kinder bleibt bis nungsfindung, Umschulung, Unter­ sche Rechtsprechung. Noch bis 1900 vier Wochen, immerhin 8% leben län­ halts- und Sorgerechtsregelungen etc.). ordnete das Allgemeine Landrecht der ger als zehn Monate im Frauenhaus. Deshalb fordert das Frauenhaus von Preußischen Staaten (ALP) dem Mann Die Zahl der hilfesuchenden Frauen der Stadt Mannheim einen festen Zu­ als Familienoberhaupt die ihm unter­ wächst: allein von April bis Dezember schuß von 530000 DM. Quellen: In­ worfenen Frauen, Kinder und andere 1986 mußten 86 Frauen mit 121 Kin­ spektion der Herrenkultur, Hrsg. Luise Hausangehörige als seine Rechtsobjek­ dern abgewiesen werden. Frisch, ed. suhrkamp 83; Presseerklä­ te zu, was in bezug auf die Frau hieß: Die Situation im Frauenhaus ist für rung vom 12.3.86: Fünf Jahre Mann­ unbegrenztes Eigentumsrecht am Kör­ Frauen und Kinder schwierig. Geschla­ heimer Frauenhaus. - (and) Politische Berichte 06/87 Reportagen und Berichte regional Seite 25

Kommunalhaushalt dem Senat nicht. Formal verweist Se­ natorin Laurien auf die Rahmenbedin­ Zusammenarbeit der Opposi gungen der Vereinbarung der Kultus­ tion macht Fortschritte minister der Länder über die Anerken­ nung der Abschlüsse an Gesamtschu­ len und fordert ab der siebten Klasse Lüneburg. Am 7.5.87 will die CDU/ zwar noch keine Noten, aber Leis- FDP-Ratsmehrheit in Lüneburg mit tungsdifferenzierungen. In Englisch, dem neuen OB Jens Schreiber („ich Mathematik, Deutsch, Physik und bin ein Mann der Wirtschaft“) an der Chemie soll in jeweils zwei Kursen mit Spitze den Haushalt ’87 verabschieden, unterschiedlichem Leistungsniveau den Stadtkämmerer Müller (SPD) An­ unterrichtet werden. Während der fang des Jahres als Entwurf vorgelegt CDU-Stadtrat Engelmann die Kosten hat Bis dahin soll das Finanzloch von des Modellversuchs anprangert und im über vier Mio. DM im Verwaltungs­ Verein mit der wissenschaftlichen Be­ haushalt durch weitere Streichungen gleiterin des Projekts, Dr. Thomas, kommunaler Leistungen gestopft sein. behauptet, die Leistungen seien auch Gegen diesen Haushaltsentwurf hat nicht besser als an anderen Gesamt­ die kommunale Opposition Schritte schulen, hat die SPD dem unternommen, um gemeinsam dage­ OB Schreiber - Mann der Wirtschaft“ CDU/FDP-Antrag im Schulausschuß gen vorzugehen. Im Januar fand ein des Abgeordnetenhauses mit der win­ Seminar statt, an dem Mitglieder der Erhöhung der Gewerbesteuer!“ digen Begründung zugestimmt, nur so Grünen, der DKP, der Friedensinitia­ Auf Grundlage der Erklärung wird sei der Schulversuch überhaupt noch tive, der GEW und ÖTV, der Initiative zu der Ratssitzung, auf der der Haus­ zu retten. Der AL-Abgeordnete Ärzte und Eltern gegen Atomenergie, halt verabschiedet werden soll, mobili­ Schenk, dessen Partei für die Weiter­ der Initiative „Albatros“ sowie der siert. Bisher gelang es, die beabsichtig­ führung des Schulversuchs stimmte, Volksfront und des BWK teilnahmen. te Teilschließung des Kindergartens und der stellvertretende GEW-Vorsit- Der Haushalt wurde kritisiert. Wesent­ Ochtmissen zu verhindern und einen zende Qinar meinen, die finanziellen liche Punkte waren: die mit 20,3% An­ Stadteltemrat zu gründen. Darüber Aspekte seien nicht das Hauptärgemis teil (bezogen auf Gesamtausgaben) hinaus bringt die Fraktion der Grünen für die Regierungsparteien, sondern die extrem niedrigen Personalausgaben der am 26.3.87 einen Antrag des Bündnis­ erfolgreichen Integrationsbemühungen, Stadt (Landesdurchschnitt 27,4%), die ses im Rat ein, der fordert: die die der Elitebildung und Auslese ent­ zu sehr hohen Belastungen der Be­ ÖTV-Tarifforderung zu unterstützen, gegenstehen. Skandalös ist, daß nicht schäftigten und einem hohen Kranken­ das Beschäftigungsforderungsgesetz nur die Senatorin Einladungen der stand führen; die miserable und dabei nicht anzuwenden und den Plan von Schüler und Eltern zum Gespräch sehr teure Ausstattung mit Kindergar­ Stadtdirektor Schumann (FDP) auf nicht annimmt, sondern auch die Aus­ ten- und insbesondere Kinderkrippen­ Einführung eines Dienstleistungs­ länderbeauftragte John sich uninteres­ plätzen; die auf Grundlage der von der abends zurückzuweisen, weil er neben siert zeigt Tatsächlich passen die von Landesregierung herausgegebenen Ori­ unzumutbaren Belastungen für die Be­ den Lehrern, Eltern und Schülern be­ entierungsdaten sich weiter verschlech­ schäftigten auf Aushebelung des La­ tonten sozialen Erfolge nicht ins Kon­ ternde Ausstattung der Schulen, der denschlußgesetzes zielt - (thr) zept der Schul- und Ausländerpolitik steigende Anteil des (investiven) Ver­ der CDU. Die Behauptung, die Schü­ mögenshaushalts (1982 = 15,5%; 1987 ler der 2. Gesamtschule hätten beson­ = 20,8%) und das Finanzloch im Ver­ Schulsenatorin Laurien dere Schwierigkeiten beim Übergang mögenshaushalt durch teure Gelände­ in die gymnasiale Oberstufe, wiesen käufe (1986: 5,7 Mio. DM), denen jetzt Leistungsdifferenzierung Eltern- und Schülervertreter auf der nach Weiterverkauf“ (ca. 2 DM pro wird erzwungen Kundgebung vor dem Amtssitz der qm) an Matsushita und Konika gerade Senatorin deutlich zurück. Daß der 200000 DM an Einnahmen gegen- Kreuzberger Schulversuch ein Erfolg 7 überstehen. Westberlin. Am 6. März demonstrierten ist, zeigt nicht zuletzt der jährliche In einer bisher von der Ratsfraktion die 480 Schüler der 2.Oberschule Ansturm auf die 2. Oberschule, wenn der Grünen, DKP, Friedensinitiative, Kreuzberg gemeinsam mit Lehrern Volksfront und BWK unterzeichneten und Eltern gegen die Schulsenatorin Erklärung der Seminarteilnehmer heißt Laurien und den Kreuzberger Volksbil­ es: „Wir... lehnen den für 1987 einge­ dungsstadtrat Engelmann, die ihre Eli­ brachten Stadt-Haushalt ab, weil er - tebildungskonzepte an der Modellschu­ wie in den letzten Jahren - eine weite­ le durchsetzen wollen. 1979 wurde die re Beschneidung kommunaler Leistun­ Gesamtschule in Kreuzberg gegründet gen für große Teile der Bevölkerung und der Modellversuch „Integration beinhaltet, statt dringend notwendiger ausländischer Kinder in Gesamtschu­ Personalaufstockung erneut Personal­ len“ begonnen. In Klassen mit Fre­ abbau vorsieht und die Mittel immer quenzen von 20 Schülern wurde in weiter auf direkte Wirtschaftsforderung kleinen Lemgruppen gelernt, die Leh­ umschichtet ... Um demgegenüber rer begleiteten die Klassen über meh­ unsere Ansprüche an kommunale Lei­ rere Jahre hinweg. Der Ausländeranteil stungen und ihre Finanzierung zu for­ beträgt ca. 45%. Statt Erteilung von mulieren, fordern wir: (u.a.) Keine Noten werden alle sechs Wochen Lem- Anwendung des sog. „Beschäftigungs­ entwicklungsberichte erstellt, und am forderungsgesetzes,,! Umwandlung der Ende des Jahres wird in einem Brief an ABM-Stellen in Planstellen! Streichung den Schüler eine detaillierte persönli­ der unteren Lohn-/Gehalts- und Ver­ che Leistungsbeurteilung gegeben. gütungsgruppen! Kein ,Arbeitstraining4 Durch Klassenfahrten in die Türkei im für Sozialhilfeempfänger! Rekommu- neunten Schuljahr wird Ausländer­ Die Schüler demonstrieren gegen Lau- nalisierung der Energieversorgung! feindlichkeit ausgeräumt. Das paßt riens Auslesekonzept. Seite 26 Reportagen und Berichte regional Politische Berichte 06/87

Ausländerbehörde Die CSU-Politik des Kreisverwaltungsreferats macht den Arbeitern ausländischer Nationalität schwer zu schaffen

München. Nach dem Wechsel des dem starken Ausländerstrom in weni­ wollen in der Tendenz Platz schaffen Münchner Kreisverwaltungsreferenten gen Jahren, der vermehrten Familien­ für ihr gut verdienendes Führungsper­ und Bürgermeisters Peter Gauweiler zusammenführung sowie dem länge­ sonal, das den Immobilienmarkt belebt (CSU) in das Bayerische Innenministe­ ren Aufenthalt ergeben, nicht gewach­ und den zahlreichen Einrichtungen für rium schaut die politische Opposition sen. Dies äußert sich verstärkt in Ver­ den Luxuskonsum die nötige finanziel­ gespannt auf die Auseinandersetzung dichtungsräume, also auch in Mün­ le Absicherung verschafft. München ist zwischen den Stadtratsparteien, wer chen und da ganz besonders in den für die besser verdienenden Mittelklas­ wohl in Zukunft das Kreisverwaltungs­ Bereichen, in denen auch die deutsche sen schon teuer genug, jedoch für die referat leiten und wie sich dieser Bevölkerung nicht ausreichend ver­ proletarische Bevölkerung ausgespro­ Wechsel auf die Ausländerpolitik der sorgt wird ... Im Interesse einer sinn­ chen unerschwinglich. Schon eine Stadt München auswirken wird. Der vollen Weiterentwicklung aber gerade kurzzeitige Arbeitslosigkeit bringt eine von der SPD und den Grünen favori­ auch im Interesse sozialer Gleichstel­ finanzielle Krise mit sich. Größere Tei­ sierte Rechtsanwalt Christian Ude lung der hier lebenden Ausländer mit le der proletarischen Bevölkerung sol­ (SPD) - in München auch als Mieter­ der einheimischen Bevölkerung ist des­ len in einen Status versetzt werden, anwalt bekannt - könnte als neuer halb die Dämpfung eines weiteren der heute schon für die Ausländer Kreisverwaltungsreferent dazu beitra­ Zustroms unerläßlich. Dies gilt beson­ durchgesetzt ist: Wanderarbeiter mit gen, daß diese Behörde nicht nur Voll­ zugsorgan der Bayerischen Staatsregie­ rung ist, sondern in verschiedenen kommunalen Aufgaben etwas mehr Widerstandskraft gegen die CSU-Poli- tik entwickelt Vorerst hat die CSU diese für letzten Mittwoch anberaumte Referentenwahl mit einem von der Regierung von Oberbayern unterstützten Rechtsgut­ achten - zur Ausweitung der Kompe­ tenzen des Umweltschutzreferats, wor­ auf sich Grüne und SPD geeinigt hat­ ten - verhindert. Schaut man sich etwas näher diese vom Kreisverwal­ tungsreferat praktizierte Ausländerpoli­ tik an, wird deutlich, daß trotz den Ergebnissen der Kommunalwahl von 1984 die Münchner Ausländerbehörde auf strammem CSU-Kurs operierte und die CSU eher optimistisch ist, die­ se Politik auch in der Zukunft fortzu­ setzen. Die CSU kann sich dabei ins­ besondere auf den Umstand stützen, daß die Landeshauptstadt München beim Vollzug des Ausländerrechts im „übertragenen Wirkungsbereich“ tätig wird und, wie das Kreisverwaltungsre­ ders für Verdichtungsräume wie die unsteter Beschäftigung, durch die Lau­ ferat in einer Stellungnahme zu zahl­ Region München ... Ohne Dämpfung nen der Konjunktur hin und herge­ reichen Beschlüssen des Stadtrates und weiteren Zuzugs ist eine bessere Ver­ schubst und nicht in der Lage den Le­ des Ausländerbeirats behauptet, der sorgung der bereits ansässigen integra­ bensstandard zu verbessern. staatlichen Rechts- und Fachaufsicht tionsfähigen und -willigen ausländi­ Zwei Beispiele seien hier genannt unterworfen sei und auch bei Ermes­ schen Arbeitnehmer nicht möglich ...“ für das Vorgehen der Münchner Aus­ sensentscheidungen die vom Bayeri­ Dieses „Münchner Ausländerpro­ länderbehörde, um diese inhumane schen Staatsministerium des Innern gramm“, das bis zum heutigen Datum Politik zu verdeutlichen und klar zu zum Ausländergesetz erlassen Richt­ keiner Novellierung unterzogen wor­ machen, daß der Angriff der Reaktion linien zu vollziehen habe. Dies wird den ist, gibt auch einen Hinweis dar­ der proletarischen Bevölkerung gilt. auch zukünftig der Rechtsstandpunkt auf, welche Art von Stadtpolitik die in Yilmaz C. lebt seit neun Jahren in der CSU sein, und damit ist auch München dominierenden Rüstungs-, München. Im September 1982 hat er schon klar, daß jede Verbesserung für Elektronik- und Automobilkonzeme geheiratet. Jetzt will er seine Frau die Situation der Arbeiter ausländi­ sich wünschen. Zum Leben soll Mün­ nachholen lassen. Das ist gar nicht so scher Nationalität gegen die CSU chen für die proletarische Bevölkerung leicht. In Bayern muß er dazu folgende durchgesetzt werden muß und man dicht gemacht werden. Das Leben der Voraussetzungen erfüllen: er muß über den Konflikt mit dem deutschen Aus­ proletarischen Bevölkerung kann nur 8 Jahre hier sein; er muß schon drei länderrecht nicht scheuen darf. dann erträglich, angenehm und human Jahre verheiratet sein; er muß eine Das „Münchner Ausländerpro­ genannt werden, wenn die Reproduk­ ausreichend große Wohnung nachwei­ gramm“ vom 6.03.74 ist erklärterma­ tion - z.B. die Wohnung - durch kom­ sen; er muß eine unbefristete Aufent­ ßen auch heute noch die Grundlage munale Dienstleistungen erleichtert haltserlaubnis haben. Die bekommt für das Kreisverwaltungsreferat. Darin wird. Dafür wollen aber die Kapitali­ man, wenn man fünf Jahre in der BRD heißt es u.a.: „Die soziale Infrastruktur sten ihre Gewerbesteuer nicht verwen­ ist. Alles war bei Yilmaz C. entspre­ ist den Anforderungen, die sich aus det wissen. Die Münchner Konzerne chend. Nur die unbefristete Aufent- Politische Berichte 06/87 Reportagen und Berichte regional Seite 27 haltserlaubnis hatte er nicht Grund: gewiesen. Sein Vater (seit 1965 in läufig sei und übrigens würden ja Bür­ Vor drei Jahren bekam der jetzige Me­ München) hatte ihm einmal wegen ger von EG-Ländem, Österreicher, tallfacharbeiter einmal ein Bußgeld für Wohnraummangels eine Wohnadresse Schweizer, deutschverheiratete Auslän­ das Schwänzen der Berufsschule. Die­ „besorgt“, wo er aber gar nicht wohnte. der, US-Amerikaner, Personen mit is­ ses „Verbrechen“ genügte, ihm die Seine Mutter ist in der BRD gemeldet, raelischer, kanadischer, australischer unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu aber oft in der Türkei, um die 92jähri- und neuseeländischer Staatsangehörig­ entziehen. Seine Frau darf nicht zu ge Oma zu pflegen. Beides sind für das keit nicht dieser Überprüfung unterlie­ ihm ziehen. Ausländeramt „schwere Täuschungen“, gen. Bei den wegen „Täuschung“ erlas­ Das Kreisverwaltungsreferat fertigte die zur Ausweisung von Kadir S. führ­ senen 630 aufenthaltsbeendenden Anträge gegen diese geschilderte Praxis ten. Sein Vater, der eine Aufenthalts­ Maßnahmen ist es bisher in 475 Fallen mit der folgenden Argumentation ab: berechtigung hat, wurde nicht belangt zur „freiwilligen“ Ausreise der Betroffe­ Die Landeshauptstadt München dürfe Ein Sozialbetreuer der Arbeiterwohl­ nen gekommen. In 30 Fallen hat die eine Aufenthaltserlaubnis erteilen bzw. fahrt wertet diese Beispiele so, daß das Ausländerbehörde eine Abschiebung verlängern, wenn die Anwesenheit des Ausländerrecht sich umso schlimmer durchgeführt. Ausländers Belange der Bundesrepu­ auswirke, je länger die Betreffenden Diese rigorose Fortführung der blik Deutschland nicht beeinträchtigt (§ bei uns sind. Teile der Familie befin­ CSU-Politik in der Münchner Auslän­ 2 Abs. 1 Ausländergesetz). Das Kreis­ den sich immer in einer Situation, in derpolitik hat die kompetenzlose und verwaltungsreferat entscheide über der sie jederzeit ausgewiesen werden rechtlose Situation des hiesigen Aus­ Anträge auf Aufenthaltserlaubnis unter können. länderbeirats in der Weise verschärft, Beachtung der dargestellten Rechtsla­ Das Kreisverwaltungsreferat kann daß einige Mitglieder des Ausländer­ ge. Da diese Rechtslage mit dem eine Erfolgsstatistik aufweisen und beirats zurückgetreten sind, um die Grundgesetz im Einklag stehe, könne umschreibt dies so, daß die konse­ Aufwertung des Ausländerbeirats mit davon ausgegangen werden, daß die quente Überprüfung der Wohnverhält­ einer Urwahl noch vor den Sommer­ Entscheidung über Aufenthaltsanträge nisse durch die Landeshauptstadt ferien durchzusetzen. „in humaner und sozialer Weise“ ge­ München zwischenzeitlich dazu ge­ Quellenhinweis: Materialien des Stadt­ troffen werde. führt habe, daß die Zahl der Fälle, in rats zur Münchner Ausländerpolitik, Kadir Sarac, seit sechs Jahren in denen der Ausländerbehörde Mietver­ Beschlüsse des Ausländerbeirats, Ak­ München und seit fünf Jahren bei träge mit falschen oder unzureichen­ tionszeitung der DGB-Jugend Mün­ BMW, wurde mit Frau und Kind aus­ den Angaben vorgelegt werden, rück­ chen. - (dil)

