Umgang Mit Naturgefahren L
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l Umgang mit Naturgefahren l Impressum Herausgeber Amt für Wald, Natur und Landschaft des Fürstentums Liechtenstein, Vaduz Autoren Jürg Zürcher, Stephan Wohlwend Gestaltung/Satz Grafik, Sabine Bockmühl, Triesen Druck Gutenberg AG, Schaan © AWNL, Juli 006 Naturgefahren im Fürstentum Liechtenstein Das Leben der Menschen und deren Güter werden seit jeher durch Naturgefahren l beeinträchtigt. Während vielerorts klimatische Extremsituationen, Erdbeben oder Vul- kanausbrüche zu den wichtigsten Gefahren zählen, bilden in unseren Gebirgslagen die Prozesse Rutschungen, Hochwasser, Rüfen, Steinschlag und Lawinen die wich- tigsten Bedrohungen. Schadenereignisse, wie wir sie in den vergangenen Jahren mehrmals erlebten, machen uns bewusst, wie klein wir Menschen gegenüber diesen Naturgewalten sind und wie beschränkt die Auswahl der Mittel ist, um uns davor zu schützen. Oben: Blockschlag Oberplanken 996 Rechts: Rheintalseitige Hanglagen oberhalb Schaan und Vaduz. Mühleholz- und Quaderrüfe durchqueren den breiten Schutzwaldgürtel. Bisheriger Umgang mit Naturgefahren l Die ehemaligen Siedler konnten den Gefahrenstellen weitgehend ausweichen. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung und der Intensivierung der Landschaftsnutzung er- gaben sich jedoch zunehmend Konflikte. Insbesondere während der letzten Jahrzehnte führten die Bevölkerungszunahme, die Ausdehnung der Siedlungen, Industrie- und Gewerbeareale, die ständige Wertsteigerung des Bodens , die Verkehrszunahme mit gleichzeitiger Verdichtung des Strassennetzes, nicht zuletzt aber auch die Vielfalt an Freizeitaktivitäten, welche sich auf einem grossen Teil der Landesfläche abspielen, zu einem enormen Anwachsen des Schadenpotenzials und der Schutzbedürfnisse. Die derzeitige Klimaerwärmung beeinflusst die Aktivität der Gefahrenprozesse zusätzlich und wird die Gefahrensituation zukünftig noch verschärfen. Oben: Lawinenereignis Malbun 999. Zerstört resp. beschädigt wurden diverse Ferienhäuser mit einer Schadensumme von ca. CHF 6 Mio. Links: (Liecht. Volksblatt, 5. Januar 95): Bereits 8 Jahre früher ereignete sich ein vergleichbarer Lawinenabgang mit einer damals auf CHF 80 bis 00‘000.– geschätzten Schadensumme. Das enorme Anwachsen des Schadenpotenzials innerhalb dieses Zeitraums wird aus dem Vergleich der Schadensummen ersichtlich. Der Mensch strebt, auch wenn er sich als Einzelner zunehmend risikoreicheren Ver- l 5 gnügen hingibt, nach Sicherheit. Deshalb wurde schon seit langer Zeit durch das Meiden gefährdeter Areale sowie die Durchführung technischer und forstlicher Massnahmen die Gefährdung reduziert. Bei der Realisierung dieser Schutzvorkehrungen orientierte man sich ursprünglich in erster Linie an eingetretenen Schadenereignissen: Mit den auszuführenden Verbesserungen sollten sich derartige Schäden in Zukunft nicht wiederholen können. Präventive Massnahmen folgten erst punktuell. Systematische zukunftsgerichtete Gefahrenbeurteilungen wurden in Liechtenstein ab 97 für Lawi- nen durchgeführt. Oben: Verkehr früher: Holztransport mit «Schlosserchara» (Foto Josef Eberle, Triesenberg) Rechts: Strassendorf Triesen 96 (Aufnahme Foto Gross