Dietrich Bonhoeffer Sein Weg - Sein Kurzes Leben Siegfried Kratzer Am Kommenden Tag Neue Mieter Einquartiert Werden
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„Von guten Mächten wunderbar geborgen…“ Dietrich Bonhoeffer sein Weg - sein kurzes Leben Siegfried Kratzer am kommenden Tag neue Mieter einquartiert werden. Eine halbe Stunde später bat Nachbarin Schöne die Bonhoeffers flehentlich, dass doch das junge Paar bei ihr einziehen möge, bevor fremde Mieter ihr zugewiesen werden würden. Theologie – seine Entscheidung Als Dietrich seiner Familie eröff- Wohnhaus der Familie Bonhoeffer von 1916 bis 1935 in Berlin Grunewald nete, dass er Theologe werden wolle, erntete er bei seinem Vater Kopfschütteln und bei seinen Brüdern Spott. Ihm, dem Prägung in Elternhaus und Familie 17jährigen Abiturienten, der mit schulischen und musikalischen Dietrich Bonhoeffer stammte aus einem gut bürgerlichen Haus. Sein Vater, Karl Höchstleistungen glänzte, stan- Bonhoeffer, war anerkannter Professor für Psychiatrie und Neurologie an der Berliner den doch ganz andere Mög- Charité. Dessen liberale Vorfahren bekleideten als Ratsherren und Bürgermeister in lichkeiten offen. Und als sein Schwäbisch Hall und Ulm hohe Ämter. Bruder Karl ihm vorhielt, was für Die Mutter, Paula Bonhoeffer geb. von Hase, war Lehrerin und hatte Künstler, Musiker ein »kleinbürgerliches, langwei- und bekannte Theologen in ihrer Ahnenreihe. Die Kinder unterrichtete sie bis zum liges und schwächliches Gebilde achten Lebensjahr selbst, weil sie den deutschen Schulen preußischer Prägung sehr die Kirche sei«, entgegnete ihm skeptisch gegenüberstand. Bekannt ist ihr Ausspruch, dass den Deutschen im Leben Dietrich: »Dann werde ich eben zweimal das Rückgrat gebrochen werde, zuerst in der Schule, dann beim Militär. Durch diese Kirche reformieren.« ihren früheren Kontakt mit der Herrnhuter Brüdergemeine war Paula Bonhoeffer auch Waren es möglicherweise prä- pietistisch geprägt, pflegte aber trotz der weit entfernten bürgerlichen Kirchlichkeit gende Kindheits- und Jugend- ihrer Familie durch Singen von Kirchenliedern und gemeinsames Lesen in der Bibel erlebnisse, die ihn zu diesem einen mehr »hausgemachten« Frömmigkeitsstil. Ihr Vorbild war prägend für die spätere Schritt veranlassten? Es wird »Selbstlosigkeit, Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft« ihrer acht Kinder. eine Mutmaßung bleiben. Die Dietrichs Vater schrieb später, dass die reiche Welt der Vorfahren seinem Sohn die häuslichen Andachten der Maße für das eigene Leben vermittelt habe, dass er dieser Herkunft eine »Sicherheit Mutter, die Erzählungen bibli- des Urteils und des Auftretens« verdanke, »wie sie nicht in einer Generation erworben scher Geschichten, eine beein- werden kann.« druckende Evangelisationsver- Carl Friedrich von Weizsäcker hat Bonhoeffers Familie, und hier v.a. seine Brüder und sammlung mit dem Gründer der seinen Vater, zu den »intellektuellen Trägern des modernen Bewusstseins« gezählt, Heilsarmee, General Bramwell eine Schicht, die »den christlichen Inhalten ständig ferner rückt.