Ländem nicht zugestanden. Ausrei­ gegen die in der Bundesrepublik Forderungen zur Münchner chender Wohnraum und die Funk­ Deutschland lebenden Ausländer auf­ Ausländerpolitik tionsfähigkeit der Familie durch grund wirtschaftlicher Probleme Mit der Urwahl des Ausländerbeirates Verwaltungsbeamte nachzuprüfen, — Bei bereits bestehenden ein­ noch vor den Sommerferien verbin­ um daraus die Berechtigung für den schränkenden Vorschriften Schaffung den viele der fortschrittlichen Auslän­ Aufenthalt in der BRD abzuleiten, bzw. Anwendung von Härteregeln derorganisationen die Hoffnung auf hat möglicherweise die Folge, daß — Aufhebung der dreijährigen Ehe­ eine Kompetenzerweiterung und grö­ Familien zerstört und ihre Zusam­ standszeit als Voraussetzung für den ßeren Erfolg bei der Durchsetzung menführung verhindert werden. Dies Familiennachzug erhobener Forderungen. Schon 1982 widerspricht dem Grundgesetzartikel — Vereinfachung und Gleichstellung hat der Ausländerbeirat der Landes­ 6. Die sogenannten „Zügelung des des Verfahrens zur Erlangung der hauptstadt München einen Maßnah­ Familiennachzugs“ richtet sich gegen Aufenthaltsberechtigung menkatalog „zur Verbesserung der die elementarsten Lebensinteressen — Einschränkung der Ausweismög­ Situation und der Probleme ausländi­ ausländischer Familien... lichkeiten nach § 10 AuslG scher Mitbürger“ veröffentlicht. Lei­ — Information für Antragsteller auf der konnten die meisten dieser For­ Maßnahmenkatalog im Bereich des Ausschusses Ausländerrecht; Aufent­ Erteilung des Aufenthalts durch derungen noch nicht gegen die CSU- halts- und Arbeitserlaubnis, Organisa- Sichtvermerk für Familiennachzügler Politik durchgesetzt werden und ste­ tions- und Öffentlichkeitsarbeit und Verbesserung des Rechtsschutzes hen deshalb nach wie vor auf der bei Ablehnungen Tagesordnung - auch des Stadtrates: — Keine restriktiven Maßnahmen — Verstärkte Information der Aus­ länder über die Möglichkeit zur Er­ Ausschuß Gesundheit, Familie und langung der unbefristeten Aufent­ Soziales, Wohnungsfragen haltserlaubnis bzw. Aufenthaltsbe­ Das Hauptproblem im Bereich dieses rechtigung Ausschusses liegt nach wie vor bei — Verhinderung der Diskriminie­ der Wohnraumversorgung der auslän­ rung von Ausländem bei Abschluß dischen Mitbürger. In noch stärkerem und Fortführung für die Kfz-Haft­ Maße als viele deutsche Wohnungs­ pflichtversicherung. . suchende sind Ausländer davon be­ — Konsequente Überwachung von troffen. Einerseits, weil so manche Verleihfirmen zur Verhinderung von Vermieter Ausländer als Mieter ab­ illegaler Arbeitnehmertätigkeit lehnen, andererseits, weil vom Nach­ — Verstärktes Engagement der poli­ weis einer bestimmten Wohnraum­ tischen Parteien gegen die Ausländer­ größe die Erteilung der Aufenthaltser­ feindlichkeit laubnis abhängig gemacht wird. Zu­ — Durch realistische Darstellung der mindest die seit langem in der Bun­ Ausländerproblematik von Seiten al­ desrepublik ansässigen ausländischen ler Institutionen (Gewerkschaften, Mitbürger dürfen in dieser Hinsicht Kirchen, Verbände, u.a.) Abbau der nicht weiter benachteiligt werden. Ausländerablehnung Was für deutsche Familien recht und — Festlegung des Rede- und Stimm­ billig, ja forderungswürdig ist, wird rechts bei Bürgerversammlungen besonders Familien aus Nicht-EG- durch gesetzliche Regelungen. Seite 28 Berichte und Reportagen regional Politische Berichte 06/87

Hannover. 10000 Schüler Gegen Dienst­ demonstrierten am 12.3. in leistungsabend Hannover gegen die in Nie­ Ulm. In einer Presserklä­ dersachsen geplante Reform rung protestierte der DGB der gymnasialen Oberstufe gegen die Pläne der Bonner und der Orientierungsstufe, Koalition, einen geänderten die Einrichtung von D-Zug- Ladenschluß und einen Klassen (Abitur in 12 Jah­ Dienstleistungsabend durch­ ren), die Änderung der Abi­ zusetzen. Der DGB betrach­ tursordnung (Abwertung tet diese Flexibilisierung und musischer Fächer u. der Ge­ Liberalisierung der Arbeits­ meinschaftskunde), die Er­ zeiten als Mittel zur Durch­ schwerung des Gymnasium- löcherung des Ladenschluß, zugangs für Haupt- und gleichzeitig bedeuteten sie Realschüler. Die Demon­ eine Verlängerung der stration wandte sich gegen Dienstzeiten im öffentlichen Elitebildung bei gleichzeiti­ Dienst Deshalb sei eine Öff­ gem Ausschluß der „Lei­ nung von Läden und Äm­ stungsschwachen“. - (rec) tern an einem Wochentag bis 21 Uhr generell abzuleh­ nunft“ mit Fotokopien, Eisen- und Stahl planen die nen. Der DGB kündigte Wahlempfehlungen von VW-Konzern: Ange­ Stahlmonopole den Abbau harten Widerstand dagegen Vorgesetzten, Behinderung stellte mehr Schicht? von 25000 Beschäftigten. an. - (frm) des Zugangs der Kandidaten Wolfsburg. Klaus-Peter Die Kapitalisten wollen den der Liste „Fairness und Mander, stellv. BR-Vorsit- Protest der Belegschaften in BMW: Gekündigte Demokratie“ zum Betrieb. zender bei VW Wolfsburg, Forderungen nach Wirt- C Betriebsräte gewählt Trotzdem wird sie jetzt sagt in einem Interview mit schaftsforderung ummün­ Westberlin. Mit 43% der damit leben müssen, daß der Werkszeitung „Auto­ zen. - (wof) Stimmen bei der Betriebs­ sechs der 15 Betriebsräte gramm“ (2/87), daß VW für ratswahl im Motorradwerk nicht firmeneigen sind. Die etwa 10 Prozent der Ange­ Frauenzukunft am von BMW erzielte die Liste Sechs wollen dafür sorgen, stellten die Ausweitung der am Heimterminal „Fairness und Demokratie“ daß die ausländischen Be­ Arbeitszeit in den Zwei­ Ulm. Bereits zur Mitte der 100 Stimmen mehr, als vor schäftigten, die Akkordarbei­ schichtbetrieb fordere. „Das neunziger Jahre werden 50 drei Jahren ihr Spitzenkan­ ter wieder eine Vertretung gilt für Arbeitsplätze, die mit Prozent der bundesdeut­ didat Peter Vollmer bei Per­ im Betriebsrat haben. BMW hohen Investitionen ausge­ schen Arbeitnehmerinnen sönlichkeitswahl erhalten hat alle Kündigungen zu­ stattet sind, etwa CAD-Ar- ihren Arbeitstag an den hei­ hatte. Die Geschäftsleitung, rückgezogen bis auf die ge­ beitsplätze, Prüfstände usw. mischen vier Wänden an die nun auch ihren dreijähri­ gen den türkischen Vertrau­ Diese ... will man also 16 Terminal und Kochtopf ver­ gen Kündigungskrieg gegen ensmann und Betriebsrat Stunden am Tag nutzen. bringen. Dies ist Ergebnis P. Vollmer, R Knirsch und Sucsuz. Jetzt tauchen faschi­ Den Weg können wir ... so einer Studie des DGB Ba­ H. Köbrich beenden mußte, stische Blätter im Werk auf, nicht mitgehen. Es wird mit den-Württemberg über die unterstützte wieder massiv die Arbeitsplätze nur für uns keine Ausweitung der Zukunftsprobleme der Tele­ die „Mannschaft der Ver- Deutsche fordern. - (chk) Schichtarbeit geben“. heimarbeit. Derzeit gibt es - (gka) 2000 Teleheimarbeiterinnen. Mit einem Stundenlohn zwi­ Stahl: IGM-Aktionen schen 3,52 DM und 11,05 gegen Rationalisierung DM liegt ihr Lohn weit un­ Essen. Zahlreiche Aktionen ter dem Niveau in den Bü­ hat die IG Metall in der letz­ ros. Der Auftrag kommt via “ ten Woche gegen die Ratio­ Bildschirm und zugleich der nalisierungspläne der Stahl­ Abgabetermin, der über kapitalisten durchgeführt. IG Nachtschicht, Feiertags­ Metall-Vorsitzender Stein­ oder Wochenendarbeit ent­ kühler rief am 7.3. vor rund scheidet. - (frr) 1000 Beschäftigten der Hen- richshütte in Hattingen zum Zwangsurlaub „Kampf um jeden Arbeits­ beim Papstbesuch platz“ und zum „Widerstand Speyer. Wegen des Papstbe­ für den Erhalt der Stahl­ suchs am 4. Mai wird in standorte“ auf. Am 10.3. Betrieben Zwangsurlaub demonstrierten rund 1000 angedroht. Die Innenstadt Stahlarbeiter vor dem Land­ wird abgesperrt und man Seit dem 28. Januar streiken 6500 Arbeiter des belgischen tag in Düsseldorf, am 11.3. wird nur mit Benutzerkarte Stahlkonzems Sidmar. Die Kapitalisten hatten für den neu­ rund 800 Hoesch-Arbeiter in vordringen können, so wird en Tarifvertrag lediglich eine Erhöhung der Grundlöhne Bonn. Bis zum 18.3. wollen nicht jeder zur Arbeit kom­ (für die meisten Arbeiter liegen diese bei umgerechnet ca. die Stahlbelegschaften im men können. Bei MBB muß 14 DM pro Stunde) um 5 bfr. (ca. 0,25 DM) pro Stunde in Wechsel „Mahnwachen“ vor vorgearbeitet werden, bei zwei Jahren angeboten, was real eine weitere Lohnsenkung dem Kanzleramt durchfüh­ Eiopak wird für eine Schicht bedeuten würde und den Druck auf die Arbeiter, ständig ren. Am 18.3. sind in Hat­ Urlaub gewährt. Der Einzel­ Kontischicht zu arbeiten, noch mehr erhöhen würde. Zu­ tingen und Oberhausen „Ak­ handelsverband empfiehlt, sätzlich wollen die Kapitalisten noch die Zustimmung der tionstage“ mit großen De­ die Geschäfte geschlossen Gewerkschaften zu ca. 660 Entlassungen. Die streikenden monstrationen geplant. zu halten, was für die Be­ Arbeiter fordern: Lohnerhöhung um mindestens 15 bfr., Nach Aussage des Sprechers schäftigten Zwangsurlaub keine Entlassungen. - (rül) des Kapitalistenverbandes wäre. - (urb) Politische Berichte 06/87 Berichte und Reportagen regional Seite 29