AG, St.Gallen) Oben: Verkehr heute: Überfüllter Parkplatz beim Erholungsgebiet «Kleinsteg» Rechts: Flächige Überbauung von Triesen 00 Heutiger Umgang mit Naturgefahren 6 l Das rasant angewachsene Schadenpotenzial, die steigenden Ansprüche an Mobilität und Kommunikation sowie die deutliche Abnahme der Risikotoleranz der Bevölke- rung führen zu einem gesteigerten Schutzbedürfnis. Finanzielle, ökologische, land- schaftsschützerische und auch technische Gründe lassen jedoch die Realisierung von Schutzverbauungen nur in beschränktem Ausmass zu. Wohl oder übel werden wir daher auch in Zukunft mit den Naturgefahren leben müssen. Um mit dieser Situation umgehen zu können, wurde eine neue Strategie entwickelt: An die Stelle einer reinen Gefahrenabwehr tritt ein neuer, verantwortungsbewusster Umgang mit den Naturgefahren, eine neuzeitliche Risikokultur. Diese basiert auf folgenden Kernfragen: • Was kann überhaupt passieren? Links: • Was darf nicht passieren? Oder andersherum gefragt : Grundlawinen fördern die Erosion durch Abschälen der Bodenoberfläche Was kann zugelassen werden? Rechts: • Was ist folglich zu tun? Heute verwendeter Integraler Risikoansatz, welcher die Naturgefahrenproblematik aus ganzheitlicher Sicht betrachtet (Darstellung Auf diese Fragestellungen soll im Folgenden eingegangen werden. Planat, 005) Vorsorge eign Einsatz • Organisation Er is • Alarmierung • Mittelplanung • Rettung • Einsatzplanung • Schadenwehr B • Info/Verhaltens- • Ausbildung g e • Warnung n w anweisungen u • Information g ä l u t Instandstellung i e g • Provisorische b u Instandstellung r n • Versorgung o Prävention g V • Endsorgung Massnahmen: • Transportsysteme • Raumplanerische • Kommunikation • Baulich-technische R • Biologische e n generatio Wiederaufbau • Def. Instandstellung • Rekonstruktion • Erhöhung der Widerstandsfähigkeit Was kann passieren? l 7 Naturgefahrenkartierung Um die Beantwortung dieser Frage zu ermöglichen, wurde im Waldgesetz von 99 sowie in der entsprechenden Verordnung von 995 die Schaffung einer landesweiten Naturgefahrenkarte gefordert. Als erster Schritt dazu wurde in Zusammenarbeit mit Fachleuten der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft ein Kartierungskonzept evaluiert, welches den Bedürfnissen Liechtensteins entspricht. Von einer verwaltungsinternen Arbeitsgruppe, deren Mitglieder sich aus den ver- schiedenen in diese Problematik eingebundenen Amtsstellen rekrutieren, wurden die Vorbereitung und Durchführung der Naturgefahrenkartierung begleitet. Die Projektrealisierung erfolgte unter Federführung des Amtes für Wald, Natur und Landschaft. Für die eigentlichen Kartierungsarbeiten kamen amtsinterne Gefah- renspezialisten sowie diejenigen der Abteilung Rüfen und Gewässer zum Einsatz. Links: Anriss einer Hangmure, Vor allem für die schwierige Beurteilung der komplexen Bewegungsabläufe in den Burkat, Triesenberg 995 beiden grossen Rutschgebieten Triesenberg-Triesen und Schlucher, Malbun, sowie Rechts: für die Lawinenkartierung im Gebiet Malbun-Steg wurden ausländische Fachleute Geomorphologische Kartierung. Rutschgebiet Triesenberg-Triesen beigezogen. 