« Booth – all dies, hinterließ Es ist mehr als eine lustige Geschichte, die von dem jugendlichen Bonhoeffer berich- sicherlich bei dem feinfühligen tet wird, weil sie bereits Intentionen seiner späteren »Ethik der Verantwortung« und Kind Dietrich tiefe Spuren. Weit seines Einsatzes für den Menschen schlechthin erkennen lässt: über das zehnte Lebensjahr Die Hausangestellte der Bonhoeffers, Maria Horn, hatte Dietrichs Lehrer geheiratet. Das hinaus erinnerten sich er und junge Paar suchte intensiv, aber vergeblich, nach einer Wohnung. Auch die Nachbarin seine Zwillingsschwester Sabine in Grunewald war trotz Bitten der Bonhoeffers nicht bereit, ein oder zwei ihrer drei täglich vor dem Einschlafen, unbelegten Zimmer herzugeben. Daraufhin rief Dietrich bei ihr an und gab sich als intensiv an das Wort »Ewigkeit« Angestellter des Wohnungsamtes Grunewald aus. Mit verstellter Stimme teilte er im zu denken, um ihr dadurch amtlichen Ton mit, dass auf Grund der noch freien Räume im Hause Schöne schon auch näher zu kommen. Auch die Abendmahlsfeier bei der Sein positives Verhältnis zum Katholizismus Konfirmation seiner jüngeren Schwester war für Bonhoeffer Ein einschneidendes Erlebnis war für den achtzehnjährigen Bon- ein tiefgehendes Erlebnis. Als hoeffer der Besuch in Rom bei einer Studienreise, die er zusammen er von da an möglichst oft mit seinem Bruder Klaus unternahm. Dabei faszinierten ihn die zum Abendmahl gehen wollte, katholische Atmosphäre, die hinreißenden Gottesdienste mit der bremste ihn seine Mutter mit gewaltigen Musik im Petersdom und in anderen Kirchen. Immer dem Hinweis auf die protestan- wieder zog es ihn dorthin. Tief bewegt war er von der Inbrunst von tische Tradition, am Abendmahl Kindern und Erwachsenen bei deren Beichte. In seinem Tagebuch nicht so häufig teilzunehmen. notierte er: »Die Beichte ist für primitive Menschen die einzige Darauf Dietrich bestimmt: »Ich Möglichkeit, mit Gott sprechen zu können, für religiös Weiterbli- bin gern eingeladen, wo man ckende die Vergegenständlichung der Idee der Kirche, die sich in mich gern hat.« Beichte und Absolution vollzieht.« Und weiter: »…ich fange, glaube Der Kriegstod seines Bruders ich, an, den Begriff ‚Kirche‘ zu verstehen«– und damit meinte er Walter und die nachfolgend die Einheit der Kirche über Rassen- und Landesgrenzen hinweg. lange und tiefe Depression In einer Diskussion mit einem Priesterschüler unterschied er aber seiner Mutter werden auch nicht auch schon damals: »Beichte und Beichtdogmatik ist ein gewaltiger ohne Wirkung auf die Entschei- Unterschied. ‚Kirche‘ und ‚Kirche in der Dogmatik‘ leider ebenso.« dung des 13jährigen gewesen Es kann getrost behauptet werden, dass bereits bei der Romreise sein. Paula Bonhoeffers Glaube 1924 der Grundstein für seine spätere ausgeprägte ökumenische war so groß, dass sie gegen Gesinnung gelegt worden ist. den Wunsch ihrer Familie durch- setzte: »Bei Walters Beerdigung soll das Lied ‚Was Gott tut, das ist wohlgetan‘ gespielt werden.