Nationalistische Front tracht kommen folgende Straftatsbestände: - Verbreitung von Propagandamitteln, die nach ihrem In­ Rat fordert Verbot als halt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemals natio­ nalsozialistischen Organisation fortzusetzen (§86, Abs. 1, ^SDAP-Nachfolgeorganisation Ziff.4 StGB) - Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Or­ ganisationen (§86a StGB) Bielefeld. Mit den Stimmen der SPD und gegen heftigste - Volksverhetzung (§130 StGB) Attacken von CDU und FDP beschloß der Rat der Stadt - Verherrlichung von Gewalt und Aufstachelung zum Ras­ Bielefeld am 26.2.87 einen Antrag der Grün/Bunten, gegen senhaß (§131 StGB) die faschistische Nationalistische Front (NF) Verbotsantrag - (vom Rat so beschlossen, CDU und FDP beteiligten sich beim Landesinnenministerium zu stellen. Der Verbotsan­ nicht an der Abstimmung) - trag wird ausdrücklich nicht mit der Berufung auf Art. 21 2. Die Stadt Bielefeld beantragt beim Innenministerium des GG wegen Verfassungsfeindlichkeit gestellt, sondern mit der Landes NRW das Verbot der Nationalistischen Front, da es Begründung, daß es sich bei der NF um eine NSDAP-Nach- sich um eine Nachfolgeorganisation der verbotenen NSDAP folgeorganisation handelt. Die Rechtsgrundlage hierfür ist handelt. (Sollte das Landesinnenministerium sich wegen der Art. 139 GG, der in Verbindung mit den entsprechenden Verbreitung der NF auch über NRW hinaus für nicht zu­ Kontrollratsbestimmungen der Alliierten ein einseitiges Ver­ ständig erklären, wird dieser Antrag an das Bundesinnenmi­ bot gegen Faschistenorganisationen regelt und deshalb von nisterium weitergeleitet) Das Verbot der Organisation Reaktionären aller Couleur als „veraltet“ außer Kraft zu set­ schließt ihre Auflösung und die Beschlagnahme und Einzie­ zen versucht wird. Die Schärfe der Auseinandersetzung um hung ihres Vermögens ein. diesen Antrag hat genau darin ihre Ursache, daß CDU und - (vom Rat so beschlossen, CDU und FDP beteiligten sich FDP bei einem so begründeten Antrag ihre übliche Tour nicht an der Abstimmung) - der Gleichsetzung von Rechts und Links („Wenn Verbot 3. Bis zum Zeitpunkt des Verbotes weist der Stadtrat das gegen rechtsextreme Verfassungsfeinde, dann aber auch Ordnungsamt an, Versammlungen (auch nicht-öffentlicher gegen linksextreme“) vermasselt wurde, sie sich deshalb Natur) der NF im Bielefelder Stadtgebiet nicht zu dulden. auch noch nicht mal diesen dünnen antifaschistischen An­ Dies gilt auch, wenn diese Versammlungen in privaten, der strich geben konnten, sondern offen gegen ein Verbot von Partei selbst gehörenden oder von ihr gemieteten Räumlich­ Faschisten auftreten mußten. Wenn auch deijenige Teil des keiten stattfinden (vgl. §5, Abs.4 VersG bzw. §139 GG und Antrags der Grün/Bunten, der sich auf notwendige kommu­ die entsprechenden Kontrollratsgesetze).“ nale Konsequenzen bezieht, von der SPD nicht mitgetragen - Dieser dritte Teil des Antrags der Grün/Bunten wurde wurde, so ist der Ratsbeschluß doch fortschrittlich, insofern von der SPD nicht mitgetragen. Begründung: Die Rechts­ er das Verbot der NF fordert, weil sie faschistisch ist. grundlage für ein solches Vorgehen sei nicht ausreichend Die Vorgeschichte gesichert. Damit hat sich die SPD letztlich der Konsequen­ zen entzogen, die sich im kommunalen Verantwortungsbe­ Am 879.11.86 wurde bekannt, daß die NF sich in Bielefeld reich der Stadt aus den beschlossenen ersten beiden An­ ein Bundeszentrum zugelegt hat, und zwar in Form eines tragsteilen ergeben. Das erleichtert in keiner Weise ein kon­ Eigenheimes. Als Käufer trat der „Generalsekretär“ der NF, kretes Vorgehen gegen das NF-Zentrum und die darin statt­ Meinolf Schönbom, auf. Die Existenz dieses Zentrums wur­ findenden Faschistenversammlungen. de in Bielefeld erst bekannt, als von dort ausgehend anläß­ Die Reaktion schäumt lich eines „Bundestreffens“ der NF der jüdische Friedhof geschändet (später wurde ein „Einzeltäter“ dafür vorgescho­ Polizeipräsident Schirrmacher (SPD): „Das Haus ist im Be­ ben), eine Juso-Landeskonferenz überfallen wurde und etli­ sitz einer Person, nicht einer Organisation. Im übrigen kann che Fensterscheiben linker und alternativer Läden und Zen­ sich jeder in seiner Wohnung mit dem Hitlergruß vor dem tren zu Bruch gingen. Die Antifa-Koordination Bielefeld Spiegel aufbauen oder eine Hakenkreuzfahne im Wohnzim­ (Ständige Teilnehmer: WN/BdA, Grün/Bunte, Autonome, mer aufhängen. Wir können nichts verbieten, was nicht ver­ Internationales Begegnungszentrum, Volksfront, Unorgani­ boten werden darf.“ sierte) konnte gegen das Faschistenzentrum von Anfang an Ratsmitglied Seidenberg (FDP): „Die FDP sieht die Ge­ < x ein breites Aktionsbündnis herstellen. In den Veröffentli­ fahr von rechts und links für diesen Staat.“ Der Antrag baue chungen der Antifa-Koordination wurde der Zusammen­ einen „rechtsradikalen Popanz auf, um von den Aktivitäten hang zwischen reaktionärer Regierungspolitik (nationalisti­ der Linksextremisten abzulenken“. Unter Hinweis auf die scher und rassistischer „Asylanten“hetze, Kohls KZ-Verglei- am Wochenende zuvor stattgefundene Atommüllkonferenz: che, Aufwertung des Nationalismus) und der dadurch er­ „Sie (die Grünen) holen diese Leute noch nach Bielefeld, folgten Stärkung faschistischer Politik hergestellt, eine Kritik indem Sie militanten Gruppen die Eintrittskarte zur Ab­ der Programme der Faschisten geleistet und die Auflösung handlung ihres Tribunals besorgt haben.“ Der SPD warf er ihrer Organisationen aufgrund Art. 139 GG gefordert. Ge­ vor, daß eine solche Veranstaltungen überhaupt in städti­ gen das NF-Zentrum demonstrierten im November spontan schen Räumen stattfinden durfte. rund 400 Leute, im Dezember 1500, im Januar verteilte die Ratsmitglied Haase (CDU): „Die Union hat keinen Be­ Koordination mehrere tausend Eugblätter gegen faschisti­ darf, sich an einem Wettlauf zu beteiligen, wer denn nun sche Wahlkandidaturen in der Stadt. Im Februar wurde der strammste Antifaschist in diesem Rat ist.“ dann mit Mitgliedern der Grün/Bunten der Ratsantrag ab­ Erklärung der CDU zu der Äußerung einer grünen Rats­ gesprochen, die Volksfront legte dazu ein Rechtsgutachten frau, daß die Grünen „Gewalt, bei den Menschen gefährdet zu den Möglichkeiten der Kommunen, gegen faschistische werden“, ablehnen: „Dies ist eine indirekte Unterstützung Organisationen vorzugehen, vor. Die Koordination gab zu von Gewalt gegen Sachen.“ dem Antrag eine Presseerklärung ab, der Antrag wurde au­ Kommentar der Neuen Westfälischen Zeitung, G. Gerke ßerdem unterstützt u.a. vom Jugendring, dem Vertrauens­ (SPD!): „Demonstrationen vor dem Haus der Neonazis ver­ leutevorstand der ÖTV Uni Bielefeld, dem Flüchtlingsrat lieren an Glaubwürdigkeit, wenn die Teilnehmer anschlie­ und der Friedensinitiative. ßend... die Freilassung des Wirrkopfes fordern, der eben noch daran gehindert werden konnte, die -Filiale in Der Ratsantrag der Grün/Bunten die Luft zu jagen (bezieht sich auf die Festnahme eines Au­ „1. Die Stadt Bielefeld stellt gegen den Eigentümer sowie tonomen wegen angeblicher terroristischer Vereinigung4, die ständigen und zeitweiligen Bewohner des Hauses d.V.)... Wer gegen die eine Bedrohung ist, muß auch gegen Bleichstr. 143 (dem NF-Zentrum, d.V.) in Bielefeld Strafan­ die andere sein. Faschimus gibt es nicht nur von rechts, trag und fordert die Aufnahme von Ermittlungen. In Be­ sondern auch von links.“ Seite 30 Sozialstatistik Politische Berichte 06/87

Steuerreform Wen Stoltenberg beglückt... und wer dafür zahlen soll

Da Genaueres über die Wirkung der Die Kritik, daß die Steuerreform mehr Staatseinnahmen, wegen der pro­ Steuerbeschlüsse in der Regierungspro­ unsolide sei, weil ihre Finanzierung gressiven Wirkung der Lohnsteuer stär­ paganda absichtsvoll fehlt und SPD nicht geklärt wäre, trifft nicht zu. Alle ker wachsend als die Inflationsrate. Die sowie GRÜNEN eher pauschal beur­ Steuerschätzungen gehen von wach­ Regierung erwartet zudem eine weitere teilen, hielten wir es für sinnvoll, aus­ senden Einnahmen bei der Lohnsteuer Beschäftigungszunahme, die - selbst führlich die Steuerbeschlüsse zu doku­ und den Verbrauchsteuem aus. Wenn wenn sie in Teilzeit oder unstet erfolgt mentieren und die schon erkennbaren es zu keiner schweren Wirtschaftskrise - die Lohnsteuereinnahmen ebenfalls Ergebnisse zu berechnen. Auf folgende kommt, sind diese Annahmen auch reichlicher sprudeln läßt Punkte sei besonders hingewiesen: berechtigt. Eine allgemein vorhergese­ Quellenhinweis: Handelsblatt, 4.3.; Es steht ziemlich sicher fest, wer hene ansteigende Inflation sorgt für Süddt. Ztg., 11.3.; - (alk) nicht in den Genuß von Steuersenkun­ gen kommen wird, sondern mehr Steuern zu zahlen hat. Die diskutierte durch den Abbau verschiedener Steu­ Streichung von Freibeträgen sowie der Zur Information ersubventionen“. Die „steuerliche Steuerfreiheit für Nacht-, Schicht- und 1. Was ist vom Kabinett zur Einkom­ Bemessungsgrundlage“ wird derzeit Sonntagszuschläge wird bei vielen Ar­ mensteuerreform beschlossen? z.B. geschmälert durch verschiedene beitern zu höherer Steuerlast führen, a. Tarifänderung 1988 Freibeträge wie z.B. Arbeitnehmer-, und zwar in besonderem Maße bei In den Schaubildern ist in der dritten Weihnachtsfreibetrag, Steuerfreiheit ausländischen Arbeitern, die über­ Spalte der Ertrag der bereits beschlos­ von Nacht- und Sonntagszulagen durchschnittlich oft solche Arbeitsver­ senen Reform im Vergleich zum jetzi­ u.ä., die FDP hat bereits offen deren hältnisse eingehen müssen. Damit gen Tarif dargestellt Zusätzlich zu Streichung verlangt. Auch eine Erhö­ setzt die Regierung fort, was sie bei der dieser Änderung sollen weitere Maß­ hung von Verbrauchsteuern will Stol­ letzten Steuerreform begonnen hat: nahmen kommen, die das Volumen tenberg sich vorbehalten. Als Spendieronkel auftreten auf Kosten von knapp neun Mrd. DM um fünf jener, die sie von jeglicher staatsbürger­ bis sechs Mrd. DM erhöhen. Laut 2. Zur Erläuterung der Schaubilder lichen Teilnahme ausgeschlossen hält Pressemitteilungen soll dazu der Von oben nach unten sind die wich­ Aus der CDU/CSU war zu hören, Grundfreibetrag von derzeit 4536 tigsten Steuerklassen dargestellt, mit bei der letzten Steuerreform habe man DM auf 4752 DM angehoben wer­ Angabe, wieviele Steuerpflichtige den Fehler gemacht, die Reform in den. Die Wirkung: Bei allen Steuer­ 1980 in die jeweilige Klasse fielen. In zwei Etappen in Kraft treten zu lassen pflichtigen unabhängig vom Einkom­ den Spalten sind dargestellt: und dazu ungünstig zu den Wahl­ men vier DM/monatlich, bzw. acht 1. Um wieviel DM sinkt die monatli­ terminen. Deshalb die Reform 1990, DM bei Steuerklasse III. Die Wir­ che Einkommen-(Lohn-)steuer durch vor den nächsten Bundestagswahlen. kung einer angedeuteten „weiteren die Reform 1990 in Abhängigkeit Auch sei der Eindruck von unsozial Abflachung des Einkommensteuerta­ vom Bruttoeinkommen unter der noch zu korrigieren, der entstand, weil rifs“ kann mangels genauerer Anga­ Annahme, daß Arbeitnehmer- und die Reform 1988 ausschließlich ab ben nicht berechnet werden. Weihnachtsfreibetrag sowie die Son­ mittleren Einkommen etwas bringt. b. Tarifreform 1990 derausgabenpauschale gestrichen Die Konsequenz hieraus: Die 1988er Die genaue Ausgestaltung ist noch sind. Die Einkommensskala wurde Reform wird „aufgesattelt“. Daß die nicht bekannt, die Tarifreform soll mit bis zu rd. 125 Tsd. DM Monats­ „soziale Korrektur“ allerdings nur vier aber folgende Punkte enthalten: einkommen recht breit gewählt, das Mark - oder mit Kind auch 8,90 Mark — Erhöhung des Grundfreibetrages entspricht aber dem Einkommen, das - ausmacht, verschweigt die Union von 4536 auf 5616 DM (wie im fol­ die Statistik 1980 als höchstes vor­ schamhaft. genden immer: zu versteuerndes Ein­ kommendes Durchschnittseinkom­ Die Steuerentlastung 1990 ist nach kommen). Entlastung gegenüber men bei immerhin noch 226 Perso­ oben hin unbeschränkt, sie steigt we­ jetzt: 19,80 DM/monatlich bei jedem nen angibt. gen niedrigerem Spitzensteuersatz so­ Steuerpflichtigen bzw. 39,60 DM in 2. Die Steuerquote, d.h. das Verhält­ gar mit dem Einkommen progressiv Steuerklasse III. nis von Steuer zum Bruttolohn, wie an. Zusammen mit der Änderung des — Kinderfreibetrag erhöht von 2484 es in etwa durch die Reform 1990 Tarifverlaufs („linear progressiver Ta­ auf 3024 DM. Je nach Einkommen entstehen wird, im Vergleich zu jetzt. rif4) bewirkt das bei den hohen Ein­ zwischen mindestens 4,90 und höch­ Hier kann auch die Wirkung der In­ kommen eine gegenüber inflationären stens 12,60 DM je Kind und Monat. flation abgelesen werden: Der Ab­ Entwicklungen dauerhafte Senkung Bei Steuerklasse II und IU doppelter stand zwischen zwei Punkten ent­ der Steuerquote. So müßte z.B. in Ertrag. spricht etwa einer Nominallohnerhö­ Steuerklasse I nach der Reform ein — Eingangssteuersatz von 22 auf 19 hung von sieben%. Bruttoeinkommen von etwa 8000 DM Prozent, Beginn der unteren Propor­ 3. Nochmals zur Erinnerung die auf rd. 12000 DM steigen, um mit tionalzone aber bereits ab Steuerminderung, wie sie sich nach demselben Steuersatz belastet zu wer­ 8100/16200 statt 18000/36000 DM. jetziger Rechtslage für 1988 ergeben den wie 1987. Dagegen bedarf es in — Spitzensteuersatz auf 53% ab würde ohne die angekündigten Maß­ den unteren Einkommenszonen nur 120000/240000 statt 56% ab 130000/ nahmen. verhältnismäßig geringer Erhöhungen 260000 DM. 4. Zur genaueren Betrachtung diesel­ des Nominallohnes, um mit demsel­ — Volumen der Reform 44 Mrd. be Rechnung wie in Spalte eins, aber ben oder einem höheren Steuersatz DM, davon 19 Mrd. finanziert durch für einen kleineren Ausschnitt der belastet zu werden. Damit hat die Re­ „Abbau von Subventionen“. Im Vor­ Einkommensskala sowie ergänzt um gierung sich die Möglichkeit der Real­ dergrund der Finanzierung stehe, so die Kurve, wie die Reform 1990 wir­ lohnsenkung durch Inflation eröffnet Stoltenberg, „eine Verbreiterung der ken würde ohne Streichung der be­ bei Schonung der lohnabhängigen Mit­ steuerlichen Bemessungsgrundlage nannten Freibeträge. telklasse. Politische Berichte 06/87 Sozialstatistik Seite 31