8 l Bei der Naturgefahrenkartierung geht es darum, das Ausmass der Gefährdung durch die verschiedenen Prozesse zu ermitteln. Diese «Gefährlichkeit» hängt sowohl von der Häufigkeit als auch der Intensität eines Ereignisses ab. Häufige, aber wenig intensive Ereignisse können daher in der gleichen Gefahrenstufe aufscheinen wie seltenere, aber intensivere Ereignisse. Für Siedlungs- und Industriegebiete werden vier farblich abgestufte Gefahrenstufen (rot, blau, gelb, weiss) ausgeschieden. Diese feine Abstufung kann nur durch intensive Analyse der örtlichen Gefahrensituation geschehen. In land- und forstwirtschaftlich genutzten Gebieten kommt eine gröbere Unterteilung, die sich an der Beeinträchtigung der entsprechenden Flächenbewirtschaftung Unten: Steinschlagereignisse können durch orientiert und deren Gefahrenstufen andere Farben umfassen, zur Anwendung. In Netzkonstruktionen aufgefangen werden. land- und forstwirtschaftlich nicht genutzten Naturlandschaften erfolgt lediglich ein Gefahrenhinweis. Das Ergebnis der Kartierungsarbeit liegt seit 00 in neun einzelnen Karten sowie ausführlichen Beschreibungen vor. Diese zeigen die Ausdehnungen und Auswirkungen möglicher Schadenereignisse für die Prozesse Lawinen, Steinschlag, Rutschung so- wie Rüfen. Die Hochwassergefahren werden nur teilweise wiedergegeben, denn die vom Rhein und den übrigen Talgewässern ausgehenden Gefährdungen und deren Auswirkungen werden erst in einer zweiten Etappe in engem Kontakt mit den Nachbarländern bearbeitet. Links: Vierstufige Gefahrenkarte (rot, blau, gelb, weiss) im Siedlungsbereich. Rechts: Dreistufige Gefahrenkarte (violett, dunkelgrün, hellgrün) in land- und forstwirtschaftlich genutztem Gebiet. Risikokartierung l 9 Die Angaben in der Naturgefahrenkarte umfassen jedoch nur einen Teil der Gesamt- informationen zu diesem Thema. Liegt beispielsweise ein kartiertes Gefahrengebiet im Alpenraum und ein vergleichbares im dicht besiedelten Talgebiet, so sind trotz gleicher Gefahrenstufe deren Auswirkungen völlig unterschiedlich. Dieses als Risiko bezeichnete Verhältnis zwischen Gefahrenpotenzial und Schadenpotenzial wird daher in einem weiteren Arbeitsschritt ermittelt. Dabei wird das mögliche Schadenausmass und die Schadenhäufigkeit abgeklärt. Es stellt sich dementsprechend die Frage: «Welche Empfindlichkeit besitzen die betroffenen Schadenobjekte?». Durch die Kom bination des Schadenausmasses mit der Schadenhäufigkeit kann das Risiko für ein bestimmtes Objekt errechnet werden. In Liechtenstein wurde 00 nach dieser Theorie auf Basis der bestehenden Ge- fahrenkarten, Zonenpläne sowie anderer Vermessungsdaten innerhalb der diver- sen Baugebiete eine Risikoübersicht erstellt und ebenfalls in neun einzelnen Kar- tenblättern, analog der Gefahrenkarte, dargestellt. Der Vergleich dieser Karten zeigt deutlich den Unterschied zwischen Risiko und Gefahr (grosse Gefahr ist nicht gleich grosses Risiko und umgekehrt). Vergleich von Gefahren- und Risikokarte. Rote Gefahrenstufe verursacht in diesem Fall nur ein geringes Risiko, da kein Schadenpotenzial vorhanden ist. 0 l Was darf passieren – und was eben nicht? Risikobewertung Nachdem das Risiko bekannt ist, muss dessen Bedeutung eingeschätzt werden. Dabei geht es grundsätzlich darum, zu entscheiden ob das vorhandene Risiko akzeptiert werden soll oder ob es zu beseitigen ist. Es