« Suche nach dem eigenen Standpunkt Carl Friedrich von Weizsäcker hat es 1976 in einer Gedenk- Die Begegnungen des jungen Theologiestudenten mit den aka- feier für Bonhoeffer mit Rück- demischen Lehrern Adolf von Harnack, Karl Barth und Karl Holl sicht auf die religiösen aber führten anfänglich zu einer tiefen Zerrissenheit. Der theologisch auch antikirchlichen Tendenzen liberale Harnack galt in Nachfolge von Friedrich Schleiermacher in dessen Familie so gesagt: als der Hauptvertreter der historisch-kritischen Methode. Für ihn »Ein Kind kann, unbeschadet war es unwissenschaftlich und auch irreführend, biblische Texte, seiner kindlich-natürlichen so wie sie in der Bibel stehen, unreflektiert in voller Gültigkeit Entwicklung ein schweigsames stehen zu lassen. Erst nach einer religionsgeschichtlichen und und intensives Leben mit Gott historisch-kritischen Untersuchung sollten sie nach ihrer gegenwär- haben, für das ihm die Umwelt tigen Bedeutung befragt und so für den Zeitgenossen zugänglich nur die kulturell geprägten gemacht werden. Formen bietet, in welchen es Für Karl Barth hingegen waren biblische Texte nicht historische seine innere Erfahrung ausbil- Quellen, die es zu untersuchen galt; für ihn waren sie »Träger der den kann. Es scheint mir, dass Offenbarung«, »heiliger Kanon«. Biblische Texte sprechen seiner Dietrich Bonhoeffers Lebens- Meinung nach den Leser und Hörer direkt an. Barths Theologie quelle bis zu seinem Tode eine hob sich damit auch deutlich von der Konzeption Karl Holls ab, solche in der Kindheit eröffnete der als Vertreter der »Luther-Renaissance« galt mit ihrer »strikten und vielleicht nie einem Men- Orientierung am lutherischen Bekenntnis«. schen gegenüber voll ausge- Obwohl Bonhoeffer die Barthsche Theologie tief beeindruckte – sprochene Erfahrung war.« auch deshalb, weil er darin eine Möglichkeit sah, seine Vorstellung von Kirche und Gemeinschaft Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus der Gläubigen zu verwirklichen. Er versuchte jedoch auch den Die Familie Bonhoeffer stand bereits zur Zeit der Weimarer Republik dem aufkom- kritischen Ansatz Harnacks auf- menden Denken der Nationalsozialisten sehr kritisch gegenüber. Die demagogischen zugreifen, und in seinen kämpfe- Propagandareden Hitlers – noch vor seiner Machtergreifung – wurden von Vater rischen Auseinandersetzungen mit Bonhoeffer als »psychopathisch« eingestuft. Auch der Antisemitismus war der den »Deutschen Christen« 1933 Familie fremd. Die Tochter Sabine und Zwillingsschwester von Dietrich hatte sich berief er sich auf das lutherische mit einem judenchristlichen Juristen verlobt. Franz Hildebrandt, Dietrichs engster Bekenntnis. Studienfreund, war ebenfalls jüdischer Abstammung, und die Bonhoeffers hatten Trotz der hohen Verehrung für in Grunewald gute Beziehungen zu ihren jüdischen Nachbarn. seine akademischen Lehrer und Zwei Tage nach der Machtergreifung setzte sich Dietrich Bonhoeffer mit kritischen im Besonderen für Karl Barth war Anmerkungen zum Führerprinzip in einer Rundfunkrede auseinander und warnte Bonhoeffer stets bemüht, nicht davor – ohne Hitler namentlich zu erwähnen – dass aus einem Führer sehr schnell als »Schüler« oder Epigone eines ein Verführer werden kann. Vermutlich wegen Überlänge wurde diese Rundfunk- anderen zu gelten. Konsequent sendung vorzeitig abgeschaltet. versuchte er in der Tradition seines Elternhauses seinen eige- nen theologischen Standpunkt zu entwickeln: Jesus als Grund der Kirche war für ihn nicht »Lehrer« oder »Vorbild«, wie etwa bei Mauerinschrift Harnack; er war auch nicht der gegen die »Auferstandene« wie es Karl Barth »Bekennende Kirche« gesagt hat; für Bonhoeffer war Jesus der auferstandene »Christus Durch die nationalsozialistischen