Steuerminderung 1990 zu 1988 Steuerquote 1990 Vergleich zu 1987 Steuerminderung 1988 zu 1987 Steuerminderung 1990 zu 1988 1990 mit gestrichenen Freibeträgen I99O mit gestrichenen Freibeträgen nach geltendem Recht mit und ohne Freibeträge (Ausschnitt aus der Einkommenskala) *512 '2048 '8192 '32768 512 '2048 '8192 '32768 '512 '2048 '8192 '32768 '512 '1024 '2048 '4196 4000 DM/Monat Steuer in % des Bruttolohns Steuerklasse I und IV, 0 Kinder .so ...•--“irs DM/Monat DM/Monat (1980: 11,6 Mio. Personen) _3ooo _4° 1987 ..•**...••*1990 _4OO _400

_2OOO -3° _300 _3oo 20 /...••* _200 _2OO 1000 J° JOO _I00

4000 DM/Monat Steuer in % des Bruttolohns Steuerklasse III, 0 Kinder _5° DM/Monat DM/Monat (1980: 3,2 Mio. Personen) _3ooo _40 _4°° _400

_3OO _3oo __2OOO -30 // / _20 /.•••* 200 • _200 _iooo .* JO JOO .* JOO .•**••* ,,,,„-«**** / 4000 DM/Monat Steuer in % des Bruttolohns Steuerklasse III, 1 Kind _5O DM/Monat DM/Monat (1980: 2,6 Mio. Personen) _3ooo _4° _400 _4oo

_3oo 300 _2OOO _3° _20 200 _200 y* 1000 y / jo ..::x” JOO JOO ••••••• ...... *■’ ...’ ,•..... Steuer in % _4ooo DM/Monat •* •••••• *• Steuerklasse V jju oruttoionns... .•------DM/Monat DM/Monat (1980: 2,6 Mio. Personen) _3ooo _40 S / _4oo _400 yy

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JOOO _3° / / _3oo _3oo _2° _200 JOO 1000 / IO JOO y JOO ...... _4000 DM/Monat Steuer in % des Bruttolohns Steuerklasse IV, 1 Kind _50 DM/Monat DM/Monat (1980: 0,6 Mio. Personen) —3000 _4° // _400 JOO

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_4ooo DM/Monat Steuer in % des Bruttolohns Steuerklasse 11,1 Kind _5° DM/Monat DM/Monat (1980:0,4 Mio. Personen) _3ooo _4° ..•**...••• _4oo joo

-30 _3oo JOO _2000 20 _200 JOO ,7 _iooo jo ./’* 100 JOO •••• / '512 '2048 '8192 '32768 '512 '2048 '8192 '32768 '512 '2048 '8192 '32768 '512 '1024 '2048 '4096 Bruttoeinkommen monatlich in DM Bruttoeinkommen monatlich in DM Bruttoeinkommen monatlich in DM Bruttoeinkommen monatlich in DM Seite 32 Aus Kultur und Wissenschaft - Diskussionsbeiträge Politische Berichte 06/87

Kinofilm Schimaniski „Zabou“ rer Schritt nach oben auf der einigen Kapitalisten gespon­ Karriereleiter ist dem Kom­ sert wurde. Sie zahlten Pro­ Die Werbewirtschaft zahlt’s: missar sicher. Bleibt als ein duktionszuschüsse für mit wohl neuer Vorgang auf den Werbeabteilungen abge­ Polizeikommissar ungehemmt dem Filmmarkt noch zu ver­ sprochene Szenen, in denen merken, daß dieses reaktio­ Schminaski deutlich sichtbar näre Propagandamachwerk ihre Produkte lutscht für Polizeiwillkür direkt von - (alk)

Kinofilm „Mosquito Coast“ Parabel vom erfolglosen Auswandererdasein

Die Geschichte des Films explodiert. Um seine Fami­ „Mosquito Coast“, der ge­ lie von der Rückkehr in die genwärtig in zahlreichen USA abzuhalten, erfindet er Kinos läuft, wird vorgestellt die Mär, die USA seien in­ als Familienrührstück: Da zwischen infolge Krieges nimmt eine Familie aus den atomar verseucht. Damit Die Bild-Zeitung spendet Beifall USA - er Maschinenschlos­ zieht er sich die Empörung ser auf einer Farm, sie ganz seiner Kinder zu, und am. Mutter von drei Kindern - Ende wird er von einem re­ Die Produzenten des Schi- bleibt, und was noch wichti­ eines Tages Reißaus. Aus aktionären US-Missionar manski-Kinofilmes, die ger ist, der da für Sauberkeit Furcht vor einem drohen­ umgebracht. Die Familie CSU-nahe Bavaria-Film und sorgt. Das Motiv zur Verbre­ den Krieg ebenso wie aus reist zurück. Daß er auf die­ der Westdeutsche Rundfunk cheijagd scheint edel, weil Ärger über einen angeblich se Weise abrät vom Aus­ (WDR), sind beim bewähr­ nicht aus Interessen der allgemeinen Verfall „ameri­ ten Muster geblieben. Der Ausbeuterordnung stam­ kanischer Werte“ ziehen sie Kriminalbeamte, gewöhnlich mend, sondern aus dem nach Südamerika. Dort lan­ ja keine Identifikationsfigur sogenannten Privaten gezo­ den sie in einem herunterge­ fürs Publikum, kommt in gen. Der Polizist Schimanski kommenen Dorf irgendwo eine Situation, in der er will die junge Frau aus dem in einem Urwald. Der mit plötzlich auf der anderen Rauschgiftsumpf und Bor­ vielen sympathischen Zügen Seite erscheint, nicht als der­ dellmilieu retten, weil er für dargestellte Familienboß (er jenige, der zur Sicherung sie - als er noch mit ihrer haßt zum Beispiel Missiona­ der Rechtsordnung verfolgt, Mutter befreundet war - re) treibt seine Familie und sondern als einer, hinter einst väterliche Gefühle heg­ die anderen Bewohner des dem die „Bullen“ her sind. te. Im gewöhnlichen Leben Dorfes zur Arbeit, und bin­ Schimanski wird diesmal wäre die nun dargestellte nen kurzem entsteht ein mit Haftbefehl gesucht, ab inzestiöse Beziehung ein Dorf, wo es ungefähr so und zu auch gefunden, weil schwerer Fall des Miß­ idyllisch zugeht wie auf ein Barbesitzer mit der brauchs stiefväterlicher einem Gutshof zwischen Dienstwaffe Schimanskis Gewalt, hier aber ergänzt sie Herrschaft und Gesinde. erschossen aufgefunden bloß das Bild eines Helden, Das Projekt scheitert, weil wurde. Der so ähnlich be­ den gesellschaftliche Hemm­ die Dorfbewohner flüchten wandern und von damit ver­ reits im ersten Film ange­ schwellen bei der Verfol­ und kurz darauf auch noch bundenen SiedlerhofTnun- wandte Trick erlaubt, Schi­ gung der als gerecht unter­ eine riesige Gefrieranlage, gen, ist vielleicht das einzig manski mit rücksichtsloser stellten Sache nicht hindern mit der der Maschinen­ Vernünftige an dem mit viel Brutalität vorgehen zu las­ dürfen. Das als Rettungsak­ schlosser im Urwald einen Familienschmus vollgestopf­ sen, so daß im Vergleich tion für gefallenen Engel Eishandel aufziehen will, ten Film. - (rül) sein schlipstragender Kolle­ motivierte Zur-Strecke-Brin- ge als von Legalitätserwä­ gen der Bösen endet melo­ gungen gehemmter Trottel dramatisch - das Mädchen Fernsehdokumentation in WDR III erscheint und man die uni­ ist nämlich das Haupt der formtragende Truppe für Rauschgifthändler, sie lockt Esten in der BRD - lauter Feiglinge halten muß. Schimanski immer wieder in Das in Schlaglichtmanier die Falle, bringt1 s jedoch „Heimat oder Exil?“ skizzierte Umfeld - kaputtes nicht ganz übers Herz usw. Ruhrgebiet, Jugendliche und erschießt sich am Ende ohne Zukunft, Rauschgift­ selbst. Die „private Tragö­ Fühlen sich die Esten in der glieder des Chors (der sich händler mit dem Gehabe die“ läßt den Helden Schi­ BRD noch im Exil? Karel im „Haus des deutschen von Aufsichtsräten eines manski noch einmal so recht Siniveer stellte diese Frage Ostens“ in Düsseldorf trifft) Großkonzems all das als einen erscheinen, dem für den WDR Mitgliedern nach dem politischen Aspekt dient nicht etwa zur Kritik im Leben auch nichts ge­ des Zusammenschlusses der der Zusammenkünfte. Ant­ an gesellschaftlichen Um­ schenkt wird. Aber Recht Esten in Münster. Den wort: Wir wollen ein freies ständen, sondern bloß zur und Ordnung sind auf jeden Autor interessiert offensicht­ Estland in unserer Heimat gefühlsmäßigen Unterma­ Fall hergestellt, in jeder Hin­ lich, ob die Esten in der werden. Der Sprecher: Das lung der reaktionären Ideo­ sicht. Der schlipstragende BRD für eine Politik gegen Lied ist also auch eine Waf­ logie von dem einen Hel­ Kollege haut Schimanski auf die Sowjetunion zu gebrau­ fe. Der Este gibt sich be­ den, der trotz allem sauber die Schulter und ein weite­ chen sind. So fragt er Mit­ deckt: Wir dürfen keine Par- Politische Berichte 06/87 Aus Kultur und Wissenschaft - Diskussionsbeiträge Seite 33

teipolitik machen, wir singen evangelischen Kirche bei der Aids doch unsere Heimatlieder so Erziehung der Jugend in der gern. Offener die Stellung­ estnischen Sowjetrepublik Die Propaganda der Bildzeitung nahme des Vorsitzenden des erheben. Die evangelische Zentralkomitees. „Unsere Kirche kritisiere die zu gro­ und das Regierungsprogramm Informationen kommen alle ße Kompromißbereitschaft auf Schleichwegen“, „wir der Kirche. Die Geschichte verlangen auch eine Selbst­ Estlands wird vom Stand­ Im Frühsommer vorigen Jahres, nach Berichten vor allem bestimmung unserer Hei­ punkt der früheren estni­ aus den USA war schon gewiß, daß die Aids-Erkrankung mat“, die bekanntlich von schen deutschen Ober­ auch in Westeuropa eine sehr große Zahl von Menschen den Russen besetzt sei. schicht dargestellt, die mit erfassen würde, sah und ergriff die Bildzeitung die Möglich­ „Durch die Kirche im Exil den deutschen Faschisten keit, einschneidend auf die öffentliche Meinung zu wirken. hat die Kirche offensichtlich kollaborierte. Die Gründung Die jetzt gefaßte Koalitionsvereinbarung zwischen CDU, auch eine besondere Funk­ der Estischen SSR durch CSU und FDP enthält als größten Etatposten „Aufklärungs­ tion T Ein Pfarrer, der est­ eine demokratische Staats­ maßnahmen“ und als nächstgrößten „Großmodell Gesund­ nisch predigt: Gewiß müßte duma 1940 wird als Ein­ heitsämter“. Das Programm steht unter der Losung: „Aids die Kirche ihre Stimme ge­ marsch der Roten Armee darf nicht uns, wir müssen Aids besiegen, Aids-Offensive gen die Unterdrückung der behandelt. - (düb) der Bundesregierung“. Mit diesem Programm stellt sich die Bundesregierung auf den Standpunkt der Gesunden, die vom Staat vor Infektion zu schützen seien. Bei Ausgreifen Fernsehen der Erkrankung ergibt sich vom diesem Standpunkt aus die Notwendigkeit der Isolierung und als nächster Schritt der Juden, die vor dem Faschismus Vernichtung von Infektionsherden. Wie geht es zu, daß ein solches Programm in der Öffentlichkeit als eher gemäßigt in die USA flüchteten angesehen wird? Dafür sind Fehlurteile verantwortlich, die O von der Bildzeitung besonders unverfroren verbreitet wer­ den, aber auch anderswo anzutreffen sind. Zur „Woche der Brüderlich­ Kirchheimer läßt eine Frau Erstens vermengt die offizielle Hetze systematisch Ursa­ keit“ sendete das ZDF am zu Wort kommen, die er­ che und Ausbreitungsweg der Erkrankung. Plötzlich gilt das 10.3. Manfred Kirchheimers klärt, sie würde sich nie wie­ Sexualverhalten als Ursache. Dabei weiß doch jeder, daß Film „Wir waren so beliebt“. der zur Schlachtbank führen sich die Menschheit schon lange „sexuell verhält“, während Zur Sprache kommen die lassen, sondern eher ihre die Krankheit, zumindest mit dieser Verlaufsform, ge­ Erfahrungen von Juden aus Unterdrücker umbringen. schichtlich nicht bekannt ist Also ist entweder der Erreger Deutschland und Österreich, Kirchheimer, der lange west­ neu entstanden, ein Fall, der vorher noch nicht bekanntge­ die vor dem deutschen Fa­ deutsche Waren in den USA worden ist, oder die Anfälligkeit des Menschen hat sich ge­ schismus ins Ausland flüch­ boykottierte, hat die Hoff­ ändert; eine Ansicht, die in dieser Zeitschrift mehrfach ge­ teten und jetzt im New Yor­ nung, daß die Jugend in der äußert wurde und für die spricht, daß solche Änderungen ker Stadtteil Washington BRD gegen eine ungerechte der Widerstandskraft für Ausbreitung und Verlauf praktisch Heights wohnen. Kirchhei- Staatsmacht kämpft. Diese aller erforschten Massenerkrankungen als wesentliches mer, der mit seinen Eltern Meinung hat er durch zwei Moment nachgewiesen sind. Aber eine Gesellschaft, in der 1936 emigrierte und dort Besuche in der BRD gewon­ Luft, Licht, ausreichende und gesunde Nahrung und Woh­ aufwuchs, führt Gespräche nen. Insgesamt greift der nung Privilegien sind und in der gerade der Mangel an so mit Menschen, die er seit Film die von der herrschen­ schlichten Grundbedürfnissen als ökonomische Peitsche langem kennt, mit Familien­ den Klasse in der BRD er­ benutzt wird, die Leistung hervortreibt, wird alles tun, da­ mitgliedern, Schulfreunden hobene Forderung an, die mit die Todesangst, die von Aids ausgelöst wird, nicht in und Bekannten. Sie setzen Juden müßten zur Versöh­ eine Kritikbewegung umschlägt. sich teils zum erstenmal öf­ nung in dem Sinne bereit Bild näherte sich dem Job durch breite Darstellung von fentlich mit der Frage aus- sein, daß sie die ganze deut­ Infektionswegen, der konkrete Akt der Infektion erscheint einander, warum die Juden sche Geschichte einschließ­ im Einzelnen vermeidbar und der Unsinn, das Gattungsver­ selber nicht mehr Wider­ lich der Herrschaft des Fa­ halten des Menschen könne vom Einzelnen ganz nach Be­ stand leisteten und welche schismus als ihre deutsche lieben gestaltet werden, erscheint als einleuchtend. Dabei Konsequenzen sie daraus Vergangenheit hinnehmen sind die ersten massenhaften Opfer männliche und weibli­ ziehen. Eine Frau sagt, daß und so Opfer bleiben. che Prostituierte gewesen, Menschen, die in ihrem Sexual­ sie zwar heute frühere - (anl) verhalten sehr unfrei, einer durch Kauf nur schwach ver­ Freunde, die ihr nicht auf hüllten, dauernden Vergewaltigung unterliegen. Könnten sie der Straße ausgewichen ihr Sexualverhalten auf einen guten Rat hin ändern, schon sind, besuchen kann, kriti­ lange hätten sie es getan. Sie sind in ihre Lage durch gesell­ siert aber, daß andere ein­ schaftliche Zwänge geraten und werden durch Zwänge in fach leugnen, daß sie damals ihr festgehalten. An diesem Beispiel sieht man schon, wie die Faschisten unterstützt das Problem gelagert ist Ziel des Schwindels war auch nicht haben. Selbstkritisch be­ die Änderung des Sexualverhaltens, sondern die Idee von merkt sie: „Wir haben die Aids als einer selbstverschuldeten Erkrankung. Aids kriegt Sozialistische Partei (ZDF- man nicht, Aids holt man sich ... Übersetzung) nicht unter­ Aids holt man sich? - Aids kriegt man gebracht, das ist stützt, sondern die Kapitali­ ganz logisch das nächste, und der aufmerksame Bildzei­ sten und Hitler.“ Ein tungsleser konnte den Sommer über verfolgen, wie das Blatt Freund erklärt, daß er die versuchte, Racheaktionen von Infizierten auszulösen. Dies Politik der US-Regierung gelang nicht, und es ist den unglücklichen Erkrankten zu nicht teile und Befehlsstruk­ danken, daß sie sich zu solchen Reaktionen nicht hetzen lie­ turen, die blinden Gehor­ ßen und ihre Menschenwürde behaupteten. Geblieben ist in sam verlangen, ablehne. Er der öffentlichen Meinung jedoch ein Schutzbedürfnis der hat Deserteure, die nicht im noch Gesunden vor Infektion. Denn so löst sich der Gegen­ Vietnamkrieg verheizt wer­ satz von Doktrin, die sagt, Sexualverhalten sei frei und än­ den wollten, unterstützt. derbar, und praktischem Wissen, daß dies nicht geschehen Seite 34 Aus Kultur und Wissenschaft - Diskussionsbeiträge Politische Berichte 06/87 wird, ja zwanglos auf: die Erkrankten isolieren und die Ge­ daß die KG (NHT), wenn sie erst einmal die Politik der sunden vor Ansteckung schützen. Die CDU-, CSU- und BRD analysiert habe, bei einem der nächsten Schritte auch FDP-Programme zielen nicht auf eine Änderung der Sitten, untersuchen wolle, wie diese in den konkreten Klassen­ sondern formulieren den Anspruch betuchter Herren auf kämpfen wurzelt. Wie die KG (NHT) begründen will, daß gesunde Huren. Ja, hier ist der Staat gefordert, hier kann man die imperialistische Politik bzw. Strategie „rein“, d.h. der Bürger mitwirken, so läßt sich Aids besiegen! Das Aus- unter Absehung von den Klassenwidersprüchen und Klas­ sonderungs- und Isolierungsprogramm der Regierung be­ ruht auf der Zerstörung der Solidarität, die in Sachen Aids senkämpfen in der BRD wie im Weltmaßstab, erkennen bereits erfolgt ist. Die Idee der Selbstverschuldung, der Ver­ und erklären könne, verrät sie nicht. Tatsächlich versucht meidbarkeit der Infektion usw. hat sich fest an die Stelle des sie im wesentlichen, die Politik der Imperialisten danach zu Anspruches auf Pflege und Heilung gesetzt Die Solidarver- beurteilen, wie sie sich darstellt - wenn also westdeutsche antwortung der Gesellschaft fällt und damit verschließt sich Regierungen sagen, sie wollten den Frieden, behauptet die der Zugang zum Problem. Eine Gesundheitsversorgung, die KG (NHT), die Bourgeoisie sei nicht auf Kriegskurs; wenn nicht fragen darf: wieso diese Krankheit jetzt? und die ange­ EG-Vertreter behaupten, die EG wolle die Länder der Drit­ sichts der Kranken nicht fragt, wie sie gesunden können, ten Welt fördern, dann glaubt die KG (NHT) das ... Ob sie wird bei der unmenschlichen und unwirksamen Isolierungs­ auf diese Weise jemals zu den „Wurzeln“ vorstößt? - (scc) forderung verharren. Aids, so viel kann und sollte ruhig auch jeder Laie sagen, ist ein Produkt dieser Gesellschaft, Der Artikel der Gen. ehe, huh, scc erscheint mir insgesamt die Seuchen produziert, weil sie den Menschen verachtet sehr begrüßenswert, weil er konkret auf die Positionen der und ihm das nötige nicht gönnt. - (maf) KG (NHT) eingeht und die Frage des wissenschaftlichen Herangehens an revolutionäre Theoriebildung aufwirft Er KG (NHT) enthält jedoch ein paar falsche bzw. mißverständliche Wie­ dergaben von KG (NHT)-Positionen, um deren Richtigstel­ lung es mir in dieser Antwort geht; zum anderen enthält Betrifft: „Die Rolle der BRD im mein Text eine kurze Entgegnung zur Kritik der Autoren ^ internationalen Klassenkampf11 am Theorieverständnis der KG (NHT). v I. Richtigstellungen Die „Politischen Berichte“ hatten in der Ausgabe 25/86 ge­ 1) In dem Artikel wird behauptet, die Positionen der KG gen Positionen der KG (NHT) betreffend die Außenpolitik (NHT) auf dem Kongreß der revolutionären Sozialisten der BRD polemisiert („Die Rolle der BRD im internationa­ (Nov. ’86) ließen nur den Schluß zu, „daß ihre Verfechter len Klassenkampf - Eine Auseinandersetzung mit Positio­ die Losungen (BRD aus der NATO; DDR-Anerkennung; nen der KG (NHT)“). Anlaß für die Polemik war der Kon­ Nein zu SDI und EUREKA etc.) ... schlichtweg für falsch greß der revolutionären Sozialisten zu den Bundestagswah­ halten“. Dies ist unzutreffend: Die Vertreter der KG (NHT) len, der schwerwiegende Differenzen in der Beurteilung der fanden die besagten Losungen nicht falsch. Im Gegenteil ver­ imperialistischen Politik der BRD zutage gefordert hatte. traten wir die Ansicht, daß solche demokratischen Forde­ Die KG (NHT) schickte uns jetzt einen Leserbrief, den wir rungen (wie sie auch die GRÜNEN vertreten) unterstützt abdrucken, nicht nur deshalb, weil die KG (NHT) in dem werden müßten. Wir waren allerdings der Meinung, daß ein Artikel direkt angesprochen war, sondern weil die Antwort Kongreß revolutionärer Linker gerade die Funktion haben zumindest in einem Punkt Bewegung in den Positionen er­ müsse, die darüber hinausgehenden inhaltlichen Differenzen kennen läßt. herauszuarbeiten, um einer gemeinsamen Programmdebatte Auf dem Kongreß hatten die KG (NHT)-Vertreter in der näherzukommen, und daß insoweit die Verabschiedung ei­ Arbeitsgruppe „Außenpolitik der BRD“ den Vorschlag abge­ nes „Sammelsuriums“ von Parolen kleinsten Nenners uns lehnt, im Bundestagswahlkampf eine gemeinsame Propa­ in unseren spezifischen Aufgaben keinen Deut weiter ganda gegen die imperialistische Politik der BRD unter Lo­ bringt. sungen wie „BRD raus aus der NATO“ oder „Für die unein­ Die KG (NHT) sind daher in keiner Weise „Gegner einer _ geschränkte völkerrechtliche Anerkennung der DDR und gemeinsamen Politik gegen den Imperialismus“ (!!), son aller Nachkriegsgrenzen in Europa“ zu entfalten. Die „Poli­ dern haben nur andere Vorstellungen, wie eine dazu erfor­ tischen Berichte“ hatten u.a. dies angegriffen. In seiner Ant­ derliche revolutionäre Partei aufzubauen sei. wort darauf vertritt Klaus Lehmann für die KG (NHT), 2) Die Gen. schreiben (bezugnehmend auf meinen Auf­ „daß solche demokratischen Forderungen ... unterstützt satz „Die Achse BRD - Frankreich ...“, AzD 35): „Man werden müßten“. Zwar bleibt er die Erklärung schuldig, kann diese Ausführungen nur dahingehend verstehen, daß warum die KG (NHT) diese Forderungen bisher nicht un­ die KG (NHT) jenen innerimperialistischen Gegensatz terstützt hat und warum sie sie im Bundestagswahlkampf (USA-Westeuropa - KL.) innerhalb der NATO für absolut nicht unterstützen zu können gemeint hatte - niemand hät­ hält ...“ (S. 38) Dies ist überinterpretiert; in dem betref­ te sie ja daran gehindert, „darüber hinausgehende“ Positio­ fenden Aufsatz steht - was die Gen. auch vorher selbst nen zu propagieren. Doch wichtig und ein Fortschritt ist, wörtlich zitieren - „... gleichzeitig läßt sich der innerimpe­ daß die KG (NHT) die Forderungen nunmehr für unterstüt­ rialistische Gegensatz erkennen ...“ (Hervorhebung KL.) zenswert erklärt hat, und wir sind gespannt darauf, welche Es ging mir darum, deutliche Entwicklungstendenzen aufzu­ theoretischen und praktischen Anstrengungen zur Unter­ zeigen und nicht vorschnell zu behaupten, welcher Wider­ stützung sie zukünftig unternehmen will. spruch der hauptsächliche sei! Der zweite Teil des Leserbriefes geht auf die Kritik an der 3) Geklärt werden muß weiterhin das Mißverständnis in einseitigen Theoriebildung der KG (NHT) ein. Die „Politi­ der Frage der Haltung der BRD zur friedlichen Koexistenz. schen Berichte“ hatten kritisiert: „Der methodische Fehler Der Darstellungsgang der BWK-Gen. verläuft so: a) Die der KG (NHT) besteht darin, daß sie nicht erkennt, daß die friedliche Koexistenz ist „eine Politik der internationalen Geschichte aller Gesellschaft die Geschichte von Klassen­ Einheitsfront gegen imperialistische Expansion und Kriegs­ kämpfen ist. So begreift sie nicht, daß die Politik der BRD vorbereitung ..., die davon ausgeht, daß die imperialisti­ auch und ganz wesentlich bedingt ist durch den Kampf der schen Staaten durch den Kampf der arbeitenden und unter­ Klassen in der BRD und ihr Kräfteverhältnis.“ Der Autor drückten Klassen zur Anerkennung der Forderungen der des Leserbriefs bestätigt die Kritik. Treuherzig versichert er, friedlichen Koexistenz gezwungen werden müssen“; (S. 36) Politische Berichte 06/87 Aus Kultur und Wissenschaft - Diskussionsbeiträge Seite 35

b) die KG (NHT) setzen die friedliche Koexistenz quasi gleich mit Entspannungspolitik; c) die KG (NHT) erklären diese Politik sogar zum Wesen des westdeutschen Imperia­ lismus. Zu a) habe ich keinen grundsätzlichen Widerspruch, wohl aber zu den anderen beiden, zusammenhängenden Punk­ ten. Die KG (NHT) erklären die friedliche Koexistenz kei­ neswegs zum Wesen irgendeines Imperialismus! Es existiert keine allgemein verbindliche Meinung der KG (NHT)- Der reale Stand der Diskussion ist folgender: Ein einzelner Au­ tor - K. Lehmann - hat die derzeitige Entspannungspolitik der westdeutschen Bourgeoisie mit der friedlichen Koexi­ stenz in Verbindung gebracht Dies wird auch von den BWK-Gen. selbst zitiert: „Es hat sich als ganz richtig erwie­ sen, daß Teile der imperialistischen Bourgeoisien für die friedliche Koexistenz sind ...“ (Hervorhebung KL., nach AzD 38, S. 79). Wie ist diese These zu verstehen? Die Entspannungspolitik ist eine bestimmte Variante im­ perialistischer Expansionsstrategie, die eine Ausdehnung westdeutschen Einflusses mit nichtmilitärischen (ök., dipl.) Mitteln zum Ziel hat; dies ist bis dahin auch Position meh­ rerer KG-Autoren/-innen. K Lehmann sagt darüber hinaus Militärische Aggressionen von EG-Ländem seien die Aus­ Gin seinen eigenen Ausführungen, daß es den jetzigen histo­ nahme, schreibt die KG (NHT). rischen Interessen des westdeutschen Kapitalismus ent­ spricht, sich im Rahmen der Entspannungspolitik auf die schied zwischen Ausnahme und Regel. Niemand behauptet, Einhaltung grundsätzlicher Forderungen der friedlichen daß derzeit keiner der EG-Staaten jemals zu militärischen Koexistenz einzulassen. D.h. ein imperialistischer Staat kann Einsätzen greifen würde: Es wird lediglich gesagt, daß die es u. Umst für klug befinden, während einer strategischen Hauptlinie westeuropäischer kapitalistischer Außenpolitik Phase die Prinzipien friedlicher Koexistenz gegenüber soziali- gegenwärtig nicht auf Unterwerfung, sondern auf Durchdrin­ stischen/anti-imperialistischen Kräften im Sinne eines Burg­ gung ohne außerökonomischen Zwang angelegt ist - Daß friedens zu respektieren. Dies macht die friedliche Koexistenz diese beiden Arten imperialistischer Politik auch ergänzend sicherlich nicht zu seinem Wesen! verlaufen oder ineinander umschlagen können, ist für Mar­ II. Zur Frage der revolutionären xisten unstrittig; dies darf aber nicht dazu berechtigen, sie Theoriebildung (BWK-Artikel S. 39) ständig in einen Topf zu werfen und dadurch die jetzt beste­ henden Verhältnisse zu verwischen. Der erste Vorwurf an die KG-Autoren ist der, Tatsachen in 2) Die Frage, warum die Bundeswehr Tropenanzüge und eine „fertige Theorie“ zu pressen. Dazu sei nur kurz erwi­ winterfeste Unterhosen anschafft oder warum sie defensive dert: Die KG (NHT) gehen gerade nicht davon aus, eine wie offensive Übungen (ABL) durchführt, ist keineswegs fertige Theorie zu besitzen, sondern halten deren Erarbei­ lächerlich. Diese Fakten zeigen das Bestreben der westdeut­ tung Jur die zentrale Aufgabe der revolutionären Sozialisten! schen Bourgeoisie, ihre Armee kontinuierlich auf alle Arten Hierzu gehört auch eine Analyse des Standes der nationalen moderner Kriegführung vorzubereiten (eine Erscheinung, und internationalen Klassenkämpfe; soweit ist den Gen. völ­ die man jedoch auch in den Staaten des Warschauer Paktes lig zuzustimmen. Nach Aussage des BWK begreifen die KG antrifft); sie sagen aber nichts daüber, welche Strategie den (NHT) - der zweite Vorwurf - nicht die Klassenkämpfe als Interessen der Bourgeoisie am besten entspricht. Würden Motor der Geschichte. Diese These wird dadurch unterstri­ wir stets von den militärischen Möglichkeiten und Potentialen chen, daß die KG die BRD-Strategie losgelöst von den inne­ direkt auf Kriegsabsicht schließen, wäre jegliche differenzier­ ren und äußeren Widersprüchen betrachten würden. te Analyse unmöglich. In der Realität liegen die Dinge be­ Antwort: Der Versuch von KG-Autoren, die gegenwärti­ deutend komplizierter, als es oftmals in den Texten der gen Strategien der kapitalistischen Staaten zu erkennen und BWK-Genossen erscheint: Es geht um die außenpolitische in ihrem Beziehungsgeflecht darzustellen, ist ein erster wich­ Strategie, die in erster Linie konzentrierter Ausdruck der tiger Schritt in Richtung Imperialismusanalyse. Wie diese (z.T. recht unterschiedlichen) nationalen Kapitalinteressen Strategien in den konkreten Klassenkämpfen bzw. ökonomi­ ist, die diese Kapitalfraktionen auch langfristig einbinden schen Beziehungen wurzeln und wiederum auf diese zu­ muß; diese Gesamtstrategie entscheidet darüber, wie, wann, rückwirken, gehört zu den nächsten Schritten/Untersu- in welchem Ausmaß bzw. ob überhaupt der Einsatz der ver­ chungsfeldern. fügbaren militärischen Potentiale für die gegenwärtigen hi­ Der methodische Fehler liegt m.E. bei den BWK-Gen.: storischen Interessen der herrschenden Klasse opportun ist. Sie versuchen nicht, die Strategien der imperialistischen Die Liste der Beispiele soll hier nicht verlängert werden; Mächte in ihren Besonderheiten zu analysieren, sondern ver­ auf den Punkt gebracht geht es darum: Hinter den Thesen suchen aufgrund zahlreicher Einzelfakten (die man sehr ver­ der BWK-Gen. sehe ich eine „fertige“ Auffassung, nämlich: schieden interpretieren kann, wie die Debatten um Faschi­ Ziel aller Politik kapitalistischer Länder ist letztendlich, den sierung, Ostpolitik, Libyen etc. gezeigt haben), den gemein­ Teil der Erde wiederzuerobern, in dem heute der „Sozialis­ samen militärischen Dauerappetit aller kapitalistischen Staa­ mus“ herrscht. Diese Position scheint mir verkürzt; sie er­ ten nachzuweisen. Hierbei scheint mir allerdings tatsächlich faßt nicht ausreichend die Ambitionen und Möglichkeiten etwas wie eine „fertige Theorie“ zu bestehen, die den dialek­ des Kapitals. Zunächst kann in diesem Zusammenhang auf tischen Zugang zur Realität versperrt. - Zur Verdeutlichung den florierenden Handel mit der 3. Welt wie auch mit den meiner These zwei Beispiele: realnichtsozialistischen Staaten hingewiesen werden; zur tie­ 1) Über der Feststellung, daß England und Frankreich fergehenden Klärung dieser Fragen ist m.E. allerdings eine militärische Aggressionen in Ländern der 3. Welt unternah­ politökonomische Diskussion der Bewegungsgesetze des men (Malwinen, Tschad), übersehen die Gen. den Unter- Kapitals erforderlich. - (Klaus Lehmann, KG (NHT) Seite 36 Spezialberichte Politische Berichte 06/87

Südafrika/Azania: Interview mit Vertretern von CUSA/AZACTU „Wir sind beauftragt zu sagen, daß wir die Apartheid beseitigen wollen, was es auch kosten mag“

Im Oktober 1986 schlossen sich die beiden südafrikanischen Gewerkschaften und der Solidaritätsbewegung zu vertiefen. Gewerkschaftsbünde CUSA und AZACTU zu einer Födera­ Eine ebenfalls geplante Einreise in die BRD und nach Itali­ tion zusammen. Anfang März besuchten zwei Vertreter von en hatte ihnen das rassistische Regime durch eine Beschrän­ CUSA/AZACTU, Generalsekretär Piroshaw Camay und kung ihrer Pässe bei der Ausreise verwehrt. Das folgende sein zweiter Stellvertreter Mahlomola Skhosana Großbritan­ Interview mit P. Camay und M. Skhosana wurde von der nien, Belgien und die Niederlande, um die Kontakte zu den Redaktion gekürzt - (rül)

„Führung durch die akzeptiert, daß weiße Arbeiter und arbeiter aufzubauen, die die am mei­ schwarzen Arbeiter“ Mitglieder der sogenannten „weißen sten ausgebeuteten Arbeiter sind. Wir Gemeinschaft“ sich an unserem Kampf bauten diese Gewerkschaft von den Politische Berichte: Welche Ziele ver­ vielleicht beteiligen wollen. Unsere ersten Anfängen auf, und der Erfolg folgt CUSA/AZACTU, wie viele Mit­ Haltung solchen Leuten gegenüber ist dieser Gewerkschaft heute ist ein Er­ glieder hat euer Gewerkschaftsbund? ganz klar: Sie sollen der Gewerkschaft gebnis der Saat, die wir 1982 säten. P. Camay: Um deine zweite Frage zu­ an der Basis beitreten, sie sollen Teil Wir haben wesentliche Fortschritte erst zu beantworten: Wir haben des Proletariats werden, sich an seinem beim Aufbau einer Gewerkschaft der 250000 zahlende Mitglieder und Kampf beteiligen und sich mit unse­ Landarbeiter gemacht Im wesentli­ 420000 eingetragene Mitglieder. Das rem Kampf identifizieren. chen haben wir dies erreicht durch sind Mitglieder, fiir die wir noch keine Der dritte Grundsatz, auf den wir eine Organisierung von Arbeitern in Tarifverträge abschließen konnten, sie uns geeinigt haben, ist: Kein Anschluß verschiedenen Märkten und in den zahlen keine Beiträge. Die Grundsätze an politische Organisationen. Dies in Zentren des sogenannten „Agribusi- der neuen Föderation sind eine Mi­ erster Linie deshalb, weil es eine Viel­ ness“-Sektors, auf Pilzfarmen zum Bei­ schung aus Grundsätzen der alten zahl verschiedener politischer Strö­ spiel. Durch diese Form von kollekti­ CUSA-Föderation wie der AZACTU- mungen innerhalb des Landes gibt, ven Aktionen waren wir in der Lage, Föderation. Der erste Grundsatz ist: und weil wir allen diesen Strömungen uns auszubreiten und auch in den „Arbeiterkontrolle“. Damit meinen wir, auch innerhalb unserer Föderation ent- ländlichen Gebieten mit der Organisie­ daß die Arbeiter die Angelegenheiten gegenkommen wollen. Wir glauben, rung von Farmarbeitem zu beginnen. der Föderation auf allen Ebenen kon­ daß keine politische Organisation ein Auf diesem Gebiet bleibt jedoch noch trollieren und lenken sollen. Auf allen Monopol auf den Befreiungskampf hat, eine enorme Arbeit zu tun. Innerhalb Ebenen der Föderation, angefangen und wir sind diesbezüglich zu dem der CUSA/AZACTU gibt es zwei von der lokalen Ebene über die regio­ Ergebnis gekommen, daß eine Verbin­ Gewerkschaften, die sich auf die Orga­ nale Ebene bis zur Zentrale stellen dung zu irgendeiner politischen Orga­ nisierung von Hausangestellten kon­ Delegierte der Arbeiter in allen Struk­ nisation auf dieser Stufe unseres zentrieren. Eines unserer vorrangigen turen die Mehrheit. Zwei Drittel der Kampfes nur bestimmte Probleme Ziele in diesem Jahr ist es, sicherzu­ Mitglieder jedes Organs der Gewerk­ schaffen würde. stellen, daß sich diese beiden Gewerk­ schaft müssen Delegierte der Arbeiter Der nächste Grundsatz, für den wir schaften zu einer starken Gewerkschaft sein. Die Macht der Funktionäre ist uns entschieden haben, ist der Grund­ der Hausangestellten vereinigen. auf diese Weise begrenzt satz strikter finanzieller Rechenschaft Der zweite Grundsatz, auf den wir und Kontrolle innerhalb der Gewerk­ „Wir wollen die Apartheid- Wirtschaft lahmlegen“ uns geeinigt haben, ist der Grundsatz schaft. der Führung durch die schwarze Arbei­ Wir respektieren die Unabhängigkeit Politische Berichte: Gibt es in Südafri­ terklasse. Nun könnte der Ausdruck jeder Gewerkschaft innerhalb der Fö­ ka so etwas wie Mindeststandards für „schwarz“ als rassistisch interpretiert deration. Das ist unser nächster Löhne, eine maximale Arbeitszeit pro werden, speziell im südafrikanischen Grundsatz. Jede Gewerkschaft in unse­ Tag, einen Mindesturlaub und Sozial­ Zusammenhang. Deshalb müßt ihr rer Föderation kann unabhängig über versicherungsschutz für schwarze Ar­ verstehen, wie wir den Ausdruck Aktionen beschließen, sie ist nur ge­ beiter, und was sind Eure Ziele in die­ „schwarz“ benutzen. Wir benutzen die­ bunden durch die Prinzipien, die die ser Hinsicht? sen Ausdruck, um alle unterdrückten Föderation sich gegeben hat. P. Camay: Gegenwärtig haben wir an und ausgebeuteten Menschen unseres Wir haben entschieden, daß wir ge­ alle Gewerkschaften die Losung ausge­ Landes einzuschließen, d.h. die soge­ gen Imperialismus, Sexismus und Dis­ geben, die 40-Stunden-Woche anzu­ nannten „afrikanischen“, die farbigen kriminierung in jeder Art sind. Und streben und die Mindestlöhne so hoch und die indischen Arbeiter unseres schließlich haben wir uns verpflichtet, wie irgend möglich anzuheben. Das ist Volkes. Ebenso sagen wir, daß die Ar­ für ein Programm vollständiger Sank­ natürlich abhängig von den Umstän­ beiterklasse den Kampf führen muß. tionen zu kämpfen, solange das rassi­ den der jeweiligen Region und Bran­ Wir definieren dabei Klasse als eine stische Minderheitenregime in unse­ che. So sind zum Beispiel die Löhne in Gruppe von Menschen, die eine ähnli­ rem Land besteht. der chemischen Industrie vergleichs­ che Lebensgrundlage und eine ähnli­ Politische Berichte: Die unabhängigen weise hoch, wegen der Kapitalstruktur che gesellschaftliche Stellung inneha­ schwarzen Gewerkschaften Azanias dieser Industrie, während die Löhne in ben und ähnliche Ziele vertreten. Nach haben in den letzten Jahren große der Nahrungsmittelindustrie ziemlich diesen Maßstäben haben die weißen Fortschritte gemacht im Kampf gegen niedrig sind. Wir wollen deshalb spe­ Arbeiter politische Macht und die poli­ das rassistische Regime. Was ist in ziell bei Nahrungsmittel-Unternehmen tische Kontrolle sowohl über die Öko­ Euren Augen der wichtigste Fort­ eine Anhebung der Mindestlöhne er­ nomie wie über die politischen Struk­ schritt? reichen. In den Lohnverhandlungen turen. Es ist deshalb für uns sowohl P. Camay: Unser wichtigster Grund­ versuchen wir stets, sicherzustellen, intellektuell wie praktisch unmöglich, satz ist, immer für die Einheit der Ar­ daß die höheren Lohngruppen eine sie in unsere Definition der Arbeiter­ beiterklasse einzutreten. Auf der prozentual geringere Lohnerhöhung klasse einzuschließen. Im Zusammen­ CUSA-Konferenz 1982 entschieden bekommen und die unteren Lohngrup­ hang mit dieser Frage haben wir auch wir, eine starke Gewerkschaft der Berg­ pen eine prozentual höhere. So streben Politische Berichte 06/87 Spezialberichte Seite 37 wir gegenwärtig in der Wein- und Al- legen. Ihr müßt dabei wissen, daß Sek­ der Austausch nuklearer Technologie koholgetränke-Industrie eine Lohner­ tion 50 des Gesetzes über die Innere und der Austausch von Waffentechno­ höhung von 35 Rand für alle an. In Sicherheit dies zu einem Verbrechen logie sind ebenfalls umfangreich. Wir den unteren Lohngruppen bedeutet und Wirtschaftssabotage erklärt, wofür glauben, daß die Arbeiter in Südafrika das eine Erhöhung von ca. 45%, wäh­ wir bis zu zwei Jahre inhaftiert werden uns ein festes Mandat gegeben haben, rend die prozentuale Erhöhung in den können. Aber wir nehmen das auf uns, zu erklären, daß wir die Apartheid be­ höheren Lohngruppen, wo die Leute in erster Linie, weil wir wissen, daß das enden müssen, was es auch kosten bis zu 800 Rand im Monat verdienen, internationale Kapital sehr sorgfältig mag. Wenn wir dafür mit 20 Jahren offensichtlich geringer ausfallen würde. und überlegt arbeitet, um die unter­ Gefängnis bezahlen müssen, oder mit Bei der Sozialversicherung und beim drückerische Apartheid, unter der wir dem Hunger von 300000 Arbeitern, Urlaub haben wir ebenfalls wichtige leiden, fortzusetzen. Gerade jetzt zum die jetzt von den multinationalen Fir­ Erfolge erzielt. In der chemischen In­ Beispiel heißt es, mehrere amerikani­ men in unserem Land ausgebeutet dustrie haben wir eine weitreichende sche Firmen zögen sich angeblich aus werden, dann ist das der Preis, den wir Vereinbarung für Schichtarbeiter er­ Südafrika zurück. In Wirklichkeit grup­ bezahlen werden. zielt. Bei ICI konnten wir ein Abkom­ pieren sie ihre Kapitalbasis um. Sie „Wir müssen gemeinsam men erreichen, wonach Arbeiter in arbeiten mit Krediten südafrikanischer Firmen wie BMW und Kontischicht nach der Nachtschicht-Pe­ Banken. Diese Kredite werden von den Daimler-Benz bekämpfen“ riode fünf Tage frei haben, bevor die amerikanischen Unternehmen, die in nächste Tagschicht beginnt Dies er­ Südafrika operieren, garantiert Mit Politische Berichte: In westdeutschen laubt den Leuten, ihren persönlichen diesen Krediten sind die weißen Mana- Zeitungen liest man, daß westdeutsche Bedürfnissen etwas nachzugehen, was ihnen während der Zeit kontinuierli­ cher Schichtarbeit nicht möglich ist Bezüglich des Urlaubs waren wir sehr erfolgreich bei der Durchsetzung des 1. Mai als bezahlter Urlaubstag. Dafür haben wir seit 1981 gekämpft Die er­ sten Feiern des 1. Mai unter den Fah­ nen der CUSA wurden 1981 durchge­ führt. In der Wein- und Alkoholgeträn- ke-Industrie erreichten wir bereits 1984, daß der 1. Mai ein bezahlter Fei­ ertag ist. Politische Berichte: Die imperialisti­ schen Regime in Westeuropa und den USA, die Hauptstützen des Regimes, wehren sich heftig gegen jede Forde­ rung nach Wirtschaftsboykott gegen das rassistische Regime. Ihr dagegen fordert einen umfassenden Wirtschafts­ boykott gegen Südafrika. Welche Ziele verbindet ihr damit? Und was ist Eure Antwort auf die reaktionäre Demago­ gie, wonach solche Sanktionen angeb­ lich vor allem die schwarzen Arbeiter treffen? Links: Mahlomola Skhosana mit der Vorsitzenden der Wäschereiarbeitergewerk­ P. Camay: Zuerst die Antwort auf dei­ schaft, Mrs. Molofe, beim Vereinigungskongreß von CUSA und AZACTU. ne erste Frage. Wir haben innerhalb Rechts: Pandali Nfolovhodwe, erster Stellvertreter des Generalsekretärs, und P. der CUSA unsere Haltung zu Sanktio­ Camay, Generalsekretär von CUSA/AZACTU. nen seit 1982 debattiert. Im Dezember 1984 hat eine Sitzung des Exekutivko­ ger dieser südafrikanischen Niederlas­ Unternehmen große Vorteile ziehen mitees von CUSA stattgefunden. Auf sungen in der Lage, diese Niederlas­ aus aus dem teilweisen Rückzug ande­ dieser Sitzung, die von Mahlomola sungen zu „besitzen“. Sie bekommen rer imperialistischer Firmen aus Süd­ Skhosana geleitet wurde, weil ich zu eine Frist von fünf Jahren, und mit afrika. So soll BASF infolge des „Rück­ der Zeit gerade erst aus der Haft ge­ den Profiten, die sie in diesen fünf Jah­ zugs“ von IBM seinen Marktanteil in kommen war, wurde ein Beschlußan­ ren machen, bezahlen sie die Zinsen Südafrika ausgeweitet haben, Daimler- trag eingebracht, für Wirtschaftssank­ ihrer Kredite. Nach fünf Jahren werden Benz hat sein Kapital in Südafrika er­ tionen Stellung zu beziehen. Dieser dann die Kredite von den amerikani­ höht usw. Was ist Eure Erfahrung mit Antrag beruhte auf einer Konferenz, schen Multis wieder erneuert. westdeutschen Unternehmen in Süd­ die einen Monat vorher stattgefunden Nun zum zweiten Teil deiner Frage. afrika? hatte. Diese Position für wirtschaftliche Wir haben sehr hart dafür gekämpft, P. Camay: Kurz gesagt: Unsere Erfah­ Sanktionen wurde dann sowohl inner­ den westdeutschen Arbeitern die Not­ rungen sind schlecht. Die grundsätzli­ halb der CUSA wie innerhalb der wendigkeit von Sanktionen bewußt zu che Position der westdeutschen Unter­ AZACTU parallel zu den Vereini­ machen. Wir wissen, daß der DGB nehmen ist, daß Apartheid und Rassis­ gungsverhandlungen debattiert. Diese ziemlich zurückhaltend ist, für umfas­ mus bestehen bleiben können, solange Position ist dann bekräftigt worden sende wirtschaftliche Sanktionen ein­ sie in der Lage sind, Profit zu machen. durch die abschließende politische Re­ zutreten. Zuerst einmal sind wir also Diesen Profit machen sie auf Kosten solution bei Gründung unserer Födera­ auf Widerstand unter den internationa­ der Arbeiter unseres Landes. Firmen tion, nämlich daß wir uns verpflichten, len Gewerkschaften gegenüber unserer wie BASF zum Beispiel verfolgen eine für umfassende wirtschaftliche Sanktio­ Forderung nach Sanktionen gestoßen. internationale antigewerkschaftliche nen zu kämpfen, solange das Minder­ Nach Großbritannien ist die Bundes­ politische Linie. Im Augenblick helfen heitsregime der Apartheid besteht republik der höchste ausländische In­ wir der US-amerikanischen Gewerk­ Unsere Absicht ist offenkundig: Wir vestor in Südafrika. Der westdeutsche schaft der Öl-, Chemie- und Energiear­ wollen die Apartheid-Wirtschaft lahm­ Handel mit Südafrika ist ziemlich groß, beiter bei ihrer Kampagne gegen die Seite 38 Spezialberichte Politische Berichte 06/87 antigewerkschaftliche Politik von BASF ein Arrangement, wo wir uns gegensei­ Bund Freier Gewerkschaften mit Sitz in den USA Wir glauben, daß diese tig Hilfe leisten, wo unser Kampf eu­ in Brüssel, d. Red.) und mit mehreren gewerkschaftliche Unterstützung eine rem Kampf helfen kann und die west­ führenden Gewerkschaftsvertretern aus Zwei-Bahn-Straße ist, wo wir Unter­ deutschen Abeiter ermutigt, sich zu verschiedenen westlichen Ländern zu stützung bekommen können von Ar­ organisieren. Wir betrachten dies als Besuch, die versuchten, gegen die Aus­ beitern in anderen Ländern, wo wir einen gegenseitigen Lernprozess. rufung des Notstands ihren Protest aber ebensogut Abeiter in anderen Von der Solidaritätsbewegung in vorzutragen und in die Townships zu Ländern unterstützen können. Wir hal­ Westdeutschland erhoffen wir uns eine kommen, um zu sehen, was dort ge­ ten es nicht für richtig, imperialistische populäre Unterstützung für unseren schieht Sie machten eine gute Erfah­ Tendenzen in einigen Gewerkschaften Kampf speziell gegen die multinationa­ rung. As sie versuchten, nach Aexan- zu tolerieren, sondern für uns soll ge­ len Unternehmen. Wir müssen ge­ der zu gelangen, wurden sie von Mili­ werkschaftliche Zusammenarbeit eine meinsam gegen Firmen wie BMW, tär gestoppt und für einige Zeit festge­ Zwei-Bahn-Straße sein, bei der Abei­ Daimler-Benz kämpfen und ihnen das halten. Sie erlebten so sehr praktisch, ter in anderen Ländern ebensogut Dasein überall schwer machen, wo sie was es heißt, in Südafrika auf der Seite durch unseren Kampf unterstützt wer­ anzutreffen sind, wo immer sie von der Unterdrückten zu sein, auf der Sei­ den können. Wenn in Westdeutschland Ausbeutung und Unterdrückung profi­ te derer, die ständig einstecken müs­ der Widerstand in den Fabriken, die tieren. sen. Schließlich gelangten sie dann Berichterstattung, der Klassenkampf Politische Berichte: Das rassistische doch nach Aexander, und dort sahen gegen die Wirtschaftsbeziehungen mit Regime hat in letzter Zeit seinen Ter­ sie, was es bedeutet, in diesem Town­ Südafrika zunimmt, dann wird man ror gegen das azanische Volk deutlich ship zu leben. Diese Stadt ist nämlich sehen, daß sich die westdeutschen Un­ verschärft. Welche Folgen hatte dies nur durch eine Straße geteilt Auf der ternehmen so wie die US-amerikani­ für die schwarzen Gewerkschaften? einen Seite sieht man eine Menge schen Unternehmen zurückziehen. Wir M. Skhosana: Noch immer sind tau­ schöner Häuser, mit Swimming-Pools, . glauben, der beste und der einfachste sende von Leuten im Gefängnis. Dar­ auf der anderen Seite sieht man dage-'v Weg dafür ist ein Sanktionsprogramm unter sind Funktionäre der Gewerk­ gen eine völlig andere Situation. Es ist, der EG. Ein solches Sanktionspro­ schaften, Vertrauensleute, Mitglieder, als ob man in verschiedenen Welten gramm sollte nicht Halt machen bei Studenten und Schüler, Mitglieder von reist. Diese Erfahrung hat die Delega­ einem Programm, wie es nun der US- Wöhngebietskomitees usw. Die Gefan­ tion gemacht Kongress beschlossen hat, einem Pro­ genen und ihre Familien werden so­ gramm voller Schlupflöcher. Es müßte wohl von den Gewerkschaften wie von „Wir sehen unseren Kampf wirklich ein Programm umfassender Seiten verschiedener Hilfsorganisatio­ als Teil eines nationalen Sanktionen sein. nen wie den Kirchen unterstützt. Im Befreiungskampfes“ Politische Berichte: Vor einiger Zeit großen und ganzen ist die Lage in den Politische Berichte: Eure Gewerkschaft besuchte Zakes Mofokeng, ein Vertre­ Townships heute so: Die Regierung ist eine der beiden großen schwarzen ter der SABMAWU, die Bundesrepu­ hat mit ihrer Armee geschafft, die Gewerkschaften oder weitgehend blik. Er berichtete damals u.a. über Townships zu besetzen. Sie werden schwarzen Gewerkschaften in Aania. den großen Fortschritt, den ihr bei der den Notstand nicht aufheben, weil sie Wo seht ihr den Hauptunterschied zu Organisierung der Arbeiter in den trotz der erfolgreichen Besetzung der dem anderen Gewerkschaftsbund staatlichen ESCOM-Werken gemacht Townships ihr Ziel nicht erreicht ha­ COSATU? habt, und schilderte, daß dieser Fort­ ben: Das Volk zum Gehorsam zu M. Skhosana: Die Unterscheidung zwi­ schritt noch viel größer sein könnte, zwingen. schen „schwarz“ oder „zumeist wenn die schwarzen Gewerkschaften Immer noch werden in zahlreichen schwarz“ kannst du zwischen der CO­ nicht so großen Mangel an technischen Townships keine Mieten gezahlt. Sie SATU und CUSAAZACTU nicht Hilfsmitteln, an Autos, aber auch Geld überlegen deshalb, das System der machen. Die COSATU hat keine wei­ für Ausbildungsprogramme und ähnli­ „Kommunalräte“ (vom Apartheid-Re­ ßen Mitglieder. Die Weißen bei COSA ches hätten. Wie hat sich Eure Lage in gime eingesetzte „Verwaltungsorgane“, TU sind Funktionäre. Bei den Mitglie­ dieser Hinsicht entwickelt, und was deren schwarze Mitglieder von den dern gibt es keinen Unterschied. Beide erwartet ihr an Hilfe von den westdeut­ Bewohnern der Townships von Anfang Gewerkschaftsbünde sind schwarze schen Gewerkschaften, von der Solida­ an als „Kollaborateure“ bekämpft wur­ Gewerkschaften, der einzige Unter­ ritätsbewegung in der BRD? den, d. Red.) verändern zu einem Sy­ schied zwischen uns und der COSATU P. Camay: Die wichtigste Solidarität, stem „regionaler Räte“, wo sie dann besteht in der Führung. Wir haben in die wir erwarten, ist eine moralische Unternehmen bilden wollen, die in der Bauindustrie weiße Mitglieder. In Solidarität auf Basis prinzipieller Un­ diesen Townships die Miete kassieren. der Gewerkschaft der Nahrungsmittel­ terstützung. Ich glaube nicht, daß wir Im Augenblick machen sie bei der Ver­ arbeiter haben wir auch weiße Mitglie­ Hilfe akzeptieren würden, wenn sie auf waltung der Townships Verluste, die in der. In der Rüstungsindustrie haben anderen ideologischen Positionen be­ die Millionen Rand gehen. In einigen wir auch ein paar weiße Mitglieder. ruhen würde und lediglich auf „Ver­ Townships sind die „Kommunalräte“ Aber wir machen über so was keinen besserung“ der Apartheid zielte. Wir vollständig zusammengebrochen. Sie Lärm. Wenn du zum Beispiel zu einer wollen, daß die Kräfte, die uns unter­ haben dann Verwalter direkt von der unserer Gewerkschaften gehst und stützen, sich verpflichten, die Apart­ Regierung aus ernannt, weil niemand fragst, wie viele weiße Mitglieder sie heid vollständig abzuschaffen. Wenn diese Positionen mehr wahmehmen haben, dann werden wir dir das nicht die Leute sich entschließen, den Ge­ wollte. sagen. Wir werden dir nur sagen, daß werkschaften zu helfen, sollten sie dies Politische Berichte: Wie ist die Unter­ wir Mitglieder haben. Der einzige Un­ nicht nur verstehen als eine Hilfe für stützung von Seiten internationaler terschied ist, daß wir glauben, daß die arbeitende Menschen. Sie sollten die Gewerkschaftsbünde gegen die Verhaf­ Abeiterklasse in unserem Land die am weiteren politischen Dimensionen un­ tung von Gewerkschaftsmitgliedern meisten unterdrückte Klasse ist. Und seres Kampfes klar sehen. Zweitens: und -funktionären in Südafrika? diese Abeiterklasse besteht nun ein­ Wir sind an mehr Hilfe von Seiten der ML Skhosana: As der Notstand ausge­ mal aus schwarzen Abeitern. Wir ak­ westdeutschen Abeiter interessiert im rufen wurde, hatten wir gerade eine zeptieren die Tatsache, daß es einige Sinne der „Zwei-Bahn-Straße“, die ich Delegation unter Führung des Gene­ wohlmeinende Weiße gibt. Wir akzep­ schon erwähnt habe. Wir sehen das als ralsekretärs des IBFG (Internationaler tieren die Tatsache, daß solche Leute Politische Berichte 06/87 Spezialberichte Seite 39

Johannesburg: AEG in unserem Kampf eine Rolle spielen. ten, die CAUSA, die im Hotel- und Azanias im Befreiungskampf, welche Aber wir sagen: Sie müssen ihren Bei­ Gaststättengewerbe arbeitet und gegen­ Rolle sollten sie haben? trag an der Basis leisten. Wie die Leu­ wärtig einen Konflikt auszutragen hat, ML Skhosana: Ich denke, wir haben te, von denen ich dir erzählt habe, die bei dem 10000 Arbeiter streiken, an sehr deutlich gemacht, daß wir unseren der Gewerkschaft beigetreten sind. Das uns gewendet. Diese Einzelgewerk­ Kampf als Teil eines nationalen Befrei­ ist in Ordnung. Wenn sie an der Basis schaft kam zu uns und bat uns in die­ ungskampfes sehen. Und wir werden der Gewerkschaft beitreten und wenn ser Auseinandersetzung um Unterstüt­ diese Rolle wahmehmen, den Befrei­ die Genossen ihnen vertrauen und sie zung. Wir stimmten ihrer Bitte zu und ungskampf sozial und wirtschaftlich nach den Statuten unserer Gewerk­ versprachen ihnen jede materielle Hil­ voranzubringen, auch wenn es bedeu­ schaft wählen, dann ist das auch in fe, die sie brauchen. Zuerst brauchten tet, daß wir Kampagnen beginnen Ordnung. Aber wir werden es nicht sie Flugblätter und Plakate, also druck­ müssen, die in gewissem Maße mit hinnehmen, wenn eine Intellektuelle, ten wir ihnen 40000 Stück. Dann bil­ Rückschlägen für die Gewerkschaften die aus der wirtschaftlichen und politi­ deten wir zusammen mit ihnen ein enden werden. Wir haben das getan schen Lage und aus ihrer Erziehung gemeinsames Komitee, das alle politi­ mit unserer Forderung nach Sanktio­ Vorteile ziehen, an die Universitäten schen Strömungen im Land umfaßte - nen, wir haben zu Boykottaktionen im gehen, dort ein paar Seiten Marx und die UDF, die Schwarze-Bewußtseins- Land aufgerufen. Und ich denke, die­ Lenin studieren und dann zu uns kom­ Bewegung, uns. Die Führung der gan­ ser Trend wird fortgesetzt werden. Wir men, um uns in unserem Kampf zu zen Kampagne lag aber weiterhin bei haben eine normale Erziehung ver­ belehren. Das lehnen wir ab. Wenn den Vertrauensleuten der CAUSA Al­ langt, wir haben uns an allen örtlichen diese Burschen sich uns anschließen so haben wir so die CAUSA unter­ Krisenkomitees im Land beteiligt. Die wollen, in Ordnung, aber an der Basis. stützt, mit ihnen gemeinsame Erklä­ Arbeiter werden auch weiterhin diese Sie sollen in die Fabriken gehen, durch rungen abgegeben, wir haben Telexe Rolle wahmehmen. die Tore, über denen „Nur für Weiße“ an die Arbeitgeberverbände geschickt, P. Camay: Gleichzeitig müssen wir steht, und dort unter den Arbeitern an einzelne Leute, von denen wir wis­ klar sagen, daß wir nicht zulassen kön­ arbeiten. sen, daß sie wichtige Geschäftsleute nen, daß irgendeiner den Befreiungs­ Politische Berichte: Gibt es eine Zu­ sind und auch Anteile an dem bestreik­ kampf für sich monopolisiert. Das sammenarbeit zwischen COSATU und ten Unternehmen haben. Wir glauben, muß von den Gruppen, die im Aus­ CUSA/AZACTU? daß wir so einen Beitrag leisten konn­ land unseren Kampf miterleben, sorg­ ML Skhosana: Wir haben keine offiziel­ ten zugunsten des Streiks dieser Arbei­ fältig bedacht werden. Ihr müßt sehr le Zusammenarbeit. Wir haben einen ter, und vielleicht überdenkt das Ma­ klar verstehen, daß wir nicht zulassen Brief an die COSATU geschrieben, in nagement jetzt die Forderungen der können, daß verschiedene Gruppen dem wir auf unser gemeinsames Ziel Arbeiter. So haben wir also einen Bei­ von Leuten, die außerhalb des Kamp­ hinweisen und sie fragen, ob und wo trag geleistet, weil einer unser Grund­ fes stehen, angewiesen werden, wie sie sie eine Zusammenarbeit wünschen. sätze lautet: Wir wollen die Einheit der den Kampf führen sollen. Die revolu­ Bei zwei Gelegenheiten hat nun die Arbeiter, was auch immer sie kosten tionärste Kraft ist der Kampf der Arbei­ COSATU versucht, zwei Boykottstreiks mag. Wie ich schon sagte: Wenn du dir ter, die unseren Kampf führen. Wir zu organisieren. Beide schlugen völlig die beiden Gewerkschaftsbünde an­ haben eine Aufgabe, und wir werden fehl. In der Vergangenheit, vor der schaust, dann siehst du, sie bestehen diese Aufgabe erfüllen, weil das unsere Gründung von COSATU und CUSA/ beide weitgehend aus Schwarzen, sie Pflicht ist. AZACTU, pflegten wir gemeinsame haben die selbe Kultur, wir leben in Politische Berichte: Wir danken Euch Komitees zur Planung und Durchfüh­ den gleichen Townships usw. Es gibt für dieses Gespräch. rung solcher Boykotte zu schaffen. also viele Gemeinsamkeiten. Jetzt war­ Nun beschlossen sie, es alleine zu ver­ ten auf die Antwort des Zentralkomi­ Anmerkung: CUSA/AZACTU ist un­ suchen, und kein einziges Mal hatten tees der COSATU auf unseren Brief. ter folgender Anschrift zu erreichen: sie Erfolg. In den letzten zehn Wochen Politische Berichte: Welche Rolle ha­ CUSA/AZACTU, P.O.Box 10928, Jo­ hat sich nun eine ihrer Gewerkschaf­ ben die schwarzen Gewerkschaften hannesburg 2000, South Africa. Im nächsten Heft

desratsmehrheit sichern und sich ein Regierungserklärung neuerliches Mandat für ihr reaktionä­ Die Situation für die politische Opposi­ res Programm verschaffen. Viel hängt tion ist kompliziert: Wichtige Teile des davon ab, wie sich SPD und Grüne Regierungsprogramms, das Kohl in gegen dieses Programm abgrenzen. dieser Woche im Bundestag unterbrei­ Schon vor den Wahlen hat die SPD tet, sind in der Öffentlichkeit noch gar Bereitschaft zur Zusammenarbeit z.B. nicht richtig bekannt, und schon in bei der Rentenreform angekündigt. wenigen Wochen will die Regierungs­ Welche Interessen wollen SPD und koalition durch einen Sieg in den Hes­ Grüne gegen das Regierungsprogramm senwahlen auf Jahre hinaus die Bun­ fördern?

China: Getreideproduktion fällt - droht Agrarkrise? Nach einem kontinuierlichen und seit Ende der 70er Jahre sogar rapiden Anstieg der Getreideproduktion seit fast zwei Jahrzehnten verzeichnete die VR China sowohl 1985 als auch 1986 einen absoluten Rückgang der Getreideproduktion. Diese Entwicklung, die durch die Auflösung der Volkskommunen und die Repri­ vatisierung der Landwirtschaft ausgelöst ist, gefährdet nicht nur die Lebensmittel­ versorgung, sondern berührt auch andere Wirtschaftszweige und könnte die rela­ tive Stabilität in der VR China viel einschneidender erschüttern als etwa die Stu­ dentendemonstrationen der letzten Monate. Außerdem: Es sind gerade die reich­ sten Bauern, die die Getreideproduktion aufgegeben haben.

und sogenannte selbständige (schwer Monotonie wird ausgedehnt zu kontrollierende) Arbeiten wurden Im Elektroindustriebetrieb fuba ver­ gezielt gegen Null gesenkt. Kopfarbeit schärften sich in den letzten zehn Jah­ - in diesem Fall sind auch Verständ­ ren innerhalb der Nichtakkordbereiche nisfragen zum zu bearbeitenden Pro­ die inoffiziellen Vorgabezeiten erheb­ dukt darunter gefaßt - bleibt arbeits­ lich. Darüber hinaus steuern Planungs­ organisatorisch Meistem usw. Vorbe­ und Vertriebsabteilungen mittels Ter­ halten. Gewiefte Zergliederung und minvorgaben die Tätigkeiten in den Automatisierung komplexer Arbeits­ Zeitlohnabteilungen. Fazit: akkordähn­ abläufe dehnen monoton-intensive liche Arbeitsbelastungen. Freiräume Arbeit rasant aus.

Gernika - 50. Jahrestag des Nazibombardements Am 26. April 1937 bombardierte die faschistische Legion Condor die baskische Stadt Gernika. Mit der Bombardierung Gernikas wollte der vereinigte Hitler- und Franko-Faschismus eine Bastion der spanischen Repubik zerschlagen. Der deut­ sche Faschismus bereitete den zweiten Weltkrieg vor. - 1987 haben sich baski­ sche Organisationen mit einem Aufruf zur Unterstützung der Kampagne Gernika an die antifaschistische, antimilitarisische und Friedensbewegung in Europa ge­ wandt Die Volksfront gegen Reaktion Faschismus und Krieg unterstützt diesen Aufruf und gibt zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft für Auslandsberichter­ stattung ein Informationsblatt heraus.

Politische Berichte dustrie - Nachrichten Stahl- und Metall­ Bestellungen sind zu richten an: Zeitschrift des Bundes Westdeutscher industrie. Preisje Heft 1,20 DM GNN Verlagsgesellschaft Kommunisten - erscheint vierzehntäglich, Arbeitsgemeinschaft für Kommunalpolitik Politische Berichte m.b.H. Preis 2,50 DM - Nachrichten, Analysen, Mitteilungen. 5000 Köln 1, Zülpicher Straße 7 Nachrichtenhefte erscheinen vierzehn­ Preisje Heft 1,20 DM täglich, Preis pro Heft: Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft Me­ GNN Verlagsgesellschaft Schleswig- - Chemie und übrige Industrien 0,50DM dien in der Volksfront. PreisjeHefto,50DM Holstein/Hamburg - Handel,Banken, Versicherungen 0,80DM Arbeitsgemeinschaft Jugend, Militär, Ge­ Güntherstr. 6a, 2000 Hamburg 76 Herausgeber fängnisse - Nachrichten Jugend, Militär, GNN Verlagsgesellschaft Westberlin Zentrales Komitee des Bundes West­ Gefängnisse. Preisje Heft 1,20 DM Helmstr. 8, 1000 Westberlin 62 deutscher Kommunisten (BWK) - Arbeitsgemeinschaft gegen reaktionäre GNN Verlagsgesellschaft Niedersachen/ 5000 Köln 1, Zülpicher Straße 7 Gesundheitspolitik. Informationsdienst Tel.: 0221/21 64 42 Gesundheitspolitik. Preisje Heft 1,20 DM Bremen Sie erscheinen im Verlag GNN Verlags­ Bezugsbedingungen wie Nachrichtenhefte. Große Düwelstr. 55, 3000 Hannover 1 gesellschaft Politische Berichte m.b.H. Bezugsbedingungen: Ein Halbjahresabon­ BWK Nordrhein-Westfalen 5000 Köln 1, Zülpicher Straße 7 nement Politische Berichte kostet 45,50 Zülpicher Straße 7, 5000 Köln 1 Tel.: 0221/21 16 58 DM, ein Jahresabonnement Politische Be­ GNN Verlagsgcscllschaft Baden- Im Verlag GNN erscheint vierzehntäglich: richte 91,- DM. Preise für Nachrichten­ Württemberg Arbeitsgemeinschaft für Revolutionäre hefte bzw. Politische Berichte und Nach- Waldparkstr. 9, 6800 Mannheim 1 Hochschulpolitik - Nachrichten, Analysen, richtcnhefte entsprechend, also Einzel­ Protokolle. Preisje Heft 1,20 DM preiseplus i,-DM Portopauschale mal An­ GNN Verlagsgesellschaft Bayern Arbeitsgemeinschaft Stahl- und Metallin­ zahl der Lieferungen. Lerchenauer Str. 18 a, 8000 München 40

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